Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 12. Nov. 2014 - 3 OLG 8 Ss 136/14
Tatbestand
Das AG verurteilte den Angekl. am 22.10.2013 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil des Nebenkl. zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Auf die Berufung des Angekl. hat das LG mit Urteil vom 30.05.2014 das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Angekl. freigesprochen. Hiergegen wendet sich die von der GenStA vertretene Revision des Nebenkl., mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Seine Revision führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LG.
Gründe
I.
[1 ] Die statthafte und auch sonst zulässige sowie nach ihrer näher ausgeführten Begründung und Antragstellung ein zulässiges Anfechtungsziel i. S. d. §§ 395, 400 I StPO verfolgende Revision des Nebenkl. ist begründet. Der Freispruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
[2 ] 1. Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen hat das Tatgericht gemäß § 267 V S. 1 StPO grundsätzlich zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen festzustellen, die es für erwiesen hält, bevor es in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen es die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen nicht hat treffen können. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind (st.Rspr., vgl. nur BGH NStZ 2014, 419; vgl. auch Senatsbeschl.
[3 ] 2. Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, ob das angefochtene Urteil - ggf. im Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe - diesen Anforderungen hier schon deshalb nicht gerecht wird, weil es nicht erkennen lässt, von welchem festgestellten Sachverhalt das LG im Hinblick auf den Tatvorwurf letztlich ausgegangen ist, namentlich zu der Frage, wer dem Nebenkl. seine Verletzungen zugefügt hat. Denn die Beweiswürdigung des LG ist aus anderen Gründen sachlich-rechtlich rechtsfehlerhaft. Sie zwingt den Senat deshalb zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil er bei der gebotenen Gesamtschau der Urteilsgründe nicht ausschließen kann, dass das LG die Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) überspannt hat und sich seine Beweiswürdigung deshalb im Ergebnis als lückenhaft erweist. Darüber hinaus leidet das angefochtene Urteil an durchgreifenden Darstellungs- und Erörterungsmängeln.
[4 ] a) Nach den Urteilsgründen liegt dem Angekl. laut Anklageschrift vom
[5 ] b) Spricht das Tatgericht den Angekl. frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht zwar in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, dessen Schlussfolgerungen nicht zwingend, sondern nur möglich sein müssen. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt aber die Prüfung, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; BGH NStZ-RR 2009, 210; BGH, Urt. v. 28.05.2014 - 2 StR 70/14 und 17.07.2014 - 4 StR 129/14
[6 ] 3. Diesen Anforderungen wird das Urteil des LG in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht:
[7 ] a) Zum Freispruch der Angekl. führt nach Auffassung des LG, dass es zugunsten der Angekl. nach dem Zweifelssatz ‚in dubio pro reo’, nämlich „aufgrund einer Zusammenschau der Beweisergebnisse […] jedenfalls vernünftige Zweifel an der Täterschaft des Angekl.“ nicht hat überwinden können. Diese Zweifel beruhen darauf, dass sich der Angeklagte erstmals in der Berufungshauptverhandlung und abweichend von seinem gesamten bisherigen Verteidigungsverhalten, namentlich seinen früheren Einlassungen zum Tatvorwurf im Ermittlungsverfahren und noch in der Hauptverhandlung erster Instanz, dahin eingelassen hat, nicht er, sondern ein anderer namentlich benannter und am Tatort ebenfalls anwesender Beteiligter habe die Schläge gegen den Geschädigten und Nebenkl. geführt und sei damit für dessen Verletzungen verantwortlich. Hierzu führt das LG im Rahmen seiner Beweiswürdigung näher aus: [...]
[8 ] b) Die Begründung der Berufungskammer für die Anwendung des Zweifelssatzes hält einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung des LG beruht nicht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage, wozu gerade die Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft des Angekl. sprechenden Umstände zählt.
[9 ] aa) Das LG bleibt eine nachvollziehbare Erklärung dafür schuldig, warum sich der Verletzte bei seiner von hoher Aussagequalität und -konstanz geprägten, den unzweifelhaft am Tatort anwesenden Angekl. als Täter an seiner Physiognomie sicher wiedererkennenden Aussage, geirrt haben sollte. Der Versuch einer Erklärung für das Phänomen, dass der Geschädigte und Zeuge „das Gesicht des Angekl., der schlichtend eingegriffen hatte“ nicht ausschließbar zwar „gesehen […], dieses Gesicht dann aber fälschlich mit der Person in Verbindung“ gebracht haben sollte, „die ihm den Faustschlag versetzte“, wird von der Berufungskammer nicht unternommen. Hierfür bestand umso mehr Veranlassung, als die Schilderung des Tathergangs durch den Geschädigten über eine beachtliche inhaltliche Konstanz hinaus eine Vielzahl spezifischer Details zur Tatausführung und zur Person des Täters (u. a. „Schlagring“, „dunkle schwarze Jacke“, „rundes Gesicht“, „bullige Figur“, „schätzungsweise 170 bis 175 cm groß“, „keine Brille“, Haare „kurz“, „dunkelblond“ bzw. „leicht nach oben“ stehend) enthält, deren Richtigkeit von der Kammer auch gar nicht in Frage gestellt wird.
[10 ] bb) Hinzu kommt, dass aus den Urteilsgründen nicht ersichtlich ist, ob und ggf. mit welchem Resultat das LG den Verletzten mit seiner Verwechslungshypothese überhaupt konfrontiert hat.
[11 ] cc) In diesem Zusammenhang wäre weiterhin zu erörtern gewesen, wie die Einlassung des Angekl., am Tatort „habe er gesehen“, wie der von ihm als Täter bezeichnete Zeuge „einen bewusstlos am Boden liegenden Mann“, bei dem es sich wohl um den Verletzten gehandelt haben müsse, „hochgezogen und ihm mit der Faust ins Gesicht geschlagen habe“, wobei der von dem Angekl. als Täter benannte Zeuge „wohl am Mittelfinger einen Ring getragen“ habe, „mit dem er sich bei dieser Tat eine blutende Verletzung zugezogen habe“, mit der Hypothese einer Personenverwechslung durch den Verletzten in Einklang zu bringen sein könnte.
[12 ] dd) In diesem Punkt erweist sich die Beweiswürdigung des LG darüber hinaus, wenn nicht widersprüchlich, so doch zumindest unklar, weil auch der Frage nicht nachgegangen wird, warum der - als offenbar glaubwürdig angesehene - Verletzte seinerseits von dieser Version des Geschehens nichts berichtet hat. Für die Annahme, wonach der Zeuge bar eines erkennbaren Falschbelastungsmotivs oder fremdsuggestiver Beeinflussung nur „subjektiv davon überzeugt“ sei, „dass er sich das Gesicht des Schlägers eingeprägt […] und dieses auf einer Wahllichtbildvorlage der Polizei“ wiedererkannte, fehlt damit eine anhand konkreter Feststellungen begründbare Grundlage.
[13 ] ee) Auch sonst leidet die Beweiswürdigung an durchgreifenden Rechtsfehlern und Darstellungsmängeln.
[14 ] (1) So hat das LG den erstmals in der Berufungshauptverhandlung vorgebrachten Aussagen des Angekl., für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es letztlich außer den auf vertraulichen Äußerungen des Angekl. im Rahmen des jeweiligen Mandats beruhenden Aussagen bzw. Erklärungen seiner beiden Verteidiger keine stichhaltigen Beweise gibt und die sich demgemäß als bloße Vermutungen zugunsten des Angekl. erweisen, nicht nur breiten Raum gewidmet, sondern sie - im Unterschied zur Zeugenaussage des Verletzten - als unwiderlegt, ja sogar als „durchaus möglich und nachvollziehbar“ hingenommen. Dies ist schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil sich das LG einer jedenfalls aus den für den Senat maßgeblichen Gründen des angefochtenen Urteils hinreichend zu entnehmenden echten Plausibilitätsüberprüfung des geänderten Aussageverhaltens des Angekl. enthalten hat, obwohl sich eine Schlüssigkeitsprüfung insoweit schon aufgrund der offen zu Tage tretenden Widersprüchlichkeiten aufgedrängt hätte.
[15 ] (a) Während einerseits das gegenüber der erstinstanzlichen Hauptverhandlung geänderte Verteidigungsverhalten des Angekl. laut Aussage des als Zeuge vernommenen vormaligen Verteidigers des Angekl. von diesem zunächst damit begründet wird, der Angekl. habe auf der Nichtnennung des nunmehr als Schläger bezeichneten Zeugen deshalb bestanden, um diesen „zu schützen“, weil dieser „zu seiner Clique“ gehöre und „sein Freund“ sei, soll andererseits, von dem nunmehr als Schläger bezeichneten Zeugen „abzulenken“ nach der „persönlichen Einschätzung“ des früheren Verteidigers dadurch motiviert gewesen sein, dass der Angeklagte - Freundschaft hin oder her - „Angst“ vor dem jetzt als Täter bezeichneten Zeugen gehabt habe. Diese schon in sich unstimmige „Einschätzung“ des früheren Verteidigers des Angekl. ist entgegen der Ansicht der Berufungskammer auch nicht deshalb besser „nachvollziehbar“, weil auch der jetzt als Schläger Bezeichnete „früher aktiv Boxen als Sport betrieb“.
[16 ] (b) Von der Strafkammer unzureichend unerörtert wird schließlich die Frage, warum der Angeklagte überhaupt einen Anlass sah, sein Verteidigungsverhalten zwischen den Instanzen grundlegend zu verändern, wozu auch eine nachvollziehbare Auseinandersetzung dazu gehört hätte, aufgrund welcher Umstände der Angeklagte für den Ausgang des erstinstanzlichen Verfahren in realistischer Weise davon ausgehen konnte, „dass ihm“ […] nichts nachzuweisen sei“. In jedem Fall hätte sich das LG damit auseinandersetzen müssen, ob und warum nunmehr die „Angst“ des Angekl. vor dem als Schläger benannten Zeugen entweder verflogen oder aber nicht (mehr) derart ausgeprägt gewesen ist, dass es zu dem grundlegenden Wechsel in der Einlassung des Angekl. kommen konnte. Für die Klärung all dieser offenen Fragen durfte sich das LG jedenfalls nicht, wovon nach den Urteilsgründen allerdings auszugehen ist, unkritisch auf Mutmaßungen bzw. ‚Einschätzungen‘ der beiden Verteidiger des Angekl. verlassen und diese letztlich seiner Überzeugungsbildung, insbesondere der Anwendung des den Freispruch des Angekl. bedingenden Zweifelssatzes, zugrunde legen. Denn der Zweifelssatz ‚in dubio pro reo‘ gebietet es gerade nicht, zugunsten des Angekl. Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st.Rspr.; vgl. u. a. BGH NStZ 2004, 35; NStZ-RR 2005, 209; NStZ-RR 2009, 90).
[17 ] (2) Zu Recht beanstandet die Revision, dass die Strafkammer, obwohl ein weiterer Zeuge in der Berufungsverhandlung bekundete, „selbst einen Schlag abbekommen zu haben“ und überdies angab, „sich zu 80% sicher zu sein, dass dieser Schlag von dem Angekl. gekommen sei“, keine Veranlassung gesehen hat, dieser Aussage eine ihr gebührende indizielle Bedeutung für die Glaubhaftigkeit und Richtigkeit der von dem Geschädigten bezeugten Täterschaft gerade des Angekl. zuzuerkennen. Mit der Begründung, dass „auch in diesem Fall [...] jedoch nicht auszuschließen“ sei, dass auch dieser „Zeuge [...] zwar bei der Auseinandersetzung das Gesicht des zweifellos anwesenden Angekl. […] gesehen hat, dieses aber irrtümlich mit der Person in Verbindung brachte, die auf ihn einschlug“, bewegt sich das LG im Rahmen reiner Spekulation.
[18 ] (3) Nachdem der Verletzte, abgesehen von der wiedererkennenden Identifizierung des Gesichts des Angekl. auch eine allgemeine Beschreibung der Person des Schlägers abgegeben hat, hätte sich das LG, wie die Revision ebenfalls zu Recht beanstandet, mit diesen Angaben des Zeugen zur Statur, Körpergröße, Haarfarbe und Frisur sowie Kleidung des Täters im Urteil eingehend auseinander setzen und das Ergebnis in seinem Urteil darstellen müssen. Das LG unternimmt auch nicht den Versuch, aus eigener Anschauung die von dem Zeugen genannten Merkmale entweder mit solchen des Angekl. oder - wenigstens - mit Merkmalen der Person des von dem Angekl. als Täter bezeichneten und in der Verhandlung ebenfalls anwesenden Zeugen zu vergleichen, um auf diese Weise mögliche Übereinstimmungen oder Abweichungen festzustellen, die mögliche Rückschlüsse auf die Identität des Täters erlauben könnten. Zwar enthalten die Urteilsgründe die Feststellung, dass sich „die Berufungskammer [...] im Rahmen der Berufungshauptverhandlung einen Eindruck von dem Körperbau des Angekl.“ habe „verschaffen“ können. Dem folgt allerdings nur die Bemerkung, dass der Angekl., der angab, er habe sich bis zur Tatzeit als Boxer sportlich betätigt, „zwar nicht sehr groß, jedoch kräftig gebaut“ sei. Ob und ggf. welche Rückschlüsse das LG hieraus für seine Überzeugungsbildung gewonnen hat, bleibt ungewiss. Eine sich nach der Sach- und Beweislage geradezu aufdrängende Beschreibung der Person des von dem Angekl. als Täter beschriebenen Zeugen unterbleibt.
II.
[19 ] Nach alledem erweist sich die Beweiswürdigung des LG als unzureichend. Aufgrund der aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mängel bedarf die Sache insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Das angefochtene Urteil ist deshalb auf die Revision des Nebenkl. mitsamt den Feststellungen aufzuheben (§ 353 StPO) und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtmittels und die dem Nebenkl. im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Jugendkammer des LG zurückzuverweisen (§ 354 II StPO).
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(1) Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.
(3) Das Gericht kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe auch dann zur Bewährung aussetzen, wenn zu erwarten ist, daß der Täter erst nach einer längeren Heilbehandlung keine exhibitionistischen Handlungen mehr vornehmen wird.
(4) Absatz 3 gilt auch, wenn ein Mann oder eine Frau wegen einer exhibitionistischen Handlung
- 1.
nach einer anderen Vorschrift, die im Höchstmaß Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe androht, oder - 2.
nach § 174 Absatz 3 Nummer 1 oder § 176a Absatz 1 Nummer 1
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Tatbestand
Das AG hat den Angekl. wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen zu einer Geldstrafe verurteilt. Das LG hat den Angekl. auf seine Berufung aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision der StA erwies sich als erfolgreich.
Gründe
I.
Die statthafte (§ 333 StPO) und auch im Übrigen zulässige Revision hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die formelle Rüge kommt es daher nicht an. Das LG hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
„Mit schriftlichem Antrag zur befristeten Aufnahme in die ,Verwaltungsgemeinschaft Freie Stadt D.’ vom 14.12.2010, gerichtet an die anderweitig verfolgte LP., beantragte der Angekl. unter Angabe seiner Personalien sowie seiner Wohnanschrift die Ausstellung eines gefristeten Personenausweises’ gegen Zahlung von 20 €. Dem Antrag fügte er eine Friedensvereinbarung in 4-facher Ausfertigung, 2 Passbilder, eine Kopie einer Geburtsurkunde, eine Kopie seines bisherigen Lichtbildausweises sowie eine (angeblich) vom Ortsgericht V. ausgestellte notarielle Beglaubigung seiner Unterschrift bei. Mit Schreiben vom 31.01.2011 übersandte die anderweitig verfolgte LP. dem Angekl. den beantragten ,Personenausweis’ mit vielstelliger Nummer an seine Wohnanschrift. Der ,Personenausweis’, den LP. entweder selbst hergestellt hatte oder durch dritte Personen hat herstellen lassen, bestand aus einem einlaminierten Papier im Format von ca. 10 x 7 cm und war vorne und hinten bedruckt. Der ,Personenausweis’ ähnelte in Größe, Aufmachung und farblicher Gestaltung dem in der Bundesrepublik Deutschland offiziell amtlich ausgegebenen Personalausweis. Die Vorderseite zeigte auf hellgrün-weiß gemustertem Grund ein dem der Stadt D. nachempfundenes Wappen in rot-weiß-schwarzen Farben [...]. Im oberen linken Bereich auf der Vorderseite befand sich auf etwa 1/3 quer gedruckt unter der Überschrift ,FREIE STADT D.’ ein Passbild des Angekl. Darunter folgte - über die gesamte Vorderseite hinweg - die ,IDDA’ Identifikation mit dem Familien- und Vornahmen des Angekl., darunter -ebenfalls über die gesamte Vorderseite - eine vielstellige Ausweisnummer. Rechts neben dem Passbild waren auf 2/3 der Vorderseite, neben der im linken Teil ausgewiesenen Ausstellerbehörde,FREIE STADT D.’ die englische bzw. französische Übersetzung,Free City of D.A/ille libre de Dantzig’ aufgeführt, darunter war das Dokument mit der Überschrift,Personenausweis/ldentity Card/Carte d’ldentite’ bezeichnet, sodann folgte in einer weiteren gesonderten Zeile die Ausweisnummer. In den weiteren Zeilen schlössen sich jeweils unter den Überschriften,Familienna-me/Surname/Nom’,,Vornamen, Given names/Prenoms’,,Staatsangehörig-keit/Citizenship/Nationalite’, und,Gültig bis/date of expiry/Date d’expiration’ die Angaben zu Familien- und Vornamen des Angekl. und,13.12.2013’ an. Abschließend war auf der Vorderseite des ,Personenausweises’ unten rechts von L.P. der zuvor mit Antragstellung vom Angekl. als Schriftprobe übersandte notariell beglaubigte handschriftliche Namenszug des Angekl. eingescannt worden, darüber stand in Druckbuchstaben, Unterschrift der Inhaberin/des Inhabers Signatur of bearer Signature de la titulaire/du titu-laire’. Die ebenfalls quer bedruckte Rückseite des Personenausweises zeigte wiederum auf hellgrün-weiß gemustertem Hintergrund das in blassen Farben gehaltene Wappen der Vorderseite. Ein ähnliches Wappen [...] war - in kräftigen Farben - nochmals in kleinerem Format im rechten oberen Eck angebracht. Auf etwa 2/3 des linken Bereichs der Ausweisrückseite folgten unter den Überschriften,Geburtstag und Ort/Date and place of birth/Date of Heu de naissance’,,Größe/Height/Taille’ und daneben,Augenfarbe/Colour of eyes/Couleur des yeux’ jeweils in gesonderten Zeilen die Angaben zum Wohnort bzw. zur Anschrift des Angekl., seinem Geburtsdatum und -ort, seiner Körpergröße und Augenfarbe. [...] Danach war unter,Geschlecht/Sex/Sexe’,M’ eingetragen, als ßehörde/Authority/Autorite’ die, Verwaltungsgemeinschaft D.’ und sodann unter,Datum/Date/Date’ der,14.12.2010’ als Ausstellungsdatum. Die Rückseite des Personenausweises endete mit der [...] Namensbezeichnung des Angekl. und im anschließenden Hinweis, Dieser Personenausweis ist Eigentum des Freistaates Freie Stadt D.’. Im rechten Drittel der Rückseite - noch über der Schlusszeile - befand sich zusätzlich unter dem Vermerk ,Unterschrift/Signature/Signature’ der handschriftliche Namenszug der anderweitig verfolgten L.P., darunter war der Name L.P. in Druckbuchstaben wiederholt. Darüber war ein Stempel angebracht mit Wappen [...]. Der Angekl. ging davon aus, dass der [...] bestellte ,Personenausweis’ nicht als offizielles Legitimationspapier der Bundesrepublik anerkannt und mithin nicht als amtliches bundesdeutsches Dokument zum Beweis seiner Identität als Bundesbürger geeignet war. Ziel des Angekl. bei der Beschaffung des Dokuments war es, sich von der Bundesrepublik Deutschland zu distanzieren. Er betrachtete sich als ,staatenlos’ und suchte eine neue Heimat, die er sich bei der D. Gruppe erhoffte. Den Bundespersonalausweis lehnte der Angekl. zudem moralisch ab, weil er darauf ,okkulte Symbole’ erkannte und -unter UV-Licht betrachtet -,Hakenkreuze’ wahrnahm. Den bei L.P. bestellten ,Personenausweis’ verstand der Angekl. als Nachweis seiner Zugehörigkeit zur ,D.er Gruppe’. Er wollte damit seine Zugehörigkeit zu dieser Organisation’ belegen. Dass der Angekl. den,Personenausweis’ gegenüber Dritten vorgelegt hat, ist nicht belegt.“
Nach Auffassung des LG erfüllte der vom Angekl. bestellte „Personenausweis“ bereits nicht den objektiven Urkundenbegriff des § 267 StGB, weil für einen objektiven Betrachter mit durchschnittlichen Kenntnissen auf den ersten Blick offensichtlich erkennbar gewesen sei, dass es sich bei dem Schriftstück um eine „plumpe Fälschung“ handelte, die nicht von einer real existierenden Behörde stammen könnte. Weiterhin sah es die Berufungskammer nicht als nachgewiesen an, dass der Angekl. bei der Bestellung des Dokuments seine spätere Vorlage zu Täuschungszwecken in rechtserheblicher Weise beabsichtigt habe. Schließlich hat die Berufungskammer auch den Tatbestand des Verschaffens von amtlichen Ausweisen im Sinne von § 276 I Nr. 2 StGB bei der von ihr festgestellten Sachlage verneint.
II.
Das Urteil des LG hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Im Ergebnis zu Recht hat die Strafkammer allerdings eine Strafbarkeit des Angekl. nach § 276 I Nr. 2 StGB verneint. Bei dem verfahrensgegenständlichen „Personenausweis“ handelt es sich schon tatbestandsmäßig nicht um einen unechten oder verfälschten amtlichen Ausweise in Sinne von § 276 StGB, den der Angekl. sich hätte verschaffen können. Unter den Begriff des amtlichen Ausweises fallen - was schon die Gesetzesformulierung des § 275 I StGB nahelegt - vielmehr nur solche Papiere, die von einer tatsächlich existierenden hoheitlichen Stelle tatsächlich auch ausgegeben werden (vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 09.12.2008 - 2 St OLG Ss 24/08 = NStZ-RR 2010, 108 = OLGSt StGB § 267 Nr. 14; Fischer StGB 61. Aufl. § 276 Rn. 2 mit § 275 Rn. 2). Da die angebliche Ausstellerin, die „Freie Stadt D.“, als Hoheitsträger, der amtliche Personenausweise ausstellen würde, tatsächlich aber nicht existiert, scheidet eine Strafbarkeit nach § 276 I Nr. 2 StGB aus.
2. Indessen handelt es sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bei dem verfahrensgegenständlichen „Ausweis“ um eine Urkunde i. S. v. § 267 StGB. Urkunde in diesem Sinn ist jede verkörperte Gedankenerklärung, die geeignet und bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen und ihren Aussteller erkennen lässt. Diese Merkmale erfüllt der „Ausweis“.
a) Der Urkundenqualität steht insbesondere nicht entgegen, dass derzeit keine Behörde existiert, die unter der Bezeichnung „Freie Stadt D.“ oder „Verwaltungsgemeinschaft D.“ im Rechtsverkehr auftritt. Denn die tatsächliche Existenz des scheinbaren Ausstellers ist weder für die Frage der Ausstellererkennbarkeit noch für die Frage der Täuschung über die Ausstelleridentität Voraussetzung des Urkundenbegriffs des § 267 StGB (vgl. BGHSt 5, 79; BGH, Urt. v. 27.09.2002 - 5 StR 97/02 = wistra 2003, 20 = NStZ-RR 2003, 20 = StraFo 2003, 101 = StV 2004, 25).
b) Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die scheinbare Ausstellerin, hier die „Stadt D.“, überhaupt nicht existierte, es sich also gleichsam um einen als solchen ohne weiteres erkennbaren Phantasienamen handelte, bei dem für den Adressaten auf der Hand liegt, dass es eine (natürliche bzw. juristische) Person dieses Namens nicht gibt oder diese jedenfalls nicht Urheberin der Erklärung ist (Fischer § 267 Rn. 11 m. w. N.). Eine solche Konstellation ist im vorliegenden Fall aber gerade nicht gegeben. Die (polnische) Stadt D. ist als Kommune existent. Die Ausstellerbezeichnung „Freie Stadt D.“ oder „Verwaltungsgemeinschaft D.“ ähnelt in ihrem Kernbestandteil dem in Deutschland gebräuchlichen Namen der Stadt D. in einem solchen Maße, dass die Ausstellerbezeichnung keineswegs ohne Weiteres erkennen lässt, dass gerade nicht auf einen bestimmten Aussteller verwiesen werden sollte. Im Gegenteil wird der Eindruck erweckt, bei der scheinbaren Ausstellerin handele es sich um eine Behörde der Stadt D.
c) Auch im Übrigen kann dem „Ausweis“ nicht jede Beweiseignung abgesprochen werden. Er erscheint durchaus geeignet, auf die Bildung einer Überzeugung mitbestimmend einzuwirken (Fischer § 267 Rn. 14). Nach den Urteilsfeststellungen ist die Aufmachung des „Ausweises“ so, dass er jedenfalls bei oberflächlicher Betrachtung oder bei Betrachtung ohne ausreichenden Bildungs- und Informationshintergrund durchaus für ein gültiges behördliches Dokument gehalten werden kann. Er enthält alle wesentlichen Daten, die auch ein Bundespersonalausweis aufweist, und orientiert sich in Aufmachung, Schriftbild, Format, Größe, farblicher und optischer Gestaltung jedenfalls auf der Vorderseite durchaus an diesem, so dass dem ,Personenausweis’ die Beweiseignung nicht abgesprochen werden kann (vgl. OLG Celle NStZ-RR 2008, 76). Demgegenüber wählt das LG mit seinem Rekurs auf die mögliche Verwechslung mit einem von der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten amtlichen Ausweis von vornherein einen fehlerhaften Ansatzpunkt. Denn im Hinblick auf den Umstand, dass aus dem Dokument als (scheinbare) Ausstellerin die „Stadt D.“ deutlich hervorging, kann es nicht darauf ankommen, ob bei einem Betrachter der Eindruck entsteht, dass die Bundesrepublik Deutschland (vermeintliche) Ausstellerin des Ausweises sei.
3. Auch die Beweiswürdigung hinsichtlich der vom LG verneinten Täuschungsabsicht ist rechtsfehlerhaft, weil diese teils lückenhaft ist und teilweise gegen die Logik verstößt.
a) Spricht das Tatgericht den Angekl. frei, weil es Zweifel an einem Tatbestandmerkmal nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist nur dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., vgl. u. a. BGH NStZ-RR 2009, 210). Insbesondere sind die Beweise auch erschöpfend zu würdigen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zugunsten oder zu Ungunsten des Angekl. zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind beim freisprechenden Urteil nicht geringer als im Fall der Verurteilung (BGH NStZ 2002, 446; OLG Bamberg DAR 2011, 147).
b) Diesen Anforderungen wird das Urteil des LG nicht gerecht.
aa) Es ist unlogisch, soweit das LG den Umstand, dass der Angekl. den Personenausweis Dritten nicht vorgelegt habe, gegen das Vorliegen einer Täuschungsabsicht wertet. Denn die Berufungskammer hat im Rahmen der Beweiswürdigung zugleich die Einlassung des Angekl., die sie offensichtlich als zutreffend zugrunde gelegt hat, wiedergegeben, wonach der Ausweis sofort nach der Zusendung von seiner Ehefrau vernichtet worden sei. Bei dieser Sachlage kann der Tatsache, dass der Angekl. anderen Personen den Ausweis nicht präsentiert hat, gerade keine Indizwirkung gegen eine Täuschungsabsicht zuerkannt werden.
bb) Die Beweiswürdigung ist außerdem auch lückenhaft. Das LG legt die Einlassung des Angekl., er habe sich entschlossen, „gewaltlosen Widerstand gegen die Bundesrepublik Deutschland zu leisten“, er habe in dem „Ausweis“ ein „Fantasiegebilde“ gesehen, er habe ihm ähnliche Bedeutung wie einem „Vereinsausweis“ beigemessen und „er habe eine Verwechslungsgefahr mit dem Bundespersonalausweis nicht für möglich gehalten“, seiner Beweiswürdigung ungeprüft zugrunde, ohne sie kritisch zu hinterfragen. Das Gericht berücksichtigt bei der Zusammenschau des Beweisergebnisses nicht die Umstände, die gegen die Richtigkeit der Einlassung sprechen.
(1) Das LG hat sich schon nicht mit der Frage auseinandergesetzt, warum der Angekl. sich einem nicht völlig belanglosen organisatorischen und finanziellen Aufwand unterzog, um in den Besitz eines bloßen „Vereinsausweises“ zu gelangen und hierzu sogar eine offensichtlich gefälschte notarielle Beglaubigung seiner Unterschrift vorlegte.
(2) Die Berufungskammer hat sich auch nicht mit der Plausibilität der Einlassung des Angekl. beschäftigt, indem es die Frage unerörtert gelassen hat, zu welchem Zweck die Ausstellung eines „Vereinsausweises“ erforderlich gewesen wäre. Weder hat es festgestellt, dass ein Verein mit der Bezeichnung „Freie Stadt D.“ überhaupt existiert noch dass Treffen eines solchen Vereins geplant waren, zu denen der Ausweis als ... Legitimation hätte dienen sollen. Ferner hat es in diesem Zusammenhang nicht in Erwägung gezogen, dass der Personenausweis von der Aufmachung her einem amtlichen Ausweis einer Behörde sehr ähnlich gestaltet war, was bei vereinsinternen Mitgliederausweisen zumindest gänzlich fern liegt. Ebenso wenig hat das LG Feststellungen dazu getroffen, zu welchen Gelegenheiten der Ausweis sonst hätte benutzt werden sollen.
(3) Die Einlassung des Angekl., er habe sich entschlossen, „gewaltlosen Widerstand gegen die Bundesrepublik Deutschland zu leisten“ bzw. „in dem Ausweis die Bestätigung seiner Nichtzugehörigkeit zur Bundesrepublik bestätigt gesehen“ und seine „ablehnende Haltung gegenüber der Bundesrepublik dokumentieren“ wollen, wurde ebenfalls nicht kritisch hinterfragt. Die Einlassung erscheint nicht plausibel, weil der bloße Besitz eines „Vereinsausweises“ offensichtlich nicht geeignet ist, Protest zum Ausdruck zu bringen oder in irgendeiner Weise Widerstand zu leisten, und die Dokumentation einer ablehnenden Haltung bzw. die „Demonstration einer diesbezüglichen Gesinnung“ nur als Erklärung gegenüber einem Dritten Sinn machen. Die Einlassung des Angekl., es sei ihm darauf angekommen, dass sich sein Ausweis vom Bundespersonalausweis unterscheide, deutet eher darauf hin, dass der Angekl. bezweckte, den von ihm abgelehnten Bundespersonalausweis in Zukunft nicht mehr zu benutzen und stattdessen das neue Dokument in Gebrauch nehmen zu wollen.
(4) Das LG hat sich ferner im Rahmen der gebotenen Gesamtschau nicht mit der Frage beschäftigt, ob nicht die äußere Aufmachung des Dokuments, insbesondere seine Bezeichnung als „Personenausweis“ (und eben nicht Mitgliedsausweis, Vereinsausweis oder dergleichen), seine Größe, seine Gestaltung und sein Design Rückschlüsse auf einen weitergehenden Verwendungszweck als seinen bloßen Besitz oder seine Funktion als „Vereinsausweis“ zulassen.
III.
Aufgrund der aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mängel war das angefochtene Urteil auf die Revision der StA mitsamt den Feststellungen aufzuheben (§ 349 IV, V StPO) und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des LG zurückzuverweisen (§ 354 II StPO). Die Feststellungen zum äußeren Tathergang können nicht aufrecht erhalten bleiben, weil der Angekl. das freisprechende Urteil mangels Beschwer nicht hätte anfechten können und deshalb die Möglichkeit, ihn belastende Feststellungen zum äußeren Tathergang aufrechtzuerhalten, ausscheiden muss (BGH NStZ-RR 2000, 300 m. w. N.).
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts xxx zurückverwiesen.
1
Gründe
2I.
3Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten in ihrer zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage zur Last, er habe sich am 1. Januar 2012 gegen 8.47 Uhr im Eingangsbereich einer Gaststätte in der G-Straße in E aufgehalten. Dort sei es zu einer zunächst nur verbal geführten Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Nebenkläger gekommen. Im weiteren Verlauf dieser Auseinandersetzung habe der Angeklagte dem Nebenkläger dann ein Glas in das Gesicht geschlagen, wodurch der Nebenkläger mehrere Schnittwunden im Gesicht unterhalb des linken Auges, eine Nasenbeinfraktur, eine Hornhautverletzung des linken Auges und eine Prellung des linken Jochbogens erlitten habe.
4Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 27. November 2012 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Das Amtsgericht stellte fest, der Angeklagte habe die ganze Silvesternacht 2011 „durchgefeiert“ und sich am Morgen des 1. Januar 2012 gegen 8.47 Uhr vor der Gaststätte in der G-Straße aufgehalten. Der Nebenkläger, der zuvor auch Gast in dieser Gaststätte gewesen sei, habe sich ebenfalls dort aufgehalten. Aus ungeklärtem Anlass habe der Angeklagte dem Nebenkläger ein Raki-Glas in das Gesicht geschlagen, wobei das Glas zerbrochen sei. Der Nebenkläger habe hierdurch die in der Anklage beschriebenen Verletzungen erlitten. Die Schnittverletzungen seien genäht worden, und der Nebenkläger sei zwei Tage in einem Krankenhaus stationär behandelt worden. Die Schmerzen hätten noch etwa zwei Monate angehalten. Der Nebenkläger sei noch immer wegen der Narbenbildung auf der Netzhaut in augenärztlicher Behandlung und nehme noch immer einen Schatten auf dem verletzten Auge wahr, wenn es sehr hell sei.
5Auf die Berufung des Angeklagten hob das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts auf und sprach den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen frei. In den Gründen seines Urteils führte das Landgericht aus, es habe sich aufgrund der Beweisaufnahme nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte den Nebenkläger grundlos angegriffen und ihm dabei ein Raki-Glas in das Gesicht gedrückt habe.
6Mit ihren Revisionen gegen das Urteil des Landgerichts rügen die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger jeweils die Verletzung materiellen Rechts.
7II.
8Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers haben Erfolg.
91. Der Freispruch des Angeklagten hält sachlich-rechtlicher Überprüfung bereits deshalb nicht stand, weil das Landgericht keine ausreichenden Feststellungen zum Tatgeschehen getroffen hat.
10a) Nach § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen ergeben, dass der Angeklagte für nicht überführt erachtet worden ist. Diesem Erfordernis wird ein freisprechendes Urteil grundsätzlich nur dann gerecht, wenn in den Urteilsgründen zunächst diejenigen Feststellungen in einer geschlossenen Darstellung bezeichnet werden, die der Tatrichter für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung dartut, aus welchen Gründen er die für einen Schuldspruch notwendigen zusätzlichen Feststellungen nicht treffen konnte (BGH, NStZ-RR 2011, 275; NJW 1980, 2423; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. [2012], § 267 Rdnr. 33 m.w.N.). Diese Anforderungen sind kein Selbstzweck, sondern sollen dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob die den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freisprechende Entscheidung auf der Grundlage einer erschöpfenden Würdigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und aller hierbei feststellbaren und festgestellten Tatumstände erfolgt ist (BGH, a.a.O.). Jedenfalls in einem Fall, in dem sich – wie in der vorliegenden Sache – der Freispruch darauf gründet, dass dem Angeklagten bereits die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes einer Straftat nicht nachzuweisen sei, sind Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen und deren Mitteilung in den Urteilsgründen in aller Regel unerlässlich (BGH, NJW 1980, 2423). Lassen sich – ausnahmsweise – überhaupt keine Feststellungen zum Tatgeschehen treffen, so ist dies in den Urteilsgründen darzulegen und zu erläutern (BGH, a.a.O.).
11b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
12aa) Das Landgericht hat in seinem Urteil allenfalls rudimentäre Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen getroffen. Die Strafkammer gibt in den Gründen des angefochtenen Urteils zunächst die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen wieder. Im Anschluss hieran teilt sie mit, dass sich der vom Amtsgericht festgestellte Sachverhalt in der Berufungshauptverhandlung nicht bestätigt habe. Die Kammer habe (lediglich) feststellen können, dass sich der Angeklagte, der Nebenkläger sowie die als Zeugen vernommenen C, H, D und X am Tattag in der Gaststätte „G“ aufhielten. Sodann folgen in den Urteilsgründen die Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten, der Aussagen der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen sowie der Ausführungen des von der Strafkammer hinzugezogenen rechtsmedizinischen Sachverständigen und hiernach ein mit „Beweiswürdigung“ überschriebener Abschnitt, in dem die Strafkammer – im Wesentlichen unter Hinweis auf inhaltliche Abweichungen zwischen den Angaben der vorbezeichneten Personen zum Geschehen am Morgen des Tattages – ausführt, sie habe sich aufgrund der Beweisaufnahme nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte den Nebenkläger grundlos angegriffen und ihm dabei ein Raki-Glas in das Gesicht gedrückt habe. Dem Gesamtzusammenhang der letztgenannten Ausführungen lässt sich dabei (noch) entnehmen, dass das Landgericht davon ausging, dass der Nebenkläger die in der Anklage beschriebenen Verletzungen tatsächlich erlitten habe, dass der Zeuge X am Morgen des Tattages den Angeklagten verfolgt, diesen der Tat zum Nachteil des Nebenklägers bezichtigt und die Polizei verständigt habe und dass es anschließend eine Aufnahme des Tatgeschehens durch Polizeibeamte gegeben habe.
13bb) Die in den Urteilsgründen wiedergegebenen Ergebnisse der von der Strafkammer durchgeführten Beweisaufnahme legen indes nahe, dass neben diesen bruchstückhaften – und in den Gründen des angefochtenen Urteils nicht einmal in Form einer geschlossenen Darstellung mitgeteilten – Feststellungen durchaus noch weitergehende und detailliertere Feststellungen möglich gewesen wären, und zwar namentlich zu Umständen, die im Rahmen der Beweiswürdigung zum eigentlichen Kerngeschehen als Anknüpfungstatsachen eine besondere Bedeutung hätten gewinnen können.
14(1) Dies gilt zuvörderst für die Frage, welche Rückschlüsse das bei dem Nebenkläger festgestellte Verletzungsbild auf die Entstehung dieser Verletzungen zulässt. So hat der von der Strafkammer gehörte Sachverständige ausweislich der Urteilsgründe ausgeführt, bei den Gesichtsverletzungen des Nebenklägers handele es sich um Hautschnittwunden, die typischerweise durch das Drücken eines eher dünnwandigen Glases in das Gesicht verursacht würden und nicht durch einen Sturz. Warum die Strafkammer keine diesen sachverständigen Ausführungen entsprechende Feststellung treffen konnte, erläutert das angefochtene Urteil nicht.
15(2) Darüber hinaus haben sowohl der Angeklagte als auch die Zeugen C, H und X angegeben, dass es zu einer – in ihren Einzelheiten allerdings nicht einheitlich geschilderten – tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und einer weiteren Person im Bereich einer Säule auf dem Gaststättenvorplatz gekommen sei, wobei die Zeugen C und X diese weitere Person als den Nebenkläger identifiziert haben. Das angefochtene Urteil legt nicht in nachvollziehbarer Weise dar, warum das Landgericht keine entsprechende Feststellung treffen konnte. Der bloße Hinweis auf die Aussagen des Zeugen D und des Nebenklägers, die keine Angaben zu dieser tätlichen Auseinandersetzung gemacht haben, reicht insoweit jedenfalls nicht aus. Die Aussage des Zeugen D ist zum eigentlichen Kerngeschehen unergiebig. Der Nebenkläger hat – insofern abweichend von den Angaben des Angeklagten und der Zeugen C, H und X – angegeben, er habe die Gaststätte verlassen, sei dann in einen Hinterhof gegangen, um dort zu urinieren, habe dann plötzlich hinter sich ein Geräusch gehört und sodann noch ein Glas oder eine Flasche wahrgenommen. Er hat indes auch erklärt, am Neujahrsmorgen erheblich alkoholisiert gewesen zu sein und Erinnerungslücken zu haben. Seine in den Gründen des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Angaben zum Ablauf der Silvesternacht und des Neujahrsmorgens wirken auch eher schemenhaft. Warum die Strafkammer der Aussage des Nebenklägers vor diesem Hintergrund überhaupt einen Beweiswert beimisst, erläutert sie in den Gründen des angefochtenen Urteils nicht.
16(3) Schließlich lässt die Erwähnung des Umstandes, dass das Tatgeschehen durch Polizeibeamte aufgenommen wurde, es wahrscheinlich erscheinen, dass Feststellungen zur psychischen Verfassung und zum Grad der Alkoholisierung der einzelnen Beteiligten, zu etwaigen (Spontan-)Äußerungen gegenüber der Polizei und zu weiteren Einzelheiten des Tatnachgeschehens möglich gewesen wären. Auch für das Fehlen solcher Feststellungen enthält das angefochtene Urteil indes keine nachvollziehbare Begründung.
172. Angesichts der vorstehenden Erwägungen bedarf es keiner abschließenden Erörterung der Frage mehr, ob die Ausführungen des Landgerichts auch im Übrigen sachlich-rechtliche Mängel aufweisen. Der Senat weist insoweit lediglich darauf hin, dass der Zeuge X ausweislich der Gründe des angefochtenen Urteils in einer detailreichen und in sich schlüssigen Aussage erklärt hat, der Angeklagte habe dem Nebenkläger an der Säule auf dem Gaststättenvorplatz plötzlich ein Raki-Glas in das Gesicht geschoben. Vor dem Hintergrund der Angaben des rechtsmedizinischen Sachverständigen zur Ursache für die Verletzungen des Nebenklägers sowie der Angaben des Angeklagten sowie der Zeugen C und H – bei diesen beiden Zeugen handelte es sich um die Begleiter des Angeklagten zum Tatzeitpunkt –, die nahelegen, dass es tatsächlich ein Zusammentreffen zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger an der besagten Säule und hierbei auch eine tätliche Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Personen gab, hätte das Landgericht in den Gründen seines freisprechenden Urteils detailliert und vertieft darlegen müssen, warum es entweder eine irrtumsbedingte Falschaussage des Zeugen X oder sogar eine bewusste Falschbezichtigung des Angeklagten durch diesen Zeugen für möglich hält. Entsprechende Darlegungen lassen sich dem angefochtenen Urteil indes nicht entnehmen.
183. Wegen der aufgezeigten Mängel hebt der Senat das angefochtene Urteil nach § 353 StPO mit den Feststellungen auf und verweist die Sache nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurück.
19III.
20Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
21Für den Angeklagten ist ausweislich der vom Senat zum Zwecke der Vorbereitung der Revisionshauptverhandlung ausgewerteten Akten eine Betreuerin bestellt worden, weil er aufgrund einer „depressiven Störung bei zugrundeliegenden psychosozialen Belastungen mit Verdacht auf ein posttraumatisches Belastungssyndrom, aufgrund Alkohol- und Cannabismissbrauchs und aufgrund des Verdachts auf das Vorliegen einer Spielsucht“ nicht in der Lage sein soll, die zu dem – weit gefassten – Aufgabenkreis der Betreuerin gehörenden Angelegenheiten selbst zu besorgen. Das angefochtene Urteil lässt Feststellungen zu einer eventuellen psychischen Erkrankung des Verurteilten indes vollständig vermissen, obwohl dieser Umstand für die Beurteilung des Tatvorwurfes durchaus bedeutsam sein könnte, könnte eine psychische Erkrankung doch eine Erklärung für das Verhalten des Angeklagten in der Tatnacht und hierbei insbesondere für sein von dem Zeugen X geschildertes latent-aggressives Vortatverhalten darstellen (vgl. zur Notwendigkeit von Feststellungen zum Werdegang und zur Persönlichkeit des Angeklagten in einem freisprechenden Urteil BGHSt 52, 314). Der neue Tatrichter wird jedenfalls Gelegenheit haben, den psychischen Gesundheitszustand des Angeklagten näher zu untersuchen.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung freigesprochen. Die Nebenklage rügt mit ihrer hiergegen gerichteten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
- 2
- 1. Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage hatte dem Angeklagten zur Last gelegt, am 15. Juni 2012 seine Ehefrau, die Nebenklägerin , vergewaltigt und körperlich misshandelt zu haben. Am Tattag gegen 19 Uhr habe er sie an den Haaren ins Badezimmer gezerrt, sie dort über den Rand der Badewanne gedrückt, dabei ihren Kopf an den Haaren so stark nach hinten gerissen, dass sie durch Überdehnung des Kehlkopfes nicht schreien konnte, ihre Jogginghose heruntergezogen und sodann gegen ihren Willen den Analverkehr durchgeführt. Dabei soll er der Nebenklägerin derart heftig an den Brustwarzen gezogen haben, dass sie erhebliche Schmerzen litt und zudem infolge des gewaltsamen Analverkehrs am After blutete.
- 3
- 2. Der Angeklagte hat den Tatvorwurf bestritten. Das Landgericht hat ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
- 4
- Es hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
- 5
- Der Angeklagte und die Nebenklägerin sind seit März 2010 verheiratet und haben zwei gemeinsame Kinder. Am 11. Mai 2012 ließ die Nebenklägerin gegen den Willen des Angeklagten einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Dies führte dazu, dass sich die Eheleute endgültig trennten, nachdem es schon zuvor häufig zu Spannungen und Streitigkeiten gekommen war. Am 24. August 2012 suchte der Angeklagte seine Ehefrau in deren Wohnung auf. Es kam zu einem Streit, der derart eskalierte, dass die Nebenklägerin die Polizei informierte. Den Beamten gegenüber erwähnte sie, dass der Angeklagte sie vor einiger Zeit vergewaltigt habe.
- 6
- 3. Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
- 7
- Die Angaben der Nebenklägerin seien insgesamt als nicht glaubhaft zu beurteilen. Die zahlreichen und bei mehreren Vernehmungen konstant geschilderten Details sprächen zwar für einen real erlebten Vorgang. Die Nebenklägerin habe aber ihre ursprünglichen Angaben zur zeitlichen Einordnung der Tat im Rahmen der Hauptverhandlung revidiert und der Aussage des Zeugen U. angepasst. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens und bei ihrer ersten Befragung in der Hauptverhandlung habe sie noch angegeben, die Vergewaltigung sei einige Wochen nach dem Schwangerschaftsabbruch, also Mitte Juni 2012, erfolgt. Nach Vorhalt der Aussage des Zeugen U. , eines Jugendamtsmitarbeiters , der angegeben hatte, die Nebenklägerin hätte ihm bereits am 22. Mai 2012 von einer kurz zuvor (19./20. Mai 2012) erfolgten Vergewaltigung durch den Angeklagten berichtet, habe die Nebenklägerin in einer zweiten Vernehmung dessen zeitliche Einordnung bestätigt, nachdem sie nach eigenen Angaben zwischenzeitlich zusammen mit ihrer Mutter weitere Überlegungen angestellte hatte.
- 8
- Vor diesem Hintergrund hat die Kammer sich im Hinblick auf den Zweifelsgrundsatz nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfene Tat begangen habe. Es sei kaum nachvollziehbar, wieso die Erinnerung der Nebenklägerin über ein Jahr nach der Tat nunmehr zuverlässiger sein sollte und warum sie nicht schon bei früheren Vernehmungen die Tatzeit hinterfragt und genauere Überlegungen angestellt habe. Der Nebenklägerin falle es zwar offensichtlich schwer, Ereignisse bestimmten Daten zuzuordnen. Ein Schwangerschaftsabbruch und eine Vergewaltigung seien aber für eine Frau derart einschneidende Erlebnisse, dass man normalerweise einordnen könne, ob die Vergewaltigung nur einige Tage oder mehrere Wochen danach geschehen sei. Berücksichtige man weiter, dass der Vorwurf der Vergewaltigung nach Trennung der Eheleute zum ersten Mal beim Jugendamt erhoben wurde, sei nicht auszuschließen, dass die Nebenklägerin die Beschuldigung erhoben habe, um das alleinige Sorgerecht für die Kinder zu bekommen. Hinzu käme, dass die Nebenklägerin im Rahmen der Hauptverhandlung kaum emotionale Betroffenheit habe erkennen lassen.
II.
- 9
- Der Freispruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 10
- 1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO), dessen Schlussfolgerungen nicht zwingend, sondern nur möglich sein müssen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 - 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151; Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Insbesondere sind die Beweise auch erschöpfend zu würdigen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich zudem ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 10. August 2011 - 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110 f.; vom 11. August 2011 - 4 StR 191/11; vom 26. April 2012 - 4 StR 599/11 und vom 8. August 2012 - 1 StR 88/12).
- 11
- 2. Die insoweit erforderliche Gesamtschau der Beweisergebnisse fehlt. Das Landgericht hat die Aussage der Nebenklägerin vor allem mit Blick auf die Umstände, die der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben entgegenstehen, ausführlich erörtert und überprüft (UA S. 5 - 8), während es die für die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben sprechenden Gesichtspunkte nur knapp und ohne erkennbare Würdigung aufgelistet hat (UA S. 4 - 5).
- 12
- Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung aller entscheidungsrelevanten Umstände hätte sich das Landgericht insbesondere damit auseinandersetzen müssen, dass die im Urteil mitgeteilten Aussagen der Nebenklägerin (polizeiliche Vernehmung, richterliche Vernehmung, Angaben in der Hauptverhandlung ) eine beachtliche inhaltliche Konstanz sowie einige originelle Details aufweisen. Auch wurden die Angaben der Nebenklägerin von ihrer Schwester vollständig bestätigt, die sich nach eigenen Angaben während des Tatgeschehens im Nebenzimmer aufgehalten hat. Insoweit verweist die Strafkammer lediglich auf die Möglichkeit, dass die Schwestern Gelegenheit hatten, sich abzusprechen. Es fehlt indes eine Würdigung der Aussage der Schwester und es bleibt entsprechend offen, ob und inwieweit das Gericht der Schwester überhaupt Glauben schenkt.
- 13
- Die Strafkammer hat es aber auch versäumt, die Aussage des Zeugen U. vollständig in die Gesamtwürdigung einzustellen. Der Umstand, dass die Nebenklägerin diesem bereits am 22. Mai 2012 von der ihr widerfahrenen Vergewaltigung berichtet hat, könnte für die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben sprechen und insbesondere die Konstanz ihrer Angaben bestätigen. Es fehlt jedoch schon eine Darstellung dessen, was der Zeuge U. zu den konkreten Angaben der Nebenklägerin bekundet hat. Ferner erscheint auch die Erwägung der Strafkammer wenig lebensnah, es sei nur schwer nachvollziehbar, dass die Nebenklägerin ihrer Mutter am Sonntag vor dem Besuch des Jugendamts ledig- lich berichtet habe, es sei „etwas Schlimmes passiert“, ohne ihr Näheres zu er- zählen. Dass eine Frau sich scheut, auch ihr nahestehenden Personen, eine Vergewaltigung näher zu schildern und in Bezug auf das Vorgefallene ggf. auf nur allgemeine Beschreibungen zurückfällt, erscheint jedenfalls nicht außergewöhnlich.
- 14
- Soweit die Strafkammer letztlich nicht hat „ausschließen“ können, dass die Nebenklägerin gegenüber dem Jugendamtsmitarbeiter die Beschuldigung gegen den Angeklagten nur deshalb erhoben hat, um das alleinige Sorgerecht für ihre Kinder zu bekommen, bleibt diese Erwägung schon im Hinblick auf das Fehlen entsprechender Feststellungen zu einem zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Sorgerechtskonflikt reine Spekulation.
- 15
- Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer umfassenden Gesamtschau auch der den Angeklagten belastenden Umstände den Zweifeln an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Nebenklägerin ein geringeres Gewicht beigemessen und sich von der Richtigkeit ihrer Angaben überzeugt hätte.
- 16
- 3. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das angefochtene Urteil schon den gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellenden Anforderungen nicht gerecht wird. Das Urteil lässt auch im Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht erkennen, von welchem Sachverhalt die Strafkammer im Hinblick auf den Tatvorwurf letztlich ausgegangen ist. Auch wären vorliegend Feststellungen zu Werdegang, strafrechtlichen Vorbelastungen und Persönlichkeit des Angeklagten wie auch zum Verlauf seiner Ehe mit der Nebenklägerin geboten gewesen, da diese für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle hätten spielen können und deshalb zur Überprüfung des Freispruchs durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler hin notwendig sind (vgl. BGH, Urteile vom 13. Oktober 1999 - 3 StR 297/99, NStZ 2000, 91, vom 14. Februar 2008 - 4 StR 317/07, NStZ-RR 2008, 206, 207, vom 23. Juli 2008 - 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314, 315, und vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 170/12, NStZ-RR 2013, 52). Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung in zwei Fällen (Fälle 1 und 3 der Anklageschrift) und der gefährlichen Körperverletzung (Fall 2 der Anklageschrift) freigesprochen. Hiergegen wenden sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, beschränkt auf die Vorwürfe 2 und 3 der Anklageschrift, sowie – unbeschränkt – der Nebenklägerin. Beide Beschwerdeführer rügen die Verletzung materiellen Rechts, die Nebenklägerin beanstandet darüber hinaus das Verfahren. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensrüge kommt es nicht an.
I.
- 2
- 1. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Halle vom 14. Januar 2013 warf dem Angeklagten Folgendes vor:
- 3
- (1.) Am 16. März 2011 habe er vor der Arbeitsstelle der Nebenklägerin, seiner ehemaligen Lebensgefährtin, gewartet, diese beim Verlassen des Gebäudes zurückgedrängt, sie hochgehoben und in ein Büro getragen, wo er sie auf den Fußboden geworfen habe. Er habe sie mit einer Hand festgehalten, ihr Hose und Unterhose heruntergezogen und den ungeschützten Geschlechtsverkehr vollzogen. (2.) Am 21. Januar 2012 habe der Angeklagte der Nebenklägerin vor ihrem Wohnhaus aufgelauert, sie von hinten umklammert, zu Boden geworfen und ihr Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. (3.) Am 30. September 2012 sei der Angeklagte gegen 6.00 Uhr auf den Balkon der Nebenklägerin im 2. Obergeschoss geklettert, habe einen Blumenkübel ergriffen und damit die gläserne Balkontür eingeworfen. In der Wohnung habe er mit der völlig verschreckten Nebenklägerin den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss durchgeführt. Dies habe er gegen 10.00 Uhr erneut getan.
- 4
- 2. Der Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten. Das Landgericht hat sich von der Richtigkeit der Aussage der Nebenklägerin zu den eigentlichen Tatvorwürfen nicht überzeugen können. Es vermochte nicht auszuschließen, dass in den Fällen 1 und 3 der Anklageschrift ein Geschlechtsverkehr einvernehmlich erfolgt sei und sich die Nebenklägerin im Fall 2 der Anklageschrift selbst Pfefferspray in die Augen gesprüht habe.
II.
- 5
- Die für den Freispruch tragenden Erwägungen halten der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 6
- 1. Spricht der Tatrichter den Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtlich zu beanstanden sind die Beweiserwägungen ferner dann, wenn sie erkennen lassen, dass das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt und dabei nicht beachtet hat, dass eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewissheit nicht erforderlich ist, vielmehr ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit genügt, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zulässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 1957 – 2 StR 508/56, BGHSt 10, 208, 209; BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11, Rn. 5 mwN).
- 7
- Der Tatrichter darf entlastende Angaben des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinnehmen. Er muss sich vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses entscheiden, ob diese Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 – 5 StR 600/01, BGHSt 48, 52, 71; Beschluss vom 25. April 2007 – 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324, 325; Urteil vom 28. Januar 2009 – 2 StR 531/08, NStZ 2008, 285). Der Zweifelssatz gebietet es nicht etwa, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36; Urteil vom 17. März 2005 – 4 StR 581/04, NStZ-RR 2005, 209; Urteil vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, jew. mwN).
- 8
- 2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil zu den Anklagepunkten 2 und 3 in mehrfacher Hinsicht nicht. Denn das Landgericht hat den Beweiswert objektiver Tatspuren in diesen Fällen, die für die Richtigkeit der Darstellung der Nebenklägerin sprechen, mit Erwägungen verneint, für die es keinerlei Anhaltspunkte in den Feststellungen gibt und die sich daher als reine Spekulationen und Vermutungen zu Gunsten des Angeklagten erweisen.
- 9
- a) Die nach dem Vorfall vom 21. Januar 2012 bei der Nebenklägerin festgestellten Hämatome sprechen aufgrund ihrer Lokalisation für das von ihr geschilderte Geschehen (UA S. 65). Außerdem hatte sie stark gerötete tränende Augen und eine gerötete Gesichts- und Halshaut (UA S. 19). Anhaltspunkte für die Annahme des Landgerichts, dass die Nebenklägerin, die sich in der Nacht auf den 21. Januar 2012 im Haus ihrer Eltern aufgehalten hatte, bereits zuvor anderweit entstandene Hämatome gehabt haben und sich das Pfefferspray selbst ins Gesicht gesprüht haben könnte, ergeben sich aus den Urteilsgründen nicht. Desgleichen ist kein Motiv dafür erkennbar, weshalb sich die Nebenklägerin selbst mit Pfefferspray verletzt haben sollte, um einen Überfall durch den Angeklagten vorzutäuschen. Die Nebenklägerin hat lediglich ihren Vater zu Hilfe gerufen, eine Anzeige erstattete sie erst Monate später nach dem Vorfall vom 30. September 2012. Soweit das Landgericht in anderem Zusam- menhang ausführt, Ziel der Nebenklägerin könne es gewesen sein, Aufmerksamkeit zu erlangen, benötigte sie gegenüber ihren Eltern, die sich intensiv um sie kümmerten (UA S. 64), ersichtlich nicht das Mittel einer falschen Anschuldigung. Gegenüber Dritten hat die Nebenklägerin den Vorfall nicht zum Anlass genommen, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
- 10
- b) Die Spurenlage im Wohnzimmer der Nebenklägerin nach dem Vorfall vom 30. September 2012 sprach für einen wuchtigen Wurf mit dem Blumenkübel und gegen eine nachträgliche Veränderung der Spurenlage (UA S. 44). Das Landgericht spricht dennoch dieser Spurenlage den Beweiswert für die Glaubhaftigkeit der Schilderung der Nebenklägerin ab. Die von ihm hierfür herangezogenen Begründungen erweisen sich jedoch allesamt als bloße Spekulationen bzw. denktheoretische Erwägungen zum Vorteil des Angeklagten. Dies gilt sowohl für einen zweiten, von der Nebenklägerin selbst ausgeführten Wurf des Blumenkübels durch die Glasscheibe als auch für die Möglichkeit, die Nebenklägerin habe den Angeklagten nach einem Streit auf dem Balkon ausgesperrt und er habe sich mit dem Wurf Zutritt zur Wohnung verschafft (UA S. 25/63). Ein Streit mit nachfolgendem Aussperren des Angeklagten auf dem Balkon findet weder in der Aussage der Nebenklägerin noch in der Darstellung des Angeklagten eine Grundlage. Soweit das Landgericht die Darstellung des Angeklagten , er sei beim Hineintragen des Blumenkübels in das Wohnzimmer gestolpert, für nicht widerlegbar hält (UA S. 44), stellt es darauf ab, dass die Nebenklägerin die Spurenlage durch einen Wurf mit dem Blumenkübel nachträglich verändert haben könnte. Dem steht aber die Feststellung entgegen, dass die Spurenlage gegen eine nachträgliche Veränderung spricht. Mit diesem Umstand setzt sich das Landgericht nicht auseinander. Im Übrigen ergeben sich aus den Feststellungen auch keinerlei Anhaltspunkte für ein solches Verhalten der Nebenkläge- rin zwischen dem Verlassen der Wohnung durch den Angeklagten und dem Eintreffen ihrer Eltern.
- 11
- 3. Das Landgericht hat die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin verschiedentlich mit Erwägungen verneint, die von den Feststellungen nicht getragen werden; dies entzieht dem Freispruch auch im Fall 1 der Anklage die Grundlage.
- 12
- a) Das Landgericht hat ein Motiv der Nebenklägerin für eine Falschaussage nicht positiv feststellen können (UA S. 63), sondern hält solche Motive lediglich für möglich. Ein mögliches Motiv der Nebenklägerin für eine Falschaussage sieht es etwa in dem Bestreben, Aufmerksamkeit ihrer Umgebung zu erfahren (UA S. 64). Dies lässt sich nicht mit den Feststellungen vereinbaren, nach denen die Nebenklägerin die angeklagten Vorwürfe zu 1 und 2 zunächst monatelang nicht anzeigte und Dritten und ihren Eltern gegenüber eine Sexualstraftat im Fall 1 nicht oder nur als Versuch berichtet hat. Auch nahm die Nebenklägerin, trotz der von der Kammer festgestellten massiven StalkingHandlungen des Angeklagten, nur ansatzweise professionelle Hilfe in Anspruch. Schließlich finden sich auch für die Annahme, Grund für die Falschbeschuldigungen könne sein, dass sich die Nebenklägerin durch das Verhalten des Angeklagten während des Geschlechtsverkehrs am 30. September 2012 und danach zurückgesetzt und gedemütigt gefühlt haben könnte (UA S. 63), keine entsprechenden Anhaltspunkte in den Urteilsgründen. Zuvor hatte die Nebenklägerin, als sie sich durch das Verhalten des Angeklagten verletzt und zurückgesetzt gefühlt hatte, Konsequenzen nur in der Form gezogen, dass sie sich von ihm getrennt hatte.
- 13
- b) Auch soweit die Strafkammer darauf abstellt, dass die Nebenklägerin mit der späteren Schilderung des Übergriffs im Fall 1 der Anklage möglicherweise ihre psychische Befindlichkeit eindrücklicher habe erklären wollen (UA S. 57), erschließt sich der Sinn dieser Annahme angesichts der festgestellten fortwährenden Nachstellungshandlungen des Angeklagten, die ihre psychische Befindlichkeit ohne weiteres zu erklären vermochten, nicht.
- 14
- c) Das Landgericht geht zum Anklagevorwurf 3 davon aus, dass der Nebenklägerin ein Zeitfenster von zwei Stunden für ein Telefonat mit dem Angeklagten zwischen 22.00 Uhr und dessen Aufbruch in W. gegen 0.00 Uhr zur Verfügung gestanden habe (UA S. 62). Dies widerspricht den Feststellungen auf UA S. 23, wonach die Nebenklägerin nach einem Telefonat mit ihrer Mutter um 23.00 Uhr mit dem Angeklagten telefonierte. Widersprüchlich sind auch die Feststellungen zu einer SMS an C. insoweit, als das Landgericht auf UA S. 42 und 47 feststellt, dass die Nebenklägerin Angaben zum zeitlichen Zusammenhang der mit C. in der Nacht vom 29. auf den 30. September 2012 gewechselten SMS sowie den mit ihm geführten Telefonaten gemacht habe, die durch die Anlage zu dem EDVUntersuchungsbericht vom 9. Oktober 2012 gestützt würden, während ihr auf UA S. 62 angelastet wird, sie habe die SMS an C. zeitlich nicht einordnen können oder wollen.
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- Es ist nicht auszuschließen, dass der Freispruch bezüglich aller drei angeklagten Vorfälle auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Die Sache muss daher neu verhandelt und entschieden werden.
Bender Quentin
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.