Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 24. Okt. 2017 - 3 Ss OWi 1254/17

bei uns veröffentlicht am24.10.2017

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Tatbestand

D.as AG hat den von der Erscheinenspflicht in der Hauptverhandlung gemäß § 73 I OWiG entbundenen, dort jedoch durch einen unterbevollmächtigten Verteidiger vertretenen Betr. am 30.05.2017 wegen einer als Führer eines Pkw fahrlässig innerorts begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 80 Euro verurteilt. Mit Telefax vom 21.06.2017 legte der Wahlverteidiger des Betr. „gegen das Urteil des AG vom 10.05.2017“ Zulassungsrechtsbeschwerde ein mit dem Zusatz, dass „bis dato […] die Urteilsgründe nicht“ vorlägen, „so dass […] bei Übermittlung des Urteils um Beifügung des Sitzungsprotokolls nebst Beweisantrag“ gebeten werde. Mit weiterem per Telefax am selben Tag der StA übermittelten Schreiben vom 06.07.2017 dankte der Wahlverteidiger „für die Übermittlung des Urteils mit Rechtskraftvermerk“, wobei „allerdings mitzuteilen“ sei, dass ihm kein Urteil zugestellt worden sei und er „im Übrigen am 21.06.2017 sicherheitshalber […] Zulassungsrechtsbeschwerde eingelegt habe“ und er nicht feststellen könne, wie es zu einem Rechtskrafteintritt habe kommen können. Es werde deshalb „höchst vorsorglich“ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen eine etwaige Versäumung der Rechtsmittelfrist beantragt. Mit am 06.07.2017 beim AG eingegangenem Telefax-Schreiben beantragte der Wahlverteidiger Akteneinsicht, da ihm zwischenzeitlich ein für ihn nicht nachvollziehbarer Rechtskraftvermerk zugestellt worden sei; er „habe keine Urteilsgründe erhalten, bereits Zulassungsrechtsbeschwerde eingelegt und beantrage jetzt Wiedereinsetzung unter Übermittlung der Akte“.

Das OLG hat Wiedereinsetzungsgesuch und Zulassungsrechtsbeschwerde als unzulässig verworfen.

Gründe

Der Antrag des Betr. auf Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Einlegung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist ebenso wie die Zulassungsrechtsbeschwerde selbst als unzulässig zu verwerfen.

1. Nachdem das Urteil vom 30.05.2017 zwar in (erlaubter) Abwesenheit des Betr., jedoch in Anwesenheit des wirksam unterbevollmächtigten Verteidigers des Betr. verkündet wurde, endete die Wochenfrist des § 341 I StPO zur Einlegung der Zulassungsrechtsbeschwerde hier gemäß §§ 73 III, 79 IV [letzter Halbs.] i.V.m. § 80 III Satz 1 OWiG ohne weiteres bereits mit Ablauf des 06.06.2017 (vgl. schon OLG Bamberg, Beschluss vom 29.05.2006 – 3 Ss OWi 430/06 = NStZ 2007, 180; ferner u.a. Göhler-Seitz/Bauer OWiG 17. Aufl. § 73 Rn. 26 f. u. § 79, Rn. 30a, jeweils m.w.N.), so dass die Einlegung der Rechtsbeschwerde erst am 21.06.2017 verspätet erfolgte. Dies verkennt die Verteidigung, wenn sie aus nicht nachvollziehbaren Gründen und noch nach Gewährung von Akteneinsicht durch den Senat irrig von einem mit ihrem Rechtsmittel angefochtenen „Abwesenheitsurteil“ auszugehen scheint.

2. Eine Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die voraussetzt, dass der Betroffene ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO), kommt nicht in Betracht, weil das Gesuch bereits unzulässig ist.

a) Der Antrags auf Wiedereinsetzung ist nicht nur binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 I Satz 1 StPO), vielmehr handelt es sich bei den für die Gewährung der Wiedereinsetzung erforderlichen Angaben ebenso wie hinsichtlich ihrer Glaubhaftmachung um Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags (vgl. zuletzt nur BGH, Beschluss vom 12.07.2017 - 1 StR 240/17 [bei juris] m.w.N.). Darzulegen und glaubhaft zu machen sind folglich auch diejenigen Umstände, aus denen sich ergibt, dass der Antragsteller ohne eigenes Verschulden gehindert war, die versäumte Rechtsmittelfrist einzuhalten. Dazu gehört der Vortrag eines Lebenssachverhalts, der das fehlende Verschulden an der Säumnis belegt und Alternativen ausschließt, die der Wiedereinsetzung sonst entgegenstehen (BGH a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 60. Aufl. § 45 Rn. 5, jeweils m.w.N.).

b) Diesen Anforderungen genügt das Wiedereinsetzungsgesuch allerdings schon deshalb nicht, weil die Ausführungen der Verteidigung nicht erkennen lassen, dass der Betroffene sie überhaupt mit der Einlegung eines Rechtsmittels gegen das Urteil des AG vom 30.05.2017 beauftragt und die Verteidigung dem Betr. gegenüber dies auch zugesagt hatte, was aber für eine unverschuldete Säumnis des Betr. erste und unabdingbare Voraussetzung wäre (st.Rspr.; vgl. neben BGH a.a.O u.a. BGH, Beschluss vom 14.01.2015 - 1 StR 573/14 = NStZ-RR 2015, 145, 146; BGH, Beschluss vom 23.09.2015 – 4 StR 364/15 = NStZ 2017, 172 = AnwBl 2016, 73 und schon BGH, Beschluss vom 05.08.2008 – 5 StR 319/08 = NStZ-RR 2009, 375 = StraFo 2008, 431; siehe zuletzt auch schon OLG Bamberg, Beschluss vom 23.03.2017 – 3 Ss OWi 330/17 [bei juris] und BGH, Beschluss vom 13.07.2017 – 1 StR 283/17 = StraFo 2017, 418; BeckOK/Cirener StPO [27. Edit.] § 44 Rn. 24a m.w.N.).

3. Da Wiedereinsetzung nicht gewährt werden kann, ist die erst am 21.06.2017 und damit nach Ablauf der Wochenfrist eingegangene Zulassungsrechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen. […]

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 24. Okt. 2017 - 3 Ss OWi 1254/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 24. Okt. 2017 - 3 Ss OWi 1254/17

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 24. Okt. 2017 - 3 Ss OWi 1254/17 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 44 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fristversäumung


War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 24. Okt. 2017 - 3 Ss OWi 1254/17 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 24. Okt. 2017 - 3 Ss OWi 1254/17 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juli 2017 - 1 StR 240/17

bei uns veröffentlicht am 12.07.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 240/17 vom 12. Juli 2017 in der Strafsache gegen wegen gewerbsmäßigen Schmuggels ECLI:DE:BGH:2017:120717B1STR240.17.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach An

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2017 - 1 StR 283/17

bei uns veröffentlicht am 13.07.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 283/17 vom 13. Juli 2017 in der Strafsache gegen alias: wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige u.a. ECLI:DE:BGH:2017:130717B1STR283.17.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs ha

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Sept. 2015 - 4 StR 364/15

bei uns veröffentlicht am 23.09.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR364/15 vom 23. September 2015 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2015 - 1 StR 573/14

bei uns veröffentlicht am 14.01.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR573/14 vom 14. Januar 2015 in der Strafsache gegen wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2015 beschlossen : 1. Der Antrag des Angeklagten auf Wie

Referenzen

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 240/17
vom
12. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Schmuggels
ECLI:DE:BGH:2017:120717B1STR240.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12. Juli 2017 gemäß § 44 Satz 1, § 46 Abs. 1, § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 30. Januar 2017 wird als unzulässig verworfen. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten, einen türkischen Staatsangehörigen , wegen gewerbsmäßigen Schmuggels in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und dieses Urteil in der Sitzung vom 30. Januar 2017 in dessen Anwesenheit verkündet. Im Anschluss daran hat es den Verurteilten entsprechend § 35a Satz 1 und 3 StPO belehrt. Die Belehrung wurde ihm in Anwesenheit seines Verteidigers durch eine Dolmetscherin in die türkische Sprache übersetzt.
2
Danach wurde der bis dahin in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte auf freien Fuß gesetzt und er verließ ohne weitere Erklärung das Gerichtsgebäude , um am nächsten Tag in die Türkei zurück zu fliegen. Mit seinem Verteidiger hatte er in der Folge zunächst keinen Kontakt mehr.
3
Erst am 20. Februar 2017 meldete er sich telefonisch bei seinem Verteidiger , fragte, ob das schriftlich abgefasste Urteil bereits vorliege, und teilte mit, dass er beabsichtige, hiergegen Rechtsmittel einzulegen. Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2017 hat sein Verteidiger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist beantragt und gleichzeitig Revision eingelegt.
4
Mit Schreiben vom 6. Juli 2017 hat der Verurteilte sich selbst dahingehend geäußert, dass er die Belehrung des Vorsitzenden bezüglich der einwöchigen Revisionsfrist und deren Übersetzung in die türkische Sprache überhaupt nicht verstanden habe.
5
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision ist unzulässig.
6
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO). Die für die Gewährung der Wiedereinsetzung erforderlichen Angaben sind ebenso wie ihre Glaubhaftmachung Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags (BGH, Beschlüsse vom 24. Juli 2012 – 1 StR 341/12; vom 7. Juni 2013 – 1 StR 232/13; vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145 f. und vom 21. November 2016 – 1 StR 526/16 [in NStZ-RR 2017, 48 nur redaktioneller Leitsatz] mwN). Darzulegen und glaubhaft zu machen sind auch diejenigen Umstände, aus denen sich ergibt, dass der Antragsteller ohne eigenes Verschulden gehindert war, die versäumte Rechtsmittelfrist einzuhalten (BGH, Beschlüsse vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145 f. und vom 21. November 2016 – 1 StR 526/16 [in NStZRR 2017, 48 nur redaktioneller Leitsatz] mwN; vgl. auch BeckOK StPO/ Cirener, 27. Edition, § 45 Rn. 6; Maul in KK-StPO, 7. Aufl., § 45 Rn. 6). Dazu gehört der Vortrag eines Lebenssachverhalts, der das fehlende Verschulden an der Säumnis belegt und Alternativen ausschließt, die der Wiedereinsetzung sonst entgegenstehen (BeckOK StPO/Cirener aaO).
7
Diesen Anforderungen genügt weder das Wiedereinsetzungsgesuch vom 27. Februar 2017 noch der Schriftsatz vom 6. Juli 2017 einschließlich der darin durch den Verteidiger mitgeteilten E-Mail des Angeklagten selbst.
8
a) Der Antrag vom 27. Februar 2017 legt keinen Sachverhalt dar, aus dem sich eine seitens des Angeklagten unverschuldete Säumnis ergibt. Er lässt bereits nicht deutlich erkennen, dass der Angeklagte seinen Verteidiger mit der Einlegung eines Rechtsmittels gegen das Urteil beauftragt hatte, was aber für eine unverschuldete Säumnis des Angeklagten erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145, 146; BeckOK StPO/Cirener aaO § 44 Rn. 24a mwN). Ausweislich des Wiedereinsetzungsgesuchs hatte der Angeklagte einen solchen Auftrag zwar vor dem letzten Termin zur mündlichen Verhandlung für den Fall einer Verurteilung erteilt. Zeit- lich danach hat der bis dahin bestreitende Angeklagte aber „nach Vorbereitung durch den Unterzeichner“ (seinem Verteidiger) ein Teilgeständnisin dem Termin zur Hauptverhandlung abgelegt, in dem auch das Urteil verkündet worden ist. Angesichts der gegenüber dem Zeitpunkt der behaupteten Beauftragung erheblich veränderten Sachlage war der Angeklagte gehalten, sich zu vergewissern , dass sein Verteidiger den vor dem Teilgeständnis erteilten Rechtsmittelauftrag auch tatsächlich erfüllen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2015 – 4 StR 364/15, NStZ 2017, 172 f.). Dazu verhält sich der Antrag nicht. Vielmehr spricht der weitere Vortrag gerade dafür, dass sich der Angeklagte nach der Urteilsverkündung und seiner unmittelbar nachfolgenden Aus- reise in die Türkei jedenfalls bis zum 20. Februar 2017 gar nicht mehr um die Revisionseinlegung gekümmert hat.
9
Auch wenn ein Angeklagter seinen Verteidiger grundsätzlich hinsichtlich der zugesagten Einlegung von Rechtsmitteln und deren Begründung nicht zu überwachen braucht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2016 – 1 StR 435/15, wistra 2016, 163), bestand wegen der dargelegten Veränderung der Situation hier die Obliegenheit des Angeklagten zu einer Klarstellung gegenüber seinem Verteidiger, gegen das verkündete Urteil Rechtsmittel einzulegen. Dass er dem nachgekommen wäre, ergibt sich aus dem Antrag ebenfalls nicht.
10
b) Soweit sich der Angeklagte selbst in der genannten E-Mail vom 6. Juli 2017 darauf beruft, die Belehrung des Vorsitzenden bezüglich der einwöchigen Frist zur Einlegung der Revision und deren Übersetzung in die türkische Sprache überhaupt nicht verstanden zu haben, zeigt dies abgesehen von der Nichteinhaltung der Wochenfrist aus § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO ebenfalls keinen Sachverhalt auf, aufgrund dessen der Angeklagte unverschuldet an der Einhaltung der Revisionseinlegungsfrist gehindert gewesen wäre. Ohne nähere Darlegungen dazu, warum er die Übersetzung in seine Muttersprache nicht verstanden habe, ist den in § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO geregelten Begründungsanforderungen nicht genügt (dazu OLG Oldenburg, Beschluss vom 18. Januar 2008 – 1 Ws 41/08, NStZ-RR 2008, 150; siehe auch Maul in KK-StPO aaO § 45 Rn. 7).
11
Da der Angeklagte ausweislich der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs vom 27. Februar 2017 bereits ab dem 20. Februar 2017 Kenntnis von der Fristversäumnis hatte, wäre der Schriftsatz vom 6. Juli 2017 auch als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist aus § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO unzulässig.
12
3. Die Revision des Angeklagten ist ebenfalls unzulässig. Die Frist aus § 341 Abs. 1 StPO ist versäumt. Raum Graf Radtke Bär Hohoff

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR573/14
vom
14. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2015 beschlossen
:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung
der Revision gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 26. Mai 2014 wird als unzulässig verworfen.
2. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 45
Abs. 1 Satz 1 StPO wird als unzulässig verworfen.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten mit Urteil vom 26. Mai 2014 wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Urteilsverkündung fand in Anwesenheit des Angeklagten statt. Gegen dieses Urteil hat die Pflichtverteidigerin des Angeklagten fristgerecht Revision eingelegt. Das Urteil wurde ihr am 7. Juli 2014 zugestellt. Nachdem bis zum Ablauf der Frist des § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO keine Rechtsmittelbegründung eingegangen war, verwarf das Landgericht die Revision durch Beschluss vom 12. August 2014 gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig. Dieser Beschluss wurde der Pflichtverteidigerin am 21. August 2014 zugestellt.
2
Mit Schreiben seines neuen Wahlverteidigers vom 9. September 2014, eingegangen bei dem Landgericht am selben Tag, hat der Angeklagte die Revision begründet und beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Fristversäumung des Antrags auf Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Abgabe einer Revisionsbegründung und eines Revisionsantrags sowie bezüglich der Versäumung der Frist zur Abgabe einer Revisionsbegründung und eines Revisionsantrags zu gewähren.
3
Er trägt vor, weder er noch der unterzeichnende Rechtsanwalt hätten Kenntnis von dem Verwerfungsbeschluss gehabt. Der unterzeichnende Rechtsanwalt habe von diesem Beschluss erst durch eine Akteneinsicht in der 36. Kalenderwoche erfahren. In dieser Woche habe auch er selbst den Verwerfungsbeschluss in der Justizvollzugsanstalt erhalten. Da seine Pflichtverteidigerin für ihn bereits Revision eingelegt hatte, habe er davon ausgehen dürfen, dass sie auch einen Revisionsantrag stellt und zumindest die allgemeine Sachrüge erhebt. Das Versäumnis der Pflichtverteidigerin könne ihm nicht zugerechnet werden.
4
Die Vollzugsgeschäftsstelle der Justizvollzugsanstalt München hat auf Anfrage eines Vertreters des Generalbundesanwalts im November 2014 mitgeteilt , dass der Verwerfungsbeschluss dort nicht zur Aushändigung an den Angeklagten eingegangen, diesem also offensichtlich persönlich zugesandt worden sei. Auf Befragen habe der Angeklagte erklärt, er habe den Beschluss am 12. September 2014 oder am 13. September 2014 erhalten.

II.


5
Beide Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind unzulässig.
6
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist unzulässig.
7
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO); innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen. Die hierzu erforderlichen Angaben sind ebenso wie ihre Glaubhaftmachung Zulässigkeitsvoraussetzungen (BGH, Beschlüsse vom 24. Juli 2012 - 1 StR 341/12; und vom 7. Juni 2013 - 1 StR 232/13; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., 2014, § 45 Rn. 5 mwN). Bereits an dieser Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt es.
8
Darüber hinaus hat der Angeklagte auch weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden gehindert war, die versäumte Rechtsmittelfrist einzuhalten (§ 44 Abs. 1 StPO).
9
a) Der Antrag enthält keine Angaben dazu, zu welchem Zeitpunkt das Hindernis im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO tatsächlich weggefallen ist. Entscheidend für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte und nicht der Verteidiger Kenntnis von dem Verwerfungsbeschluss erlangt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - 4 StR 320/12, NStZ 2013, 474; und vom 3. Dezember 2013 - 1 StR 412/13). Die Angabe eines längeren Zeitraums, hier sogar von einer Woche, genügt diesem Erfordernis nicht.
10
Zudem ist der Vortrag, wann dem Angeklagten die Versäumung der Rechtsmittelfrist bekannt geworden ist, in sich widersprüchlich.
11
Aus der vom Generalbundesanwalt eingeholten Auskunft der Vollzugsgeschäftsstelle ergibt sich, dass der Angeklagte im November 2014 behauptet hat, den Verwerfungsbeschluss erst am 12. oder 13. September 2014 erhalten zu haben. Über seinen Verteidiger hat er allerdings am 9. September 2014 vortragen lassen, den Beschluss bereits in der 36. Kalenderwoche bekommen zu haben. Die 36. Kalenderwoche ist die Woche von Montag, dem 1. September, bis Sonntag, dem 7. September 2014.
12
Der Vortrag schließt zudem nicht aus, dass der Angeklagte den Beschluss bereits am 1. September 2014 erhalten hat. In diesem Fall hätte das am 9. September 2014 eingegangene Gesuch um Wiedereinsetzung die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO nicht gewahrt. Diese Zweifel an der Fristeinhaltung gehen zu Lasten des Antragstellers (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 45 Rn. 3).
13
b) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist bleibt auch deshalb ohne Erfolg, weil der Angeklagte weder dargelegt noch glaubhaft gemacht hat, dass er ohne Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten (§ 44 Abs. 1 StPO). Sein Vortrag lässt offen, ob er seine Pflichtverteidigerin überhaupt mit der Begründung des Rechtsmittels beauftragt hatte; ein solcher Auftrag ist auch nicht durch anwaltliche Versicherung der Pflichtverteidigerin glaubhaft gemacht. Auch wurde nicht näher dargelegt und ebenfalls nicht anwaltlich versichert, weshalb die Pflichtverteidigerin tatsächlich die Revisionsbegründung trotz eventuellen Auftrags unterlassen hat.
14
c) Soweit der Angeklagte nun mit Schreiben vom 21. Dezember 2014 erstmals vorträgt, er habe seine Pflichtverteidigerin auch mit der Revisionsbegründung beauftragt, ändert dies im Ergebnis an der Unzulässigkeit des Antrags nichts.
15
2. Auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO ist unzulässig. Der Umstand, dass der Wahlverteidiger in seinem Gesuch vom 9. September 2014 ausdrücklich auch einen solchen Wiedereinsetzungsantrag gestellt hat, belegt, dass dem Angeklagten die Versäumung der Frist für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags bekannt war; zumindest aber hat er eine solche Fristversäumung bei Antragstellung am 9. September 2014 ernsthaft in Betracht gezogen. Dennoch legt der Antrag keine Umstände dar, aus denen sich ein unverschuldetes Fristversäumnis ergibt.
Rothfuß Cirener Radtke
Mosbacher Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR364/15
vom
23. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 23. September 2015 beschlossen:
1. Der Antrag der Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 6. März 2015 wird zurückgewiesen. 2. Die Revision der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Die Angeklagte wurde am 6. März 2015 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Sie und ihr Verteidiger verzichteten ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nach Verkündung des Urteils auf eine Rechtsmittelbelehrung.
2
1. Die Revision der Angeklagten gegen dieses Urteil ist unzulässig, weil sie erst am 23. März 2015 und damit verspätet eingelegt wurde (§ 341 Abs. 1, § 349 Abs. 1 StPO).
3
2. Ihr – rechtzeitiges – Wiedereinsetzungsgesuch hat keinen Erfolg, weil die Angeklagte nicht ohne eigenes Verschulden an der Fristwahrung gehindert war (§ 44 StPO).
4
a) Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Angeklagte in einer „Eidesstattlichen Versicherung“ vorgetragen, sie habe ihren Pflichtver- teidiger in Anwesenheit der Dolmetscherin mündlich unmittelbar nach Urteils- verkündung „angewiesen“, ein Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil ein- zulegen; ihr Verteidiger habe diese eindeutige Weisung missachtet. Abgesehen davon, dass, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hervorhebt, die eigene eidesstattliche Versicherung eines Angeklagten kein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung ist (SSW-StPO/Tsambikakis, § 45 Rn. 17 mwN), ist die in dieser Erklärung enthaltene Behauptung, auf die zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags Bezug genommen wird, schon nach dem Inhalt der weiteren Unterlagen, die zur Glaubhaftmachung vorgelegt werden, als widerlegt anzusehen. Ausweislich der Erklärung der bei dem Gespräch zwischen der Angeklagten und ihrem Verteidiger anwesenden Dolmetscherin hat die Angeklagte diesem lediglich mitgeteilt, sie wolle „Berufung“ einlegen und einen „neuen Versuch starten“. Daraufhin habe ihr Verteidiger darauf hingewie- sen, man habe für die Entscheidung über die Einlegung der Revision noch ein paar Tage Zeit, sie könne es sich – auch vor dem Hintergrund der am selben Tag eingegangenen Nachricht vom Tode ihres Bruders – daher in Ruhe überlegen und ihn dann anrufen, um ihm ihre endgültige Entscheidung mitzuteilen. Die Angeklagte habe dies bestätigt und ergänzend um einen Rückruf des Verteidigers gebeten, sollte sie sich selbst – möglicherweise wegen der Notwendigkeit , sich wegen des Todesfalles vorrangig um ihre familiären Angelegenheiten zu kümmern – nicht am letzten oder vorletzten Tag der Einlegungsfrist bei ihm gemeldet haben. Bestätigt wird die sachliche Richtigkeit dieser Erklärung, die auch von der Angeklagten nicht in Frage gestellt wird, durch den Inhalt des ebenfalls vorgelegten Schreibens des Verteidigers an die Postanschrift der Angeklagten am Tag vor Fristablauf, in dem er u.a. darlegt, er habe mehrfach, letztmalig am selben Tage, vergeblich versucht, diese telefonisch zu erreichen, um – absprachegemäß – ihre Entscheidung über die Rechtsmitteleinlegung zu erfahren.
5
Danach kann keine Rede davon sein, dass die Frage der Einlegung eines Rechtsmittels unmittelbar nach der Urteilsverkündung verbindlich durch eine dahingehende Weisung der Angeklagten entschieden worden und ihr Pflichtverteidiger in der Folgezeit dieser Weisung abredewidrig nicht nachgekommen wäre. Vielmehr war die endgültige Entscheidung noch von einer entsprechenden Willensäußerung der Angeklagten abhängig.
6
b) Im Übrigen bewertet auch die neue Wahlverteidigerin der Angeklagten in ihrer Stellungnahme zu dem Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts das Ergebnis des Gesprächs unmittelbar nach Urteilsverkündung dahin, der Pflichtverteidiger habe auf den Wunsch der Angeklagten nach Einlegung der Revision „ausweichend“ geantwortet. Ein Angeklagter, der die definitive Zusage seines Verteidigers, ein Rechtsmittel einzulegen, noch nicht erhalten hat, kann aber während des Laufs der Einlegungsfrist nicht darauf vertrauen, dass dies gleichwohl geschieht (BGH, Beschluss vom 6. August 2009 – 3 StR 319/08, NStZ-RR 2009, 375; Tsambikakis aaO, § 44 Rn. 41).
7
c) Vor diesem Hintergrund geht auch die Auffassung der neuen Wahlverteidigerin der Angeklagten fehl, ihr damaliger Pflichtverteidiger hätte rein vorsorglich Revision einlegen müssen, da mangels telefonischer Erreichbarkeit der Angeklagten eine definitive Klärung über die Rechtsmitteleinlegung innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht erfolgen konnte. Gerade weil die Frage der Revisionseinlegung noch offen war, war es Sache der Angeklagten, dafür Sorge zu tragen, dass ihr Verteidiger sie für eine Rücksprache erreichen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 1996 – 2 StR 426/96, NStZ 1997, 95). Dass die Angeklagte, der die Wochenfrist zur Einlegung der Revision ausweislich ihrer eigenen Erklärung bekannt war, angenommen haben könnte, diese Frist sei eine reine Bedenkzeit und umfasse nicht zugleich die für den rein technischen Vorgang der Einlegung des Rechtsmittels erforderliche Zeitspanne, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zwar war die Absendung des unter dem 12. März 2015 abgefassten, an die Postanschrift der Angeklagten in den Niederlanden gerichteten Schreibens ihres Pflichtverteidigers mit der Aufforderung, sich zur Frage der Einlegung der Revision nunmehr zu erklären, im Hinblick auf die am nächsten Tag ablaufende Frist ersichtlich verspätet und deshalb wenig sachdienlich. Das eigene Verschulden der Angeklagten wird dadurch aber nicht beseitigt (vgl. Senatsbeschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 299/12).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 283/17
vom
13. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:130717B1STR283.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. Juli 2017 gemäß §§ 46, 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 7. Dezember 2016 wird zurückgewiesen. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen hat der Pflichtverteidiger des Angeklagten zunächst fristgerecht Revision eingelegt. Das Urteil wurde ihm am 3. Februar 2017 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 6. März 2017 hat der Pflichtverteidiger die Revision zurückgenommen.
2
Der Angeklagte hat mit Schreiben vom 8. März 2017 gegenüber dem Landgericht erklärt, dass er „unbedingt in Revision gehen“ möchte. Sein Verteidiger habe ihm mitgeteilt, dass er die Revision zurückgezogen habe. Er habe seinem Verteidiger aber am 8. Februar 2017 geschrieben, dass er „die Revision möchte“.
3
Mit Schriftsatz vom 28. März 2017 begründete der Pflichtverteidiger die Revision. Er rügte die Verletzung materiellen Rechts und beantragte „vorsorglich“ , dem Angeklagten Wiedereinsetzung in denvorigen Stand zu gewähren. Der Pflichtverteidiger versicherte anwaltlich, dass er den Angeklagten mit Schreiben vom 6. Februar 2017 gebeten habe, ihm spätestens bis zum 17. Februar 2017 mitzuteilen, ob er die Durchführung eines Revisionsverfahrens wünsche. Er habe den Angeklagten ferner darauf hingewiesen, dass er die Revision zurücknehmen werde, soweit bis zu diesem Zeitpunkt keine anderslautende Nachricht eingegangen sei. Das Schreiben des Angeklagten vom 8. Februar 2017 habe er schon seinem Wortlaut nach nicht als Auftrag zur Revisionsbegründung ansehen können, zumal er diesem mit weiterem Schreiben vom 22. Februar 2017 mitgeteilt habe, dass er die Revision zurücknehmen werde, nachdem der Angeklagte auf das Schreiben vom 6. Februar 2017 keine Beauftragung zur Revisionsbegründung erteilt habe. Dessen Schreiben vom 8. Februar 2017 habe er als Dank für die bisherige Tätigkeit im Strafverfahren und im asylrechtlichen Verfahren angesehen. Bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 3. März 2017 sei keine Antwort des Angeklagten bei ihm eingegangen , so dass er die Revision am 6. März 2017 zurückgenommen habe.
4
2. Die Revision des Angeklagten ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO), weil sie entgegen § 344 StPO nicht fristgerecht begründet worden ist (§ 345 Abs. 1 StPO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist dem Angeklagten nicht zu gewähren. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt: „1. Die Revision des Angeklagten ist nicht rechtswirksam zu- rückgenommen worden. Aus dem Schreiben des Verteidigers vom 28. März 2017 ergibt sich, dass dieser die Revision zurückgenommen hat, weil kein weiterer Auftrag zur Revisionsbegründung durch den Angeklagten erfolgt war. Zur Zurücknahme des eingelegten Rechtsmittels hätte es jedoch gemäß § 302 Abs. 2 StPO einer ‚ausdrücklichen Ermächti- gung‘ bedurft; die Annahme des Verteidigers, mangels weite- ren Auftrags zur Revisionsbegründung sei er zur Zurücknahme berechtigt, reichte dafür nicht aus.
2. Die Revision ist jedoch unzulässig, weil sie entgegen § 344 StPO nicht begründet worden ist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist kann dem Angeklagten nicht gewährt werden:
Dem Angeklagten war aufgrund eines Schreibens des Verteidigers vom 22. Februar 2017 (RB S. 2) bekannt, dass die Revision nur begründet werden würde, wenn er seinem Rechtsanwalt einen dementsprechenden Auftrag erteilen würde. Da er dies nicht getan und auch keinen anderen Rechtsanwalt mit der Begründung der Revision beauftragt
und die Revision auch nicht selbst zu Protokoll der Geschäftsstelle begründet hat, hat er die Frist zur Revisionsbegründung nicht ohne eigenes Verschulden versäumt (§ 44 Satz 1 StPO, vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 2 – Rücknahme 3).“
Raum Jäger Bellay
Fischer Hohoff