Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss, 08. Nov. 2018 - L 4 AS 839/17 B

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2018:1108.L4AS839.17B.00
08.11.2018

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 1. November 2017 wird aufgehoben, soweit der Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist, und dem Antragsteller für das Verfahren des ersten Rechtszugs ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin W. bewilligt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Weiteren: Antragsteller) wendet sich im Wege der Beschwerde gegen die Ablehnung seines Prozesskostenhilfeantrags für ein erstinstanzlich beendetes Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG), das als Beschwerdeverfahren im Senat anhängig ist (Aktenzeichen L 4 AS 838/17 B ER). Es geht um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt (EGVA).

2

Der 1967 geborene Antragsteller bezieht von dem Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seine Lebensgefährtin, mit der er eine Bedarfsgemeinschaft bildet, bezieht seit Oktober 2016 Altersrente. Soweit das Renteneinkommen deren Bedarf übersteigt, wird es auf den Bedarf des Antragstellers angerechnet. Für den Zeitraum von Oktober 2017 bis Juni 2018 wurden monatliche Leistungen von 421,55 EUR bewilligt.

3

Seit September 2014 macht der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner keine Angaben über sein beruflichen Werdegang, seine Befähigungen oder Fertigkeiten und verweigert den Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen. Er bekundet regelmäßig, nicht arbeiten zu wollen, und nicht an Vermittlungsvorschlägen oder an einer Teilnahme an Maßnahmen interessiert zu sein. Eine nach Angabe gesundheitlicher Probleme erfolgte Vorstellung beim ärztlichen Dienst des Antragsgegners ergab eine aktuell bestehende Arbeitsunfähigkeit, aber keine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit. Im August 2016 lehnte der Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente bestandskräftig ab. Am 21. Dezember 2016 gab der Antragsteller keine Auskunft zum beruflichen Werdergang und weigerte sich, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Am 23. Januar 2017 erließ der Antragsgegner einen EGVA (mit einer Geltungsdauer bis zum 20. Juni 2017).

4

Am 14. August 2017 machte der Antragsteller wieder keine Angaben zum Lebenslauf und verweigerte den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung. Daraufhin erließ der Antragsgegner unter dem 11. September 2017 einen EGVA gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II, der für den Zeitraum vom 11. September 2017 "bis auf weiteres" gültig sein sollte. Der EGVA sei erforderlich, da der Antragsteller sich nach Gesprächen geweigert habe, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Ziel sei die Verringerung bzw. der Wegfall der Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Zwischenziel sei die Teilnahme an der Maßnahme "Aktivierung und Vermittlung mit intensiver Betreuung und Anwesenheitspflicht" ab dem 6. November 2017 beim Bildungsträger FAW Bitte Eintrag suchen und anpassen. in D.-R ... Zur Unterstützung stelle der Antragsgegner u.a. in Aussicht,

5

• Vermittlungsvorschläge für Stellenangebote im Helferbereich (z.B. Lager, Verpackung, Produktion in Voll- und Teilzeit) zu übersenden,

6

• Bewerbungsunterlagen und Bewerbungsrückläufe zu sichten und Vermittlungsvorschläge auszuwerten,

7

• das Bewerberprofil des Antragstellers in der JOBBÖRSE zu veröffentlichen,

8

• notwendige und angemessene Kosten für Bewerbungen gemäß § 16 Abs. 1 SGB II iVm § 44 SGB III zu übernehmen (max. 260 EUR/Kalenderjahr),

9

• Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen zu erstatten,

10

• die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung durch Übernahme der Fahrtkosten für Pendelfahrten zu fördern,

11

• eine Teilnahme an der o.g. Maßnahme in D. ab dem 6. November 2017 für eine achtwöchige Nettoverweildauer zu ermöglichen und dafür die Fahrtkosten (als Monatskarte für den ÖPNV) zu übernehmen.

12

Im Gegenzug solle der Antragsteller

13

• sich mindestens viermal monatlich um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung entsprechend seiner Qualifikation bzw. im Helferbereich bewerben (schriftlich, persönlich oder elektronisch) und hierüber zum Quartalsende (erstmalig am 31. Dezember 2017) Nachweise vorlegen,

14

• sich auf übersandte Vermittlungsvorschläge innerhalb von drei Arbeitstagen in der vom Arbeitgeber gewünschten Form bewerben und

15

• ab dem 6. November 2017 an der o.g. Maßnahme regelmäßig teilnehmen.

16

Bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit sei der Antragsteller an die Regelungen des EGVA nicht mehr gebunden. In der ausführlichen Rechtsfolgenbelehrung wies der Antragsgegner u.a. darauf hin, dass aufgrund der vorangegangenen Sanktion mit Bescheid vom 7. September 2017 ein wiederholter Pflichtverstoß mit einer Minderung von 60% des maßgeblichen Regelbedarfs geahndet werde.

17

Dagegen legte der Antragssteller am 20. September 2017 Widerspruch ein.

18

Am 4. Oktober 2017 hat der Antragsteller bei dem SG die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den EGVA beantragt. Zudem hat er Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, der angegriffene Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig. Denn der Antragsgegner habe keine konkrete Gültigkeitsdauer bestimmt, sondern erklärt, dass der EGVA bis auf weiteres gelten solle. Nach der Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 8. Juni 2017, Az.: L 16 AS 291/17 B ER, juris) sei – auch wenn in der aktuell geltenden Fassung von § 15 SGB II keine Gültigkeitsdauer mehr geregelt sei – die früher gesetzlich vorgesehene Geltungsfrist von regelmäßig sechs Monaten auf EGVA nach § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II nF anzuwenden. Die eingeräumte Bewerbungsfrist von drei Arbeitstagen nach Erhalt eines Vermittlungsvorschlags sei zu kurz. Zudem habe der Antragsgegner keine Potentialanalyse gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II durchgeführt, die nach der gesetzlichen Regelung Voraussetzung für den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung sei. Zudem nehme der EGVA in der Rechtsfolgenbelehrung Bezug auf eine Sanktion vom 7. September 2017, die bei Erlass des EGVA noch nicht bestandskräftig gewesen und inzwischen aufgehoben worden sei. Dies mache die Rechtsfolgenbelehrung fehlerhaft. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei erforderlich, denn mit dem EGVA würden dem Antragsteller Handlungspflichten auferlegt, deren Nichtbefolgung Sanktionen nach sich ziehen könnten.

19

Der Antragsgegner hat dazu ausgeführt, die festgesetzte Gültigkeit "bis auf weiteres" entspreche der seit dem 1. August 2016 geltenden Rechtslage. Das Gesetz sehe keine bestimmte Laufzeit mehr vor. Der EGVA solle spätestens nach sechs Monaten überprüft und fortgeschrieben werden. Im Übrigen sei der Inhalt des EGVA im Verhältnis von Angeboten des Antragsgegners und Pflichten des Antragstellers ausgewogen.

20

Mit Beschluss vom 1. November 2017 hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und den Antrag auf PKH abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs in § 39 SGB II habe der Gesetzgeber dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des angegriffen Verwaltungsakts grundsätzlich Vorrang vor dem privaten Interesse des Betroffenen am einem Aufschub der Vollziehung eingeräumt. Bei der gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebotenen Abwägung seien die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. In der Regel komme die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur in Betracht, wenn sich nach summarischer Prüfung erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts ergäben. Dies sei nicht der Fall. Der EGVA sei nicht offensichtlich rechtswidrig. Daher bestehe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache. Aufgrund der Weigerung des Antragstellers am 14. August 2017, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, sei der Antragsgegner gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II berechtigt gewesen, die vorgesehenen Maßnahmen zur Eingliederung durch Verwaltungsakt zu regeln. Die Rechtsfolgenbelehrung sei ordnungsgemäß. Die Geltung des EGVA "bis auf weiteres" sei nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Die geltende Gesetzesfassung gebe keine bestimmte Gültigkeitsdauer vor, sondern regle eine Überprüfung bzw. Fortschreibung nach spätestens sechs Monaten. Es sei ggf. im Hauptsacheverfahren zu klären, ob im Bescheid ein konkreter Termin für die Fortschreibung zu bestimmen sei. Es sei keine Unausgewogenheit der wechselseitigen Verpflichtungen zu erkennen. Der Antragsgegner übernehme umfangreiche Unterstützungsaktivitäten. Die vorgesehene Teilnahme an der Maßnahme diene der Aktivierung des Antragstellers und der Verbesserung seiner Vermittlungsaussichten. Dem stehe das fehlende Interesse des Antragstellers an einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Er verkenne das System des SGB II grundlegend. Die vorgesehene Potentialanalyse könne nicht erfolgen, wenn der Antragsteller nicht mitwirke. Da er seit Jahren Auskünfte zum beruflichen Werdegang, Fertigkeiten und Interessen verweigere, sei dem Antragsgegner eine Analyse nicht möglich. Der Hinweis auf die Amtsermittlungspflichten führe nicht weiter, denn es seien keine Umstände ersichtlich, aus denen sich weitere ärztliche oder psychologische Aufklärung aufdränge. Der Antragsteller sei gegen die Ablehnung des Rentenantrags nicht vorgegangen. Eine individuelle Eingliederungskonzeption und passgenauere Strategien könnten nur bei Mitarbeit des Leistungsberechtigten entwickelt werden. PKH sei nicht zu gewähren, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten habe.

21

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2017 hat der Antragsgegner den Widerspruch zurückwiesen. Am 27. November 2017 hat der Antragsteller Klage beim SG erhoben.

22

Am selben Tag hat er Beschwerde sowohl gegen die Sachentscheidung des SG (Az.: L 4 AS 838/17 B ER) als auch gegen die hier streitige PKH-Ablehnung eingelegt und die Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren beantragt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen vertieft und ausgeführt, die fehlende Beschränkung der Geltungsdauer mache den EGVA rechtwidrig. Das SG Karlsruhe (Urteil vom 12. Oktober 2017, Az.: S 14 AS 1709/17, juris) habe zutreffend ausgeführt, es sei auch nach neuem Recht davon auszugehen, dass die gesetzlich geregelte Überprüfungsfrist für die Eingliederungsvereinbarung nach sechs Monaten (bei fehlender Ermessensausübung) zugleich die Höchstfrist für die einseitig festgelegte Laufzeit eines EGVA darstelle. Die gesetzliche Überprüfungsfrist sei im angegriffenen EGVA nicht einmal genannt worden.

23

Der Antragsteller beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

24

den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 1. November 2017 aufzuheben und ihm für das erstinstanzliche Verfahren ratenfreie Prozesskosten unter Beiordnung von Rechtsanwältin W. zu bewilligen.

25

Auf Nachfrage der Berichterstatterin hat der Antragsgegner am 26. September 2018 einen weiteren EGVA vom 14. Februar 2018 vorgelegt, der nach seinem Inhalt ebenfalls "bis auf weiteres" gültig sein solle. Er schreibe die Eingliederungsvereinbarung vom 11. September 2017 fort und sei – da eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande gekommen sei – als Verwaltungsakt zu erlassen. Er hat denselben Inhalt wie der angegriffene EGVA; die Teilnahme an (derselben) Maßnahme sollte ab 3. April 2018 erfolgen.

26

Nach Übersendung unter Hinweis auf die Erledigung des angegriffenen EGVA durch die Fortschreibung hat der Antragsteller am 9. Oktober 2018 ausgeführt, den EGVA vom 14. Februar 2018 habe er nicht erhalten. Er sei ihm bislang noch nicht wirksam bekannt gegeben worden. Die Übersendung durch den Senat reiche nicht aus. Es habe Ende Januar 2018 ein Gespräch beim Antragsgegner gegeben, bei dem er sich geweigert habe, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben. Er gehe davon aus, dass der angegriffene EGVA weiterhin gelte. Er hat aktualisierte Belege zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen vorgelegt und um Bescheidung gebeten.

27

Der Antragsgegner hat erklärt, er könne den Zugang des EGVA vom 14. Februar 2018 nicht beweisen. Im Allgemeinen erhalte der Antragsteller die an ihn versandte Post.

28

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners sowie das PKH-Beiheft ergänzend Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen.

II.

29

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG. Das SG hat die Bewilligung von PKH ausschließlich wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg verneint. Der Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 2b SGG greift nicht, denn in der Hauptsache bedürfte die Berufung nicht der Zulassung. Da die Beteiligten nicht um eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung streiten, sondern um die Rechtmäßigkeit eines die EGVA, wäre die Berufung ohne weiteres zulässig.

30

Die Beschwerde ist auch begründet. Nach § 73a Abs. 1 SGG in Verbindung mit den §§ 144 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) ist auf Antrag PKH zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 115 ZPO für die Prozessführung sein Einkommen und Vermögen einzusetzen, soweit ihm dies nicht aufgrund der dort genannten Tatbestände unzumutbar ist.

31

Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990, Az.: 1 BvR 94/88, NJW 1991 S. 413f.). PKH kommt hingegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 1998, Az.: B 13 RJ 83/97 R, SozR 3-1500, § 62 Nr. 19). Die Prüfung der Aussicht auf Erfolg soll aber nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Verfahren der PKH vorzuverlegen und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG kann nicht nur die Behandlung schwieriger Rechtsfragen im PKH-Verfahren zu einer unzulässigen Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens führen. Auch Beweiserhebungen oder Beweiswürdigungen müssen daraufhin untersucht werden, ob sie den Rahmen des PKH-Verfahrens sprengen. So darf PKH nicht verweigert werden, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Februar 2008, Az.: 1 BvR 1807/07, juris). Ist eine Beweisaufnahme geboten, kann PKH wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht nur dann abgelehnt werden, wenn nach objektivem Maßstab die Beweisaufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem für den Betroffenen negativen Ergebnis führen wird, oder wenn die Beweisaufnahme bereits abgeschlossen ist und alles auf ein Scheitern des Begehrens in der Sache hindeutet.

32

Unter Anwendung dieser Maßstäbe hatte die Rechtsverfolgung des Antragstellers im erstinstanzlichen Verfahren, die auf die Anordnung der durch § 39 Nr. 1 SGB II ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs (anfänglich des Widerspruchs und nach dessen Bescheidung und Klageerhebung der Klage) gerichtet war, von Anfang an hinreichende Aussicht Erfolg. Denn der angegriffenen EGVA vom 11. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2017 begegnet rechtlichen Bedenken, soweit eine Geltungsdauer ab dem 11. September 2017 "bis auf weiteres", d.h. zeitlich praktisch unbeschränkt verfügt worden ist. Die Frage der Gültigkeitsdauer eines EGVA bzw. der Notwendigkeit seiner Befristung ist eine schwierige Rechtsfrage, die nicht in das PKH-Verfahren vorverlagert werden darf. In der Rechtsprechung werden hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten.

33

Der Senat hält nach seiner vorläufigen Rechtsauffassung einen EGVA ohne zeitliche Begrenzung der Geltungsdauer für rechtswidrig, weil dies von der gesetzlichen Ermächtigung nicht gedeckt sein dürfte. Die verfügte Geltung "bis auf weiteres" – auch mit dem Hinweis, die Wirksamkeit des EGVA entfalle, wenn die Hilfebedürftigkeit ende – ist keine (echte) zeitliche Begrenzung und steht mit der gesetzlichen Vorgabe in § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II, nach der EGVA regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten zu überprüfen und fortzuschreiben ist), nicht im Einklang. Der Senat folgt insoweit der Auffassung des LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 15. Mai 2018 (Az.: L 9 AS 4118/17, juris RN 31ff. mit weit. Nachw.).

34

Nach § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der bis zum 31. Juli 2016 gültigen Fassung sollte eine Eingliederungsvereinbarung für sechs Monate geschlossen werden mit der Folge, dass diese Befristung grundsätzlich auch für den EGVA galt (vgl. BSG, Urteil vom 14.02.2013, Az.: B 14 AS 195/11 R, juris) und die Festlegung einer längeren Gültigkeitsdauer einer Begründung (Ermessenserwägungen) bedurfte. Diese regelhafte Sechs-Monats-Frist gibt es in der Neuregelung nicht mehr. Nunmehr soll gemäß § 15 Abs. 3 SGB II in der seit dem 1. August 2016 geltenden Fassung die Eingliederungsvereinbarung regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten, gemeinsam überprüft und fortgeschrieben werden. Nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 18/8041 S. 37) soll durch die Aktualisierungsverpflichtung betont werden, dass die Eingliederungsvereinbarung das maßgebliche Werkzeug zur Planung und Gestaltung des Eingliederungsprozesses ist. Aufgrund der Erfahrungen und des Verlaufs der bisherigen Bemühungen sollen die Vereinbarungen (laufend) angepasst und eine flexiblere Handhabung ermöglicht werden. Dazu werde im Interesse des kontinuierlichen Eingliederungsprozesses nur der späteste Zeitpunkt für eine Überprüfung und Aktualisierung der Vereinbarung geregelt.

35

Insoweit spricht viel dafür, dass die gesetzlich geregelte Überprüfungshöchstfrist von sechs Monaten zugleich die Höchstdauer der Geltung des einseitig erlassenen EGVA ist (ebenso: Bayer. LSG, Beschluss vom 8. Juni 2017, Az.: L 16 AS 291/17 B ER, juris RN 20; SG D., Beschluss vom 10. Januar 2018, Az.: S 27/AS 5836/17, juris RN 16; Berlit in: LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 15 RN 62; Kador in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, RN 78, 89). Jedenfalls dürfte der Erlass eines EGVA ohne zeitliche Begrenzung der Geltungsdauer nicht von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt sein. Eine zeitliche Begrenzung enthält der angegriffene EGVA mit seiner Geltung "bis auf weiteres" nicht. Der EGVA ist eine einseitige, hoheitliche Regelung. Bei einer (zweiseitigen) Eingliederungsvereinbarung gemäß 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II schützt der Überprüfungsmechanismus mit der Regelüberprüfungsfrist den Leistungsberechtigten und räumt ihm ggf. sogar ein Sonderkündigungsrecht ein, um sein Recht auf Überprüfung und Aktualisierung wirksam durchsetzen zu können (Berlit,.a.a.O., § 15 RN 56). Bei einem EGVA greift dieser Überprüfungsmechanismus nicht. Denn ein EGVA gilt im Falle der Nichtbefristung tatsächlich bis auf weiteres fort, ohne dass der Leistungsberechtigte hierauf Einfluss nehmen kann. Seine Rechtsschutzmöglichkeiten bei fehlender oder nicht rechtzeitiger Aktualisierung des EGVA sind erschwert (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O., RN 32). Er müsste zunächst einen Änderungsantrag nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) bei der Behörde stellen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dies vom Gesetzgeber mit der Neuregelung beabsichtigt war.

36

Unabhängig davon ist im angegriffenen EGVA die vom Gesetzgeber vorgegebene Überprüfungs- und Fortschreibungspflicht von spätestens sechs Monaten (§ 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II) nicht einmal genannt. Der Antragsgegner hat lediglich allgemein ausgeführt (unter 9.), die Inhalte des Bescheides würden regelmäßig überprüft und ggf. mit einem neuen EGVA fortgeschrieben. Eine konkrete Frist ist nicht festgelegt worden.

37

Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine PKH-Bewilligung liegen vor. Der Antragsteller bezieht weiterhin ergänzende SGB II-Leistungen. Es gibt keinen Anhalt für das Vorhandensein von einzusetzendem Vermögen.

38

Die Kosten des PKH-Beschwerdeverfahrens sind nach § 202 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

39

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).


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1.
die übrigen Leistungen der Beratung und Vermittlung nach dem Ersten Abschnitt mit Ausnahme der Leistung nach § 31a,
2.
Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach dem Zweiten Abschnitt,
3.
Leistungen zur Berufsausbildung nach dem Vierten Unterabschnitt des Dritten Abschnitts und Leistungen nach § 54a Absatz 1 bis 5,
4.
Leistungen zur beruflichen Weiterbildung nach dem Vierten Abschnitt, mit Ausnahme von Leistungen nach § 82 Absatz 6, und Leistungen nach den §§ 131a und 131b,
5.
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Für Eingliederungsleistungen an erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit Behinderungen nach diesem Buch gelten entsprechend
1.
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2.
§ 117 Absatz 1 und § 118 Nummer 3 des Dritten Buches für die besonderen Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung,
3.
die §§ 127 und 128 des Dritten Buches für die besonderen Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung.
§ 1 Absatz 2 Nummer 4 sowie § 36 und § 81 Absatz 2 und 3 des Dritten Buches sind entsprechend anzuwenden.

(2) Soweit dieses Buch nichts Abweichendes regelt, gelten für die Leistungen nach Absatz 1 die Regelungen des Dritten Buches mit Ausnahme der Verordnungsermächtigung nach § 47 des Dritten Buches sowie der Anordnungsermächtigungen für die Bundesagentur und mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Arbeitslosengeldes das Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 tritt. § 44 Absatz 3 Satz 3 des Dritten Buches gilt mit der Maßgabe, dass die Förderung aus dem Vermittlungsbudget auch die anderen Leistungen nach dem Zweiten Buch nicht aufstocken, ersetzen oder umgehen darf. Für die Teilnahme erwerbsfähiger Leistungsberechtigter an einer Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses werden Leistungen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 in Verbindung mit § 82 des Dritten Buches nicht gewährt, wenn die betreffende Maßnahme auf ein nach § 2 Absatz 1 des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes förderfähiges Fortbildungsziel vorbereitet.

(3) Abweichend von § 44 Absatz 1 Satz 1 des Dritten Buches können Leistungen auch für die Anbahnung und Aufnahme einer schulischen Berufsausbildung erbracht werden.

(3a) Abweichend von § 81 Absatz 4 des Dritten Buches kann die Agentur für Arbeit unter Anwendung des Vergaberechts Träger mit der Durchführung von Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung beauftragen, wenn die Maßnahme den Anforderungen des § 180 des Dritten Buches entspricht und

1.
eine dem Bildungsziel entsprechende Maßnahme örtlich nicht verfügbar ist oder
2.
die Eignung und persönlichen Verhältnisse der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten dies erfordern.
§ 176 Absatz 2 des Dritten Buches findet keine Anwendung.

(3b) Abweichend von § 87a Absatz 2 des Dritten Buches erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte auch im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses ein Weiterbildungsgeld, sofern sie die sonstigen Voraussetzungen nach § 87a Absatz 1 des Dritten Buches erfüllen.

(4) Die Agentur für Arbeit als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende kann die Ausbildungsvermittlung durch die für die Arbeitsförderung zuständigen Stellen der Bundesagentur wahrnehmen lassen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Höhe, Möglichkeiten der Pauschalierung und den Zeitpunkt der Fälligkeit der Erstattung von Aufwendungen bei der Ausführung des Auftrags nach Satz 1 festzulegen.

(5) (weggefallen)

(1) Ausbildungsuchende, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitsuchende und Arbeitslose können aus dem Vermittlungsbudget der Agentur für Arbeit bei der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden, wenn dies für die berufliche Eingliederung notwendig ist. Sie sollen insbesondere bei der Erreichung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eingliederungsziele unterstützt werden. Die Förderung umfasst die Übernahme der angemessenen Kosten, soweit der Arbeitgeber gleichartige Leistungen nicht oder voraussichtlich nicht erbringen wird.

(2) Nach Absatz 1 kann auch die Anbahnung oder die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz gefördert werden.

(3) Die Agentur für Arbeit entscheidet über den Umfang der zu erbringenden Leistungen; sie kann Pauschalen festlegen. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind ausgeschlossen. Die Förderung aus dem Vermittlungsbudget darf die anderen Leistungen nach diesem Buch nicht aufstocken, ersetzen oder umgehen.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend für die in § 39a genannten Personen.

Keine aufschiebende Wirkung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt,

1.
der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, entzieht, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt,
2.
mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird oder
3.
mit dem nach § 59 in Verbindung mit § 309 des Dritten Buches zur persönlichen Meldung bei der Agentur für Arbeit aufgefordert wird.

(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen

1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte,
2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn
a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint,
b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder
c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193,
4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:

1.
a)
die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;
b)
bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
2.
a)
für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
b)
bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
3.
die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen;
4.
Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch;
5.
weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
Maßgeblich sind die Beträge, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten. Soweit am Wohnsitz der Partei aufgrund einer Neufestsetzung oder Fortschreibung nach § 29 Absatz 2 bis 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch höhere Regelsätze gelten, sind diese heranzuziehen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gibt bei jeder Neufestsetzung oder jeder Fortschreibung die maßgebenden Beträge nach Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 und nach Satz 5 im Bundesgesetzblatt bekannt. Diese Beträge sind, soweit sie nicht volle Euro ergeben, bis zu 0,49 Euro abzurunden und von 0,50 Euro an aufzurunden. Die Unterhaltsfreibeträge nach Satz 3 Nr. 2 vermindern sich um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person. Wird eine Geldrente gezahlt, so ist sie an Stelle des Freibetrages abzusetzen, soweit dies angemessen ist.

(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.

(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.

Keine aufschiebende Wirkung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt,

1.
der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, entzieht, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt,
2.
mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird oder
3.
mit dem nach § 59 in Verbindung mit § 309 des Dritten Buches zur persönlichen Meldung bei der Agentur für Arbeit aufgefordert wird.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Juli 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 30. Juli 2009 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 19. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids 26. März 2008 rechtswidrig war.

Der Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Verfahrens für alle Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Verwaltungsakt, mit dem der Beklagte im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) eine Eingliederungsvereinbarung ersetzt hat (im Folgenden: Eingliederungsverwaltungsakt).

2

Der 1964 geborene Kläger erhält seit Juli 2006 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Unter dem 11.2.2008 legte der Beklagte dem Kläger eine vorformulierte Eingliederungsvereinbarung vor, die bis zum 11.8.2008 gültig sein sollte. Nachdem der Kläger sich geweigert hatte, diese Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben, ersetzte der Beklagte sie durch einen Verwaltungsakt vom 19.2.2008. Hierin wurde als Geltungsdauer die Zeit vom 19.2.2008 bis zum 31.12.2008 festgelegt, soweit zwischendurch nichts anderes vereinbart werde. Als Leistungen zur Eingliederung in Arbeit wurden vom Beklagten ua zugesagt: die Unterstützung bei der Arbeitsuche/-aufnahme durch Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen, durch finanzielle Leistungen wie zB Bewerbungskosten, Leistungen zur Aufnahme einer Arbeit, zB Mobilitätshilfen, sowie öffentlich geförderte Beschäftigung und evtl ein Angebot einer außerbetrieblichen Trainingsmaßnahme.

3

Als Verpflichtung, die der Kläger im Rahmen der Eingliederungsbemühungen zu erfüllen und entsprechend zu dokumentieren habe, wurde die intensive und initiative Bewerbung auch während einer Arbeitsgelegenheit oder einer Trainingsmaßnahme auferlegt; der Kläger sollte seine Bewerbungsbemühungen auf den gesamten Helferbereich ausdehnen. Der Kläger wurde verpflichtet, eine angebotene Arbeitsgelegenheit anzutreten bzw eine außerbetriebliche Trainingsmaßnahme anzunehmen. Er dürfe außerdem während der Arbeitsgelegenheit oder der Trainingsmaßnahme keinerlei Anlässe dafür bieten, dass aufgrund seines Verhaltens oder seiner Arbeitsweise die Maßnahme abgebrochen werden müsse. Der Kläger sollte außerdem angebotene Unterstützungen der Fachdienste (psychologischer Dienst/ärztlicher Dienst) annehmen, ebenso wie weitere individuelle Unterstützung wie Förderung beruflicher Weiterbildung/Schuldnerberatung/Suchtberatung/psychosoziale Betreuung. Er wurde verpflichtet, alle Termine wahrzunehmen und bei Arbeitsunfähigkeit eine entsprechende Bescheinigung vorzulegen. Dem Bescheid war eine Rechtsfolgenbelehrung bezüglich Grundpflichten, Meldepflicht und "Gemeinsamen Vorschriften" beigefügt.

4

Gegen diesen Eingliederungsverwaltungsakt legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, der Beklagte habe es versäumt, Ermessenserwägungen darzulegen. Mit Datum vom 18.3.2008 verfasste der Beklagte erneut eine vorformulierte Eingliederungsvereinbarung. Bei einer persönlichen Vorsprache am 20.3.2008 lehnte es der Kläger ab, die Eingliederungsvereinbarung zu unterzeichnen; die Unterschrift wurde auch in der Folgezeit nicht nachgeholt. Im Rahmen der Vorsprache bot der Beklagte dem Kläger eine betriebliche Trainingsmaßnahme als Mitarbeiter in einem landwirtschaftlichen Betrieb an, diese Maßnahme lehnte der Kläger ebenfalls ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.3.2008 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Eingliederungsverwaltungsakt zurück und machte geltend, Ermessenserwägungen seien nicht darzulegen. Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben.

5

Mit Bescheid vom 25.4.2008 senkte der Beklagte für die Zeit vom 1.5. bis 31.7.2008 die Leistungen nach dem SGB II um 30 vH der maßgeblichen Regelleistung ab und hob den (Bewilligungs-)Änderungsbescheid vom 4.2.2008 in Höhe von 104 Euro monatlich für den genannten Zeitraum auf, weil der Kläger seine Pflichten aus "der Eingliederungsvereinbarung vom 20.3.2008" verletzt habe, da er an einer angebotenen Trainingsmaßnahme nicht teilgenommen habe. Der gegen den Bescheid vom 25.4.2008 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.5.2008 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage hat das SG abgewiesen; die Nichtzulassungsbeschwerde ist noch beim Landessozialgericht (LSG) anhängig. Mit erneutem Bescheid vom 30.6.2008 hat der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.7. bis 31.12.2008 in Höhe von 588,45 Euro bewilligt.

6

Das SG hat die gegen den Eingliederungsverwaltungsakt gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen (Urteil vom 30.7.2009). Das LSG hat die hiergegen eingelegte Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 14.7.2010). Entgegen der Auffassung des SG sei die Klage zwar nicht unzulässig, insbesondere habe sich der Bescheid vom 19.2.2008 nicht durch Abschluss einer nachfolgenden Eingliederungsvereinbarung erledigt. Der Bescheid vom 25.4.2008, mit dem die bewilligten Leistungen abgesenkt worden seien, zeige auch, dass der Verwaltungsakt seine regelnde Wirkung noch nicht verloren habe. Die Klage sei allerdings nicht begründet, denn der angefochtene Bescheid enthalte alle von Gesetzes wegen vorgeschriebenen Elemente. Soweit der Kläger eine unzureichende Ermessensausübung rüge, sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei § 15 Abs 1 SGB II um eine reine Verfahrensvorschrift handele. Der Grundsicherungsträger treffe insoweit eine nicht justitiable Opportunitätsentscheidung darüber, welchen Verfahrensweg er zur Erfüllung des Ziels der Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wähle. Dass der angefochtene Bescheid nicht im Einzelnen darauf eingehe, was den Beklagten zu den vom Kläger beanstandeten Regelungen bewogen habe, sei unschädlich. Die Begründungsanforderungen richteten sich nach den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls. Es reiche aus, dass dem Kläger hier der dem angefochtenen Verwaltungsakt faktisch zugrunde liegende Entwurf einer Eingliederungsvereinbarung vom 11.2.2008 persönlich ausgehändigt worden und dieser mit ihm besprochen worden sei. Dies führe dazu, dass der Kläger seine Rechte sachgemäß wahrnehmen könne. Im Übrigen würden in dem Bescheid Intensität und Quantität der geforderten Eigenbemühungen festgelegt und auch der sachliche Umfang der Bewerbungsbemühungen eingegrenzt ("gesamter Helferbereich"). Da zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses die weitere Entwicklung für den zu regelnden Zeitraum nicht in allen Einzelheiten überblickt werden könne, sei es regelmäßig ausreichend, die Fördermaßnahmen zunächst allgemeiner zu formulieren.

7

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, der die Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt sei aus verschiedenen Gründen rechtswidrig. Zunächst sei eine umfassende und gründliche Potentialanalyse zu erstellen, was nicht geschehen sei. Der Verwaltungsakt sei auch allein schon deshalb rechtswidrig, weil er für eine Dauer von erheblich mehr als sechs Monate habe gelten sollen, ohne dass hierfür eine Begründung gegeben worden sei. Außerdem sei die Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt rechtswidrig, weil aus diesem nicht ersichtlich sei, welche Eingliederungsleistungen des Trägers konkret angeboten würden, die ihm auferlegten Verpflichtungen seien so unbestimmt, dass er nicht erkennen könne, welche Verpflichtungen ihn tatsächlich träfen. Im Übrigen müssten, soweit Ermessensleistungen bewilligt würden, in dem Bescheid auch Ermessenserwägungen enthalten sein.

8

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Juli 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 30. Juli 2009 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid vom 19. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 26. März 2008 rechtswidrig war.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Er hält die Klage bereits für unzulässig, da der angefochtene, eine Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt seine Wirkung durch Zeitablauf verloren habe. Im Übrigen sei die festgesetzte Sanktion ausweislich eines Schreibens vom 19.1.2010 an das SG wieder aufgehoben worden. Er erkläre zudem verbindlich, dass auch keine weiteren Rechtsfolgen, wie etwa eine Rückforderung bereits ausgezahlter Sanktionsbeträge mehr in Betracht komme. Nachdem somit eine Beschwer des Klägers nicht mehr vorliege, sei die Revision unzulässig.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist begründet. Der eine Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt vom 19.2.2008 war rechtswidrig, weil der Beklagte entgegen der gesetzlichen Vorgabe in § 15 Abs 1 Satz 6 iVm Satz 3 SGB II ohne Ermessenserwägungen eine Geltungsdauer von zehn Monaten angeordnet hat.

12

1. Die Zulässigkeit der Revision begegnet keinen Bedenken. Insbesondere die Umstellung des Klageantrags auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch im Revisionsverfahren zulässig; § 168 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) steht dem nicht entgegen(vgl BSGE 99, 145, 146 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4; s auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 131 RdNr 8a und Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 168 RdNr 2b; Lüdtke in Lüdtke, SGG, 4. Aufl 2012, § 168 RdNr 4, jeweils mwN).

13

Der Kläger hat sich ursprünglich zutreffend mit der Anfechtungsklage gegen den die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt vom 19.2.2008 gewandt. Die mit der Anfechtungsklage angestrebte Aufhebung dieses Verwaltungsaktes war ua erforderlich, um mögliche Sanktionen abzuwehren. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Bescheid vom 19.2.2008 nicht, wie das SG angenommen hat, nach § 39 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) durch den Abschluss einer nachfolgenden Eingliederungsvereinbarung erledigt hatte. Die vom SG angenommene nachfolgende Eingliederungsvereinbarung vom "20.3." (tatsächlich datierte sie vom 18.3.2008) ist nicht zustande gekommen. Aufgrund der Erklärungen des Beklagten im Revisionsverfahren steht jedoch fest, dass der angefochtene Bescheid keine Regelungswirkung mehr entfaltet und eine Anfechtungsklage daher nicht mehr in Betracht kam.

14

Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Es ist mit Wirkung vom 1.1.2011 als Rechtsnachfolger kraft Gesetzes an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten (vgl dazu im Einzelnen ua Bundessozialgericht Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 5). Dieser Beteiligtenwechsel stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar, das Passivrubrum war daher von Amts wegen zu berichtigen.

15

2. Die zulässige Revision des Klägers ist auch begründet. Der die Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt vom 19.2.2008 war rechtswidrig.

16

a) Die vom Kläger im Revisionsverfahren aufrecht erhaltene Fortsetzungsfeststellungsklage ist nach § 131 Abs 1 Satz 3 SGG hier die richtige Klageart. Nach dieser Vorschrift kann mit der Klage die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines zurückgenommenen oder auf andere Weise erledigten Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann unter dem Gesichtspunkt der Präjudizialität und der Wiederholungsgefahr bestehen. Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 7 mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 131 RdNr 10 bis 10 f; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IV, RdNr 102). Die Wiederholungsgefahr ist vorliegend zu bejahen, denn der Verlauf des Verfahrens zeigt, dass der Beklagte wiederholt versucht hat, den Kläger in Eingliederungsmaßnahmen einzubeziehen. Es besteht daher eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit, dass auch in der nachfolgenden Zeit weitere Maßnahmen zu erwarten sind.

17

b) Der Beklagte hat über Leistungen zur Eingliederung in Arbeit gegenüber dem Kläger zu Recht durch Verwaltungsakt entschieden. Zwar legt § 15 Abs 1 Satz 1 SGB II zunächst fest, die Agentur für Arbeit solle im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren. § 15 Abs 1 Satz 6 SGB II bestimmt dann jedoch: Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die in Satz 2 aufgeführten Regelungen einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt erfolgen. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, denn der Kläger hat nach den tatrichterlichen Feststellungen den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung ohne Begründung abgelehnt. In einem solchen Fall steht dem Grundsicherungsträger nur die Handlungsform Verwaltungsakt zur Verfügung (Müller in Hauck/Noftz, SGB II, Stand VII/12, K § 15 RdNr 24 f).

18

Der Gesetzeswortlaut legt damit für die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit einen Vorrang der konsensualen Lösung gegenüber dem hoheitlichen Handeln durch Verwaltungsakt nahe (so insbes Huckenbeck in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl 2011, § 15 RdNr 10; Müller, aaO, § 15 RdNr 13; Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 15 RdNr 24). Hierfür spricht auch die Entstehungsgeschichte des SGB II. Der Gesetzentwurf zum SGB II betont mehrfach den besonderen Stellenwert, den man der aktiven Mitarbeit des Leistungsberechtigten bei der gemeinsamen Ausarbeitung einer Eingliederungsvereinbarung beimisst (BT-Drucks 15/1516, S 44, 46). Der Gesetzgeber versprach sich hiervon offensichtlich eine Steigerung der Motivation des Betroffenen, an der Eingliederung in den Arbeitsmarkt aktiv mitzuwirken. Dieses gesetzgeberische Anliegen ist auch nicht deshalb vernachlässigenswert, weil die Durchsetzung der Ansprüche auf Eingliederungsleistungen nicht davon abhängt, ob diese in einer Eingliederungsvereinbarung oder einem ersetzenden Verwaltungsakt festgelegt worden sind und zudem der jeweilige Sachbearbeiter des Jobcenters womöglich am besten beurteilen kann, welcher Weg am ehesten einen raschen Eingliederungserfolg verspricht (so aber BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 13/09 R - BSGE 104, 185, 188 = SozR 4-4200 § 15 Nr 1, RdNr 17). Zum einen stellt das Anliegen, auf der Basis konsensualer Lösungsversuche langfristig größere Eingliederungserfolge erreichen zu wollen, ein legitimes gesetzgeberisches Ziel dar; zum anderen ist im Schrifttum zutreffend deutlich gemacht worden, dass die Leistungsangebote des Grundsicherungsträgers wie auch die Selbstverpflichtungen des Grundsicherungsempfängers - in den Grenzen des § 58 SGB X - vertraglich deutlich weitergehend ausgestaltet werden können, als dies bei einer Entscheidung durch Verwaltungsakt möglich ist(Siefert, SGb 2010, 612, 616).

19

Eine Gleichrangigkeit der Handlungsformen Vereinbarung und Verwaltungsakt kann schließlich auch nicht daraus abgeleitet werden, dass im Gesetzgebungsverfahren zwar die Notwendigkeit einer Einbeziehung des Arbeitsuchenden sprachlich stärker betont worden sei, dass letztlich jedoch die fehlende Parität zwischen Grundsicherungsträger und Arbeitsuchendem im Ergebnis nicht korrigiert worden sei, die Eingliederungsvereinbarung bilde vor allem eine Grundlage für Sanktionen bei Nichterfüllung von Pflichten durch den Arbeitsuchenden und liege damit eher im Interesse des Grundsicherungsträgers (BSGE 104, 185, 188 = SozR 4-4200 § 15 Nr 1). Zum einen gibt es zahlreiche Lebensbereiche, in denen trotz vergleichbar asymmetrischer Verhandlungspositionen die Akzeptanz vertraglicher Regelungen nicht in Zweifel gezogen wird (Siefert, SGb 2010, 612, 615); zum anderen muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber das konsensuale Vorgehen gerade als Konfliktvermeidungsstrategie gesehen hat (Müller in Hauck/Noftz, SGB II, Stand VII/12, K § 15 RdNr 15). Wortlaut, Entstehungsgeschichte (hierzu speziell: Müller, aaO, RdNr 17) und Sinn und Zweck des § 15 Abs 1 SGB II sprechen nach allem eher dafür, dass ein die Eingliederungsvereinbarung ersetzender Verwaltungsakt nur in Betracht kommt, wenn der Grundsicherungsträger zuvor den Versuch unternommen hat, mit dem Arbeitsuchenden eine Vereinbarung zu schließen oder im Einzelfall besondere Gründe vorliegen, die den Abschluss einer Vereinbarung als nicht sachgerecht erscheinen lassen, was im ersetzenden Verwaltungsakt im Einzelnen darzulegen wäre(Huckenbeck, aaO, § 15 RdNr 11).

20

Die Rechtswidrigkeit des ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakts, mit dem der Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung ersetzt hat, ergibt sich hier aus der Tatsache, dass der Beklagte entgegen der gesetzlichen Vorgabe ohne Ermessenserwägungen eine Geltungsdauer von zehn Monaten angeordnet hat. Zwar verweist Satz 6 des § 15 Abs 1 SGB II wegen des eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts allein auf "die Regelungen nach Satz 2". Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass der Grundsicherungsträger die Geltungsdauer eines ersetzenden Verwaltungsakts ohne Bindung an die Vorgabe des Satzes 3 nach freiem Ermessen festlegen können sollte. Nach § 15 Abs 1 Satz 3 SGB II soll die Eingliederungsvereinbarung für sechs Monate geschlossen werden. Aufgrund des Verhältnisses der Regelungen in Satz 1 und 2 des § 15 Abs 1 SGB II zu Satz 6 dieser Vorschrift gilt dies auch für den die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt.

21

Bei der Entscheidung über die Geltungsdauer ist das Ermessen des Grundsicherungsträgers danach gebunden. Für den Regelfall sieht der Gesetzgeber sechs Monate als angemessen an. Die sechsmonatige Regellaufzeit entspricht dem Bewilligungszeitraum für Leistungen nach dem SGB II gemäß § 41 Abs 1 Satz 2 SGB II. Bis zum 31.12.2006 galt als Übergangsregelung zur Entlastung der Verwaltung noch eine Laufzeit von bis zu zwölf Monaten (vgl dazu Fuchsloch in Gagel, SGB II, Stand Juni 2006, § 15 RdNr 73). Die nunmehr geltende kürzere Frist von sechs Monaten gibt dem Hilfebedürftigen einerseits einen stabilen, verlässlichen Rahmen, garantiert aber andererseits durch kontinuierliche Beobachtung, dass nicht an Zielen starr festgehalten wird, die sich als erfolglos erwiesen haben (vgl Fuchsloch, aaO; Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl 2011, § 15 RdNr 36 f). Deshalb "soll" nach Satz 4 des § 15 Abs 1 SGB II nach Ablauf von sechs Monaten eine neue Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen werden.

22

c) Eine Anfrage beim 4. Senat des BSG nach § 41 Abs 3 Satz 1 SGG war nicht geboten. Eine Anfrage kommt danach nur in Betracht, wenn der erkennende Senat mit einem in der zu treffenden Entscheidung beabsichtigten Rechtssatz von einem in einem früheren Urteil enthaltenen tragenden Rechtssatz eines anderen Senats abweichen will (BSGE 58, 183, 186 f = SozR 1500 § 42 Nr 10; vgl May, Die Revision, 2. Aufl 1997, Kap V E, RdNr 133, 136). Es ist nicht erkennbar, dass es für das Urteil vom 22.9.2009 (BSGE 104, 185 = SozR 4-4200 § 15 Nr 1), in dem allein über den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung zu entscheiden war, auf die dort geäußerte Rechtsauffassung ankam, die Handlungsformen Vereinbarung und Verwaltungsakt seien bei der Gewährung von Leistungen zur Eingliederung in Arbeit gleichrangig (so auch Siefert, SGb 2010, 612, 615).

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.