Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss, 20. Feb. 2014 - L 4 AS 935/12 NZB

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2014:0220.L4AS935.12NZB.0A
bei uns veröffentlicht am20.02.2014

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 24. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer und Kläger (im Folgenden: Kläger) wendet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung in einem Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau, das seine Klage gegen den Beschwerdegegner und Beklagten (im Folgenden: Beklagter) auf Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarf für die Zeit vom 1. April bis zum 30. September 2011 abgelehnt hat.

2

Der Beklagte gewährt dem am ... 1963 geborenen Kläger Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). In einem Folgeantrag vom 9. März 2011 beantragte der Kläger für den Bewilligungsabschnitt vom 1. April 2011 bis zum 30. September 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. In einem Bescheid vom 9. März 2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Monate April bis September 2011 eine Leistung von monatlich 528,91 EUR, die sich wie folgt zusammensetzten:

3

Regelleistung: 364,00 EUR
Mietanteil: 109,91 EUR Nebenkostenanteil: 31,00 EUR
Heizkostenanteil: 24,00 EUR

4

In einem am 23. März 2011 beim Beklagten eingegangenen Zusatzblatt 8 (Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung) verlangte der Kläger einen ernährungsbedingten Mehrbedarf. In einer beigefügten ärztlichen Bescheinigung gab der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. R. unter dem 16. März 2011 an: Der Kläger leide an Gicht und benötige eine purinreduzierte Kost. Die Erkrankung sei chronisch und werde auf Dauer fortbestehen. Mit Bescheid vom 19. April 2011 lehnte der Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung ab. Die Erkrankung des Klägers falle nicht in die Gruppe, bei denen die Notwendigkeit einer kostenaufwändigeren Ernährung nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge anerkannt sei. Vielmehr sei die Vollkost, die vom Regelbedarf umfasst werde, für die Ernährung ausreichend. Hiergegen legte der Kläger am 19. Mai 2011 Widerspruch ein und machte geltend: Für die Empfehlungen des Deutsche Vereins für öffentliche und private Vorsorge fehle eine gesetzliche Grundlage. Es werde auf die Begründung im Widerspruchsschreiben vom 26. Oktober 2010 Bezug genommen. Hiernach sei der Deutsche Verein für öffentliche und private Vorsorge nicht befugt Empfehlungen für den Beklagten abzugeben. Von den Mitarbeitern des Vereins seien auch keine konkreten medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse zu erhalten. Er leide seit Jahren chronisch an Gicht und es sei ihm nicht gelungen, trotz purinreduzierter Ernährung, seinen Harnsäurewert zu reduzieren. Dies sei nur mit Hilfe von harnsäuresenkenden Medikamenten möglich. Der Wegfall des Mehrbedarfs führe zu einer Einschränkung seiner Nahrungsaufnahme, was die gichtbedingten Ablagerungen in den Gelenken verstärken würde. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2011 zurück und verwies in der Begründung auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Vorsorge. Hiernach sei bei Gicht nicht mehr von einem höheren Ernährungsaufwand auszugehen. Die Ernährung werde allgemein als obst- und gemüseorientiert beschrieben, wobei Alkohol- und Fleischaufnahme gering zu halten sei und auf fettarme Milchprodukte ausgewichen werden müsse. Ein hiervon abweichender Einzelfall sei beim Kläger nicht erkennbar.

5

Hiergegen hat der Kläger am 30. August 2011 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Sein gesundheitlicher Zustand habe sich nicht verbessert, sondern eher verschlechtert. Auf die Ausführungen im Parallelverfahren S 6 AS 282/11 werde verwiesen. Hiernach stamme die letzte Empfehlung des Deutschen Vereins wohl aus dem Jahr 2008, basiere auf Verbrauchsstichproben aus dem Jahr 2003 und sei daher veraltet. Veränderungen der Regelsätze bzw. die Preisentwicklung seien daher nicht berücksichtigt worden. In der Vergangenheit habe er wiederholt den ernährungsbedingten Mehrbedarf vom Beklagten erhalten. Da er seine Ernährung wegen der Kosten nicht mehr nach dem Puringehalt vornehmen könne, habe sich seine gesundheitliche Situation verschlechtert. Der letzte Laborbefund vom 12. Januar 2011 habe einen Wert von 805 µmol/l ergeben. Die Obergrenze liege bereits bei 416 µmol/l. Überdies leide er auch an einer doppelseitigen Hüftkopfnekrose.

6

Mit Änderungsbescheid vom 1. September 2011 hob der Beklagte den Bescheid vom 29. März 2011 (gemeint: 9. März) mit Wirkung ab dem 1. August bis 30. September 2011 auf und errechnete wegen eines vom Beklagten genehmigten Umzuges in den M. Weg 23, A. sowie der Betriebskostenabrechnung 2009 (gemeint: 2010) für den Monat August 2011 Beträge in Höhe von 691,15 EUR sowie für den Monat September 2011 in Höhe von 681,76 EUR. Ab dem 1. August 2011 errechnen sich die Kosten der Unterkunft nach der neuen Wohnung in Höhe von 317,76 EUR (Kaltmiete: 199,76 EUR; Betriebskosten: 60,00 EUR; Heizkosten: 50,00 EUR; Mehrbedarf Warmwasseraufbereitung: 8,00 EUR). Für August 2011 werde eine Betriebskostennachforderung von 9,39 EUR berücksichtigt. Dies ergebe eine Nachzahlung zu Gunsten des Klägers von 162,24 EUR (August 2011) bzw. 152,85 EUR (September 2011).

7

Das SG hat einen Befundbericht von Dr. R. angefordert, der auf seinen Befundbericht vom 21. Juni 2011 verwiesen hat, der noch seine Gültigkeit habe. Darin hatte Dr. R. ausgeführt: Als Diagnosen lägen beim Kläger Gichtanfälle, Harnsäurewerterhöhungen, Rheumatismus, Oberbauchbeschwerden, ein Lumbales Radikulärsyndrom, eine Venöse Insuffizienz, eine Phlebothrombose, Hüftgelenksschmerzen sowie eine chronische Pankreatitis vor. Die Beschwerden seien wiederkehrend und fortschreitend. Die Gicht trete schubweise auf. Der Kläger halte sich an einen privat geführten Diätplan und ernähre sich nach diesen Vorgaben. Auf die gerichtliche Frage, welche Lebensmittel der Kläger wegen der Erkrankung zu sich nehmen bzw. meiden müsse hat Dr. R. mitgeteilt, aus ärztlicher Sicht bestehe weiterhin der Bedarf auf eine purinreduzierte Kost. Aktuell sei eine Pankreatitis aufgetreten, die mittels Gastroskopie abgeklärt werden solle.

8

In der nichtöffentlichen Sitzung des SG vom 15. August 2012 hat der Kläger auf Nachfrage erklärt: Wegen der Thrombose nehme er blutverdünnende Mittel. Deshalb müsse er darauf achten, kein Obst oder Gemüse zu sich zu nehmen, die einen erhöhten Vitamin K-Anteil aufwiesen. Er meide daher grüne Gemüsesorten wie z.B. Rosenkohl oder Grünkohl. Weiterhin solle er auch auf Fleisch, Innereien und Hülsenfrüchte verzichten. Seine Ernährung konzentriere sich daher auf Roggenmehlprodukte, Milch, Eiweißprodukte, Gurken und Tomaten. Das SG hat in der Sitzung darauf hingewiesen, dass die Empfehlungen des Deutschen Vereins als Orientierungshilfe herangezogen werden könnten. Hiernach solle bei einer Gichterkrankung eine Vollkost erfolgen, die sich aus dem Regelsatz des SGB II bestreiten lasse. Vor diesem Hintergrund sei ein ernährungsbedingter Mehrbedarf des Klägers nicht erkennbar. Weiter hat das SG unter anderem auf entsprechende Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen und des Bayerischen LSG mit Fundstellen hingewiesen. Die Beteiligten haben sich am 15. August 2012 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bereit erklärt.

9

Das SG hat mit Urteil vom 24. Oktober 2012 die auf Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung von monatlich 30,68 EUR für den Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2011 gerichtete Klage, abgewiesen. Zu Unrecht habe es der Beklagte allerdings versäumt die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu überprüfen, da die Frage des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung kein abtrennbarer Teil der Regelleistung sei und kein isolierter Streitgegenstand sein könne. Der Kläger erfülle die Grundvoraussetzungen des § 7 SGB II. Sein Anspruch umfasse sowohl die Regelleistung nach § 20 SGB II in Höhe von 364 EUR als auch die Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II in Höhe von 164,91 EUR (ohne Abzug für die Warmwasseraufbereitung) und ab dem 14. September in Höhe von monatlich 309,76 EUR zuzüglich eines Mehrbedarfs wegen Warmwasseraufbereitung ab dem 1. August 2011 in Höhe von 8,00 EUR. Insoweit habe der Kläger höhere Leistungen erhalten, als er tatsächlich beanspruchen könne. Voraussetzung für einen Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 5 SGB II wegen kostenaufwändiger Ernährung sei, dass eine krankheitsbedingte Einschränkung eine kostenaufwändigere Ernährung notwendig macht. Die von Dr. R. mitgeteilte notwendige purinreduzierte Kostform sei nicht mit erhöhten Kosten verbunden. Hier könne auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Vorsorge als Orientierungshilfe zurückgegriffen werden. Diese Kost sei aus der Regelleistung des SGB II zu bestreiten. Entgegen der Auffassung des Klägers komme es nicht auf die Preiskalkulation, sondern auf die zu vermittelnde Verbrauchsstruktur an. Auch aus den vom Kläger vorgetragenen Essgewohnheiten ergebe sich keine andere Bewertung. Aus den von ihm bevorzugt eingenommenen Lebensmitteln lasse sich kein besonderer Mehrbedarf gegenüber dem Regelsatz erkennen.

10

Gegen das ihm am 2. November 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. November Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt und geltend gemacht: Zu Unrecht habe sich das SG hinter den Empfehlungen des Deutschen Vereins "versteckt". Er habe drei Erkrankungen und könne mit dem beantragten Mehrbedarf und der täglichen Einnahme der Medikamente einiges erreichen. Durch verschlechterte Blutwerte habe er die Einnahme von Medikamenten drastisch reduzieren müssen, was zu einer Zunahme der Schmerzen und einer Erhöhung der Harnsäurewerte geführt habe. Betrachte man den gesamten Zeitraum des beantragten Mehrbedarfs für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 2. November 2012, sei der Berufungsstreitwert überschritten. Bei der Frage des ernährungsbedingten Mehrbedarfs handele es sich um eine Einzelfallprüfung, die mit der Klärung medizinischer Fragen verbunden sei.

11

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

12

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 24. Oktober 2012 zuzulassen.

13

Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

14

die Beschwerde zurückzuweisen.

15

Der Beklagte hat ausgeführt: Eine grundsätzliche Bedeutung der Sache gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei nicht erkennbar, da es um eine Einzelfallentscheidung gehe. Auch ein Zulassungsgrund gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG sei nicht gegeben, da das Urteil des BSG vom 10. Mai 2011, B 4 AS 100/10 R beachtet worden sei. Auch Verfahrensmängel seien nicht erkennbar. Der vom SG eingeholte Befundbericht von Dr. R. sowie die Befragung des Klägers seien zur Aufklärung des Sachverhalts ausreichend gewesen. Nach der Rechtsprechung des BSG können die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zur Orientierungshilfe dienen. Weiche der Einzelfall von diesen Vorgaben nicht ab, sei der Sachverhalt nicht weiter aufzuklären.

16

Hierzu hat der Kläger ergänzend vorgetragen: Beim Befundbericht von Dr. R. sei es nur um Gichterkrankung gegangen. Die anderen Erkrankungen erforderten zum Teil andere Kostformen, die jeweils nicht zusammenpassen. Es sei zweifelhaft, ob nach fragwürdigen medizinischen Erkenntnissen der Richterin oder nach den zweifelhaften Empfehlungen des Deutschen Vereins entschieden werden könne. Das SG habe den abweichenden Bedarf bei Lebensmittelunverträglichkeit nicht geprüft.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

II.

18

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 145 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Sie ist auch statthaft, da die Berufung nicht kraft Gesetzes zulässig ist. Gemäß § 144 Abs. 1 in der ab 1. April 2008 gültigen Fassung bedarf die Berufung in einem Urteil des Sozialgerichts der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR oder bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

19

Streitgegenstand ist das Begehren des Klägers, für den Zeitraum vom 1. April 2011 bis 30. September 2011 einen ernährungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von 30,68 EUR monatlich zu erhalten. Der beanspruchte Gesamtwert i.H.v. 184,08 EUR (30,68 EUR x sechs Monate) liegt unter dem Berufungsstreitwert des § 144 Nr. 1 SGG in Höhe von 750,00 EUR. Die Höhe des Mehrbedarfs ist kein eigenständiger Streitgegenstand, sondern ein Teil des in der Regel für sechs Monate zu bewilligenden Arbeitslosengeldes II (vgl. BSG, Beschluss vom 4. Juli 2011, B 14 AS 30/11 B, juris).

20

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Berufung gegen das Urteil vom 24. Oktober 2012 zu Recht nicht zugelassen.

21

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr.1), das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2), oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

22

a. Der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegt nicht vor, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die weitere Entwicklung des Rechts zu fördern (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012 zu § 144 Rdnr. 28). Eine Tatsachenfrage kann auch dann die Zulassung der Berufung nicht begründen, wenn ihre Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen haben kann (Leitherer, a. a. O., Rdnr. 29, m. w. N.). Der Kläger hat bereits keine klärungsbedürftige Rechtsfrage formuliert, da es sich bei der Prüfung des ernährungsbedingten Mehrbedarfs im Kern um eine reine Tatsachenfrage handelt. Die Feststellung, ob ein Hilfebedürftiger auf Grund einer Erkrankung einer besonderen, kostenintensiven Ernährung bedarf, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig, auch wenn diese verallgemeinert werden können. Maßgebend sind gleichwohl die individuellen Verhältnisse des Hilfebedürftigen. Dementsprechend hat das Bundessozialgericht entschieden, dass der im Streit stehende Mehrbedarf jeweils im Einzelfall zu ermitteln ist (zuletzt BSG, Urteil vom 14. Februar 2013, B 14 AS 48/12 R, juris) Die Notwendigkeit einer krankheitsbedingten kostenaufwendigen Ernährung ist daher eine Tatsachenfrage, über die Beweis erhoben werden kann. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat ggf. eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen sachkundigen Stellungnahmen zu dieser Frage zu erfolgen. So ist die Frage der Reichweite eines neben der Bewilligungsentscheidung isoliert abgelehnten Antrags auf Gewährung eines Mehrbedarfs höchstrichterlich geklärt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 49/10 R; zuletzt BSG, Urteil vom 14. Februar 2013, B 14 AS 48/12 R, juris). Nach dem letztgenannten Urteil des BSG können die Mehrbedarfsempfehlungen des Deutschen Vereins vom 1. Oktober 2008 zumindest bei gelisteten Erkrankungen als Orientierungshilfe dienen. Diese Vorgabe hat das SG nicht verletzt und nicht nur auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins aus dem Jahr 2008 gestützt. Vielmehr begründet es seine Entscheidung im tragenden Kern mit dem eingeholten Befundbericht von Dr. R. und dem Ergebnis der persönlichen Anhörung des Klägers in der Sitzung vom 15. August 2012. Das SG hat damit eine Einzelfallprüfung auf konkreter Tatsachengrundlage vorgenommen. Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung stellen sich im vorliegenden Verfahren demzufolge unter keinem denkbaren Gesichtspunkt.

23

b. Es besteht auch keine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG. Diese liegt nur dann vor, wenn das anzufechtende Urteil von einer Entscheidung des Berufungsgerichts oder des Bundessozialgerichts abweicht. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

24

c. Auch ein entscheidungsrelevanter Verfahrensverstoß liegt nicht vor. Ein rechtserheblich geltend gemachter Verfahrensverstoß nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG setzt voraus, dass sich aus den vorgetragenen Tatsachen schlüssig ergibt, welche Verfahrensvorschrift als verletzt angesehen wird und warum das Urteil darauf beruhen kann. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Insoweit können keine inhaltlichen Unrichtigkeiten eines Urteils gerügt werden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 144 Rdn 34 a). Soweit der Kläger eine mangelnde Aufklärung des Sachverhalts rügt, ist ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht nicht gegeben (§ 103 SGG). Das SG musste sich auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären: Dr. R. hat lediglich ausgeführt, der Kläger bedürfe einer purinreduzierten Kost. Die Behauptung des Klägers, er sei wegen der Thrombose und der damit notwendigen Medikation auch auf eine Ernährung mit geringem Vitamin K-Anteil angewiesen, hat der behandelnde Arzt so nicht bestätigt, obwohl das SG ausdrücklich nach krankheitsbedingten, von der Normalkost abweichenden Ernährungsverhalten, gefragt hatte. Auch die persönlichen Ausführungen des Klägers in seiner gerichtlichen Befragung vom 15. August 2012 haben keine Tatsachen ergeben, um einen vom Regelfall abweichenden Sonderfall der Ernährung annehmen zu können. Vielmehr hat der Kläger nur behauptet, er sei in seinem Kostverhalten auf Roggenmehlprodukte, Milch, Eiweißprodukte, Gurken und Tomaten beschränkt. Die genannte Produktauswahl entspricht dabei durchaus üblichen Grundnahrungsmitteln, erscheint zwar stark eingeschränkt, lässt jedoch eine krankheitsbedingte, spezielle Ernährung, die mit höheren Kosten verbunden wäre, nicht erkennen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn das SG für die hier vorliegende purinreduzierte Kost die Orientierungshilfe des Deutschen Vereins herangezogen und sich die darin enthaltene Wertung zu Eigen gemacht hat.

25

Auch eine Überraschungsentscheidung des SG liegt nicht vor. Nach dem Gerichtsprotokoll vom 15. August 2012 hat das SG klare und unmissverständliche Hinweise zum ernährungsbedingten Mehrbedarf erteilt. Hierauf hat der Kläger nicht mehr reagiert. Weder hat er weitere Ausführungen zu einem krankheitsbedingten atypischen Mehrbedarf gemacht noch darauf gerichtete Beweisanträge gestellt, sondern sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

26

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.

27

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG). Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des SG gemäß § 145 Abs. 4 SGG rechtskräftig.


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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 7 Leistungsberechtigte


(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die1.das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,2.erwerbsfähig sind,3.hilfebedürftig sind und4.ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschla

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Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 22 Bedarfe für Unterkunft und Heizung


(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Le

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 20 Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts


(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des tägl

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 103


Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 21 Mehrbedarfe


(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind. (2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrb

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 145


(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Ur

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(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005.

2

Die 1959 geborene Klägerin ist alleinstehend und bewohnt eine Ein-Zimmer-Wohnung, die durch zwei Gas-Einzelöfen und einen Heizlüfter im Bad beheizt wird. Im Oktober 2004 beantragte sie bei dem Beklagten die Gewährung von Alg II und legte dabei eine Bescheinigung ihrer Hausärztin vor, wonach bei ihr aufgrund eines Diabetes mellitus Typ I Krankenkost (Diabeteskost) erforderlich sei.

3

Mit Bescheid vom 13.11.2004 bewilligte der Beklagte Alg II von Januar bis Mai 2005 in Höhe von 794,56 Euro und für Juni 2005 in Höhe von 777,16 Euro, wobei er neben einem befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 134 Euro einen monatlichen Mehrbedarf von 25,56 Euro für kostenaufwändige Ernährung wegen Diabetes mellitus Typ I berücksichtigte. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass der Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu gering sei und ihr einschließlich Praxisgebühr und Zuzahlung monatliche Kosten in Höhe von mindestens 50 Euro entstünden. Mit Widerspruchsbescheid vom 4.2.2005 bewilligte der Beklagte daraufhin für die Zeit von Januar bis Mai 2005 monatlich 795,23 Euro und für Juni 2005 775,18 Euro. Den darüber hinausgehenden Widerspruch wies er als unbegründet zurück.

4

Am 1.3.2005 erhob die Klägerin Klage zum SG und begründete ihre Klage insbesondere damit, dass eine Anpassung des seit 1997 nicht erhöhten Mehrbedarfsbetrages zu erfolgen habe, die Regelleistung in Höhe von 345 Euro zu gering sei und zusätzliche Stromkosten von monatlich 11 Euro zu berücksichtigen seien, weil sie ihr Bad mit einem Heizlüfter beheize. Während des Klageverfahrens hat der Beklagte mit Änderungsbescheiden vom 4.3.2005, 7.9.2005 und 15.11.2005 zuletzt Leistungen für Januar und Februar in Höhe von monatlich 806,33 Euro, für März 689,26 Euro, für April 810,33 Euro, für Mai 802,82 Euro und für Juni 2005 782,72 Euro bewilligt. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Beklagte am 29.6.2006 ein Teilanerkenntnis abgegeben und sich bereit erklärt, der Klägerin über die mit Bescheid vom 15.11.2005 zuerkannten Leistungen hinaus für März 2005 Leistungen in Höhe von 795,23 Euro (gemäß dem Widerspruchsbescheid), für Mai 2005 in Höhe von 807,56 Euro und für Juni 2005 in Höhe von 784,46 Euro (gemäß dem Bescheid vom 4.3.2005) zu bewilligen. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen. Mit Urteil vom 29.6.2006 hat das SG die darüber hinausgehende Klage abgewiesen.

5

Mit Urteil vom 15.12.2006 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass sie einen Bedarf habe, der in der Höhe erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweiche. Insofern werde auf die Entscheidungsgründe des SG verwiesen, wonach ein Mehrbetrag für kostenaufwändige Ernährung nach dem Krankheitsbild der Klägerin nicht gerechtfertigt sei und die Kosten für Arztbesuche und Zuzahlungen im Regelbetrag enthalten seien.

6

Auf die Revision der Klägerin hat das BSG mit Urteil vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07 R - das Urteil des LSG vom 15.12.2006 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, da es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen fehle, insbesondere für die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für eine kostenaufwändige Krankenernährung gemäß § 21 Abs 5 SGB II.

7

Das LSG hat hierauf die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Außerdem hat das LSG ein gerichtliches Sachverständigengutachten bei dem Internisten Dr. S. eingeholt. Mit Urteil vom 23.10.2009 hat das LSG der Klägerin einen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zugesprochen. Insoweit sei bei den Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) ein Anteil an den Stromkosten, der für eine angemessene Beheizung des Bades mittels des vorhandenen Heizlüfters erforderlich sei, ergänzend zu berücksichtigen. Der konkrete Stromverbrauch des Heizlüfters zur Beheizung des Bades - etwa über einen getrennten Zähler - werde nicht erfasst. Die vom SG berücksichtigte Betriebsdauer des Heizlüfters von einer halben Stunde täglich sei sehr knapp bemessen, weshalb zu Gunsten der Klägerin im Rahmen der Schätzung eine volle Stunde zugrunde gelegt werde. Insgesamt belaufe sich die der Klägerin zustehende Nachzahlung für Kosten der Unterkunft und Heizung für den streitgegenständlichen Zeitraum auf 60,69 Euro. Im Übrigen hat das LSG die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Es bestehe unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme kein Anspruch der Klägerin auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Wegen des Verbots der reformatio in peius verbleibe es jedoch bei dem von der Beklagten zuerkannten Mehrbedarf in Höhe von 25,56 Euro monatlich. Eine Verrechnung mit dem Nachzahlungsanspruch auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung komme nicht in Betracht.

8

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 21 Abs 5 SGB II. Das Tatbestandsmerkmal "medizinische Gründe" in § 21 Abs 5 SGB II umfasse auch nicht krankheitsbedingte und in der körperlichen Verfassung eines Menschen liegende Umstände, die ärztlich festgestellt werden könnten. Vorliegend bestehe ein erhöhter Grundumsatz bzw ein erhöhter Kalorienverbrauch, der zu einer finanziellen Mehrbelastung führe, welche die bereits monatlich gewährten 25,56 Euro deutlich übersteige. Weder der Wortlaut der Norm noch die Gesetzesbegründung würden die Beschränkung auf Gesundheitsschäden hergeben. Ausgehend von ihren Angaben, wonach sie bereits seit ihrer Kindheit habe sehr viel essen müssen, hätte das LSG eine individuelle Kaloriemetrie zur Ermittlung ihres erhöhten Grundbedarfs durchführen müssen. Der Hinweis des LSG auf die Regelleistung des § 20 Abs 1 SGB II gehe fehl, da ein pauschaler Regelleistungsbetrag nur den durchschnittlichen Bedarf decke. Die vorliegend erforderliche Vollkost lasse sich nicht aus dem Regelsatz finanzieren. Auch hierzu fehle es an Feststellungen des LSG. Es liege eine Verletzung des § 170 Abs 5 SGG vor, da das LSG insoweit entgegen der Rechtsprechung des BSG die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 herangezogen und hieraus abgeleitet habe, dass Vollkost aus dem Regelsatz finanzierbar sei. Hilfsweise bestehe ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen Bedarfs, der nicht von den Leistungen nach § 20 SGB II erfasst werde, jedoch zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zwingend zu decken sei. Schließlich sei der vom LSG errechnete Betrag für die Leistungen für Unterkunft und Heizung wegen fehlerhafter Anwendung der Rundungsregel des § 41 Abs 2 SGB II um 1 Euro zu niedrig.

9

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Oktober 2009 abzuändern und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seiner Bescheide vom 13. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2005, dieser in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 4. März 2005, 7. September 2005 und 15. November 2005 zu verurteilen, ihr höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 zu gewähren.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen im streitigen Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005.

12

1. Die Klägerin ist im streitigen Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005 nach den Feststellungen des LSG leistungsberechtigt als erwerbsfähige Hilfebedürftige iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Damit hat sie Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 SGB II, idF des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I 2954).

13

2. Die Klägerin hat weder wegen eines erhöhten Kalorienbedarfs noch aufgrund einer etwaigen Ernährung mit sog "Vollkost" einen Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.

14

a) Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, erhalten nach § 21 Abs 5 SGB II einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Dieser ergänzt die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 21 SGB II idF des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Er umfasst Bedarfe, die nicht durch die Regelleistung abgedeckt sind (§ 21 Abs 1 SGB II).

15

Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung ist kein abtrennbarer Teil der Regelung über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Die Gewährung des Mehrbedarfs allein kann damit nicht zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein (BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).

16

b) Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordert, deren Kosten aufwändiger sind als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall ist (BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; Düring in Gagel, SGB III mit SGB II, Stand Juli 2010, § 21 RdNr 19). Es muss also ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwändigen Ernährung vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor.

17

aa) Mit "medizinischen Gründen" sind nur krankheitsbedingte Gründe gemeint. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 21 Abs 5 SGB II bewusst an den Rechtszustand des § 23 Abs 4 BSHG angeknüpft. Danach war für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anzuerkennen. Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur war ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer drohenden oder bestehenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs (Hofmann in: LPK-BSHG, 6. Aufl 2003, § 23 RdNr 28; vgl auch Behrend in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 43). Unter der Geltung des BSHG wurde die kostenaufwändige Ernährung gemäß § 23 Abs 4 BSHG deshalb auch als "Krankenkostzulage" bezeichnet(vgl Knopp/Fichtner, BSHG, 5. Aufl 1983, § 23 RdNr 22; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl 1997, § 23 RdNr 30; Schoch, Sozialhilfe, 3. Aufl 2001, S 167; Hofmann in LPK-BSHG, 6. Aufl 2003, § 23 RdNr 28; Linhart, BSHG § 23 RdNr 14 - Stand 39. EL, Juli 2004).

18

Wie in der früheren Sozialhilfe, dem Referenzsystem für das SGB II (BT-Drucks 15/1514 S 1), wollte der Gesetzgeber auch im Rahmen des Alg II einen Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung vorsehen. In der Gesetzesbegründung ist unter Bezugnahme auf den Rechtszustand des BSHG zum Tatbestandsmerkmal "aus medizinischen Gründen" ausgeführt worden: "Wie in der Sozialhilfe ist auch im Rahmen des Arbeitslosengeldes II ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung vorgesehen. Hierbei ist eine Präzisierung dahin gehend vorgenommen worden, dass der Mehrbedarf nur bei Nachweis des Bedarfs aus medizinischen Gründen anzuerkennen ist. Zur Angemessenheit des Mehrbedarfs können die hierzu vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen herangezogen werden." (BT-Drucks 15/1516, S 57).

19

Auch die vergleichende Betrachtung der Vorschriften des § 21 Abs 5 SGB II und des § 30 Abs 5 des SGB XII bestätigt, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwändigen Ernährung erforderlich ist. Die Definition des Kreises der Anspruchsberechtigten ist in § 21 Abs 5 SGB II zwar anders formuliert als in § 30 Abs 5 SGB XII, der dem früheren § 23 Abs 4 BSHG nachgebildet ist. Gemäß § 30 Abs 5 SGB XII in der ab 1.1.2005 gültigen Fassung des Gesetzes vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) wird für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Hingegen sind auch anspruchsberechtigt erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer aufwendigen Ernährung bedürfen. Wie aufgezeigt, sollte nach der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs 5 SGB II(BT-Drucks 15/1516, S 57) mit der Formulierung klargestellt werden, dass der Mehrbedarf nur bei Nachweis des Bedarfs aus medizinischen Gründen anzuerkennen sei.

20

Folglich hat der Gesetzgeber inhaltliche Unterschiede zwischen § 21 Abs 5 SGB II und § 30 Abs 5 SGB XII nicht beabsichtigt. Sinn und Zweck der Leistungen ist es in beiden Fällen, durch die krankheitsbedingte besondere Ernährung drohende oder bestehende Gesundheitsschäden abzuwenden oder zu verhindern (Lang/Knickrehm in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 49 f; Düring in Gagel, SGB III mit SGB II, § 21 RdNr 31; O. Loose in GK-SGB II § 21 RdNr 32, 34; Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 21 RdNr 25; Simon in: jurisPK-SGB XII, § 30 RdNr 92; vgl auch Behrend in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 43). Anspruchsvoraussetzung bei § 21 Abs 5 SGB II ist daher immer das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer drohenden oder bestehenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung. Dementsprechend hat auch das BSG bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 21 Abs 5 SGB II bislang stets von "Krankenernährung" oder "krankheitsbedingtem Mehrbedarf" gesprochen(BSG vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07 R) und ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nur vorliegen, wenn eine oder mehrere Erkrankungen eine kostenaufwändige Ernährung bedingen (BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5; vgl auch BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).

21

bb) Der von der Klägerin behauptete erhöhte Kalorienbedarf ist nach den Feststellungen des LSG nicht auf eine Krankheit, also auf einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, zurückzuführen. Nach diesen Feststellungen liegen bei der Klägerin zwar verschiedene Krankheiten, insbesondere ein Diabetes mellitus Typ I vor; diese verursachen jedoch weder einen erhöhten Kalorienbedarf noch einen anderen Ernährungsmehrbedarf iS des § 21 Abs 5 SGB II. Das LSG hat den Sachverhalt vollständig und ausreichend ermittelt, indem es sachverständige Zeugenauskünfte sowie ein internistisches ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt hat, um sich die erforderliche Sachkunde zu verschaffen. Damit hat das LSG von den Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung gestanden haben, Gebrauch gemacht (vgl BSG vom 12.2.2009 - B 5 R 48/08 B; BSG vom 11.12.1969 - GS 2/68 - BSGE 30, 192, 205 = SozR Nr 20 zu § 1247 RVO). Ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) liegt nicht vor.

22

Nach den Feststellungen, die das LSG nach ausreichenden Ermittlungen des Sachverhalts getroffen hat, liegen keine begründeten Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Krankenkost vor. Das LSG konnte nach der vorgenommenen eigenständigen Aufklärung des Sachverhalts und der Prüfung der Umstände des Einzelfalles dahinstehen lassen, ob die überarbeiteten, aktualisierten Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen sind (zum Meinungsstand siehe Düring in Gagel, SGB III mit SGB II, § 21 RdNr 40). Auch durch die aktuellen Empfehlungen wird die grundsätzliche Verpflichtung der Verwaltung und der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, die Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts von Amts wegen aufzuklären ( § 20 SGB X bzw § 103 SGG ), nicht aufgehoben. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 1.10.2008 zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (abgedruckt in NDV 2008, 503 ff) ersetzen nicht eine ggf erforderliche Begutachtung im Einzelfall.

23

Unabhängig von der in der Rechtsprechung umstrittenen Frage, ob die Empfehlungen 2008 als antizipiertes Sachverständigengutachten anzusehen sind (bejahend zB Sächsisches LSG vom 27.8.2009 - L 3 AS 245/08 - und vom 22.6.2009 - L 7 AS 250/08; Bayerisches LSG vom 23.4.2009 - L 11 AS 124/08; LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 9.3.2009 - L 8 AS 68/08; offen gelassen: LSG Nordrhein-Westfalen vom 15.3.2010 - L 19 <20> AS 50/09 - und vom 4.10.2010 - L 19 AS 1140/10), können die Empfehlungen 2008 jedenfalls als Orientierungshilfe dienen und es sind weitere Ermittlungen im Einzelfall nur dann erforderlich, sofern Besonderheiten, insbesondere von den Empfehlungen abweichende Bedarfe, substantiiert geltend gemacht werden (so bereits zu den Empfehlungen 1997: BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 2 S 7 f). Da die Empfehlungen des Deutschen Vereins keine Rechtsnormqualität aufweisen (BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R - BSGE 100, 83, 89 f = SozR 4-4200 § 20 Nr 6 S 44 und - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 2 S 6 f), gibt es auch keine Hinderungsgründe, die darin enthaltenen medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse auch mit den Ergebnissen der Amtsermittlung zu vergleichen bzw in diese einfließen zu lassen, wenn diese Zeiträume betreffen, die vor der Veröffentlichung der neuen Empfehlungen am 1.10.2008 lagen (so bereits Sächsisches LSG vom 26.2.2009 - L 2 AS 152/07; LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 9.3.2009 - L 8 AS 68/08). Wenn dann - wie vorliegend - nach dem Ergebnis der im Einzelfall durchgeführten Amtsermittlung eine Abweichung von den Empfehlungen nicht festzustellen ist (vgl zu diesem Gesichtspunkt auch BVerfG vom 20.6.2006 - 1 BvR 2673/05 - juris RdNr 19), ist eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht erforderlich.

24

cc) Da nur für eine krankheitsbedingt erforderliche kostenaufwändige Ernährung gemäß § 21 Abs 5 SGB II ein Mehrbedarf zu gewähren ist, hat das LSG zu Recht davon abgesehen, den individuell angemessenen Ernährungsbedarf bzw den tatsächlichen individuellen Grundumsatz und Kalorienbedarf der Klägerin zu ermitteln. Auf die Gewährung eines individuell angemessenen Bedarfs für Ernährung besteht kein Anspruch. Dies folgt aus dem verfassungsrechtlich zulässigen System der Gewährung einer statistisch ermittelten Regelleistung als Festbetrag. Maßgeblich für die Bestimmung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II sind in diesem System stets die im Einzelfall medizinisch begründeten tatsächlichen Kosten für eine besondere Ernährung, die von der Regelleistung nicht gedeckt ist. Für die allgemeine Kritik, eine ausgewogene Ernährung sei aus dem Regelsatz nicht zu finanzieren, ist § 21 Abs 5 SGB II jedoch kein Auffangtatbestand(Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 21 RdNr 24).

25

dd) Die Ernährung mit einer sog "Vollkost" bei Diabetes mellitus I/II unterfällt nicht § 21 Abs 5 SGB II, da es sich nicht um eine Krankenkost handelt, auf die die Vorschrift abzielt, sondern um eine Ernährungsweise, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nimmt.

26

Die Vollkost ist jedoch aus der Regelleistung zu bestreiten. Auch insoweit gilt, dass für die allgemeine Kritik, eine ausgewogene Ernährung sei aus dem Regelsatz nicht zu finanzieren, § 21 Abs 5 SGB II kein Auffangtatbestand ist.

27

3. Der Sache nach ist das Begehren der Klägerin demnach darauf gerichtet, für ihren geltend gemachten individuellen Ernährungsbedarf eine höhere Regelleistung zu erstreiten. Dieses Begehren hat gleichfalls keinen Erfolg.

28

a) Im streitgegenständlichen Zeitraum besteht lediglich ein Anspruch auf eine monatliche Regelleistung in Höhe von 345 Euro. Zwar hat das BVerfG die Vorschriften über die Höhe der Regelleistung, ua die des § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II, mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt. Daraus folgt aber nicht, dass einem Hilfebedürftigen ein höherer Anspruch auf Leistungen zusteht. Vielmehr gilt die Vorschrift des § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II in der jeweils anzuwendenden Fassung bis zum 31.12.2010 fort. Der Gesetzgeber wurde lediglich verpflichtet, die Regelleistung für die Zukunft neu festzusetzen (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 ff - juris RdNr 210 ff; BVerfG vom 18.2.2010 - 1 BvR 1523/08; BVerfG vom 24.3.2010 - 1 BvR 395/09; BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 17/10 R). Folglich ist im vorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass die der Klägerin im Jahre 2005 bewilligte Regelleistung in Höhe von 345 Euro für den hier streitigen Zeitraum hinzunehmen ist (vgl BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 17/10 R - juris RdNr 16).

29

b) Zudem hat das BVerfG ausgeführt, die Regelleistung reiche zur Sicherung der physischen Seite des Existenzminimums aus: "Für den Betrag der Regelleistung von 345 Euro nach § 20 Abs 2 1. Halbsatz SGB II aF kann eine evidente Unterschreitung nicht festgestellt werden, weil die Regelleistung zur Sicherung der physischen Seite des Existenzminimums zumindest ausreicht und der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der sozialen Seite des Existenzminimums weiter ist. So kommt beispielsweise eine Untersuchung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zu dem Ergebnis, dass die Beträge des § 2 Abs 2 Regelsatzverordnung für 'Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren' sowie für 'Beherbergungsdienstleistungen, Gaststättenbesuche' die Ernährung eines Alleinstehenden mit Vollkost decken können (vgl seine Empfehlungen zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe, 3. Aufl., sub III 2 )" (RdNr 152 des Urteils vom 9.2.2010).

30

c) Eine abweichende Bedarfsermittlung kommt nicht in Betracht. Nach dem Leistungssystem des SGB II ist eine individuelle Bedarfsermittlung bzw abweichende Bestimmung der Höhe der Regelleistung nicht vorgesehen (vgl dazu BSG 18.6.2008 - B 14 AS 22/07 R - BSGE 101, 70 76 f = SozR 4-4200 § 11 Nr 11 S 65 f). Dies gilt sowohl zu Gunsten wie auch zu Lasten des Grundsicherungsempfängers. Bei der Ernährung handelt es sich um einen Grundbedarf, der von der Regelleistung des § 20 Abs 1 SGB II gedeckt werden soll. Es ist konstitutiver Bestandteil des Systems des SGB II, eine abweichende Festsetzung der Bedarfe, wie sie § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII zulässt, gerade nicht vorzusehen. Folglich gestattet es das SGB II nicht, außerhalb von § 21 Abs 5 SGB II einen individuellen Ernährungsbedarf bedarfserhöhend geltend zu machen.

31

Der Verzicht auf eine individuelle Bedarfsbestimmung entspricht im Übrigen auch dem Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber mit einer Pauschalierung der Regelleistung im SGB II verband. Die pauschalierte Regelleistung sollte gerade die Selbstverantwortung und Eigenständigkeit der Hilfeempfänger fördern (BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 11 RdNr 24). Diese sind darauf angewiesen, mit dem in der Regelleistung pauschaliert enthaltenen Betrag ihre grundlegenden Bedürfnisse zu decken. Außerhalb der gemäß § 21 SGB II gewährten Mehrbedarfe und der gemäß § 23 Abs 3 SGB II aF - in der ab 1.1.2005 gültigen Fassung - gewährten einmaligen Leistungen sind monetäre Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Das System des SGB II ist insofern abschließend (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R - BSGE 100, 83, 91 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6 S 45).

32

In diesem vom Gesetzgeber in zulässiger Weise gewählten System der pauschalierten Regelleistung ist weder - wie von der Klägerin begehrt - eine individuelle Kaloriemetrie vorzunehmen, noch durch eine isolierte Herausnahme und Überprüfung einzelner Bedarfspositionen zu prüfen, ob eine bestimmte individuell gewünschte Ernährungsweise von einer bestimmten Bedarfsposition der Regelleistung direkt erfasst und abgebildet wird. Das BVerfG hat hierzu im Urteil vom 9.2.2010, aaO, RdNr 205 ausgeführt: "Die Gewährung einer Regelleistung als Festbetrag ist grundsätzlich zulässig. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen darf der Gesetzgeber typisierende und pauschalierende Regelungen treffen (vgl BVerfGE 87, 234 <255 f>; 100, 59 <90>; 195 <205>). Dies gilt auch für Leistungen zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Allerdings verlangt Art 1 Abs 1 GG , der die Menschenwürde jedes einzelnen Individuums ohne Ausnahme schützt, dass das Existenzminimum in jedem Einzelfall sichergestellt wird. Der Hilfebedürftige, dem ein pauschaler Geldbetrag zur Verfügung gestellt wird, kann über seine Verwendung im Einzelnen selbst bestimmen und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen ausgleichen. Dies ist ihm auch zumutbar. Dass sich der Gesamtbetrag aus statistisch erfassten Ausgaben in den einzelnen Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zusammensetzt, bedeutet nicht, dass jedem Hilfebedürftigen die einzelnen Ausgabenpositionen und -beträge stets uneingeschränkt zur Verfügung stehen müssen. Es ist vielmehr dem Statistikmodell eigen, dass der individuelle Bedarf eines Hilfebedürftigen vom statistischen Durchschnittsfall abweichen kann. Die regelleistungsrelevanten Ausgabepositionen und -beträge sind von vornherein als abstrakte Rechengrößen konzipiert, die nicht bei jedem Hilfebedürftigen exakt zutreffen müssen, sondern erst in ihrer Summe ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleisten sollen. Wenn das Statistikmodell entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben angewandt und der Pauschalbetrag insbesondere so bestimmt worden ist, dass ein Ausgleich zwischen verschiedenen Bedarfspositionen möglich ist […], kann der Hilfebedürftige in der Regel sein individuelles Verbrauchsverhalten so gestalten, dass er mit dem Festbetrag auskommt; vor allem hat er bei besonderem Bedarf zuerst auf das Ansparpotenzial zurückzugreifen, das in der Regelleistung enthalten ist.“

33

Folglich ist nicht individuell zu ermitteln, ob eine bestimmte Ernährungsweise, die nicht von § 21 Abs 5 SGB II umfasst wird, sondern aus der Regelleistung zu bestreiten ist, im Einzelnen von der entsprechenden Bedarfsposition gedeckt wird. Denn es ist Sache des Hilfebedürftigen selbst, über die Verwendung des bewilligten Festbetrages im Einzelnen zu bestimmen und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen auszugleichen.

34

4. Ansprüche auf Gewährung einer von der Regelleistung abweichenden Leistung auf der Grundlage sonstiger Anspruchsgrundlagen bestehen gleichfalls nicht.

35

a) Die Klägerin kann keinen Anspruch aus einer entsprechenden Anwendung des § 73 SGB XII herleiten. Nach Satz 1 dieser Vorschrift können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Voraussetzung eines Anspruchs nach § 73 SGB XII ist nach der Rechtsprechung des 7b. Senats, der sich auch der 14. Senat des BSG angeschlossen hat, eine besondere Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist. Zugleich muss auch der Bereich der Grundrechtsausübung tangiert sein (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242, 250 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 22 f; BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 19 f). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil es sich bei der Ernährung mit ausgewogener Mischkost bzw sog "Vollkost" um einen typischen, innerhalb des SGB II zu befriedigenden Bedarf handelt.

36

b) Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht im Hinblick auf die durch eine Anordnung des BVerfG im Urteil vom 9.2.2010 (aaO) geschaffene Härtefallregelung, die der Gesetzgeber mittlerweile mWv 3.6.2010 in § 21 Abs 6 SGB II geregelt hat(Gesetz vom 27.5.2010, BGBl I 671). Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 9.2.2010 (insbesondere RdNr 207) klargestellt, dass der von ihm verfassungsrechtlich abgeleitete, zusätzliche Anspruch immer dann notwendig werde, wenn ein bestimmter fortlaufender atypischer Bedarf außerhalb der Regelleistung des § 20 SGB II nicht gedeckt werden könne. Nach den Feststellungen des LSG kann die Klägerin keinen derartigen besonderen Bedarf geltend machen.

37

5. Schließlich hat die Klägerin keinen Anspruch auf einen höheren Leistungsbetrag mit Rücksicht auf die fehlerhafte Anwendung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II durch das LSG. Hierbei geht der Senat davon aus, dass der Ansatz des LSG hinsichtlich der hier ausnahmsweise als KdU anteilig zu berücksichtigenden Stromkosten nicht zu beanstanden ist. Das LSG hat jedoch nicht beachtet, dass lediglich Endzahlbeträge der monatlichen Leistung nach § 41 Abs 2 SGB II zu runden sind, Zwischenberechnungsschritte aber von der Rundung ausgenommen sind(vgl BSG SozR 4-4200 § 24 Nr 3 RdNr 25).

38

Aus einer fehlerhaften Anwendung der Rundungsregelung folgt hier schon deshalb kein höherer Zahlbetrag, weil der Beklagte - wie bereits ausgeführt worden ist - bei der Leistungsbewilligung einen Betrag von monatlich 25,56 Euro für kostenaufwändige Ernährung in Ansatz gebracht hatte, auf den die Klägerin keinen Anspruch hatte. Zwar folgt hieraus nicht, dass die Bescheide durch den erkennenden Senat zu Lasten der Klägerin zu ändern waren, denn einer solchen Änderung steht das Verbot der reformatio in peius entgegen (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 2 S 8; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274, 281 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18 S 130). Da jedoch im Verfahren der Anspruch auf Alg II einschließlich der angemessenen KdU insgesamt streitig ist, kann die Klägerin einen höheren Zahlbetrag nur beanspruchen, wenn der Verfügungssatz der Bewilligung von Alg II sich insoweit der Höhe nach als unrichtig erweist. Insoweit ist die Höhe der Leistung unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen.

39

Dem steht nicht entgegen, dass das BSG eine Beschränkung des Klagebegehrens auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bzw die Kosten für Unterkunft für zulässig erachtet hat (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18), denn die Klägerin hat eine Beschränkung ihres Klagebegehrens nicht vorgenommen. Eine (Teil-)Bestandskraft ist hinsichtlich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich des zuerkannten Mehrbedarfs folglich nicht eingetreten.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten einzulegen.

(2) Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss. Die Zulassung der Berufung bedarf keiner Begründung. Der Ablehnung der Beschwerde soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig.

(5) Läßt das Landessozialgericht die Berufung zu, wird das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Darauf ist in dem Beschluß hinzuweisen.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. Juli 2010 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 des Sozialgerichtsgesetzes). Der Kläger hat zur Begründung seiner Beschwerde keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung, Abweichung oder Verfahrensmangel) gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG schlüssig dargelegt oder bezeichnet.

2

Der Kläger stützt seine Beschwerde als erstes auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Er rügt, dass das LSG seine Berufung wegen Nichterreichens der Berufungssumme von 750 Euro nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG als unzulässig verworfen habe, obwohl seine Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr nach § 144 Abs 1 Satz 2 SGG betroffen habe. Wird zu Unrecht ein Prozessurteil statt eines Sachurteils erlassen, so liegt ein Verfahrensmangel vor, weil beides jeweils eine qualitativ andere Entscheidung ist und sowohl ein Entscheidungs- als auch ein Verfahrensmangel vorliegen (seit BSGE 1, 183; BSGE 2, 245, 252 ff; BSGE 15, 169, 172; BSG SozR 1500 § 160a Nr 55).

3

Die Voraussetzungen dieses Verfahrensmangels sind jedoch der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Denn nach dieser ist zwischen den Beteiligten die Höhe des ernährungsbedingten Mehrbedarfes nach § 21 Abs 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) des Klägers umstritten. Entgegen der Ansicht des Beklagten und des LSG lasse sich dieser Streit nicht auf die Zeit von September 2007 bis Februar 2008 begrenzen, über die der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid entschieden habe. Vielmehr müsse beachtet werden, dass nach einem Attest des den Kläger behandelnden Arztes dieser Mehrbedarf zumindest für die Zeit vom 1.9.2007 bis zum 31.8.2009 bestehe.

4

Mit diesem Vortrag wird der behauptete Verfahrensmangel nicht dargetan. Denn zur Bestimmung des Beschwerdewertes oder des Beschwerdegegenstandes nach § 144 Abs 1 SGG ist nicht nur auf den Vortrag des Berufungsführers im Berufungsverfahren abzustellen, sondern dessen Antrag im Berufungsverfahren mit seinem Antrag vor dem Sozialgericht (SG) zu vergleichen. Denn andernfalls könnte der Berufungsführer durch eine entsprechende Antragstellung im Berufungsverfahren die mit dem § 144 Abs 1 SGG verfolgte Beschränkung des Berufungszugangs beliebig unterlaufen(Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, VIII, RdNr 14 f; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 144 RdNr 14). Welchen genauen Antrag der Kläger vor dem SG und welchen genauen Antrag er vor dem LSG gestellt hat sowie welcher Beschwerdewert bzw welche wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr als Beschwerdegegenstand sich daraus ergibt, ist jedoch der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Dies aufzuzeigen wäre aber vor allem auch deswegen notwendig gewesen, weil die Höhe eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kein eigenständiger Streitgegenstand ist, sondern ein Teil des in der Regel für sechs Monate zu bewilligenden Arbeitslosengeldes II(vgl §§ 19, 21, 41 SGB II; BSG vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 9, RdNr 11).

5

Soweit der Kläger darüber hinaus in materiell-rechtlicher Hinsicht im Hinblick auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins eV zur Gewährung von Krankenkostzulage eine Abweichung des LSG von einer Entscheidung des BSG nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG und die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG rügt, mangelt es an der Darstellung der Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit sowie Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Abweichung und Grundsatzfrage. Ein entsprechender Vortrag wäre vor allem deswegen geboten gewesen, weil das LSG - nach der Beschwerdebegründung - nicht in der Sache entschieden, sondern eine Prozessentscheidung erlassen hat.

6

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Januar 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Freiburg zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.10.2010 bis 31.3.2011 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung wegen einer Laktoseintoleranz.

2

Bei der 1998 geborenen Klägerin, die mit ihrer 1970 geborenen Mutter in einer Wohnung lebt und wie diese Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezieht, besteht eine Laktoseintoleranz. Am 27.12.2010 beantragte sie unter Vorlage eines ärztlichen Attests beim beklagten Jobcenter die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung. Sie dürfe wegen der Laktoseintoleranz Milch und Milchprodukte nicht bzw nur in sehr kleinen Mengen zu sich nehmen und sei auf laktosefreie Diätnahrung angewiesen, die teurer sei als normale Milchprodukte. Der Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die angegebene Krankheit keinen nach § 21 Abs 5 SGB II unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts darstelle und nicht im Katalog der Mehrbedarfe für eine kostenaufwändige Ernährung enthalten sei. Bei einer Laktoseintoleranz seien laktosehaltige Nahrungsmittel zu meiden oder zu reduzieren, wodurch keine gravierend höheren Kosten entstünden (Bescheid vom 7.1.2011; Widerspruchsbescheid vom 2.3.2011).

3

Hiergegen haben die Klägerin und ihre Mutter Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben und geltend gemacht, die Laktoseintoleranz führe zu höheren Kosten für Ernährung und damit zu einem Anspruch auf die Gewährung ernährungsbedingten Mehrbedarfs; das SG Bremen beziffere diesen Bedarf auf 53 Euro. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.1.2012). Die Klage der Mutter sei unzulässig, weil diese durch die Ablehnung nicht beschwert sei. Die Klage der Klägerin sei unbegründet. Sie leide zwar nachgewiesenermaßen an einer Laktoseintoleranz, diese Krankheit bringe jedoch keinen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung mit sich. Der Milchzuckerunverträglichkeit könne durch die Vermeidung von laktosehaltiger Kost begegnet werden. Alle anderen Grundnahrungsmittel könnten konsumiert werden. Als Orientierungshilfe für einen etwaigen Mehrbedarf seien die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 heranzuziehen. Dort werde ein Mehrbedarf für Erkrankungen, die keiner spezifischen Diät, sondern sogenannter Vollkost bedürften, verneint. Etwas anderes gelte nur für die aufgeführten verzehrenden Erkrankungen. Damit sei die Laktoseunverträglichkeit nicht vergleichbar, es handele sich um eine weit verbreitete Lebensmittelunverträglichkeit, bei der lediglich auf ausreichende Zufuhr von Kalzium durch andere Lebensmittel geachtet werden müsse. Im Übrigen böten wegen der weiten Verbreitung der Erkrankung auch viele Discounter zu günstigen Preisen laktosefreie Milchprodukte an. Die Klägerin habe keine Besonderheiten, insbesondere auch keine von den Empfehlungen abweichende Bedarfe substanziiert geltend gemacht, weshalb von weiteren Ermittlungen vorliegend abgesehen werden könne. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Klägerin minderjährig sei, denn die Regelsätze für Kinder und Jugendliche seien bei der Neuberechnung der Regelsätze auf der Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 neu ermittelt und kinderspezifische Bedarfe berücksichtigt worden. Damit sei für den vorliegend einschlägigen Zeitraum auch für Kinder und Jugendliche eine verlässliche Bezugsgröße vorhanden.

4

Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision macht nur noch die Klägerin eine Verletzung von § 21 Abs 5 SGB II geltend. Das SG habe die Klage aufgrund unzutreffender tatsächlicher Annahmen abgewiesen. Es handele sich hier ausnahmsweise um Tatsachen, die der Beurteilung des Revisionsgerichts unterlägen. Die unzutreffenden tatbestandlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts hinsichtlich der Frage, ob die Ernährung mit laktosefreier Kost kostenaufwändiger sei als laktosehaltige Nahrung, beruhe zwar auf verfahrensfehlerhafter Ermittlung, die vorliegend nicht gerügt werden könne. Allerdings seien die Mehrkosten am Nahrungsmittelmarkt keine individuelle Tatsache, sondern eine Rechtstatsache, die für die Auslegung, dh die Bestimmung des Inhalts des § 21 Abs 5 SGB II benötigt werde, weshalb die unzutreffenden Feststellungen des SG in Bezug auf die Kosten laktosefreier Ernährung der revisionsgerichtlichen Kontrolle nicht entzogen seien.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Januar 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. März 2011 höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen medizinisch erforderlicher kostenaufwändiger Ernährung zu gewähren.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält das Urteil des SG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Sprungrevision ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des SG und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz > ) begründet. Soweit die Klägerin die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.10.2010 bis 31.3.2011 geltend macht, kann auf Grundlage der Feststellungen des SG nicht abschließend entschieden werden, ob ihr ein weitergehender Anspruch zusteht.

9

1. Streitgegenstand im Revisionsverfahren ist noch das Begehren der Klägerin, für die Zeit vom 1.10.2010 bis zum 31.3.2011 höheres Sozialgeld zu erhalten. Ihre Mutter hat die von ihr ursprünglich eingelegte Revision zurückgenommen. Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung, auf den sie ihr Begehren in der Sache stützt, kann entgegen der Auffassung des SG nicht in zulässiger Weise zum isolierten Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens bestimmt werden. Zudem kann eine ablehnende Entscheidung hinsichtlich eines bestimmten Bedarfs wegen der in § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II vorgeschriebenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für zukünftige Bewilligungsabschnitte entfalten(vgl nur BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R - BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, RdNr 14 f mwN). Dem hat die Klägerin Rechnung getragen und im Revisionsverfahren höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen besonders kostenaufwändiger Ernährung allein noch für den Zeitraum vom 1.10.2010 bis 31.3.2011 beantragt. Offen bleiben kann, ob auch unter Neufassung der §§ 19 bis 22 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz) vom 24.3.2011 (BGBl I 453) zum 1.1.2011 die Höhe von Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung weiterhin in prozessual zulässiger Weise getrennt von der Höhe der Leistungen für Regelbedarfe und Mehrbedarfe geltend gemacht werden kann; für eine solche Einschränkung gibt der Vortrag der Klägerin keinen Anhalt.

10

Gegenstand des Verfahrens sind neben dem Bescheid vom 7.1.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.3.2011 auch die Bewilligungsbescheide, die für die Klägerin die Höhe des Sozialgelds im streitigen Bewilligungszeitraum regeln. Neben dem Bescheid, der zum 1.10.2010 ergangen ist, ist auch ein ggf mit Inkrafttreten des RBEG zum 1.1.2011 ergangener Änderungsbescheid für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 31.3.2011 Gegenstand des Verfahrens geworden. Das SG wird diese Bescheide, die bislang nicht aktenkundig sind, in seine Prüfung einzubeziehen haben. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Klägerin den Mehrbedarf zwar erst am 27.12.2010 beim Beklagten geltend gemacht hat, sich aus ihrem weitergehenden Vortrag aber ergibt, dass dieser aus ihrer Sicht seit Oktober 2010 bestanden hat. Da ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nicht nur auf gesonderten Antrag hin gewährt wird (vgl nur Urteil des Senats vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 14 mwN),ist vom SG zu überprüfen, ob im Zeitpunkt der Geltendmachung des Bedarfs bereits bestandskräftig gewordene Bescheide unter dem Blickwinkel der §§ 44, 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch zu ändern sind.

11

2. Die Revision ist auch im Übrigen zulässig. Mit ihrer Rüge, das SG sei fehlerhaft zu dem Schluss gekommen, bei einer Laktoseintoleranz handele es sich nicht um eine Erkrankung, die einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung auslösen könne, macht die Klägerin nicht nur einen Verfahrensmangel geltend. Sie behauptet damit zwar auch, das SG habe den Sachverhalt im Einzelfall, nämlich bezogen auf die Auswirkungen der Erkrankung bei ihr, nicht zutreffend ermittelt (§ 103 SGG; zur Verpflichtung zur Amtsermittlung im Hinblick auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB II vgl BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14 RdNr 17). Mit einer solchen Rüge ist sie im Fall der Sprungrevision ausgeschlossen (vgl § 161 Abs 4 SGG). Sie hat aber ausreichend iS des § 164 Abs 2 SGG dargelegt, dass sich die Feststellungen des SG zu den ernährungsbedingten Einschränkungen wegen einer Laktoseintoleranz nicht auf den Einzelfall beschränkten, sondern vom Gericht (unzutreffend) als generelle Tatsachen (Rechtstatsachen) aufgrund des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes bei der Anwendung von § 21 Abs 5 SGB II unterstellt worden seien. Verstöße gegen das Prozessrecht (hier die unzureichende Aufklärung des Sachverhalts nach § 103 SGG), die sich nur als prozessuale Konsequenz aus der fehlerhaften Anwendung des materiellen Rechts ergeben, bleiben auch mit der Sprungrevision rügbar(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 161 RdNr 10b; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX. Kap, RdNr 344). Ob die dabei von der Klägerin aufgeworfenen Fragen zum ernährungsbedingten Mehrbedarf wegen Laktoseintoleranz angesichts der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu anderen Erkrankungen (dazu sogleich) noch grundsätzliche Bedeutung haben, kann dahin stehen, denn der Senat ist an die Zulassung der Sprungrevision durch das SG gebunden.

12

3. Nach § 21 Abs 5 SGB II erhalten Leistungsberechtigte, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Voraussetzung für den Rechtsanspruch auf einen Mehrbedarf ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine besondere Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher ("aufwändiger") sind als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist (vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10 RdNr 21; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 16; BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14 RdNr 15, jeweils mwN). Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder einer drohenden Erkrankung oder Behinderung und der Notwendigkeit einer besonderen Ernährung vorliegen und diese besondere "Krankenkost" muss gegenüber der in der Bevölkerung üblichen, im Regelbedarf zum Ausdruck kommenden Ernährung kostenaufwändiger sein.

13

a) Die bei der Klägerin festgestellte Laktoseintoleranz (vgl ICD-10-GM E73) stellt eine gesundheitliche Beeinträchtigung iS des § 21 Abs 5 SGB II, nämlich eine Krankheit im Sinne eines regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustands dar. Unerheblich für den Begriff der gesundheitlichen Störung ist die Frage, wie verbreitet dieser krankhafte Zustand in der Bevölkerung ist, solange es sich um einen für sich genommen regelwidrigen Zustand handelt. Die von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG angesprochene weite Verbreitung der Laktoseintoleranz (insbesondere in asiatischen Ländern) kann allenfalls Anlass für die Prüfung geben, ob und in welchen Fällen durch die gesundheitliche Beeinträchtigung und das damit medizinisch begründete besondere Ernährungsbedürfnis auch höhere Kosten anfallen.

14

b) Ob die bei der Klägerin bestehende Laktoseintoleranz ein besonderes, medizinisch begründetes Ernährungsbedürfnis mit sich bringt, lässt sich auf Grundlage der Feststellungen des SG nicht beurteilen. Die Annahme des SG, eine Laktoseintoleranz begründe von vornherein keinen Mehrbedarf, weil lediglich bestimmte Nahrungsmittel vermieden und durch andere, vom Regelbedarf abgedeckte Grundnahrungsmittel ersetzt werden müssten, vermengt die bereits dargestellten Prüfungsschritte in unzutreffender Weise mit einander; insoweit hat das SG die Maßstäbe des § 21 Abs 5 SGB II verkannt.

15

Wie die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate bereits entschieden haben, haben die Gerichte einen streitig gebliebenen krankheitsbedingten Mehrbedarf im Einzelfall aufzuklären (so bereits BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R - BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6 und BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07 R; vgl zur Laktoseintoleranz auch BSG Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R - Juris RdNr 24). Dazu ist zunächst zu überprüfen, welches besondere Ernährungsbedürfnis medizinisch, dh durch die Erkrankung, begründet ist. Insbesondere wenn ein besonderes Ernährungsbedürfnis abhängig von der Schwere der Erkrankung ausgelöst wird, sind die Erfordernisse an die besondere Ernährung im jeweiligen Einzelfall zu überprüfen. Erst wenn feststeht, welches medizinisch begründete Ernährungsbedürfnis im Einzelfall besteht, kommt es darauf an, ob hierdurch auch höhere Kosten entstehen (dazu unter c). Die erforderlichen Prüfungsschritte wird das SG nach Zurückverweisung ausgehend von dem vorgelegten Attest nachzuholen haben.

16

Bei der Prüfung eines besonderen, medizinisch begründeten Ernährungsbedürfnisses lässt nicht schon die fehlende Auflistung der entsprechenden Erkrankung in den Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 1.10.2008 ( Mehrbedarfsempfehlungen 2008) den Schluss zu, dass es sich nicht um eine Erkrankung handelt, die einen Mehrbedarf auslösen kann. Der Senat schließt sich der Auffassung des 4. Senats an, wonach die Mehrbedarfsempfehlungen 2008 weder nach ihrer Konzeption noch nach ihrer Entstehungsgeschichte die Anforderungen an antizipierte Sachverständigengutachten erfüllen, die von den Gerichten in normähnlicher Weise angewandt werden könnten (vgl BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14). Wenn weit verbreitete Erkrankungen wie die Laktoseintoleranz in den Mehrbedarfsempfehlungen 2008 nicht genannt sind, kann dieser Umstand damit nur eine Orientierungshilfe sein, die den Umfang der Ermittlungen im Einzelfall steuert.

17

c) Auch wegen der Kosten, die aus einem besonderen, medizinisch begründeten Ernährungsbedürfnis entstehen, stellt § 21 Abs 5 SGB II erkennbar auf die Umstände des Einzelfalles ab. Dies lässt sich schon daraus ersehen, dass - abweichend von den in § 21 Abs 1 bis 4 SGB II genannten Fallgruppen eines Mehrbedarfs - keine Pauschalen für die entstehenden Bedarfe normiert sind. Im Anwendungsbereich des § 21 Abs 5 SGB II sind deshalb Fälle kaum denkbar, in denen sich für eine bestimmte Erkrankung, die - wie die Laktoseintoleranz - Einfluss auf die Ernährung haben, ein besonderer Kostenaufwand abschließend als generelle Tatsache (Rechtstatsache) mit Gültigkeit für jeden Einzelfall verneinen lässt(vgl bereits BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10). Ohnehin lassen die Ausführungen des SG, eine Laktoseintoleranz sei in allen denkbaren Fällen ohne höheren Kostenaufwand zu kompensieren, in keiner Weise erkennen, worauf es diese Schlussfolgerung stützt. Für das von ihm genannte Gutachten eines "Prof. Dr. H." lässt sich eine Quelle nicht finden; auch im Übrigen lassen sich die von dem SG getroffenen Schlüsse nicht auf allgemeinkundige Tatsachen zurückführen. Zwar ist denkbar, dass mit zunehmendem Alter eines Kindes sich Nahrungsmittel, die Milchzucker enthalten, besser vermeiden lassen. Je weiter außerdem eine Erkrankung, die eine besondere Ernährung erfordert, verbreitet ist, umso mehr wird dies das Ernährungsverhalten der gesamten Bevölkerung beeinflussen. Dies mag zu günstigeren Preisen für Ersatz- oder Ergänzungsnahrungsmittel (wie etwa die vom SG genannten laktosefreien Milchprodukte) führen und - sofern ein bestimmtes Ernährungsverhalten allgemein üblich wird - ggf auch die Höhe des Regelbedarfs mitbestimmen. Ob der Klägerin im Einzelfall nicht gleichwohl ein Mehrbedarf zusteht, lässt sich aber allein mit solchen Annahmen nicht ausschließen.

18

Das SG wird außerdem über die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Mai 2008 aufgehoben, der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit der Rechtsstreit den Zeitraum vom 1. Juni 2006 bis 31. Mai 2007 umfasst.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.

2

Die 1958 geborene, alleinstehende Klägerin bezog von der Beklagten als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) laufend eine Regelleistung in Höhe von 345 Euro ua für die Zeit vom 1.6.2006 bis zum 30.11.2006 (Bescheid vom 3.5.2006), vom 1.12.2006 bis zum 31.5.2007 (Bescheid vom 28.11.2006) und vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2007 (Bescheid vom 25.4.2007), daneben bezog sie von dem Rhein-Neckar-Kreis Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II. Vom 13.9.2007 bis zum 16.12.2007 befand sie sich in Haft, woraufhin die Beklagte die Bewilligung von Leistungen mit Wirkung vom 13.9.2007 aufhob (Bescheid vom 28.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.1.2008; hiergegen ist eine Klage vor dem Sozialgericht (SG) Mannheim anhängig ). Außerdem hob die Beklagte die Entscheidung vom 25.4.2007 über die Bewilligung von Leistungen im September 2007 wegen der Inhaftierung gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch in Höhe von 208,20 Euro auf und forderte diesen Betrag von der Klägerin zurück(Bescheid vom 11.1.2008). Mit Bescheid vom 20.12.2007 bewilligte die Beklagte erneut Leistungen in Höhe von 347 Euro monatlich vom 17.12.2007 bis zum 31.5.2008 (für Dezember 2007 anteilig für die Zeit ab 17.12.2007).

3

Am 30.5.2006 legte die Klägerin bei der Beklagten eine ärztliche Bescheinigung zur Anerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung von Dr. W/Dr. B vor, wonach sie wegen einer Allergie gegen Konservierungsstoffe ausschließlich biologische Kost von Biobauern benötige. Nach Einholung einer Stellungnahme des ärztlichen Dienstes vom 13.11.2006, wonach ein Mehrbedarf für Ernährung wegen der vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht erforderlich sei, lehnte die Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung ab (Bescheid vom 21.12.2006; Widerspruchsbescheid vom 8.1.2007). Die Klage zum SG Mannheim, mit der die Klägerin einen ernährungsbedingten Mehrbedarf von mindestens 200 Euro monatlich geltend gemacht hatte, blieb ohne Erfolg (Urteil vom 28.11.2007). Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klägerin sei aufgrund ihrer durch zwei Allergiepässe nachgewiesenen Allergie zwar in ihrer Lebensführung eingeschränkt und müsse ihre Ernährungsgewohnheiten entsprechend anpassen. Für die Stoffe, auf die die Klägerin allergisch reagiere, bestehe aber eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht, sodass sie sich ohne Zusatzkosten geeignete Lebensmittel aus dem Warenangebot heraussuchen könne. Dass die Klägerin bei unbehandelten Produkten, die überhaupt nicht durch Zusatzstoffe verändert seien, auf besondere Kost angewiesen sei, habe sie weder dargetan noch sei dies ersichtlich. Mangelerscheinungen seien offenbar nicht aufgetreten, wie sich aus den beigezogenen medizinischen Unterlagen ergebe. Das vorgelegte Attest, wonach "biologische Kost vom Biobauern ausschließlich" angezeigt sei, sei nicht nachvollziehbar, denn nicht konservierte Lebensmittel könnten nicht nur beim Biobauern, sondern in jedem Supermarkt erworben werden.

4

Mit ihrer Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg trug die Klägerin unter Wiederholung ihres Vorbringens vor, die bisherigen ärztlichen Gutachten seien unzureichend, da sie alle keine Angaben über ihr Untergewicht enthielten. Es bedeute einen erhöhten Kostenaufwand, wenn sie auf nicht konservierte Lebensmittel zurückgreifen müsse. Hierzu sei ein Gutachten einzuholen, wenn nötig mithilfe eines Ernährungsberaters.

5

Mit Urteil vom 9.5.2008 änderte das LSG das Urteil des SG und verurteilte die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 25.4.2007 für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 31.8.2007 zur Zahlung von weiteren 2 Euro monatlich und für die Zeit vom 1.9.2007 bis zum 12.9.2007 zur Zahlung von 1 Euro. Den Bescheid vom 28.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.1.2008 und des Bescheides vom 11.1.2008 hob es auf, soweit der Erstattungsbetrag auf mehr als 207 Euro festgesetzt worden sei. Die weitergehende Berufung und die Klage der Klägerin blieben ohne Erfolg. Streitgegenstand sei der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf höhere Leistungen für die Zeit vom 30.5.2006 bis zum 31.5.2008. Die Beklagte habe über den geltend gemachten Mehrbedarf nicht isoliert mit Bescheid vom 21.12.2006 entscheiden dürfen, da eine Beschränkung des Streitgegenstands auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung nicht zulässig sei. Gegenstand des Verfahrens seien vielmehr sämtliche Bescheide, die die dem Antrag folgenden Bewilligungszeiträume beträfen (Bescheide vom 3.5.2006, vom 28.11.2006, vom 25.4.2007 und vom 20.12.2007). Gegenstand nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien ebenfalls die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 28.9.2007 und vom 11.1.2008, mit denen die Beklagte in Änderung des Bescheides vom 25.4.2007 im Hinblick auf die Inhaftierung der Klägerin vom 13.9.2007 bis zum 16.12.2007 die ihr gewährten Leistungen mit Wirkung für die Vergangenheit und die Zukunft aufgehoben habe. Ein Anspruch auf höhere Leistungen ergebe sich nur in geringfügiger Höhe, weil der Klägerin für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 13.9.2007 eine Regelleistung in Höhe von 347 Euro statt lediglich 345 Euro zustehe. Ein Anspruch auf den begehrten Mehrbedarf ergebe sich aus den vom SG ausgeführten Gründen nicht. Im Übrigen werde die Auffassung des SG durch eine von ihm eingeholte telefonische Auskunft des Dr. T bestätigt, über die der Senat die Klägerin zuvor schriftlich in Kenntnis gesetzt hatte. Vor dem Hintergrund dieser Auskunft halte der Senat den maßgeblichen Sachverhalt für geklärt, weshalb kein Anlass zu weiteren Ermittlungen insbesondere durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bestehe. Die Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei unbegründet, da die Voraussetzungen für die Aufhebung der Leistungen mit Wirkung für die Vergangenheit vorlägen, was das LSG unter Bezugnahme auf den Inhalt beigezogener Akten im Einzelnen ausgeführt hat.

6

Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, das LSG habe in unzulässiger Weise unter dem Gesichtspunkt des "Heraufholens von Prozessresten" den Streitstoff erweitert. Ihr sei so eine Tatsacheninstanz abgeschnitten worden. Es habe ferner mit der Bezugnahme auf eine vom SG eingeholte telefonische Auskunft des Dr. T gegen das Verbot der antizipierten Beweiswürdigung verstoßen. Die Verwertung einer telefonischen Auskunft verstoße gegen das Prinzip der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. Indem das LSG unter Hinweis auf diese, vom SG eingeholte Auskunft den Beweisantrag der Klägerin abgelehnt habe, habe es gegen § 103 SGG verstoßen. Sie habe wegen der verspäteten Zusendung einer Fahrkarte an dem Termin vor dem Berufungsgericht nicht teilnehmen können. Insoweit habe das Berufungsgericht auch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Mai 2008 und das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2007 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 3. Mai 2006 und vom 28. November 2006 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis zum 31. Mai 2007 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 200 Euro zu gewähren.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bestehe nur, wenn wegen einer Erkrankung aus medizinischen Gründen zwingend eine besondere Ernährung einzuhalten sei und diese teurer sei als eine sogenannte Vollkost. Bei einer Allergie gegen Stoffe aus der Gruppe der "paraben mix" würden keine besonderen Lebensmittel erforderlich, sondern lediglich eine Vollkost. Das Allergen könne durch gezielten Einkauf gut vermieden werden. Dies habe auch die Untersuchung durch ihren ärztlichen Dienst ergeben.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Klägerin hat im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG, soweit er den Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 31.5.2007 betrifft, Erfolg. Bei Auslegung des klägerischen Vorbringens vor dem SG richtet sich das im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgte Begehren allein auf höhere laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in diesem Zeitraum. Soweit das LSG dennoch über Ansprüche für folgende Bewilligungsabschnitte entschieden hat, hat es den Streitgegenstand verkannt und damit § 123 SGG verletzt. Sein Urteil war schon deshalb insoweit aufzuheben (vgl § 170 Abs 2 Satz 1 SGG; hierzu unter 1). Die Feststellungen des LSG lassen im Übrigen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch besteht und ihr im Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 31.5.2007 über die Regelleistung in Höhe von 345 Euro hinaus ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II zusteht(vgl § 170 Abs 2 Satz 2 SGG; hierzu unter 2).

11

1. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens waren bei zutreffender Auslegung des klägerischen Vortrags von Klageerhebung an ausschließlich Ansprüche auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Zeit vom 30.5.2006 (Einreichung des Attests bei der Beklagten) bis zum 31.5.2007, soweit sie von der Beklagten erbracht werden (vgl § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II), wobei die Klägerin Ansprüche für den 30. und 31.5.2006 im Revisionsverfahren zuletzt nicht mehr geltend gemacht hat.

12

Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Bei unklaren Anträgen muss das Gericht mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§ 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG). Im Übrigen muss dann, wenn der Wortlaut eines Antrags nicht eindeutig ist, im Wege der Auslegung festgestellt werden, welches das erklärte Prozessziel ist. In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch ist nicht am Wortlaut der Erklärung zu haften; die Auslegung von Anträgen richtet sich vielmehr danach, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe zur Annahme eines abweichenden Verhaltens vorliegen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass der Kläger alles zugesprochen haben möchte, was ihm aufgrund des Sachverhalts zusteht (stRspr, zuletzt etwa BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 3).

13

a) Auf dieser Grundlage ist das LSG im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin mit ihrem Klageantrag höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung begehrt. Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung allein kann nicht zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein. Die Regelungen der Beklagten über die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (mit Ausnahme der Kosten der Unterkunft, über die vorliegend vom zuständigen Landkreis in getrennter Trägerschaft entschieden worden ist) lassen sich in rechtlich zulässiger Weise nicht in weitere Streitgegenstände aufspalten (vgl etwa BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, jeweils RdNr 11; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 11).

14

b) Unzutreffend ist allerdings die weitergehende Auslegung durch das LSG, damit habe die Klägerin (in zulässiger Weise) einerseits den gesamten Zeitraum vom 30.5.2006 bis zur Entscheidung des SG am 28.11.2007 und andererseits auch den anschließenden Zeitraum bis zum 31.5.2008, über den das LSG kraft Klage zu entscheiden gehabt habe, zur gerichtlichen Überprüfung gestellt. Lediglich sofern der Träger der Grundsicherung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gänzlich ablehnt, kann zulässiger Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens - je nach Klageantrag - die gesamte bis zur Entscheidung verstrichene Zeit sein (stRspr seit BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30). Ist dagegen - wie hier - lediglich die Höhe der laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts streitig, kann einer Entscheidung des Trägers der Grundsicherung wegen der in § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II vorgesehenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für künftige Bewilligungsabschnitte zukommen(so ausdrücklich zum Mehrbedarf BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 16). Der Bescheid der Beklagten vom 21.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.1.2007 lässt zwar eine ausdrückliche Bezugnahme auf einen bestimmten Bewilligungsabschnitt nicht erkennen. Dies allein lässt aber - aus der insoweit für die Auslegung maßgeblichen Sicht eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann (BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11) -nicht den Schluss zu, die Beklagte habe abschließend für die Zukunft über den geltend gemachten Mehrbedarf entscheiden wollen. Vernünftigerweise ergibt sich für den Bescheidempfänger in diesem Fall vielmehr die Auslegung, die rechtlich die einzig zulässige ist, mithin eine (ablehnende) Regelung der Beklagten über eine höhere Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung des geltend gemachten Mehrbedarfs nur für solche Bewilligungsabschnitte, die im Zeitpunkt der Behördenentscheidung in der Vergangenheit bzw der Gegenwart lagen. Nur auf diesen Zeitraum bezieht sich damit der im Wege der Auslegung gewonnene Klageantrag.

15

c) Gegenstand des Verfahrens sind damit neben dem ausdrücklich angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 21.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.1.2007 der Bescheid vom 3.5.2006 betreffend den Bewilligungsabschnitt vom 1.6.2006 bis zum 30.11.2006 und der Bescheid vom 28.11.2006 betreffend den Bewilligungsabschnitt vom 1.12.2006 bis zum 31.5.2007. Diese Bescheide regeln für den jeweiligen Bewilligungsabschnitt die laufenden, von der Beklagten zu erbringenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und bilden deshalb mit dem ausdrücklich angefochtenen Bescheid eine Einheit.

16

Die übrigen Bescheide, die die anschließenden Bewilligungszeiträume ab dem 1.6.2007 regeln, sind entgegen der Annahme des LSG aus den dargestellten Gründen nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden(vgl bereits BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30). Dem Vorbringen der Klägerin in den Instanzen lässt sich auch nicht entnehmen, sie hätte wegen der Zeiträume ab dem 1.6.2007 im Wege der Klageerweiterung eine Klage gegen Folgebescheide erheben wollen unabhängig davon, ob insoweit die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Klageänderung und die dann geänderte Klage vorgelegen hätten (dazu BSG aaO). Sie hat insbesondere den Bescheid vom 28.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.1.2008 gesondert mit einer Klage zum SG Mannheim (Az S 8 AS 90/08) angefochten. Im Revisionsverfahren hat sie schließlich - nunmehr rechtskundig vertreten - den Leistungsantrag ausdrücklich begrenzt und wegen der Zeiträume ab dem 1.6.2007 lediglich die Aufhebung des Urteils des LSG beantragt, soweit ihr nicht weitergehende Leistungen zugesprochen worden sind.

17

Da bei verständiger Würdigung des klägerischen Vortrags Ansprüche für Zeiträume nach dem 31.5.2007 nicht Streitgegenstand des Verfahrens vor dem SG waren und das SG zutreffend nur für Zeiträume davor eine Entscheidung getroffen hat, ist unerheblich, in welchem Umfang ein so genanntes "Heraufholen von Prozessresten" zulässig sein kann. Das Berufungsurteil war für Zeiträume nach dem 31.5.2007 schon deshalb aufzuheben, weil das LSG unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu einer Entscheidung über Folgebescheide befugt war (vgl etwa BSG SozR 4-2700 § 9 Nr 13).

18

2. Die Revision im Übrigen ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Die Feststellungen des LSG lassen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob der Klägerin im streitigen Zeitraum über die Regelleistung in Höhe von 345 Euro hinaus ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II zusteht.

19

a) Die Beklagte ist nach den zum 1.1.2011 in Kraft getretenen Änderungen des SGB II durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 (BGBl I 1112) weiterhin passiv legitimiert. Im Rhein-Neckar-Kreis, in dem die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, werden die Aufgaben nach dem SGB II nach wie vor in getrennter Trägerschaft wahrgenommen; eine gemeinsame Einrichtung zur Aufgabenwahrnehmung (vgl § 44b Abs 1 Satz 1 SGB II in der seither geltenden Fassung) ist bislang noch nicht gebildet. Dies ist übergangsweise noch bis Ende des Jahres 2011 zulässig (vgl § 76 Abs 1 SGB II).

20

b) Ein Anspruch insbesondere für den zweiten streitigen Bewilligungsabschnitt scheitert nicht daran, dass die Klägerin lediglich am 30.5.2006 gegenüber der Beklagten ausdrücklich auf den geltend gemachten Mehrbedarf hingewiesen hat. Ausreichend ist, dass sie wegen der Folgezeiträume, für die ein Fortzahlungsantrag rechtzeitig gestellt worden ist (dazu BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), angegeben hat, maßgebliche Änderungen in ihren persönlichen Verhältnissen hätten sich nicht ergeben. Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung, bei dem es sich um eine laufende Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts handelt, muss nicht gesondert beantragt werden (vgl nur Urteil des Senats vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 14 mwN).

21

c) Nach § 21 Abs 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Das Gesetz begründet damit beim medizinischen Erfordernis kostenaufwändiger Ernährung einen Rechtsanspruch des Hilfebedürftigen. Voraussetzung ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher ("aufwändiger") sind als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist (vgl Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand November 2010, § 21 SGB II RdNr 31; O. Loose in GK-SGB II, Stand Juli 2010, § 21 RdNr 34 f; Münder in ders, SGB II, 3. Aufl 2009, § 21 RdNr 25). Ein solches besonderes, medizinisch begründetes Ernährungsbedürfnis führt zu einem Anspruch auf einen Mehrbedarf in angemessener Höhe (zum Ganzen bereits BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6, jeweils RdNr 39 und BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 2 RdNr 24).

22

Das LSG hat sich zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung im Hinblick auf den begehrten Mehrbedarf unter Hinweis auf § 153 Abs 2 SGG "voll umfänglich" den Entscheidungsgründen des SG im angefochtenen Urteil angeschlossen. Damit ist dem Erfordernis an eine Begründung des Urteils aus § 136 Abs 1 Nr 6 SGG(dazu zuletzt Urteil des Senats vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07AS 3/07 R - Juris RdNr 13) noch Genüge getan. Ein Berufungsgericht kann dann pauschal auf die Begründung des angefochtenen Urteils nach § 153 Abs 2 SGG verweisen, wenn es dem Urteil des SG nichts hinzuzufügen hat und es keinen neuen Vortrag tatsächlicher oder rechtlicher Art gibt(BSGE 87, 95, 99 f = SozR 3-2500 § 35 Nr 1 mwN). So liegt der Fall hier. Der klägerische Vortrag im Berufungsverfahren ist gegenüber dem Vortrag im Klageverfahren unverändert. Dies schließt insbesondere die Beweisanträge ein, die die Klägerin bereits in der ersten Instanz hinreichend zum Ausdruck gebracht hat.

23

Die damit in Bezug genommenen Feststellungen des SG genügen jedoch zur abschließenden Entscheidung über den geltend gemachten Mehrbedarf nicht. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das SG davon aus, dass bei der Klägerin als gesundheitliche Beeinträchtigung, die Auswirkungen auf ihre Ernährungsweise hat, eine Allergie gegen Paraben besteht. Es handelt sich nach den Feststellungen des SG insoweit um eine Allergie gegen para-Hydroxybenzoesäure (kurz PHB-Ester; auch Parahydroxybenzoat), die insbesondere in Kosmetika und bestimmten Lebensmitteln häufig als Konservierungsmittel eingesetzt werden. Zutreffend hat das SG schließlich unter Bezugnahme auf die Verordnung über Anforderungen an Zusatzstoffe und das Inverkehrbringen von Zusatzstoffen für technologische Zwecke (vom 29.1.1998 , zuletzt geändert mit Verordnung vom 11.6.2009 ) dargelegt, dass die entsprechenden Konservierungsstoffe (also die Verbindungen, die Parahydroxybenzoat enthalten) bei ihrer Verwendung in der Lebensmittelverarbeitung eine Kennzeichnungspflicht auslösen.

24

Die dargestellten Ausgangsannahmen konnte das SG allesamt als allgemeinkundige Tatsachen bei seiner Entscheidung zugrunde legen. Allgemeinkundige Tatsachen sind solche, von denen verständige und erfahrene Menschen regelmäßig ohne weiteres Kenntnis haben oder von denen sie sich aus allgemein zugänglichen, zuverlässigen Quellen unschwer überzeugen können oder auch solche, die in einem größeren oder kleineren Bezirk einer beliebig großen Menge bekannt sind oder wahrnehmbar waren und über die man sich aus zuverlässigen Quellen ohne besondere Fachkunde unterrichten kann (vgl BSG Urteil vom 5.3.2002 - B 2 U 27/01 R - ZfS 2002, 237). Die Klassifizierung von Parahydroxybenzoat als Konservierungsmittel, das in den Zusatzstoffen E 214 bis E 219 nach der Anlage Liste B Teil I zur Verordnung über Anforderungen an Zusatzstoffe und das Inverkehrbringen von Zusatzstoffen für technologische Zwecke enthalten ist, ist eine solche allgemeinkundige Tatsache. Entsprechende Informationen sind etwa über die Internetpräsenz des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz allgemein verfügbar (http://www.aktionsplan-allergien.de; Suchbegriff "Parabene"). Über besondere Sachkunde musste das Gericht insoweit nicht verfügen.

25

Die auf Grundlage dieser Ausgangsannahmen getroffene abschließende Würdigung des SG, die Klägerin könne durch aufmerksames und lediglich zeitaufwändiges, aber nicht kostenintensives Verbraucherverhalten das Allergen gut vermeiden, sodass die erforderliche Ernährungsweise sich nicht als kostenaufwändig darstelle, ist dagegen weder eine allgemeinkundige Tatsache im dargestellte Sinne noch wird aus dem Urteil sonst erkennbar, worauf das SG diese Schlussfolgerung stützt. Die Annahme, auch bei strikter Vermeidung von Lebensmitteln, die Parahydroxybenzoat enthielten, würden keine weitergehenden Kosten im Hinblick auf eine ausgewogene Ernährung entstehen, kann nicht als allgemeines Erfahrungswissen des Gerichts unterstellt werden. Es ist durchaus denkbar, dass eine so große Anzahl von Lebensmitteln vermieden bzw ersetzt werden muss, dass dies nicht kostenneutral erfolgen kann. Auch aus der ärztlichen Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Beklagten wird nicht erkennbar, auf welchen ernährungswissenschaftlichen Erfahrungen und Grundannahmen sie beruht. Dies gilt schließlich auch für die vom LSG ergänzend in Bezug genommene telefonische Auskunft eines Dr. T Ohnehin kann nach der älteren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine sachkundige Einschätzung zum streitigen Sachverhalt im sozialgerichtlichen Verfahren regelmäßig nur durch Begutachtung durch einen Sachverständigen (§ 106 Abs 3 Nr 5 SGG) oder seine Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung bzw - in eng begrenzten, geeigneten Fällen - im Wege der Vernehmung durch den Kammervorsitzenden erfolgen (vgl § 106 Abs 3 Nr 4 SGG; dazu bereits BSGE 2, 197, 199). Ob daneben die Verwertung einer telefonisch von einem Arzt eingeholten Auskunft iS des § 106 Abs 3 Nr 3 SGG in jedem Fall ausscheidet(so ausdrücklich BSG, aaO und im Anschluss Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 106 RdNr 11), kann offen bleiben. Entscheidend ist vorliegend auch insoweit, dass unklar geblieben ist, über welche Sachkunde Dr. T verfügte und auf welche medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Grundlagen er seine Aussagen stützt.

26

Das LSG wird nach Zurückverweisung des Rechtsstreits eine gutachterliche Stellungnahme (ggf nach Aktenlage) einholen müssen, wobei der Sachverständige in erster Linie über besondere Kenntnisse auf ernährungswissenschaftlichem Gebiet verfügen sollte. Erst wenn geklärt ist, wie konsequent die Klägerin die fraglichen Konservierungsstoffe vermeiden muss, um gesundheitliche Beeinträchtigungen auszuschließen, wie häufig die fraglichen, von der Klägerin ggf strikt zu vermeidenden Konservierungsmittel eingesetzt werden, welche Möglichkeiten bestehen, auf andere Lebensmittel auszuweichen bzw auf welche Lebensmittel bei einer ausgewogenen Ernährung verzichtet werden kann, kann entschieden werden, ob und ggf welche Mehrkosten für eine solche Ernährungsweise entstehen.

27

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Januar 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Freiburg zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.10.2010 bis 31.3.2011 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung wegen einer Laktoseintoleranz.

2

Bei der 1998 geborenen Klägerin, die mit ihrer 1970 geborenen Mutter in einer Wohnung lebt und wie diese Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezieht, besteht eine Laktoseintoleranz. Am 27.12.2010 beantragte sie unter Vorlage eines ärztlichen Attests beim beklagten Jobcenter die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung. Sie dürfe wegen der Laktoseintoleranz Milch und Milchprodukte nicht bzw nur in sehr kleinen Mengen zu sich nehmen und sei auf laktosefreie Diätnahrung angewiesen, die teurer sei als normale Milchprodukte. Der Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die angegebene Krankheit keinen nach § 21 Abs 5 SGB II unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts darstelle und nicht im Katalog der Mehrbedarfe für eine kostenaufwändige Ernährung enthalten sei. Bei einer Laktoseintoleranz seien laktosehaltige Nahrungsmittel zu meiden oder zu reduzieren, wodurch keine gravierend höheren Kosten entstünden (Bescheid vom 7.1.2011; Widerspruchsbescheid vom 2.3.2011).

3

Hiergegen haben die Klägerin und ihre Mutter Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben und geltend gemacht, die Laktoseintoleranz führe zu höheren Kosten für Ernährung und damit zu einem Anspruch auf die Gewährung ernährungsbedingten Mehrbedarfs; das SG Bremen beziffere diesen Bedarf auf 53 Euro. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.1.2012). Die Klage der Mutter sei unzulässig, weil diese durch die Ablehnung nicht beschwert sei. Die Klage der Klägerin sei unbegründet. Sie leide zwar nachgewiesenermaßen an einer Laktoseintoleranz, diese Krankheit bringe jedoch keinen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung mit sich. Der Milchzuckerunverträglichkeit könne durch die Vermeidung von laktosehaltiger Kost begegnet werden. Alle anderen Grundnahrungsmittel könnten konsumiert werden. Als Orientierungshilfe für einen etwaigen Mehrbedarf seien die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 heranzuziehen. Dort werde ein Mehrbedarf für Erkrankungen, die keiner spezifischen Diät, sondern sogenannter Vollkost bedürften, verneint. Etwas anderes gelte nur für die aufgeführten verzehrenden Erkrankungen. Damit sei die Laktoseunverträglichkeit nicht vergleichbar, es handele sich um eine weit verbreitete Lebensmittelunverträglichkeit, bei der lediglich auf ausreichende Zufuhr von Kalzium durch andere Lebensmittel geachtet werden müsse. Im Übrigen böten wegen der weiten Verbreitung der Erkrankung auch viele Discounter zu günstigen Preisen laktosefreie Milchprodukte an. Die Klägerin habe keine Besonderheiten, insbesondere auch keine von den Empfehlungen abweichende Bedarfe substanziiert geltend gemacht, weshalb von weiteren Ermittlungen vorliegend abgesehen werden könne. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Klägerin minderjährig sei, denn die Regelsätze für Kinder und Jugendliche seien bei der Neuberechnung der Regelsätze auf der Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 neu ermittelt und kinderspezifische Bedarfe berücksichtigt worden. Damit sei für den vorliegend einschlägigen Zeitraum auch für Kinder und Jugendliche eine verlässliche Bezugsgröße vorhanden.

4

Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision macht nur noch die Klägerin eine Verletzung von § 21 Abs 5 SGB II geltend. Das SG habe die Klage aufgrund unzutreffender tatsächlicher Annahmen abgewiesen. Es handele sich hier ausnahmsweise um Tatsachen, die der Beurteilung des Revisionsgerichts unterlägen. Die unzutreffenden tatbestandlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts hinsichtlich der Frage, ob die Ernährung mit laktosefreier Kost kostenaufwändiger sei als laktosehaltige Nahrung, beruhe zwar auf verfahrensfehlerhafter Ermittlung, die vorliegend nicht gerügt werden könne. Allerdings seien die Mehrkosten am Nahrungsmittelmarkt keine individuelle Tatsache, sondern eine Rechtstatsache, die für die Auslegung, dh die Bestimmung des Inhalts des § 21 Abs 5 SGB II benötigt werde, weshalb die unzutreffenden Feststellungen des SG in Bezug auf die Kosten laktosefreier Ernährung der revisionsgerichtlichen Kontrolle nicht entzogen seien.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Januar 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. März 2011 höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen medizinisch erforderlicher kostenaufwändiger Ernährung zu gewähren.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält das Urteil des SG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Sprungrevision ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des SG und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz > ) begründet. Soweit die Klägerin die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.10.2010 bis 31.3.2011 geltend macht, kann auf Grundlage der Feststellungen des SG nicht abschließend entschieden werden, ob ihr ein weitergehender Anspruch zusteht.

9

1. Streitgegenstand im Revisionsverfahren ist noch das Begehren der Klägerin, für die Zeit vom 1.10.2010 bis zum 31.3.2011 höheres Sozialgeld zu erhalten. Ihre Mutter hat die von ihr ursprünglich eingelegte Revision zurückgenommen. Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung, auf den sie ihr Begehren in der Sache stützt, kann entgegen der Auffassung des SG nicht in zulässiger Weise zum isolierten Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens bestimmt werden. Zudem kann eine ablehnende Entscheidung hinsichtlich eines bestimmten Bedarfs wegen der in § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II vorgeschriebenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für zukünftige Bewilligungsabschnitte entfalten(vgl nur BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R - BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, RdNr 14 f mwN). Dem hat die Klägerin Rechnung getragen und im Revisionsverfahren höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen besonders kostenaufwändiger Ernährung allein noch für den Zeitraum vom 1.10.2010 bis 31.3.2011 beantragt. Offen bleiben kann, ob auch unter Neufassung der §§ 19 bis 22 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz) vom 24.3.2011 (BGBl I 453) zum 1.1.2011 die Höhe von Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung weiterhin in prozessual zulässiger Weise getrennt von der Höhe der Leistungen für Regelbedarfe und Mehrbedarfe geltend gemacht werden kann; für eine solche Einschränkung gibt der Vortrag der Klägerin keinen Anhalt.

10

Gegenstand des Verfahrens sind neben dem Bescheid vom 7.1.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.3.2011 auch die Bewilligungsbescheide, die für die Klägerin die Höhe des Sozialgelds im streitigen Bewilligungszeitraum regeln. Neben dem Bescheid, der zum 1.10.2010 ergangen ist, ist auch ein ggf mit Inkrafttreten des RBEG zum 1.1.2011 ergangener Änderungsbescheid für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 31.3.2011 Gegenstand des Verfahrens geworden. Das SG wird diese Bescheide, die bislang nicht aktenkundig sind, in seine Prüfung einzubeziehen haben. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Klägerin den Mehrbedarf zwar erst am 27.12.2010 beim Beklagten geltend gemacht hat, sich aus ihrem weitergehenden Vortrag aber ergibt, dass dieser aus ihrer Sicht seit Oktober 2010 bestanden hat. Da ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nicht nur auf gesonderten Antrag hin gewährt wird (vgl nur Urteil des Senats vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 14 mwN),ist vom SG zu überprüfen, ob im Zeitpunkt der Geltendmachung des Bedarfs bereits bestandskräftig gewordene Bescheide unter dem Blickwinkel der §§ 44, 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch zu ändern sind.

11

2. Die Revision ist auch im Übrigen zulässig. Mit ihrer Rüge, das SG sei fehlerhaft zu dem Schluss gekommen, bei einer Laktoseintoleranz handele es sich nicht um eine Erkrankung, die einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung auslösen könne, macht die Klägerin nicht nur einen Verfahrensmangel geltend. Sie behauptet damit zwar auch, das SG habe den Sachverhalt im Einzelfall, nämlich bezogen auf die Auswirkungen der Erkrankung bei ihr, nicht zutreffend ermittelt (§ 103 SGG; zur Verpflichtung zur Amtsermittlung im Hinblick auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB II vgl BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14 RdNr 17). Mit einer solchen Rüge ist sie im Fall der Sprungrevision ausgeschlossen (vgl § 161 Abs 4 SGG). Sie hat aber ausreichend iS des § 164 Abs 2 SGG dargelegt, dass sich die Feststellungen des SG zu den ernährungsbedingten Einschränkungen wegen einer Laktoseintoleranz nicht auf den Einzelfall beschränkten, sondern vom Gericht (unzutreffend) als generelle Tatsachen (Rechtstatsachen) aufgrund des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes bei der Anwendung von § 21 Abs 5 SGB II unterstellt worden seien. Verstöße gegen das Prozessrecht (hier die unzureichende Aufklärung des Sachverhalts nach § 103 SGG), die sich nur als prozessuale Konsequenz aus der fehlerhaften Anwendung des materiellen Rechts ergeben, bleiben auch mit der Sprungrevision rügbar(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 161 RdNr 10b; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX. Kap, RdNr 344). Ob die dabei von der Klägerin aufgeworfenen Fragen zum ernährungsbedingten Mehrbedarf wegen Laktoseintoleranz angesichts der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu anderen Erkrankungen (dazu sogleich) noch grundsätzliche Bedeutung haben, kann dahin stehen, denn der Senat ist an die Zulassung der Sprungrevision durch das SG gebunden.

12

3. Nach § 21 Abs 5 SGB II erhalten Leistungsberechtigte, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Voraussetzung für den Rechtsanspruch auf einen Mehrbedarf ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine besondere Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher ("aufwändiger") sind als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist (vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10 RdNr 21; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 16; BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14 RdNr 15, jeweils mwN). Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder einer drohenden Erkrankung oder Behinderung und der Notwendigkeit einer besonderen Ernährung vorliegen und diese besondere "Krankenkost" muss gegenüber der in der Bevölkerung üblichen, im Regelbedarf zum Ausdruck kommenden Ernährung kostenaufwändiger sein.

13

a) Die bei der Klägerin festgestellte Laktoseintoleranz (vgl ICD-10-GM E73) stellt eine gesundheitliche Beeinträchtigung iS des § 21 Abs 5 SGB II, nämlich eine Krankheit im Sinne eines regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustands dar. Unerheblich für den Begriff der gesundheitlichen Störung ist die Frage, wie verbreitet dieser krankhafte Zustand in der Bevölkerung ist, solange es sich um einen für sich genommen regelwidrigen Zustand handelt. Die von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG angesprochene weite Verbreitung der Laktoseintoleranz (insbesondere in asiatischen Ländern) kann allenfalls Anlass für die Prüfung geben, ob und in welchen Fällen durch die gesundheitliche Beeinträchtigung und das damit medizinisch begründete besondere Ernährungsbedürfnis auch höhere Kosten anfallen.

14

b) Ob die bei der Klägerin bestehende Laktoseintoleranz ein besonderes, medizinisch begründetes Ernährungsbedürfnis mit sich bringt, lässt sich auf Grundlage der Feststellungen des SG nicht beurteilen. Die Annahme des SG, eine Laktoseintoleranz begründe von vornherein keinen Mehrbedarf, weil lediglich bestimmte Nahrungsmittel vermieden und durch andere, vom Regelbedarf abgedeckte Grundnahrungsmittel ersetzt werden müssten, vermengt die bereits dargestellten Prüfungsschritte in unzutreffender Weise mit einander; insoweit hat das SG die Maßstäbe des § 21 Abs 5 SGB II verkannt.

15

Wie die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate bereits entschieden haben, haben die Gerichte einen streitig gebliebenen krankheitsbedingten Mehrbedarf im Einzelfall aufzuklären (so bereits BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R - BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6 und BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07 R; vgl zur Laktoseintoleranz auch BSG Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R - Juris RdNr 24). Dazu ist zunächst zu überprüfen, welches besondere Ernährungsbedürfnis medizinisch, dh durch die Erkrankung, begründet ist. Insbesondere wenn ein besonderes Ernährungsbedürfnis abhängig von der Schwere der Erkrankung ausgelöst wird, sind die Erfordernisse an die besondere Ernährung im jeweiligen Einzelfall zu überprüfen. Erst wenn feststeht, welches medizinisch begründete Ernährungsbedürfnis im Einzelfall besteht, kommt es darauf an, ob hierdurch auch höhere Kosten entstehen (dazu unter c). Die erforderlichen Prüfungsschritte wird das SG nach Zurückverweisung ausgehend von dem vorgelegten Attest nachzuholen haben.

16

Bei der Prüfung eines besonderen, medizinisch begründeten Ernährungsbedürfnisses lässt nicht schon die fehlende Auflistung der entsprechenden Erkrankung in den Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 1.10.2008 ( Mehrbedarfsempfehlungen 2008) den Schluss zu, dass es sich nicht um eine Erkrankung handelt, die einen Mehrbedarf auslösen kann. Der Senat schließt sich der Auffassung des 4. Senats an, wonach die Mehrbedarfsempfehlungen 2008 weder nach ihrer Konzeption noch nach ihrer Entstehungsgeschichte die Anforderungen an antizipierte Sachverständigengutachten erfüllen, die von den Gerichten in normähnlicher Weise angewandt werden könnten (vgl BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14). Wenn weit verbreitete Erkrankungen wie die Laktoseintoleranz in den Mehrbedarfsempfehlungen 2008 nicht genannt sind, kann dieser Umstand damit nur eine Orientierungshilfe sein, die den Umfang der Ermittlungen im Einzelfall steuert.

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c) Auch wegen der Kosten, die aus einem besonderen, medizinisch begründeten Ernährungsbedürfnis entstehen, stellt § 21 Abs 5 SGB II erkennbar auf die Umstände des Einzelfalles ab. Dies lässt sich schon daraus ersehen, dass - abweichend von den in § 21 Abs 1 bis 4 SGB II genannten Fallgruppen eines Mehrbedarfs - keine Pauschalen für die entstehenden Bedarfe normiert sind. Im Anwendungsbereich des § 21 Abs 5 SGB II sind deshalb Fälle kaum denkbar, in denen sich für eine bestimmte Erkrankung, die - wie die Laktoseintoleranz - Einfluss auf die Ernährung haben, ein besonderer Kostenaufwand abschließend als generelle Tatsache (Rechtstatsache) mit Gültigkeit für jeden Einzelfall verneinen lässt(vgl bereits BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10). Ohnehin lassen die Ausführungen des SG, eine Laktoseintoleranz sei in allen denkbaren Fällen ohne höheren Kostenaufwand zu kompensieren, in keiner Weise erkennen, worauf es diese Schlussfolgerung stützt. Für das von ihm genannte Gutachten eines "Prof. Dr. H." lässt sich eine Quelle nicht finden; auch im Übrigen lassen sich die von dem SG getroffenen Schlüsse nicht auf allgemeinkundige Tatsachen zurückführen. Zwar ist denkbar, dass mit zunehmendem Alter eines Kindes sich Nahrungsmittel, die Milchzucker enthalten, besser vermeiden lassen. Je weiter außerdem eine Erkrankung, die eine besondere Ernährung erfordert, verbreitet ist, umso mehr wird dies das Ernährungsverhalten der gesamten Bevölkerung beeinflussen. Dies mag zu günstigeren Preisen für Ersatz- oder Ergänzungsnahrungsmittel (wie etwa die vom SG genannten laktosefreien Milchprodukte) führen und - sofern ein bestimmtes Ernährungsverhalten allgemein üblich wird - ggf auch die Höhe des Regelbedarfs mitbestimmen. Ob der Klägerin im Einzelfall nicht gleichwohl ein Mehrbedarf zusteht, lässt sich aber allein mit solchen Annahmen nicht ausschließen.

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Das SG wird außerdem über die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu entscheiden haben.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten einzulegen.

(2) Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss. Die Zulassung der Berufung bedarf keiner Begründung. Der Ablehnung der Beschwerde soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig.

(5) Läßt das Landessozialgericht die Berufung zu, wird das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Darauf ist in dem Beschluß hinzuweisen.