Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 22. Juni 2017 - L 6 KR 2/16

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2017:0622.L6KR2.16.00
bei uns veröffentlicht am22.06.2017

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind weder im Klageverfahren noch im Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Aufrechnung von Ansprüchen aus dem Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz - AAG) mit rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der L. D. GmbH, die mehrere Arbeitnehmer beschäftigte. Auf einen Insolvenzantrag vom 31. Januar 2013 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts H. vom 13. März 2013 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

3

Am 13. Februar 2013 beantragte die L. D. GmbH bei der Beklagten als zuständige Einzugsstelle die Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen. Unter dem 18. Februar 2013 errechnete die Beklagte für den Arbeitnehmer B. Ansprüche in Höhe von (726,60 EUR sowie weiteren 678,16 EUR und damit insgesamt i. H. v.) 1.404,76 EUR. Gleichzeitig erklärte sie die Aufrechnung gem. § 6 Abs. 2 AAG mit den fälligen und rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen.

4

Der Kläger wies darauf hin, dass die erklärte Aufrechnung gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 130 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung unzulässig sei, da die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt worden sei. Die Beklagte habe Kenntnis von der Insolvenz gehabt, da sie bereits per Fax vom 11. Februar 2013 von dem laufenden Insolvenzantrag in Kenntnis gesetzt worden sei. Daher fordere er sie zur Zahlung des ausstehenden Betrages auf.

5

Mangels Zahlung hat der Kläger am 27. Mai 2013 Klage am Sozialgericht Duisburg erhoben und seinen bisherigen Vortrag vertieft.

6

Das Sozialgericht Duisburg hat das Verfahren mit Beschluss vom 17. Juni 2013 an das Sozialgericht Halle verwiesen. Mit Urteil vom 12. November 2015 hat dieses die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Zahlungsanspruch des Klägers sei gem. § 6 Abs. 2 AAG erloschen. Die Aufrechnung sei auch nicht nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 Insolvenzordnung unwirksam. Die Beklagte habe hier mit fälligen Sozialversicherungsbeiträgen aufgerechnet, die sie nicht für eine unzulässige Handlung erworben habe. Eine Aufrechnung sehe § 6 AAG ausdrücklich vor.

7

Gegen das ihm am 18. Dezember 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. Januar 2016 Berufung am Landessozialgericht eingelegt und seinen bisherigen Vortrag wiederholt. Er betont, die Beklagte habe die Aufrechnung nach Kenntnis des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärt. Er hat eine Insolvenzgeldbescheinigung der Bundesagentur für Arbeit vom 10. April 2013 vorgelegt, wonach dem Arbeitnehmer B. für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Januar 2013 insgesamt Ansprüche in Höhe von 1406,15 EUR brutto zustehen. Er hat auf Nachfrage des Senats betont, die Bundesagentur für Arbeit habe hier für den genannten Arbeitnehmer Lohnfortzahlung für die Insolvenzschuldnerin geleistet und bei ihm als Insolvenzforderung zur Tabelle angemeldet. Auch dies hat er mit weiteren Unterlagen belegt.

8

Der Kläger beantragt,

9

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 12. November 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn handelnd in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der L. D. GmbH einen Betrag i. H. v. 1.404,76 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13. März 2013 zu zahlen.

10

Die Beklagte beantragt,

11

die Berufung zurückzuweisen.

12

Sie hält an ihrem bisherigen Vorbringen fest und betont, es sei offenbar keine Entgeltfortzahlung für die streitigen Zeiträume und den genannten Arbeitnehmer geleistet worden. Damit bestehe auch kein Anspruch auf Erstattung.

13

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Kläger mit Schriftsatz vom 23. Februar 2017 sowie 19. Mai 2017 und Beklagte mit Schreiben vom 8. Oktober 2016).

14

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt dieser Akten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

15

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Hierüber konnte der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden.

16

Die Klage ist zulässig. Insbesondere war kein Widerspruchsverfahren durchzuführen, da die Klage als (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) statthaft ist. Die Beklagte musste über den Anspruch auf Aufwendungsausgleich und seine Erfüllung nicht durch Verwaltungsakt entscheiden und hat dies auch nicht getan. Weder die Mitteilungen über die Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen noch die gleichzeitig erfolgten Erklärungen der Aufrechnung sind Verwaltungsakte i.S. von § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (vgl. BSG, Urteil vom 31. Mai 2016 – B 1 KR 38/15 R, SozR 4-7912 § 96 Nr. 1, Rn. 10; weiter BSG, Urteil vom 31. Mai 2016 – B 1 KR 17/15 R, SozR 4-7862 § 11 Nr. 1).

17

Zuständig sind gem. § 51 Nr. 8 SGG die Sozialgerichte, da der Kläger lediglich einen Anspruch nach dem AAG geltend macht und keinen anfechtungsrechtlichen Rückgewährsanspruch i. S. der Insolvenzordnung (vgl. BSG, a.a.O.; BGH, Urteil vom 4. August 2005, IX ZR 117/04, juris).

18

Die Klage ist unbegründet. Gemäß § 1 AAG "erstatten" die Krankenkassen unter bestimmten weiteren Voraussetzungen das an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen "fortgezahlte" Arbeitsentgelt und die darauf entfallenden Beiträge. Da der Arbeitgeber (Gemeinschuldner) auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers und gemäß den übersandten Unterlagen zur Überzeugung des Senates bis heute keine Lohnfortzahlung an den Arbeitnehmer vorgenommen (und auch die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt) hat, scheidet eine Erstattung aus (vergleiche Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz und Aufwendungsausgleichsgesetz, 7. Aufl. 2012, § 1 AAG, Rn. 23; Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge, Entgeltfortzahlungsgesetz, § 10 LFZG, Rn. 38; siehe auch BSG, Urteil vom 31. Mai 2016 – B 1 KR 38/15 R, SozR 4-7912 § 96 Nr. 1, Rn. 25). Ob er gegebenenfalls zur Zahlung an die Bundesagentur für Arbeit verpflichtet ist, ist insoweit unerheblich. Maßgeblich ist die tatsächliche Zahlung.

19

Unerheblich ist ebenfalls, dass die Beteiligten bis zu einem Hinweis des Senats darüber gestritten haben, ob die Forderung durch eine Aufrechnung erloschen ist. Die Rechtsgrundlagen hat der Senat eigenständig zu prüfen.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Arbeitgeber sind in Streitigkeiten über die Erstattung von Aufwendungen für die Entgeltfortzahlung nach dem AAG Leistungsempfänger i.S. von § 183 SGG. Dies gilt auch bei einer Klage des Insolvenzverwalters, weil er lediglich das Recht des Gemeinschuldners ausübt, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen (BSG, Urteil vom 31. Mai 2016 – B 1 KR 38/15 R, SozR 4-7912 § 96 Nr. 1, Rn. 40). Insoweit war das Urteil des Sozialgerichts in der Kostenentscheidung zu korrigieren.

21

Angesichts der klaren Gesetzesbestimmung bestand kein Anlass, die Revision zuzulassen.


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Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. August 2015 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisbu

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(1) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem er entstanden ist.

(2) Gegen Erstattungsansprüche dürfen nur Ansprüche aufgerechnet werden auf

1.
Zahlung von Umlagebeträgen, Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und solche Beiträge, die die Einzugsstelle für andere Träger der Sozialversicherung und die Bundesagentur für Arbeit einzuziehen hat,
2.
Rückzahlung von Vorschüssen,
3.
Rückzahlung von zu Unrecht gezahlten Erstattungsbeträgen,
4.
Erstattung von Verfahrenskosten,
5.
Zahlung von Geldbußen,
6.
Herausgabe einer von einem Dritten an den Berechtigten bewirkten Leistung, die der Krankenkasse gegenüber wirksam ist.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

(1) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem er entstanden ist.

(2) Gegen Erstattungsansprüche dürfen nur Ansprüche aufgerechnet werden auf

1.
Zahlung von Umlagebeträgen, Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und solche Beiträge, die die Einzugsstelle für andere Träger der Sozialversicherung und die Bundesagentur für Arbeit einzuziehen hat,
2.
Rückzahlung von Vorschüssen,
3.
Rückzahlung von zu Unrecht gezahlten Erstattungsbeträgen,
4.
Erstattung von Verfahrenskosten,
5.
Zahlung von Geldbußen,
6.
Herausgabe einer von einem Dritten an den Berechtigten bewirkten Leistung, die der Krankenkasse gegenüber wirksam ist.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(1) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem er entstanden ist.

(2) Gegen Erstattungsansprüche dürfen nur Ansprüche aufgerechnet werden auf

1.
Zahlung von Umlagebeträgen, Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und solche Beiträge, die die Einzugsstelle für andere Träger der Sozialversicherung und die Bundesagentur für Arbeit einzuziehen hat,
2.
Rückzahlung von Vorschüssen,
3.
Rückzahlung von zu Unrecht gezahlten Erstattungsbeträgen,
4.
Erstattung von Verfahrenskosten,
5.
Zahlung von Geldbußen,
6.
Herausgabe einer von einem Dritten an den Berechtigten bewirkten Leistung, die der Krankenkasse gegenüber wirksam ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. August 2015 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 23. November 2012 wird zurückgewiesen, soweit es die Klage auf Zahlung von 338,50 Euro vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen abgewiesen hat. Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind Ansprüche über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung.

2

Über das Vermögen der M. GmbH (nachfolgend Gemeinschuldnerin) wurde auf Antrag einer Gläubigerin (21.10.2010) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt (11.3.2011). Der Kläger forderte die Rückzahlung der in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die beklagte Krankenkasse (KK) entrichteten Beiträge (15 449 Euro) und erklärte die Anfechtung der Beitragsentrichtung. Die Beklagte zahlte nur 12 289,29 Euro, weil iHv 3520,11 Euro die Beitragsschuld nicht durch Zahlung, sondern durch Aufrechnung (26.7.2010, 19.8.2010, 20.9.2010, 5.10.2010) gegen Ansprüche der Gemeinschuldnerin auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung erloschen sei. Das Recht zur Aufrechnung werde durch das Insolvenzverfahren nicht berührt, wenn die Aufrechnungslage vor Insolvenzeröffnung bestanden habe. Das SG hat die Klage auf Zahlung von 3520,11 Euro sowie eines Verzugsschadens von 338,50 Euro jeweils nebst Zinsen abgewiesen (Urteil vom 23.11.2012). Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verurteilt, "an den Kläger 3520,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 11.03.2010 sowie einen weiteren Betrag von 338,50 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 12.01.2012 zu zahlen". Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen der Gemeinschuldnerin für Entgeltfortzahlung. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung sei unzulässig. Die Beklagte habe als Insolvenzgläubigerin die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wie auch die Zinsen habe die Beklagte als Verzugsschaden zu zahlen (Urteil vom 20.8.2015).

3

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von §§ 96 Abs 1 Nr 3, 129, 133, 142 Insolvenzordnung (InsO).

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. August 2015 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 23. November 2012 zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. August 2015 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der beklagten KK ist zulässig. Dies gilt auch bezüglich der geltend gemachten vorprozessualen Kosten und des Zinsanspruchs. Zwar erstreckt sich die Revisionsbegründung (§ 164 Abs 2 S 1 SGG)weder auf den Zinsanspruch noch auf den Verzugsschaden (zum Begründungserfordernis für jeden Streitgegenstand: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 9d mwN; Zeihe/Hauck, SGG, Stand 1. April 2015, § 164 Anm 21a Buchst bb mwN). Das fehlende Vorbringen ist aber unschädlich, weil die Entscheidung hierüber nach der Revisionsbegründung denknotwendig von der Entscheidung über den Hauptanspruch abhängt. Ist die den Hauptanspruch betreffende Revision begründet (dazu unten), gilt dies auch für die den Zinsanspruch und den Verzugsschaden betreffende Revision (zum Zinsanspruch BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 8; Leitherer aaO; Zeihe/Hauck, SGG, aaO, § 164 Anm 27e Buchst bb).

8

Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich des Hauptanspruchs über 3520,11 Euro im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Ob das LSG zu Recht das SG-Urteil aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 3520,11 Euro nebst Zinsen verurteilt hat, kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Die vom Kläger als Insolvenzverwalter (dazu 1.) erhobene (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) ist zulässig (dazu 2.). Ob der ursprünglich entstandene Anspruch der Gemeinschuldnerin gegen die beklagte KK auf Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (dazu 3.) durch Aufrechnung der Beklagten mit ihrem Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge trotz Anfechtung des Klägers erlosch, kann der Senat nicht endgültig entscheiden. Hierfür fehlen hinreichende Feststellungen des LSG (dazu 4.). Einen Anspruch auf Zahlung eines Verzugsschadens hat der Kläger nicht (dazu 5.).

9

1. Der Kläger ist als Insolvenzverwalter berechtigt, den Anspruch der Gemeinschuldnerin auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung iHv 3520,11 Euro einschließlich vermeintlicher Nebenrechte geltend zu machen. Nach § 80 Abs 1 InsO geht das Recht des Gemeinschuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über. Hieraus ergeben sich die eigenverantwortliche Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters sowie die Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Masse. Im Rechtsstreit tritt der Insolvenzverwalter im eigenen Namen für die Masse auf. Er ist - in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter - selbst Beteiligter (vgl entsprechend BSGE 46, 99 = SozR 7820 § 18 Nr 1, auch zur Prozessführungsbefugnis). Zur Insolvenzmasse rechnet das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (§ 35 Abs 1 InsO), mithin auch Forderungen auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung.

10

2. Die Klage ist als (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG)zulässig. Die Beklagte musste über den Anspruch auf Aufwendungsausgleich und seine Erfüllung nicht durch Verwaltungsakt entscheiden und hat dies auch nicht getan. Der Durchführung eines Vorverfahrens im Hinblick auf die Schreiben vom 26.7., 19.8., 20.9. und 5.10.2010 bedurfte es nicht. Weder die Mitteilungen über die Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen noch die gleichzeitig erfolgten Erklärungen der Aufrechnung sind Verwaltungsakte iS von § 31 SGB X.

11

Unabhängig von der - hier gegebenen (vgl § 51 Abs 1 Nr 8 SGG)- öffentlich-rechtlichen Natur eines Anspruchs steht einem Hoheitsträger der Verwaltungsakt, soweit er nicht ausdrücklich vorgesehen ist, nur zu Gebote, wenn der Träger dem Adressaten übergeordnet gegenübersteht (Subordinationsverhältnis; vgl BSG Urteil vom 8.9.2015 - B 1 KR 36/14 R - Juris RdNr 9 mwN, vorgesehen für SozR 4-2500 § 140 Nr 1). Dies ist im Verhältnis der Beklagten zum Kläger der Fall (vgl entsprechend BSG Urteil vom 31.5.2016 - B 1 KR 17/15 R - RdNr 20, vorgesehen für BSGE und SozR). Die KK entscheidet jedoch regelmäßig - abgesehen von Fällen einer klar in die Form eines Verwaltungsakts gekleideten Entscheidung - über die Gewährung des Aufwendungsausgleichs und zugleich die Erfüllung dieses Anspruchs nicht durch förmlichen Verwaltungsakt, wenn sie den Erstattungsbetrag auf ein Konto des Arbeitgebers überweist, dem Beitragskonto des Arbeitgebers gutschreibt (vgl BSG SozR 3-7860 § 11 Nr 1 S 12) oder - wie hier - mit noch nicht erfüllten Umlage- oder Beitragsansprüchen aufrechnet (vgl § 6 Abs 2 Nr 1 Aufwendungsausgleichsgesetz; ebenso bereits zu den §§ 10 ff Lohnfortzahlungsgesetz BSG SozR 3-7860 § 11 Nr 1 S 9 f und S 13). Die Erstattung im U1- und U2-Verfahren stellt sich regelmäßig als schlichtes Verwaltungshandeln dar. Es beinhaltet ein auf die Arbeitgeberangaben gestütztes und auf bloße Plausibilitätsprüfung ausgerichtetes Verfahren, das nicht in eine der Bestandskraft fähige verbindliche Entscheidung über den Erstattungsanspruch des Arbeitgebers mündet (vgl BSG Urteil vom 31.5.2016 - B 1 KR 17/15 R - RdNr 12, vorgesehen für BSGE und SozR). In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber unmittelbar auf Leistung klagen, wenn er etwa von der Unwirksamkeit oder Unvollständigkeit der Erfüllung ausgeht.

12

So liegt der Fall hier. Die Beklagte entschied über die Arbeitgeberaufwendungen nicht durch Verwaltungsakt. Soweit sie mit mehreren Schreiben die Höhe der zu zahlenden Arbeitgeberaufwendungen mitteilte, diente dies lediglich dazu, insbesondere die Höhe der von ihr aufgerechneten Beträge zu begründen. Hätte die Beklagte durch Verwaltungsakt über die Anträge der Gemeinschuldnerin auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen entscheiden wollen, hätte sie dies - wie auch bei der Aufrechnung (dazu gleich) - eindeutig zum Ausdruck bringen müssen.

13

Auch die Aufrechnung erfolgte nicht durch Verwaltungsakt, sondern durch Willenserklärung. Das gesetzliche Regelungskonzept des AAG lässt Entscheidungen der KK durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung wie die Aufrechnung zu (vgl hierzu auch BSG Urteil vom 31.5.2016 - B 1 KR 17/15 R - RdNr 14, für BSGE und SozR vorgesehen). Dies harmoniert mit den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung des Großen Senats des BSG zur Verrechnung. Danach "darf" ein Sozialleistungsträger die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten ausgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Geldleistungen nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt regeln(BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4). Die Verrechnung kann danach auch durch Willenserklärung erfolgen. Nichts anderes gilt für die Aufrechnung. Die Verrechnung ist eine besondere Form der Aufrechnung (BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 38; BSGE 67, 143, 155 f = SozR 3-1200 § 52 Nr 1 S 15; BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 14; BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 16). Mit Ausnahme des Gegenseitigkeitserfordernisses müssen bei einer Verrechnung nach § 52 SGB I alle Voraussetzungen der Aufrechnung nach § 51 SGB I vorliegen.

14

Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung anderer oberster Gerichtshöfe zur Aufrechnung, wonach die Aufrechnungserklärung die rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts und für sich allein kein Verwaltungsakt ist (BGH Beschluss vom 22.3.2004 - NotZ 16/03 - NJW-RR 2004, 1432 ff; BVerwGE 66, 218, 220; BVerwGE 132, 250; BFHE 149, 482, 489 f; BFHE 178, 306). Die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des Rechtsverhältnisses. Die Aufrechnung mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche nach dem AAG erfolgt nach § 51 SGB I, dessen Anwendung aus § 10 AAG folgt. Danach finden die für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Entsprechend anwendbar sind damit grundsätzlich die Vorschriften des Sozialgesetzbuches und sonstiger Gesetze, die Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften, die für die gesetzliche Krankenversicherung gelten, sowie die autonomen Rechtsnormen des jeweiligen Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung, so insbesondere das SGB I, SGB IV, SGB V und SGB X (Knorr/Krasney in Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung - Krankengeld - Mutterschaftsgeld, § 10 AAG RdNr 1, Stand November 2015). Aus dem SGB I finden dabei - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - ua die Vorschriften über die Grundsätze des Leistungsrechts Anwendung (Knorr/Krasney, aaO, § 10 AAG RdNr 2; Schmitt, EFZG/AAG, 7. Aufl 2012, § 10 AAG RdNr 6). Hierzu gehört auch die Regelung des § 51 SGB I, der eine spezifische Gestaltung von Beziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger ermöglicht. Die Erklärung der Aufrechnung nach § 51 SGB I enthält eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihrem Adressaten, dem Sozialleistungsempfänger, in dieser Form ihrer Art nach zusteht. Die Verwaltung bedarf zum Erlass des Verwaltungsaktes zum Zwecke der Aufrechnung keiner über § 51 SGB I hinausgehenden Ermächtigung(vgl zur Verrechnung BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 15). Die bezeichneten Entscheidungen des BGH, des BVerwG und des BFH beruhen hingegen auf anderen Rechtsgrundlagen und sind nicht zu den einschlägigen sozialrechtlichen Vorschriften ergangen.

15

Die Beklagte erklärte die Aufrechnung nicht durch Verwaltungsakt. "Darf" die Aufrechnung durch Verwaltungsakt erklärt werden und will der Leistungsträger bewusst von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, muss er dies besonders zum Ausdruck bringen. Allein die Schriftlichkeit der Erklärung genügt nicht. Vielmehr muss die Behörde unmissverständlich zeigen, dass sie nicht nur eine Willenserklärung abgeben, sondern eine Entscheidung zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts treffen will, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Hieran fehlt es. Zu Recht führt das LSG in diesem Zusammenhang aus, dass die Beklagte in ihren Schreiben vom 5.10., 20.9., 19.8. und 26.7.2010 an die Insolvenzschuldnerin nicht zum Ausdruck gebracht habe, dass sie hoheitlich in der Form eines Verwaltungsaktes eine Regelung treffen wolle. Dort bat sie ausdrücklich "um Verständnis", dass die Erstattungsansprüche der Gemeinschuldnerin vollständig mit den offenen Beiträgen, Säumniszuschlägen und Mahnkosten verrechnet wurden. Sie machte damit deutlich, dass sie sich nicht der hoheitlichen Handlungsform eines Verwaltungsaktes bedienen wollte. Sie bezeichnete das Schreiben, mit dem sie die Aufrechnung erklärte, auch nicht als "Bescheid" und versah es nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung.

16

3. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Zahlungsanspruchs auf Erstattung getätigter Aufwendungen ist die Regelung des § 1 Abs 1 AAG(vom 22.12.2005 mWv 1.1.2006, BGBl I 3686) und § 9 Abs 2 AAG(idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007 mWv 1.4.2007, BGBl I 378) iVm mit der Satzung der Beklagten. Nach § 1 Abs 1 AAG erstatten die KKn mit Ausnahme der landwirtschaftlichen KKn den Arbeitgebern, die in der Regel ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten nicht mehr als 30 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigen, auf deren Antrag(§ 2 Abs 2 S 1 AAG) 80 Prozent (1.) des für den in § 3 Abs 1 und 2 AAG und den in § 9 Abs 1 Entgeltfortzahlungsgesetz bezeichneten Zeitraum an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fortgezahlten Arbeitsentgelts, (2.) der auf die Arbeitsentgelte nach der Nummer 1 entfallenden von den Arbeitgebern zu tragenden Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit und der Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung und nach § 172 Abs 2 SGB VI sowie der Beitragszuschüsse nach § 257 SGB V und nach § 61 SGB XI(sog U1-Verfahren, vgl § 1 Abs 3 AAG).

17

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Höhe nach beträgt der Erstattungsanspruch 3520,11 Euro. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Eine nähere Prüfung des erkennenden Senats erübrigt sich insoweit (vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zB BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 7 RdNr 10 und BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 15 zum Vergütungsanspruch des Apothekers; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 4 RdNr 8 zum Anspruch auf Krankenhausvergütung).

18

4. Ob der Erstattungsanspruch dadurch erlosch, dass die Beklagte mit rückständigen Beitragsansprüchen die Aufrechnung erklärte, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Die Aufrechnung war zunächst zulässig (dazu a). Sie verlor ihre Wirkung mit der Insolvenzeröffnung aufgrund der Anfechtung des Klägers nur dann, wenn die Beklagte die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangte. Hierzu fehlen ausreichende Feststellungen des LSG (dazu b).

19

a) Die Beklagte durfte zunächst nach den allgemeinen, durch die Regelung des § 6 Abs 2 AAG nur eingeschränkten Grundsätzen des entsprechend anzuwendenden bürgerlichen Rechts durch ihre Willenserklärung aufrechnen. Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 BGB). Die Aufrechnung war nicht durch die Regelung des § 6 Abs 2 AAG ausgeschlossen. Danach dürfen gegen Erstattungsansprüche nach dem AAG ua (nur) Ansprüche aufgerechnet werden auf Zahlung von Umlagebeträgen, Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und solche Beiträge, die die Einzugsstelle für andere Träger der Sozialversicherung und die Bundesagentur für Arbeit einzuziehen hat. Die Beklagte rechnete mit einem die Höhe des Erstattungsanspruchs übersteigenden Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge der Gemeinschuldnerin auf.

20

Der Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin nach dem AAG und der von der Beklagten aufgerechnete Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge waren gegenseitig und gleichartig (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 16), der Anspruch auf Beitragszahlung war fällig und der Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin erfüllbar.

21

b) Die Aufrechnung verlor mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 96 Abs 1 Nr 3 InsO ihre Wirkung, wenn die Beklagte die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangte. § 96 Abs 1 Nr 3 InsO schränkt die grundsätzlich zulässige Möglichkeit aufzurechnen(§ 94 InsO) ein. Der Insolvenzverwalter hat rechtswahrend keine Anfechtungsklage zu erheben (ihr fehlte das Rechtsschutzbedürfnis), sondern kann sich unmittelbar - wie der Kläger - auf die Unwirksamkeit der Aufrechnung (§ 96 Abs 1 Nr 3 InsO) berufen (dazu aa). Als anfechtbare Rechtshandlungen kommen vorliegend die Entgeltfortzahlungen der Gemeinschuldnerin an ihre erkrankten Mitarbeiter im umfassenden Sinne in Betracht (dazu bb). Dazu, dass die Entgeltfortzahlungen der Gemeinschuldnerin anfechtbar waren, hat das LSG keine ausreichenden Feststellungen getroffen (dazu cc).

22

aa) Die gläubigerbenachteiligende Wirkung, die mit der Herstellung einer Aufrechnungslage eintritt, kann selbstständig angefochten werden. Der Insolvenzverwalter kann auf diese Weise die Wirkungen der Anfechtung auf die Herstellung der Aufrechnungslage beschränken und die Forderung der Masse, gegen die aufgerechnet worden ist, durchsetzen, als sei die Aufrechnung nicht erfolgt. Dies setzt aber nicht voraus, dass der Insolvenzverwalter eine (gesonderte) Anfechtungsklage erheben muss. Er kann vielmehr - wie hier - die Forderung der Masse unmittelbar geltend machen und dem Erfüllungseinwand (durch Aufrechnung) die Unwirksamkeit der Aufrechnung nach § 96 Abs 1 Nr 3 InsO entgegenhalten(BGHZ 159, 388). Nur ergänzend weist der erkennende Senat darauf hin, dass der Insolvenzverwalter auch im Falle einer Aufrechnung durch Verwaltungsakt die Leistung des zu erstattenden Aufwendungsausgleichs an die Masse einklagen könnte, wenn die Aufrechnung insolvenzrechtlich unwirksam ist (zur beschränkten, bloß insolvenzrechtlichen Wirkung der Unwirksamkeit vgl BGHZ 169, 158 RdNr 17, 22).

23

bb) Der Begriff der Rechtshandlung entspricht demjenigen in §§ 129, 130 und 131 InsO. Er ist weit auszulegen. Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene Handeln, das rechtliche Wirkungen auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann (BGHZ 170, 196 RdNr 10; BGH Urteil vom 12.2.2004 - IX ZR 98/03 - WM 2004, 666, 667; BGH Urteil vom 9.7.2009 - IX ZR 86/08 - ZIP 2009, 1674, 1675; BGH Urteil vom 22.10.2009 - IX ZR 147/06 - NZI 2010, 17 = Juris RdNr 14; BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 62, RdNr 25; MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, 3. Aufl 2013, § 96 RdNr 29a). Dazu zählen nicht nur Willenserklärungen als Bestandteile von Rechtsgeschäften aller Art und rechtsgeschäftsähnliche Handlungen, sondern auch Realakte, denen das Gesetz Rechtswirkungen beimisst. Für die - hier im Streit stehende, allein zu erwägende - Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) kommen Rechtshandlungen des Schuldners, des Gläubigers oder eines beliebigen Dritten im weiteren Sinne, also jedes Geschäft in Betracht, das zum anfechtbaren Erwerb einer Gläubiger- oder Schuldnerstellung führt (BGHZ 179, 137 RdNr 12). Eine bewusste oder zielgerichtete Herbeiführung der (anfechtbaren) Wirkung der Rechtshandlung ist nicht erforderlich (BGH Urteil vom 12.2.2004 - IX ZR 98/03 - NJW 2004, 1660, 1661; MünchKomm-InsO/Kayser, aaO, § 129 RdNr 7, 22). Handlungen des Schuldners, wie hier Leistungen der Entgeltfortzahlung nebst Beiträgen der Gemeinschuldnerin, können eine anfechtbare Rechtshandlung iS von § 129 InsO darstellen, durch die das Schuldnervermögen belastet wird(vgl entsprechend zB BGH Urteil vom 22.10.2009 - IX ZR 147/06 - WM 2009, 2394 RdNr 16 ff; BFHE 232, 290, unter Aufgabe abweichender Rspr). Aufrechnungslagen können nach diesen Grundsätzen ganz ohne Zutun des Gläubigers in anfechtbarer Weise entstehen. Eine solche Konstellation ist hier gegeben, soweit die Aufrechnungslage in anfechtbarer Weise entstand.

24

Maßgeblich ist hierfür der Zeitpunkt, in dem das Gegenseitigkeitsverhältnis durch die Verknüpfung der gegenseitigen Forderungen begründet wurde (vgl § 140 Abs 1 InsO; BGHZ 174, 297, 299 f; BGH Urteil vom 14.2.2013 - IX ZR 94/12 - ZIP 2013, 588 RdNr 11; Fischer, WM 2008, 1, 4). So kommt es zB bei einer Werklohnforderung des Schuldners darauf an, wann diese durch Erbringung der Leistung werthaltig geworden ist. Sie wird regelmäßig erst dann werthaltig, wenn der Schuldner die von ihm geschuldete Leistung erbringt; auf den Zeitpunkt der Rechnungstellung kommt es dagegen nicht an (vgl BGH Urteil vom 14.2.2013 - IX ZR 94/12 - ZIP 2013, 588 RdNr 12). In diesem Sinne stellt die Rechtsprechung des BFH bei der Aufrechnung gegen eine Erstattungsforderung darauf ab, wann der Rechtsanspruch auf Erstattung kraft Gesetzes entstanden ist, ohne dass noch eine weitere Rechtshandlung eines Beteiligten erforderlich ist (vgl BFHE 233, 114 = BStBl II 2011, 822; BFH Urteil vom 18.8.2015 - VII R 29/14 - BFH/NV 2016, 87 RdNr 17). Hierbei sieht der BFH den Umstand, dass der Betroffene sein den Erstattungsanspruch auslösendes Recht geltend machen muss, als unschädlich an, ebenso das Erfordernis einer bloßen Antragstellung (vgl BFH Urteil vom 18.8.2015 - VII R 29/14 - BFH/NV 2016, 87 RdNr 17 und BFH Beschluss vom 21.3.2014 - VII B 214/12 - BFH/NV 2014, 1088, zum Antrag auf Investitionszulage). Soweit der 6. Senat des BSG für vertrags(zahn)ärztliche Honorarforderungen auf einen noch früheren Zeitpunkt als die Anspruchsentstehung abstellt (Abrechnung der Leistungen gegenüber der K(Z)ÄV als Erlangung einer dem Anwartschaftsrecht aus einem bedingten Rechtsgeschäft vergleichbaren Rechtsposition, vgl BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 31; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 81 RdNr 32, auch für BSGE 118, 30 vorgesehen), trägt dies Besonderheiten des Vertragsarztrechts Rechnung.

25

Nach diesen Grundsätzen ist die Entgeltfortzahlung der Gemeinschuldnerin an ihre erkrankten Mitarbeiter einschließlich der einbezogenen Beitragsentrichtung die maßgebliche Rechtshandlung. Mit der Entgeltfortzahlung in diesem Sinne entsteht nämlich der Anspruch nach dem AAG (§ 2 Abs 2 S 2 AAG; zuvor im gleichen Sinne bereits § 10 Abs 4 LFZG aF; vgl zum LFZG bereits sinngemäß BSG Urteil vom 9.9.1981 - 3 RK 51/80 - USK 81143; BSG SozR 3-7860 § 11 Nr 1; Schmitt, aaO, § 6 AAG RdNr 4). Der Antrag nach § 2 Abs 2 S 1 AAG hat keine konstitutive Wirkung. Grundsätzlich wird der Anspruch bereits mit der Entgeltfortzahlung fällig (Schmitt, aaO, § 2 AAG RdNr 12; Knorr/Krasney, aaO, § 2 AAG RdNr 18). Es ist nach den aufgeführten Grundsätzen ohne Belang, dass der Arbeitgeber mit seinem Antrag seine Forderung - wie bei einer spezifizierten Rechnung - geltend machen muss, damit die KK sie bezahlen kann.

26

cc) Es steht nicht fest, dass die Beklagte die Möglichkeit der Aufrechnung infolge der Entgeltfortzahlung der Gemeinschuldnerin anfechtbar erlangte. Hierfür müssen sämtliche Merkmale einer anfechtbaren Handlung erfüllt sein. Denn § 96 Abs 1 Nr 3 InsO nimmt auf die allgemeinen Vorschriften über die Insolvenzanfechtung(§§ 129 ff InsO) Bezug. Zwar steht hierzu fest, dass die Begründung der Aufrechnungslage zu einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger (dazu (1)) und zu einer inkongruenten Deckung führte (dazu (2)). Es fehlt aber an Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen der Anfechtbarkeit (dazu (3)).

27

(1) Die Entgeltfortzahlung der Gemeinschuldnerin bewirkte eine für die Anfechtbarkeit erforderliche Benachteiligung der Insolvenzgläubiger durch die Rechtshandlung (§ 129 Abs 1 InsO). Hierbei sind die Folgen der Aufrechnung einzubeziehen. Die Regelung des § 96 Abs 1 Nr 3 InsO will nämlich die Masse gerade vor dem durch die Aufrechnung entstehenden Vermögensverlust schützen(BGH Beschluss vom 7.5.2009 - IX ZR 22/08 - Juris RdNr 3). Die Begründung der Aufrechnungsmöglichkeit benachteiligte die Gläubigergesamtheit schon deshalb, weil durch die Aufrechnung die Forderung der Masse in deren Umfang zur Befriedigung einer einzelnen Insolvenzforderung verbraucht wird und insoweit nicht mehr für die Verteilung zur Verfügung steht (MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, aaO, § 96 RdNr 29c mwN).

28

(2) Die Begründung der Aufrechnungslage führte mit Blick auf die allein in Betracht kommende Deckungsanfechtung (§ 130 Abs 1 S 1 Nr 1, § 131 Abs 1 InsO) zu einer inkongruenten Deckung iS des § 131 Abs 1 InsO. Anfechtbar ist danach unter weiteren Voraussetzungen eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Ob die Begründung der Aufrechnungslage zu einer kongruenten (§ 130 InsO) oder einer inkongruenten Deckung (§ 131 InsO) führt, richtet sich danach, ob der Aufrechnende einen Anspruch auf Abschluss der Vereinbarung hatte, welche die Aufrechnungslage entstehen ließ, oder ob dies nicht der Fall war (stRspr, vgl zB BGHZ 147, 233, 240; 159, 388, 395 f; BGH Urteil vom 9.10.2003 - IX ZR 28/03 - WM 2003, 2458, 2459). Nach Wortlaut, Regelungssystem und Zweck der Vorschrift des § 131 Abs 1 InsO ist die Herstellung einer Aufrechnungslage inkongruent, soweit die Aufrechnungsbefugnis sich nicht aus dem zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger zuerst entstandenen Rechtsverhältnis ergibt(ebenso zB BGHZ 147, 233, 240; BGH Urteil vom 9.2.2006 - IX ZR 121/03 - NJW-RR 2006, 1062; BFHE 232, 290 RdNr 34; BGH Urteil vom 12.3.2015 - IX ZR 5/13 - Juris). So liegt der Fall hier. Die Beklagte hatte einen Anspruch auf Begleichung rückständiger Beiträge durch Zahlung. Auf die Verschaffung der Gelegenheit, die eigenen Forderungen im Wege der Aufrechnung zu decken, hatte die Beklagte ursprünglich - jedenfalls in Bezug auf die älteren Forderungen - keinen Anspruch.

29

Danach greift auch der Einwand der Beklagten nicht durch, es hätten Bargeschäfte (§ 142 InsO)vorgelegen. Dies ist bei inkongruenten Deckungen ausgeschlossen. Ein Bargeschäft setzt eine Vereinbarung zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner über die beiderseits zu erbringenden Leistungen voraus, die im Fall einer inkongruenten Deckung - einer Leistung, die so nicht geschuldet war (§ 131 Abs 1 InsO) - gerade fehlt (stRspr, vgl zB BGHZ 150, 122, 130; BGH Urteil vom 10.5.2007 - IX ZR 146/05 - WM 2007, 1181 RdNr 10; BGH Urteil vom 11.2.2010 - IX ZR 104/07 - DB 2010, 945 RdNr 29; BAG Urteil vom 24.10.2013 - 6 AZR 466/12 - AP Nr 2 zu § 131 InsO RdNr 37 f mwN).

30

(3) Es fehlt an hinreichenden Feststellungen des LSG zu den weiteren Voraussetzungen der Anfechtbarkeit. Neben der inkongruenten Deckung setzt § 131 Abs 1 InsO voraus, dass die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist(Nr 1), die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war (Nr 2) oder die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, dass sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte (Nr 3).

31

Der Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 13 InsO) wurde nach den den Senat bindenden, nicht angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) am 21.10.2010 gestellt. Die Monats- bzw die Dreimonatsfrist beginnt jeweils mit dem Anfang des Tages, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht eingegangen ist (§ 139 Abs 1 InsO), hier am 21.7. oder am 21.9.2010. Dass die Entgeltfortzahlungen der Gemeinschuldnerin innerhalb der genannten Fristen erfolgten, hat das LSG nicht festgestellt. Zweifel bestehen insbesondere hinsichtlich des nach Aktenlage am 15.7.2010 gestellten (ersten) Antrags auf Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen (649,60 Euro erstattungsfähige Aufwendungen). Die erforderlichen Feststellungen wird das LSG nachzuholen haben.

32

Soweit nach den nachzuholenden Feststellungen des LSG § 131 Abs 1 Nr 1 InsO zur Anwendung gelangt, ist der Anfechtungstatbestand unabhängig davon gegeben, dass die Gemeinschuldnerin bei der Entgeltfortzahlung zahlungsunfähig war. Erfolgten eine oder mehrere Entgeltfortzahlungen innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag, wird das LSG zu prüfen haben, dass die Gemeinschuldnerin zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig oder der Beklagten zu diesem Zeitpunkt die Gläubigerbenachteiligung bekannt war.

33

Das LSG hat - ohne sich auf einen konkreten Anfechtungstatbestand zu stützen - lediglich ausgeführt, dass der Beklagten im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung gescheiterte Zwangsvollstreckungsversuche bekannt gewesen seien. Damit sei der Beklagten ebenfalls bekannt, dass die Insolvenzschuldnerin sich in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befunden habe. Sie sei somit "bösgläubig" iS von §§ 130 ff InsO gewesen. Die Kenntnis von gescheiterten Zwangsvollstreckungsversuchen ersetzt indes nicht die Feststellung, dass die Gemeinschuldnerin zahlungsunfähig war oder der Beklagten die Gläubigerbenachteiligung bekannt war. Zwar sind erfolglose Zwangsvollstreckungsversuche ein Anhaltspunkt für die Zahlungsunfähigkeit, denknotwendig ist dies aber nicht. Denn die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung kann auch auf anderen Gründen beruhen.

34

Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten Insolvenzrecht, auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts nach § 17 InsO(vgl BGH Beschluss vom 13.6.2006 - IX ZB 238/05 - WM 2006, 1631 RdNr 6). Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit iS des § 17 Abs 2 S 1 InsO kann eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden. Eine solche Liquiditätsbilanz ist im Anfechtungsprozess jedoch entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs 2 S 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet (vgl zB BGHZ 149, 178, 184 f; BGH Urteil vom 21.6.2007 - IX ZR 231/04 - WM 2007, 1616 RdNr 27). Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (BGHZ 149, 178, 184 f). Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen (BGH Urteil vom 21.6.2007 - IX ZR 231/04 - WM 2007, 1616 RdNr 28). Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus (BGH Urteil vom 20.12.2007 - IX ZR 93/06 - WM 2008, 452 RdNr 21 mwN). Das gilt selbst dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen (BGH Urteil vom 11.2.2010 - IX ZR 104/07 - WM 2010, 711 RdNr 42; vgl zum Ganzen auch BGH Urteil vom 30.6.2011 - IX ZR 134/10 - WM 2011, 1429 RdNr 10 mwN).

35

Das LSG hat nicht festgestellt, dass die Zwangsvollstreckungsversuche einen erheblichen Teil der fälligen Verbindlichkeiten betrafen. Ebenso fehlen Feststellungen dazu, dass die Gemeinschuldnerin bei der Entgeltfortzahlung zahlungsunfähig war. Wie dargelegt kommt es dagegen nicht auf den Zeitpunkt der Aufrechnung an. Zudem ist nur diejenige Zahlungsunfähigkeit für die Deckungsanfechtung von Bedeutung, die auch noch bei der späteren Insolvenzeröffnung vorlag (MünchKomm-InsO/Kayser, aaO, § 130 RdNr 30 unter Hinweis auf RGZ 69, 254, 257; 100, 62, 65). Es fehlen Feststellungen des LSG, wann die erfolglosen Zwangsvollstreckungsversuche erfolgten, welchen Umfang sie - auch im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden - hatten und dass eine ggf für die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckungsversuche ursächliche Zahlungsunfähigkeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestand.

36

Ebenso fehlen Feststellungen des LSG zur positiven Kenntnis der Beklagten über die Gläubigerbenachteiligung. Die "Bösgläubigkeit" ersetzt die Kenntnis jedenfalls nicht. Zwar steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen (§ 131 Abs 2 S 1 InsO). Umstände, die "zwingend" auf eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger schließen lassen, hat das LSG jedoch nicht festgestellt. Zudem ist nicht die Kenntnis zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung maßgebend. Erforderlich ist vielmehr die Kenntnis zum Zeitpunkt der anfechtbaren Rechtshandlung, also der jeweiligen Leistung von Entgeltfortzahlung (vgl auch BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 62, RdNr 28).

37

5. Dem Kläger kann bei einem nach erneuter Entscheidung des LSG unterstellten Erfolg seines Antrags auf Zahlung von 3520,11 Euro ein Zinsanspruch nur nach § 44 SGB I zustehen. Nach § 44 Abs 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit(dazu oben) bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 vH zu verzinsen. Die Anwendung des § 44 SGB I folgt aus § 10 AAG(s dazu oben RdNr 14 zur Anwendung von § 51 SGB I).

38

Einen weitergehenden Zinsanspruch hat der Kläger nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG existiert im Bereich des Sozialrechts keine allgemeine Pflicht zur Verzinsung von (rückständigen) Geldleistungen. Soweit das Gesetz eine Zinszahlung nicht ausdrücklich anordnet (etwa § 27 Abs 1 SGB IV und § 44 SGB I), verbleibt deshalb kein Raum für Verzugs- oder Prozesszinsen nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften (BSGE 49, 227, 228 = SozR 1200 § 44 Nr 2; BSGE 55, 40, 45 = SozR 2100 § 27 Nr 2; BSG SozR 2100 § 27 Nr 3; BSGE 56, 116, 118 mwN = SozR 1200 § 44 Nr 10; BSGE 71, 72, 76 f = SozR 3-7610 § 291 Nr 1 S 5 f mwN). Eine analoge Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über Verzugs- und Prozesszinsen hat das BSG abgelehnt (BSGE 55, 40, 44 f = SozR 2100 § 27 Nr 2; BSG SozR 2100 § 27 Nr 3; BSG SozR 1300 § 61 Nr 1; BSGE 56, 116 ff = SozR 1200 § 44 Nr 10 und BSGE 95, 141 RdNr 24 ff = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 32 ff zur Verzinsung rückständiger Honorarforderungen; vgl aber BSG SozR 2200 § 405 Nr 12 betreffend den Beitragszuschuss des Arbeitgebers; BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 bei Geldforderungen aus Rechtsbeziehungen zwischen KK und Krankenhaus wegen § 69 S 3 SGB V aF; BSGE 114, 36 = SozR 4-2500 § 130a Nr 9 bei Leistungsbeschaffungsbeziehungen von KKn nach § 69 S 3 SGB V aF).

39

Ebenso wenig hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden. Eine Anwendung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften scheidet auch insoweit aus. Aus der oben dargestellten Systematik des Gesetzes ergibt sich, dass im Recht der Sozialversicherung - außer in den vom Gesetz selbst genannten Fällen - nur der den Gegenstand der eigentlichen Leistung bildende Betrag, nicht aber zusätzliche Leistungen wie Verzugszinsen (dazu oben) oder ein sonstiger Verzugsschaden oder andere durch rechtswidriges Handeln der Verwaltung ausgelöste Aufwendungen geschuldet werden (BSG SozR Nr 3 zu § 1424 RVO = Juris RdNr 14; vgl auch BSGE 55, 92, 94 = SozR 1300 § 63 Nr 1, wonach Kosten eines Verwaltungsverfahrens betreffend die Rücknahme eines Verwaltungsaktes nicht zu erstatten sind). Das Sozialversicherungsrecht enthält insoweit eine spezielle und erschöpfende Regelung der Verzugsfolgen, die es ausschließt, die Vorschrift des § 286 BGB auf Ansprüche aus dem AAG zu übertragen (vgl auch BSG SozR Nr 7 zu Art 2 § 34 ArVNG RdNr 19; vgl aber BSG SozR 3-1300 § 61 Nr 1 für den Bereich des öffentlich-rechtlichen Vertrages; BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 bei Rechtsbeziehungen zwischen KK und Krankenhaus wegen § 69 S 3 SGB V aF).

40

6. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten. Die Kostenentscheidung wird das LSG nach § 193 SGG zu treffen haben. Arbeitgeber sind in Streitigkeiten über die Erstattung von Aufwendungen für die Entgeltfortzahlung nach dem AAG Leistungsempfänger iS von § 183 SGG(zur Nichtanwendbarkeit des § 197a SGG vgl BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 3 RdNr 8 f; BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 9 RdNr 22-23). Dies gilt auch bei einer Klage des Insolvenzverwalters, weil er lediglich das Recht des Gemeinschuldners ausübt, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 13. August 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rückforderung erstatteter Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (U1-Verfahren).

2

Die Klägerin, eine Anstalt des öffentlichen Rechts nach sächsischem Landesrecht, nimmt Aufgaben nach dem Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien und dem Sächsischen Privatrundfunkgesetz wahr. Sie hat weniger als 30 Arbeitnehmer und unterliegt keiner Tarifbindung nach den für die Beschäftigten des Bundes, der Länder und der Gemeinden geltenden Tarifverträgen (im Folgenden kurz: "Tarifbindung / tarifgebunden"). Die Klägerin beantragte, die von ihr bei Betriebskrankenkassen (BKKn) versicherten Arbeitnehmern in den Jahren 2006 bis 2008 geleistete Entgeltfortzahlung zu erstatten (Anträge vom 22.12.2006, 17.1.2007, 7.1.2008 und 23.4.2009). Der Rechtsvorgänger des beklagten BKK-Landesverbandes Mitte (bis 31.12.2009 BKK-Landesverband Ost; im Folgenden einheitlich: der Beklagte) erstattete der Klägerin daraufhin 9149,18 Euro. Später "lehnte" der Beklagte alle "Anträge ab" und forderte von der Klägerin 9149,18 Euro zurück (Bescheid vom 10.8.2009, Widerspruchsbescheid vom 8.12.2009), weil die Klägerin als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts nicht erstattungsberechtigt sei. Das SG hat die Bescheide aufgehoben und den Beklagten zur Zahlung weiterer 71,16 Euro verurteilt. Nur tarifgebundene Anstalten des öffentlichen Rechts seien vom Erstattungsverfahren für geleistete Entgeltfortzahlung ausgeschlossen (Urteil vom 30.6.2011). Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG die Klage abgewiesen: Die Klägerin sei als Anstalt des öffentlichen Rechts vom Erstattungsverfahren ausgenommen (§ 11 Abs 1 Nr 1 Aufwendungsausgleichsgesetz - AAG), auch wenn sie nicht tarifgebunden sei. Dem Beklagten stehe der Rückforderungsanspruch zu, ohne zu Zahlungen verpflichtet zu sein. Er habe die begehrten weiteren 71,16 Euro bereits auf den Antrag vom 23.4.2009 gezahlt und nun zu Recht zurückgefordert (Urteil vom 13.8.2014).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 11 Abs 1 Nr 1 AAG. Für dessen Auslegung sei maßgebend, dass erst die Tarifbindung, nicht schon die öffentlich-rechtliche Organisationsform die Fähigkeit des Arbeitgebers gewährleiste, die finanzielle Last der Entgeltfortzahlung zu tragen.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 13. August 2014 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 30. Juni 2011 zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 13. August 2014 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der klagenden Arbeitgeberin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat zu Recht das SG-Urteil aufgehoben sowie die Anfechtungsklage und die damit kombinierte Leistungsklage auf Zahlung von 71,16 Euro abgewiesen. Der beklagte BKK-Landesverband durfte über die Leistung und Rückforderung des Aufwendungsausgleichs an die Klägerin entscheiden (dazu 1.). Er stellte rechtmäßig das Fehlen seiner Ausgleichspflicht für die von der Klägerin geleistete Entgeltfortzahlung fest, denn er "lehnte" es rechtmäßig "ab", der Klägerin 9149,18 Euro zu erstatten (dazu 2.) und forderte zu Recht diesen bereits gezahlten Betrag zurück (dazu 3.). Die Klägerin kann die begehrte Zahlung weiterer 71,16 Euro nicht beanspruchen, denn dieser Betrag ist nach den unangegriffenen, den erkennenden Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG bereits Teil des ihr geleisteten und von ihr zurückgeforderten Erstattungsbetrags.

8

1. Der Beklagte ist dafür zuständig, über die Anträge der Klägerin auf Erstattung geleisteter Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung und deren Rückforderung zu entscheiden. Allerdings ist er als länderübergreifender Landesverband (vgl § 207 Abs 3 und 5 SGB V) der BKKn mit Sitz in Berlin, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (vgl www.bkkmitte.de, abgerufen am 27.4.2016) selbst keine Krankenkasse (KK). Träger des Ausgleichs von Arbeitgeberaufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit (AU) und in Mutterschaftsfällen sind grundsätzlich die KKn mit Ausnahme der landwirtschaftlichen KK (§ 1 Abs 1 AAG mWv 1.1.2006; zur bis zum 31.12.2005 geltenden Rechtslage vgl § 10 Abs 1 Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall - Lohnfortzahlungsgesetz vom 27.7.1969, BGBl I 946 nebst allen nachfolgenden Fassungen). Die KKn verwalten die hierfür vorgesehenen Mittel als Sondervermögen (§ 8 Abs 1 S 1 AAG). Die KKn dürfen aber durch Satzungsregelung (vgl § 9 Abs 2 Nr 5 AAG) die Durchführung der Verfahren über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen sowohl bei AU (§ 1 Abs 1 AAG, U1-Verfahren) als auch in Mutterschaftsfällen (§ 1 Abs 2 AAG, U2-Verfahren)auf eine andere KK oder einen KKn-Landes- oder Bundesverband übertragen (vgl § 8 Abs 2 S 1 AAG, bereits mWv 1.10.2005 gemäß Art 4 S 1 Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen und zur Änderung weiterer Gesetze vom 22.12.2005 ; vgl zum Ganzen BSG SozR 4-7862 § 9 Nr 3 RdNr 11). Die hier betroffenen BKKn (BKK Vereinigte Deutsche N.-Werke, BKK Energieverbund bis 31.12.2006 und nach deren Fusion an deren Stelle BKK Verbundplus seit 1.1.2007), deren Versicherte von der Klägerin Entgeltfortzahlung erhielten, haben nach dem Gesamtzusammenhang der insoweit unangegriffenen, den erkennenden Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG die Durchführung der U1- und U2-Verfahren in ihrer Satzung auf den Beklagten übertragen.

9

2. Der Beklagte stellte rechtmäßig das Fehlen seiner Leistungspflicht für die der Klägerin antragsgemäß erstattete Entgeltfortzahlung fest, indem er die Erstattungsanträge der Klägerin "ablehnte". Das folgt aus der sinngemäßen Auslegung dieser Entscheidung (dazu a). Der Beklagte entschied hierüber rechtmäßig (dazu b).

10

a) Die rechtliche Bedeutung der "Leistungsablehnung" nach antragsgemäßer Leistungsgewährung als Feststellung im dargelegten Sinne erschließt sich durch Auslegung unter Berücksichtigung des Regelungskontextes (zur Befugnis des Revisionsgerichts, den Verfügungssatz auszulegen, vgl BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 133 Nr 6 RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 76 Nr 3 RdNr 8 mwN). Der Beklagte entschied mit der "Leistungsablehnung" erstmals förmlich durch Verwaltungsakt über die Erstattungsanträge (dazu aa). Sinngehalt einer "Leistungsablehnung" nach antragsgemäßer Leistungsgewährung von Aufwendungsausgleich an einen Arbeitgeber für Entgeltfortzahlung ist die Feststellung, dass der Arbeitgeber den Anspruch nicht hat (dazu bb).

11

aa) Die Leistungsgewährung von Aufwendungsausgleich ohne Verwaltungsakt entspricht als Regelfall dem gesetzlichen Regelungsprogramm (dazu <1>). Ausnahmefälle, in denen von einer Gewährung aufgrund eines Verwaltungsakts auszugehen ist, erfordern eine formell klar hierauf gerichtete Entscheidung (dazu <2>). Der Beklagte leistete der Klägerin antragsentsprechend ohne Verwaltungsakt (dazu <3>).

12

(1) Schon die seit 1969 in den §§ 10 ff LFZG geregelte Erstattung im U1- und U2-Verfahren erfolgte regelmäßig durch schlichtes Verwaltungshandeln. Die KKn leisteten in der Regel gestützt auf die Arbeitgeberangaben und eine bloße Plausibilitätsprüfung (vgl Fröhlingsdorf, KrV 1969, 302, 308 f; Bucher, DOK 1969, 796, 799), ohne eine der Bestandskraft fähige verbindliche Entscheidung über den Erstattungsanspruch des Arbeitgebers zu erlassen. Eine nähere Überprüfung der Arbeitgeberangaben erfolgte nur stichprobenartig im Rahmen von Betriebs-prüfungen (Fröhlingsdorf, aaO, S 309; Bucher, aaO). Das Erstattungsverfahren war zudem von Anbeginn an eng mit der Umlage- und Beitragserhebung verbunden, da KKn mit geschuldeten Umlagebeträgen und Gesamtsozialversicherungsbeiträgen aufrechnen durften (§ 13 Abs 2 LFZG). Die KK konnte den Erstattungsbetrag zur Verrechnung mit künftig fällig werdenden Schulden dem Beitragskonto gutbringen (Bucher, aaO). Dieser vom LFZG gebilligten "Kontokorrent-Situation" (vgl BSG SozR 3-7860 § 11 Nr 1 S 12) entsprach es, die Rückforderung geleisteter Erstattung zuzulassen, ohne auf die Notwendigkeit der Aufhebung einer Bewilligungsentscheidung einzugehen (vgl zu § 11 Abs 2 LFZG BSG SozR 3-7860 § 11 Nr 1 S 12; s ferner Fischwasser, BArbBl 1969, 540, 543, der vom "Rückforderungsrecht" spricht).

13

An dieser Konzeption hielt der Gesetzgeber des LFZG und später des AAG mit den Regelungen über die Rückforderung der Erstattung (§ 4 Abs 2 AAG) und die Aufrechnung (§ 6 Abs 2 AAG) uneingeschränkt fest, auch nachdem das SGB X zum 1.1.1981 in Kraft trat (vgl nur Begründung des Entwurfs eines AAG und zur Änderung weiterer Gesetze, BT-Drucks 16/39 S 13, Zu § 4 und Zu § 6). Dementsprechend gehen die Gesetzesmaterialien (aaO) davon aus, dass der Arbeitgeber mit seinem materiell-rechtlich bestehenden Erstattungsanspruch uneingeschränkt gegenüber Forderungen der KK aufrechnen kann. Mittlerweile untermauert auch die neu eingeführte Pflicht der KKn, dem Arbeitgeber Abrechnungsdifferenzen zu melden, die gesetzliche Konzeption einer Leistung von Aufwendungsersatz ohne Verwaltungsakt (s § 2 Abs 2 S 3 und 4 AAG idF durch Art 6 Nr 1 Fünftes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze<5. SGB IV-ÄndG> vom 15.4.2015, BGBl I 583, mWv 1.1.2016). Danach hat die KK dem Arbeitgeber dann, wenn sie eine inhaltliche Abweichung zwischen ihrer Berechnung der Erstattung und dem Antrag des Arbeitgebers feststellt, diese durch Datenübertragung nach § 28a Abs 1 S 3 SGB IV unverzüglich "zu melden". Die Gesetzesbegründung zu dieser Neuregelung verdeutlicht, dass der Gesetzgeber weiterhin von einer Kontokorrent-Situation ausgeht (s Entwurf der Bundesregierung eines 5. SGB IV-ÄndG, BT-Drucks 18/3699 S 43). Danach könnten die Arbeitgeber ohne eine detaillierte inhaltliche Rückmeldung der Abweichungen diese nicht dem einzelnen Beschäftigten zuordnen, sodass die letztendlichen Verrechnungen und die Erstattungsanträge immer abweichende Beträge enthielten. Dies führe bei den Unternehmen zu erheblichem Aufwand im Einzelfall, um die tatsächlichen Erstattungsgrundlagen festzustellen. Durch eine Rückmeldung der KKn zu den festgestellten Abweichungen werde dieser Aufwand zukünftig vermieden. Die Ausführungen setzen stillschweigend voraus, dass die KKn regelmäßig davon absehen, über jede Erstattung durch Bewilligungsbescheid zu entscheiden.

14

(2) Von einer der Bestandskraft fähigen Bewilligungsentscheidung von Aufwendungsersatz ist ausnahmsweise erst dann auszugehen, wenn die zuständige Stelle (KK oder der KKn-Verband) hierüber eine schriftliche Entscheidung trifft, die schon nach ihrer äußeren Gestalt formell ein Verwaltungsakt ist. Das Erfordernis dient dazu, dem gesetzlichen Regelungskonzept zu folgen, die damit angestrebte Verwaltungspraktikabilität zu erreichen und eine rechtssichere Verwaltungspraxis zu gewährleisten. Es grenzt Entscheidungen, die zuständige Stellen als Verwaltungsakt gewollt und deshalb in Gestalt förmlicher schriftlicher Bescheide erlassen haben, klar von bloßen Meldungen über Abrechnungsdifferenzen (vgl § 2 Abs 2 S 3 und 4 AAG) beim "Dialogverfahren" im Rahmen der elektronischen Datenübermittlung ab (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines 5. SGB IV-ÄndG, BT-Drucks 18/3699 S 43). Hierbei kann es nicht darauf ankommen, ob die KK ergänzende Ausführungen zu den von ihr gewährten Leistungen elektronisch, in Papierform oder mündlich kommuniziert. Die KK entscheidet dementsprechend nicht mittels Verwaltungsakts, wenn sie unter Angabe des Zwecks kommentarlos leistet, sei es im Rahmen des "Beitrags-Kontokorrents" oder sei es schlicht durch Überweisung eines Betrags auf das Konto des Arbeitgebers. Das gesetzliche Regelungskonzept lässt zugleich Entscheidungen der KK durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung wie die Aufrechnung zu (vgl § 6 Abs 2 AAG).

15

Etwas anderes ergibt sich regelmäßig auch nicht daraus, dass das Gesetz ein besonderes Feststellungsverfahren der einbezogenen Arbeitgeber zulässt (§ 3 Abs 1 S 1 AAG; zur entsprechenden Regelung im LFZG vgl BSG SozR 7860 § 10 Nr 2 S 10). Die zuständige KK hat danach jeweils zum Beginn eines Kalenderjahrs festzustellen, welche Arbeitgeber für die Dauer dieses Kalenderjahrs an dem Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen nach § 1 Abs 1 AAG teilnehmen. Die Spitzenverbände der KKn vereinbaren gemeinsam und einheitlich Näheres über die Durchführung des Feststellungsverfahrens nach § 3 Abs 1 AAG, ab 1.7.2008 regelt der Spitzenverband Bund der KKn das Nähere (vgl § 3 Abs 3 AAG aF und idF durch Art 41 Nr 2 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378). Die Spitzenverbände der KKn haben in Umsetzung des § 3 Abs 3 AAG gemeinsam und einheitlich vereinbart, dass es einer förmlichen Feststellung über die Teilnahme eines Arbeitgebers am Ausgleichsverfahren der Arbeitgeberaufwendungen nach § 1 Abs 1 AAG grundsätzlich nicht bedarf(Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der KKn zum AAG vom 21.12.2005 idF vom 13.2.2006).

16

(3) Nach diesen Grundsätzen leistete der Beklagte auf die Anträge der Klägerin ohne Verwaltungsakt. Er überwies ihr insgesamt 9149,18 Euro ohne förmliche Bewilligungsentscheidung über Erstattungen von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung. Die Klägerin galt auch nicht kraft eines Festsetzungsbescheides als berechtigt, am Ausgleich der Arbeitgeberauf-wendungen für Entgeltfortzahlung teilzunehmen (§ 3 Abs 1 S 1 AAG). Weder der Beklagte noch ein anderer KKn-Verband noch eine sonstige KK erließen nach den unangegriffenen, den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG einen solchen Bescheid.

17

Es ist schließlich unerheblich, dass die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland im Zuge einer die Jahre 2003 bis 2005 erfassenden Betriebsprüfung der Klägerin die Nachzahlung von Umlagebeträgen zum U1-Verfahren auferlegte (Bescheid vom 13.3.2007). Diese Entscheidung betrifft schon formal einen anderen Zeitraum. Sie beinhaltet zudem keine Regelung über die Teilnahme der Klägerin am U1-Verfahren iS des § 3 Abs 1 S 1 AAG. Eine solche Entscheidung wäre den zuständigen KKn oder KKn-Verbänden vorbehalten.

18

bb) Der Sinn der "Leistungsablehnung" nach antragsgemäßer Leistungsgewährung von Aufwendungsausgleich an einen Arbeitgeber für Entgeltfortzahlung ohne förmliche Verwaltungsentscheidung liegt in der Feststellung, dass der Arbeitgeber den Anspruch nicht hat, auf den hin die Leistungsgewährung erfolgte. Die Feststellung ist Grundlage der Rückforderung des Geleisteten. Zwar würde es hierfür auch genügen, die Rückforderung bloß mit dem Fehlen des Anspruchs zu begründen. Eine eigenständige Feststellung ist andererseits nicht ausgeschlossen und bei förmlicher Entscheidung der zuständigen Stelle rechtlich auch gewollt. So liegt es hier.

19

b) Der Beklagte stellte rechtmäßig fest, dass er der Klägerin für die beantragte und erstattete Entgeltfortzahlung nicht leistungspflichtig war. Er war zur Entscheidung mittels Verwaltungsakts formal befugt (dazu aa) und materiell berechtigt (dazu bb bis ee).

20

aa) Der Beklagte ist gegenüber der Klägerin befugt, über ihre Anspruchsberechtigung für beantragten Aufwendungsersatz - und entsprechend über Rückforderungen, vgl dazu unten - durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Ein solcher Anspruch ist nämlich öffentlich-rechtlicher Natur (vgl § 51 Abs 1 Nr 8 SGG). Zudem besteht zwischen Beklagtem und Klägerin ein sozialversicherungsrechtsähnliches Subordinationsverhältnis (zum Erfordernis mangels ausdrücklicher Regelung vgl BSG Urteil vom 8.9.2015 - B 1 KR 36/14 R - Juris RdNr 9 mwN, vorgesehen für SozR 4-2500 § 140 Nr 1). Die für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften finden entsprechende Anwendung, soweit das AAG nichts anderes bestimmt (vgl § 10 AAG). Der Beklagte gewährt Arbeitgebern nach Maßgabe der Vorschriften des AAG im U1-Verfahren eine als Erstattung bezeichnete umlagefinanzierte Leistung. Sie ist unter Berücksichtigung ihres sozialen Schutzzwecks zugunsten der umlagepflichtigen Arbeitgeber einer Sozialversicherungsleistung angenähert. Dementsprechend sind auch in Rechtsstreiten über den Aufwendungsausgleich im U1- und im U2-Verfahren die Arbeitgeber als Leistungsempfänger zum Kreis der nach § 183 SGG kostenprivilegierten Beteiligten zu zählen(vgl BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 3 RdNr 8 f; BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 9 RdNr 22-23).

21

bb) Die Klägerin ist als öffentlich-rechtliche Anstalt vom Verfahren der Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung ausgeschlossen. Sie ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (vgl § 27 Abs 1 S 2 Sächsisches Privatrundfunkgesetz idF der Bekanntmachung vom 9.1.2001, SächsGVBl S 69, 684; ab 1.3.2007 idF durch Art 2 Nr 5 Gesetz zum Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung des Sächsischen Privatrundfunkgesetzes vom 24.1.2007, SächsGVBl S 17, iVm Bekanntmachung der Sächsischen Staatskanzlei über das Inkrafttreten von Staatsverträgen vom 21.6.2007, SächsGVBl S 300). Der Ausschluss öffentlich-rechtlich verfasster Rechtsträger greift nicht erst dann ein, wenn sie im og Sinne tarifgebunden sind. Sie sind schon kraft ihrer Rechtsform vom Ausgleichsverfahren (iS von § 1 Abs 1 AAG) ausgeschlossen (vgl § 11 Abs 1 Nr 1 AAG). Das folgt aus Wortlaut (dazu cc), Entwicklungsgeschichte (dazu dd), Regelungssystem und -zweck (dazu ee).

22

cc) Schon der klare Wortlaut des Gesetzes schließt alle öffentlich-rechtlichen Anstalten vom Verfahren der Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung aus, ohne zusätzlich auf ihre Tarifbindung abzustellen. Denn die öffentlich-rechtlichen Anstalten gehören zur zweiten der vier getrennten Gruppen von öffentlich-rechtlich geprägten Arbeitgebern, die die Regelung des § 11 Abs 1 Nr 1 AAG von der Anwendung des § 1 Abs 1 AAG ausnimmt. Nur für die dritte Gruppe ist die Tarifbindung entscheidend. Die Vorschrift bestimmt (Unterstreichungen nicht im Original): "§ 1 Abs. 1 ist nicht anzuwenden auf 1. den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie die Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen, die hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind, sowie die Verbände von Gemeinden, Gemeindeverbänden und kommunalen Unternehmen einschließlich deren Spitzenverbände (…)". Der Gesetzgeber wählte die Form des Fließtextes, in dem die nebenordnende Konjunktion "sowie" die jeweiligen Gruppen abgrenzt. Er lehnte sich damit eng an die Ursprungsfassung des § 18 Nr 1 LFZG aus dem Jahre 1969 an. Letztere ist - soweit hier von Interesse - im Wortlaut mit § 11 Abs 1 Nr 1 AAG fast identisch. Die neue Regelung hebt die gleichförmige Abgrenzung der Gruppen noch zusätzlich dadurch hervor, dass sie auch den die letzte Gruppe betreffenden Hauptsatzteil mit "sowie" einleitet, insoweit abweichend von § 18 Nr 1 LFZG (dort "und"). Damit bevorzugte der Gesetzgeber die Kontinuität im Wortlaut gegenüber einer moderneren rechtsförmlichen Gestaltung, bei der Gruppen etwa durch textgestaltende Aufzählungszeichen (zB Spiegelstriche) oder Nummerierungen mit eigenen Zeilenanfängen hervorgehoben sind (vgl Bundesministerium der Justiz , Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl 2008, RdNr 92 und 107).

23

dd) Die Entwicklungsgeschichte der Regelung bestätigt, dass sie alle öffentlich-rechtlichen Anstalten ungeachtet ihrer Tarifbindung vom Aufwendungsausgleich U1 ausschließen will. § 11 AAG übernimmt die entsprechenden bisherigen Regelungen des § 18 LFZG und passt diese an die neue Rechtslage an. Durch die Neufassung in Abs 1 werden die genannten Institutionen nur noch vom Verfahren "U1" ausgenommen (vgl zum Ganzen Entwurf der Bundesregierung eines AAG und zur Änderung weiterer Gesetze, BT-Drucks 16/39, S 14 Zu § 11). Bereits nach der Entstehungsgeschichte der Vorläufervorschrift des § 18 LFZG nahm der Gesetzgeber vier Arbeitgebergruppen mit jeweils eigenen Tatbestandsvoraussetzungen vom Umlageverfahren aus. Der nicht Gesetz gewordene Ursprungsentwurf aus der 4. Legislaturperiode (Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle - Lohnfortzahlungsgesetz - vom 7.12.1962, BT-Drucks IV/817) sah in § 19 (Ausnahmevorschriften) vor, dass die Regelungen über das Verfahren des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen keine Anwendung finden "1. auf den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts (…)". Diesen Wortlaut übernahm der Entwurf der Fraktion der CDU/CSU eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung in seinem Art 1 § 17(vgl BT-Drucks V/3985 S 4). Hingegen erweiterte Art 1 § 18 des Entwurfs der Fraktion der SPD zum gleichen Gesetzestitel(vgl BT-Drucks V/3983 S 4 f) den bisherigen Ausnahmetatbestand. Er ergänzte den ursprünglichen Gesetzentwurf um zwei weitere Fallgruppen der Ausnahmen ("sowie die Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen, die hinsichtlich der für die Arbeiter des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind, und die Verbände von Gemeinden, Gemeindeverbänden und kommunalen Unternehmen einschließlich deren Spitzenverbände"; vgl BT-Drucks V/3983 S 4 f). Dieser Entwurf wurde unverändert in das LFZG übernommen (vgl auch schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit <19. Ausschuss> zu BT-Drucks V/4285, Zu Art 1, S 4 Zu § 18).

24

ee) Auch System und Zweck der Ausnahmevorschrift des § 11 Abs 1 Nr 1 AAG sprechen dafür, dass sie alle öffentlich-rechtlichen Anstalten ungeachtet ihrer Tarifbindung vom Aufwendungsausgleich U1 ausschließen will. Sie bezweckt, solche Arbeitgeber vom U1-Verfahren ungeachtet der Größe ihrer Belegschaft auszunehmen, die aus generellen Gründen nicht zwingend schutzbedürftig sind. Dies betrifft nach Auffassung des Gesetzgebers gerade auch die Arbeitgeber im "Bereich des öffentlichen Dienstes" (vgl schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit, zu BT-Drucks V/4285, S 2 und S 3). Die Regelung des § 11 Abs 1 Nr 1 AAG will alle Arbeitgeber, die diesem Bereich nach einfach zu handhabenden formalen Kriterien zuzuordnen sind, von der Anwendung des AAG ausnehmen. Die Kriterien sind die Rechtsform (1. und 2. Gruppe), die Tarifbindung nach den für die Beschäftigten des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträgen (3. Gruppe) und eine spezifische Verbandsstruktur (4. Gruppe).

25

Es widerspräche dem Gesetzeszweck nachgerade, für die schon kraft Rechtsform zwingend ausgeschlossenen Rechtsträger noch eine qualifizierte Tarifbindung als zusätzliches Tatbestandsmerkmal vorzusehen. Dies wäre für die Gebietskörperschaften der 1. Gruppe überflüssig und würde bei der 2. Gruppe der sonstigen öffentlich-rechtlich verfassten Rechtsträger den Regelungszweck teilweise konterkarieren. Denn es wären dann ohne sachlichen Grund etwa als öffentlich-rechtliche Körperschaften verfasste Kirchen in das U1-Verfahren einbezogen, weil für diese nicht die Tarifverträge des Bundes, der Länder und Gemeinden kraft Tarifbindung gelten. Nach der Regelungsintention des Gesetzgebers sollen mit dem Erfordernis der Tarifbindung vielmehr zusätzlich nur solche Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen verwaltungspraktikabel erfasst werden, die zwar nicht nach ihrer Rechtsform, aber nach ihrer Tarifbindung dem öffentlichen Dienst zuzurechnen sind. Im Übrigen wäre es widersprüchlich und sinnwidrig, auch für die 1. Gruppe (Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände) und für die 2. Gruppe (sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts) zusätzlich für den Ausschlusstatbestand eine qualifizierte Tarifbindung zu verlangen, entsprechend dem Gesetzeswortlaut nicht aber für die 4. Gruppe (Verbände von Gemeinden, Gemeindeverbänden und kommunalen Unternehmen einschließlich deren Spitzenverbände).

26

3. Der Beklagte verpflichtete die Klägerin zu Recht, 9149,18 Euro erstattete Aufwendungen für Entgeltfortzahlung zurückzuerstatten. Wie oben dargelegt durfte der Beklagte das Geleistete formal mittels Verwaltungsakts zurückfordern. Er ist hierfür zuständig und befugt, mittels Verwaltungsakts zu handeln. Er wählte formal diese Handlungsform. Einer Aufhebung einer Bewilligung bedurfte es nicht, da der Beklagte der Klägerin ohne förmliche Bewilligungsentscheidung geleistet hatte. Rechtsgrundlage des Rückforderungsanspruchs des Beklagten ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch iVm § 4 Abs 2 AAG(dazu a). Dessen Voraussetzungen sind in voller Höhe von 9149,18 Euro erfüllt (dazu b).

27

a) Die Regelung des § 4 Abs 2 AAG setzt den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch als Rechtsgrundlage voraus, ergänzt ihn und formt ihn näher für die Rückforderung geleisteten Aufwendungsersatzes aus. Gleiches hat der erkennende Senat bereits zur wortgleichen Vorgängerregelung des § 11 Abs 2 LFZG entschieden(vgl BSG SozR 3-7860 § 11 Nr 1 S 10 f). Er führt diese Rechtsprechung unverändert für das AAG fort. Der Gesetzgeber des AAG übernahm im Wesentlichen die entsprechenden bisherigen Regelungen des § 11 LFZG. Bei den Änderungen handelt es sich lediglich um redaktionelle Anpassungen (vgl Begründung des Entwurfs der Bundesregierung eines AAG und zur Änderung weiterer Gesetze, BT-Drucks 16/39 S 13, Zu § 4).

28

Der im öffentlichen Recht auch ohne ausdrückliche Normierung seit langem anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 11 mwN). § 4 Abs 2 AAG setzt diesen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch als Rechtsgrundlage voraus(vgl entsprechend zu § 11 Abs 2 LFZG BSG SozR 3-7860 § 11 Nr 1 S 10 f) und ergänzt ihn um folgende Regelungen: "Die Krankenkasse hat Erstattungsbeträge vom Arbeitgeber insbesondere zurückzufordern, soweit der Arbeitgeber 1. schuldhaft falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat oder 2. Erstattungsbeträge gefordert hat, obwohl er wusste oder wissen musste, dass ein Anspruch nach § 3 Abs. 1 und 2 oder § 9 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes oder nach § 11 oder § 14 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes nicht besteht. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, dass er durch die zu Unrecht gezahlten Beträge nicht mehr bereichert sei. Von der Rückforderung kann abgesehen werden, wenn der zu Unrecht gezahlte Betrag gering ist und der entstehende Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig groß sein würde." Abgesehen von den Bagatellfällen hat die nach dem AAG zuständige Stelle danach jede ohne Rechtsgrund erfolgte Erstattungsleistung zwingend zurückzufordern. Diese eigene, abschließende Regelung des AAG geht den allgemeinen Vorschriften des § 50 SGB X vor(§ 37 S 1 SGB I) und schließt deren Anwendung aus (vgl zu § 11 Abs 2 LFZG BSG SozR 3-7860 § 11 Nr 1 S 11 ff). Der Arbeitgeber, der Leistungen des Aufwendungsausgleichs empfangen hat, kann sich nicht auf Vertrauensschutz wegen bloß einfacher Fahrlässigkeit oder Gutgläubigkeit berufen (vgl zu § 11 Abs 2 LFZG BSG SozR 3-7860 § 11 Nr 1 S 11 ff; im Ergebnis ebenso bereits Kaiser, LFZG, 1970, Art 1 § 11 RdNr 10). Die Einrede der Entreicherung in entsprechender Anwendung des § 818 Abs 3 BGB ist ausgeschlossen. Auch ist die Rückforderung nicht daran geknüpft, dass eine der in § 4 Abs 2 S 1 AAG ausdrücklich aufgeführten Fälle erfüllt ist. Mit der bewussten Einfügung des Wortes "insbesondere" in § 11 Abs 2 S 1 LFZG wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass neben den dort zwingend vorgeschriebenen Fällen die Rückforderung von Erstattungsbeträgen aus anderen Gründen nicht ausgeschlossen werden soll(vgl schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit <19. Ausschuss> zu BT-Drucks V/4285, Zu Art 1, S 4 Zu § 11; s ferner Fischwasser, BArbBl 1969, 540, 543).

29

b) Die Klägerin empfing nicht geringfügige Beträge von insgesamt 9149,18 Euro Aufwendungserstattung vom Beklagten ohne Rechtsgrund. Der Beklagte stellte rechtmäßig fest, dass sie hierauf keinen Anspruch hat - wie ausgeführt (vgl oben II. 2). Gründe wie etwa Verjährung (§ 6 Abs 1 AAG) oder Verwirkung, die der Geltendmachung des Anspruchs entgegenstehen könnten, sind nach den vom LSG getroffenen bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen weder ersichtlich noch von den Beteiligten dargetan.

30

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG(zur Nichtanwendbarkeit des § 197a SGG vgl BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 3 RdNr 8 f; BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 9 RdNr 22-23).

(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

1.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,
2.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten,
3.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
4.
in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit,
4a.
in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,
5.
in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,
6.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vorsehen,
6a.
in Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes,
7.
bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
8.
die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen,
9.
(weggefallen)
10.
für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

(2) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Satz 1 gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.

(3) Von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 ausgenommen sind Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Rechtsbeziehungen nach § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen.

(1) Die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkasse erstatten den Arbeitgebern, die in der Regel ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten nicht mehr als 30 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigen, 80 Prozent

1.
des für den in § 3 Abs. 1 und 2 und den in § 9 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes bezeichneten Zeitraum an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fortgezahlten Arbeitsentgelts,
2.
der auf die Arbeitsentgelte nach der Nummer 1 entfallenden von den Arbeitgebern zu tragenden Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit und der Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung und die Arbeitgeberzuschüsse nach § 172a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sowie der Beitragszuschüsse nach § 257 des Fünften und nach § 61 des Elften Buches Sozialgesetzbuch.

(2) Die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkasse erstatten den Arbeitgebern in vollem Umfang

1.
den vom Arbeitgeber nach § 20 Absatz 1 des Mutterschutzgesetzes gezahlten Zuschuss zum Mutterschaftsgeld,
2.
das vom Arbeitgeber nach § 18 des Mutterschutzgesetzes bei Beschäftigungsverboten gezahlte Arbeitsentgelt,
3.
die auf die Arbeitsentgelte nach der Nummer 2 entfallenden von den Arbeitgebern zu tragenden Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit und die Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung und die Arbeitgeberzuschüsse nach § 172a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sowie der Beitragszuschüsse nach § 257 des Fünften und nach § 61 des Elften Buches Sozialgesetzbuch.

(3) Am Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen nach den Absätzen 1 (U1-Verfahren) und 2 (U2-Verfahren) nehmen auch die Arbeitgeber teil, die nur Auszubildende beschäftigen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. August 2015 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 23. November 2012 wird zurückgewiesen, soweit es die Klage auf Zahlung von 338,50 Euro vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen abgewiesen hat. Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind Ansprüche über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung.

2

Über das Vermögen der M. GmbH (nachfolgend Gemeinschuldnerin) wurde auf Antrag einer Gläubigerin (21.10.2010) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt (11.3.2011). Der Kläger forderte die Rückzahlung der in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die beklagte Krankenkasse (KK) entrichteten Beiträge (15 449 Euro) und erklärte die Anfechtung der Beitragsentrichtung. Die Beklagte zahlte nur 12 289,29 Euro, weil iHv 3520,11 Euro die Beitragsschuld nicht durch Zahlung, sondern durch Aufrechnung (26.7.2010, 19.8.2010, 20.9.2010, 5.10.2010) gegen Ansprüche der Gemeinschuldnerin auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung erloschen sei. Das Recht zur Aufrechnung werde durch das Insolvenzverfahren nicht berührt, wenn die Aufrechnungslage vor Insolvenzeröffnung bestanden habe. Das SG hat die Klage auf Zahlung von 3520,11 Euro sowie eines Verzugsschadens von 338,50 Euro jeweils nebst Zinsen abgewiesen (Urteil vom 23.11.2012). Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verurteilt, "an den Kläger 3520,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 11.03.2010 sowie einen weiteren Betrag von 338,50 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 12.01.2012 zu zahlen". Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen der Gemeinschuldnerin für Entgeltfortzahlung. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung sei unzulässig. Die Beklagte habe als Insolvenzgläubigerin die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wie auch die Zinsen habe die Beklagte als Verzugsschaden zu zahlen (Urteil vom 20.8.2015).

3

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von §§ 96 Abs 1 Nr 3, 129, 133, 142 Insolvenzordnung (InsO).

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. August 2015 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 23. November 2012 zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. August 2015 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der beklagten KK ist zulässig. Dies gilt auch bezüglich der geltend gemachten vorprozessualen Kosten und des Zinsanspruchs. Zwar erstreckt sich die Revisionsbegründung (§ 164 Abs 2 S 1 SGG)weder auf den Zinsanspruch noch auf den Verzugsschaden (zum Begründungserfordernis für jeden Streitgegenstand: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 9d mwN; Zeihe/Hauck, SGG, Stand 1. April 2015, § 164 Anm 21a Buchst bb mwN). Das fehlende Vorbringen ist aber unschädlich, weil die Entscheidung hierüber nach der Revisionsbegründung denknotwendig von der Entscheidung über den Hauptanspruch abhängt. Ist die den Hauptanspruch betreffende Revision begründet (dazu unten), gilt dies auch für die den Zinsanspruch und den Verzugsschaden betreffende Revision (zum Zinsanspruch BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 8; Leitherer aaO; Zeihe/Hauck, SGG, aaO, § 164 Anm 27e Buchst bb).

8

Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich des Hauptanspruchs über 3520,11 Euro im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Ob das LSG zu Recht das SG-Urteil aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 3520,11 Euro nebst Zinsen verurteilt hat, kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Die vom Kläger als Insolvenzverwalter (dazu 1.) erhobene (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) ist zulässig (dazu 2.). Ob der ursprünglich entstandene Anspruch der Gemeinschuldnerin gegen die beklagte KK auf Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (dazu 3.) durch Aufrechnung der Beklagten mit ihrem Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge trotz Anfechtung des Klägers erlosch, kann der Senat nicht endgültig entscheiden. Hierfür fehlen hinreichende Feststellungen des LSG (dazu 4.). Einen Anspruch auf Zahlung eines Verzugsschadens hat der Kläger nicht (dazu 5.).

9

1. Der Kläger ist als Insolvenzverwalter berechtigt, den Anspruch der Gemeinschuldnerin auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung iHv 3520,11 Euro einschließlich vermeintlicher Nebenrechte geltend zu machen. Nach § 80 Abs 1 InsO geht das Recht des Gemeinschuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über. Hieraus ergeben sich die eigenverantwortliche Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters sowie die Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Masse. Im Rechtsstreit tritt der Insolvenzverwalter im eigenen Namen für die Masse auf. Er ist - in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter - selbst Beteiligter (vgl entsprechend BSGE 46, 99 = SozR 7820 § 18 Nr 1, auch zur Prozessführungsbefugnis). Zur Insolvenzmasse rechnet das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (§ 35 Abs 1 InsO), mithin auch Forderungen auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung.

10

2. Die Klage ist als (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG)zulässig. Die Beklagte musste über den Anspruch auf Aufwendungsausgleich und seine Erfüllung nicht durch Verwaltungsakt entscheiden und hat dies auch nicht getan. Der Durchführung eines Vorverfahrens im Hinblick auf die Schreiben vom 26.7., 19.8., 20.9. und 5.10.2010 bedurfte es nicht. Weder die Mitteilungen über die Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen noch die gleichzeitig erfolgten Erklärungen der Aufrechnung sind Verwaltungsakte iS von § 31 SGB X.

11

Unabhängig von der - hier gegebenen (vgl § 51 Abs 1 Nr 8 SGG)- öffentlich-rechtlichen Natur eines Anspruchs steht einem Hoheitsträger der Verwaltungsakt, soweit er nicht ausdrücklich vorgesehen ist, nur zu Gebote, wenn der Träger dem Adressaten übergeordnet gegenübersteht (Subordinationsverhältnis; vgl BSG Urteil vom 8.9.2015 - B 1 KR 36/14 R - Juris RdNr 9 mwN, vorgesehen für SozR 4-2500 § 140 Nr 1). Dies ist im Verhältnis der Beklagten zum Kläger der Fall (vgl entsprechend BSG Urteil vom 31.5.2016 - B 1 KR 17/15 R - RdNr 20, vorgesehen für BSGE und SozR). Die KK entscheidet jedoch regelmäßig - abgesehen von Fällen einer klar in die Form eines Verwaltungsakts gekleideten Entscheidung - über die Gewährung des Aufwendungsausgleichs und zugleich die Erfüllung dieses Anspruchs nicht durch förmlichen Verwaltungsakt, wenn sie den Erstattungsbetrag auf ein Konto des Arbeitgebers überweist, dem Beitragskonto des Arbeitgebers gutschreibt (vgl BSG SozR 3-7860 § 11 Nr 1 S 12) oder - wie hier - mit noch nicht erfüllten Umlage- oder Beitragsansprüchen aufrechnet (vgl § 6 Abs 2 Nr 1 Aufwendungsausgleichsgesetz; ebenso bereits zu den §§ 10 ff Lohnfortzahlungsgesetz BSG SozR 3-7860 § 11 Nr 1 S 9 f und S 13). Die Erstattung im U1- und U2-Verfahren stellt sich regelmäßig als schlichtes Verwaltungshandeln dar. Es beinhaltet ein auf die Arbeitgeberangaben gestütztes und auf bloße Plausibilitätsprüfung ausgerichtetes Verfahren, das nicht in eine der Bestandskraft fähige verbindliche Entscheidung über den Erstattungsanspruch des Arbeitgebers mündet (vgl BSG Urteil vom 31.5.2016 - B 1 KR 17/15 R - RdNr 12, vorgesehen für BSGE und SozR). In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber unmittelbar auf Leistung klagen, wenn er etwa von der Unwirksamkeit oder Unvollständigkeit der Erfüllung ausgeht.

12

So liegt der Fall hier. Die Beklagte entschied über die Arbeitgeberaufwendungen nicht durch Verwaltungsakt. Soweit sie mit mehreren Schreiben die Höhe der zu zahlenden Arbeitgeberaufwendungen mitteilte, diente dies lediglich dazu, insbesondere die Höhe der von ihr aufgerechneten Beträge zu begründen. Hätte die Beklagte durch Verwaltungsakt über die Anträge der Gemeinschuldnerin auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen entscheiden wollen, hätte sie dies - wie auch bei der Aufrechnung (dazu gleich) - eindeutig zum Ausdruck bringen müssen.

13

Auch die Aufrechnung erfolgte nicht durch Verwaltungsakt, sondern durch Willenserklärung. Das gesetzliche Regelungskonzept des AAG lässt Entscheidungen der KK durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung wie die Aufrechnung zu (vgl hierzu auch BSG Urteil vom 31.5.2016 - B 1 KR 17/15 R - RdNr 14, für BSGE und SozR vorgesehen). Dies harmoniert mit den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung des Großen Senats des BSG zur Verrechnung. Danach "darf" ein Sozialleistungsträger die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten ausgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Geldleistungen nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt regeln(BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4). Die Verrechnung kann danach auch durch Willenserklärung erfolgen. Nichts anderes gilt für die Aufrechnung. Die Verrechnung ist eine besondere Form der Aufrechnung (BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 38; BSGE 67, 143, 155 f = SozR 3-1200 § 52 Nr 1 S 15; BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 14; BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 16). Mit Ausnahme des Gegenseitigkeitserfordernisses müssen bei einer Verrechnung nach § 52 SGB I alle Voraussetzungen der Aufrechnung nach § 51 SGB I vorliegen.

14

Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung anderer oberster Gerichtshöfe zur Aufrechnung, wonach die Aufrechnungserklärung die rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts und für sich allein kein Verwaltungsakt ist (BGH Beschluss vom 22.3.2004 - NotZ 16/03 - NJW-RR 2004, 1432 ff; BVerwGE 66, 218, 220; BVerwGE 132, 250; BFHE 149, 482, 489 f; BFHE 178, 306). Die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des Rechtsverhältnisses. Die Aufrechnung mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche nach dem AAG erfolgt nach § 51 SGB I, dessen Anwendung aus § 10 AAG folgt. Danach finden die für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Entsprechend anwendbar sind damit grundsätzlich die Vorschriften des Sozialgesetzbuches und sonstiger Gesetze, die Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften, die für die gesetzliche Krankenversicherung gelten, sowie die autonomen Rechtsnormen des jeweiligen Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung, so insbesondere das SGB I, SGB IV, SGB V und SGB X (Knorr/Krasney in Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung - Krankengeld - Mutterschaftsgeld, § 10 AAG RdNr 1, Stand November 2015). Aus dem SGB I finden dabei - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - ua die Vorschriften über die Grundsätze des Leistungsrechts Anwendung (Knorr/Krasney, aaO, § 10 AAG RdNr 2; Schmitt, EFZG/AAG, 7. Aufl 2012, § 10 AAG RdNr 6). Hierzu gehört auch die Regelung des § 51 SGB I, der eine spezifische Gestaltung von Beziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger ermöglicht. Die Erklärung der Aufrechnung nach § 51 SGB I enthält eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihrem Adressaten, dem Sozialleistungsempfänger, in dieser Form ihrer Art nach zusteht. Die Verwaltung bedarf zum Erlass des Verwaltungsaktes zum Zwecke der Aufrechnung keiner über § 51 SGB I hinausgehenden Ermächtigung(vgl zur Verrechnung BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 15). Die bezeichneten Entscheidungen des BGH, des BVerwG und des BFH beruhen hingegen auf anderen Rechtsgrundlagen und sind nicht zu den einschlägigen sozialrechtlichen Vorschriften ergangen.

15

Die Beklagte erklärte die Aufrechnung nicht durch Verwaltungsakt. "Darf" die Aufrechnung durch Verwaltungsakt erklärt werden und will der Leistungsträger bewusst von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, muss er dies besonders zum Ausdruck bringen. Allein die Schriftlichkeit der Erklärung genügt nicht. Vielmehr muss die Behörde unmissverständlich zeigen, dass sie nicht nur eine Willenserklärung abgeben, sondern eine Entscheidung zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts treffen will, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Hieran fehlt es. Zu Recht führt das LSG in diesem Zusammenhang aus, dass die Beklagte in ihren Schreiben vom 5.10., 20.9., 19.8. und 26.7.2010 an die Insolvenzschuldnerin nicht zum Ausdruck gebracht habe, dass sie hoheitlich in der Form eines Verwaltungsaktes eine Regelung treffen wolle. Dort bat sie ausdrücklich "um Verständnis", dass die Erstattungsansprüche der Gemeinschuldnerin vollständig mit den offenen Beiträgen, Säumniszuschlägen und Mahnkosten verrechnet wurden. Sie machte damit deutlich, dass sie sich nicht der hoheitlichen Handlungsform eines Verwaltungsaktes bedienen wollte. Sie bezeichnete das Schreiben, mit dem sie die Aufrechnung erklärte, auch nicht als "Bescheid" und versah es nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung.

16

3. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Zahlungsanspruchs auf Erstattung getätigter Aufwendungen ist die Regelung des § 1 Abs 1 AAG(vom 22.12.2005 mWv 1.1.2006, BGBl I 3686) und § 9 Abs 2 AAG(idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007 mWv 1.4.2007, BGBl I 378) iVm mit der Satzung der Beklagten. Nach § 1 Abs 1 AAG erstatten die KKn mit Ausnahme der landwirtschaftlichen KKn den Arbeitgebern, die in der Regel ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten nicht mehr als 30 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigen, auf deren Antrag(§ 2 Abs 2 S 1 AAG) 80 Prozent (1.) des für den in § 3 Abs 1 und 2 AAG und den in § 9 Abs 1 Entgeltfortzahlungsgesetz bezeichneten Zeitraum an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fortgezahlten Arbeitsentgelts, (2.) der auf die Arbeitsentgelte nach der Nummer 1 entfallenden von den Arbeitgebern zu tragenden Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit und der Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung und nach § 172 Abs 2 SGB VI sowie der Beitragszuschüsse nach § 257 SGB V und nach § 61 SGB XI(sog U1-Verfahren, vgl § 1 Abs 3 AAG).

17

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Höhe nach beträgt der Erstattungsanspruch 3520,11 Euro. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Eine nähere Prüfung des erkennenden Senats erübrigt sich insoweit (vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zB BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 7 RdNr 10 und BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 15 zum Vergütungsanspruch des Apothekers; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 4 RdNr 8 zum Anspruch auf Krankenhausvergütung).

18

4. Ob der Erstattungsanspruch dadurch erlosch, dass die Beklagte mit rückständigen Beitragsansprüchen die Aufrechnung erklärte, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Die Aufrechnung war zunächst zulässig (dazu a). Sie verlor ihre Wirkung mit der Insolvenzeröffnung aufgrund der Anfechtung des Klägers nur dann, wenn die Beklagte die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangte. Hierzu fehlen ausreichende Feststellungen des LSG (dazu b).

19

a) Die Beklagte durfte zunächst nach den allgemeinen, durch die Regelung des § 6 Abs 2 AAG nur eingeschränkten Grundsätzen des entsprechend anzuwendenden bürgerlichen Rechts durch ihre Willenserklärung aufrechnen. Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 BGB). Die Aufrechnung war nicht durch die Regelung des § 6 Abs 2 AAG ausgeschlossen. Danach dürfen gegen Erstattungsansprüche nach dem AAG ua (nur) Ansprüche aufgerechnet werden auf Zahlung von Umlagebeträgen, Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und solche Beiträge, die die Einzugsstelle für andere Träger der Sozialversicherung und die Bundesagentur für Arbeit einzuziehen hat. Die Beklagte rechnete mit einem die Höhe des Erstattungsanspruchs übersteigenden Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge der Gemeinschuldnerin auf.

20

Der Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin nach dem AAG und der von der Beklagten aufgerechnete Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge waren gegenseitig und gleichartig (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 16), der Anspruch auf Beitragszahlung war fällig und der Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin erfüllbar.

21

b) Die Aufrechnung verlor mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 96 Abs 1 Nr 3 InsO ihre Wirkung, wenn die Beklagte die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangte. § 96 Abs 1 Nr 3 InsO schränkt die grundsätzlich zulässige Möglichkeit aufzurechnen(§ 94 InsO) ein. Der Insolvenzverwalter hat rechtswahrend keine Anfechtungsklage zu erheben (ihr fehlte das Rechtsschutzbedürfnis), sondern kann sich unmittelbar - wie der Kläger - auf die Unwirksamkeit der Aufrechnung (§ 96 Abs 1 Nr 3 InsO) berufen (dazu aa). Als anfechtbare Rechtshandlungen kommen vorliegend die Entgeltfortzahlungen der Gemeinschuldnerin an ihre erkrankten Mitarbeiter im umfassenden Sinne in Betracht (dazu bb). Dazu, dass die Entgeltfortzahlungen der Gemeinschuldnerin anfechtbar waren, hat das LSG keine ausreichenden Feststellungen getroffen (dazu cc).

22

aa) Die gläubigerbenachteiligende Wirkung, die mit der Herstellung einer Aufrechnungslage eintritt, kann selbstständig angefochten werden. Der Insolvenzverwalter kann auf diese Weise die Wirkungen der Anfechtung auf die Herstellung der Aufrechnungslage beschränken und die Forderung der Masse, gegen die aufgerechnet worden ist, durchsetzen, als sei die Aufrechnung nicht erfolgt. Dies setzt aber nicht voraus, dass der Insolvenzverwalter eine (gesonderte) Anfechtungsklage erheben muss. Er kann vielmehr - wie hier - die Forderung der Masse unmittelbar geltend machen und dem Erfüllungseinwand (durch Aufrechnung) die Unwirksamkeit der Aufrechnung nach § 96 Abs 1 Nr 3 InsO entgegenhalten(BGHZ 159, 388). Nur ergänzend weist der erkennende Senat darauf hin, dass der Insolvenzverwalter auch im Falle einer Aufrechnung durch Verwaltungsakt die Leistung des zu erstattenden Aufwendungsausgleichs an die Masse einklagen könnte, wenn die Aufrechnung insolvenzrechtlich unwirksam ist (zur beschränkten, bloß insolvenzrechtlichen Wirkung der Unwirksamkeit vgl BGHZ 169, 158 RdNr 17, 22).

23

bb) Der Begriff der Rechtshandlung entspricht demjenigen in §§ 129, 130 und 131 InsO. Er ist weit auszulegen. Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene Handeln, das rechtliche Wirkungen auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann (BGHZ 170, 196 RdNr 10; BGH Urteil vom 12.2.2004 - IX ZR 98/03 - WM 2004, 666, 667; BGH Urteil vom 9.7.2009 - IX ZR 86/08 - ZIP 2009, 1674, 1675; BGH Urteil vom 22.10.2009 - IX ZR 147/06 - NZI 2010, 17 = Juris RdNr 14; BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 62, RdNr 25; MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, 3. Aufl 2013, § 96 RdNr 29a). Dazu zählen nicht nur Willenserklärungen als Bestandteile von Rechtsgeschäften aller Art und rechtsgeschäftsähnliche Handlungen, sondern auch Realakte, denen das Gesetz Rechtswirkungen beimisst. Für die - hier im Streit stehende, allein zu erwägende - Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) kommen Rechtshandlungen des Schuldners, des Gläubigers oder eines beliebigen Dritten im weiteren Sinne, also jedes Geschäft in Betracht, das zum anfechtbaren Erwerb einer Gläubiger- oder Schuldnerstellung führt (BGHZ 179, 137 RdNr 12). Eine bewusste oder zielgerichtete Herbeiführung der (anfechtbaren) Wirkung der Rechtshandlung ist nicht erforderlich (BGH Urteil vom 12.2.2004 - IX ZR 98/03 - NJW 2004, 1660, 1661; MünchKomm-InsO/Kayser, aaO, § 129 RdNr 7, 22). Handlungen des Schuldners, wie hier Leistungen der Entgeltfortzahlung nebst Beiträgen der Gemeinschuldnerin, können eine anfechtbare Rechtshandlung iS von § 129 InsO darstellen, durch die das Schuldnervermögen belastet wird(vgl entsprechend zB BGH Urteil vom 22.10.2009 - IX ZR 147/06 - WM 2009, 2394 RdNr 16 ff; BFHE 232, 290, unter Aufgabe abweichender Rspr). Aufrechnungslagen können nach diesen Grundsätzen ganz ohne Zutun des Gläubigers in anfechtbarer Weise entstehen. Eine solche Konstellation ist hier gegeben, soweit die Aufrechnungslage in anfechtbarer Weise entstand.

24

Maßgeblich ist hierfür der Zeitpunkt, in dem das Gegenseitigkeitsverhältnis durch die Verknüpfung der gegenseitigen Forderungen begründet wurde (vgl § 140 Abs 1 InsO; BGHZ 174, 297, 299 f; BGH Urteil vom 14.2.2013 - IX ZR 94/12 - ZIP 2013, 588 RdNr 11; Fischer, WM 2008, 1, 4). So kommt es zB bei einer Werklohnforderung des Schuldners darauf an, wann diese durch Erbringung der Leistung werthaltig geworden ist. Sie wird regelmäßig erst dann werthaltig, wenn der Schuldner die von ihm geschuldete Leistung erbringt; auf den Zeitpunkt der Rechnungstellung kommt es dagegen nicht an (vgl BGH Urteil vom 14.2.2013 - IX ZR 94/12 - ZIP 2013, 588 RdNr 12). In diesem Sinne stellt die Rechtsprechung des BFH bei der Aufrechnung gegen eine Erstattungsforderung darauf ab, wann der Rechtsanspruch auf Erstattung kraft Gesetzes entstanden ist, ohne dass noch eine weitere Rechtshandlung eines Beteiligten erforderlich ist (vgl BFHE 233, 114 = BStBl II 2011, 822; BFH Urteil vom 18.8.2015 - VII R 29/14 - BFH/NV 2016, 87 RdNr 17). Hierbei sieht der BFH den Umstand, dass der Betroffene sein den Erstattungsanspruch auslösendes Recht geltend machen muss, als unschädlich an, ebenso das Erfordernis einer bloßen Antragstellung (vgl BFH Urteil vom 18.8.2015 - VII R 29/14 - BFH/NV 2016, 87 RdNr 17 und BFH Beschluss vom 21.3.2014 - VII B 214/12 - BFH/NV 2014, 1088, zum Antrag auf Investitionszulage). Soweit der 6. Senat des BSG für vertrags(zahn)ärztliche Honorarforderungen auf einen noch früheren Zeitpunkt als die Anspruchsentstehung abstellt (Abrechnung der Leistungen gegenüber der K(Z)ÄV als Erlangung einer dem Anwartschaftsrecht aus einem bedingten Rechtsgeschäft vergleichbaren Rechtsposition, vgl BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 31; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 81 RdNr 32, auch für BSGE 118, 30 vorgesehen), trägt dies Besonderheiten des Vertragsarztrechts Rechnung.

25

Nach diesen Grundsätzen ist die Entgeltfortzahlung der Gemeinschuldnerin an ihre erkrankten Mitarbeiter einschließlich der einbezogenen Beitragsentrichtung die maßgebliche Rechtshandlung. Mit der Entgeltfortzahlung in diesem Sinne entsteht nämlich der Anspruch nach dem AAG (§ 2 Abs 2 S 2 AAG; zuvor im gleichen Sinne bereits § 10 Abs 4 LFZG aF; vgl zum LFZG bereits sinngemäß BSG Urteil vom 9.9.1981 - 3 RK 51/80 - USK 81143; BSG SozR 3-7860 § 11 Nr 1; Schmitt, aaO, § 6 AAG RdNr 4). Der Antrag nach § 2 Abs 2 S 1 AAG hat keine konstitutive Wirkung. Grundsätzlich wird der Anspruch bereits mit der Entgeltfortzahlung fällig (Schmitt, aaO, § 2 AAG RdNr 12; Knorr/Krasney, aaO, § 2 AAG RdNr 18). Es ist nach den aufgeführten Grundsätzen ohne Belang, dass der Arbeitgeber mit seinem Antrag seine Forderung - wie bei einer spezifizierten Rechnung - geltend machen muss, damit die KK sie bezahlen kann.

26

cc) Es steht nicht fest, dass die Beklagte die Möglichkeit der Aufrechnung infolge der Entgeltfortzahlung der Gemeinschuldnerin anfechtbar erlangte. Hierfür müssen sämtliche Merkmale einer anfechtbaren Handlung erfüllt sein. Denn § 96 Abs 1 Nr 3 InsO nimmt auf die allgemeinen Vorschriften über die Insolvenzanfechtung(§§ 129 ff InsO) Bezug. Zwar steht hierzu fest, dass die Begründung der Aufrechnungslage zu einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger (dazu (1)) und zu einer inkongruenten Deckung führte (dazu (2)). Es fehlt aber an Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen der Anfechtbarkeit (dazu (3)).

27

(1) Die Entgeltfortzahlung der Gemeinschuldnerin bewirkte eine für die Anfechtbarkeit erforderliche Benachteiligung der Insolvenzgläubiger durch die Rechtshandlung (§ 129 Abs 1 InsO). Hierbei sind die Folgen der Aufrechnung einzubeziehen. Die Regelung des § 96 Abs 1 Nr 3 InsO will nämlich die Masse gerade vor dem durch die Aufrechnung entstehenden Vermögensverlust schützen(BGH Beschluss vom 7.5.2009 - IX ZR 22/08 - Juris RdNr 3). Die Begründung der Aufrechnungsmöglichkeit benachteiligte die Gläubigergesamtheit schon deshalb, weil durch die Aufrechnung die Forderung der Masse in deren Umfang zur Befriedigung einer einzelnen Insolvenzforderung verbraucht wird und insoweit nicht mehr für die Verteilung zur Verfügung steht (MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, aaO, § 96 RdNr 29c mwN).

28

(2) Die Begründung der Aufrechnungslage führte mit Blick auf die allein in Betracht kommende Deckungsanfechtung (§ 130 Abs 1 S 1 Nr 1, § 131 Abs 1 InsO) zu einer inkongruenten Deckung iS des § 131 Abs 1 InsO. Anfechtbar ist danach unter weiteren Voraussetzungen eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Ob die Begründung der Aufrechnungslage zu einer kongruenten (§ 130 InsO) oder einer inkongruenten Deckung (§ 131 InsO) führt, richtet sich danach, ob der Aufrechnende einen Anspruch auf Abschluss der Vereinbarung hatte, welche die Aufrechnungslage entstehen ließ, oder ob dies nicht der Fall war (stRspr, vgl zB BGHZ 147, 233, 240; 159, 388, 395 f; BGH Urteil vom 9.10.2003 - IX ZR 28/03 - WM 2003, 2458, 2459). Nach Wortlaut, Regelungssystem und Zweck der Vorschrift des § 131 Abs 1 InsO ist die Herstellung einer Aufrechnungslage inkongruent, soweit die Aufrechnungsbefugnis sich nicht aus dem zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger zuerst entstandenen Rechtsverhältnis ergibt(ebenso zB BGHZ 147, 233, 240; BGH Urteil vom 9.2.2006 - IX ZR 121/03 - NJW-RR 2006, 1062; BFHE 232, 290 RdNr 34; BGH Urteil vom 12.3.2015 - IX ZR 5/13 - Juris). So liegt der Fall hier. Die Beklagte hatte einen Anspruch auf Begleichung rückständiger Beiträge durch Zahlung. Auf die Verschaffung der Gelegenheit, die eigenen Forderungen im Wege der Aufrechnung zu decken, hatte die Beklagte ursprünglich - jedenfalls in Bezug auf die älteren Forderungen - keinen Anspruch.

29

Danach greift auch der Einwand der Beklagten nicht durch, es hätten Bargeschäfte (§ 142 InsO)vorgelegen. Dies ist bei inkongruenten Deckungen ausgeschlossen. Ein Bargeschäft setzt eine Vereinbarung zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner über die beiderseits zu erbringenden Leistungen voraus, die im Fall einer inkongruenten Deckung - einer Leistung, die so nicht geschuldet war (§ 131 Abs 1 InsO) - gerade fehlt (stRspr, vgl zB BGHZ 150, 122, 130; BGH Urteil vom 10.5.2007 - IX ZR 146/05 - WM 2007, 1181 RdNr 10; BGH Urteil vom 11.2.2010 - IX ZR 104/07 - DB 2010, 945 RdNr 29; BAG Urteil vom 24.10.2013 - 6 AZR 466/12 - AP Nr 2 zu § 131 InsO RdNr 37 f mwN).

30

(3) Es fehlt an hinreichenden Feststellungen des LSG zu den weiteren Voraussetzungen der Anfechtbarkeit. Neben der inkongruenten Deckung setzt § 131 Abs 1 InsO voraus, dass die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist(Nr 1), die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war (Nr 2) oder die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, dass sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte (Nr 3).

31

Der Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 13 InsO) wurde nach den den Senat bindenden, nicht angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) am 21.10.2010 gestellt. Die Monats- bzw die Dreimonatsfrist beginnt jeweils mit dem Anfang des Tages, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht eingegangen ist (§ 139 Abs 1 InsO), hier am 21.7. oder am 21.9.2010. Dass die Entgeltfortzahlungen der Gemeinschuldnerin innerhalb der genannten Fristen erfolgten, hat das LSG nicht festgestellt. Zweifel bestehen insbesondere hinsichtlich des nach Aktenlage am 15.7.2010 gestellten (ersten) Antrags auf Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen (649,60 Euro erstattungsfähige Aufwendungen). Die erforderlichen Feststellungen wird das LSG nachzuholen haben.

32

Soweit nach den nachzuholenden Feststellungen des LSG § 131 Abs 1 Nr 1 InsO zur Anwendung gelangt, ist der Anfechtungstatbestand unabhängig davon gegeben, dass die Gemeinschuldnerin bei der Entgeltfortzahlung zahlungsunfähig war. Erfolgten eine oder mehrere Entgeltfortzahlungen innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag, wird das LSG zu prüfen haben, dass die Gemeinschuldnerin zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig oder der Beklagten zu diesem Zeitpunkt die Gläubigerbenachteiligung bekannt war.

33

Das LSG hat - ohne sich auf einen konkreten Anfechtungstatbestand zu stützen - lediglich ausgeführt, dass der Beklagten im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung gescheiterte Zwangsvollstreckungsversuche bekannt gewesen seien. Damit sei der Beklagten ebenfalls bekannt, dass die Insolvenzschuldnerin sich in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befunden habe. Sie sei somit "bösgläubig" iS von §§ 130 ff InsO gewesen. Die Kenntnis von gescheiterten Zwangsvollstreckungsversuchen ersetzt indes nicht die Feststellung, dass die Gemeinschuldnerin zahlungsunfähig war oder der Beklagten die Gläubigerbenachteiligung bekannt war. Zwar sind erfolglose Zwangsvollstreckungsversuche ein Anhaltspunkt für die Zahlungsunfähigkeit, denknotwendig ist dies aber nicht. Denn die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung kann auch auf anderen Gründen beruhen.

34

Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten Insolvenzrecht, auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts nach § 17 InsO(vgl BGH Beschluss vom 13.6.2006 - IX ZB 238/05 - WM 2006, 1631 RdNr 6). Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit iS des § 17 Abs 2 S 1 InsO kann eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden. Eine solche Liquiditätsbilanz ist im Anfechtungsprozess jedoch entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs 2 S 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet (vgl zB BGHZ 149, 178, 184 f; BGH Urteil vom 21.6.2007 - IX ZR 231/04 - WM 2007, 1616 RdNr 27). Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (BGHZ 149, 178, 184 f). Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen (BGH Urteil vom 21.6.2007 - IX ZR 231/04 - WM 2007, 1616 RdNr 28). Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus (BGH Urteil vom 20.12.2007 - IX ZR 93/06 - WM 2008, 452 RdNr 21 mwN). Das gilt selbst dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen (BGH Urteil vom 11.2.2010 - IX ZR 104/07 - WM 2010, 711 RdNr 42; vgl zum Ganzen auch BGH Urteil vom 30.6.2011 - IX ZR 134/10 - WM 2011, 1429 RdNr 10 mwN).

35

Das LSG hat nicht festgestellt, dass die Zwangsvollstreckungsversuche einen erheblichen Teil der fälligen Verbindlichkeiten betrafen. Ebenso fehlen Feststellungen dazu, dass die Gemeinschuldnerin bei der Entgeltfortzahlung zahlungsunfähig war. Wie dargelegt kommt es dagegen nicht auf den Zeitpunkt der Aufrechnung an. Zudem ist nur diejenige Zahlungsunfähigkeit für die Deckungsanfechtung von Bedeutung, die auch noch bei der späteren Insolvenzeröffnung vorlag (MünchKomm-InsO/Kayser, aaO, § 130 RdNr 30 unter Hinweis auf RGZ 69, 254, 257; 100, 62, 65). Es fehlen Feststellungen des LSG, wann die erfolglosen Zwangsvollstreckungsversuche erfolgten, welchen Umfang sie - auch im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden - hatten und dass eine ggf für die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckungsversuche ursächliche Zahlungsunfähigkeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestand.

36

Ebenso fehlen Feststellungen des LSG zur positiven Kenntnis der Beklagten über die Gläubigerbenachteiligung. Die "Bösgläubigkeit" ersetzt die Kenntnis jedenfalls nicht. Zwar steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen (§ 131 Abs 2 S 1 InsO). Umstände, die "zwingend" auf eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger schließen lassen, hat das LSG jedoch nicht festgestellt. Zudem ist nicht die Kenntnis zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung maßgebend. Erforderlich ist vielmehr die Kenntnis zum Zeitpunkt der anfechtbaren Rechtshandlung, also der jeweiligen Leistung von Entgeltfortzahlung (vgl auch BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 62, RdNr 28).

37

5. Dem Kläger kann bei einem nach erneuter Entscheidung des LSG unterstellten Erfolg seines Antrags auf Zahlung von 3520,11 Euro ein Zinsanspruch nur nach § 44 SGB I zustehen. Nach § 44 Abs 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit(dazu oben) bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 vH zu verzinsen. Die Anwendung des § 44 SGB I folgt aus § 10 AAG(s dazu oben RdNr 14 zur Anwendung von § 51 SGB I).

38

Einen weitergehenden Zinsanspruch hat der Kläger nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG existiert im Bereich des Sozialrechts keine allgemeine Pflicht zur Verzinsung von (rückständigen) Geldleistungen. Soweit das Gesetz eine Zinszahlung nicht ausdrücklich anordnet (etwa § 27 Abs 1 SGB IV und § 44 SGB I), verbleibt deshalb kein Raum für Verzugs- oder Prozesszinsen nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften (BSGE 49, 227, 228 = SozR 1200 § 44 Nr 2; BSGE 55, 40, 45 = SozR 2100 § 27 Nr 2; BSG SozR 2100 § 27 Nr 3; BSGE 56, 116, 118 mwN = SozR 1200 § 44 Nr 10; BSGE 71, 72, 76 f = SozR 3-7610 § 291 Nr 1 S 5 f mwN). Eine analoge Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über Verzugs- und Prozesszinsen hat das BSG abgelehnt (BSGE 55, 40, 44 f = SozR 2100 § 27 Nr 2; BSG SozR 2100 § 27 Nr 3; BSG SozR 1300 § 61 Nr 1; BSGE 56, 116 ff = SozR 1200 § 44 Nr 10 und BSGE 95, 141 RdNr 24 ff = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 32 ff zur Verzinsung rückständiger Honorarforderungen; vgl aber BSG SozR 2200 § 405 Nr 12 betreffend den Beitragszuschuss des Arbeitgebers; BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 bei Geldforderungen aus Rechtsbeziehungen zwischen KK und Krankenhaus wegen § 69 S 3 SGB V aF; BSGE 114, 36 = SozR 4-2500 § 130a Nr 9 bei Leistungsbeschaffungsbeziehungen von KKn nach § 69 S 3 SGB V aF).

39

Ebenso wenig hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden. Eine Anwendung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften scheidet auch insoweit aus. Aus der oben dargestellten Systematik des Gesetzes ergibt sich, dass im Recht der Sozialversicherung - außer in den vom Gesetz selbst genannten Fällen - nur der den Gegenstand der eigentlichen Leistung bildende Betrag, nicht aber zusätzliche Leistungen wie Verzugszinsen (dazu oben) oder ein sonstiger Verzugsschaden oder andere durch rechtswidriges Handeln der Verwaltung ausgelöste Aufwendungen geschuldet werden (BSG SozR Nr 3 zu § 1424 RVO = Juris RdNr 14; vgl auch BSGE 55, 92, 94 = SozR 1300 § 63 Nr 1, wonach Kosten eines Verwaltungsverfahrens betreffend die Rücknahme eines Verwaltungsaktes nicht zu erstatten sind). Das Sozialversicherungsrecht enthält insoweit eine spezielle und erschöpfende Regelung der Verzugsfolgen, die es ausschließt, die Vorschrift des § 286 BGB auf Ansprüche aus dem AAG zu übertragen (vgl auch BSG SozR Nr 7 zu Art 2 § 34 ArVNG RdNr 19; vgl aber BSG SozR 3-1300 § 61 Nr 1 für den Bereich des öffentlich-rechtlichen Vertrages; BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 bei Rechtsbeziehungen zwischen KK und Krankenhaus wegen § 69 S 3 SGB V aF).

40

6. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten. Die Kostenentscheidung wird das LSG nach § 193 SGG zu treffen haben. Arbeitgeber sind in Streitigkeiten über die Erstattung von Aufwendungen für die Entgeltfortzahlung nach dem AAG Leistungsempfänger iS von § 183 SGG(zur Nichtanwendbarkeit des § 197a SGG vgl BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 3 RdNr 8 f; BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 9 RdNr 22-23). Dies gilt auch bei einer Klage des Insolvenzverwalters, weil er lediglich das Recht des Gemeinschuldners ausübt, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. August 2015 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 23. November 2012 wird zurückgewiesen, soweit es die Klage auf Zahlung von 338,50 Euro vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen abgewiesen hat. Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind Ansprüche über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung.

2

Über das Vermögen der M. GmbH (nachfolgend Gemeinschuldnerin) wurde auf Antrag einer Gläubigerin (21.10.2010) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt (11.3.2011). Der Kläger forderte die Rückzahlung der in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die beklagte Krankenkasse (KK) entrichteten Beiträge (15 449 Euro) und erklärte die Anfechtung der Beitragsentrichtung. Die Beklagte zahlte nur 12 289,29 Euro, weil iHv 3520,11 Euro die Beitragsschuld nicht durch Zahlung, sondern durch Aufrechnung (26.7.2010, 19.8.2010, 20.9.2010, 5.10.2010) gegen Ansprüche der Gemeinschuldnerin auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung erloschen sei. Das Recht zur Aufrechnung werde durch das Insolvenzverfahren nicht berührt, wenn die Aufrechnungslage vor Insolvenzeröffnung bestanden habe. Das SG hat die Klage auf Zahlung von 3520,11 Euro sowie eines Verzugsschadens von 338,50 Euro jeweils nebst Zinsen abgewiesen (Urteil vom 23.11.2012). Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verurteilt, "an den Kläger 3520,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 11.03.2010 sowie einen weiteren Betrag von 338,50 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 12.01.2012 zu zahlen". Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen der Gemeinschuldnerin für Entgeltfortzahlung. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung sei unzulässig. Die Beklagte habe als Insolvenzgläubigerin die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wie auch die Zinsen habe die Beklagte als Verzugsschaden zu zahlen (Urteil vom 20.8.2015).

3

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von §§ 96 Abs 1 Nr 3, 129, 133, 142 Insolvenzordnung (InsO).

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. August 2015 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 23. November 2012 zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. August 2015 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der beklagten KK ist zulässig. Dies gilt auch bezüglich der geltend gemachten vorprozessualen Kosten und des Zinsanspruchs. Zwar erstreckt sich die Revisionsbegründung (§ 164 Abs 2 S 1 SGG)weder auf den Zinsanspruch noch auf den Verzugsschaden (zum Begründungserfordernis für jeden Streitgegenstand: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 9d mwN; Zeihe/Hauck, SGG, Stand 1. April 2015, § 164 Anm 21a Buchst bb mwN). Das fehlende Vorbringen ist aber unschädlich, weil die Entscheidung hierüber nach der Revisionsbegründung denknotwendig von der Entscheidung über den Hauptanspruch abhängt. Ist die den Hauptanspruch betreffende Revision begründet (dazu unten), gilt dies auch für die den Zinsanspruch und den Verzugsschaden betreffende Revision (zum Zinsanspruch BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 8; Leitherer aaO; Zeihe/Hauck, SGG, aaO, § 164 Anm 27e Buchst bb).

8

Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich des Hauptanspruchs über 3520,11 Euro im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Ob das LSG zu Recht das SG-Urteil aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 3520,11 Euro nebst Zinsen verurteilt hat, kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Die vom Kläger als Insolvenzverwalter (dazu 1.) erhobene (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) ist zulässig (dazu 2.). Ob der ursprünglich entstandene Anspruch der Gemeinschuldnerin gegen die beklagte KK auf Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (dazu 3.) durch Aufrechnung der Beklagten mit ihrem Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge trotz Anfechtung des Klägers erlosch, kann der Senat nicht endgültig entscheiden. Hierfür fehlen hinreichende Feststellungen des LSG (dazu 4.). Einen Anspruch auf Zahlung eines Verzugsschadens hat der Kläger nicht (dazu 5.).

9

1. Der Kläger ist als Insolvenzverwalter berechtigt, den Anspruch der Gemeinschuldnerin auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung iHv 3520,11 Euro einschließlich vermeintlicher Nebenrechte geltend zu machen. Nach § 80 Abs 1 InsO geht das Recht des Gemeinschuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über. Hieraus ergeben sich die eigenverantwortliche Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters sowie die Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Masse. Im Rechtsstreit tritt der Insolvenzverwalter im eigenen Namen für die Masse auf. Er ist - in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter - selbst Beteiligter (vgl entsprechend BSGE 46, 99 = SozR 7820 § 18 Nr 1, auch zur Prozessführungsbefugnis). Zur Insolvenzmasse rechnet das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (§ 35 Abs 1 InsO), mithin auch Forderungen auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung.

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2. Die Klage ist als (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG)zulässig. Die Beklagte musste über den Anspruch auf Aufwendungsausgleich und seine Erfüllung nicht durch Verwaltungsakt entscheiden und hat dies auch nicht getan. Der Durchführung eines Vorverfahrens im Hinblick auf die Schreiben vom 26.7., 19.8., 20.9. und 5.10.2010 bedurfte es nicht. Weder die Mitteilungen über die Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen noch die gleichzeitig erfolgten Erklärungen der Aufrechnung sind Verwaltungsakte iS von § 31 SGB X.

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Unabhängig von der - hier gegebenen (vgl § 51 Abs 1 Nr 8 SGG)- öffentlich-rechtlichen Natur eines Anspruchs steht einem Hoheitsträger der Verwaltungsakt, soweit er nicht ausdrücklich vorgesehen ist, nur zu Gebote, wenn der Träger dem Adressaten übergeordnet gegenübersteht (Subordinationsverhältnis; vgl BSG Urteil vom 8.9.2015 - B 1 KR 36/14 R - Juris RdNr 9 mwN, vorgesehen für SozR 4-2500 § 140 Nr 1). Dies ist im Verhältnis der Beklagten zum Kläger der Fall (vgl entsprechend BSG Urteil vom 31.5.2016 - B 1 KR 17/15 R - RdNr 20, vorgesehen für BSGE und SozR). Die KK entscheidet jedoch regelmäßig - abgesehen von Fällen einer klar in die Form eines Verwaltungsakts gekleideten Entscheidung - über die Gewährung des Aufwendungsausgleichs und zugleich die Erfüllung dieses Anspruchs nicht durch förmlichen Verwaltungsakt, wenn sie den Erstattungsbetrag auf ein Konto des Arbeitgebers überweist, dem Beitragskonto des Arbeitgebers gutschreibt (vgl BSG SozR 3-7860 § 11 Nr 1 S 12) oder - wie hier - mit noch nicht erfüllten Umlage- oder Beitragsansprüchen aufrechnet (vgl § 6 Abs 2 Nr 1 Aufwendungsausgleichsgesetz; ebenso bereits zu den §§ 10 ff Lohnfortzahlungsgesetz BSG SozR 3-7860 § 11 Nr 1 S 9 f und S 13). Die Erstattung im U1- und U2-Verfahren stellt sich regelmäßig als schlichtes Verwaltungshandeln dar. Es beinhaltet ein auf die Arbeitgeberangaben gestütztes und auf bloße Plausibilitätsprüfung ausgerichtetes Verfahren, das nicht in eine der Bestandskraft fähige verbindliche Entscheidung über den Erstattungsanspruch des Arbeitgebers mündet (vgl BSG Urteil vom 31.5.2016 - B 1 KR 17/15 R - RdNr 12, vorgesehen für BSGE und SozR). In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber unmittelbar auf Leistung klagen, wenn er etwa von der Unwirksamkeit oder Unvollständigkeit der Erfüllung ausgeht.

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So liegt der Fall hier. Die Beklagte entschied über die Arbeitgeberaufwendungen nicht durch Verwaltungsakt. Soweit sie mit mehreren Schreiben die Höhe der zu zahlenden Arbeitgeberaufwendungen mitteilte, diente dies lediglich dazu, insbesondere die Höhe der von ihr aufgerechneten Beträge zu begründen. Hätte die Beklagte durch Verwaltungsakt über die Anträge der Gemeinschuldnerin auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen entscheiden wollen, hätte sie dies - wie auch bei der Aufrechnung (dazu gleich) - eindeutig zum Ausdruck bringen müssen.

13

Auch die Aufrechnung erfolgte nicht durch Verwaltungsakt, sondern durch Willenserklärung. Das gesetzliche Regelungskonzept des AAG lässt Entscheidungen der KK durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung wie die Aufrechnung zu (vgl hierzu auch BSG Urteil vom 31.5.2016 - B 1 KR 17/15 R - RdNr 14, für BSGE und SozR vorgesehen). Dies harmoniert mit den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung des Großen Senats des BSG zur Verrechnung. Danach "darf" ein Sozialleistungsträger die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten ausgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Geldleistungen nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt regeln(BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4). Die Verrechnung kann danach auch durch Willenserklärung erfolgen. Nichts anderes gilt für die Aufrechnung. Die Verrechnung ist eine besondere Form der Aufrechnung (BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 38; BSGE 67, 143, 155 f = SozR 3-1200 § 52 Nr 1 S 15; BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 14; BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 16). Mit Ausnahme des Gegenseitigkeitserfordernisses müssen bei einer Verrechnung nach § 52 SGB I alle Voraussetzungen der Aufrechnung nach § 51 SGB I vorliegen.

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Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung anderer oberster Gerichtshöfe zur Aufrechnung, wonach die Aufrechnungserklärung die rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts und für sich allein kein Verwaltungsakt ist (BGH Beschluss vom 22.3.2004 - NotZ 16/03 - NJW-RR 2004, 1432 ff; BVerwGE 66, 218, 220; BVerwGE 132, 250; BFHE 149, 482, 489 f; BFHE 178, 306). Die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des Rechtsverhältnisses. Die Aufrechnung mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche nach dem AAG erfolgt nach § 51 SGB I, dessen Anwendung aus § 10 AAG folgt. Danach finden die für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Entsprechend anwendbar sind damit grundsätzlich die Vorschriften des Sozialgesetzbuches und sonstiger Gesetze, die Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften, die für die gesetzliche Krankenversicherung gelten, sowie die autonomen Rechtsnormen des jeweiligen Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung, so insbesondere das SGB I, SGB IV, SGB V und SGB X (Knorr/Krasney in Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung - Krankengeld - Mutterschaftsgeld, § 10 AAG RdNr 1, Stand November 2015). Aus dem SGB I finden dabei - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - ua die Vorschriften über die Grundsätze des Leistungsrechts Anwendung (Knorr/Krasney, aaO, § 10 AAG RdNr 2; Schmitt, EFZG/AAG, 7. Aufl 2012, § 10 AAG RdNr 6). Hierzu gehört auch die Regelung des § 51 SGB I, der eine spezifische Gestaltung von Beziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger ermöglicht. Die Erklärung der Aufrechnung nach § 51 SGB I enthält eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihrem Adressaten, dem Sozialleistungsempfänger, in dieser Form ihrer Art nach zusteht. Die Verwaltung bedarf zum Erlass des Verwaltungsaktes zum Zwecke der Aufrechnung keiner über § 51 SGB I hinausgehenden Ermächtigung(vgl zur Verrechnung BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 15). Die bezeichneten Entscheidungen des BGH, des BVerwG und des BFH beruhen hingegen auf anderen Rechtsgrundlagen und sind nicht zu den einschlägigen sozialrechtlichen Vorschriften ergangen.

15

Die Beklagte erklärte die Aufrechnung nicht durch Verwaltungsakt. "Darf" die Aufrechnung durch Verwaltungsakt erklärt werden und will der Leistungsträger bewusst von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, muss er dies besonders zum Ausdruck bringen. Allein die Schriftlichkeit der Erklärung genügt nicht. Vielmehr muss die Behörde unmissverständlich zeigen, dass sie nicht nur eine Willenserklärung abgeben, sondern eine Entscheidung zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts treffen will, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Hieran fehlt es. Zu Recht führt das LSG in diesem Zusammenhang aus, dass die Beklagte in ihren Schreiben vom 5.10., 20.9., 19.8. und 26.7.2010 an die Insolvenzschuldnerin nicht zum Ausdruck gebracht habe, dass sie hoheitlich in der Form eines Verwaltungsaktes eine Regelung treffen wolle. Dort bat sie ausdrücklich "um Verständnis", dass die Erstattungsansprüche der Gemeinschuldnerin vollständig mit den offenen Beiträgen, Säumniszuschlägen und Mahnkosten verrechnet wurden. Sie machte damit deutlich, dass sie sich nicht der hoheitlichen Handlungsform eines Verwaltungsaktes bedienen wollte. Sie bezeichnete das Schreiben, mit dem sie die Aufrechnung erklärte, auch nicht als "Bescheid" und versah es nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung.

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3. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Zahlungsanspruchs auf Erstattung getätigter Aufwendungen ist die Regelung des § 1 Abs 1 AAG(vom 22.12.2005 mWv 1.1.2006, BGBl I 3686) und § 9 Abs 2 AAG(idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007 mWv 1.4.2007, BGBl I 378) iVm mit der Satzung der Beklagten. Nach § 1 Abs 1 AAG erstatten die KKn mit Ausnahme der landwirtschaftlichen KKn den Arbeitgebern, die in der Regel ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten nicht mehr als 30 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigen, auf deren Antrag(§ 2 Abs 2 S 1 AAG) 80 Prozent (1.) des für den in § 3 Abs 1 und 2 AAG und den in § 9 Abs 1 Entgeltfortzahlungsgesetz bezeichneten Zeitraum an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fortgezahlten Arbeitsentgelts, (2.) der auf die Arbeitsentgelte nach der Nummer 1 entfallenden von den Arbeitgebern zu tragenden Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit und der Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung und nach § 172 Abs 2 SGB VI sowie der Beitragszuschüsse nach § 257 SGB V und nach § 61 SGB XI(sog U1-Verfahren, vgl § 1 Abs 3 AAG).

17

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Höhe nach beträgt der Erstattungsanspruch 3520,11 Euro. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Eine nähere Prüfung des erkennenden Senats erübrigt sich insoweit (vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zB BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 7 RdNr 10 und BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 15 zum Vergütungsanspruch des Apothekers; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 4 RdNr 8 zum Anspruch auf Krankenhausvergütung).

18

4. Ob der Erstattungsanspruch dadurch erlosch, dass die Beklagte mit rückständigen Beitragsansprüchen die Aufrechnung erklärte, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Die Aufrechnung war zunächst zulässig (dazu a). Sie verlor ihre Wirkung mit der Insolvenzeröffnung aufgrund der Anfechtung des Klägers nur dann, wenn die Beklagte die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangte. Hierzu fehlen ausreichende Feststellungen des LSG (dazu b).

19

a) Die Beklagte durfte zunächst nach den allgemeinen, durch die Regelung des § 6 Abs 2 AAG nur eingeschränkten Grundsätzen des entsprechend anzuwendenden bürgerlichen Rechts durch ihre Willenserklärung aufrechnen. Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 BGB). Die Aufrechnung war nicht durch die Regelung des § 6 Abs 2 AAG ausgeschlossen. Danach dürfen gegen Erstattungsansprüche nach dem AAG ua (nur) Ansprüche aufgerechnet werden auf Zahlung von Umlagebeträgen, Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und solche Beiträge, die die Einzugsstelle für andere Träger der Sozialversicherung und die Bundesagentur für Arbeit einzuziehen hat. Die Beklagte rechnete mit einem die Höhe des Erstattungsanspruchs übersteigenden Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge der Gemeinschuldnerin auf.

20

Der Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin nach dem AAG und der von der Beklagten aufgerechnete Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge waren gegenseitig und gleichartig (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 16), der Anspruch auf Beitragszahlung war fällig und der Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin erfüllbar.

21

b) Die Aufrechnung verlor mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 96 Abs 1 Nr 3 InsO ihre Wirkung, wenn die Beklagte die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangte. § 96 Abs 1 Nr 3 InsO schränkt die grundsätzlich zulässige Möglichkeit aufzurechnen(§ 94 InsO) ein. Der Insolvenzverwalter hat rechtswahrend keine Anfechtungsklage zu erheben (ihr fehlte das Rechtsschutzbedürfnis), sondern kann sich unmittelbar - wie der Kläger - auf die Unwirksamkeit der Aufrechnung (§ 96 Abs 1 Nr 3 InsO) berufen (dazu aa). Als anfechtbare Rechtshandlungen kommen vorliegend die Entgeltfortzahlungen der Gemeinschuldnerin an ihre erkrankten Mitarbeiter im umfassenden Sinne in Betracht (dazu bb). Dazu, dass die Entgeltfortzahlungen der Gemeinschuldnerin anfechtbar waren, hat das LSG keine ausreichenden Feststellungen getroffen (dazu cc).

22

aa) Die gläubigerbenachteiligende Wirkung, die mit der Herstellung einer Aufrechnungslage eintritt, kann selbstständig angefochten werden. Der Insolvenzverwalter kann auf diese Weise die Wirkungen der Anfechtung auf die Herstellung der Aufrechnungslage beschränken und die Forderung der Masse, gegen die aufgerechnet worden ist, durchsetzen, als sei die Aufrechnung nicht erfolgt. Dies setzt aber nicht voraus, dass der Insolvenzverwalter eine (gesonderte) Anfechtungsklage erheben muss. Er kann vielmehr - wie hier - die Forderung der Masse unmittelbar geltend machen und dem Erfüllungseinwand (durch Aufrechnung) die Unwirksamkeit der Aufrechnung nach § 96 Abs 1 Nr 3 InsO entgegenhalten(BGHZ 159, 388). Nur ergänzend weist der erkennende Senat darauf hin, dass der Insolvenzverwalter auch im Falle einer Aufrechnung durch Verwaltungsakt die Leistung des zu erstattenden Aufwendungsausgleichs an die Masse einklagen könnte, wenn die Aufrechnung insolvenzrechtlich unwirksam ist (zur beschränkten, bloß insolvenzrechtlichen Wirkung der Unwirksamkeit vgl BGHZ 169, 158 RdNr 17, 22).

23

bb) Der Begriff der Rechtshandlung entspricht demjenigen in §§ 129, 130 und 131 InsO. Er ist weit auszulegen. Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene Handeln, das rechtliche Wirkungen auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann (BGHZ 170, 196 RdNr 10; BGH Urteil vom 12.2.2004 - IX ZR 98/03 - WM 2004, 666, 667; BGH Urteil vom 9.7.2009 - IX ZR 86/08 - ZIP 2009, 1674, 1675; BGH Urteil vom 22.10.2009 - IX ZR 147/06 - NZI 2010, 17 = Juris RdNr 14; BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 62, RdNr 25; MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, 3. Aufl 2013, § 96 RdNr 29a). Dazu zählen nicht nur Willenserklärungen als Bestandteile von Rechtsgeschäften aller Art und rechtsgeschäftsähnliche Handlungen, sondern auch Realakte, denen das Gesetz Rechtswirkungen beimisst. Für die - hier im Streit stehende, allein zu erwägende - Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) kommen Rechtshandlungen des Schuldners, des Gläubigers oder eines beliebigen Dritten im weiteren Sinne, also jedes Geschäft in Betracht, das zum anfechtbaren Erwerb einer Gläubiger- oder Schuldnerstellung führt (BGHZ 179, 137 RdNr 12). Eine bewusste oder zielgerichtete Herbeiführung der (anfechtbaren) Wirkung der Rechtshandlung ist nicht erforderlich (BGH Urteil vom 12.2.2004 - IX ZR 98/03 - NJW 2004, 1660, 1661; MünchKomm-InsO/Kayser, aaO, § 129 RdNr 7, 22). Handlungen des Schuldners, wie hier Leistungen der Entgeltfortzahlung nebst Beiträgen der Gemeinschuldnerin, können eine anfechtbare Rechtshandlung iS von § 129 InsO darstellen, durch die das Schuldnervermögen belastet wird(vgl entsprechend zB BGH Urteil vom 22.10.2009 - IX ZR 147/06 - WM 2009, 2394 RdNr 16 ff; BFHE 232, 290, unter Aufgabe abweichender Rspr). Aufrechnungslagen können nach diesen Grundsätzen ganz ohne Zutun des Gläubigers in anfechtbarer Weise entstehen. Eine solche Konstellation ist hier gegeben, soweit die Aufrechnungslage in anfechtbarer Weise entstand.

24

Maßgeblich ist hierfür der Zeitpunkt, in dem das Gegenseitigkeitsverhältnis durch die Verknüpfung der gegenseitigen Forderungen begründet wurde (vgl § 140 Abs 1 InsO; BGHZ 174, 297, 299 f; BGH Urteil vom 14.2.2013 - IX ZR 94/12 - ZIP 2013, 588 RdNr 11; Fischer, WM 2008, 1, 4). So kommt es zB bei einer Werklohnforderung des Schuldners darauf an, wann diese durch Erbringung der Leistung werthaltig geworden ist. Sie wird regelmäßig erst dann werthaltig, wenn der Schuldner die von ihm geschuldete Leistung erbringt; auf den Zeitpunkt der Rechnungstellung kommt es dagegen nicht an (vgl BGH Urteil vom 14.2.2013 - IX ZR 94/12 - ZIP 2013, 588 RdNr 12). In diesem Sinne stellt die Rechtsprechung des BFH bei der Aufrechnung gegen eine Erstattungsforderung darauf ab, wann der Rechtsanspruch auf Erstattung kraft Gesetzes entstanden ist, ohne dass noch eine weitere Rechtshandlung eines Beteiligten erforderlich ist (vgl BFHE 233, 114 = BStBl II 2011, 822; BFH Urteil vom 18.8.2015 - VII R 29/14 - BFH/NV 2016, 87 RdNr 17). Hierbei sieht der BFH den Umstand, dass der Betroffene sein den Erstattungsanspruch auslösendes Recht geltend machen muss, als unschädlich an, ebenso das Erfordernis einer bloßen Antragstellung (vgl BFH Urteil vom 18.8.2015 - VII R 29/14 - BFH/NV 2016, 87 RdNr 17 und BFH Beschluss vom 21.3.2014 - VII B 214/12 - BFH/NV 2014, 1088, zum Antrag auf Investitionszulage). Soweit der 6. Senat des BSG für vertrags(zahn)ärztliche Honorarforderungen auf einen noch früheren Zeitpunkt als die Anspruchsentstehung abstellt (Abrechnung der Leistungen gegenüber der K(Z)ÄV als Erlangung einer dem Anwartschaftsrecht aus einem bedingten Rechtsgeschäft vergleichbaren Rechtsposition, vgl BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 31; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 81 RdNr 32, auch für BSGE 118, 30 vorgesehen), trägt dies Besonderheiten des Vertragsarztrechts Rechnung.

25

Nach diesen Grundsätzen ist die Entgeltfortzahlung der Gemeinschuldnerin an ihre erkrankten Mitarbeiter einschließlich der einbezogenen Beitragsentrichtung die maßgebliche Rechtshandlung. Mit der Entgeltfortzahlung in diesem Sinne entsteht nämlich der Anspruch nach dem AAG (§ 2 Abs 2 S 2 AAG; zuvor im gleichen Sinne bereits § 10 Abs 4 LFZG aF; vgl zum LFZG bereits sinngemäß BSG Urteil vom 9.9.1981 - 3 RK 51/80 - USK 81143; BSG SozR 3-7860 § 11 Nr 1; Schmitt, aaO, § 6 AAG RdNr 4). Der Antrag nach § 2 Abs 2 S 1 AAG hat keine konstitutive Wirkung. Grundsätzlich wird der Anspruch bereits mit der Entgeltfortzahlung fällig (Schmitt, aaO, § 2 AAG RdNr 12; Knorr/Krasney, aaO, § 2 AAG RdNr 18). Es ist nach den aufgeführten Grundsätzen ohne Belang, dass der Arbeitgeber mit seinem Antrag seine Forderung - wie bei einer spezifizierten Rechnung - geltend machen muss, damit die KK sie bezahlen kann.

26

cc) Es steht nicht fest, dass die Beklagte die Möglichkeit der Aufrechnung infolge der Entgeltfortzahlung der Gemeinschuldnerin anfechtbar erlangte. Hierfür müssen sämtliche Merkmale einer anfechtbaren Handlung erfüllt sein. Denn § 96 Abs 1 Nr 3 InsO nimmt auf die allgemeinen Vorschriften über die Insolvenzanfechtung(§§ 129 ff InsO) Bezug. Zwar steht hierzu fest, dass die Begründung der Aufrechnungslage zu einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger (dazu (1)) und zu einer inkongruenten Deckung führte (dazu (2)). Es fehlt aber an Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen der Anfechtbarkeit (dazu (3)).

27

(1) Die Entgeltfortzahlung der Gemeinschuldnerin bewirkte eine für die Anfechtbarkeit erforderliche Benachteiligung der Insolvenzgläubiger durch die Rechtshandlung (§ 129 Abs 1 InsO). Hierbei sind die Folgen der Aufrechnung einzubeziehen. Die Regelung des § 96 Abs 1 Nr 3 InsO will nämlich die Masse gerade vor dem durch die Aufrechnung entstehenden Vermögensverlust schützen(BGH Beschluss vom 7.5.2009 - IX ZR 22/08 - Juris RdNr 3). Die Begründung der Aufrechnungsmöglichkeit benachteiligte die Gläubigergesamtheit schon deshalb, weil durch die Aufrechnung die Forderung der Masse in deren Umfang zur Befriedigung einer einzelnen Insolvenzforderung verbraucht wird und insoweit nicht mehr für die Verteilung zur Verfügung steht (MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, aaO, § 96 RdNr 29c mwN).

28

(2) Die Begründung der Aufrechnungslage führte mit Blick auf die allein in Betracht kommende Deckungsanfechtung (§ 130 Abs 1 S 1 Nr 1, § 131 Abs 1 InsO) zu einer inkongruenten Deckung iS des § 131 Abs 1 InsO. Anfechtbar ist danach unter weiteren Voraussetzungen eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Ob die Begründung der Aufrechnungslage zu einer kongruenten (§ 130 InsO) oder einer inkongruenten Deckung (§ 131 InsO) führt, richtet sich danach, ob der Aufrechnende einen Anspruch auf Abschluss der Vereinbarung hatte, welche die Aufrechnungslage entstehen ließ, oder ob dies nicht der Fall war (stRspr, vgl zB BGHZ 147, 233, 240; 159, 388, 395 f; BGH Urteil vom 9.10.2003 - IX ZR 28/03 - WM 2003, 2458, 2459). Nach Wortlaut, Regelungssystem und Zweck der Vorschrift des § 131 Abs 1 InsO ist die Herstellung einer Aufrechnungslage inkongruent, soweit die Aufrechnungsbefugnis sich nicht aus dem zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger zuerst entstandenen Rechtsverhältnis ergibt(ebenso zB BGHZ 147, 233, 240; BGH Urteil vom 9.2.2006 - IX ZR 121/03 - NJW-RR 2006, 1062; BFHE 232, 290 RdNr 34; BGH Urteil vom 12.3.2015 - IX ZR 5/13 - Juris). So liegt der Fall hier. Die Beklagte hatte einen Anspruch auf Begleichung rückständiger Beiträge durch Zahlung. Auf die Verschaffung der Gelegenheit, die eigenen Forderungen im Wege der Aufrechnung zu decken, hatte die Beklagte ursprünglich - jedenfalls in Bezug auf die älteren Forderungen - keinen Anspruch.

29

Danach greift auch der Einwand der Beklagten nicht durch, es hätten Bargeschäfte (§ 142 InsO)vorgelegen. Dies ist bei inkongruenten Deckungen ausgeschlossen. Ein Bargeschäft setzt eine Vereinbarung zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner über die beiderseits zu erbringenden Leistungen voraus, die im Fall einer inkongruenten Deckung - einer Leistung, die so nicht geschuldet war (§ 131 Abs 1 InsO) - gerade fehlt (stRspr, vgl zB BGHZ 150, 122, 130; BGH Urteil vom 10.5.2007 - IX ZR 146/05 - WM 2007, 1181 RdNr 10; BGH Urteil vom 11.2.2010 - IX ZR 104/07 - DB 2010, 945 RdNr 29; BAG Urteil vom 24.10.2013 - 6 AZR 466/12 - AP Nr 2 zu § 131 InsO RdNr 37 f mwN).

30

(3) Es fehlt an hinreichenden Feststellungen des LSG zu den weiteren Voraussetzungen der Anfechtbarkeit. Neben der inkongruenten Deckung setzt § 131 Abs 1 InsO voraus, dass die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist(Nr 1), die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war (Nr 2) oder die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, dass sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte (Nr 3).

31

Der Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 13 InsO) wurde nach den den Senat bindenden, nicht angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) am 21.10.2010 gestellt. Die Monats- bzw die Dreimonatsfrist beginnt jeweils mit dem Anfang des Tages, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht eingegangen ist (§ 139 Abs 1 InsO), hier am 21.7. oder am 21.9.2010. Dass die Entgeltfortzahlungen der Gemeinschuldnerin innerhalb der genannten Fristen erfolgten, hat das LSG nicht festgestellt. Zweifel bestehen insbesondere hinsichtlich des nach Aktenlage am 15.7.2010 gestellten (ersten) Antrags auf Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen (649,60 Euro erstattungsfähige Aufwendungen). Die erforderlichen Feststellungen wird das LSG nachzuholen haben.

32

Soweit nach den nachzuholenden Feststellungen des LSG § 131 Abs 1 Nr 1 InsO zur Anwendung gelangt, ist der Anfechtungstatbestand unabhängig davon gegeben, dass die Gemeinschuldnerin bei der Entgeltfortzahlung zahlungsunfähig war. Erfolgten eine oder mehrere Entgeltfortzahlungen innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag, wird das LSG zu prüfen haben, dass die Gemeinschuldnerin zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig oder der Beklagten zu diesem Zeitpunkt die Gläubigerbenachteiligung bekannt war.

33

Das LSG hat - ohne sich auf einen konkreten Anfechtungstatbestand zu stützen - lediglich ausgeführt, dass der Beklagten im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung gescheiterte Zwangsvollstreckungsversuche bekannt gewesen seien. Damit sei der Beklagten ebenfalls bekannt, dass die Insolvenzschuldnerin sich in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befunden habe. Sie sei somit "bösgläubig" iS von §§ 130 ff InsO gewesen. Die Kenntnis von gescheiterten Zwangsvollstreckungsversuchen ersetzt indes nicht die Feststellung, dass die Gemeinschuldnerin zahlungsunfähig war oder der Beklagten die Gläubigerbenachteiligung bekannt war. Zwar sind erfolglose Zwangsvollstreckungsversuche ein Anhaltspunkt für die Zahlungsunfähigkeit, denknotwendig ist dies aber nicht. Denn die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung kann auch auf anderen Gründen beruhen.

34

Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten Insolvenzrecht, auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts nach § 17 InsO(vgl BGH Beschluss vom 13.6.2006 - IX ZB 238/05 - WM 2006, 1631 RdNr 6). Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit iS des § 17 Abs 2 S 1 InsO kann eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden. Eine solche Liquiditätsbilanz ist im Anfechtungsprozess jedoch entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs 2 S 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet (vgl zB BGHZ 149, 178, 184 f; BGH Urteil vom 21.6.2007 - IX ZR 231/04 - WM 2007, 1616 RdNr 27). Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (BGHZ 149, 178, 184 f). Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen (BGH Urteil vom 21.6.2007 - IX ZR 231/04 - WM 2007, 1616 RdNr 28). Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus (BGH Urteil vom 20.12.2007 - IX ZR 93/06 - WM 2008, 452 RdNr 21 mwN). Das gilt selbst dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen (BGH Urteil vom 11.2.2010 - IX ZR 104/07 - WM 2010, 711 RdNr 42; vgl zum Ganzen auch BGH Urteil vom 30.6.2011 - IX ZR 134/10 - WM 2011, 1429 RdNr 10 mwN).

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Das LSG hat nicht festgestellt, dass die Zwangsvollstreckungsversuche einen erheblichen Teil der fälligen Verbindlichkeiten betrafen. Ebenso fehlen Feststellungen dazu, dass die Gemeinschuldnerin bei der Entgeltfortzahlung zahlungsunfähig war. Wie dargelegt kommt es dagegen nicht auf den Zeitpunkt der Aufrechnung an. Zudem ist nur diejenige Zahlungsunfähigkeit für die Deckungsanfechtung von Bedeutung, die auch noch bei der späteren Insolvenzeröffnung vorlag (MünchKomm-InsO/Kayser, aaO, § 130 RdNr 30 unter Hinweis auf RGZ 69, 254, 257; 100, 62, 65). Es fehlen Feststellungen des LSG, wann die erfolglosen Zwangsvollstreckungsversuche erfolgten, welchen Umfang sie - auch im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden - hatten und dass eine ggf für die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckungsversuche ursächliche Zahlungsunfähigkeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestand.

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Ebenso fehlen Feststellungen des LSG zur positiven Kenntnis der Beklagten über die Gläubigerbenachteiligung. Die "Bösgläubigkeit" ersetzt die Kenntnis jedenfalls nicht. Zwar steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen (§ 131 Abs 2 S 1 InsO). Umstände, die "zwingend" auf eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger schließen lassen, hat das LSG jedoch nicht festgestellt. Zudem ist nicht die Kenntnis zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung maßgebend. Erforderlich ist vielmehr die Kenntnis zum Zeitpunkt der anfechtbaren Rechtshandlung, also der jeweiligen Leistung von Entgeltfortzahlung (vgl auch BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 62, RdNr 28).

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5. Dem Kläger kann bei einem nach erneuter Entscheidung des LSG unterstellten Erfolg seines Antrags auf Zahlung von 3520,11 Euro ein Zinsanspruch nur nach § 44 SGB I zustehen. Nach § 44 Abs 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit(dazu oben) bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 vH zu verzinsen. Die Anwendung des § 44 SGB I folgt aus § 10 AAG(s dazu oben RdNr 14 zur Anwendung von § 51 SGB I).

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Einen weitergehenden Zinsanspruch hat der Kläger nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG existiert im Bereich des Sozialrechts keine allgemeine Pflicht zur Verzinsung von (rückständigen) Geldleistungen. Soweit das Gesetz eine Zinszahlung nicht ausdrücklich anordnet (etwa § 27 Abs 1 SGB IV und § 44 SGB I), verbleibt deshalb kein Raum für Verzugs- oder Prozesszinsen nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften (BSGE 49, 227, 228 = SozR 1200 § 44 Nr 2; BSGE 55, 40, 45 = SozR 2100 § 27 Nr 2; BSG SozR 2100 § 27 Nr 3; BSGE 56, 116, 118 mwN = SozR 1200 § 44 Nr 10; BSGE 71, 72, 76 f = SozR 3-7610 § 291 Nr 1 S 5 f mwN). Eine analoge Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über Verzugs- und Prozesszinsen hat das BSG abgelehnt (BSGE 55, 40, 44 f = SozR 2100 § 27 Nr 2; BSG SozR 2100 § 27 Nr 3; BSG SozR 1300 § 61 Nr 1; BSGE 56, 116 ff = SozR 1200 § 44 Nr 10 und BSGE 95, 141 RdNr 24 ff = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 32 ff zur Verzinsung rückständiger Honorarforderungen; vgl aber BSG SozR 2200 § 405 Nr 12 betreffend den Beitragszuschuss des Arbeitgebers; BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 bei Geldforderungen aus Rechtsbeziehungen zwischen KK und Krankenhaus wegen § 69 S 3 SGB V aF; BSGE 114, 36 = SozR 4-2500 § 130a Nr 9 bei Leistungsbeschaffungsbeziehungen von KKn nach § 69 S 3 SGB V aF).

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Ebenso wenig hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden. Eine Anwendung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften scheidet auch insoweit aus. Aus der oben dargestellten Systematik des Gesetzes ergibt sich, dass im Recht der Sozialversicherung - außer in den vom Gesetz selbst genannten Fällen - nur der den Gegenstand der eigentlichen Leistung bildende Betrag, nicht aber zusätzliche Leistungen wie Verzugszinsen (dazu oben) oder ein sonstiger Verzugsschaden oder andere durch rechtswidriges Handeln der Verwaltung ausgelöste Aufwendungen geschuldet werden (BSG SozR Nr 3 zu § 1424 RVO = Juris RdNr 14; vgl auch BSGE 55, 92, 94 = SozR 1300 § 63 Nr 1, wonach Kosten eines Verwaltungsverfahrens betreffend die Rücknahme eines Verwaltungsaktes nicht zu erstatten sind). Das Sozialversicherungsrecht enthält insoweit eine spezielle und erschöpfende Regelung der Verzugsfolgen, die es ausschließt, die Vorschrift des § 286 BGB auf Ansprüche aus dem AAG zu übertragen (vgl auch BSG SozR Nr 7 zu Art 2 § 34 ArVNG RdNr 19; vgl aber BSG SozR 3-1300 § 61 Nr 1 für den Bereich des öffentlich-rechtlichen Vertrages; BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 bei Rechtsbeziehungen zwischen KK und Krankenhaus wegen § 69 S 3 SGB V aF).

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6. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten. Die Kostenentscheidung wird das LSG nach § 193 SGG zu treffen haben. Arbeitgeber sind in Streitigkeiten über die Erstattung von Aufwendungen für die Entgeltfortzahlung nach dem AAG Leistungsempfänger iS von § 183 SGG(zur Nichtanwendbarkeit des § 197a SGG vgl BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 3 RdNr 8 f; BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 9 RdNr 22-23). Dies gilt auch bei einer Klage des Insolvenzverwalters, weil er lediglich das Recht des Gemeinschuldners ausübt, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen.