Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 28. Aug. 2018 - 2 Ss OWi 949/18

bei uns veröffentlicht am28.08.2018

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Tatbestand

Mit Bußgeldbescheid vom 18.09.2017 setzte das zuständige Polizeipräsidium gegen den Betr. wegen 16 tatmehrheitlicher Verstöße gegen Art. 37 I Nr. 3 BayDSG a.F. (hier und im Folgenden in der bis zum 24.05.2018 gültigen Fassung vom 23.07.1993 [GVBl. S. 498]) Einzelgeldbußen in Höhe von jeweils 100 EUR fest, weil der Betr. ohne dienstliche Veranlassung Datenabfragen im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem IGVP bzw. im elektronischen Informationssystem der Polizei INPOL getätigt habe, deren Kenntnis zur Erfüllung der ihm obliegenden polizeilichen Aufgaben nicht erforderlich gewesen sei. Mit Urteil vom 07.03.2018 hat das AG den Betr. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Nach tabellarischer Auflistung der im Bußgeldbescheid erhobenen Tatvorwürfe stellte das AG folgenden Sachverhalt fest: „Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht ergänzend folgendes fest: Die Datenbankabfragen des Betr. im Zeitraum vom 12.06.2016 bis 06.12.2016 dienten auch der Ermittlung im Rahmen möglicher Straftaten wegen Steuerdelikten, Verstößen gegen das Pflichtversicherungsgesetz oder das Freizügigkeitsgesetz/EU sowie möglicher Verstößen gegen öffentlich-rechtliche Normen wegen Überlegung/unberechtigter Beherbergung/möglicher Untervermietung und entsprechende gefahrenabwehrrechtlicher Maßnahmen. Der Betr. ist stellvertretender Zugführer einer Hundertschaft der Polizeiinspektion Ergänzungsdienste des zuständigen Polizeipräsidiums.“ Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das AG u.a. aus: „Die festgestellten ergänzenden Erkenntnisse beruhen auf den eigenen Angaben des Betr., der angab, entsprechende Beobachtungen hinsichtlich ausländischer Fahrzeuge, die in seiner Nachbarschaft in P. geparkt haben, an die zuständigen Stellen weiter geleitet zu haben, welche jedoch nicht reagiert hätten, woraufhin er selbst im Rahmen seiner Tätigkeit als Polizeibeamter Ermittlungen zur Aufklärung der der in Rede stehenden Straftaten, Ordnungswidrigkeiten oder gefahrenabwehrrechtlich relevanter Verstöße aufgenommen habe. Entsprechende Anzeigen des Betr. sind durch die in der Hauptverhandlung verlesenen Dokumente dokumentiert und zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden. Der einvernommene Zeuge U. bestätigte ebenfalls, dass entsprechende Anzeigen des Betr. bei den zuständigen Stellen eingegangen seien, insbesondere beim Hauptzollamt.“ Auf der Grundlage dieses Beweisergebnisses gelangte das AG zu dem Schluss, dass die Datenbankabfragen der Erfüllung dienstlicher Aufgaben gedient hätten. Zwar sei der Betr. an sich für die von ihm durchgeführten Ermittlungen weder örtlich noch sachlich zuständig gewesen, hierauf komme es jedoch mit Blick auf die Allgemeinzuständigkeit nach Art. 3 I BayPOG nicht an. Das Handeln des Betr. außerhalb des örtlichen und sachlichen Dienstbereichs seiner Dienststelle könne damit allenfalls ein Dienstvergehen darstellen, erfülle jedoch nicht den Tatbestand des unbefugten Datenabrufs nach Art. 37 I Nr. 3 BayDSG a.F.

Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügt die StA die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führte zur Aufhebung des angefochtenen Freispruchs und zur Zurückverweisung der Sache an das AG.

Gründe

A.

Die Rechtsbeschwerde der StA ist zulässig.

I. Soweit das AG den Betr. in den Fällen 1-13, denen Datenabrufe im Zeitraum zwischen 12.06.2016 und 16.06.2016 zugrunde liegen, freigesprochen hat, ergibt sich die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde aus § 79 I 1 Nr. 3 OWiG.

1. Nach § 79 I 1 Nr. 3 OWiG ist gegen ein freisprechendes Urteil in Bußgeldsachen die Rechtsbeschwerde der StA u.a. zulässig, wenn wegen der Tat im Bußgeldbescheid eine Geldbuße von mehr als 600 Euro festgesetzt oder eine solche Geldbuße von der StA beantragt worden war. Gemeint ist damit die für eine Tat im verfahrensrechtlichen Sinne verhängte Geldbuße. Sind in dem Bußgeldbescheid für mehrere gemäß § 264 StPO prozessual selbständige Taten Geldbußen festgesetzt worden, die jeweils 600 Euro nicht übersteigen, so muss die Rechtsbeschwerde für jeden Einzelfall zugelassen werden. Liegen im Rahmen einer prozessualen Tat jedoch mehrere Handlungen des Betr. vor, die mit Einzelgeldbußen geahndet werden, so ist die Summe der Einzelgeldbußen bei einer unbeschränkt eingelegten Rechtsbeschwerde maßgebend (OLG Bamberg, Beschluss vom 02.03.2011 - 3 Ss OWi 178/11 = BeckRS 2016, 15123; vgl. auch BeckOK OWiG/Bär [Stand: 15.06.2018] § 79 Rn. 46 ff., 48; Göhler-Seitz/Bauer OWiG 17. Aufl. § 79 Rn. 10; Burhoff [Hrsg.]/Gieg, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl., Rn. 3473 ff., insbes. Rn. 3485 m. zahlr. weit. Nachw.). Ob verschiedene Handlungen einer prozessualen Tat zuzuordnen sind, hat das Rechtsbeschwerdegericht in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ohne an die Beurteilung durch das Tatgericht gebunden zu sein (vgl. BayObLG, Beschluss vom 14.05.2004 - 1 ObOWi 185/04 = BayObLGSt 2004, 62 = ZfS 2004, 384 = VerkMitt 2004, Nr. 57 = VRS 107, 59 = NZV 2004, 480 = DAR 2004, 532 = VD 2005, 77; OLG Bamberg a.a.O.). Insoweit gilt im Ordnungswidrigkeitenrecht über § 46 I OWiG der prozessuale Tatbegriff des Strafrechts. Mithin ist die Tat ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet und innerhalb dessen die getrennte Verfolgung der darin enthaltenen Vorgänge einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde. Bei der Frage, ob eine einheitliche prozessuale Tat vorliegt, steht also das Handeln des Betr. im Mittelpunkt, welches daraufhin zu untersuchen ist, ob ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang oder ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass eine Abspaltung einzelner Handlungsteile unnatürlich erschiene (BGH, Beschluss vom 12.09.2013 - 4 StR 503/12 = BGHSt 59, 4 = NJW 2013, 3668 = StraFo 2013, 519 = ZfS 2014, 50 = DAR 2014, 95 = TranspR 2014, 120 = BGHR OWiG § 46 Tatschrift 1 = NStZ 2014, 523 = NZV 2014, 49; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 61. Aufl. § 264 Rn. 2 m.w.N; Burhoff [Hrsg.]/Gieg a.a.O. Rn. 3475 ff. m.w.N.).

2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze bilden die den Fällen 1-13 zugrunde liegenden Verstöße eine prozessuale Tat, da die einzelnen Datenabrufe ersichtlich sämtlich darauf abzielten, die Meldeverhältnisse in dem Anwesen L.-Straße 55 in P. abzuklären und auf dieser Grundlage durch weitere Abfragen der dort gemeldeten Personen und der vor dem Anwesen abgestellten drei Kraftfahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen weitere Erkenntnisse zu Tage zu fördern. Unbeschadet der Tatsache, dass die Abrufe teilweise im Abstand von nur wenigen Minuten vorgenommen wurden, sind die Verstöße materiell-rechtlich nicht auch als natürliche Handlungseinheit, sondern als selbständig zu beurteilende Taten im Sinne von § 20 OWiG zu bewerten, da sie sich jeweils auf unterschiedliche Personen und Objekte bezogen und auch in verschiedenen polizeilichen Auskunftssystemen getätigt wurden, sodass sich der gesamte Lebensvorgang auch bei natürlicher Betrachtungsweise für einen unbeteiligten Dritten (objektiv) nicht als einheitliches zusammengehöriges Tun darstellt, sondern das gesamte Tätigwerden auf selbständigen, jeweils auf einem gesonderten Tatentschluss beruhenden Willensbetätigungsakten beruht.

II. Soweit das AG den Betr. in den Fällen 14-16, denen Datenabrufe vom 03.08.2016, 09.08.2016 und 06.12.2016 zugrunde liegen, freigesprochen hat, handelt es sich schon mit Blick auf den zeitlichen Abstand zwischen den Datenabrufen und die Zäsurwirkung durch das Schreiben des Betr. an das LRA H. vom 20.06.2016 um verschiedene Taten im prozessualen Sinne, da sie jeweils auf einer neuen Willensbetätigung beruhten. Da auch diese Verstöße im Bußgeldbescheid vom 18.09.2017 jeweils mit Geldbußen von 100 Euro belegt worden sind, erweist sich die Rechtsbeschwerde der StA nach durch den Einzelrichter mit Beschl. vom 28.08.2018 zur Fortbildung des materiellen Rechts erfolgter Zulassung nach § 80 II Nr. 2 OWiG auch insoweit als statthaft.

B.

Die damit insgesamt zulässige und vom Einzelrichter zur Fortbildung des materiellen Rechts gemäß § 80a I i.V.m. III 1 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit 3 Richtern zur Entscheidung übertragene Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das angefochtene Urteil kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Feststellungen im Rahmen der Beweiswürdigung lückenhaft sind und den Anforderungen der §§ 261, 267 V StPO i.V.m. § 71 I OWiG an ein freisprechendes Urteil nicht genügen.

I. Wenn auch in Bußgeldverfahren an die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind, kann für deren Inhalt grundsätzlich nichts anderes als im Strafverfahren gelten. Denn auch im Bußgeldverfahren sind die Urteilsgründe die alleinige Grundlage für die rechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin. Sie müssen daher so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird. Spricht das Tatgericht einen Betr. frei, weil es - wie hier - Zweifel an seiner Täterschaft oder am Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines bußgeldbewehrten Handelns nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Rechtsbeschwerdegericht in der Regel hinzunehmen. Die rechtsbeschwerderechtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind (BGH - Urt. v. 16.12.2015 - 1 StR 423/15 [bei juris]). Wird der Betr. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach Mitteilung des dem Bußgeldbescheid zugrundeliegenden Tatvorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die der Tatrichter für erwiesen hält. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können. Nur hierdurch wird das Rechtsbeschwerdegericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (vgl. nur BGH, Urt. v. 05.02.2013 - 1 StR 405/12 = NJW 2013, 1106 = NStZ 2013, 334; BGH, Urt. v. 05.08.1997 - 5 StR 210/97 = StraFo 1997, 302 = NStZ-RR 1997, 374). Das ist nur dann nicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, oder gegen Denkgesetze bzw. gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urt. v. 06.11.1998 - 2 StR 636/97 = StV 1999, 5 = BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16= NStZ-RR 1999, 301 sowie Urt. v. 14.01.2009 - 2 StR 516/08 = BGH NStZ-RR 2009, 210). Insbesondere sind die Beweise auch erschöpfend zu würdigen (BGHSt 29, 18/19 ff.). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Betr. zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind beim freisprechenden Urteil nicht geringer als im Fall der Verurteilung (BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11, 27 und BGHR StPO § 267 V Freispruch 15; BGHSt 37, 21/22).

II. Diesen Anforderungen wird das Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht. So geben die Urteilsgründe mit der bloß tabellarischen Auflistung der einzelnen Fälle nach polizeilichem Auskunftssystem, Gegenstand sowie Datum und Uhrzeit der Abfrage schon nicht hinreichend verständlich die dem Bußgeldbescheid zugrundeliegenden Tatvorwürfe in den wesentlichen Einzelheiten der vorgeworfenen Tathandlungen wieder, sondern setzen diese als bekannt voraus. Dieser Darstellungsmangel setzt sich fort in der Mitteilung des festgestellten Sachverhalts. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe erschließt sich insoweit der jeweilige Gegenstand der Datenabfragen nicht, weil schon die Bedeutung der Ziffern- und Zahlenfolgen in der lediglich tabellarischen Auflistung für den im Rahmen der Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge allein auf die Urteilsurkunde beschränkten Senat schlicht unverständlich bleibt. Darüber hinaus fehlt es insbesondere an einer zusammenhängenden Mitteilung, welche Feststellungen im Einzelnen zum Anlass der einzelnen Abfragen getroffen werden konnten. Das angefochtene Urteil lässt schließlich auch die für ein freisprechendes Urteil erforderliche Gesamtschau des Beweisergebnisses vermissen. Die aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmenden fragmentarischen Details sind nicht geeignet, dem Rechtsbeschwerdegericht eine umfassende Nachprüfung des Urteils dahingehend zu ermöglichen, ob das Verhalten des Betr. den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 37 I Nr. 3 BayDSG a.F. erfüllt, weil er unbefugt von diesem Gesetz geschützte Daten, die nicht offenkundig sind, abgerufen hat. Im Einzelnen:

1. Soweit das AG ersichtlich davon ausgeht, dass es sich bei den von dem Betr. abgerufenen Daten um personenbezogene Daten handelt, die auch nicht offenkundig sind (Art. 4 I BayDSG a.F.), deckt dies keinen Rechtsfehler auf. Bei den im polizeilichen Abfragesystem IGVP gespeicherten Daten mit Informationen über laufende Ermittlungen handelt es sich tatsächlich um personenbezogene Daten i.S.v. Art. 4 I BayDSG a.F., da sie Einzelangaben über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer natürlicher Personen enthalten (rechtsgrundsätzlich hierzu OLG Bamberg, Beschluss vom 27.04.2010 - 2 Ss OWi 531/10 = DuD 2010, 661 = NStZ-RR 2011, 27 = DAR 2011, 214; BayObLGSt 1998, 130/131; 1999, 85/87). Auch die in dem elektronischen Informationssystem der Polizei INPOL gespeicherten Daten, das eine Vielzahl landes- und bundesweiter Datensätze (u.a. EWO, AZR, ZEVIS) bündelt, enthalten über die Personalien der Betr. hinausgehende Feststellungen zur Kontrolle und Rechtfertigung polizeilichen Handelns, sodass auch insoweit nicht von einer Offenkundigkeit dieser Daten auszugehen ist. Nach der Rspr. des BGH handelt es sich bei allgemein zugänglichen bzw. offenkundigen Daten nur um solche Daten, die von jedermann zur Kenntnis genommen werden können, ohne dass der Zugang zu den Daten rechtlich beschränkt ist (grundlegend BGH, Urt. v. 04.06.2013 - 1 StR 32/13 = BGHSt 58, 268 = NJW 2013, 2530 = StraFo 2013, 369 = DuD 2013, 666 = BGHR BDSG § 43 Abs 2 Nr 1 Daten, personenbezogene - nicht allgemein zugänglich 1 = StV 2014, 221 = NStZ-RR 2014, 187 = NZV 2014, 369). Demnach sind etwa auch die EWO-Daten einer einfachen Melderegisterauskunft gemäß Art. 34 I BayMeldeG nicht offenkundig, weil eine Auskunftssperre gemäß Art. 34 V BayMeldeG gegeben sein kann, desgleichen Halterdaten gemäß § 39 StVG, die nur dann übermittelt werden dürfen, wenn bestimmte rechtliche Tatbestände vorliegen, die einen Bezug zum Straßenverkehr haben (BGH NJW 2003, 226; vgl. zum Ganzen Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, Datenschutz in Bayern - BayDSG und DSGVO - Ablageordner - Art. 37 BayDSG Rn. 30 ff., 32 g; a.A. zu den Halterdaten noch BayObLG NJW 1999, 1727; OLG Hamburg NStZ 1998, 358).

2. Da es sich bei den abgerufenen Daten aus IGVP bzw. INPOL nicht um offenkundige Daten handelt, hat das AG sodann vom Ansatz her zutreffend geprüft, ob der Betr. bei seinen Abfragen „unbefugt“ gehandelt hat. Der Abruf nicht offenkundiger personenbezogener Daten in Recherchesystemen der Polizei ist nur dann zulässig i.S.v. Art. 8 III 1 BayDSG a.F., wenn aus der Sicht des handelnden Polizeibeamten deren Kenntnis zur polizeilichen Aufgabenerfüllung notwendig ist (OLG Bamberg, Beschluss vom 27.04.2010 - 2 Ss OWi 531/10 = DuD 2010, 661 = NStZ-RR 2011, 27 = DAR 2011, 214; vgl. auch BayObLGSt 1998, 130; 1999, 15). Dabei ist die materielle und formelle Rechtmäßigkeit der Aufgabenerfüllung Erhebungsvoraussetzung und bestimmt sich nach fachspezifischen Vorschriften, die das Vorhandensein bestimmter Informationen für die Erfüllung bestimmter Aufgaben voraussetzen (Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch a.a.O. Art. 16 BayDSG Rn. 15 f.). Fehlt es an einem dienstlichen Anlass bzw. handelt der Betr. im privaten Interesse, so erfolgt der Datenabruf unbefugt i.S.v. Art. 8 III 1 BayDSG a.F.

a) Im Bereich der Gefahrenabwehr genügt nach Art. 43 I 1 BayPAG (hier und im Folgenden in der Fassung vom 14.09.1990 [GVBl. S. 6397]) für den Abruf personenbezogener Daten des Störers eine bloße anlasslose Vermutung nicht; andererseits ist aber auch das Vorliegen einer konkreten Gefahr nicht erforderlich; ausreichend ist eine abstrakte Gefahr (Berner/Köhler/Käß PAG 20. Aufl. Art. 43 Rn. 6; Schmidbauer/Steiner/Schmidbauer PAG 4. Aufl. Art. 43 Rn. 3; BeckOK PolR Bayern/Aulehner [Stand: 01.04.2018] PAG Art. 43 Rn. 5). Im Bereich der Strafverfolgung bestimmt sich die Zulässigkeit der Datenerhebung demgegenüber nach §§ 161, 163 StPO und speziell die Zulässigkeit eines (vorliegend nicht gegebenen) maschinellen Datenabgleichs für Zwecke der Strafverfolgung nach § 98c StPO (Schmidbauer/Steiner/Schmidbauer a.a.O. Art. 43 Rn. 8; BeckOK PolR Bayern/Petri a.a.O. Art. 31 Rn. 12). Für die Zulässigkeit des Datenabrufs ist danach ausreichend, aber auch erforderlich das Bestehen eines Anfangsverdachts, mithin ein über bloße Vermutungen hinausreichender, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützter konkreter Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 28.06.2018 - StB 10/18 [bei juris]). Nichts anderes gilt grundsätzlich gemäß § 53 OWiG für das - freilich im pflichtgemäßen Ermessen stehende - polizeiliche Handeln im Bereich der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, wobei sich hier im Einzelfall weitere Einschränkungen aus dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ergeben können (zur umstrittenen Zulässigkeit eines maschinellen Datenabgleichs nach § 98c StPO im Bußgeldverfahren vgl. im Übrigen KK/Lampe OWiG 7. Aufl. § 46 Rn. 2).

b) Soweit in formeller Hinsicht die Rechtmäßigkeit der Aufgabenerfüllung stets von der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit der erhebenden Stelle abhängt, ist hierbei entgegen der Rechtsauffassung der StA auch die in Art. 3 I BayPOG verankerte örtliche, sachliche und funktionelle Allgemeinzuständigkeit jedes bayerischen Polizeibeamten im Vollzugsdienst i.S.v. Art. 124 II BayBG zu beachten. Art. 3 I POG ist keine rein innerdienstliche Vorschrift, sondern entfaltet Außenwirkung für und gegen jede dritte Person und ist damit auch Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für polizeiliches Handeln, gleichviel ob es sich um die Erfüllung von Gefahren abwehrenden, strafverfolgenden, private Rechte schützenden oder sonst gesetzlich zugewiesenen Aufgaben handelt (Schmidbauer/Steiner 4. Aufl. 2014 POG Art. 3 Rn. 3-7; BeckOK PolR Bayern/Gliwitzky/Schmid [Stand: 01.04.2018] POG Art. 3 Rn. 1 u. 3; vgl. auch BayObLG NStZ-RR 2003, 109).

c) Soweit die StA meint, aus Art. 16 I BayDSG a.F. ein anderes Ergebnis herleiten zu können, weil nach dieser Vorschrift die Erhebung personenbezogener Daten nur zulässig ist, wenn ihre Kenntnis zur „Erfüllung der in der Zuständigkeit der erhebenden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist“, und deshalb einen Datenabgleich nur dann für befugt hält, wenn der Polizeibeamte innerhalb des eigenen örtlichen und sachlichen Dienstbereichs tätig wird, kann der Senat dem nicht folgen. Zum einen bestimmt sich die örtliche und sachliche Zuständigkeit auch im Rahmen von Art. 16 I BayDSG a.F. nach den entsprechenden bereichsspezifischen Vorschriften (vgl. Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch a.a.O. Art. 16 BayDSG Rn. 17), zu denen im Bereich polizeilichen Handelns auch Art. 3 I BayPOG gehört, zum anderen ist aber die Anwendung von Art. 16 BayDSG a.F. im Bereich der polizeilichen Datenerhebung und -verarbeitung nach den bereichsspezifischen Regelungen der Art. 30-48 BayPAG a.F. ohnehin durch Art. 49 BayPAG a.F. ausgeschlossen. Im Übrigen hätte die Rechtsauffassung der StA zur Folge, dass auch in den Fällen des Art. 3 II 2 BayPOG eine Datenerhebung unbefugt wäre, denn die Regelung des Art. 3 II BayPOG begründet nach ganz einhelliger Meinung keine Zuständigkeitsregelung, sondern beinhaltet eine rein innerdienstliche Organisationsvorschrift, deren Beachtung oder Nichtbeachtung sich auf die Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Amtshandlung nicht auswirkt (vgl. nur Schmidbauer/Steiner a.a.O. POG Art. 3 Rn. 8, 13). Bei einem im Übrigen rechtmäßigen Datenabgleich durch einen Polizeivollzugsbeamten vermag daher ein Handeln außerhalb seines örtlichen und sachlichen Dienstbereichs einen Verstoß gegen Art. 37 I Nr. 3 BayDSG a.F. nicht zu begründen, sofern sich eine Zuständigkeit jedenfalls aus Art. 3 I POG herleiten lässt. Soweit kein Fall des Art. 3 II 2 BayPOG vorliegt, kommt in einem solchen Fall nur eine disziplinarische Ahndung als Dienstvergehen in Betracht.

3. Zwar hat das AG, das ein Handeln des Betr. außerhalb seines örtlichen und sachlichen Dienstbereichs festgestellt hat, diese Zuständigkeitsproblematik im Grundsatz zutreffend erkannt; allerdings ist es dem Senat nicht möglich, zu überprüfen, ob die Überzeugung des Tatrichters, dass jeder einzelne Datenabruf dienstlich veranlasst und daher befugt i.S.v. Art. 37 I Nr. 3 BayDSG a.F. war, in den getroffenen Feststellungen und der diesen zugrunde liegenden Beweiswürdigung eine ausreichende objektive Grundlage findet, welche den Freispruch des Betr. rechtsfehlerfrei zu begründen vermag.

a) Die Ausführungen des AG zum festgestellten Sachverhalt erschöpfen sich neben der Mitteilung der dienstlichen Funktion des Betr. in der Feststellung, dass die Datenabrufe auch der Ermittlung möglicher Straftaten (Steuerdelikte, Verstöße gegen das Pflichtversicherungsgesetz, Freizügigkeitsgesetz/EU) oder gefahrenabwehrrechtlich relevanter Verstöße wegen Überbelegung/unberechtigter Beherbergung/möglicher Untervermietung dienten; welchen sonstigen Zweck das Handeln des Betr. verfolgt haben soll, lässt das Urteil offen. Tatsachen, auf Grund derer der Senat im Einzelnen überprüfen könnte, ob das Handeln des Betr. dienstlich veranlasst war, mithin - über bloße Vermutungen hinausgehend, die ggf. zu besonderer Achtsamkeit und Beobachtung, nicht aber zur Ermittlung von Tatsachen Anlass gaben, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erst erforderlich waren - die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 161, 163 StPO bzw. § 53 OWiG i.S.d. Anfangsverdachts einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit gegeben waren, werden in dem angefochtenen Urteil nur bruchstückhaft mitgeteilt. Dies gilt gleichermaßen für Tatsachen, die dem Senat die Prüfung erlauben könnten, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des Art. 43 I 1 BayPAG a.F. i.S. einer mindestens abstrakten Gefährdungslage und nicht nur in Form einer möglichen Gefahr oder eines Gefahrenverdachts ohne gesicherte Tatsachenbasis vorlagen. Das AG führt insoweit lediglich im Rahmen der Wiedergabe der Einlassung des Betr. aus, dieser habe „entsprechende Beobachtungen hinsichtlich ausländischer Fahrzeuge, die in seiner Nachbarschaft in P. geparkt haben“, an die zuständigen Stellen weitergeleitet, welche jedoch nicht reagiert hätten, weshalb er selbst tätig geworden sei. Weder wird deutlich, welche Beobachtungen der Betr. zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort gemacht haben will noch ist ersichtlich, an welche Dienststellen er welche Informationen zu welchem Zeitpunkt weitergeleitet hat.

b) Soweit das AG im Rahmen der Beweiswürdigung darauf hinweist, dass entsprechende Anzeigen auf Bl. 14, 15 d.A. dokumentiert und in der Hauptverhandlung verlesen worden seien, lässt das Urteil jedwede Angaben zu Zeitpunkten, Adressaten und Inhalten der Schreiben vermissen. Indes verlangt § 267 I 1 StPO i.V.m. § 46 I OWiG eine in sich geschlossene Darstellung der vom erkennenden Gericht zur Urteilsgrundlage gemachten Feststellungen, weshalb jegliche Verweisungen oder Bezugnahmen auf Schriftstücke unzulässig sind, soweit dadurch die gebotene eigene Sachdarstellung ersetzt werden soll (KK/Kuckein StPO 7. Aufl. § 267 Rn. 3 m.w.N). Auch der in einem einzigen Satz wiedergegebenen Aussage des Zeugen U., der die dem Bußgeldverfahren zugrunde liegenden Ermittlungen gegen den Betr. geführt hat, vermag der Senat weder die vermissten Feststellungen zum zeitlichen Ablauf des Geschehens zu entnehmen noch zum Vorgehen des Betr. hinsichtlich einer etwaigen Weitergabe der erhobenen Daten an die zuständigen Stellen.

c) Insgesamt lassen die Ausführungen des AG zur Beweiswürdigung besorgen, dass sich das AG im Wesentlichen mit der Übernahme der Einlassung des Betr. begnügt hat. Diese kritisch zu hinterfragen und mit lückenlosen und widerspruchsfreien Feststellungen zu Gegenstand und Grund der jeweiligen Datenabfrage und zum Vorgehen des Betr., das den Datenabfragen vorausgegangen war bzw. sich daran angeschlossen hat, zu unterlegen, hätte sich dem AG aber schon deshalb aufdrängen müssen, weil es - allerdings wiederum ohne nähere Feststellungen zu treffen - einen Bezug der getätigten Datenabfragen zum sozialen Umfeld des Betr. feststellt, dieser also offensichtlich persönlich tangiert war von bestimmten Vorgängen bzw. Zuständen in einem zu seinem privaten Wohnanwesen benachbarten Anwesen.

d) Mit Blick auf die nach Sachlage nicht fernliegende Möglichkeit rein privat motivierter Datenabrufe hätte das AG prüfen müssen, ob es nicht in der Zusammenschau mit weiteren Beweisanzeichen zur Überzeugung der Täterschaft des Betr. gelangt. Schon die Tatsache, dass der Betr. mangels jeglicher Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalles nach Art. 3 II 2 BayPOG jedenfalls dienstpflichtwidrig gehandelt hat, kann mindestens ein Beweisanzeichen für eine rein privat motivierte Datenabfrage sein (instruktiv BayObLG, Beschluss vom 29.07.1999 - 5St RR 75/99 [bei juris]). Weitere Beweisanzeichen könnten sich aus dem konkreten Vorgehen des Betr. im Nachgang zu den einzelnen Datenabrufen ergeben. Handelt ein Polizeivollzugsbeamter außerhalb seines örtlichen und sachlichen Zuständigkeitsbereichs, so dürfte es den dienstlichen Gepflogenheiten entsprechen, entweder selbst einen entsprechenden Vorgang anzulegen und ihn zu gegebener Zeit an die zuständige Stelle abzugeben oder jedenfalls über Anlass, Gegenstand und Ergebnis der Ermittlungen einen Aktenvermerk zu fertigen und diesen zu gegebener Zeit an die örtlich und sachlich zuständige Polizeidienststelle zur Einleitung eines Vorgangs weiterzuleiten. Ob und in welcher Weise der Betr. hiervon abgewichen ist, kann der Senat dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen; insbesondere lassen die Feststellungen eine zeitliche Einordnung der Vorgänge nicht zu.

Sollte der Betr. seine Beobachtungen zunächst als Privatperson im Wege einer Anzeige oder in seiner dienstlichen Funktion als Polizeibeamter im Wege eines Aktenvermerks den zuständigen Stellen zur Kenntnis gebracht und die Datenabrufe erst danach vorgenommen haben, so sind diese jedenfalls nicht schon deshalb dienstlich veranlasst und daher befugt i.S.v. Art. 37 I Nr. 3 BayDSG a.F., weil der Betr. etwa überprüfen wollte, ob und ggf. was die zuständigen Stellen veranlasst haben, oder der Betr. nicht damit einverstanden war, dass diese (noch) nichts veranlasst hatten, und der Betr. sich daher entschloss, die nach seiner Ansicht erforderlichen Ermittlungen selbst durchzuführen. Insoweit ist ein dienstlicher Anlass zu entsprechenden polizeilichen Maßnahmen schon deshalb nicht anzuerkennen, weil die Entscheidung, ob und ggf. in welcher Weise polizeilich einzuschreiten ist, unbeschadet der Fallgestaltungen des Art. 3 II 2 BayPOG in der fachlichen Verantwortung der nach ihrem örtlichen und sachlichen Dienstbereich zuständigen Dienststelle liegt. Eine vermeintliche Untätigkeit der zuständigen Stelle vermag daher kein dienstliches Erfordernis für ein Einschreiten des Betr. zu begründen. Insoweit wäre der Betr. gehalten gewesen, ggf. den Beschwerdeweg zu beschreiten.

C.

Wegen der aufgezeigten Rechtsfehler ist auf die Rechtsbeschwerde der StA das angefochtene freisprechende Urteil mitsamt den getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das AG zurückzuverweisen (§ 79 VI OWiG).

D. 

Für die neue Hauptverhandlung ist auf Folgendes hinzuweisen: Das AG wird insbesondere aufzuklären haben, ob und ggf. in welcher Weise der Betr. schon vor Durchführung der Datenabrufe 1-13 seine privat erlangten Erkenntnisse den zuständigen Stellen zur Kenntnis gebracht hat oder ob er diese nach Durchführung der Datenabrufe 1-13 erstmals mit Schreiben vom 20.06.2016 dem LRA sowie nach Durchführung der Datenabrufe 14-16 in einem weiteren Schreiben vom 05.12.2016 dem Hauptzollamt mitgeteilt hat. Sollte Letzteres der Fall gewesen sein, so kommt auch dem Umstand, ob der Betr. in diesen Schreiben seine dienstliche Funktion sowie Anlass, Gegenstand und Ergebnis der von ihm getätigten Datenabfragen offen gelegt hat, indizielle Bedeutung für die Frage zu, ob die Datenabrufe jeweils dienstlich oder rein privat motiviert waren. […]

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Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 28. Aug. 2018 - 2 Ss OWi 949/18 zitiert 15 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 46 Anwendung der Vorschriften über das Strafverfahren


(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsge

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Strafprozeßordnung - StPO | § 163 Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren


(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ers

Strafprozeßordnung - StPO | § 161 Allgemeine Ermittlungsbefugnis der Staatsanwaltschaft


(1) Zu dem in § 160 Abs. 1 bis 3 bezeichneten Zweck ist die Staatsanwaltschaft befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vorzunehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen z

Bundesdatenschutzgesetz - BDSG 2018 | § 43 Bußgeldvorschriften


(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 30 Absatz 1 ein Auskunftsverlangen nicht richtig behandelt oder2. entgegen § 30 Absatz 2 Satz 1 einen Verbraucher nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 20 Tatmehrheit


Sind mehrere Geldbußen verwirkt, so wird jede gesondert festgesetzt.

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 39 Übermittlung von Fahrzeugdaten und Halterdaten zur Verfolgung von Rechtsansprüchen


(1) Von den nach § 33 Abs. 1 gespeicherten Fahrzeugdaten und Halterdaten sind 1. Familienname (bei juristischen Personen, Behörden oder Vereinigungen: Name oder Bezeichnung),2. Vornamen,3. Ordens- und Künstlername,4. Anschrift,5. Art, Hersteller und

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 53 Aufgaben der Polizei


(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben nach pflichtgemäßem Ermessen Ordnungswidrigkeiten zu erforschen und dabei alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Sie haben bei der Erforschung vo

Strafprozeßordnung - StPO | § 98c Maschineller Abgleich mit vorhandenen Daten


Zur Aufklärung einer Straftat oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes einer Person, nach der für Zwecke eines Strafverfahrens gefahndet wird, dürfen personenbezogene Daten aus einem Strafverfahren mit anderen zur Strafverfolgung oder Strafvollstreck

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Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 28. Aug. 2018 - 2 Ss OWi 949/18 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 04. Juni 2013 - 1 StR 32/13

bei uns veröffentlicht am 04.06.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 32/13 vom 4. Juni 2013 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ___________________________ BDSG § 44 Abs. 1, § 43 Abs. 2 Nr. 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 29 Abs

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Feb. 2013 - 1 StR 405/12

bei uns veröffentlicht am 05.02.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 405/12 vom 5. Februar 2013 in der Strafsache gegen wegen versuchter Anstiftung zum Mord u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Februar 2013, an der teilgenommen h

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2009 - 2 StR 516/08

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 516/08 vom 14. Januar 2009 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen Betrugs Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar 2009, an der teilgenommen haben: Richter a

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Sept. 2013 - 4 StR 503/12

bei uns veröffentlicht am 12.09.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 503/12 vom 12. September 2013 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ––––––––––––––––––––––––––––– OWiG § 46; StPO § 264 Es ist mit § 46 OWiG, § 264 StPO nicht zu vereinbaren, in Buß

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Dez. 2015 - 1 StR 423/15

bei uns veröffentlicht am 16.12.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 423/15 vom 16. Dezember 2015 in der Strafsache gegen wegen Betruges ECLI:DE:BGH:2015:161215U1STR423.15.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Dezember 2015, an d

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juni 2018 - StB 10/18

bei uns veröffentlicht am 28.06.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS StB 10/18 vom 28. Juni 2018 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a. hier: Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Beschluss d

Referenzen

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 503/12
vom
12. September 2013
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
–––––––––––––––––––––––––––––
Es ist mit § 46 OWiG, § 264 StPO nicht zu vereinbaren, in Bußgeldsachen, die
Verstöße gegen die Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr
zum Gegenstand haben, mehrere rechtlich selbständige Handlungen im Sinne
des § 20 OWiG allein deshalb als eine prozessuale Tat anzusehen, weil der
Betroffene sie innerhalb eines Kontroll- oder Überprüfungszeitraums begangen
hat.
BGH, Beschluss vom 12. September 2013 – 4 StR 503/12 – OLG Koblenz
in der Bußgeldsache
gegen
wegen vorsätzlicher Überschreitung der täglichen Lenkzeit u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Betroffenen am 12. September 2013 beschlossen
:
Es ist mit § 46 OWiG, § 264 StPO nicht zu vereinbaren, in Bußgeldsachen
, die Verstöße gegen die Vorschriften über Lenk- und
Ruhezeiten im Straßenverkehr zum Gegenstand haben, mehrere
rechtlich selbständige Handlungen im Sinne des § 20 OWiG allein
deshalb als eine prozessuale Tat anzusehen, weil der Betroffene
sie innerhalb eines Kontroll- oder Überprüfungszeitraums begangen
hat.

Gründe:


I.


1
1. Das Amtsgericht K. hat den Betroffenen durch Urteil vom 10. Mai 2012 wegen 36 Ordnungswidrigkeiten nach § 8a Abs. 2 Nr. 1 FPersG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 (Überschreiten der täglichen Lenkzeit), Art. 7 (Fahrtunterbrechung nach einer Lenkdauer von viereinhalb Stunden) und Art. 8 Abs. 2 und 4 (tägliche Ruhezeiten) der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zu Geldbußen im Gesamtbetrag von 3.000 € verurteilt, wovon nur zwei Einzelgeldbußen die Höhe der Zulässigkeitsschwelle für die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG von 250 € überschreiten.
2
Der Betroffene ist als Berufskraftfahrer bei einer Spedition in K. beschäftigt. Die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord des Landes Rheinland -Pfalz kontrollierte die Einhaltung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr beim Arbeitgeber des Betroffenen für den Zeitraum vom 1. November 2010 bis zum 31. Januar 2011. Der Betroffene führte im fraglichen Zeitraum ein Fahrzeug mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 26 t. In achtzehn Fällen führte er das Fahrzeug vorsätzlich oder fahrlässig länger als viereinhalb Stunden, ohne eine Pause oder Ruhezeit einzulegen (Art. 7 der VO [EG] Nr. 561/2006). In vier Fällen überschritt er vorsätzlich oder fahrlässig die Tageslenkzeit (Art. 6 Abs. 1 der VO [EG] Nr. 561/2006). In zwei Fällen hielt er vorsätzlich die tägliche Ruhezeit nicht ein (Art. 8 Abs. 1 und 4 der VO [EG] Nr. 561/2006). In zwölf Fällen trafen Verstöße gegen die vorgenannten Vorschriften in unterschiedlichen Kombinationen tateinheitlich zusammen. Verstöße gegen die Wochenlenkzeit (Art. 6 Abs. 2 der VO [EG] Nr. 561/2006) oder die Lenkzeit in der Doppelwoche (Art. 6 Abs. 3 der VO [EG] Nr. 561/2006) wurden nicht festgestellt.
3
Auf die Rechtsbeschwerde bzw. den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat das Oberlandesgericht K. durch Beschluss vom 29. Oktober 2012 die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
4
2. Das Oberlandesgericht K. möchte die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nur hinsichtlich der beiden mit Geldbußen über 250 € geahndeten Ordnungswidrigkeiten bejahen. Hinsichtlich der übrigen 34 Fälle hält es die Zulassung der Rechtsbeschwerde für notwendig, deren Voraussetzungen (§ 80 OWiG) es nicht als gegeben ansieht. Es ist der Ansicht, dass die nach § 20 OWiG tatmehrheitlich abgeurteilten Ordnungswidrigkeiten keine einheitliche prozessuale Tat im Sinne von § 46 OWiG, § 264 StPO seien, so dass § 79 Abs. 2 OWiG Anwendung finde. Eine prozessuale Tat, bei der in Bezug auf die Wertgrenze des § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG die einzelnen Geldbußen zusammenzurechnen wären und die Rechtsbeschwerde hinsichtlich aller Einzeltaten deshalb statthaft wäre (st. Rspr., u.a. OLG Köln NZV 1994, 292; BayObLG NStZ-RR 1997, 249; OLG Düsseldorf VRS 100 [2001], 311, 312 jeweils mwN; Bohnert, OWiG, 3. Aufl., § 79 Rn. 95, 99; Göhler/Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 79 Rn. 23), liege nicht vor.
5
An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das Oberlandesgericht durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 13. Juli 2010 – 2 Ss OWi 17/10, NStZ-RR 2010, 355, des Oberlandesgerichts Thüringen vom 19. Oktober 2010 – 1 Ss Bs 78/10, VRS 121 [2011], 53 sowie des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. April 2012 – 3 RBs 105/12, DAR 2012, 401 und vom 30. November 2010 (5 RBs 188/10, veröffentlicht bei juris, und 5 RBs 158/10, DAR 2011, 412) gehindert. Nach Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts gehen diese Oberlandesgerichte davon aus, dass bei Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr die Tat im Sinne des § 264 StPO durch den Überprüfungszeitraum der jeweils handelnden Behörde bestimmt werde. Bei Straßenkontrollen sei dies der gemäß § 1 Abs. 6 Satz 4, Abs. 7 FPersV durch die Verwendung eines digitalen Aufzeichnungsgeräts vorgegebene (Kontroll-)Zeitraum von 29 Tagen, innerhalb dessen alle Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeitvorschriften nach der VO (EG) Nr. 561/2006 eine prozessuale Tat seien. Bei einer Betriebskontrolle sei dies der durch die jeweils handelnde Behörde festgelegte Überprüfungszeitraum. Dementsprechend habe das Oberlandesgericht Hamm in seinen Beschlüssen vom 30. November 2010 Verstöße innerhalb eines Überprüfungszeitraums von elf bzw. sieben Monaten als eine prozessuale Tat angesehen.
6
Das vorlegende Oberlandesgericht teilt diese Auffassung nicht. Sachlichrechtlich selbständige Handlungen seien in der Regel auch verschiedene Taten im prozessualen Sinne, es sei denn, die einzelnen Handlungen seien ausnahmsweise innerlich derart miteinander verknüpft, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände richtig gewürdigt werden könne, die zu der anderen Handlung geführt haben, und deshalb die getrennte Aburteilung einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde. Dafür reiche nicht, dass dieselbe Person gehandelt habe und sich das anzuwendende Recht in denselben Regelungswerken befinde.
7
Das Oberlandesgericht hat die Rechtsfrage wie folgt formuliert: „Ist es mit §§ 46 OWiG, 264 StPO zu vereinbaren, wenn in Bußgeld- sachen, die Verstöße gegen die Sozialvorschriften im Straßenverkehr zum Gegenstand haben, ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles mehrere rechtlich selbständige Handlungen im Sinne des § 20 OWiG allein deshalb als eine prozessuale Tat angesehen werden, weil der Betroffene sie innerhalb eines als Kontroll- oder Überprüfungszeit- raum bezeichneten Tatzeitraumes begangen hat?“
8
3. Der Generalbundesanwalt hat angeregt, die Vorlegungsfrage ergänzend klarzustellen. Er beantragt zu entscheiden: „Es ist mit den §§ 46 OWiG, 264 StPO nicht zu vereinbaren, in Bußgeld- sachen, die Verstöße gegen die Sozialvorschriften im Straßenverkehr zum Gegenstand haben, ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles mehrere rechtlich selbständige Handlungen im Sinne des § 20 OWiG allein deshalb als eine prozessuale Tat anzusehen, weil der Be- troffene sie innerhalb eines als Kontroll- oder Überprüfungszeitraum bezeichneten Tatzeitraumes begangen hat. Es gelten vielmehr auch hier die von der Rechtsprechung zur Beurteilung des Vorliegens einer Tat in prozessualem Sinne aufgestellten Kriterien.“

II.


9
1. Die Vorlegungsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Vorschrift des § 121 Abs. 2 GVG ist gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG für die Rechtsbeschwerde im Sinne des Ordnungswidrigkeitengesetzes entsprechend heranzuziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 1992 – 2 StR 371/91, BGHSt 38, 251, 254). Das Oberlandesgericht K. kann nicht seiner Absicht gemäß entscheiden, ohne jedenfalls von der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Hamm in dessen Beschlüssen vom 30. November 2010 und vom 16. April 2012 abzuweichen.
10
Es kann dahin gestellt bleiben, ob eine Abweichung auch von den Rechtsauffassungen der Oberlandesgerichte Frankfurt und Thüringen vorläge. Der dem Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 13. Juli 2010 zugrunde liegende Sachverhalt erfährt wegen dreier sich jeweils zeitlich überschneidender Doppelwochenverstöße im zugrunde liegenden Tatzeitraum materiell -rechtlich eine andere konkurrenzrechtliche Bewertung. Dies gilt, soweit ersichtlich, auch für den Beschluss des Oberlandesgerichts Thüringen vom 19. Oktober 2010. Nach dem dort mitgeteilten Sachverhalt sind im Tatzeitraum zwei sich zeitlich überschneidende Doppelwochenverstöße begangen worden; ob ein weiterer Verstoß außerhalb des Zeitraums der beiden Doppelwochenverstöße begangen worden ist, teilen die Entscheidungsgründe nicht explizit mit.
11
2. In der Vorlegungsfrage teilt der Senat die Auffassung des vorlegenden Gerichts.
12
a) Im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt über § 46 OWiG der prozessuale Tatbegriff des Strafrechts. Die Tat im strafprozessualen Sinne (§§ 155, 264 StPO) ist der vom Eröffnungsbeschluss betroffene geschichtliche Lebensvorgang einschließlich aller damit zusammenhängenden oder darauf bezogenen Vorkommnisse und tatsächlichen Umstände, die geeignet sind, das in diesen Bereich fallende Tun des Angeklagten unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt als strafbar erscheinen zu lassen (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 23. September 1999 – 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 212 f.; BGH, Urteil vom 11. September 2007 – 5 StR 213/07, NStZ 2008, 411; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Ausschöpfung 5; vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. Februar 2013 – KRB 20/12, NZWiSt 2013, 180, 182, Tz. 21). Die Tat ist ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet und innerhalb dessen die getrennte Verfolgung der darin enthaltenen Vorgänge einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 264 Rn. 2; Bohnert, OWiG, 3. Aufl., § 19 Rn. 21 ff. jeweils mwN). Bei Tateinheit liegt – von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2002 – StB 15/02, BGHSt 48, 153, 161; BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 – 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 295 f.) – stets eine prozessuale Tat vor. Materiell-rechtlich selbständige Taten sind in der Regel auch prozessual selbständig (BGH, Beschluss vom 24. Juli 1987 – 3 StR 36/87, BGHSt 35, 14, 19; BGH, Urteil vom 16. März 1989 – 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151, 154; BGH, Beschluss vom 18. März 2009 – 1 StR 50/09; BGHR BZRG § 51 Verwertungsverbot 10; BGH, Beschluss vom 15. März 2012 – 5 StR 288/11, BGHSt 57, 175, 179 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juli 2009 – 3 Ss OWi 355/09, Rn. 13, juris). Ein persönlicher Zusammenhang, die Verletzung des gleichen Rechtsguts oder der Umstand, dass die einzelnen Handlungen Teile eines Gesamtplans sind, reicht nicht, um mehrere selbständige Handlungen im materiell-rechtlichen Sinne zu einer einzigen Tat zu verbinden (Göhler/Seitz, OWiG, 16. Aufl., Vor § 59 Rn. 50a mwN).
13
b) Diese Grundsätze finden bei Serienverstößen gegen Lenk- und Ruhezeitvorschriften im Straßenverkehr gleichermaßen Anwendung. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Kriterien, von denen abzuweichen kein Anlass besteht , vermag es allein eine behördliche Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften über die Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr bzw. die gesetzliche Vorgabe zum Kontrollzeitraum nicht, mehrere tatmehrheitliche Verstöße eines Betroffenen innerhalb des Überprüfungszeitraums zu einer Tat zu verknüpfen.
14
aa) Die Regelungen über die Aufzeichnung der Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr und deren Aufbewahrung bezwecken nicht die Umgrenzung eines prozessualen Tatzeitraumes, sondern haben einen anderen Hintergrund.
15
Der in § 1 Abs. 6 Satz 4 FPersV bezeichnete Zeitraum von insgesamt 29 Tagen dient der wirksamen Durchsetzung von Straßenkontrollen im Sinne der Erwägung 14 zur VO (EG) Nr. 561/2006. Die zuständigen Behörden sollen durch die vorgeschriebene Aufzeichnung bei Straßenkontrollen ohne weiteren Aufklärungsaufwand in der Lage sein, die ordnungsgemäße Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten des laufenden Tages und der vorausgehenden 28 Tage zu überprüfen. Der Fahrer muss deshalb die Aufzeichnung der Lenk- und Ruhezeiten für diesen Zeitraum immer mit sich führen, nicht nur, wenn das Fahrzeug mit einem digitalen Kontrollgerät ausgerüstet ist (Art. 15 Abs. 7 lit. a VO [EWG] Nr. 3821/85). Der Zeitraum von 29 Tagen stellt indes keinen abschlie- ßenden „Sanktionierungszeitraum“ dar; auch Verstöße außerhalb dieses Zeit- rahmens sind ohne weiteres nach § 8a FPersG zu ahnden, sofern nicht die allgemeinen Verjährungsregelungen eingreifen (OLG Hamm, Beschlüsse vom 30. November 2010 – 5 RBs 158/10, DAR 2011, 412 und 5 RBs 188/10, veröffentlicht bei juris). Dass Verstöße auch außerhalb dieses Zeitraums festgestellt und geahndet werden sollen, ergibt sich bereits daraus, dass das Kontrollgerät für das Fahrzeug einen Zeitraum bis zu 365 Tagen aufzeichnet (vgl. Erwägung 33 zur VO [EG] Nr. 561/2006) und der Unternehmer die Daten von der Fahrerkarte und aus dem Massenspeicher des Kontrollgeräts des Fahrzeugs regelmäßig kopieren und ein Jahr lang aufbewahren muss (Art. 10 Abs. 5 VO [EG] Nr. 561/2006, § 4 Abs. 3 FPersG, § 2 Abs. 5 FPersV). Der Unternehmer ist verpflichtet, der zuständigen Kontrollbehörde die gespeicherten Daten zur Verfügung zu stellen (§ 4 Abs. 3 FPersG). Auch dies dient nur der wirksamen Durchsetzung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006.
16
bb) Allein die Verpflichtung, die Aufzeichnung, also ein Beweismittel, vorzuhalten und aufzubewahren, kann eine prozessuale Tat nicht begründen. Die Regelungen über Aufzeichnungspflichten und Aufbewahrungsfristen stellen kein geeignetes Kriterium dar, die im Überprüfungszeitraum möglicherweise begangenen materiell-rechtlich selbständigen Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeitvorschriften im Straßenverkehr zu einer prozessualen Tat zu verbinden. Durch den einheitlichen Akt der Kontrolle werden sich nicht überschneidende, zeitlich möglicherweise deutlich auseinander liegende Handlungen oder Unterlassungen des Betroffenen innerhalb eines bestimmten Kontrollzeitraums nicht zu einem einheitlichen Lebensvorgang. Bei der Frage, ob eine einheitliche prozessuale Tat vorliegt, steht das Handeln des Betroffenen im Mittelpunkt. Dieses ist daraufhin zu bewerten, ob ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang oder ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass eine Abspaltung einzelner Handlungsteile unnatürlich erschiene. Die Abgrenzung der prozessualen Tat anhand eines der Tat als solcher fremden und bei Betriebskontrollen zudem von Dritten willkürlich festgelegten Kriteriums widerspricht der ständigen Rechtsauslegung.
17
c) Ob sich einzelne Verstöße gegen die in Rede stehenden Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr nach Art. 6, Art. 7 und Art. 8 VO (EG) Nr. 561/2006 überschneiden und durch dieselbe pflichtwidrige Handlung bzw. Unterlassung begangen worden sind, somit tateinheitlich zusammentreffen oder ob eine prozessuale Tat deshalb vorliegt, weil einzelne materiell-rechtlich selbständige Handlungen nicht ohne Würdigung weiterer Teile des geschichtlichen Vorgangs beurteilt werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2004 – 5 StR 206/04, BGHSt 49, 359, 362 f.), ist sonach eine Frage des Einzelfalles, die nach allgemeinen Grundsätzen zu beantworten ist.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes.

(2) Die Verfolgungsbehörde hat, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten.

(3) Anstaltsunterbringung, Verhaftung und vorläufige Festnahme, Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, sind unzulässig. § 160 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozeßordnung über die Gerichtshilfe ist nicht anzuwenden. Ein Klageerzwingungsverfahren findet nicht statt. Die Vorschriften über die Beteiligung des Verletzten am Verfahren und über das länderübergreifende staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister sind nicht anzuwenden; dies gilt nicht für § 406e der Strafprozeßordnung.

(4) § 81a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung ist mit der Einschränkung anzuwenden, daß nur die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe zulässig sind. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von § 81a Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist

1.
nach den §§ 24a und 24c des Straßenverkehrsgesetzes oder
2.
nach § 7 Absatz 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes in Verbindung mit einer Vorschrift einer auf Grund des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes erlassenen Rechtsverordnung, sofern diese Vorschrift das Verhalten im Verkehr im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes regelt.
In einem Strafverfahren entnommene Blutproben und sonstige Körperzellen, deren Entnahme im Bußgeldverfahren nach Satz 1 zulässig gewesen wäre, dürfen verwendet werden. Die Verwendung von Blutproben und sonstigen Körperzellen zur Durchführung einer Untersuchung im Sinne des § 81e der Strafprozeßordnung ist unzulässig.

(4a) § 100j Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 100j Absatz 2 der Strafprozessordnung, ist mit der Einschränkung anzuwenden, dass die Erhebung von Bestandsdaten nur zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zulässig ist, die gegenüber natürlichen Personen mit Geldbußen im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind.

(5) Die Anordnung der Vorführung des Betroffenen und der Zeugen, die einer Ladung nicht nachkommen, bleibt dem Richter vorbehalten. Die Haft zur Erzwingung des Zeugnisses (§ 70 Abs. 2 der Strafprozessordnung) darf sechs Wochen nicht überschreiten.

(6) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende kann von der Heranziehung der Jugendgerichtshilfe (§ 38 des Jugendgerichtsgesetzes) abgesehen werden, wenn ihre Mitwirkung für die sachgemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich ist.

(7) Im gerichtlichen Verfahren entscheiden beim Amtsgericht Abteilungen für Bußgeldsachen, beim Landgericht Kammern für Bußgeldsachen und beim Oberlandesgericht sowie beim Bundesgerichtshof Senate für Bußgeldsachen.

(8) Die Vorschriften zur Durchführung des § 191a Absatz 1 Satz 1 bis 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Bußgeldverfahren sind in der Rechtsverordnung nach § 191a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu bestimmen.

Sind mehrere Geldbußen verwirkt, so wird jede gesondert festgesetzt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 423/15
vom
16. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
ECLI:DE:BGH:2015:161215U1STR423.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Dezember 2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum
und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher, Dr. Bär,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 10. Februar 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf des Betruges freigesprochen und ihm eine Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen zugesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

I.

2
1. Zu den in der Anklage erhobenen Vorwürfen hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen (UA S. 9 – 17):
3
Die anderweitig Verfolgten H. , F. und P. , die sich aus vorausgegangenen Haftaufenthalten kannten, planten 2010 die Verwirklichung von Solarpark-Großprojekten, die über die kurz zuvor als „Firmenmantel“ ohne Eigenkapital erworbene Firma N. Inc. (nachfolgend: „N. “) mit Sitz in Oregon (USA) mit einer Niederlas- sung in D. realisiert werden sollten. Da die N. über keine entsprechenden Mittel verfügte, sollten diese über Investoren organisiert werden. Dazu kam es am 16. Oktober 2010 zu einem ersten Treffen des H. mit dem anderweitig verfolgten T. . Nachdem eine Finanzierung durch einen russischen Oligarchen als Investor über eine russische Bank an noch unzureichenden Projektplanungen gescheitert war, brachte T. im Dezember 2010 den Angeklagten als Investor ins Gespräch. Der als Verantwortlicher der M. Trust (nachfolgend: „M. “) mit Sitz in Südafrika handelnde Angeklagte übermittelte daraufhin der N. zwei auf den 14. Januar 2011 bzw. 27. Januar 2011 datierte und von ihm unterzeichnete Urkunden zur Darlehensfinanzierung zwischen der M. und der N. . Darin verpflichtete sich die M. gegenüber der N. zur Gewährung zweier verzinslicher Darlehen mit einem jährlichen Zinssatz von 4,5 % über 285 bzw. 315 Millionen Euro. Die beiden Verträge standen unter dem Vorbehalt, dass von oder im Namen der N. eine angemessene Sicherheit durch Bankhandelspapiere , Schuldbrief oder eine andere annehmbare Sicherheit im Gegenwert von 250 Millionen bzw. von 450 Millionen Euro geleistet wird, die aber zu keinem Zeitpunkt erfolgte.
4
Im Rahmen der Bemühungen zur Finanzierung der Projekte kam es ab Januar 2011 zu Treffen der N. -Mitarbeiter mit verschiedenen Geldgebern. In der Folge wurde am 3. Februar 2011 von diesen Geldgebern einen Betrag von 285.000 Euro unmittelbar an den anderweitig verfolgten T. überwiesen, der davon am selben Tag einen Betrag von 55.000 Euro auf das Konto des Angeklagten weiterleitete. Am 27. Januar 2011 erfolgte eine weitere Zahlung von 285.000 Euro durch andere Geldgeber an T. , der am 28. Januar 2011 nochmals einen Betrag in Höhe von 55.000 Euro an den Angeklagten überwies. Da es in der Folge zu keiner Auszahlung der Kredite gekommen war, erfolgten zahlreiche E-Mail-Kontakte zwischen H. und dem Angeklagten. Dieser teilte mit, er habe lediglich 2 x 55.000 Euro erhalten für die Einrichtung von zwei Kreditlinien, nicht jedoch Zahlungen für Bankgarantien. Im weiteren Verlauf bot der Angeklagte an, gegen Zahlung von weiteren 127.000 Euro selbst eine Bankgarantie besorgen zu können. Deshalb kam es auf Veranlassung des Angeklagten zu weiteren Kontakten der Verantwortlichen der N. mit Geldgebern, die weitere Geldbeträge leisteten, von denen im April 2011 und Mai 2011 insgesamt 65.000 Euro auf ein Konto des Angeklagten überwiesen wurden. In der Folgezeit kam es zu keinen Auszahlungen von Krediten.
5
2. Die Strafkammer kommt im Rahmen der Beweiswürdigung (UA S. 18 – 44) zu dem Ergebnis, dass schon keine Täuschungshandlung des Angeklag- ten gegeben sei, da durch nichts belegt sei, dass der Angeklagte per se nicht im Stande gewesen wäre, eine Kreditauszahlung in den verfahrensgegenständlichen Größenordnungen zu bewerkstelligen (UA S. 28); er verkehrte unwiderlegten eigenen Angaben zufolge in Kreisen der Hochfinanz. Dies gelte auch für die Annex-Vereinbarungen mit der N. bzgl. der Kosten für die Einrichtung der Kreditlinien und Kreditfacilitäten (UA S. 28). Auch sei das Verhalten des Angeklagten nicht ursächlich für die Überweisungen. Die Strafkammer sieht auch keinerlei Anhaltspunkte für eine Unrechtsvereinbarung mit dem anderweitig verfolgten T. . Aus den von diesem veranlassten Überweisungen von 2 x 55.000 Euro an den Angeklagten lasse sich entsprechendes nicht ableiten, da diese Zahlungen auch auf vertragliche Vereinbarungen zurückgeführt werden könnten (UA S. 30 – 31). Bei würdigender Gesamtschau halte es die Strafkammer daher zwar für gut möglich, dass der Angeklagte auch aus betrügerischen Motiven handelte, ist jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon überzeugt.

II.


6
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, denn die Beweiswürdigung des Landgerichts (§ 261 StPO) hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
7
Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es – wie hier – Zweifel an seiner Täterschaft oder am Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines strafbaren Verhaltens nicht zu überwinden vermag, ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Denn einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, können doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen. Deshalb bedarf es einer Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt zudem, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind und dabei nicht beachtet wurde, dass eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewissheit nicht erforderlich ist, vielmehr ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit genügt, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretischen Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zulässt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 3. Juni 2015 – 5 StR 55/15, NStZRR 2015, 255; vom 17. Juli 2014 – 4 StR 129/14; vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109; vom 1. Februar 2011 – 1 StR 408/10 Rn. 15, NStZ-RR 2011, 184; vom 7. Juni 2011 – 5 StR 26/11 Rn. 9; vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12 Rn. 10; vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12 Rn. 28 [insoweit in BGHSt 58, 72 nicht abgedruckt]).
8
Der Tatrichter darf dabei entlastende Angaben des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinnehmen. Er muss sich vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses entscheiden, ob diese Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 – 5 StR 600/01, BGHSt 48, 52, 71; Beschluss vom 25. April 2007 – 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324, 325; Urteil vom 28. Januar 2009 – 2 StR 531/08, NStZ 2008, 285). Der Zweifelssatz gebietet es nicht etwa, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36; vom 17. März 2005 – 4 StR 581/04, NStZ-RR 2005, 209 und vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90 jew. mwN).
9
2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.

10
Die Strafkammer geht davon aus, dass der Angeklagte als „Vertreter“ (UA S. 11) bzw. entsprechend einem verlesenen „Letter of Authority“ als „Treu- händer“ des „handelsgerichtlich … im Sinn der einschlägigen Rechtsprechung“ nicht eingetragenen „M. Trusts“ (M. ) aufgetreten ist, wobei sich aber weder zu diesem noch zu einem angeblich weiteren Unternehmen des Angeklagten im Internet Informationen finden lassen (UA S. 39). Dies obwohl sich der Angeklagte „unwiderlegbaren eigenen Angaben“ zufolge „in Kreisen der Hochfinanz“ bewegte, wobei er auch schon „zahlreiche afrikanische Staaten in Finanzangelegenheiten beraten habe“ (UA S. 28).
11
Schon im Ansatz bleibt damit unklar, auf welche konkreten Anhaltspunkte die Kammer ihre Annahme stützt, dass der Angeklagte innerhalb weniger Wochen für die M. seriös über die Vergabe von zwei verzinslichen Darlehen über 285 Millionen bzw. 315 Millionen Euro (UA S. 11 – 12) entscheiden hätte können. Dies gilt insbesondere auch angesichts der Vorlage einer unwirksam ausgestellten oder gefälschten Bankgarantie einer russischen Bank, die „der Angeklagte ohne vorherige Prüfung akzeptieren und 'vercashen' werde“ (UA S. 10 – 11). Allein die Annahme der „rechtliche(n) Existenz des M. oder zumindest von einer entsprechenden Vorgesellschaft“ (UA S. 39), lässt einen Schluss darauf nicht zu, ob der M. Darlehen in der angenommenen Höhe hätte vergeben bzw. vermitteln können. Im Übrigen bleibt auch angesichts des nicht mitgeteilten vollständigen Inhalts der beiden genannten Verträge völlig unklar, ob und wenn ja welche weiteren Sicherheiten zu stellen waren (UA S. 21 und 37). Nicht nachvollziehbar ist auch die von der Kammer festgestellte unterschiedliche Höhe der zu stellenden Sicherheiten von 250 Millionen Euro für das Darlehen über 315 Millionen und von 450 Millionen Euro für das weitere Darlehen über 285 Millionen Euro (UA S. 11 – 12).

12
Hinzu kommt, dass sich nach den Feststellungen der Strafkammer bei der nur unvollständig erfolgten Auswertung des beim Angeklagten sichergestellten Rechners einerseits durchaus Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass auch andere Personen erfolglos versucht hätten, über den Angeklagten an Bankgarantien zu gelangen, sich aber andererseits keinerlei Hinweise dafür fanden, dass der Angeklagte Bankgarantiegeschäfte tatsächlich erfolgreich abgeschlossen habe (UA S. 40).
13
Nach den Feststellungen der Strafkammer bleibt zudem völlig offen, wel- ches „Geschäftsmodell“ (UA S. 37, 28) der Angeklagte letztlich verfolgt haben soll. Während ursprünglich vereinbart gewesen sei, „dass T. bzw. H. eine Bankgarantie einer russischen Bank liefern würden und er sich dann um die Erlangung bzw. Auszahlung des Kredits annehmen würde“ (UA S. 18), gehörte die Beschaffung einer Bankgarantie ursprünglich nicht zu seinen Aufgaben. Erst als keine Bankgarantien geliefert wurden, habe er schließlich angeboten, diese zur Absicherung der Kredite selbst zu organisieren.

III.


14
Das Urteil ist somit auf die Revision der Staatsanwaltschaft insgesamt mit den Feststellungen aufzuheben; die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.
15
Mit der Aufhebung des freisprechenden Urteils werden die damit verknüpfte Entschädigungsentscheidung (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG) und die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegenstandslos (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2014 – 1 StR 114/14 juris Rn. 96 mwN). Raum Jäger Radtke Mosbacher Bär

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 405/12
vom
5. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Anstiftung zum Mord u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
5. Februar 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Dr. Graf,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 13. März 2012 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen tateinheitlich begangener Waffendelikte in Tatmehrheit mit Brandstiftung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Traunstein vom 22. März 2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die im genannten Urteil ausgesprochenen Rechtsfolgen aufrechterhalten. Von dem Vorwurf der versuchten Anstiftung zum Mord hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft die Aufhebung des Freispruchs. Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

I.

2
1. Dem Angeklagten ist mit der Anklage vorgeworfen worden, aus der Untersuchungshaft heraus einen Auftrag zur Ermordung des D. erteilt zu haben. Hintergrund soll gewesen sein, dass der Angeklagte den in einem umfangreichen Betrugsverfahren Mitbeschuldigten D. töten lassen wollte, um ihn daran zu hindern, auszusagen. Er habe beabsichtigt, diese Tat für 10.000 € von dem ihm als Scharfschützenbekannten K. ausführen zu lassen. Rechtsanwalt B. , dem damaligen Verteidiger des Angeklagten soll am 20. April 2010 mitgeteilt worden sein, dass D. aus der Haft entlassen worden sei. Daraufhin habe Rechtsanwalt B. den Angeklagten am 20. oder 21. April 2010 in der Untersuchungshaft besucht. Hierbei soll der Plan des Angeklagten zur Tötung des D. besprochen worden sein. Rechtsanwalt B. soll sich bereit erklärt haben, den Auftrag zur Ermordung des D. weiterzuleiten und am 21. April 2010 einen Aktenvermerk gefertigt haben, indem er festhielt: „K. soll für 10.000 den D. verramma, er erledigt die Geschichte“. Entsprechend dem Tatplan des Angeklagten soll Rechtsanwalt B. den Vermerk sodann an die Ehefrau des Angeklagten weitergeleitet haben. Diese soll den Tötungsauftrag jedoch nicht wie geplant weitergegeben haben, da ihr der Plan zu weit gegangen sei.
3
2. Das Landgericht hat zur Begründung des Freispruchs ausgeführt, es habe nicht feststellen können, dass die Planung und Vorstellung des Angeklagten von der Tat schon so weit gediehen war, wie es zur Strafbarkeit gemäß § 30 StGB erforderlich sei. Zwar bedeute „verramma“ im bayrischen Sprachgebrauch jemanden zu töten, es sei aber völlig offen, ob der als Täter vom Angeklagten in Aussicht genommene K. zu dieser Tat überhaupt bereit gewesen wäre, auch die näheren Umstände der Tatausführung seien ungeklärt gewesen.

II.

4
Das Urteil hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
5
1. Die angefochtene Entscheidung unterliegt schon deswegen der Aufhebung , weil sie nicht den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil genügt. Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die der Tatrichter für erwiesen hält (BGH, Urteil vom 4. Juli 1991 - 4 StR 233/91, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 7; BGH, Urteil vom 27. Juli 2000 - 4 StR 185/00). Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können. Nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (BGH, Urteil vom 26. September 1989 - 1 StR 299/89, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2; BGH, Urteil vom 17. Mai 1990 - 4 StR 208/90, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Denn es wird schon nicht zusammenhängend mitgeteilt, welche Feststellungen getroffen werden konnten. Heißt es zunächst noch, bekannt sei nur der Aktenvermerk von Rechtsanwalt B. , über Gespräche stehe nichts fest, finden sich bei den würdigenden Ausführungen doch noch ansatzweise weitere Feststellungen. So wird in der Beweiswürdigung zugrunde gelegt, dass die Weiterleitung des Aktenvermerks an die Ehefrau des Angeklagten auf dessen Aufforderung gegenüber Rechtsanwalt B. zurückgeht. An späterer Stelle ist sogar ausgeführt , dass der Aktenvermerk auf Anweisung des Angeklagten von Rechtsanwalt B. geschrieben wurde. Dies steht jedoch in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zu der vorangestellten Erkenntnis, über eventuelle Gespräche stehe nichts fest. Damit bleibt für das Revisionsgericht offen, von welchen Kontakten zwischen dem Angeklagten und Rechtsanwalt B. hin- sichtlich des geplanten „verramma“ das Landgericht letztlich für seine Würdi- gung ausgegangen ist. Die Beurteilung, ob der Versuch der Anstiftung bereits konkretisiert genug war, hängt aber maßgeblich hiervon ab. Einer Überprüfung der tatrichterlichen Wertung ist schon damit der Boden entzogen. Hier tritt noch hinzu, dass die Angaben des gesondert Verfolgten B. , auf die sich die Feststellungen zu dem Herrühren des Vermerksinhalts offensichtlich gründen, nicht mitgeteilt werden.
6
2. Auch im Übrigen erweist sich die Beweiswürdigung als rechtsfehlerhaft. Denn die Auseinandersetzung mit den festgestellten objektiven Umständen bleibt lückenhaft. So werden im Rahmen der Beweiswürdigung zwei weitere , seinem Besuch in der Untersuchungshaft nachfolgende Schreiben des Rechtsanwalts B. erwähnt, in denen er dem Angeklagten mitteilt, an den K. sei noch nicht herangetreten worden, dies sei im Moment auch nicht erforderlich und dass dem D. „etwas mehr als nur die Fresse poliert wer- de bei passender Gelegenheit“. Inwieweit diese Schreiben Rückschlüsse auf frühere Gespräche betreffend den D. erlauben, bleibt unerörtert.
7
3. Zudem begegnen die Ausführungen der Strafkammer zur Frage der hinreichenden Konkretisierung der in Aussicht genommenen Tat durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ausgehend von der zutreffenden Annahme, dass die Bestimmungshandlung und der Vorsatz sich auf eine hinreichend konkretisierte Tat richten müsse, wird dies maßgeblich deswegen verneint, da „völlig offen“sei, ob der Anzustiftende K. „überhaupt bereit gewesen wäre“, die Tat auszuführen. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Der Tatbestand der versuch- ten Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB knüpft allein an die abstrakte Gefährlichkeit des Tatverhaltens an, die darin liegt, dass derjenige, der einen anderen zur Begehung eines Verbrechens auffordert, Kräfte in Richtung auf das angegriffene Rechtsgut in Bewegung setzt, über die er nicht mehr die volle Herrschaft behält (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 1951 - 1 StR 3/51, BGHSt 1, 305, 309 zu § 49a StGB aF; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1997 - 2 StR 239/97, BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Bestimmen 3). Deswegen genügt es bereits, dass der Täter es für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, dass der Aufgeforderte die Aufforderung ernst nehmen und durch sie zur Tat bestimmt werden könnte (BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 - 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99; BGH, Urteil vom 27. Juli 2000 - 4 StR 185/00). Dass der Angeklagte davon ausgegangen sein müsste, dass K. zur Tötung eines Menschen für 10.000 € „ohne weiteres bedingungslos bereit gewesen wäre“- wie es die Strafkammer im Anschluss an die Erwägungen zur mangelnden tatsächlichen Bereitschaft des K. noch prüft und verneint - ist hierfür nicht erforderlich.

III.

8
Da die wenigen getroffenen Feststellungen keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte von dem Versuch der Anstiftung rechtswirksam zurückgetreten ist, war der Freispruch aufzuheben. Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Nack Rothfuß Graf Cirener Radtke

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 516/08
vom
14. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betrugs
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar
2009, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender
und der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwälte und
als Verteidiger des Angeklagten zu 1.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 2.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 3.,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 3. Juni 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen. Dagegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Begründetheit der Verfahrensrüge nicht ankommt.

I.

2
Die Anklage der Staatsanwaltschaft hatte den Angeklagten gemeinschaftlich und gewerbsmäßig begangenen Betrug in 39 Fällen im Zeitraum vom 3. Januar 2001 bis zum 8. März 2002 zur Last gelegt. Der Angeklagte S. war Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Fa. T. (künftig: T. ), der Angeklagte Sch. war deren Fuhrparkleiter und der Angeklagte H. stellvertretender Fuhrparkleiter. Nach dem Auftreten der Rindererkrankung BSE in Deutschland musste ab dem 1. Oktober 2000 spezifiziertes Risikomaterial (SRM) von Tieren (z. B. Schädel nebst Gehirn und Augen und Rückenmark von über zwölf Monate alten Rindern) auf den Schlachthöfen blau gefärbt und in besonderen Tierkörperbeseitigungsanstalten verbrannt werden. Auf Anweisung des Angeklagten S. sollen die Angeklagten Sch. und H. dafür gesorgt haben, dass nicht blau eingefärbtes SRM in der Tierkörperbeseitigungsanstalt R. verarbeitet wurde. Daraus gewonnenes Tierfett wurde mit insgesamt 39 Ratenlieferungsverträgen an sieben gutgläubige Kunden veräußert, die dieses Tierfett nicht gekauft hätten, wenn sie gewusst hätten, dass hierfür spezifiziertes Risikomaterial verarbeitet worden war, und die den Kaufpreis für Tierfett aus risikomaterialfreier Rohware zahlten, während Tierfett aus SRM enthaltendem Rohmaterial keinen oder nur einen deutlich geringen Verkaufswert hatte.
3
Das Landgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass dem Angeklagten S. die Verarbeitung von SRM in R. bekannt gewesen sei. Auch hat es eine Stoffgleichheit zwischen einem möglicherweise vom Angeklagten S. erstrebten Vorteil mit dem Schaden der Käufer verneint. Die Angeklagten Sch. und H. hat es wegen fehlenden eigenen Tatinteresses nur der Beihilfe für überführt gehalten und sie mangels Vorliegens einer Haupttat freigesprochen.

II.

4
Die Freisprüche halten sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
5
1. Angeklagter S.
6
a) Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei oder sieht er von einer weiterreichenden Verurteilung ab, weil er Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Dieses hat insoweit nur zu beurteilen, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ-RR 2005, 147; 2004, 238). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11; Beweiswürdigung, unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133; 2002, 48; BGH NStZ-RR 2000, 45; 2004, 238).
7
b) Die Beweiswürdigung in dem angefochtenen Urteil weist mehrere Rechtsfehler auf.
8
aa) Die Beweiswürdigung ist lückenhaft, weil das Landgericht wesentliche Ergebnisse der Beweisaufnahme bei seiner Überzeugungsbildung unberücksichtigt gelassen hat. Das Landgericht vermochte nicht festzustellen, dass dem Angeklagten S. bekannt war, dass in der Tierkörperbeseitigungsanstalt R. im festgestellten Umfang SRM verarbeitet worden ist. Zwar habe der Mitangeklagte H. bei seiner Vernehmung bei der Kriminalinspektion W.
bekundet, dass S. vom ersten Tag an gewusst habe, dass das SRM von der Großschlachterei Si. nicht blau eingefärbt gewesen sei. S. habe angeordnet , sämtliches nicht blau eingefärbtes Material als SRM-frei in R. zu verarbeiten. Warum das Landgericht diese Aussage nicht geglaubt hat, ergeben die Urteilsgründe nicht. Das Urteil verhält sich nicht zur Glaubwürdigkeit des Mitangeklagten H. .
9
Gegen die Unglaubwürdigkeit des Mitangeklagten H. spricht, dass das Landgericht die von diesem Angeklagten bekundeten Vorfälle und Umstände uneingeschränkt seinen Feststellungen zu Grunde gelegt hat. So hat das Landgericht auch den von ihm bekundeten Vorfall von Anfang Januar 2001 als erwiesen angesehen. Danach war er gerade damit beschäftigt, einen Container , der von dem Schlachthof Si. kam und nicht erkennbar blau gefärbtes SRM enthielt, für den Abtransport nach Sa. (wo SRM entsorgt wurde) umzuladen , als der Angeklagte S. hinzukam und fragte, was er mache. S. sagte anschließend zu den Mitangeklagten Sch. und H. , sie sollten nicht so viel Material wegfahren. Alles, was nicht blau eingefärbt sei, werde in R. verarbeitet. Das Landgericht hat gemeint, es bedürfe objektiver Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte S. bei der Erteilung dieser Anweisung das Material als SRM erkannt und dennoch die unzulässige Verarbeitung in R. angeordnet habe. Solche hat es in den festgestellten Umständen nicht gefunden (dazu unter bb).
10
Das Landgericht hat dabei jedoch die Aussage des Zeugen M. (UA S. 45) nicht bedacht. Danach gab es um die Jahreswende 2000/2001 eine Besprechung mit dem Angeklagten S. , weil in Sa. nicht sämtliches SRM blau eingefärbt gewesen sei. Man habe abgesprochen, das Material noch einzufärben, da man davon ausgegangen sei, die Farbe sei noch im Endprodukt nachweisbar. Dem Angeklagten S. war danach positiv bekannt, dass nicht alles SRM blau eingefärbt war, die Einfärbung also nicht ordnungsgemäß umgesetzt wurde. Wenn er dennoch die Anweisung gab, alles nicht blau eingefärbte Material in R. zu verarbeiten, legte dies seinen (zumindest bedingten ) Vorsatz nahe, dort SRM zu verarbeiten.
11
bb) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht objektive Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Angeklagten S. von der Verarbeitung von SRM in R. verneint hat, lassen besorgen, dass es überspannte Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung gestellt hat. Darüber hinaus fehlt eine Gesamtwürdigung aller Indizien, die für eine Kenntnis des Angeklagten S. sprechen könnten. Das Landgericht hat vielmehr jedes festgestellte Indiz einzeln abgehandelt und verneint, dass es jeweils die Kenntnis belegt. Zum Teil hat es dabei auf fernliegende Erwägungen abgestellt.
12
Dies gilt beispielhaft für die Argumentation, mit der das Landgericht dem Vorfall mit dem Angeklagten H. Anfang Januar 2001 in R. eine Beweisbedeutung abgesprochen hat (UA S. 39). Nach den Feststellungen war der Angeklagte S. Fachmann und unangefochtener Leiter der T . , der Mitgeschäftsführer K. durfte sich nicht in den praktischen Betrieb „einmischen“. S. kannte alle Vorschriften, hatte Einsicht in alle relevanten Vorgängen. Er wusste zumindest seit dem Gespräch mit M. , dass nicht alles SRM blau eingefärbt war. Dass der Angeklagte nicht erkannt haben könnte, was in der Mulde in R. lag und von H. umgeladen wurde, war danach ausgesprochen fernliegend, zumal die Mitangeklagten H. und Sch. die Anweisung , alles nicht eingefärbte Material in R. zu verarbeiten, nach den Umständen ohne weitere Nachfrage auf SRM bezogen.
13
Soweit das Landgericht meint, dem Schreiben des Angeklagten Sch. vom 16. Januar 2001 Anhaltspunkte dafür entnehmen zu können, dass der An- geklagte S. auf eine ordnungsgemäße Trennung des SRM vom sonstigen Material vertrauen durfte, ist die Beweiswürdigung lückenhaft bzw. widersprüchlich. Der Angeklagte S. hatte die Forderung von Sch. und H. nach weiterem Personal und weiteren Lkws zur ordnungsgemäßen Trennung des Rohmaterials abgelehnt. Es bedurfte daher der Erörterung, ob das im Schreiben vom 16. Januar 2001 erwähnte Personal tatsächlich zusätzlich ab dem 11. Januar 2001 zur Überwachung eingesetzt wurde. Angesichts der Gesamtumstände wäre auch der Hintergrund, warum es zu diesem Schreiben kam, näher darzulegen gewesen. Es drängt sich auf, dass der Angeklagte S. ein solches Schreiben erfordert haben könnte, um sich damit für frühere Vorfälle entlasten zu können.
14
Hinsichtlich des Vorfalls vom 5. Juli 2001 und des Vermerks des Zeugen D. vom 27. Juli 2001 sind die Urteilsgründe insoweit lückenhaft, als schon nicht erkennbar ist, welche Funktionen die Zeugen Schr. , Me. und D. ausübten. Auch wird nicht mitgeteilt, wer am 5. Juli 2001 SRM in der Mulde von R. gefunden hat. Falls etwa ein Veterinär, ein Behördenmitarbeiter oder der Mitgeschäftsführer diese Feststellung getroffen hätten, war eine Information des Landesuntersuchungsamtes und eine erneute Reinigung der Anlage für die Angeklagten möglicherweise unumgänglich. Auch fehlt die Feststellung , wer den Zeugen D. mit der Kontrolle der Wiegedaten beauftragt hat. Dass der Angeklagte von der Überprüfung und dem Ergebnis der Kontrolle keine Kenntnis gehabt haben könnte, lag angesichts seiner Position in der T. nicht nahe.
15
Der Rat des Angeklagten S. an den Mitgeschäftsführer K. , die Unterlagen , die Unstimmigkeiten bei der Verarbeitung von SRM ergaben, zu vernichten , mag zwar nicht allein die Kenntnis von regelmäßiger SRMVerarbeitung in R. belegen. Ihm kam aber im Zusammenhang mit den übrigen Indizien erhebliche Beweisbedeutung zu, was das Landgericht verkannt hat.
16
Dem Umstand, dass der Angeklagte es dem Landesuntersuchungsamt selbst gemeldet hat, wenn einem Veterinär SRM in der Mulde von R. aufgefallen war, kommt entgegen der Auffassung des Landgerichts ebensowenig entlastende Bedeutung zu wie der Tatsache, dass er zur Firma V. fuhr, um die dortige Vermischung von SRM und SRM-freiem Material zu beenden. In diesen Fällen, in denen die SRM-Verarbeitung außenstehenden Dritten bekannt geworden war, ließ sie sich ersichtlich nicht mehr verheimlichen, so dass entsprechende Maßnahmen ergriffen werden mussten, um äußerlich den Anschein einwandfreier Verarbeitung von Rohmaterial zu wahren.
17
c) Auch die rechtlichen Erwägungen, auf die das Landgericht den Freispruch gestützt hat, halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
18
Der Betrug setzt keine Absicht des Täters voraus, sich selbst zu bereichern , es reicht die Bereicherung eines Dritten. Die Käufer haben für wertloses oder minderwertiges Tierfett einen überhöhten Betrag gezahlt. Dieser Betrag ist nach den Urteilsfeststellungen an den Zweckverband geflossen, dieser ist dadurch bereichert worden. Die Stoffgleichheit von Schaden und Vermögensvorteil ist daher gegeben.
19
Auf die vom Landgericht erörterte Motivation des Angeklagten kommt es für die Frage täterschaftlichen Betrugs nicht an. Allerdings hat der Angeklagte gewerbsmäßig nur dann gehandelt, wenn ihm aus den betrügerisch erlangten Geldern eigene Vorteile zufließen sollten. Soweit das Landgericht verneint hat, dass dem Angeklagten aus seinem Tun wirtschaftliche Vorteile zugeflossen sind oder er dies erstrebt hat, halten die diesbezüglichen Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung ebenfalls nicht stand.
20
Die Urteilsfeststellungen, wonach bei ordnungsgemäßer Entsorgung des SRM die Tantiemeberechnung der T. lediglich eine um 1334,42 DM geringere Tantieme ergeben hätte, sind nicht nachvollziehbar belegt. Den Urteilsgründen ist weder die vertragliche Grundlage der Tantiemenzahlung mit ausreichender Klarheit zu entnehmen, noch lässt sich nachvollziehen, ob die Wirtschaftsprüfungs - und Steuerberatungsgesellschaft M. T. GmbH bei der Alternativberechnung des Tantiemenanspruchs von richtigen Ausgangswerten ausgegangen ist. Zweifel an der Feststellung, dass die Tantieme bei ordnungsgemäßer Entsorgung praktisch gleich geblieben wäre, ergeben sich bereits daraus, dass nach den Urteilsfeststellungen die Tantieme ergebnisabhängig war und sich insbesondere daran orientierte, in welchem Umfang die T. Erlöse erwirtschaftete, und dass der Angeklagte nach der Aussage des Zeugen H. immer Wert auf Gewinnerzielung legte. Nach den Feststellungen erhielt der Angeklagte im Übrigen außer der anteiligen Tantieme eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 80.000 DM. Die Urteilsgründe verhalten sich nicht dazu, auf welcher Grundlage diese Gewinnbeteiligung ermittelt wurde und wie sie sich in dem Falle entwickelt hätte, dass SRM-Material ordnungsgemäß entsorgt worden wäre.
21
2. Angeklagte Sch. und H.
22
a) Der Freispruch der Angeklagten Sch. und H. hat schon deshalb keinen Bestand, weil das Landgericht eine Haupttat des Angeklagten S. mit rechtsfehlerhafter Begründung verneint hat.
23
b) Aber auch die Erwägungen, mit denen das Landgericht ein eigenes Tatinteresse der Angeklagten Sch. und H. verneint hat, halten jedenfalls unter der bisherigen Annahme des Tatrichters, dass der Angeklagte S. nichts von der Verarbeitung von SRM wusste, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zutreffend gesehen, dass die Angeklagten aus Angst um ihren Arbeitsplatz gehandelt haben können. Ein ganz erhebliches Interesse am Erhalt des Arbeitsplatzes zeigt der vom Landgericht festgestellte Umstand, dass beide im Tatzeitraum ohne besondere Vergütung erhebliche Überstunden geleistet haben. Warum das Landgericht dennoch dieses Interesse nicht für so gewichtig gehalten hat, dass die Angeklagten auch die Tat als eigene gewollt hätten, ist nicht nachvollziehbar dargelegt. Fischer Rothfuß Roggenbuck Appl Schmitt

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 32/13
vom
4. Juni 2013
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) Art. 7 lit. f)
1. Zum Vorliegen nicht allgemein zugänglicher personenbezogener Daten bei der Erstellung
von sog. Bewegungsprofilen bei Überwachung von Zielpersonen durch Anbringung
von GPS-Empfängern an den von diesen genutzten Kraftfahrzeugen durch
eine Detektei.
2. Zu den Voraussetzungen einer datenschutzrechtlichen Befugnis zum Erstellen von
Bewegungsprofilen mittels GPS-Empfängern in engen Ausnahmefällen.
BGH, Urteil vom 4. Juni 2013 - 1 StR 32/13 - LG Mannheim
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen vorsätzlichen unbefugten Erhebens von Daten gegen Entgelt u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Juni 2013,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Zeng,
Richter
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin für den Angeklagten H. ,
der Angeklagte H. persönlich,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin für den Angeklagten K. ,
der Angeklagte K. persönlich,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18. Oktober 2012, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben:
a) in den Fällen 13 bis 17, 19, 23 bis 27 und 29 der Urteilsgründe
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben:
a) in den Fällen 13 bis 17, 23, 24, 26 und 27 der Urteilsgründe
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen vorsätzlichen unbefugten Erhebens von Daten gegen Entgelt in 29 Fällen sowie wegen vorsätzlichen Missbrauchs von Sendeanlagen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten K. hat es wegen vorsätzlichen unbefugten Erhebens von Daten gegen Entgelt in 25 Fällen unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart vom 27. September 2011 zu einer (nachträglichen) Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von acht Monaten verurteilt. Die Vollstreckung beider Gesamtfreiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt.
2
Hiergegen richten sich die auf näher ausgeführte Sachrügen gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet.

A.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

I.

4
Fälle 1 bis 29 der Urteilsgründe:
5
1. Der Angeklagte H. betrieb eine Detektei, der Angeklagte K. war - ebenso wie der gesondert Verfolgte Kn. - als Detektiv bei ihm angestellt. Die Detektei wurde häufig von Privatpersonen beauftragt, andere Personen (Zielpersonen) zu überwachen. Eine der praktizierten Observationsmaßnahmen bestand in der Erstellung von Bewegungsprofilen der Zielpersonen. Dabei ging die Detektei wie folgt vor: Durch vorangegangene persönliche Observation und Halterabfragen wurde das von den Zielpersonen regelmäßig genutzte Fahrzeug und dessen regelmäßiger Standort ermittelt. Sodann brachte - jeweils auf Anweisung des Angeklagten H. - überwiegend (jedoch nicht in den Fällen 19, 21 und 25 sowie 29 der Urteilsgründe) der Angeklagte K. , teilweise gemeinsam mit dem Mitarbeiter Kn. , einen GPSEmpfänger (basierend auf Global-Positioning-System = GPS) an diesen Fahrzeugen an. Soweit die Angeklagten für möglich hielten, dass die Zielpersonen mehrere Fahrzeuge benutzten, etwa Fahrzeuge von Personen aus dem familiären Umfeld der Zielpersonen, wurde an jedem dieser Fahrzeuge ein GPSEmpfänger angebracht. Dass die Angeklagten durch ihr Verhalten in die Rechte dieser „unbeteiligten“ Familienangehörigen eingriffen, die die Fahrzeuge ebenfalls nutzten, war ihnen bewusst. Die Urteilsgründe enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Angeklagten jemals einen GPS-Empfänger an einem Fahrzeug angebracht hätten, das von mehr als weiteren zwei, in einem Fall von mehr als drei Personen neben der Zielperson benutzt wurde.
6
Zur Anbringung des GPS-Empfängers betrat der Angeklagte K. wiederholt im Bewusstsein, hierzu nicht berechtigt zu sein, Tiefgaragen, die teilweise durch Rolltore oder Gitter gesichert oder nur durch Berechtigte mit einer Karte zu betreten waren.
7
Die GPS-Empfänger zeichneten im Durchschnitt alle zwei Minuten, teils sogar minütlich, das Datum, die Uhrzeit, die geographischen Breiten- und Längenkoordinaten sowie die jeweilige Momentangeschwindigkeit des Fahrzeugs auf. Diese Daten wurden über Mobiltelefone der Angeklagten auf deren Note- books übertragen und dort mittels eines speziellen Softwareprogramms automatisch zu Bewegungsprotokollen und Kartendarstellungen verarbeitet, wobei auch „Fahrweg und Aufenthaltsort der Zielpersonen“ dokumentiert wurden. Diese Arbeiten nahmen im Wesentlichen der Angeklagte K. und der weitere Mitarbeiter Kn. vor. Die so gewonnenen Daten überließ der Angeklagte H. - teils in Form von Protokollen und Kartendarstellungen, teils in Form von Observationsberichten - den jeweiligen Auftraggebern in Papierform.
8
2. Die Motive der Auftraggeber für die Überwachung der Zielpersonen waren unterschiedlich:
9
a) Fälle 1 bis 12 der Urteilsgründe:
10
Auftraggeber der Observationen waren Geschäftsführer der imBereich von Labormedizin tätigen L. GmbH. Gegen einen der Geschäftsführer hatte die Kassenärztliche Vereinigung Nordbaden Maßnahmen im Rahmen ihrer Aufgaben ergriffen. Dieser Geschäftsführer wollte kompromittierendes Material aus dem Berufs- und Privatleben von näher bezeichneten Personen , die der Kassenärztlichen Vereinigung Nordbaden angehörten bzw. für diese tätig waren, gewinnen. Dieses Material wollte er dazu einsetzen, um die Zielpersonen in seinem Sinne beeinflussen zu können. Ein weiterer Observationsauftrag betraf mit gleicher Zielrichtung einen Rechtsanwalt, den Insolvenzverwalter über das Vermögen dieses Geschäftsführers. Sowohl an den Fahrzeugen der betroffenen Angehörigen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordbaden sowie bei diesem Rechtsanwalt wurden GPS-Empfänger angebracht.
11
Weitere Observationsaufträge betrafen Angehörige der Staatsanwaltschaft Mannheim, die gegen den Geschäftsführer wegen Abrechnungsbetruges ermittelten, sowie Angehörige konkurrierender Labore. Damit im Zusammenhang stehende Vorgänge sind Gegenstand eines gesonderten Verfahrens.
12
b) Fälle 18, 20 bis 22, 28 der Urteilsgründe:
13
Hier wollten die Auftraggeber durch eine Überwachung ihrer Ehegatten (Fälle 18 und 22 der Urteilsgründe) oder der Schwiegertochter (Fälle 20 und 21 der Urteilsgründe) deren Untreue belegen. In einem Fall (Fall 28 der Urteilsgründe erstrebte der Auftraggeber Klärung darüber, ob seine Lebensgefährtin, gegen die wegen dieses Verdachts später auch ermittelt wurde, Beischlaf mit Verwandten gehabt hatte.
14
c) Fälle 13 bis 17, 19, 23 bis 27 sowie 29 der Urteilsgründe:
15
Eine Observation richtete sich gegen einen Mitarbeiter/Berater eines Unternehmens , der bei dem Auftraggeber (Fälle 15 und 16 der Urteilsgründe) in Verdacht stand, hohe Geldbeträge veruntreut und Maschinen unterschlagen zu haben. In zwei weiteren Fällen stand ein Mitarbeiter eines Unternehmens im Verdacht, im Krankenstand „schwarz“ einer Nebentätigkeit nachgegangen zu sein (Fälle 23 und 24 der Urteilsgründe) bzw. gegen ein Wettbewerbsverbot verstoßen zu haben (Fall 25 der Urteilsgründe). Hier konnte der Betroffene der „Spionage“ zugunsten einer Konkurrenzfirma überführt werden; die Observation diente der Vorbereitung einer Strafanzeige. In den Fällen 26 und 27 der Urteilsgründe hatte der Auftraggeber seine Ehefrau in Verdacht, als Mitarbeiterin eines gemeinsamen Unternehmens Gelder veruntreut zu haben. Eine Auftraggeberin (Fälle 13 und 14 der Urteilsgründe) befürchtete, ihr Ehemann habe im Rahmen einer vermögensrechtlichen Auseinandersetzung ihr zustehende Vermögenswerte beiseite geschafft. Im Fall 17 der Urteilsgründe wollte der Auftraggeber im Interesse zukünftiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen den aktuellen Arbeitsplatz einer ehemaligen Mitarbeiterin, die noch erhebliche Schulden bei ihm hatte, herausfinden. Ein weiterer Auftraggeber versuchte, über die Überwachung zu belegen, dass seine getrennt lebende Ehefrau eine andere Beziehung habe und ihm „das Haus wegnehmen“ wolle (Fall 29 der Urteilsgründe ); der GPS-Empfänger wurde hier an einem im Eigentum des Auftraggebers stehenden Fahrzeug angebracht. Der Auftraggeber im Fall 19 der Urteilsgründe ließ seine Ehefrau im Rahmen einer Scheidungsauseinandersetzung überwachen.
16
3. Das Landgericht hat in sämtlichen Fällen (bei dem Angeklagten K. nur in den Fällen, an denen er beteiligt war) vorsätzliches unbefugtes Erheben von Daten gegen Entgelt (§ 44 Abs. 1, § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG) bejaht.
17
Näher hat es ausgeführt:
18
Die GPS-Daten seien personenbezogene Daten (§ 3 Abs. 1 BDSG). Das zunächst fahrzeugbezogene Bewegungsprofil sei entsprechend dem Zweck der Maßnahme den Zielpersonen ohne Weiteres zuzuordnen gewesen.
19
Diese Daten seien nicht allgemein zugänglich gewesen. Durch bloßes Beobachten und/oder „Hinterher-Fahren“ wäre schon wegen der Verkehrsdichte und des erhöhten Entdeckungsrisikos die Erstellung eines ebenso vollständigen Bewegungsprofils nicht oder allenfalls theoretisch unter unverhältnismäßigem Aufwand möglich gewesen. Die Datenerhebung bzw. -verarbeitung seien unbefugt gewesen. Namentlich könnten sich die Angeklagten nicht auf Erlaubnissätze , insbesondere nicht auf § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG berufen.
20
In diesem Zusammenhang sei abzuwägen zwischen - einerseits dem Interesse der Detektei an der Auftragserfüllung und den dahinter stehenden Interessen der Auftraggeber - andererseits dem verfassungsrechtlich garantierten Recht der Zielpersonen auf informationelle Selbstbestimmung.
21
Da der GPS-Einsatz bereits für sich genommen widerrechtlich gewesen sei, seien die Interessen der Angeklagten bzw. der Auftraggeber nicht billigenswert. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass bei keinem der Fälle eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne von § 100h StPO vorgelegen habe. Selbst Ermittlungsbehörden wären daher nicht befugt gewesen, sich eines GPS-Geräts, das als technisches Mittel im Sinne dieser Vorschrift gelte, zu be- dienen. Den Angeklagten, die ohnehin nur über „Jedermanns-Rechte“ verfüg- ten, habe dann erst recht keine Befugnis zugestanden.

II.

22
Fall 30 der Urteilsgründe:
23
1. Der Angeklagte H. verkaufte und übergab einer Auftraggeberin, die die privaten Telefonate ihres Ehemannes abhören wollte, einen Telefonhörer, einen Recorder, einen Funkscanner und ein Kabel und erklärte ihr, wie sie diese Gerätschaften in das gemeinsam von ihr und ihrem Ehemann genutzte drahtgebundene Telefon einbauen könne. Dementsprechend konnten die über dieses Telefon geführten Gespräche - für den Ehemann nicht erkennbar - empfangen , aufgenommen und wiedergegeben werden.
24
2. Deswegen wurde er wegen vorsätzlichen Missbrauchs von Sendeanlagen im Sinne von § 148 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. § 90 Abs. 1 Satz 1 TKG verurteilt.

III.

25
Gegen das Urteil richten sich die auf näher ausgeführte Sachrügen gestützten Revisionen der Angeklagten.

B.

26
Soweit die Revision des Angeklagten H. sich gegen die Verurteilung wegen vorsätzlichen Missbrauchs von Sendeanlagen (§ 148 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. § 90 Abs. 1 Satz 1 TKG; Fall 30 der Urteilsgründe) wendet, bleibt diese erfolglos, ohne dass dies näherer Ausführung bedürfte.

C.

27
Soweit die Angeklagten wegen vorsätzlichen unbefugten Erhebens von Daten gegen Entgelt (§ 44 Abs. 1, § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG) verurteilt worden sind, besteht kein Verfahrenshindernis; insbesondere liegen in Bezug auf sämtliche verfahrensgegenständlichen Taten die erforderlichen wirksamen Strafanträge (§ 44 Abs. 2 Satz 1 BDSG) vor.
28
Antragsbefugt ist gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 BDSG neben dem Betroffenen , der verantwortlichen Stelle und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit auch die Aufsichtsbehörde im Sinne von § 38 BDSG. Die zuständigen Aufsichtsbehörden können per Gesetz von der Landesregierung oder von einer durch diese ermächtigten Stelle bestimmt werden , § 38 Abs. 6 BDSG.
29
Vorliegend hatte, neben einzelnen Geschädigten, am 14. Juli 2010 der Leiter der Aufsichtsbehörde für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich (Innenministerium Baden-Württemberg) in sämtlichen verfahrensgegenständlichen Fällen Strafanträge gestellt.
30
Diese Aufsichtsbehörde war in Baden-Württemberg zu dem Zeitpunkt der Antragstellung bei dem Innenministerium angesiedelt (vgl. Ambs in ErbsKohlhaas , 183. Lfg., § 38 BDSG Rn. 1). Erst aufgrund Gesetzes zur Änderung des Landesdatenschutzgesetzes und anderer Rechtsvorschriften vom 7. Februar 2011, das am 1. April 2011 in Kraft trat (GBl. BW Nr. 2, S. 43), wurde die Aufsicht über die nicht-öffentlichen Stellen dem Landesbeauftragten für den Datenschutz übertragen (vgl. § 31 Abs. 1 DSG BW nF; Bergmann/Möhrle/Herb, LDSG BW, 43. Lfg., § 31 Anm. 3.1).
31
Die Antragstellung erfolgte damit durch die zuständige Aufsichtsbehörde und ist, weil wenige Tage nach Kenntnisnahme des Sachverhalts gestellt, innerhalb der drei Monate betragenden Antragsfrist, deren Lauf mit Kenntniserlangung von der Tat und der Person des Täters (§ 77b StGB) beginnt, erfolgt.

D.

32
Soweit die Angeklagten wegen Taten nach § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG verurteilt wurden, haben die Revisionen in den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Einzelfällen Erfolg, was zugleich zur Aufhebung der Gesamtstrafe führt. Im Übrigen bleiben sie erfolglos. Die für die Entscheidung über die Revisionen beider Angeklagter maßgeblichen Gründe sind weitgehend identisch. Lediglich hinsichtlich des Merkmals der Entgeltlichkeit (§ 44 Abs. 1 BDSG) ist eine differenzierte Betrachtung geboten (unten D.I.3.).

I.

33
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen haben die Angeklagten zwar jeweils vorsätzlich handelnd gegen Entgelt gemeinschaftlich personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, erhoben und verar- beitet. Allerdings hat das Tatgericht bei der Beurteilung des Merkmals „unbefugt“ einen nicht in jeder Hinsicht rechtsfehlerfreien Maßstab herangezogen. Aufgrund dessen tragen die bislang getroffenen Feststellungen in den Fällen 13 bis 17, 19, 23 bis 27 sowie 29 der Urteilsgründe die Annahme einer fehlenden Befugnis zur Datenerhebung und -verarbeitung nicht. Dies betrifft mit Ausnahme der Fälle 19, 25 und 29 der Urteilsgründe - hieran hatte der Angeklagte K. nicht mitgewirkt - beide Angeklagte.
34
In den Fällen 1 bis 12 der Urteilsgründe sowie in den Fällen 18, 20 bis 22 und 28 der Urteilsgründe ist das Tatgericht im Ergebnis zutreffend von einem unbefugten Handeln ausgegangen; dies betrifft mit Ausnahme des Falls 21 der Urteilsgründe beide Angeklagten.
35
1. Das Landgericht hat die durch die GPS-Empfänger gewonnenen „Be- wegungsdaten“ zu Recht als personenbezogene Daten, also als Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Legaldefinition des § 3 Abs. 1 BDSG), bewertet.
36
a) Der Begriff der „Angabe“ umfasst jede Information. Eine Information ist geistiger Natur (Dammann in Simitis, BDSG, 7. Aufl., § 3 Rn. 5 mwN). Reale Vorgänge und Zustände sind daher für sich genommen keine derartigen Angaben ; sie können aber etwa durch Aufzeichnen oder Messen Ausgangspunkt für das Herstellen solcher Einzelangaben sein (Dammann aaO).

37
Auf persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person beziehen sich Einzelangaben dann, wenn sie über die Bezugsperson selbst etwas aussagen oder mit der Bezugsperson in Verbindung zu bringen sind, weil sie einen auf sie beziehbaren Sachverhalt enthalten (Gola/Schomerus, BDSG, 11. Aufl., § 3 Rn. 5 und 7). Daher zählen nicht nur einer Person als solcher zukommende Eigenschaften und Merkmale zu deren persönlichen und sachlichen Verhältnissen, sondern auch ihre Beziehungen zur Umwelt, wie u.a. ihr Aufenthaltsort (vgl. Dammann aaO Rn. 11; Gola/Schomerus aaO Rn. 7; Schaffland/Wiltfang, BDSG, Lfg. 4/11, § 3 Rn. 5; Backu, ITRB 2009, 88, 90).
38
Werden geografische Standort- oder Positionsdaten (hier GPSPositionsdaten ) erhoben, verarbeitet oder genutzt, vermitteln diese, weil sie sich in erster Linie auf Gegenstände - wie vorliegend den GPS-Empfänger bzw. das Fahrzeug, an dem der GPS-Empfänger angebracht ist - beziehen, unmittelbar keine Aussage über die persönlichen oder sachlichen Verhältnisse einer natürlichen Person (vgl. Schrey/Meister, K&R 2002, 177, 180). Durch den Einsatz satellitengestützter Positionsbestimmungs-Systeme lassen sich mit einer horizontalen und vertikalen Genauigkeit von wenigen Metern (vgl. Jandt/ Schnabel, K&R 2008, 723, 724) Positionsdaten „lediglich“ darüber gewinnen, wo sich ein GPS-Empfänger befindet (zu den technischen Gegebenheiten vgl. Jandt/ Schnabel aaO).
39
Gegenstände, wie die hier verwendeten GPS-Empfänger, können aber einem bestimmten Einfluss durch Personen unterliegen, so dass etwa aufgrund der physischen oder räumlichen Nähe des GPS-Empfängers zu einer Person oder zu anderen Gegenständen, etwa dem von einer bestimmten/ bestimmbaren Person genutzten Fahrzeug, an dem der GPS-Empfänger angebracht ist, eine indirekte Beziehung zu einer Person hergestellt werden kann. Fahrzeugortungsdaten als Sachdaten werden daher als Verhaltensdaten zu personenbezogenen Daten, wenn der Insasse dem Fahrzeug zugeordnet werden kann (zum Personenbezug von GPS-Standortdaten vgl. Dammann aaO § 3 Rn. 15 und 59, 69; zur Ortung von Arbeitnehmern bei der Anbringung von GPSEmpfängern an Dienst-Fahrzeugen vgl. Meyer, K&R 2009, 14, 19; zur GPSOrtung im Arbeitsverhältnis vgl. auch Gola, NZA 2007, 1139, 1143).
40
b) Gemessen hieran stellten die durch den Angeklagten H. und seine Mitarbeiter gewonnenen GPS-Positionsdaten der von den Zielpersonen benutzten Fahrzeuge personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG dar. Das gilt sowohl für Standortdaten solcher Fahrzeuge, die lediglich von einer Person genutzt wurden, als auch solcher mit Nutzung durch weitere den Angeklagten aufgrund der vorausgegangenen Recherchen namentlich bekannte Personen.
41
Bei Nutzung des jeweiligen Fahrzeugs ausschließlich durch die Zielperson war es den Angeklagten ohne weiteres möglich, die GPS-Daten den entsprechenden Zielpersonen zuzuordnen. Die GPS-Daten enthielten damit eine Information über den jeweiligen Aufenthaltsort und das Fahrverhalten der jeweiligen Zielperson, mithin über eine für die Angeklagten bestimmbare natürliche Person im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG. Auf die in Einzelheiten kontrovers beurteilten Maßstäbe der Bestimmbarkeit der Person im Zusammenhang mit der Zuordnung von zunächst Sachdaten zu einer Person (dazu Forgó/Krügel, MMR 2010, 17, 18 ff. mwN) kommt es vorliegend dabei nicht an.

42
Aber auch soweit eine Nutzung der überwachten Fahrzeuge durch eine oder zwei weitere Personen aus dem Umfeld der Zielpersonen erfolgte, handelte es sich bei den Standortdaten um personenbezogene Daten. Die Angeklagten stellten in diesen Fällen personenbezogene Informationen selbst her, indem sie die GPS-Positionsdaten einer bestimmten Person zuordneten und damit Aussagen über deren Aufenthaltsort trafen.
43
Die Angeklagten hatten die GPS-Empfänger nicht wahllos an Fahrzeugen angebracht; vielmehr hatten sie „Vorfeldermittlungen“ angestellt und in deren Verlauf die Halterdaten erhoben sowie die Zielpersonen persönlich obser- viert. Soweit die Angeklagten zur Beobachtung einer „Zielperson“ aufgrund ihrer Erkenntnisse an mehreren Fahrzeugen jeweils einen GPS-Empfänger anbrachten , um Bewegungsprofile der Zielpersonen auch im Falle eines Fahrzeugwechsels zu erhalten, war es ihnen bewusst, dass auch „Unbeteiligte“ mitobserviert wurden (UA S. 7). Teilweise überwachten sie auch Angehörige der Zielpersonen (UA S. 15). Soweit drei weitere Personen im familiären Umfeld der Zielpersonen dasselbe Fahrzeug nutzten, war auch dies den Angeklagten bekannt. Verfolgungstechnische „Leerläufe“ konnten die Angeklagten im Übrigen dazu nutzen, ergänzende Erkenntnisse zur betreffenden Zielperson zu erlangen. Es liegt angesichts dieser begleitenden Ermittlungen der Angeklagten nicht nahe, dass sie nicht in der Lage gewesen wären, eine zutreffende Zuordnung der GPS-Daten zu dem jeweiligen Fahrzeugführer vorzunehmen. Selbst wenn sie aber in Einzelfällen die GPS-Daten fehlerhaft zugeordnet haben sollten, ändert dies an der Beurteilung als personenbezogene Daten nichts.
44
Ein fehlender Wahrheitswert des Datums bzw. der Daten schließt das Vorliegen einer Angabe im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG nämlich nicht aus. Nur dann, wenn aus dem Kontext heraus eindeutig ist, dass die Angaben „reine Fantasie des Autors“ sind, sagen sie über eine Person nichts aus (Dammann aaO § 3 Rn. 6). Dies war hier aber im Hinblick auf die umfassenden „Vorfeldermittlungen“ der Angeklagten gerade nicht der Fall.
45
Eine Aufklärungsrüge wurde insoweit im Übrigen nicht erhoben.
46
2. Das Landgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Angeklagten, indem sie sich die GPS-Daten beschafften und die so erlangten Daten computergestützt automatisiert zu Bewegungsprotokollen zusammenfügten , Daten im Sinne von § 3 Abs. 3 BDSG erhoben.
47
a) Unter dem Erheben von Daten im Sinne von § 3 Abs. 3 BDSG ist deren zielgerichtete Beschaffung zu verstehen; es bedarf daher einer Aktivität, durch die die erhebende Stelle Kenntnis von dem betreffenden Sachverhalt erhält (Dammann aaO § 3 Rn. 102, Schaffland/Wiltfang, BDSG, Lfg. 1/11, § 3 Rn. 105). Gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG unterfällt dem Verarbeiten unter anderem das Speichern von Daten, d.h. das Erfassen, Aufnehmen und Aufbewahren der Daten auf einem Datenträger zum Zweck ihrer weiteren Verarbeitung oder Nutzung (§ 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 BDSG). Daneben stellt die Veränderung von Daten, d.h. das inhaltliche Umgestalten gespeicherter Daten (§ 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BDSG), eine weitere Form der Datenverarbeitung dar.
48
b) Indem die Angeklagten mittels der GPS-Empfänger minütlich oder alle zwei Minuten in geografischen Breiten- und Längenkoordinaten ausgedrückte Positionsdaten der GPS-Empfänger sammelten, erhoben sie im Sinne des § 3 Abs. 3 BDSG Daten. Durch die Erfassung dieser Positionsdaten über ihre Mobiltelefone auf ihren Notebooks speicherten sie - im Zuge ihrer Erhebung - diese Daten im Sinne von § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 BDSG. Da diese Daten computergestützt mittels der von den Angeklagten eingesetzten Software automatisch zu Bewegungsprotokollen und Kartendarstellungen einschließlich der Dokumentation von Fahrweg und Aufenthaltsort des GPS-Empfänger zusammengefügt wurden, verarbeiteten die Angeklagten diese Daten zudem im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BDSG automatisiert weiter. Dass das Landgericht nicht ausdrücklich auch auf die weitere Verarbeitung (vgl. § 3 Abs. 4 BDSG) der erhobenen Daten abgehoben hat, belastet die Angeklagten nicht.
49
3. Dass der Angeklagte H. , der von den Auftraggebern eine monetäre Gegenleistung verlangte, entgeltlich (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB) handelte, bedarf keiner Erörterung.
50
Es mag dahinstehen, ob der Hinweis der Revision auf das dem Angeklagten K. ohnehin gewährte Gehalt für diesen ein entgeltliches Handeln im Sinne von § 44 Abs. 1 BDSG auszuschließen vermag. Die Revision vertritt insoweit die Auffassung, ein entgeltliches Handeln verlange einen Zusammenhang des Gehalts mit den konkreten Fällen, in denen er tätig war. Daran fehle es.
51
Selbst wenn dem zu folgen und wegen fehlenden Zusammenhangs entgeltliches Handeln zu verneinen wäre, hätte der Angeklagte K. jedenfalls in der Absicht gehandelt, den Mitangeklagten H. um das von den Auftraggebern bezahlte Honorar zu bereichern.
52
Dies trägt den Schuldspruch. Die Möglichkeit, dass sich der Angeklagte K. bei entsprechendem Hinweis (§ 265 StPO) erfolgversprechender als bislang geschehen hätte verteidigen können, ist auszuschließen.
53
4. Die Wertung des Landgerichts, die erhobenen Daten seien nicht im Sinne von §§ 43, 44 BDSG allgemein zugänglich gewesen, ist entgegen der Auffassung der Revision ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Möglichkeit, dass ein nicht beschränkter Kreis von Personen die Zielpersonen in der Öffentlichkeit hätte wahrnehmen können, diesen unter Umständen sogar hätte „nachfahren“ können, führt nicht dazu, dass die aufgezeichneten und weiterverarbeiteten (wie dargelegt personenbezogenen) GPS-Positionsdaten allgemein zugänglich waren. Die Erhebung und die Verarbeitung der hier konkret mit Hilfe technischer Mittel erhobenen personenbezogenen Daten waren lediglich unter Überwindung rechtlicher Zugangshindernisse möglich. Das steht einer allgemeinen Zugänglichkeit entgegen. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut als auch und vor allem aus der Entstehungsgeschichte der geltenden gesetzlichen Regelung, die die Wendung „nicht allgemein zugänglich“ enthält.
54
a) Allgemein zugänglich sind diejenigen Daten, die von jedermann zur Kenntnis genommen werden können, ohne dass der Zugang zu den Daten rechtlich beschränkt ist (Gola/Schomerus aaO § 43 Rn. 18). Über die Begrifflichkeit der „allgemein zugänglichen Daten“, die aufgrund Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze vom 18. Mai 2001 (BGBl. I 2001, S. 904) auch zum Zwecke der Vereinheitlichung des Sprachgebrauchs (vgl. BT-Drucks. 14/5793 S. 64) an verschiedenen Stellen des BDSG aufgenommen wurde (vgl. § 10 Abs. 5, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG) und auch im 5. Abschnitt des BDSG insoweit das frühere Merkmal „offenkundig“ ersetzte, soll der Informationsfreiheit desjenigen Rechnung getragen werden, der Daten erhebt und verarbeitet. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des von dieser Datenerhebung Betroffenen findet damit in dem Recht, sich aus Quellen, die jedermann offen stehen, zu informieren, seine Grenze (vgl. Gola/Schomerus aaO § 28 Rn. 45; vgl. auch Forgó/Krügel/Müllenbach, CR 2010, 616, 620 Fn. 39).
55
Rechtliche Schranken jedweder Art des Zugangs zu den Daten, auch wenn die rechtlichen Hürden nicht besonders hoch sind und mittels Falschan- gaben einfach umgangen werden können, schließen die allgemeine Zugänglichkeit aus. Auskünfte, die mittels einer einfachen Registerauskunft erteilt wer- den könnten, sind nicht „allgemein zugänglich“, wenn die Auskunft von rechtli- chen Voraussetzungen abhängt. So setzt etwa die Erteilung von Auskünften nach § 39 Abs. 1 StVG die Geltendmachung eines berechtigten Interesses im Sinne von § 39 Abs. 1 Halbsatz 2 StVG voraus; dementsprechend sind die im entsprechenden Register enthaltenen Daten nicht „allgemein zugänglich“ (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 2002 - 1 StR 150/02, NJW 2003, 226, 227, dort in Bezug auf das insoweit ausdrücklich gleich behandelte Merkmal der Offenkundigkeit im Zusammenhang mit § 203 Abs. 2 Satz 2 StGB; Gola/Schomerus aaO § 43 Rn. 18; anders OLG Hamburg, NStZ 1998, 358 [ebenfalls zur „Offenkun- digkeit“ im Zusammenhang mit § 203 Abs. 2 Satz 2 StGB]; BayObLG, NJW 1999, 1727; vgl. auch Schaffland/Wiltfang, BDSG, Lfg. 2/11, § 43 Rn. 26). Die Ersetzung des früheren Begriffs „offenkundig“ durch die Wendung „nicht allge- mein zugänglich“ in §§ 43, 44 BDSG bezweckte gerade auch, Fallgestaltungen, in denen der Zugang zu den Daten rechtlich beschränkt ist, eindeutig als strafbar zu erfassen (BT-Drucks. 14/4329 [Anl. II; Stellungnahme des Bundesrates] S. 59 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BTDrucks. 14/5793, S. 67; vgl. auch Krauskopf in NJW-Sonderheft für Gerhard Schäfer, S. 40 f.; Gola/Schomerus aaO).
56
Eine strafrechtliche Ahndung ist somit nach dem Wortlaut der §§ 43, 44 BDSG (lediglich) in denjenigen Fällen ausgeschlossen, in denen es sich um Daten handelt, die von jedermann zur Kenntnis genommen werden können, ohne dass der Zugang aus rechtlichen Gründen beschränkt ist („JedermannsDateien“ , vgl. Weichert, NStZ 1999, 490).
57
b) Bei der Bestimmung des Bezugspunkts der allgemeinen Zugänglichkeit personenbezogener Daten ist zu berücksichtigen, dass Informationen ihrer- seits geistiger Natur sind und ein finales, auf Vermittlung oder Aufbewahrung gerichtetes Element in sich tragen (vgl. hierzu Dammann aaO § 3 Rn. 5). Unter Berücksichtigung dessen sind Daten allgemein zugänglich, die sowohl in ihrer Zielsetzung als auch in ihrer Publikationsform geeignet sind, einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis Informationen zu vermitteln (Simitis in ders., BDSG, 7. Aufl., § 28 Rn. 151; vgl. auch BVerfGE 103, 44, 60). Die allgemeine Zugänglichkeit bezieht sich also auf Informationen und daher auf Vorgänge und Zustände, die bei einem anderen als demjenigen, auf den sie sich beziehen, schon als Information vorhanden sind oder zumindest sein könnten. Diese sind dann allgemein zugänglich, wenn „jedermann“, ohne rechtlichen Zugangsbe- schränkungen unterworfen zu sein, hierauf zugreifen kann, wie dies z.B. bei Angaben in Massenmedien, auf Internetseiten oder in Registern der Fallsein kann, die nicht lediglich einem wie auch immer abgegrenzten Personenkreis zur Verfügung stehen (etwa das Handels- oder das Vereinsregister, vgl. Simitis aaO § 28 Rn. 153 mwN).
58
c) Gemessen an diesen Maßstäben ist die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten Daten erhoben, die nicht allgemein zugänglich waren, im Ergebnis nicht zu beanstanden.
59
Allerdings entfällt die allgemeine Zugänglichkeit entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht allein deswegen, weil das Erreichen des Aufklärungsziels (Bewegungsprofil im öffentlichen Straßenverkehr), etwa durch blo- ßes “Nachfahren“, wegen vorhandener Verkehrsdichte etc. allenfalls theoretisch erreichbar gewesen wäre. Maßgebend für die Beurteilung der „allgemeinen Zu- gänglichkeit“ sind nach dem Vorstehenden rechtliche Zugangsbeschränkungen. Bereits der Anbringung eines GPS-Empfängers als notwendige technische Voraussetzung für die Gewinnung der Personenbezug aufweisenden Geodaten an einem fremden Fahrzeug stehen aber grundsätzlich rechtliche Grenzen entge- gen. Dem betroffenen Fahrzeugeigentümer bzw. -besitzer stehen regelmäßig Abwehransprüche (vgl. §§ 1004, 859, 862 BGB) gegen die Störung seines Eigentums oder Besitzes zu. Dementsprechend wäre diese Möglichkeit der Erhebung und späteren Verarbeitung von Daten der Allgemeinheit verschlossen.
60
5. Das Landgericht ist jedoch bei der Beurteilung, ob die Handlungen der Angeklagten unbefugt waren, nicht von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Aufgrund dessen hat es nicht in sämtlichen der Verurteilung gemäß §§ 43, 44 BDSG zugrunde liegenden Fällen ein unbefugtes Handelnder Angeklagten rechtsfehlerfrei angenommen.
61
a) Unbefugtes Handeln im Sinne des § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG liegt vor, wenn nicht Rechtssätze das Verhalten erlauben (vgl. Ambs in Erbs/Kohlhaas, 164 Lfg., § 43 BDSG Rn. 19; Sokol in Simitis, BDSG, 7. Aufl., § 4 Rn. 3; Gola/ Schomerus aaO § 43 Rn. 20, 26).
62
Das Datenschutzrecht ist zum Schutze des Rechts des Einzelnen, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen, von dem Grundsatz des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt geprägt, d.h. die Erhebung , Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe personenbezogener Daten ist grundsätzlich verboten (Helfrich in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, 26. Lfg. Teil 16.1 Rn. 35 mwN). Befugt ist sie nur dann, wenn der Betroffene wirksam seine Einwilligung erklärt oder wenn das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift eine Erlaubnis beinhalten oder gar eine Anordnung zur Erhebung , Speicherung, Verarbeitung oder Weitergabe personenbezogener Daten enthalten. Als Erlaubnissätze kommen neben datenschutzrechtlichen Erlaubnissen auch allgemeine Rechtfertigungsgründe, wie etwa § 34 StGB, in Betracht.

63
Aufgrund seiner Ausgestaltung als grundsätzliches Verbot der Erhebung bzw. Verarbeitung personenbezogener Daten gehen die im BDSG selbst enthaltenen Erlaubnissätze in der Regel in ihrer Reichweite über diejenigen der allgemeinen Rechtfertigungsgründe hinaus und gewähren damit typischerweise in größerem Umfang die Befugnis, in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen einzugreifen, als dies nach allgemeinen Rechtfertigungsgründen der Fall ist.
64
b) Als solche sich aus dem Datenschutzrecht selbst ergebende Erlaubnissätze kamen vorliegend namentlich Rechtfertigungsgründe nach dem 3. Abschnitt des BDSG in Betracht, der die legislativen Anforderungen an die Verarbeitung personenbezogener Daten im nicht-öffentlichen Bereich konkretisiert (vgl. Simitis aaO § 27 Rn. 1).
65
Dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des den Anwendungsbereich dieses Abschnitts eröffnenden § 27 BDSG vorlagen, namentlich der Angeklagte H. als Inhaber der Detektei als eine nicht-öffentliche Stelle im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG handelte und die Datenerhebung und Verarbeitung nicht im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 2 BDSG ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten erfolgte, bedarf keiner weiteren Erörterung.
66
c) Als spezifische datenschutzrechtliche Erlaubnisse kommen der vom Tatgericht herangezogene § 28 BDSG oder aber § 29 BDSG in Betracht. Das Datenschutzrecht grenzt die Anwendungsbereiche der beiden Vorschriften im rechtlichen Ausgangspunkt danach ab, ob der in Rede stehende Datenumgang zu eigenen Geschäftszwecken (§ 28 BDSG) erfolgt oder es sich um eine geschäftsmäßige Datenverarbeitung zur Übermittlung an Dritte (§ 29 BDSG) handelt. Maßgebend für die Abgrenzung ist dementsprechend die jeweilige Zweck- bestimmung. Erweist sich die Datenverarbeitung für Dritte als Selbstzweck, kann sich eine Erlaubnis zum Umgang mit „fremden“ personenbezogenen Daten aus § 29 BDSG ergeben. Ist die Datenverarbeitung bloßes Hilfsmittel zur Erfüllung anderer Zwecke, greift dagegen regelmäßig § 28 BDSG als möglicherweise zugunsten der datenverarbeitenden nicht-öffentlichen Stelle wirkende Befugnisnorm. Diese Grundsätze über das Verhältnis der Anwendungsbereiche von § 28 BDSG einerseits und § 29 BDSG andererseits erlauben allerdings im konkreten Einzelfall nicht ohne weiteres, die als Erlaubnissatz in Frage kommende datenschutzrechtliche Vorschrift zu bestimmen. Demensprechend wird die Anwendbarkeit der beiden in Betracht kommenden Vorschriften auf die mit der Erhebung bzw. Verarbeitung personenbezogener Daten verbundene überwachende Tätigkeit von Detektiven in der datenschutzrechtlichen Literatur auch nicht einheitlich beurteilt.
67
aa) Wird ein Detektiv damit beauftragt, gegen eine natürliche Person Er- mittlungen anzustellen, so sammelt und verwendet der Detektiv „gewerblich“ personenbezogene Daten der überwachten Personen, um sie seinem Auftraggeber , also Dritten, gegen Entgelt weiterzugeben (vgl. Kloepfer/Kutzschbach, MMR 1998, 650). Die observierende Tätigkeit des Detektivs und der damit verbundene Datenumgang stellt sich, obwohl für die Zwecke des Auftraggebers erfolgend, für den Detektiv wegen des eigenen verfolgten wirtschaftlichen Zwecks der Auftragserfüllung als Selbstzweck dar. Diese Tätigkeit ist auch auf Wiederholung ausgerichtet.
68
Konkret auftragsbezogene Observationstätigkeit eines Detektivs bzw. der damit einhergehende Umgang mit personenbezogenen Daten der überwachten Personen könnte sich daher als geschäftsmäßige Datenverarbeitung zur Übermittlung im Sinne von § 29 BDSG erweisen. Als Erlaubnisvorschrift in Fällen der vorliegenden Art käme dann § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG in Betracht. Der Angeklagte würde hiernach befugt handeln, wenn für ihn kein Grund zu der Annahme besteht, dass die überwachte Person ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung seiner Daten hat.
69
bb) Gegen eine Anwendung des § 29 BDSG wird allerdings vorgebracht, dass konkret auftragsbezogene Ermittlungstätigkeiten eines Detektivs bei vorausschauender Betrachtungsweise - anders als dies etwa bei eindeutig von § 29 BDSG erfassten Tätigkeiten klassischer Auskunfteien der Fall ist - nicht darauf gerichtet seien, Daten in einer Vielzahl von Fällen zu übermitteln (vgl. Duhr in Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, 7.5 Rn. 6; Ehmann in Simitis, BDSG, 7. Aufl., § 29 Rn. 97; Bergmann/Möhrle/Herb, BDSG, 41. Lfg., § 29 Rn. 38; aA ohne nähere Begründung Gola/Schomerus aaO § 29 Rn. 8; Fricke, VersR 2010, 308, 313; vgl. auch LG Lüneburg, Beschluss vom 28. März2011 - 26 Qs 45/11; Maisch/Seidl, jurisPR-ITR 1/2012 Anm. 2). Bei einem Detektiv wäre die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten der beobachteten Personen stattdessen anhand von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG zu prüfen. Dieser Datenumgang wäre ihm auf der Grundlage dieser Vorschrift gestattet , wenn er zur Wahrung berechtigter Interessen des Detektivs erforderlich wäre und kein Grund zur Annahme bestünde, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt.
70
cc) Der Senat braucht im Ergebnis nicht zu entscheiden, ob die Befugnis zu konkret auftragsbezogener Ermittlungstätigkeit von Detekteien in Fällen der vorliegenden Art anhand der sich aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG oder anhand der sich aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG ergebenden, nach dem Wortlaut der Vorschriften divergierenden Abwägungsmaßstäbe zu beurteilen ist. Beide grundsätzlich in Betracht kommende Erlaubnissätze müssen im Hinblick auf die Voraussetzungen einer Befugnis zum Umgang mit „fremden“ personen- bezogenen Daten anhand der unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 7 lit. f) der am 13. Dezember 1995 in Kraft getretenen Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. EG 1995 Nr. L 281 S. 31; im Folgenden: Datenschutzrichtlinie) ausgelegt werden. Um diese Auslegung anhand der Datenschutzrichtlinie vornehmen zu können, bedarf es keiner Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bezüglich des Verständnisses von Art. 7 lit. f) der Richtlinie selbst. Der EuGH hat mit Urteil vom 24. November 2011 (verbundene Rechtssachen C-468/10, C-469/10, LS veröffentlicht in ABl. EG 2012 Nr. C 25 S. 18, EuZW 2012, 37) die Bestimmung der Richtlinie eindeutig ausgelegt. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung, die sich als gesicherte Rechtsprechung zu der hier relevanten Rechtsfrage der aus dem Unionsrecht resultierenden Befugnis zur Datenverarbeitung erweist (acte éclairé), vermag der Senat die Auslegung des nationalen Rechts selbst vorzunehmen.
71
(1) Art. 7 lit. f) der Datenschutzrichtlinie erklärt eine Verarbeitung perso- nenbezogener Daten u.a. für rechtmäßig, wenn sie erforderlich ist „zur Verwirk- lichung des berechtigten Interesses, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden, sofern nicht das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die gemäß Art. 1 Abs. 1 (der Daten- schutzrichtlinie) geschützt sind, überwiegen“.
72
Abweichend von dem Wortlaut von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG erfordert Art. 7 lit. f) der Datenschutzrichtlinie, in die Interessenabwägung nicht lediglich die berechtigten Interessen des Datenverarbeitenden, sondern auch die Interessen von Dritten, die als Empfänger der Daten in Betracht kommen, einzubeziehen. Zudem schließt Art. 7 lit. f) der Datenschutzrichtlinie eine Befugnis zur Verarbeitung „fremder“ personenbezogener Daten erst dann aus, wenn die Interessen des davon Betroffenen gegenüber den Interessen desjenigen, der die Daten verarbeitet, überwiegen. Dagegen führen nach dem Wortlaut von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG bereits entgegenstehende Interessen des Betroffenen zu einer Unzulässigkeit der Datenerhebung bzw. -verarbeitung (vgl. hierzu Schaffland/Wiltfang, BDSG, Lfg. 5/12, § 29 Rn. 8). Diese ist danach bereits dann unzulässig, wenn die Interessen des Betroffenen diejenigen des Datenverarbeitenden nicht überwiegen.
73
Das nationale Recht darf allerdings jedenfalls im Verhältnis zwischen dem auf der Grundlage von § 44 BDSG (möglicherweise) strafenden Staat und dem von Strafe bedrohten „Datenverarbeiter“ nicht hinter den durch Art. 7 lit. f) der Datenschutzrichtlinie gewährten Befugnissen zur Verarbeitung personenbezogener Daten der Betroffenen zurückbleiben. Dabei ist es für die Anwendung der Erlaubnissätze des nationalen Datenschutzrechts jedenfalls in ihrer Bedeutung als strafrechtliche Rechtfertigungsgründe unerheblich, ob in die Interessenabwägung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG die Interessen von Dritten , hier der Auftraggeber des Angeklagten, einbezogen werden oder auf der Grundlage von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG, der solche Drittinteressen ohnehin berücksichtigt, die Interessenabwägung anhand des durch die Daten- schutzrichtlinie vorgegebenen Maßstabs („Überwiegen der Interessen des Be- troffenen“) erfolgt. Auf beiderlei Weise trägt das nationale Recht dem insoweit bindenden Unionsrecht vollumfänglich Rechnung.
74
(2) Nach der Rechtsprechung des EuGH enthält Art. 7 lit. f) der Richtlinie 95/46/EG „inhaltlich unbedingte und hinreichend genau(e)“ Vorgaben, um selbst im Fall fehlender oder fehlerhafter Vorschriften der Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar zu sein, so dass sich der Einzelne direkt auf diese Bestimmung der Richtlinie berufen dürfte (vgl. hierzu EuGH aaO Rn. 51 f.). Nach Maßgabe der verbindlichen Auslegung von Art. 7 lit. f) der Datenschutzrichtlinie durch den EuGH (aaO) ergeben sich für Fälle der auftragsbezogenen Detektivarbeit folgende Maßstäbe der Zulässigkeit (Befugnis) damit einhergehender Verarbeitung personenbezogener Daten:
75
(a) Die Zulässigkeit der Datenverarbeitung erfordert zum einen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Verwirklichung des von dem Detektiv oder dessen Auftraggeber wahrgenommenen berechtigten Interesses erforderlich ist, und zum anderen, dass die Grundrechte und Grundfreiheiten der von der Observation betroffenen Person nicht überwiegen.
76
(b) Auf Seiten des von der Observation Betroffenen sind sämtliche in Art. 7 und Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (nachfolgend : GrCh) gewährleisteten Interessen einzustellen. Erfasst sind damit sowohl das Recht des Betroffenen auf Schutz der ihn betreffenden personenbezogenen Daten (Art. 8 GrCh) als auch sein Recht auf Schutz seiner Privatsphäre (Art. 7 GrCh). Auch vor dem Inkrafttreten der Grundrechtecharta wurden diese Rechte im Kontext des Datenschutzes bereits (zumindest) sekundärrechtlich durch die Datenschutzrichtlinie gewährleistet (vgl. Art. 1 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie

).

77
(c) Stammen die verarbeiteten Daten - wie hier - aus nicht öffentlich zugänglichen Quellen, ist zu berücksichtigen, dass der Detektiv und sein Auftraggeber zwangsläufig Informationen über die Privatsphäre der betroffenen Person erlangen. Diese schwerwiegendere Beeinträchtigung der verbürgten Rechte der betroffenen Person ist zu berücksichtigen, indem sie gegen das berechtigte Interesse , das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden, im Ein- zelfall abgewogen wird. Dies bedeutet, dass sämtliche Rechtspositionen des von der Observation Betroffenen, die der Privatsphäre zuzuordnen sind, zu gewichten und in die Abwägung einzustellen sind.
78
d) Nach diesen Vorgaben ist eine umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen vorzunehmen.
79
Entgegen der von dem Tatgericht vertretenen Rechtsauffassung darf eine Abwägung mit den Interessen des Detektivs bzw. seines Auftraggebers in Fällen des Einsatzes von Mitteln, die im Anwendungsbereich der Strafprozessordnung der Vorschrift des § 100h StPO unterfallen, nicht lediglich dann vorgenommen werden, wenn die Voraussetzungen für einen staatlichen Ermittlungseingriff gemäß § 100h Abs. 1 StPO vorgelegen hätten. Eine solche Beschränkung der auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG oder § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG vorzunehmenden Abwägung wird den unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 7 lit. f) der Datenschutzrichtlinie nicht ausreichend gerecht. Sie ist aber auch im System des nationalen Rechts nicht tragfähig. Sie machte insoweit die Informationsgewinnung durch Private von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen abhängig, die lediglich für den Staat und seine Organe, nicht aber für den privaten Bürger gelten.
80
aa) Die Unvereinbarkeit der vom Tatgericht vorgenommenen Auslegung von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG mit der Datenschutzrichtlinie ergibt sich bereits daraus, dass die Zulässigkeit der Datenverarbeitung an Kriterien geknüpft würde, die das Datenschutzrecht der Union nicht vorsieht. Eine Erhöhung der Zulässigkeitsanforderungen im Recht der Mitgliedstaaten gegenüber der Richtlinie schließt die Rechtsprechung des EuGH aber gerade aus (EuGH aaO Rn. 45 f.).
81
bb) Auf der Ebene des nationalen Rechts kann das Verhalten Privater nicht an den tatbestandlichen Voraussetzungen der Beweiserhebungsvorschriften der StPO gemessen werden. Privatpersonen sind grundsätzlich nicht Adressaten dieser Normen (Eisele, Compliance und Datenschutzrecht, S. 56; Weißgerber, NZA 2003, 1005, 1007; siehe auch Kaspar, GA 2013, 206, 208; Greeve, StraFo 2013, 89). Die StPO beschränkt hoheitliches Handeln (vgl. Kubiciel GA 2013, 226, 228; Fricke, VersR 2010, 308, 309) und schützt den Bürger vor staatlicher Willkür. Der Gedanke, dass staatliche Einrichtungen für ihr Handeln grundsätzlich einer Ermächtigung bedürfen, ist auf Private nicht unmittelbar übertragbar (vgl. Kaspar, GA 2013, 206, 208 f.; Kubiciel GA 2013, 226, 227 f.).
82
Die berechtigten Interessen des Detektivs bzw. seines Auftraggebers an der Datenverarbeitung müssen daher auch dann einer Abwägung mit den Interessen des Betroffenen zugänglich sein, wenn es nicht um die Aufklärung von Straftaten besonderer Bedeutung im Sinne von § 100h Abs. 1 Satz 2 StPO handelt.
83
e) Die Abwägung der gegenläufigen Interessen setzt das tatsächliche Bestehen berechtigter Interessen des Detektivs bzw. seines Auftraggebers an der Datenverarbeitung - bezogen auf den Zeitpunkt ex-ante bei Vornahme der Datenerhebung bzw. Datenverarbeitung - voraus.
84
Dient etwa die Datenverarbeitung der Erstellung eines Bewegungsprofils, so müssen daher Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein berechtigtes Interesse gerade an einem solchen Bewegungsprofil bzw. an seiner Erstellung zur Durchsetzung berechtigter Interessen besteht. Art. 7 lit. f) der Datenschutzrichtlinie bringt diesen Zusammenhang mit dem Abstellen auf die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung zur Durchsetzung berechtigter Interessen zum Ausdruck.
85
Beweisführungsinteressen zur Klärung des Vorliegens von zivilrechtlichen Ansprüchen oder zu deren Durchsetzung (Vollstreckung) können dabei zwar, anders als bloße Neugier oder rein negative Interessen (wie etwa in den Fällen 1 bis 12 der Urteilsgründe), unter bestimmten weiteren Voraussetzungen ein berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung begründen. Dies gilt aber nur dann, wenn gerade das Bewegungsprofil zur Durchsetzung des Beweisführungsinteresses benötigt wird. Es bedarf also einer Konnexität zwischen den Interessen des Detektivs bzw. seines Auftraggebers an dem Bewegungsprofil und den Interessen des von der Observation Betroffenen am Schutze seiner Privatsphäre, weil ansonsten eine Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen nicht stattfinden kann (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Dezember 1983 - III ZR 207/82, NJW 1984, 1889 ff.; Schaffland/Wiltfang, aaO Lfg. 1/12, § 28 Rn. 89).
86
f) Ob die Interessen des Betroffenen am Schutz seiner Privatsphäre und „seiner“ (personenbezogenen) Daten überwiegen, ist eine Frage des Einzelfalls, die durch den Tatrichter zu beantworten ist. Das Revisionsgericht kann in Fällen , in denen ein unterschiedliches Ergebnis der Würdigung vertretbar wäre, die vom Tatrichter vorgenommene Würdigung nicht durch eine eigene ersetzen. Es ist vielmehr auf die Prüfung beschränkt, ob der Tatrichter die in die Abwägung einzubeziehenden Gesichtspunkte gesehen und einen rechtlich zutreffenden Abwägungsmaßstab angelegt hat. Dementsprechend kann das Revisionsgericht im Grundsatz auch nicht eine durch den Tatrichter unterbliebene Abwägung selbst nachholen (BGH, Beschluss vom 17. August 1999 - 1 StR 390/99, NStZ 1999, 607). Etwas anderes gilt aber dann, wenn auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ohnehin lediglich ein rechtlich vertretbares Ergebnis möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2003 - 2 StR 239/02).
87
Bei dem Einsatz von GPS-Empfängern zu Observationszwecken bedarf es im Hinblick auf die vorgenannten Maßstäbe regelmäßig der Berücksichtigung der folgenden, teils gegenläufigen Gesichtspunkte:
88
aa) Einerseits sind die Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Observierten durch den Einsatz von GPS-Sendern zunächst weniger schwerwiegend als etwa durch das heimliche Abhören des gesprochenen Wortes (vgl. BVerfG, Urteil vom 12. April 2005 - 2 BvR 581/01, BVerfGE 112, 304; vgl. auch EGMR, Urteil vom 2. September 2010 - Beschwerde-Nr. 35623/05, NJW 2011, 1333, 1335 Rn. 52). Dennoch reicht auch hier ein „schlichtes“ Beweisführungsinteresse des Auftraggebers nicht aus, um den Eingriff in die Rechte des vom GPSEinsatz Betroffenen zu gestatten.
89
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt in Fällen, in denen das von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG - u.a. - geschützte Recht am gesprochenen Wort beeinträchtigt ist, das stets bestehende „schlichte“ Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, nicht, um bei der Güterabwägung trotz Verletzung des Persönlichkeitsrechts der anderen Prozesspartei zu einer Schutzbedürftigkeit des Beweisführungsinteresses zu gelangen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 805/98, BVerfGE 106, 28 unter C.II.4.a.bb; BGH, Urteile vom 17. Februar 2010 - VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289, 1292; und vom 20. Mai 1958 - VI ZR 104/57, BGHZ 27, 284, 290). Die Rechtsprechung verweist insoweit auf notwehrähnliche Situationen, die für eine beweisbelastete Person im Zivilprozess bestehen können, wenn die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts aus schwerwie- genden Gründen mangels anderer in Betracht kommender Beweismittel im Interesse einer wirksamen Rechtspflege erforderlich ist (vgl. BVerfG aaO; BGH, Urteile vom 18. Februar 2003 - XI ZR 165/02, NJW 2003, 1727 unter II.1. und 2. mwN; vom 13. Oktober 1987 - VI ZR 83/87, BGHR BGB § 1004 Abs. 1 Satz 1 Abwehranspruch 2; vom 24. November 1981 - VI ZR 164/79, NJW 1982, 277, 278; vom 20. Mai 1958 - VI ZR 104/57, BGHZ 27, 284, 290; vgl. auch Fischer, StGB, 60. Aufl., § 201 Rn. 11; kritisch Schünemann in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 201 Rn. 40; Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 201 Rn. 32).
90
Es müssen jedenfalls in diesen Fällen neben dem allgemeinen Beweisführungsinteresse weitere Gesichtspunkte hinzutreten, die das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Verletzung des Persönlichkeitsrechts als schutzbedürftig erscheinen lassen. So kann etwa die Anfertigung heimlicher Tonbandaufnahmen zur Feststellung der Identität eines anonymen Anrufers (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1981 - VI ZR 164/79, BGH NJW 1982, 277 ff.) oder zur Feststellung erpresserischer Drohungen (BGH, Urteil vom 20. Mai 1958 - VI ZR 104/57, BGHZ 27, 284) oder im Fall eines auf andere Weise nicht abwehrbaren Angriffs auf die berufliche Existenz (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 27. Januar 1994 - I ZR 326/91, NJW 1994, 2289, 2292 f.) hinzunehmen sein, wenn nicht durch andere, weniger belastende Methoden der Sachverhalt anderweit aufgeklärt werden kann.
91
bb) Die von der Rechtsprechung geforderten erhöhten Anforderungen sind jedoch nicht auf Fälle der Beeinträchtigung des Rechts am gesprochenen Wort beschränkt. Auch bei anderweitigen ähnlich gewichtigen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts gelten vergleichbare Maßstäbe (vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05, BVerfGE 117, 202 Rn. 96 zu heimlichen Vaterschaftstests; vgl. auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsge- richts zur verdeckten Videoüberwachung am Arbeitsplatz: zuletzt BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 unter III.1.a. und b.; vgl. auch BAG, Beschluss vom 14. Dezember 2004 - 1 ABR 34/03; sowie Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 7. März 2012 - 4 TaBV 87/11).
92
cc) Werden aus Gründen der Beweisführung Detektive zur Observation eingesetzt, so kann das Beweisführungsinteresse die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Observierten etwa dann zulässig machen, wenn ein konkreter Verdacht gegen diesen besteht, die detektivische Tätigkeit zur Klärung der Beweisfrage erforderlich ist und nicht andere, mildere Maßnahmen als genügend erscheinen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 3. August 2012 - I-20 U 98/12, 20 U 98/12; vgl. auch BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 - IV ZR 274/06 mwN; zu den Maßstäben der Pflicht des Observierten zur Übernahme der Detektivkosten vgl. auch BAG, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 8 AZR 547/09 mwN; OLG Karlsruhe , Urteil vom 23. September 2009 - 6 U 52/09, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 2009 - II-10 WF 34/08; vgl. auch OLG Oldenburg, Beschluss vom 20. Mai 2008 - 13 WF 93/08; Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 91 Rn. 13 [Sb. Herget ] sowie § 788 Rn. 13 [Sb. Stöber] zum Stichwort Detektivkosten jew. mwN).
93
dd) In den Fällen des Einsatzes von GPS-Empfängern zum Zwecke der Erstellung eines Bewegungsprofils darf schließlich die Art und Weise der Datenerhebung und -verarbeitung nicht unberücksichtigt bleiben. Eine qualitativ schwerwiegende Beeinträchtigung der Privatsphäre des Observierten liegt nämlich vor, wenn mit der Anbringung eines GPS-Empfängers ein Eindringen in befriedetes Besitztum des zu Observierenden verbunden ist (Beispiel: Der GPSEmpfänger wird am Fahrzeug angebracht, indem sich unberechtigt Zutritt zu Tiefgaragen verschafft wird). Gleiches gilt, wenn das Observationsmittel an Fahrzeugen angebracht wird, die für den Detektiv bzw. dessen Auftraggeber eigentumsrechtlich fremd bzw. nicht auf diese zugelassen sind. Es werden dann zwangsläufig auch wesentlich mehr Vorgänge aufgezeichnet, die in die Privatsphäre des Fahrzeugführers erheblicher eingreifen, als dies etwa der Fall wäre, wenn beispielsweise der Eigentümer an seinem eigenen Fahrzeug einen GPS-Empfänger anbringen ließe. In solchen Fällen müssen daher die den Interessen des Observierten gegenüberstehenden Interessen des Detektivs bzw. seines Auftraggebers umso höher sein, um die Datenverarbeitung rechtfertigen zu können (vgl. EuGH, aaO Rn. 44 f.). Gleiches gilt, wenn von den Observationsmaßnahmen unbeteiligte Dritte betroffen sind.
94
Im Übrigen ist es eine Frage des Einzelfalls, inwieweit Erkenntnisse darüber , wann und wo sich eine Person mit dem Fahrzeug aufgehalten hat, geeignet sein können, die angestrebte Beweisführung (etwa zu finanziellen Fragen) wesentlich zu erleichtern.
95
g) Die Strafkammer hat derartige Abwägungen - von ihrem rechtlichen Ausgangspunkt aus konsequent - für keinen der verfahrensgegenständlichen Fälle vorgenommen. Das erweist sich für die aus dem Tenor ersichtlichen Fälle der Verurteilung der Angeklagten als rechtsfehlerhaft. In den nicht der Aufhebung im Schuldspruch unterliegenden Fällen boten die insoweit rechtsfehlerfreien und ausreichenden Feststellungen dagegen keine Veranlassung, eine aus den genannten datenschutzrechtlichen Vorschriften resultierende Befugnis der Angeklagten zur Überwachung der betroffenen Fahrzeuge und der damit einhergehenden Erhebung bzw. Verarbeitung personenbezogener Daten in Erwägung zu ziehen.
96
Für die einzelnen Fälle der Urteilsgründe ergeben sich folgende Konsequenzen :
97
aa) Fälle 1 bis 12 der Urteilsgründe:
98
Hier ging es den Auftraggebern der Angeklagten um die Verfolgung „illegaler“ Zwecke - letztlich um die Ermöglichung wenigstens von Nötigungshandlungen. Denn das erhoffte „kompromittierende Material“ sollte allein dazu dienen , die Zielpersonen von ihren gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Aufträgen abzuhalten oder ihr berufliches Verhalten durch Erkenntnisse über ihr berufliches oder ihr Privatleben im Sinne der Auftraggeber des Angeklagten zu beeinflussen.
99
bb) Fälle 18, 20 bis 22, 28 der Urteilsgründe:
100
Bei den entsprechenden Taten beschränkte sich das Interesse der jeweiligen Auftraggeber, ohne dass bereits gerichtliche Verfahren, etwa Unterhaltsrechtsstreitigkeiten , im Raume gestanden hätten, auf die Aufklärung über die Treue des eigenen Ehegatten (Fälle 18 und 22), des Lebensgefährten (Fall 28) oder der Schwiegertochter (Fälle 20 und 21). In diesen Fällen ist ausgeschlossen , dass die unterbliebene Abwägung dazu geführt hätte, den Einsatz eines GPS-Empfängers als gerechtfertigt anzusehen.
101
Da auch im Übrigen Rechtsfehler nicht ersichtlich sind, hat der Schuldspruch in diesen Fällen Bestand. Dies wird durch den von der Revision vorgebrachten urteilsfremden Vortrag zu Lebenssachverhalten, die einzelnen Observationsmaßnahmen zu Grunde gelegen hätten, nicht in Frage gestellt.
102
cc) Fälle 13 bis 17, 19, 23 bis 27 sowie 29 der Urteilsgründe:
103
In den verbleibenden Fällen ging es den Auftraggebern um die Wahrung finanzieller Interessen. Der Senat, dem eine eigene Beweiswürdigung verwehrt ist, kann nach den bisherigen Feststellungen nicht ausschließen, dass sich weitere Erkenntnisse ergeben können, die ein durch die Erstellung von Bewe- gungsprofilen zu bedienendes Beweisführungsinteresse und daraus resultierend im Rahmen der gebotenen Abwägung eine Befugnis zur Erhebung und Verarbeitung der personenbezogenen Daten ergeben können. Um dem Tatrichter zu ermöglichen, in jedem dieser Fälle einheitliche und in sich geschlossene Feststellungen zu treffen, hebt der Senat in diesen Fällen auch die Feststellungen auf.
104
h) Weitergehende Befugnisse zu der Vornahme der gemäß § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG straftatbestandsmäßigen Datenerhebung bzw. -verarbeitung als die durch die vorstehend erörterten datenschutzrechtlichen Erlaubnissätze auf der Grundlage anderer Rechtfertigungsgründe kommen vorliegend nicht in Betracht.

II.

105
Entgegen dem Vorbringen der Revision hatte das Landgericht keinen Anlass , der Möglichkeit einer Strafmilderung nach §§ 17, 49 Abs. 1 StGB näher zu treten. Nach den Feststellungen rechneten die Angeklagten zumindest damit, dass die „GPS-Einsätze“ ungerechtfertigt gewesen sein könnten. Für die An- nahme eines § 17 StGB unterfallenden sog. Erlaubnisirrtums bezüglich einer sich aus datenschutzrechtlichen oder sonstigen Erlaubnissätzen ergebenden Befugnis war daher kein Raum.

III.

106
Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen 13 bis 17, 19, 23 bis 27 und 29 der Urteilsgründe - hiervon ist mit Ausnahme der Fälle 19, 25 und 29 der Urteilsgründe auch der Angeklagte K. betroffen - zieht bei beiden Angeklagten die Aufhebung des Ausspruchs über die jeweilige Gesamtstrafe nach sich. Anhaltspunkte dafür, dass die Einzelstrafen in den Fällen, in denen der Schuldspruch Bestand hat, durch die Fälle, in denen der Schuldspruch keinen Bestand haben kann, zum Nachteil der Angeklagten beeinflusst sind, bestehen nicht. Da die Einzelstrafen auch ansonsten rechtsfehlerfrei festgesetzt sind, können sie daher Bestand haben.

E.

107
Sollte das neue Tatgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen bei Anwendung der vorstehend dargestellten Grundsätze über eine mögliche Befugnis zu der hier vorliegenden Datenerhebung bzw. –verarbeitung im Einzelfall von einem erlaubten Vorgehen der Angeklagten ausgehen, wird es auch die Notwendigkeit eines subjektiven Rechtfertigungselements (häufig sog. Rechtfertigungsvorsatz ) in den Blick zu nehmen haben. Bei Heranziehung der einschlägigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen als im Strafrecht wirkende Rechtfertigungsgründe bedarf es eines solchen Elements stets. Dieses verlangt wenigstens, dass dem Täter die rechtfertigenden Gründe bekannt sein und sich im Motiv seines Handelns niedergeschlagen haben müssen (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2010 - 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11, 22 Rn. 32 mwN). Wahl Graf Cirener RiBGH Zeng ist urlaubsabwesend und daher an der Unterschrift gehindert. Radtke Wahl

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

1.
entgegen § 30 Absatz 1 ein Auskunftsverlangen nicht richtig behandelt oder
2.
entgegen § 30 Absatz 2 Satz 1 einen Verbraucher nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig unterrichtet.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(3) Gegen Behörden und sonstige öffentliche Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 werden keine Geldbußen verhängt.

(4) Eine Meldung nach Artikel 33 der Verordnung (EU) 2016/679 oder eine Benachrichtigung nach Artikel 34 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 darf in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gegen den Meldepflichtigen oder Benachrichtigenden oder seine in § 52 Absatz 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen nur mit Zustimmung des Meldepflichtigen oder Benachrichtigenden verwendet werden.

(1) Von den nach § 33 Abs. 1 gespeicherten Fahrzeugdaten und Halterdaten sind

1.
Familienname (bei juristischen Personen, Behörden oder Vereinigungen: Name oder Bezeichnung),
2.
Vornamen,
3.
Ordens- und Künstlername,
4.
Anschrift,
5.
Art, Hersteller und Typ des Fahrzeugs,
6.
Name und Anschrift des Versicherers,
7.
Nummer des Versicherungsscheins, oder, falls diese noch nicht gespeichert ist, Nummer der Versicherungsbestätigung,
8.
gegebenenfalls Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses,
9.
gegebenenfalls Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht,
10.
Zeitpunkt der Zuteilung oder Ausgabe des Kennzeichens für den Halter sowie
11.
Kraftfahrzeugkennzeichen
durch die Zulassungsbehörde oder durch das Kraftfahrt-Bundesamt zu übermitteln, wenn der Empfänger unter Angabe des betreffenden Kennzeichens oder der betreffenden Fahrzeug-Identifizierungsnummer darlegt, dass er die Daten zur Geltendmachung, Sicherung oder Vollstreckung oder zur Befriedigung oder Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr oder zur Erhebung einer Privatklage wegen im Straßenverkehr begangener Verstöße benötigt (einfache Registerauskunft).

(2) Weitere Fahrzeugdaten und Halterdaten als die nach Absatz 1 zulässigen sind zu übermitteln, wenn der Empfänger unter Angabe von Fahrzeugdaten oder Personalien des Halters glaubhaft macht, dass er

1.
die Daten zur Geltendmachung, Sicherung oder Vollstreckung, zur Befriedigung oder Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr, dem Diebstahl, dem sonstigen Abhandenkommen des Fahrzeugs oder zur Erhebung einer Privatklage wegen im Straßenverkehr begangener Verstöße benötigt und
2.
(weggefallen)
3.
die Daten auf andere Weise entweder nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erlangen könnte.

(3) Die in Absatz 1 Nr. 1 bis 5 und 11 angeführten Halterdaten und Fahrzeugdaten dürfen übermittelt werden, wenn der Empfänger unter Angabe von Fahrzeugdaten oder Personalien des Halters glaubhaft macht, dass er

1.
die Daten zur Geltendmachung, Sicherung oder Vollstreckung
a)
von nicht mit der Teilnahme am Straßenverkehr im Zusammenhang stehenden öffentlich-rechtlichen Ansprüchen oder
b)
von gemäß § 7 des Unterhaltsvorschussgesetzes, § 33 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch oder § 94 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch übergegangenen Ansprüchen
in Höhe von jeweils mindestens 500 Euro benötigt,
2.
ohne Kenntnis der Daten zur Geltendmachung, Sicherung oder Vollstreckung des Rechtsanspruchs nicht in der Lage wäre und
3.
die Daten auf andere Weise entweder nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erlangen könnte.
§ 35 Abs. 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Die Aufzeichnungen dürfen nur zur Kontrolle der Zulässigkeit der Übermittlungen verwendet werden.

(4) Ist der Empfänger eine öffentlich-rechtliche Stelle mit Sitz im Ausland oder handelt er im Namen oder im Auftrag einer solchen Stelle, ist für den Antrag und die Auskunft nur das Kraftfahrt-Bundesamt zuständig.

(1) Zu dem in § 160 Abs. 1 bis 3 bezeichneten Zweck ist die Staatsanwaltschaft befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vorzunehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen zu lassen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln. Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen, und in diesem Falle befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen.

(2) Soweit in diesem Gesetz die Löschung personenbezogener Daten ausdrücklich angeordnet wird, ist § 58 Absatz 3 des Bundesdatenschutzgesetzes nicht anzuwenden.

(3) Ist eine Maßnahme nach diesem Gesetz nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig, so dürfen die auf Grund einer entsprechenden Maßnahme nach anderen Gesetzen erlangten personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen zu Beweiszwecken im Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach diesem Gesetz hätte angeordnet werden dürfen. § 100e Absatz 6 Nummer 3 bleibt unberührt.

(4) In oder aus einer Wohnung erlangte personenbezogene Daten aus einem Einsatz technischer Mittel zur Eigensicherung im Zuge nicht offener Ermittlungen auf polizeirechtlicher Grundlage dürfen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu Beweiszwecken nur verwendet werden (Artikel 13 Abs. 5 des Grundgesetzes), wenn das Amtsgericht (§ 162 Abs. 1), in dessen Bezirk die anordnende Stelle ihren Sitz hat, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme festgestellt hat; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, bei Gefahr im Verzug auch, die Auskunft zu verlangen, sowie Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln.

(2) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes übersenden ihre Verhandlungen ohne Verzug der Staatsanwaltschaft. Erscheint die schleunige Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen erforderlich, so kann die Übersendung unmittelbar an das Amtsgericht erfolgen.

(3) Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften des Sechsten Abschnitts des Ersten Buches entsprechend. Die eidliche Vernehmung bleibt dem Gericht vorbehalten.

(4) Die Staatsanwaltschaft entscheidet

1.
über die Zeugeneigenschaft oder das Vorliegen von Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechten, sofern insoweit Zweifel bestehen oder im Laufe der Vernehmung aufkommen,
2.
über eine Gestattung nach § 68 Absatz 3 Satz 1, Angaben zur Person nicht oder nur über eine frühere Identität zu machen,
3.
über die Beiordnung eines Zeugenbeistands nach § 68b Absatz 2 und
4.
bei unberechtigtem Ausbleiben oder unberechtigter Weigerung des Zeugen über die Verhängung der in den §§ 51 und 70 vorgesehenen Maßregeln; dabei bleibt die Festsetzung der Haft dem nach § 162 zuständigen Gericht vorbehalten.
Im Übrigen trifft die erforderlichen Entscheidungen die die Vernehmung leitende Person.

(5) Gegen Entscheidungen von Beamten des Polizeidienstes nach § 68b Absatz 1 Satz 3 sowie gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 und 4 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten jeweils entsprechend. Gerichtliche Entscheidungen nach Satz 1 sind unanfechtbar.

(6) Für die Belehrung des Sachverständigen durch Beamte des Polizeidienstes gelten § 52 Absatz 3 und § 55 Absatz 2 entsprechend. In den Fällen des § 81c Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt § 52 Absatz 3 auch bei Untersuchungen durch Beamte des Polizeidienstes sinngemäß.

(7) § 185 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend.

Zur Aufklärung einer Straftat oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes einer Person, nach der für Zwecke eines Strafverfahrens gefahndet wird, dürfen personenbezogene Daten aus einem Strafverfahren mit anderen zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung oder zur Gefahrenabwehr gespeicherten Daten maschinell abgeglichen werden. Entgegenstehende besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen bleiben unberührt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 10/18
vom
28. Juni 2018
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen
Vereinigung u.a.
hier: Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters
vom 4. April 2018 (Durchsuchung der Beschuldigten)
ECLI:DE:BGH:2018:280618BSTB10.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Juni 2018 auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
1. Auf die Beschwerde des Generalbundesanwalts wird der Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 4. April 2018 aufgehoben.
2. Gemäß §§ 102, 105 Abs. 1 Satz 1, § 169 Abs. 1 Satz 2, § 162 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO wird die Durchsuchung der Person der Beschuldigten H. , geboren am in A. , und der bei ihr befindlichen Sachen angeordnet, um ein Tablet Samsung weiß in einer Hülle, zwei Smartphones Samsung mit Ladekabeln sowie ein MacBookPro mit einem Ladekabel in einer Tasche sicherzustellen.

Gründe:


I.


1
Der Generalbundesanwalt führt gegen die Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, sich in der Zeit von März 2016 bis Mitte August 2017 dem sogenannten Islamischen Staat (IS) und damit einer ausländischen Vereinigung, deren Zwecke oder Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB) sowie Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 VStGB) zu begehen, als Mitglied angeschlossen und sich anschließend mitgliedschaftlich betätigt zu haben, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB.
2
1. In tatsächlicher Hinsicht legt der Generalbundesanwalt der Beschuldigten im Wesentlichen Folgendes zur Last:
3
Die Beschuldigte reiste am 1. März 2016 gemeinsam mit dem Mitbeschuldigten B. aus Deutschland aus, nachdem B. sich im Internet über Reisemöglichkeiten zum IS informiert und eine Kontaktperson ausfindig gemacht hatte. Die Beschuldigte und B. , die seit 2015 nach muslimischem Recht verheiratet sind, wurden zunächst an verschiedene vom IS kontrollierte Orte in Syrien und später in den Irak nach Mossul gebracht. Die Beschuldigte hatte sich bereits von 2013 bis 2014 mit ihrem damaligen Ehemann nach islamischem Recht S. im syrischen Grenzgebiet aufgehalten. Nach S. s Tod bei Kampfhandlungen im Januar 2014 war die Beschuldigte vorübergehend nach Deutschland zurückgekehrt.
4
Nachdem die Eheleute anfangs getrennt voneinander untergebracht worden waren, lebten sie in Mossul seit Mitte/Ende März 2016 zusammen in der Wohnung einer Person namens " Sa. ", der als Bürge fungierte. Das hatte der IS als Voraussetzung dafür verlangt, dass B. seinem Wunsch entsprechend als Krankenpfleger in einem vom IS verwalteten Krankenhaus arbeiten durfte. Im Juli 2015 bezogen beide eine Wohnung im vom IS kontrollierten T. , wo B. wiederum eine Stelle als Pflegekraft in einem Krankenhaus antrat.
5
Für seine Arbeit in den Krankenhäusern erhielt B. aufgrund des vom IS festgelegten Bezahlsystems monatlich jeweils 50 US-Dollar pro Familienmitglied , für sich selbst und für die Beschuldigte mithin insgesamt 100 USDollar. Während B. seiner Tätigkeit als Krankenpfleger nachging, kümmerte sich die Beschuldigte um den Haushalt und erledigte die für ihre gemeinsame Lebensführung notwendigen Einkäufe. Aus der Beziehung der Beschuldigten mit B. ging ein am 2. November 2016 geborener Sohn hervor, den sie "J. " (Armee bzw. Heer Gottes) nannten.
6
Während der folgenden Monate wechselten die Beschuldigte und B. mit Rücksicht auf die jeweilige Sicherheitslage wiederholt ihren Aufenthaltsort. Schließlich entschlossen sie sich dazu, sich in ein von den kurdischen "Peschmerga" kontrolliertes Gebiet zu begeben, was ihnen Mitte August 2017 mit Hilfe eines Schleusers gelang. Dort nahmen sie kurdische Sicherheitskräfte fest; die in der Beschlussformel bezeichneten Gegenstände wurden ihnen abgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war die Beschuldigte erneut schwanger. Zurzeit befindet sie sich in einem Frauengefängnis in Erbil in Kurdistan.
7
2. Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Antrag des Generalbundesanwalts vom 29. März 2018, einen Durchsuchungsbeschluss gegen die Beschuldigte (§ 102 StPO) zu erlassen , abgelehnt: Aus rechtlichen Gründen ließe sich kein Anfangsverdacht dafür begründen, die Beschuldigte habe sich mitgliedschaftlich am IS beteiligt oder die Vereinigung unterstützt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Generalbundesanwalts hat Erfolg.

II.


8
Die beantragte Ermittlungsmaßnahme ist nach § 102 StPO anzuordnen.
9
1. Ein den Durchsuchungsbeschluss rechtfertigender Tatverdacht besteht.
10
a) Anders als im Haftbefehlsverfahren (dazu Senatsbeschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206) reicht für die Zulässigkeit einer regelmäßig im frühen Stadium der Ermittlung in Betracht kommenden Durchsuchung der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO bedarf es - ungeachtet der Frage der Verhältnismäßigkeit - nicht (siehe nur BGH, Beschluss vom 12. August 2015 - StB 8/15, BGHR StPO § 102 Tatverdacht 3). Der Anfangsverdacht muss auf konkretem schlüssigem Tatsachenmaterial beruhen und in diesem Sinne ein gewisses Maß an Konkretisierung und Verdichtung erreicht haben (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2010 - StB 16/09, NStZ 2010, 711 mwN für eine Maßnahme nach § 100a StPO). Die Durchsuchung darf mithin nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erst erforderlich sind (siehe nur BVerfG, Beschluss vom 10. Januar 2018 - 2 BvR 2993/14, juris Rn. 24 mwN).
11
b) Ein tatsachengestützter Anfangsverdacht, dass die Beschuldigte sich mitgliedschaftlich am IS beteiligte, ist nach bisherigem Ermittlungsstand gegeben. Dies ergibt sich aus Folgendem:
12
aa) Rechtlich setzt eine Eingliederung als Mitglied nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB voraus, dass die Vereinigung dem zustimmt. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind. Der Beteiligte muss die Vereinigung von innen her fördern und damit eine Stellung innerhalb der Vereinigung eingenommen haben , die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 112 f.; Beschluss vom 13. September 2011 - StB 12/11, NStZ-RR 2011, 372 f.).
13
bb) Nach B. s weitgehend geständiger Einlassung in seinen Vernehmungen vom 13. und 14. September 2017 entschieden sich die Eheleute für die Einreise in das vom IS kontrollierte Gebiet, weil sie nur dort ihren islamischen Glauben leben zu können glaubten. Der IS ließ B. unter bestimmten Bedingungen als Krankenpfleger in kontrollierten Gebieten arbeiten, alimentierte das Ehepaar und sorgte offensichtlich für seine Unterkunft. Anders als B. waren der Beschuldigten die Strukturen der - in B. s Worten - "Szene" vor Ort bekannt; in diesem Sinne war sie auch nach B. s Einschätzung erfahrener. Dies legt nahe, dass sie die gemeinsame Entscheidung zur Ausreise maßgeblich beeinflusste und B. nicht nur folgte. Dies liefert in der Gesamtschau eine tatsachenbasierte Grundlage für die Annahme, die Beschuldigte habe im Herrschaftsgebiet des IS nicht nur "bloß" gelebt, sondern habe sich selbst eingliedern lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2015 - StB 17/15 Rn. 7 f.), und damit einen ausreichenden Ansatz für weitere Ermittlungen. Vor diesem Hintergrund können für sich genommen "legale" Tätigkeiten an Bedeutung für eine strafrechtliche Verfolgung gewinnen: Sofern solche Beteiligungsakte Ausfluss der Mitgliedschaft des Täters in der Vereinigung sind und in deren Interesse vorgenommen werden, erhalten sich durch diese Verknüpfung ihr Unwerturteil (st. Rspr.; siehe nur BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2016 - 3 StR 23/16, BGHR StGB § 129a Abs. 1 Beteiligung als Mitglied 1; vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, NJW 2016, 657, 658).
14
c) Zudem besteht eine ausreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beschuldigte ihren Ehemann als Mitglied einer terroristischen Vereinigung im Ausland unterstützte (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB).
15
aa) Unter einem Unterstützen im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt unmittelbar fördert , die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft (vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 101). Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich auch und - wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt - sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisati- onsmitglieds hilfreich beitragen muss (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08 aaO S. 117 f.; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345, 350 f.).
16
Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn die Förderungshandlung an sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder ob nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitgeprägt wird, ist dagegen ohne Belang. In diesem Sinne muss der Organisation durch die Tathandlung kein messbarer Nutzen entstehen. Die Wirksamkeit der Unterstützungsleistungen und deren Nützlichkeit müssen indes stets anhand belegter Fakten nachgewiesen sein (siehe nur BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, juris Rn. 30 mwN). Fördert der Außenstehende die mitgliedschaftliche Beteiligung eines Mitglieds einer Vereinigung, so bedarf es für die Tathandlung des Unterstützens in der Regel nicht der Feststellung eines noch weitergehenden positiven Effekts der Handlung des Nichtmitglieds für die Organisation. Da als Folge des Unterstützens ein irgendwie gearteter Vorteil für die Vereinigung ausreicht, liegt es nahe, dass bei einer Tätigkeit, die sich in der Sache als Beihilfe zur Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung darstellt, grundsätzlich bereits hierin ein ausreichender Nutzen für die Organisation zu sehen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Täter die Erfüllung einer Aufgabe durch ein Mitglied fördert, die diesem von der Vereinigung aufgetragen worden ist, oder es dessen Entschluss stärkt, die Straftaten zu begehen, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder ihrer Tätigkeit entsprechen (BGH aaO mwN).

17
bb) Daran gemessen, besteht jedenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beschuldigte ihren Ehemann unterstützte. Dem Mitbeschuldigten B. war die Tätigkeit als Krankenpfleger in den vom IS unterhaltenen Krankenhäusern zugewiesen. Angesichts der Ehe und des Zusammenlebens liegt es durchaus nahe, dass die Beschuldigte damit einverstanden war. In der Gesamtschau mit ihrer zweiten Einreise besteht damit eine ausreichende Wahrscheinlichkeit, dass sie für den Mitbeschuldigten die Voraussetzungen schuf, dass dieser hilfreich in Krankenhäusern tätig war. Die Beschuldigte übernahm das vom IS geforderte traditionelle Rollenbild einer Frau im radikalen Islam , das Führen des Haushaltes, das Versorgen des Ehemannes und des gemeinsamen Kindes; vor allem ermöglichte sie durch die gemeinsame Einreise aber dem mit dem IS bislang nicht vertrauten B. , sich dieser Vereinigung anzuschließen.
18
2. Die weiteren Voraussetzungen für die Anordnung eines Durchsuchungsbeschlusses liegen vor.
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a) Mit der Rückkehr der Beschuldigten in die Bundesrepublik Deutschland ist zu rechnen. In diesem Fall soll der Durchsuchungsbeschluss auf deutschem Hoheitsgebiet vollstreckt werden. Es ist möglich, dass die kurdischen Sicherheitskräfte die sichergestellten Gegenstände der Beschuldigten zurückgeben.
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b) Die Maßnahme ist verhältnismäßig. Die Durchsuchungsanordnung ist geeignet, aufzuklären, in welchem Umfang die Beschuldigte mit der Vereinigung und deren Mitgliedern kommunizierte. Die Verhältnismäßigkeit ist für bei- de Tatvarianten (Mitgliedschaft nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB bzw. Unterstützen nach § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB) gewahrt. Die Anordnung ist auch hinsichtlich der Durchsicht von Datenträgern (§ 110 Abs. 1 StPO) und des damit verbundenen Eingriffs in das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG) wegen der Schwere der aufzuklärenden Tat verhältnismäßig.
Ri'inBGH Dr. Spaniol ist urlaubsbedingt gehindert zu unterschreiben. Gericke Gericke Leplow

(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben nach pflichtgemäßem Ermessen Ordnungswidrigkeiten zu erforschen und dabei alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Sie haben bei der Erforschung von Ordnungswidrigkeiten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, dieselben Rechte und Pflichten wie bei der Verfolgung von Straftaten. Ihre Akten übersenden sie unverzüglich der Verwaltungsbehörde, in den Fällen des Zusammenhangs (§ 42) der Staatsanwaltschaft.

(2) Die Beamten des Polizeidienstes, die zu Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft bestellt sind (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes), können nach den für sie geltenden Vorschriften der Strafprozeßordnung Beschlagnahmen, Durchsuchungen, Untersuchungen und sonstige Maßnahmen anordnen.

Zur Aufklärung einer Straftat oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes einer Person, nach der für Zwecke eines Strafverfahrens gefahndet wird, dürfen personenbezogene Daten aus einem Strafverfahren mit anderen zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung oder zur Gefahrenabwehr gespeicherten Daten maschinell abgeglichen werden. Entgegenstehende besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen bleiben unberührt.

(1) Zu dem in § 160 Abs. 1 bis 3 bezeichneten Zweck ist die Staatsanwaltschaft befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vorzunehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen zu lassen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln. Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen, und in diesem Falle befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen.

(2) Soweit in diesem Gesetz die Löschung personenbezogener Daten ausdrücklich angeordnet wird, ist § 58 Absatz 3 des Bundesdatenschutzgesetzes nicht anzuwenden.

(3) Ist eine Maßnahme nach diesem Gesetz nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig, so dürfen die auf Grund einer entsprechenden Maßnahme nach anderen Gesetzen erlangten personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen zu Beweiszwecken im Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach diesem Gesetz hätte angeordnet werden dürfen. § 100e Absatz 6 Nummer 3 bleibt unberührt.

(4) In oder aus einer Wohnung erlangte personenbezogene Daten aus einem Einsatz technischer Mittel zur Eigensicherung im Zuge nicht offener Ermittlungen auf polizeirechtlicher Grundlage dürfen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu Beweiszwecken nur verwendet werden (Artikel 13 Abs. 5 des Grundgesetzes), wenn das Amtsgericht (§ 162 Abs. 1), in dessen Bezirk die anordnende Stelle ihren Sitz hat, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme festgestellt hat; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, bei Gefahr im Verzug auch, die Auskunft zu verlangen, sowie Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln.

(2) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes übersenden ihre Verhandlungen ohne Verzug der Staatsanwaltschaft. Erscheint die schleunige Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen erforderlich, so kann die Übersendung unmittelbar an das Amtsgericht erfolgen.

(3) Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften des Sechsten Abschnitts des Ersten Buches entsprechend. Die eidliche Vernehmung bleibt dem Gericht vorbehalten.

(4) Die Staatsanwaltschaft entscheidet

1.
über die Zeugeneigenschaft oder das Vorliegen von Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechten, sofern insoweit Zweifel bestehen oder im Laufe der Vernehmung aufkommen,
2.
über eine Gestattung nach § 68 Absatz 3 Satz 1, Angaben zur Person nicht oder nur über eine frühere Identität zu machen,
3.
über die Beiordnung eines Zeugenbeistands nach § 68b Absatz 2 und
4.
bei unberechtigtem Ausbleiben oder unberechtigter Weigerung des Zeugen über die Verhängung der in den §§ 51 und 70 vorgesehenen Maßregeln; dabei bleibt die Festsetzung der Haft dem nach § 162 zuständigen Gericht vorbehalten.
Im Übrigen trifft die erforderlichen Entscheidungen die die Vernehmung leitende Person.

(5) Gegen Entscheidungen von Beamten des Polizeidienstes nach § 68b Absatz 1 Satz 3 sowie gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 und 4 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten jeweils entsprechend. Gerichtliche Entscheidungen nach Satz 1 sind unanfechtbar.

(6) Für die Belehrung des Sachverständigen durch Beamte des Polizeidienstes gelten § 52 Absatz 3 und § 55 Absatz 2 entsprechend. In den Fällen des § 81c Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt § 52 Absatz 3 auch bei Untersuchungen durch Beamte des Polizeidienstes sinngemäß.

(7) § 185 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend.

(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben nach pflichtgemäßem Ermessen Ordnungswidrigkeiten zu erforschen und dabei alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Sie haben bei der Erforschung von Ordnungswidrigkeiten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, dieselben Rechte und Pflichten wie bei der Verfolgung von Straftaten. Ihre Akten übersenden sie unverzüglich der Verwaltungsbehörde, in den Fällen des Zusammenhangs (§ 42) der Staatsanwaltschaft.

(2) Die Beamten des Polizeidienstes, die zu Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft bestellt sind (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes), können nach den für sie geltenden Vorschriften der Strafprozeßordnung Beschlagnahmen, Durchsuchungen, Untersuchungen und sonstige Maßnahmen anordnen.