Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 28. Mai 2015 - L 5 AS 570/13
Gericht
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. März 2013 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) wegen einer Laktose- und Fruktoseintoleranz für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 31. Mai 2013.
- 2
Die am ... 1980 geborene alleinstehende Klägerin bezieht seit 2005 Leistungen nach dem SGB II. Zuletzt waren ihr mit Bescheid vom 18. Juni 2009 Leistungen für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2009 i.H.v. 520,81 EUR/Monat ohne Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bewilligt worden.
- 3
Die Klägerin legte am 25. Juni 2009 eine ärztliche Bescheinigung der Fachärztin für Allgemeinmedizin H. vom 23. Juni 2009 vor. Danach bestehe eine Laktoseintoleranz und es sei eine laktosefreie Kost erforderlich.
- 4
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26. Juni 2009 ab. Es bestehe kein Mehrbedarf wegen einer kostenaufwändigen Ernährung. Laktosefreie oder -reduzierte Nahrungsmittel seien in einigen Verbrauchermärkten kostengünstig zu erwerben.
- 5
In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die erforderlichen Lebensmittel könne sie nicht ohne erhebliche Mehrkosten erwerben. Sie legte einen Preisvergleich verschiedener Lebensmittel vor.
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Der Beklagte holte eine Stellungnahme des Facharztes für Innere Medizin Dr. R. vom 30. Oktober 2009 ein. Die aus dessen Sicht lebenslang notwendige laktosefreie Diät sei im Vergleich zu der normalen Kostform um etwa 10 bis 20 % teurer.
- 7
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2010 als unbegründet zurück. Ergänzend führte er aus, seit einigen Jahren gäbe es laktosefreie Produkte auch im Discountbereich; deshalb seien diese nicht teurer als normale Vergleichskost.
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Dagegen hat die Klägerin am 9. Februar 2010 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben und sich auf die Einschätzung von Dr. R. bezogen. Im Februar 2012 sei auch eine Fruktoseintoleranz nachgewiesen worden. Ferner hat sie ein Haushaltsbuch für die Zeit von März bis Oktober 2011 vorgelegt.
- 9
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von der Fachärztin für Allgemeinmedizin B. vom 14. August 2012 eingeholt. Diese hat als Diagnosen eine Laktose- und Fruktoseintoleranz sowie ein Reizdarmsyndrom genannt. Erforderlich sei eine ständige möglichst laktose- und fruktosearme Kostform.
- 10
Zwischenzeitlich hat der Beklagte antragsgemäß weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, jeweils ohne Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung, bewilligt vom 1. Januar bis 30. November 2010 (Bescheid vom 9. Dezember 2009), für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011 (Bescheid vom 12. Oktober 2010), für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2011 (Bescheid vom 16. Mai 2011), für die Zeit vom 1. Dezember 2011 bis 31. Mai 2012 (Bescheid vom 15. November 2011), für die Zeit vom 1. Dezember 2012 bis 31. Mai 2013 (Bescheid vom 20. November 2012). Alle Bescheide sind bestandskräftig geworden.
- 11
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 9. März 2013 den Bescheid vom 26. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Januar 2010 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin für die Zeit ab dem 1. Juli 2009 einen ernährungsbedingten Mehrbedarf i.H.v. 26,57 EUR für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 31. Dezember 2010, i.H.v. V6,94 EUR vom 1. Januar bis 31. Dezember 2011, i.H.v. 27,68 EUR für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2012 und i.H.v. 28,27 Euro ab dem 1. Januar 2013 zu gewähren. Die Klägerin habe Anspruch auf den begehrten Mehrbedarf. Zur Höhe orientiere sich die Kammer an der Einschätzung von Dr. R., der einen Mehrbedarf von 10 bis 20 % angenommen habe. Angesichts der Preise für laktosefreie Milch seien 20 % Mehrkosten des in der Regelleistung enthaltenen Bedarfs für die Ernährung angemessen.
- 12
Gegen das ihm am 27. März 2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 25. April 2013 Berufung eingelegt. Zu Unrecht sei er vom Sozialgericht ohne zeitliche Begrenzung zur Bewilligung eines Mehrbedarfs verpflichtet worden. Dieser sei auch kein abtrennbarer Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Der Mehrbedarf bestehe aber auch nicht, vielmehr sei eine Ernährung mit "Vollkost" ausreichend. Die Klägerin habe erhebliche erhöhte Aufwendungen nicht nachgewiesen. Aus der Einschätzung des Dr. R. lasse sich nicht endgültig beurteilen, ob sich ein Mehrbedarf ergebe. Darüber hinaus könne kein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung für Zeiträume bewilligt werden, in denen die besondere Ernährungsform nicht durchgeführt wurde.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. März 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 15
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil in vollem Umfang für zutreffend. Zu beachten sei, dass auch eine Fruktoseintoleranz vorliege.
- 18
Der Senat hat zunächst verschiedene von anderen Gerichten eingeholte Sachverständigengutachten hinsichtlich eines monatlichen Mehrbedarfs bei Laktoseintoleranz beigezogen und ferner Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin B. hat unter dem 20. Januar 2014 über vielfältige Beschwerden der Klägerin berichtet. Es bestünden u.a. eine Laktoseintoleranz und Störungen des Fruktosestoffwechsels, ein Reizdarmsyndrom ohne Diarrhoe und eine somatoforme autonome Funktionsstörung des oberen Verdauungssystems. Der Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie Dr. Z. hat unter dem 20. Januar 2014 als Diagnose einen Reizmagen und Fruktoseintoleranz genannt.
- 19
Die AOK Gesundheitskasse hat unter dem 20. März 2014 mitgeteilt, seit Juni 2010 habe keine Ernährungsberatung stattgefunden.
- 20
Nach dem beigezogenen arbeitsamtsärztlichen Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin DM K. vom 11. November 2009 bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen.
- 21
Ferner hat der Senat den Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie, Ernährungsmedizin, Sozialmedizin/Rehabilitationswesen Dr. M. das Gutachten vom 2. März 2015 nach Untersuchung der Klägerin am 8. Juli 2014 erstatten lassen. Dem Sachverständigen sind die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. (Deutscher Verein), Stand 2008 und 2014, vorgelegt worden. Die Klägerin hat angegeben, trotz Einhaltung einer laktose- und fruktosefreien Ernährung habe sie weiterhin häufig Verdauungsbeschwerden. Das auf seine Anforderung für mehrere Tage geführte Ernährungsprotokoll weise nach Einschätzung des Gutachters auf eine defizitäre Ernährung mit sehr niedriger Gesamtenergiezufuhr hin. Vermutlich sei die Dokumentation unvollständig, und mit hoher Wahrscheinlichkeit seien in dem Ernährungsprotokoll auch laktosehaltige Lebensmittel genannt worden. Als ernährungsmedizinisch relevante Diagnosen hat der Gutachter genannt: Laktoseintoleranz, Fruktoseintoleranz und Reizdarmsyndrom. Nicht eindeutig zu beantworten sei der Ausprägungsgrad der Laktoseintoleranz. Erst bei einem ausgeprägten Laktasemangel mit notwendiger vollständiger laktosefreier Kost wäre eine Supplementation mit Kalzium erforderlich. Eine solche Empfehlung sei jedoch bisher nicht erfolgt. Sollte ein Kalziummangel diagnostiziert werden, wäre die Aufnahme von kalziumhaltigem Gemüse - ohne Mehrkosten - ausreichend. Auch bei gleichzeitigem Vorliegen von Laktose- und Fruktoseintoleranz sollten aus ernährungsmedizinischer Sicht keine generellen und absoluten Verbote auferlegt werden. Vielmehr müsse die individuelle Verträglichkeit der Nahrungsmittel getestet werden. Zusammengefasst hat der Sachverständige eingeschätzt, dass die Klägerin sich mit Vollkost vollwertig ernähren könne. Zwar enthalte die "Vollkost" i.S.d. Empfehlungen des Deutschen Vereins auch für sie nicht verträgliche Lebensmittel. Hierfür stünden aber nicht diätetische und diätetische Lebensmittel zur Verfügung. Dafür werde kein notwendiger finanzieller Mehrbedarf gesehen. Ersatzprodukte, die einen finanziellen Mehrbedarf auslösen würden, seien nicht erforderlich. Auch aus den Ernährungsprotokollen ließe sich kein finanzieller Mehraufwand erkennen. Das im Rahmen einer früheren Ernährungsberatung empfohlene strenge Vermeidungsverhalten sei ernährungsmedizinisch nicht gerechtfertigt. Soweit in einigen Studien ein Mehrbedarf angenommen worden sei, sei es nicht korrekt, einen "1:1-Ersatz" laktosehaltiger durch laktosefreie Lebensmittel zu empfehlen. Sinnvoll sei vielmehr eine Variation von laktose- und fruktosearmer Ernährung, die keine Mehrkosten im Vergleich zu einer normalen laktose- und fruktosehaltiger Vollkost verursache.
- 22
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten sowie das von der Klägerin vorgelegte Haushaltsbuch haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten und die Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
- 23
Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Sie ist auch statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Denn die Verpflichtung des Sozialgerichts, der Klägerin für die Zeit von Juli 2009 bis - mindestens - Januar 2013 einen Mehrbedarf zu zahlen, übersteigt einen Betrag von 750 EUR bei weitem.
II.
- 24
Die Berufung ist auch begründet, da das Sozialgericht den Beklagten zu Unrecht verpflichtet hat, der Klägerin einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu bewilligen.
- 25
Der angefochtene Bescheid vom 26. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Januar 2010 ist - für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2009 - in der Sache nicht zu beanstanden. Der Klägerin entstehen die begehrten weiteren Leistungen für kostenaufwändige Ernährung nicht zu (dazu 2.). Unzulässig war die Klage bereits hinsichtlich der ausgeurteilten Zeiträume ab 1. Januar 2010 (dazu 1.).
1.
- 26
Die Klage war hinsichtlich der Zeiträume ab 1. Januar 2010 unzulässig und die Verpflichtung des Beklagten zur weiteren Leistungsbewilligung für diese Zeiträume schon deswegen aufzuheben.
a.
- 27
Das von der Klägerin am 25. Juni 2009 vorgelegte Attest ist ein Antrag auf Änderung des Bewilligungsbescheids vom 18. Juni 2009 für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2009 gemäß § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gewesen.
- 28
Denn die isolierte Feststellung eines Mehrbedarfs ist unzulässig. Daher ist es der Behörde auch verwehrt, abschließend für die Zukunft über einen geltend gemachten Mehrbedarf zu entscheiden. Ein entsprechender isolierter Ablehnungsbescheid hat immer nur Bindungswirkung für den laufenden Bewilligungsabschnitt. Denn zu einer solchen Entscheidung mit Bindungswirkung für die Zukunft wäre der Beklagte wegen der gemäß § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II geregelten abschnittsweisen Leistungsbewilligung gar nicht berechtigt. In zeitlicher Hinsicht kann sich eine Leistungsklage damit zulässigerweise nur auf höhere laufende Leistungen für den laufenden Bewilligungsabschnitt - hier: 1. Juli bis 31. Dezember 2009 - beziehen (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011, B 14 AS 146/10 R (15,16)).
b.
- 29
Die Bescheide für die Zeiträume ab dem 1. Januar 2010 vom 9. Dezember 2009, 12. Oktober 2010, 18. Mai 2011, 16. Mai 2011, 15. November 2011 und 20. November 2012 sind nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
- 30
Da diese Bescheide bestandskräftig geworden sind, scheidet auch eine Einbeziehung in das laufende Klage- bzw. Berufungsverfahren im Wege der Klageänderung gemäß § 99 SGG aus (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011, B 14 AS 146/10 R (16)).
2.
- 31
Die für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2009 zulässige Leistungsklage ist unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf den begehrten Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung hat.
a.
- 32
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Bewilligung höherer Leistungen im laufenden Bewilligungsabschnitt. Dabei ist es unzulässig, den Mehrbedarf als isolierten Streitgegenstand allein zum Gegenstand des Rechtsstreits zu machen. Dies gilt auch, wenn - wie hier - die Leistungen bestandskräftig festgestellt und der Mehrbedarf in einem gesonderten Verfahren abgelehnt worden ist (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 6/13 R (10,11)).
- 33
Zulässig ist es jedoch, durch die Begrenzung des Rechtsstreits auf einen Mehrbedarf die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) unstreitig zu stellen. Dann ist die Höhe der Klägerin zustehenden Leistungen zwar unter jedem Gesichtspunkt - jedoch mit Ausnahme der KdU - zu prüfen (BSG, Urteil vom 22. März 2010, B 4 AS 59/09 R (11)). Die Klägerin hat zwar nicht ausdrücklich und zu Protokoll im Rahmen einer Prozesserklärung eine solche Beschränkung des Streitgegenstands erklärt. Einer eindeutigen und ausdrücklichen Erklärung einer Partei hinsichtlich einer Beschränkung des Streitgegenstands im Klageverfahren bedarf es aber dann nicht, wenn - wie hier - die Klage erfolgreich gewesen ist und nur der Beklagte das Rechtsmittel eingelegt hat (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 6/13 R (11)).
- 34
Hier hat die Klägerin von vornherein im Klageverfahren lediglich einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung geltend gemacht. Einwände hinsichtlich der - nicht in vollem Umfang bewilligten - KdU hat sie zu keinem Zeitpunkt gemacht. Nur hinsichtlich einer Verurteilung zur Zahlung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung hat der Beklagte Berufung eingelegt. Daher hatte der Senat den Rechtsstreit auch nur hinsichtlich der Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung dieses Mehrbedarfs zu prüfen.
b.
- 35
Die Klägerin waren in dem hier streitigen Zeitraum dem Grunde nach anspruchsberechtigt nach dem SGB II. Bei einer auf Leistungen gerichteten Klage sind grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen für die Leistungsberechtigung dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen.
- 36
Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten sind nach § 7 Abs.1 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung Personen, die
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das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze noch nicht vollendet haben,
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erwerbsfähig sind,
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hilfebedürftig sind und
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ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
- 41
Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht
- 42
durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,
- 43
aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen
- 44
sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
- 45
Die Klägerin hatte im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze noch nicht erreicht und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war auch nach der Einschätzung des arbeitsamtsärztlichen Gutachters DM K. vom 11. November 2009 voll erwerbsfähig. Hinweise für eine fehlende Hilfebedürftigkeit wegen einzusetzenden Vermögens hat der Senat nicht.
- 46
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den geltend gemachten Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 5 SGB II. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Erforderlich ist dafür ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen Kostform. Nur krankheitsbedingte Gründe sind von Bedeutung (BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, B 4 AS 100/10 R (16,17)).
- 47
Bei der Klägerin lagen im streitigen Zeitraum in ernährungsmedizinischer Hinsicht eine Laktose- und Fruktoseintoleranz sowie ein Reizdarmsyndrom vor.
a.a.
- 48
Hinsichtlich der Fruktoseintoleranz bestand im streitigen Zeitraum Juli bis Dezember 2009 schon deshalb kein Bedarf, weil die Erkrankung erst im Jahr 2012 nachgewiesen worden ist.
- 49
Voraussetzung für die Entstehung eines Mehrbedarfs ist aber - neben der objektiven medizinischen Erforderlichkeit - die Kenntnis von der Erkrankung. Dies ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut ("bedürfen", vgl. BSG, Urteil vom 20. Februar 2014, B 14 AS 65/12 R (25)).
b.b.
- 50
Hinsichtlich der im streitigen Zeitraum bekannten Laktoseintoleranz ist eine kostenaufwändige Ernährung aus medizinischen Gründen nicht erforderlich gewesen. Vielmehr war es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme des Senats ausreichend, sich im Rahmen einer Vollkostnahrung laktosearm zu ernähren. Dies ergibt sich zu Überzeugung des Senats aus dem Sachverständigen Gutachten des Dr. M. vom 2. März 2015.
- 51
Bei Vorliegen von Laktoseintoleranz muss die individuelle Verträglichkeit der Nahrungsmittel getestet werden. Eine bei einem ausgeprägten Laktosemangel notwendige Supplementation mit Kalzium ist bislang von den behandelnden Ärzten nicht als erforderlich angesehen worden. Selbst für diesen Fall wäre aber die Aufnahme von kalziumhaltigem Gemüse ohne Mehrkosten ausreichend. Das im Rahmen einer früheren Ernährungsberatung empfohlene strenge Vermeidungsverhalten ist ernährungsmedizinisch jedenfalls nicht gerechtfertigt. Es wird von der Klägerin auch offensichtlich nicht eingehalten, die der Sachverständige nach Auswertung der Einkaufsprotokolle festgestellt hat.
- 52
Zwar enthält die "Vollkost" nach der Definition des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. (Deutscher Verein) auch für die Klägerin nicht verträgliche Lebensmittel. Hierfür stehen aber andere nicht diätetische und diätetische Lebensmittel zur Verfügung. Dafür ist kein notwendiger finanzieller Mehrbedarf notwendig. Ersatzprodukte, die einen finanziellen Mehrbedarf auslösen würden, sind nicht erforderlich.
- 53
Für den Senat überzeugend argumentiert der Sachverständige, dass der in einigen Studien angenommene finanzielle Mehrbedarf auf dem Gedanken eines "1:1-Ersatzes" laktosehaltiger durch laktosefreie Lebensmittel beruht. Sinnvoll ist aber vielmehr eine laktosearme Ernährung, die keine Mehrkosten im Vergleich zu einer normalen laktosehaltiger Vollkost verursachen muss.
- 54
Auch aus den Empfehlungen des Deutscher Vereins, 4. Auflage 2014, lässt sich ein Mehrbedarf nicht rechtfertigen. Es handelt sich hierbei zwar nicht um ein antizipiertes Sachverständigengutachten. Dennoch dienen die Empfehlungen 2014 als Orientierungshilfe und können insbesondere zum Abgleich mit den Ergebnissen der durchzuführenden Einzelfallermittlung verwendet werden (BSG, Urteil vom 20. November 2011, B 4 AS 138/10 R (18, 23)). Die 2014 neu herausgegebenen Empfehlungen sind für den für den vorliegenden, das Jahr 2009 betreffenden Rechtsstreit anzuwenden. Es gibt keine Gründe, die dort dokumentierten ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse nicht in die Beweiswürdigung einfließen zu lassen (BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, a.a.O., (23)).
- 55
Danach ist für die bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen regelmäßig kein krankheitsbedingt erhöhter Ernährungsaufwand anzunehmen (Ziffer 3.2.1.und 3.2.2. der Empfehlungen 2014). Vielmehr ist regelmäßig eine Vollkosternährung ausreichend. Bei Laktoseunverträglichkeit ist in der Regel ist eine Substitution mit speziellen Nahrungsmitteln nicht erforderlich. Die medizinische Behandlung besteht im Vermeiden von nichtverträglichen Nahrungsmitteln. Die Deckung des Kalziumsbedarfs ist etwa durch Verzehr von Milchprodukten mit sehr geringen Mengen an Laktose möglich. Ausnahmen gelten für Besonderheiten im Einzelfall, beispielsweise eines angeborenen Laktasemangels. Ein solcher liegt bei der Klägerin aber nach den Feststellungen des Gutachters Dr. M. nicht vor.
- 56
Die Einschätzung der Empfehlungen 2014 entspricht auch dem wissenschaftlichen Kenntnisstand der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA – in: The EFSA Journal 2010, 8 (9), 1777). Danach können die meisten Betroffenen eine Milchzuckerunverträglichkeit geringere und auch höhere Dosen beschwerdefrei tolerieren, wenn sie über den Tag verteilt verzehrt werden. Ein vollständiger Verzicht auf laktosehaltige Lebensmittel ist nicht erforderlich.
- 57
Aus diesen Gründen folgt der Senat der Einschätzung des für den Beklagten tätig gewordenen Dr. R. vom 30. Oktober 2009 nicht. Dieser hat einen Ernährungsmehrbedarf für "laktosefreie Diät" ohne Begründung und ohne Darstellung seiner Schätzgrundlagen genannt. Die behandelnde Hausärztin B. hat in ihren Befundberichten und Attesten hinsichtlich der behaupteten Mehrkosten für eine laktosearme Ernährung keine Angaben gemacht.
- 58
Sollte die Klägerin aufgrund von Leistungseinschränkungen im geistigen Bereich nicht in der Lage sein, eine laktosereduzierte Ernährung umzusetzen, wäre dies kein medizinischer Grund für die begehrte Zubilligung des Mehrbedarfs. Insoweit wäre sie auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Form einer qualifizierten Ernährungsberatung, oder aber - bei einem Unvermögen der Umsetzung einer Ernährungsberatung - auf Leistungen der Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Leben in Gemeinschaft zu verweisen.
- 59
Die Frage, ob im Jahr 2009 mit dem in der Regelleistung enthaltenen Betrag für das Essen und Trinken eine gesunde und laktosearme Ernährung möglich gewesen ist, stellt sich in diesem Zusammenhang nicht. Es gibt keinen Anspruch auf eine höhere Regelleistung aufgrund eines individuellen Ernährungsmehrbedarfs. Nach dem Leistungssystem des SGB II ist eine abweichende Bestimmung der Höhe der Regelleistungen nicht vorgesehen. Es ist Sache des Hilfebedürftigen, über die Verwendung des festgelegten Regelbedarfs im Einzelnen zu bestimmen und einen ggf. höheren Ernährungsbedarf durch geringere Ausgaben in anderen Bereichen zu kompensieren (BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, a.a.O., (30 f.)).
3.
- 60
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage.
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Annotations
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
- 1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder - 2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.
(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
- 1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, - 2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, - 3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder - 4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.
(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.
(1) Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht für jeden Kalendertag. Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht.
(2) Berechnungen werden auf zwei Dezimalstellen durchgeführt, wenn nichts Abweichendes bestimmt ist. Bei einer auf Dezimalstellen durchgeführten Berechnung wird die letzte Dezimalstelle um eins erhöht, wenn sich in der folgenden Dezimalstelle eine der Ziffern 5 bis 9 ergeben würde.
(3) Über den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist in der Regel für ein Jahr zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum soll insbesondere in den Fällen regelmäßig auf sechs Monate verkürzt werden, in denen
- 1.
über den Leistungsanspruch vorläufig entschieden wird (§ 41a) oder - 2.
die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung unangemessen sind.
(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.
(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.
(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.
(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden, - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird, - 3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.
(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
(2) Im Sinne von Absatz 1 können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen, ist ausreichend.
(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.
(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.
(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.
(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.