Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 19. Jan. 2015 - I-14 U 113/14
Gericht
Tenor
Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen und sich zur etwaigen Rücknahme des Rechtsmittels zu erklären.
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G R Ü N D E
2Die Berufung der Klägerin hat nach dem gegebenen Sachstand offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Da die zugrunde liegende Rechtssache keine grundlegende Bedeutung hat, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht veranlasst ist und eine Entscheidung durch Urteil auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, soll über das Rechtsmittel ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden werden.
3Die Beklagte wendet sich nur mit rechtsunerheblichen Berufungsangriffen gegen das angefochtene Urteil. Die Berufung kann gemäß §§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Solche Umstände zeigt die Berufungsbegründung der Klägerin nicht in verfahrensrechtlich beachtlicher Weise auf.
41. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie richtet sich nach dem Zusammenhang der klägerischen Rechtsverfolgung erkennbar gegen die Erste Abwicklungsanstalt als alleinige Beklagte.
5Das Prozessvorbringen einer Partei ist so auszulegen, wie es nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrem Interesse entspricht (BGH, Urteil vom 26. Juli 2004 – VIII ZR 281/03 –, juris). Nachdem die Klägerin sich erstinstanzlich in unmissverständlicher Weise dazu erklärt hat, dass sich die Klage nicht mehr gegen die zunächst in Anspruch genommene Beklagte zu 1) richten sollte und auch die angefochtene Entscheidung diesen Parteiwechsel zugrunde gelegt hat, ist die in der Berufungsbegründung erfolgte Falschbezeichnung unschädlich.
6Die Berufungsschrift enthält die zutreffende Parteibezeichnung. Nach dem Zusammenhang des Berufungsvortrags ist ebenfalls nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin sich nicht mehr an die geänderte Prozesssituation gebunden sehen wollte. Es bestand daher – auch aus der Sicht der früheren Beklagten zu 1) – und besteht auch derzeit keine sachliche Veranlassung, von einer Prozessbeteiligung der früheren Beklagten zu 1) im Berufungsverfahren auszugehen.
72. In der Sache hat das Landgericht die Klage mit Recht abgewiesen. Die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch sind im Zusammenhang mit den durch Swap-Geschäfte ergänzten Darlehensvereinbarungen nicht schlüssig dargetan worden. Ein solcher Anspruch ist insbesondere nicht aus haftungsrelevanten Beratungsfehlern herzuleiten (§ 280 Abs. 1 BGB).
8a) Mit dem Landgericht geht auch der Senat davon aus, dass hinreichende Anknüpfungstatsachen für einen Beratungsvertrag nicht dargetan worden sind.
9Ein Beratungsvertrag kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs konkludent zustande, wenn – gleichgültig ob auf Initiative des Kunden oder der Bank – im Zusammenhang mit einer Geldanlage tatsächlich eine Beratung stattfindet (vgl. nur BGH, Urt. v. 24.09.2002 – XI ZR 345/01, juris, m.w.N.). Auch ein stillschweigender Vertragsschluss setzt aber voraus, dass die konstitutiven Vertragsmerkmale (Antrag und Annahme i.S.v. §§ 145 ff. BGB) feststellbar sind. Um einen entsprechenden Rechtsbindungswillen annehmen zu können, ist dafür bei einem Beratungsvertrag erforderlich, dass eine über allgemeine Informationen hinausgehende Auskunft erteilt wird (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2013 – III ZR 121/12, juris, m.w.N.).
10b) An die Annahme eines konkludenten Beratungsvertrags sind zwar keine hohen Anforderungen zu stellen, zumal wenn bei komplexen Finanzinstrumenten ein erhöhter Aufklärungsbedarf auf Seiten des Bankkunden indiziert ist, lässt sich im hier gegebenen Zusammenhang nicht ausmachen, dass gegenüber der Klägerin beratungsvertragliche Verpflichtungen bestanden.
11Unstreitig trat die Klägerin aus eigener Initiative an die W wegen der Kreditierung von Investitionsvorhaben heran. Soweit die W sich hierzu mit der Maßgabe begleitender Zinsswaps bereitfand, wird selbst nach dem klägerischen Vorbringen eine diesbezügliche Beratungstätigkeit nicht greifbar. Allein die von klägerischer Seite verwendete Terminologie, wonach es sich in Bezug auf die Swaps um eine „Empfehlung“ der W gehandelt haben soll, führt nicht zu dem Rückschluss beratungsvertraglicher Rechtsbeziehungen.
12c) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Anerbieten der WestLB, ein solchermaßen ausgestaltetes Darlehen zu gewähren, keine Beratungstätigkeit umschreibt. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass die W der Klägerin das swap-gestützte Darlehen der Klägerin unter Verwendung der Begriffe „Zinsverbilligung“ bzw. „moderne Zinssicherung“ antrug. Nach dem gegebenen Sachstand wurde der Klägerin dieses Konstrukt nicht im Rahmen einer Finanzierungsberatung sondern als Bedingung der Darlehensgewährung angedient. Der Hinweis darauf, dass Swaps der Zinssicherung dienen, war dabei von gänzlich allgemeiner und summarisch beschreibender Natur, ohne für sich irreführend zu sein oder bestimmte Zusicherungen zu enthalten. Die Verwendung des Begriffs „modern“ hatte zwar einen gewissen Anpreisungscharakter, der indessen keinen Anhaltspunkt für eine zusätzlich entfaltete Beratungstätigkeit liefert. Reklamehafte Anpreisungen sind beratungsvertraglich nicht relevant, zumal wenn sie in ihrem Tatsachenkern zutreffend sind (BGH, Urteil vom 31. März 1992 – XI ZR 70/91 –, juris). Zinsswaps gelten durchaus als zeitgemäße und verkehrsübliche Instrumente zur Absicherung gegen Zinsänderungsrisiken.
13Die Klägerin ist für Umstände, die demgegenüber den Tatbestand eines Beratungsvertrags ausfüllen könnten, darlegungsfällig geblieben. Die Berufungsbegründung vermittelt zu den Modalitäten der Vertragsanbahnung allenfalls Ausschlusskriterien für eine solche Tätigkeit.
14Danach soll es seitens der Beklagten „keine weiteren Erläuterungen“ gegeben haben, ferner „keine Szenarien und Berechnungshinweise“ und auch keine „Bewertung der Risikofaktoren“. Ihre subjektive Situation hat die Klägerin so beschrieben, dass ihr keine präzisen Vorstellungen über die Auswirkungen von Swaps vermittelt worden seien.
15Dagegen entbehrt der Klagevortrag jeglicher Sachverhaltsschilderung, der eine wie auch immer geartete Auskunftserteilung zu entnehmen wäre, etwa im Zusammenhang mit Funktionsmerkmalen von Swaps oder mit konkreten Vor- und Nachteilen solcher Instrumente.
16d) Ein Kunde, der sich vor einem solchen Hintergrund zum Abschluss von Swap-Geschäften bereitfindet, handelt indessen nicht aufgrund erteilter Beratung, d.h. beratungskonform, sondern gibt zu erkennen, dass er kein Interesse an einer Beratung hat und praktisch auf eigenes Risiko oder in blindem Vertrauen handelt. Ein beratungsvertraglicher Austausch von Willenserklärungen im Sinne eines bindenden Angebots- und Annahmewillens fehlen bei dieser Sachlage ebenso wie die tatsächliche Entfaltung konkreter Beratungstätigkeit.
172. Selbst wenn vorliegend beratungsvertragliche Pflichtverletzungen vorlägen, hätte ein Ersatzanspruch auszuscheiden. Nach dem gegebenen Sachstand wären solche Fehler nicht für den Anlageentschluss der Klägerin ursächlich gewesen.
18a) Wie der BGH wiederholt entschieden hat, können sich relevante Indizien für die fehlende Kausalität von Beratungsfehlern sowohl aus dem vorangegangenen als auch aus dem nachfolgenden Anlageverhalten des Anlegers ergeben. Wenn der Anleger in Kenntnis von Umständen, die für den Anlageentschluss relevant gewesen sein sollen, ein vergleichbares Folgegeschäft tätigt, spricht dies dafür, dass der Anleger auch die streitige frühere Anlage selbst bei ordnungsgemäßer, vollständiger Aufklärung erworben hätte (BGH, Urteil vom 24. September 2013 – XI ZR 204/12 –, juris; Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, juris m.w.N.).
19b) Das Landgericht hat – unangegriffen – festgestellt, dass die Klägerin im Anschluss an die streitgegenständlichen Swap-Geschäfte weitere Zinsswaps mit anderen Vertragspartnern abgeschlossen hat. Die Nominalwerte dieser Zinsderivate beliefen sich bis zum Jahre 2010 auf rund 36,6 Mio. €. Die Beklagte hat hierzu bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass die Folgegeschäfte in Kenntnis um den anfänglich negativen Marktwert eingegangen wurden.
20Aus dem unstreitigen Geschehensablauf ergibt sich weiter, dass die Klägerin solche Nachfolgegeschäfte einging, nachdem sie bereits (ab 2008) wegen der streitgegenständlichen Swaps zu Zahlungen an die P herangezogen worden war, weil der 3-Monats-Euribor unter dem vereinbarten Zins lag.
21Unstreitig ist ferner, dass die Klägerin erst nach Abschluss der streitgegenständlichen Geschäfte den Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte (Anlage K 2) abschloss und auch dessen Inhalt nicht zum Anlass nahm, wegen etwaiger Beratungsdefizite bei früheren Geschäften vorstellig zu werden.
22c) Auf all diese Umstände geht die Berufungsbegründung der Klägerin nicht ein. Entgegen ihrer Auffassung ergibt sich hieraus, dass die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens widerlegt ist.
23Die Behauptung, die streitgegenständlichen Geschäfte bei Offenlegung des anfänglich negativen Marktwerts nicht abgeschlossen zu haben, ist durch ihr tatsächliches Verhalten widerlegt. Dieses Verhalten führt zu dem Schluss, dass die Klägerin die Swaps auch bei vollständiger Offenlegung derjenigen Umstände eingegangen wäre, die sie nunmehr für offenbarungspflichtig hält.
24Die Klägerin hat sich weder von der Tatsache, dass die Swap-Geschäfte zusätzliche Zahlungspflichten auslösten, noch davon, dass sie – nach ihren Behauptungen – erst nachträglich Kenntnis von der Funktionsweise von Swaps einschließlich der Margenerzielung im Zusammenhang mit dem anfänglich negativen Marktwert erhielt, davon abhalten lassen, vergleichbare Geschäfte einzugehen.
253. Zur bereits durch Teilurteil zuerkannten Widerklage enthält die Berufungsbegründung der Klägerin keine konkreten Angriffe.
26Zu den allein aufgegriffenen Positionen des Auflösungswerts und zusätzlicher Kosten von 1.000,00 € verhält sich das Urteil des Landgerichts lediglich dem Grunde nach. Auch hiergegen bringt das klägerische Rechtsmittel über die Aufrechterhaltung des ‑ nach vorstehender Maßgabe abschlägig zu bescheidenden - Klagestandpunktes hinaus – nichts vor.
27Die Höhe der noch nicht betragsmäßig ausgeurteilten Widerklageforderung soll Gegenstand weiterer Sachaufklärung durch das Landgericht sein.
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.