Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 18. Jan. 2017 - 2 Ss OWi 1363/16

18.01.2017

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Gründe

Mit (Erst-) Urteilen vom 16.07.2015 sprach das AG die 3 Betr. aus Rechtsgründen von dem gegen sie mit Bußgeldbescheiden über Geldbußen in Höhe von jeweils 400 € geahndeten Tatvorwurf des Verstoßes gegen das sog. ‚Vermummungsverbot‘ nach Art. 16 I, II Nr. 2 i. V. m. Art. 21 II Nr. 7 BayVersG [GVBl. 2008, 421] frei. Nach den Feststellungen hielten sich die Betr. am Nachmittag des 25.10.2014 vor dem Eingang zur Haupttribüne des Sportstadions ihrer Heimmannschaft auf, weil sie die dort angesetzte Fußball-Regionalligabegegnung besuchen wollten. Die Betr. trugen hierbei sog. Schlauchschals um den Hals, um mit deren Hilfe zu gegebener Zeit die polizeiliche Feststellung ihrer Identität zu verhindern. Das AG begründete den Freispruch im Wesentlichen damit, dass es sich bei der Regionalligapaarung nicht um eine öffentliche Veranstaltung „unter freiem Himmel“ handele, da die dortigen Zuschauerplätze ausnahmslos überdacht seien und sich der ‚freie Himmel‘ nach allgemeinem Sprachgebrauch dadurch auszeichne, dass man ungeschützt den Witterungseinflüssen ausgesetzt sei, was auf überdachte Plätze nicht zutreffe. Im Übrigen sei es den Zuschauern verwehrt, das Spielfeld zu betreten, weshalb diese gar nicht unter den freien Himmel gelangen könnten. Auf die gegen die Ersturteile gerichteten, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung durch den Einzelrichter jeweils zugelassenen und dem zuständigen Bußgeldsenat in der Besetzung mit 3 Richtern zur Entscheidung übertragenen Zulassungsrechtsbeschwerden der StA hob das Rechtsbeschwerdegericht mit Beschlüssen vom 24.11.2015 sowie mit Beschluss vom 13.01.2016 die Freisprüche mitsamt den Feststellungen auf und verwies die Verfahren jeweils mit Darlegung der Gründe, warum das AG die Betr. zu Unrecht aus Rechtsgründen vom Tatvorwurf freigesprochen habe, an dieses zurück. Unter anderem wurde in den Entscheidungen jeweils hervorgehoben, dass es sich bei der Austragung eines Fußballspiels innerhalb eines zu allen Seiten hin baulich umgrenzten Stadions entgegen der Rechtsansicht des AG auch dann um eine öffentliche Veranstaltung „unter freiem Himmel“ handele, wenn der Tribünenbereich mit einer gegen Witterungseinflüsse schützenden Überdachung versehen ist. Entscheidend sei, dass die Veranstaltung an einem für jedermann zugänglichen und damit öffentlichen Ort stattfinde, was nicht dadurch in Frage gestellt werde, dass der Einlass nur gegen Eintritt gewährt werde oder der Veranstalter berechtigt sei, Störer auszuschließen. Insbesondere sei mit dem möglichen Wortsinn der für öffentliche Veranstaltungen „unter freiem Himmel“ ein bußgeldbewehrtes „Vermummungsverbot“ vorsehenden Bestimmungen der Art. 16 I, II Nr. 2 i. V. m. Art. 21 II Nr. 7 BayVersG die Auslegung vereinbar, dass der Tatbestand auch dann erfüllt sei, wenn der Tribünenbereich eines Sportstadions überdacht ist (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 24.11.2015 - 3 Ss OWi 1176/15 [bei juris] = NStZ 2016, 487 = BeckRS 2015, 20267).

Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil vom 12.05.2016 hat das AG nach Verbindung der 3 an es zurückverwiesenen Verfahren an seiner in den Ersturteilen vertretenen Rechtsansicht festgehalten und die Betr. erneut mit der Begründung freigesprochen, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Ligaspiel nicht um eine Veranstaltung unter freiem Himmel gehandelt habe. Einer Bindung an die rechtliche Beurteilung des Rechtsbeschwerdegerichts stehe deren Unvereinbarkeit mit Art. 103 II GG und mit der Rspr. des BVerfG entgegen. Gegen den neuerlichen Freispruch der Betr. wendet sich wiederum die StA mit ihrer mit der Sachrüge begründeten, von der GenStA vertretenen Rechtsbeschwerde, deren Zulassung sie beantragt. Das Rechtsmittel erwies sich wiederum als erfolgreich und führte zur neuerlichen Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des AG.

Die vom Einzelrichter nach §§ 79 I 2 i. V. m. § 80 I Nr. 1 2. Alt. OWiG zugelassene und gemäß § 80a I, 2. Hs. i. V. m. III 1 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit 3 Richtern zur Entscheidung übertragene Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Das form- und fristgerecht eingelegte sowie entsprechend begründete Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur (nochmaligen) Zurückverweisung, weil sich das AG unter Inanspruchnahme einer ihm nicht gebührenden Kontrollbefugnis sowie in Verkennung der ihm von Rechts wegen eingeräumten Möglichkeiten über die infolge der vorangegangenen Entscheidungen durch das Rechtsbeschwerdegericht gem. § 79 III 1 OWiG i. V. m. § 358 I StPO eingetretene verfahrensbezogene tatrichterliche Bindung an die die Urteilsaufhebungen tragende Rechtsauffassung des Rechtsbeschwerdegerichts hinweg gesetzt hat, ohne hierzu berechtigt gewesen zu sein.

1. Nach § 358 I StPO hat „das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, [...] die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen“.

a) Aus dem Gesetzeswortlaut folgt, dass eine Bindungswirkung an die Rechtsauffassung des Rechtsbeschwerdegerichts besteht, soweit diese die Aufhebung trägt. Ist dies der Fall, kommt es weder darauf an, ob - wie hier - ein sachlich-rechtlicher Mangel oder ein Verfahrensmangel betroffen oder ob die Aufhebung mit kumulativer Begründung erfolgt ist. Im letztgenannten Fall sind sämtliche (tragende) Rechtsansichten bindend, mögen diese auch aus Sicht des (neuen) Tatrichters als (unverändert) fehlerhaft gewertet werden und dazu führen, in der Sache gegen seine Überzeugung zu entscheiden.

b) Von der Bindungswirkung des § 358 I StPO mitumfasst ist ohne Weiteres auch die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit angewandter Gesetze, was erst recht dann zwingend und einleuchtend ist, wenn - wie hier - gerade die Beurteilung verfassungsrechtlicher Vorfragen einschließlich der von Verfassungs wegen gebotenen Auslegung einer bußgeldbewehrten Sanktionsnorm am Schutzbereich des justiziellen Grundrechts aus Art. 103 II GG (vgl. hierzu u. a. BVerfG [2. Kammer des 1. Senats], Beschl. v. 20.08.2015 - 1 BvR 980/15 [bei juris]; ferner BVerfGE 64, 389/393; 71, 108/115; 87, 209/224; 105, 135/152; BVerfG NJW 1998, 2589 und BVerfG NJW 2005, 349, jeweils m. w. N.; siehe auch schon OLG Bamberg, Beschl. v. 27.09.2006 - 3 Ss OWi 1050/06 = NJW 2006, 3732 = DAR 2007, 95 = OLGSt StVO § 23 Nr. 5; 05.11.2007 - 3 Ss OWi 744/07 = ZfS 2008, 52 = NJW 2008, 599 = VerkMitt 2008, Nr. 12 = DAR 2008, 217 = OLGSt StVO § 23 Nr. 9 = VRR 2008, 35 [Burhoff] und27.04.2007 - 3 Ss OWi 452/07 = VerkMitt. 2007, Nr. 62 = OLGSt StVO § 23 Nr. 7; vgl. auch OLG Bamberg, Beschl. v. 15.11.2006 = 2 Ss OWi 577/06 = NStZ-RR 2007, 90 = DAR 2007, 338 = VerkMitt 2007, Nr. 58 = OLGSt StVO § 23 Nr. 6) vom vorbefassten Rechtsbeschwerdegericht beurteilt und mit tragenden Gründen seiner Aufhebungsansicht zugrunde gelegt worden ist. Es versteht sich deshalb ebenso von selbst, dass insoweit eine Ausnahme von der Bindungswirkung der revisionsgerichtlichen Aufhebungsansicht allenfalls in - theoretisch denkbaren - Fällen einer Grenzüberschreitung hin zur offensichtlichen Verfassungswidrigkeit der revisionsgerichtlichen Rechtsauffassung anerkannt und zugelassen werden könnte, welcher sich das Tatgericht im Ergebnis nicht zu beugen hätte (zu Voraussetzungen, Umfang und Grenzen der Bindungswirkung vgl. neben BVerfGE 6, 222/242 = NJW 1957, 625 u. a. LR-Franke StPO 26. Aufl. § 358 Rn. 4 ff.; KK/Gericke StPO 7. Aufl. § 358 Rn. 3 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 59. Aufl. § 357 Rn. 3 ff.; BeckOK/Wiedner § 358 Rn. 5; SK-Wohlers StPO 4. Aufl. § 358 Rn. 21 f.; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Momsen StPO 2. Aufl. § 358 Rn. 6 ff., 13 ff.; Radtke/Hohmann-Nagel StPO § 358 Rn. 3 ff., jeweils m. w. N.). Von einer unvertretbaren, weil objektiv-willkürlichen und damit spezifisches Verfassungsrecht in evidenter Weise verletzenden Rechtsanwendung (vgl. etwa die Konstellation bei LG Duisburg StV 1986, 99; treffend in diesem Sinne neben LR/Franke § 358 Rn. 10 auch schon Pauli, NJW 1964, 735 [= Anm. zu OLG Neustadt NJW 1964, 311]) kann freilich schon im Ansatz keine Rede sein. Vielmehr hat das AG schlicht seiner eigenen - als allein ‚richtig‘ gehaltenen - Grundrechtsauslegung gegenüber derjenigen des Rechtsbeschwerdegerichts zum Durchbruch verholfen.

2. Auch sonst fehlen Gründe, welche die Missachtung der Bindungswirkung erlauben könnten. Insbesondere hat das AG keine ergänzenden Feststellungen dergestalt getroffen, die geeignet sein könnten, die Abweichung von der Aufhebungsansicht ausnahmsweise zu rechtfertigen.

a) Die Bindungswirkung steht unter dem Vorbehalt gleichbleibender Sachlage (SK-Wohlers § 358 Rn. 16), so dass der Tatrichter nicht an die sachlich-rechtlichen Ausführungen des Rechtsbeschwerdegerichts gebunden ist, soweit zulässige neue Feststellungen eine von der Aufhebungsabsicht abweichende rechtliche Beurteilung rechtfertigen (KK/Gericke § 358 Rn. 16 m. w. N.).

b) Zwar hat das AG ergänzend festgestellt, dass sämtliche Zuschauerplätze überdacht sowie durch einen nicht übersteigbaren Zaun umfriedet seien und der Innenbereich des Stadions durch verschiedene strikt getrennte räumliche Sektoren abgeteilt werde, in denen Heim- und Gästefans voneinander separiert untergebracht seien. Darüber hinaus habe bei dem verfahrensgegenständlichen Spiel am Stadioneingang postiertes Personal die Eintrittskarten kontrolliert und hierbei auch eine individuelle Kontrolle der Besucher nach verbotenen Gegenständen durchgeführt, wobei das Kontrollpersonal berechtigt gewesen sei, alkoholisierten oder randalierenden oder mit einem Stadionverbot belegten Personen den Zugang zu verweigern.

c) Auch diese weiteren Feststellungen sind indes nicht geeignet, der Aufhebungsansicht des Rechtsbeschwerdegerichts die Tatsachengrundlage zu entziehen. Denn das Rechtsbeschwerdegericht hatte gerade den Gesichtspunkt der Überdachung und der baulichen Umgrenzung des Veranstaltungsortes jeweils als nicht erheblich angesehen, sondern stattdessen maßgeblich darauf abgestellt, dass sich die Besucher der sportlichen Veranstaltung an einem im Rahmen des allgemeinen Publikumsverkehrs grundsätzlich für jedermann zugänglichen Ort aufhalten, verbunden mit dem Hinweis, dass weder der ausschließlich gegen Bezahlung des Eintrittsgeldes gewährte Einlass noch die Möglichkeit des Ausschlusses einzelner Personen zur präventiven Abwehr von Störungen dem Tatbestandsmerkmal einer öffentlichen Veranstaltung „unter freiem Himmel“ entgegen stehe. Die ergänzenden Feststellungen bieten damit nach der in den aufhebenden Beschlüssen dargelegten Aufhebungsansicht des Rechtsbeschwerdegerichts schon im Ansatz keine ausreichende Tatsachengrundlage für eine Verneinung des Tatbestandsmerkmals „unter freiem Himmel“. […]

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Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 23 Sonstige Pflichten von Fahrzeugführenden


(1) Wer ein Fahrzeug führt, ist dafür verantwortlich, dass seine Sicht und das Gehör nicht durch die Besetzung, Tiere, die Ladung, Geräte oder den Zustand des Fahrzeugs beeinträchtigt werden. Wer ein Fahrzeug führt, hat zudem dafür zu sorgen, dass da

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Gründe

I.

1

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind zivilgerichtliche Entscheidungen auf dem Gebiet des Kartellrechts.

2

1. Die Beschwerdeführerin ist Rechtsnachfolgerin der im Jahr 2012 auf sie verschmolzenen M. Kaffee GmbH (im Folgenden: M. GmbH). Von Anfang 2000 bis Juli 2008 hatten die Geschäftsführer und Vertriebsleiter der M. GmbH jeweils im inneren Zusammenhang mit ihrer Stellung als Leitungspersonen sowie in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit Repräsentanten konkurrierender Röstkaffeehersteller ein Preiskartell auf den deutschen Absatzmärkten für Röstkaffee praktiziert.

3

Mit Urteil vom 10. Februar 2014 setzte das Oberlandesgericht gegen die Beschwerdeführerin wegen einer vorsätzlichen Kartellordnungswidrigkeit gemäß § 81 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Verbindung mit Art. 81 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) eine Geldbuße in Höhe von 55.000.000 € fest.

4

Nachdem die M. GmbH infolge wirksamer Verschmelzung am 8. November 2012 nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) erloschen sei, erstrecke sich die bußgeldrechtliche Haftung für von deren Leitungspersonen begangene Ordnungswidrigkeiten auf die Beschwerdeführerin als Gesamtrechtsnachfolgerin des erloschenen Verbandes. Die Zurechnung folge aus § 30 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Zwischen der vormals in der M. GmbH rechtlich verselbständigten Vermögensverwendung und der aus der Verschmelzung hervorgegangenen neuen Vermögensverbindung der Beschwerdeführerin bestehe nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise nahezu Identität.

5

Zur Bemessung der gegen die Beschwerdeführerin festgesetzten Geldbuße wandte das Oberlandesgericht die am 3. Juli 2008 geltenden Regelungen in § 17 Abs. 1, § 30 Abs. 2 Satz 2 und 3 OWiG sowie § 81 Abs. 4 Satz 1 bis Satz 3 GWB in der Fassung vom 18. Dezember 2007 an. Auf dieser Grundlage gelangte es im vorliegenden Fall zu einer Bußgeldobergrenze von 112,4 Millionen €.

6

Die gegen dieses Urteil gerichtete Rechtsbeschwerde der Beschwerdeführerin verwarf der Bundesgerichtshof als unbegründet. Das Oberlandesgericht habe ohne Rechtsverstoß eine Erstreckung der bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit auf die Beschwerdeführerin bejaht. Dieses Ergebnis sei mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vereinbar.

7

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3, Art. 20 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 2 GG.

8

Die Zurechnung der Verantwortlichkeit erfolge im Wege einer verfassungswidrigen Analogiebildung zu § 30 Abs. 1 OWiG. Die Auslegung der Vorschrift durch die Gerichte sei von deren Wortlaut nicht gedeckt. Die Bußgeldzumessung sei auf Grundlage der verfassungswidrigen Regelung in § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB erfolgt. Diese lege nicht in hinreichend eindeutiger Weise einen Bußgeldrahmen für Kartellvergehen fest.

II.

9

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Sie erfüllt nicht die Annahmevoraussetzungen von § 93a Abs. 2 BVerfGG. Ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin geboten. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg; sie ist nicht in einer den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechenden Weise begründet.

10

Einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG hat die Beschwerdeführerin weder im Hinblick auf die Auslegung und Anwendung von § 30 Abs. 1 OWiG durch die Fachgerichte (1.), noch bezüglich der gesetzlichen Regelung in § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB (2.) ausreichend dargelegt.

11

1. Art. 103 Abs. 2 GG zieht auch für die Auslegung von Bußgeldvorschriften eine verfassungsrechtliche Schranke (vgl. BVerfGE 87, 399 <411> m.w.N.). Da Gegenstand der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen immer nur der Gesetzestext sein kann, erweist dieser sich als maßgebendes Kriterium: Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation. Wenn Art. 103 Abs. 2 GG Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit der Bußgeldandrohung für den Normadressaten verlangt, so kann das nur bedeuten, dass dieser Wortsinn aus der Sicht des Bürgers zu bestimmen ist (vgl. BVerfGE 71, 108 <115>). Diese Grenze haben die Fachgerichte mit ihrer Interpretation von § 30 Abs. 1 OWiG nicht überschritten.

12

Die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die Festsetzung einer Geldbuße gegen eine Gesamtrechtsnachfolgerin, die mit der ursprünglichen juristischen Person bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nahezu identisch ist, von diesem Wortlaut nicht mehr erfasst wird, trifft nicht zu. Gerade aus Sicht eines unvoreingenommenen Bürgers dürfte in diesen Fällen die Annahme einer fortdauernden bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit zur Vermeidung der Umgehungsgefahr nahe liegen.

13

Unbestritten ist dementsprechend, dass eine bloße Umfirmierung und auch der alleinige Wechsel der Rechtsform einer Verantwortungszurechnung nach § 30 Abs. 1 OWiG in der Regel nicht entgegenstehen (vgl. Meyberg, in: BeckOK OWiG, § 30 Rn. 39, 41 <15. Dezember 2014> m.w.N.). Aber auch bei weitergehenden gesellschaftsrechtlichen Umgestaltungen kann von einer Verhängung der Geldbuße gegen "diese" juristische Person gesprochen werden, wenn es sich aus Sicht des Bürgers faktisch um die gleiche juristische Person handelt. Die hierfür vom Bundesgerichtshof entwickelten Kriterien - Gesamtrechtsnachfolge und "Nahezu-Identität" bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise (vgl. BGHSt 52, S. 58 ff.; BGH, Beschluss vom 11. März 1986 - KRB 8/85 -, juris, Rn. 13 ff.; Beschluss vom 23. November 2004 - KRB 23/04 -, juris, Rn. 15 ff.; Beschluss vom 4. Oktober 2007 - KRB 59/07 -, juris, Rn. 7) - sind dabei geeignet, die Voraussetzungen für die Annahme einer Verantwortungszurechnung hinreichend zu konkretisieren.

14

Auch der Wille des Gesetzgebers stützt die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Auslegung. Denn Zweck der Geldbuße für juristische Personen ist die Schaffung eines Ausgleichs dafür, dass der juristischen Person, die nur durch ihre Organe zu handeln im Stande ist, zwar die Vorteile dieser in ihrem Interesse vorgenommenen Betätigung zufließen, dass sie aber beim Fehlen einer Sanktionsmöglichkeit nicht den Nachteilen ausgesetzt wäre, die als Folge der Nichtbeachtung der Rechtsordnung im Rahmen der für sie vorgenommenen Betätigung eintreten können. Dementsprechend sollen die der juristischen Person zugeflossenen Gewinne abgeschöpft und die Erzielung solcher Gewinne bekämpft werden (vgl. BTDrucks V/1269, S. 59 f.). Der Bundesgerichtshof ermöglicht mit seiner Rechtsprechung die Erreichung dieser Ziele auch bei wirtschaftlich zumindest weitgehend identischen Rechtsnachfolgern.

15

Demgegenüber kann die Ansicht der Beschwerdeführerin, der Begriff der juristischen Person sei aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung in einem "fachsprachlichen" Sinne auszulegen, nicht überzeugen. Es bleibt einerseits unklar, welchen Inhalt dieses fachsprachliche Verständnis haben soll, während die Beschwerdeführerin andererseits außer Acht lässt, dass in einer zwar einheitlichen, aber je nach Sachbereichen differenzierten Rechtsordnung eine "Relativität der Rechtsbegriffe" angelegt ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Dezember 1991 - 2 BvR 72/90 -, juris, Rn. 10).

16

Hinzu kommt, dass für die Beschwerdeführerin das Risiko ihrer Heranziehung bei der Ahndung der Kartellordnungswidrigkeit zumindest aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorhersehbar sein musste (vgl. dazu BVerfGE 73, 206 <243>; 126, 170 <196 f.> m.w.N.). Der Bundesgerichtshof hatte seine grundlegende Entscheidung aus dem Jahr 1986 mehrfach und auch unmittelbar vor der Umwandlung der M. GmbH bestätigt (vgl. BGHSt 57, S. 193 ff.; BGH, Beschluss vom 10. August 2011 - KRB 2/10 -, juris, Rn. 8 ff.; Beschluss vom 10. August 2011 - KRB 55/10 -, juris, Rn. 13 ff.). Auch in der Rechtsprechung der Obergerichte (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28. Mai 2002 - 3 ObOWi 29/02 -, juris, Rn. 7; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Januar 2010 - VI-Kart 55/06 u.a. -, juris, Rn. 39 ff.; s.a. schon KG, Urteil vom 18. April 1984 - Kart. a 27/83 -) und von der überwiegenden Meinung in der Literatur wird die Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs geteilt (vgl. Gürtler, in: Göhler/Gürtler/Seitz, OWiG, 16. Aufl. <2012>, § 30 Rn. 38c; Rogall, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 4. Aufl. <2014>, § 30 Rn. 46 ff. m.w.N. auch zur Gegenauffassung; Förster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 50 ff. ).

17

Damit setzt sich die Beschwerdeführerin nicht auseinander. Gegen die Annahme der "Nahezu-Identität" zwischen der M. GmbH und der Beschwerdeführerin selbst bringt die Beschwerdeführerin im Übrigen nichts vor.

18

2. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, dass der Bußgeldrahmen in § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB gegen das Bestimmtheitsgebot verstoße, hat sie auch dies nicht ausreichend dargelegt. Sie verweist lediglich auf das Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Vermögensstrafe (BVerfGE 105, 135 ff.), setzt sich aber mit den dort aufgestellten Maßstäben und der Frage ihrer Übertragbarkeit auf die angegriffene Regelung nicht ansatzweise auseinander.

19

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

20

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Wer ein Fahrzeug führt, ist dafür verantwortlich, dass seine Sicht und das Gehör nicht durch die Besetzung, Tiere, die Ladung, Geräte oder den Zustand des Fahrzeugs beeinträchtigt werden. Wer ein Fahrzeug führt, hat zudem dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug, der Zug, das Gespann sowie die Ladung und die Besetzung vorschriftsmäßig sind und dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung oder die Besetzung nicht leidet. Ferner ist dafür zu sorgen, dass die vorgeschriebenen Kennzeichen stets gut lesbar sind. Vorgeschriebene Beleuchtungseinrichtungen müssen an Kraftfahrzeugen und ihren Anhängern auch am Tage vorhanden und betriebsbereit sein.

(1a) Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn

1.
hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und
2.
entweder
a)
nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder
b)
zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.
Geräte im Sinne des Satzes 1 sind auch Geräte der Unterhaltungselektronik oder Geräte zur Ortsbestimmung, insbesondere Mobiltelefone oder Autotelefone, Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit Videofunktion oder Audiorekorder. Handelt es sich bei dem Gerät im Sinne des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, um ein auf dem Kopf getragenes visuelles Ausgabegerät, insbesondere eine Videobrille, darf dieses nicht benutzt werden. Verfügt das Gerät im Sinne des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, über eine Sichtfeldprojektion, darf diese für fahrzeugbezogene, verkehrszeichenbezogene, fahrtbezogene oder fahrtbegleitende Informationen benutzt werden. Absatz 1c und § 1b des Straßenverkehrsgesetzes bleiben unberührt.

(1b) Absatz 1a Satz 1 bis 3 gilt nicht für

1.
ein stehendes Fahrzeug, im Falle eines Kraftfahrzeuges vorbehaltlich der Nummer 3 nur, wenn der Motor vollständig ausgeschaltet ist,
2.
den bestimmungsgemäßen Betrieb einer atemalkoholgesteuerten Wegfahrsperre, soweit ein für den Betrieb bestimmtes Handteil aufgenommen und gehalten werden muss,
3.
stehende Straßenbahnen oder Linienbusse an Haltestellen (Zeichen 224).
Das fahrzeugseitige automatische Abschalten des Motors im Verbrennungsbetrieb oder das Ruhen des elektrischen Antriebes ist kein Ausschalten des Motors in diesem Sinne. Absatz 1a Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b gilt nicht für
1.
die Benutzung eines Bildschirms oder einer Sichtfeldprojektion zur Bewältigung der Fahraufgabe des Rückwärtsfahrens oder Einparkens, soweit das Fahrzeug nur mit Schrittgeschwindigkeit bewegt wird, oder
2.
die Benutzung elektronischer Geräte, die vorgeschriebene Spiegel ersetzen oder ergänzen.

(1c) Wer ein Fahrzeug führt, darf ein technisches Gerät nicht betreiben oder betriebsbereit mitführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören. Das gilt insbesondere für Geräte zur Störung oder Anzeige von Geschwindigkeitsmessungen (Radarwarn- oder Laserstörgeräte). Bei anderen technischen Geräten, die neben anderen Nutzungszwecken auch zur Anzeige oder Störung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen verwendet werden können, dürfen die entsprechenden Gerätefunktionen nicht verwendet werden.

(2) Wer ein Fahrzeug führt, muss das Fahrzeug, den Zug oder das Gespann auf dem kürzesten Weg aus dem Verkehr ziehen, falls unterwegs auftretende Mängel, welche die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigen, nicht alsbald beseitigt werden; dagegen dürfen Krafträder und Fahrräder dann geschoben werden.

(3) Wer ein Fahrrad oder ein Kraftrad fährt, darf sich nicht an Fahrzeuge anhängen. Es darf nicht freihändig gefahren werden. Die Füße dürfen nur dann von den Pedalen oder den Fußrasten genommen werden, wenn der Straßenzustand das erfordert.

(4) Wer ein Kraftfahrzeug führt, darf sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass er nicht mehr erkennbar ist. Dies gilt nicht in Fällen des § 21a Absatz 2 Satz 1.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.