Landessozialgericht NRW Urteil, 18. Aug. 2016 - L 5 KR 490/16
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 18.12.2014 teilweise abgeändert. Der Bescheid vom 10.8.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.4.2012 wird geändert und die Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 11.4.2008 und vom 9.4.2009 insoweit zurückzunehmen, als sie darin für die Jahre 2007 und 2008 Künstlersozialabgabe für die an nicht-prominente Mitwirkende des Formats "Unter Volldampf" gezahlten Honorare in Höhe von 16.157,26 Euro festgesetzt hat. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Kosten des Klageverfahrens trägt die Beklagte zu 5/100. Die Revision wird zugelassen.
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Tatbestand:
2Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), ob die Klägerin für die Jahre 2007 - 2008 für das Fernsehformat "Unter Volldampf" hinsichtlich der für die nicht-prominenten Mitwirkenden gezahlten Honorare i.H.v. 16.157,26 Euro der Abgabepflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) unterliegt.
3Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der H. Produktion für Film und Fernsehen GmbH. Diese produzierte in den Jahren 2007 bis 2008 vier Staffeln des Sendeformats "Unter Volldampf". Im Jahr 2009 wurde das Format eingestellt.
4Anhand der Formatbeschreibung (Stand 17.8.2009), den Spielregeln "Unter Volldampf" (Anlage 1 des Mitwirkendenvertrags, Stand 6.9.2009) und dem Inhalt der von der Klägerin zur Verfügung gestellten DVDs ist die Sendung wie folgt konzipiert: Fünf nicht-prominente Mitwirkende, die entweder hobbykochende TV-Neulinge oder ehemalige Köche des Sendeformats "Das perfekte Dinner" sind, treten in einer professionellen Restaurantküche in einen Kochwettbewerb. Nach der Teilnahme an einer Staffel ist eine Mitwirkung an einer weiteren Staffel ausgeschlossen. Vorab teilt jeder der fünf Kandidaten der Produktion die Rezepte für ein selbstkreiertes 4-Gänge-Menü schriftlich mit. Die Produktion ist berechtigt, Änderungen vorzunehmen. Jeder der nicht-prominenten Mitwirkenden darf sein (eventuell leicht abgeändertes) Menü einmal zur Probe kochen und anrichten. Sodann wird der Wettbewerb an den fünf Drehtagen des Formats (Sendezeit 5 x 25 Minuten) ausgetragen. Dazu treffen sich die fünf Kandidaten in dem ausgewählten Restaurant mit dem Restaurantchefkoch und dem Restaurantleiter. In der Sendung werden auf dem Weg der Kandidaten zum Restaurant und während des Kochens in kleinen Sequenzen Aussagen der Kandidaten, des Chefkochs und des Restaurantleiters eingeblendet, in denen deren Meinungen, Erwartungen und Ziele präsentiert werden. Dabei wird als Hintergrund entweder das Restaurant oder die private Küche des Kandidaten gezeigt und Informationen (z.B. Name, Alter und Beruf des Kandidaten) eingeblendet. Das Restaurant wird von dem Sender für die Drehtage angemietet. In dem dafür gezahlten Preis von 6.000 - 8.000,- Euro sind Miete, Umsatzausfall und das Salär für den Restaurantleiter und den Chefkoch einkalkuliert. Das Restaurant erhält weitere 600,- Euro pro Drehtag, um die für die Menüs erforderlichen Zutaten zu beschaffen. Neben den bereitgestellten Zutaten sind die nicht-prominenten Mitwirkenden berechtigt, nach Absprache eigene, zusätzliche Zutaten und Utensilien mitbringen. An jedem der fünf Drehtage ist jeweils im Wechsel ein Kandidat für den Service (Eindecken der Tische, Begrüßung der Gäste, Servieren) verantwortlich. Die anderen Vier kochen ein 4-Gänge-Menü für 20 geladene Stammgäste, den Chefkoch und den Restaurantleiter. Dabei muss jeder Kandidat an vier Drehtagen jeweils einen seiner selbstkreierten Gänge kochen, sodass an jedem Tag ein vollständiges Menü serviert werden kann und zugleich jeder Kandidat jeden seiner Gänge an einem Tag der vier Tage kochen muss. Der Chefkoch ist während des Kochens in der Küche und gibt den einzelnen Kandidaten in einer launig bis nassforschen Art und Weise Tipps, Anregungen und Kritik. Der Restaurantleiter hat im Gastraum dieselbe Aufgabe. Beide sind den Kandidaten gegenüber weisungsbefugt. Jeder Kandidat wird in der Sendung während des Kochvorgangs und in Interaktion mit den anderen Kandidaten und dem Chefkoch und dem Restaurantleiter gezeigt. Nachdem die 20 Stammgäste von dem Kandidaten, der für den Service verantwortlich ist, platziert und mit Getränken versorgt wurden, werden die Gänge nacheinander serviert. Die 20 Stammgäste bewerten die einzelnen Gänge anhand eines Punktesystems. Die Ergebnisse werden nach jedem Gang für die Zuschauer transparent bekannt gegeben, nur die Kandidaten erfahren erst nach dem Dessert, wer Tagessieger ist. Der Tagessieger erhält jeweils eine Flasche Sekt. Am Ende des fünften Drehtags wird anhand der Tagessiege ein Gesamtsieger ermittelt, der einen Geldgewinn in Höhe von 2.000,- (später: 3.000,-) Euro erhält. Bei Gleichstand wird der Gewinn durch die Anzahl der Gewinner geteilt.
5Mit den nicht-prominenten Mitwirkenden schloss die H. Produktion für Film und Fernsehen GmbH Mitwirkendenverträge, die die Klägerin beispielhaft (Stand 3.7.2009) zu den Akten gereicht hat. Darin verpflichtet sich der Mitwirkendende in § 1.1, als Kandidat nach Maßgabe der als Anl. 1 beigefügten Spielregeln an der Produktion teilzunehmen und das zugrundeliegende Konzept, den Ablauf und die einzelnen Spielfolgen und Blöcke zu kennen und zu akzeptieren. Im Gegenzug hierfür erhält er nach § 3 eine Vergütung in Höhe von 1.000 Euro, die alle ihm im Rahmen der Mitwirkung entstehenden Kosten (z.B. Fahrtkosten, Spesen etc.) abdeckt. Bei dem Format "Promis unter Volldampf", bei dem die fünf Kandidaten aus prominenten Hobbyköchen bestanden, zahlte die H. Produktion für Film und Fernsehen GmbH pro prominentem Kandidaten eine Vergütung in Höhe von 6.000 - 8.000,- Euro.
6Die Beklagte setzte anhand der Entgeltmeldungen der H. Produktion für Film und Fernsehen GmbH für alle von ihr produzierten Formate Künstlersozialabgabe (KSA) für die Jahre 2005-2007 mit Bescheid vom 11.4.2008 auf insgesamt 588.673,21 Euro und mit Bescheid vom 9.4.2009 u.a. für das Jahr 2008 auf insgesamt 322.554,46 Euro fest. Die H. Produktion für Film und Fernsehen GmbH zahlte die festgesetzte KSA ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Auf das Format "Unter Volldampf" entfiel dabei in den Jahren 2007-2008 für die an nicht-prominente Mitwirkende gezahlte Vergütungen eine KSA i.H.v. 16.157,26 Euro.
7Die H. Produktion für Film und Fernsehen GmbH stellte am 27.8.2009 hinsichtlich der Bescheide vom 11.4.2008 und 9.4.2009 einen Antrag nach § 44 SGB X. Mit Schreiben vom 5.10.2009 teilte die Beklagte mit, zunächst den Ausgang des vor dem Bundessozialgericht (BSG) anhängigen Verfahrens B 3 KS 4/08 R abwarten zu wollen. Eine verbindliche Entscheidung werde man anschließend treffen.
8Mit Schreiben vom 22.3.2011 bat die H. Produktion für Film und Fernsehen GmbH die Beklagte um Überprüfung der Abgabepflicht nach dem KSVG für die Jahre 2006 -2009 und übersandte für diese Jahre ihrer Ansicht nach zutreffende Korrekturmeldungen, in denen sie u.a. die nicht-prominenten Mitwirkenden bei einigen Sendeformaten heraus gerechnet hatte.
9Mit Bescheid vom 10.08.2011 lehnte die Beklagte die Aufhebung der Bescheide vom 11.04.2008 und 9.4.2009 nach § 44 SGB X und die begehrte Neufestsetzung anhand der Korrekturmeldungen ab. Zu dem Unterhaltungsformat "Unter Volldampf" führte sie aus, die Leistungen der nicht-prominenten Mitwirkenden trügen im weitesten Sinne zum Unterhaltungscharakter der Sendung bei, da diese zentrale Figuren des Formats seien und durch ihre Interaktion untereinander sowie ihre medienwirksame Selbstdarstellung Unterhaltungswert böten. Den Widerspruch der H. Produktion für Film und Fernsehen GmbH wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.4.2012 hinsichtlich der Sendeformate "Unter Volldampf", "Let`s Dance", "Ich bin ein Star! Holt mich hier raus!", "Kocharena/Kocharena-Das Promi-Special" und "Das perfekte Dinner/Das perfekte Promi-Dinner" als unbegründet zurück.
10Die die Festsetzung der KSA für die Jahre 2009 und 2010 betreffenden Widerspruchsverfahren ruhen im Blick auf die anhängigen gerichtlichen Verfahren. Mit Bescheid vom 19.03.2012 erhöhte die Beklagte gem. § 27 Abs. 1a KSVG die Honorarsumme für 2007 von 4.944.719,- auf 5.002.960,- EUR und nahm den Abrechnungsbescheid vom 11.4.2008 insoweit zurück.
11Mit ihrer gegen den Widerspruchsbescheid vom 20.4.2012 am 22.5.2012 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte habe in den Jahren 2006 bis 2008 für acht ihrer Formate (darin enthalten auch die fünf im Widerspruchsbescheid vom 20.4.2012 benannten) zu Unrecht KSA vereinnahmt. Die Tätigkeit der nicht-prominenten Mitwirkenden im Format "Unter Volldampf" beschränke sich auf das Zubereiten von Speisen in einer Wettbewerbssituation. Es sei rechtswidrig, alle Teilnehmer eines dem Factural Entertainment zuzurechnenden Sendeformats automatisch und ohne Einzelfallprüfung dem Anwendungsbereich des KSVG zu unterwerfen. Denn das BSG habe in seinem Urteil vom 18.08.1997 (3 RK 13/96) ausgeführt, dass die eigenschöpferische Leistung im Einzelfall festzustellen sei und Praktikabilitätserwägungen der Beklagten hinsichtlich der Abgabenerhebung nicht entscheidend seien, da die zu treffende Unterscheidung keine unzumutbaren Schwierigkeiten beinhalte. Dies verdeutliche, dass insbesondere bei einmalig auftretenden Laien keine Abgabepflicht bestehe, wenn nicht ausnahmsweise eine eindeutig künstlerische Leistung erbracht werde. In seiner Entscheidung vom 1.10.2009 (B 3 KS 4/08 R), welche sich ausschließlich auf die prominenten Jurymitglieder der Casting-Show "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) bezogen habe, habe das BSG die Abgabepflicht damit begründet, dass die Jurymitglieder selbstständige Künstler oder Publizisten seien und die durch sie erbrachte Leistung als künstlerische anzuerkennen sei, da sie vertraglich zur eigenständigen Textgestaltung berechtigt und verpflichtet gewesen seien und ihre eigenschöpferischen Statements für den auf die Zielgruppe zugeschnittenen Unterhaltungswert gesorgt hätten. Das "Kochen" der nicht-prominenten Mitwirkenden im Sendeformat "Unter Volldampf" sei nicht mit einer im Künstlerbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 1975 oder im Künstlerkatalog der Beklagten aufgeführten künstlerischen Tätigkeit vergleichbar. Das Kochen von Speisen in einer Wettbewerbssituation sei weder eigenschöpferisch, noch gestalterisch oder künstlerisch. Die über das Kochen oder Servieren hinausgehende Teilnahme der nicht-prominenten Mitwirkenden gehöre ebenfalls nicht dem Bereich der darstellenden Kunst an, da sich die Kommunikation um Alltagsthemen drehe.
12Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
13den Bescheid der Beklagten vom 10.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.04.2012 - zugestellt am 24.04.2012 - aufzuheben,
14die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag i.H.v. 296.971,82 EUR überzahlter Künstlersozialabgabe für die Jahre 2006, 2007 und 2008 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 30.04.2012 zu erstatten,
15hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag i.H.v. 296.971,82 EUR gezahlter Künstlersozialabgabe für die Jahre 2006, 2007 und 2008 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 30.04.2012 mit Zustimmung der Klägerin auf laufende Künstlersozialabgabe oder Vorauszahlungen zu verrechnen,
16hilfsweise,
17a) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr gegenüber einen Aufhebungsbescheid nach §§ 44 SGB X, 33 Abs. 1 KSVG bezüglich der bereits gezahlten Künstlersozialversicherung für die Jahre 2006, 2007 und 2008 in Höhe von insgesamt 296.971,82 EUR zu erlassen,
18b) festzustellen, dass die Beklagte ein Betrag in Höhe von insgesamt 296.971,82 EUR überzahlter Künstlersozialabgabe für die Jahre 2006, 2007 und 2008 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 30.04.2012 an sie zu erstatten hat.
19Die Beklagte hat beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Bescheid vom 19.03.2012 sei nach § 96 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Materiell-rechtlich hat sie auf die Ausführungen im Verwaltungsverfahren Bezug genommen. Factural Entertainment gehöre zur Unterhaltungskunst und zeichne sich durch die Darstellung und Inszenierung menschlicher Schicksale und einer Mischung aus Unterhaltung mit Informationen aus, die beim Zuschauer ein Konglomerat aus Befangenheit und Genuss erzeuge. Dazu gehörten nach der Rechtsprechung des BSG auch Gerichtsshows und das Reality-TV. Auf die Gestaltungshöhe komme es dabei ebenso wenig an wie auf die Frage, ob die Honorare für eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit gezahlt worden seien, oder ob die Mitwirkendenden prominent seien. Ausgenommen hiervon seien einzig und allein Entgelte an Mitwirkende, die -wie bei einer Talk-Show- nur einmal oder zufällig mitwirkten.
22Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.12.2014 abgewiesen. Da sich die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 10.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.4.2012 nur mit den Formaten "Let’s dance", "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!", "Das perfekte Dinner/Das perfekte Promi-Dinner", "Kocharena/ Kocharena - das Promi Special" und "Unter Volldampf" beschäftigt habe, seien nur diese Formate für die Beitragsjahre 2006-2008 Streitgegenstand. Der Bescheid vom 19.03.2012 sei nicht Gegenstand des Klageverfahrens, da sich § 96 SGG nur auf Bescheide beziehe, die nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen seien. Er sei auch nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsbescheids vom 20.04.2012 geworden, da er den Bescheid vom 10.08.2011 nicht abgeändert habe. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rücknahme der Bescheide vom 11.04.2008 und 9.2.2009, da diese rechtmäßig seien. Aus der Entscheidung des BSG vom 01.10.2009 ergebe sich im Umkehrschluss, dass alle Mitwirkenden eines Factural Entertainment Unterhaltungsformats der Unterhaltungskunst zuzuordnen seien. Das BSG habe zu dem Format "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" bereits explizit entschieden, dass es sich um Factural Entertainment handele und die an die Kandidaten geleisteten Honorare der Abgabepflicht unterlägen (BSG, Urteil vom 02.04.2014 - B 3 KS 3/12 -). Für die anderen streitigen Formate gelte nichts anderes.
23Das ihr am 9.1.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit ihrer am 9.2.2015 eingelegten Berufung (nur) hinsichtlich der für die nicht-prominenten Mitwirkenden für 2006-2008 für die Formate "Das perfekte Dinner", "Kocharena", "Unter Volldampf", "Let’s Dance" und "Dancing on Ice" gezahlten KSA i.H.v. 61.165,89 EUR angegriffen. Das SG habe nicht geprüft, ob die vom BSG in seiner Entscheidung vom 2.04.2014 getroffene Feststellung, dass die Teilnahme "mehr oder weniger prominenter Personen" eine künstlerische Leistung im Sinne des § 25 KSVG darstelle, auf die hier streitigen Einzelfälle übertragbar sei. Denn es sei gerade nicht so, dass das BSG grundsätzlich bei allen Teilnehmern eines dem Factural Entertainment zuzuordnen Formats von einer Abgabepflicht nach dem KSVG ausgehe. Bei "Unter Volldampf" genüge allein die Mitwirkung von "Menschen von der Straße" nicht zur Begründung einer künstlerischen Leistung aus, da das BSG die Annahme einer künstlerischen Leistung an die Voraussetzung geknüpft habe, dass es sich um eine Teilnahme als Akteur und Selbstdarsteller handele und eine mehr oder weniger prominente Person in einer für sie ungewohnten Situation auftrete. Bei den Menschen von der Straße handele es sich aber nicht um Akteure, die eigentlich einen künstlerischen Beruf ausübten. Es sei beliebig, dass Filmen jeglicher Alltagstätigkeit als künstlerische Leistung zu definieren. Die von der Beklagten beim Kochen ins Feld geführten Anforderungen wie Schnelligkeit, Nervenstärke oder Einfallsreichtum seien jedem, der Gäste geladen habe, bekannt. Deshalb werde aus dem Kochen aber keine Kunst und aus dem gekochten Essen kein Kunstgegenstand. Auch inszeniere man bei "Unter Volldampf" weder menschliche Schicksale noch schlachte man Lebensläufe dramatisch aus. Die Berichterstattung erstrecke sich ausschließlich auf den Wettbewerb und die Vorbereitung des Kochens. Im Unterschied zu den Gesangsdarbietungen bei DSDS könne man die Beiträge der Hobbyköche daher nicht als künstlerische Leistung qualifizieren.
24Die Klägerin beantragt,
25das Urteil des SG Köln vom 18.12.2014 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 10.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.04.2012 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, die Bescheide vom 11.4.2008 und 9.4.2009 insoweit zurückzunehmen, als sie darin für die Jahre 2007-2008 Künstlersozialabgabe für die an die nicht-prominenten Mitwirkenden des Formats "Unter Volldampf" gezahlten Honorare i.H.v. 16.157,26 EUR festgesetzt hat.
26Die Beklagte beantragt,
27die Berufung zurückzuweisen.
28Die Beklagte verweist auf das erstinstanzliche Urteil und betont, dass entscheidend sei, dass die nicht-prominenten Mitwirkenden ebenso wie die Profis untrennbarer Bestandteil des neuartigen Formats von Unterhaltungskunst seien. So werde das Format "Unter Volldampf" auch als "Kochsendung, Wettbewerb und Soap" beworben. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei der Begriff der Unterhaltungskunst weit zu fassen, ohne dass es dabei auf die Bekanntheit der Teilnehmer ankomme. Eine Ausnahme könne nur dann gelten, wenn eine Person nur einmalig mitwirke und sich nicht wochenlang auf ihren Auftritt vorbereite. Dies sei bei einer mehrtätigen Staffel nicht der Fall.
29Der Senat hat die im Berufungsverfahren noch streitigen vier Formate mit Beschluss vom 28.6.2016 getrennt. Neben dem hier streitigen Format "Unter Volldampf" wird das Verfahren betreffend des Formats "Das perfekte Dinner" unter dem Az.: L 5 KR 72/15, des Formats "Kocharena" unter dem Az.: L 5 KR 489/16 und des Formats "Let’s Dance/Dancing on Ice" unter dem Az.: L 5 KR 492/16 fortgeführt.
30Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten sowie die von der Klägerin zur Verfügung gestellten DVDs, deren Inhalt der gesamte Senat zur Kenntnis genommen hat, Bezug genommen.
31Entscheidungsgründe:
32Die Berufung ist zulässig und begründet.
33Streitgegenstand ist im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X nur noch, ob die Beklagte in den Bescheiden vom 11.4.2008 und 9.4.2009 zu Recht KSA für die an dem Format "Unter Volldampf" teilnehmenden nicht-prominenten Mitwirkenden für die Jahre 2007 bis 2008 festgesetzt hat. Die während des Rechtsstreits für das letzte Jahr des Formats (2009) ergangenen Abrechnungsbescheide sind nicht Streitgegenstand geworden, weil die Voraussetzungen des § 96 SGG bei während des Rechtsstreits erlassenen Abrechnungsbescheiden nach dem KSVG für spätere Zeiträume nicht erfüllt sind (BSG, Urteil vom 12.11.2003 -B 3 KR 10/03 R -, SozR 4-5425 § 24 Nr. 3, SozR 4-5425 § 2 Nr. 2, SozR 4-5425 § 25 Nr. 2 BSG SozR 3-5425 § 24 Nr. 17 sowie § 25 Nr. 11 und 13). Im Übrigen ist die KSA für das Jahr 2009 nach dem Berufungsantrag nicht (mehr) Streitgegenstand.
34Der Änderungsbescheid vom 19.3.2012, mit dem die Beklagte nach § 27 Abs. 1a KSVG die Honorarsumme für 2007 von 4.944.719,- auf 5.002.960,- EUR erhöht hat, ist ebenfalls nicht Gegenstand des Gerichtserfahrens geworden. Durch diesen Bescheid wurde zwar der Bescheid vom 11.4.2008, dessen Änderung die Klägerin nach § 44 SGB X im Sinne des § 96 Abs. 1 SGG begehrt, ersetzt, nicht jedoch der Bescheid vom 11.8.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.4.2012, mit dem der Überprüfungsantrag bezüglich der Bescheide vom 11.4.2008 und 9.4.2009 abgelehnt wurde. Hat die Behörde einen Antrag auf Rücknahme des Ausgangsverwaltungsaktes nach § 44 SGB X abgelehnt, so wird ein Verwaltungsakt, der den Ausgangsverwaltungsakt für spätere Zeiträume abändert oder ersetzt, nicht gemäß §§ 86 oder 96 SGG Gegenstand des Verfahrens, da sich bei der Entscheidung über die Rücknahme nach § 44 SGB X die Rechtswidrigkeit nach der damaligen Sach- und Rechtslage aus der Sicht im Zeitpunkt der Überprüfungsentscheidung beurteilt. Spätere Entwicklungen der Sach- und Rechtslage, die die Zeit nach Erlass des Ausgangsverwaltungsaktes betreffen, sind dabei nicht von Belang. Andernfalls bezöge man auf diesem Wege die Prüfung der Sach- und Rechtslage für spätere Zeiträume in die Überprüfung nach § 44 SGB X ein, obwohl dafür ausschließlich das Verfahren nach § 48 SGB X vorgesehen ist (so auch LSG Bayern, Urteil vom 30.9.2015 - L 2 P 22/13-).
35Das Sozialgericht hat die das Format "Unter Volldampf" betreffende Klage zu Unrecht mit Urteil vom 18.12.2014 abgewiesen. Die Beklagte hat in den Bescheiden vom 11.4.2008 und 9.4.2009 zu Unrecht KSA für die an dem Format "Unter Volldampf" teilnehmenden nicht-prominenten Mitwirkenden für die Jahre 2007 bis 2008 festgesetzt.
36Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
37Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe sind nach § 25 Abs. 1 KSVG die Entgelte für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen, die ein nach § 24 Abs. 1 zur Abgabe Verpflichteter im Rahmen der dort aufgeführten Tätigkeiten im Laufe eines Kalenderjahres an selbständige Künstler oder Publizisten zahlt, auch wenn diese selbst nach diesem Gesetz nicht versicherungspflichtig sind. Bemessungsgrundlage sind auch die Entgelte, die ein nicht abgabepflichtiger Dritter für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen zahlt, die für einen zur Abgabe Verpflichteten erbracht werden. Nach Abs. 2 ist Entgelt im Sinne des Absatzes 1 alles, was der zur Abgabe Verpflichtete aufwendet, um das Werk oder die Leistung zu erhalten oder zu nutzen, abzüglich der in einer Rechnung oder Gutschrift gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer. Die Erhebung der Künstlersozialabgabe erfolgt in einem zweistufigen Verfahren. Im ersten Schritt wird die Abgabepflicht nach § 24 KSVG festgestellt (Erfassungsbescheid). Im zweiten Schritt wird die - hier streitige - Höhe der Abgabeschuld festgesetzt (Abrechnungsbescheid). Die Beklagte hat hier das Recht unrichtig angewandt, indem sie die an die nicht-prominenten Mitwirkenden nach §§ 3 und 4 des Mitwirkendenvertrags gezahlten Vergütungen der Abgabepflicht unterworfen hat. Denn die Mitwirkung der nicht-prominenten Kandidaten ist nicht als künstlerische Leistung zu bewerten.
38In § 2 Satz 1 KSVG werden drei Bereiche künstlerischer Tätigkeit jeweils in den Spielarten des Schaffens, Ausübens und Lehrens umschrieben: die Musik sowie die bildende und die darstellende Kunst. Eine weitergehende Festlegung, was man darunter im Einzelnen versteht, ist im Hinblick auf die Vielfalt, Komplexität und Dynamik der Erscheinungsformen künstlerischer Betätigungsfelder nicht erfolgt. Der Gesetzgeber spricht im KSVG nur allgemein von "Künstlern" und "künstlerischen Tätigkeiten". Auf eine materielle Definition des Kunstbegriffs hat er hingegen bewusst verzichtet (BT-Drucks 8/3172, S 21). Dieser Begriff ist deshalb aus dem Regelungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung und der historischen Entwicklung zu erschließen (vgl. BSG SozR 4-5425 § 24 Nr. 6 Rd.Nr. 13 und BSGE 83, 160, 161 = SozR 3-5425 § 2 Nr. 9 S 33 - jeweils m.w.N.; zum Kunstbegriff des Art 5 GG vgl. BVerfGE 30, 173, 188 ff und 81, 108, 116; zur Zielrichtung des KSVG vgl. BT-Drucks 9/26, S 18 und BT-Drucks 8/3172, S 19 ff). Aus den Materialien zum KSVG ergibt sich, dass der Begriff der Kunst trotz seiner Unschärfe auf jeden Fall solche künstlerischen Tätigkeiten umfassen soll, mit denen sich der "Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe (Künstlerbericht)" aus dem Jahre 1975 (BT-Drucks 7/3071) beschäftigt. Der Gesetzgeber hat damit einen an der Typologie von Ausübungsformen orientierten Kunstbegriff vorgegeben, der in aller Regel dann erfüllt ist, wenn das zu beurteilende Werk den Gattungsanforderungen eines bestimmten Kunsttyps (z.B. Theater, Gemälde, Konzert) entspricht. Auf die Qualität der künstlerischen Tätigkeit oder eine bestimmte Werk- und Gestaltungshöhe kommt es dabei nicht an (BSGE 98, 152 = SozR 4-5425 § 2 Nr. 11 m.w.N.; stRspr).
39Das BSG hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit der Frage, welche Unterhaltungsformate der Kunst zuzuordnen sind und welche hieran Teilnehmenden eine künstlerische Tätigkeit ausüben, beschäftigt:
40In seinem Urteil vom 25.10.1995 (3 RK 24/94) hat es sich mit Unterhaltungsshows auseinandergesetzt, in denen unter Moderation Damenunterwäsche von weiblichen Models ohne künstlerische Ausbildung vorgeführt wurde. Da die im Erfassungsbescheid festgestellte Abgabepflicht des veranstaltenden Unternehmens als solche streitig war, hat sich das BSG mit der Frage beschäftigt, ob die Show als solche der Unterhaltungskunst zuzuordnen ist und hat dies bejaht. Bei der Prüfung, ob die Veranstaltung als künstlerisches Werk zu qualifizieren sei, sei nicht auf die Mitwirkenden als Künstler, sondern auf den Charakter des Gesamtwerks abzustellen. Die Unterhaltung des Publikums werde hier weniger durch den Moderator als vorwiegend durch die Models bestritten. Die Frage, ob der Mitwirkende selbständiger Künstler sei, sei im Abgabebescheid zu prüfen. Dass der Künstlerbericht Artisten und Unterhaltungskünstler als einheitliche Berufsgruppe enthalte, obwohl beide nicht von dem allgemein gebräuchlichen Begriff der Kunst abgedeckt seien, belege, dass beide Gruppen zum KSVG hätten gehören sollen, auch wenn ihre Tätigkeit keine besondere schöpferische Gestaltung voraussetze. Die Show weise das erforderliche Mindestmaß an eigenschöpferischem Gehalt auf. Ob es an seiner Rechtsauffassung festhält, hat das BSG in seiner Entscheidung vom 1.10.2009 (B 3 KS 4/08 R) offen gelassen. In seinem Urteil vom 28.8.1997 (3 RK 13/96) hat sich das BSG mit einem Abgabebescheid befasst, in dem Entgelte an Personen, die nur einmalig an Fernseh-Talkshows über Alltagsthemen oder besondere Lebensschicksale mitwirken, als abgabepflichtig nach dem KSGV angesehen wurden. Es hat ausgeführt, dass die Künstlereigenschaft nur solchen Personen zukomme, die Kunst nicht nur einmalig, sondern so nachhaltig ausübten, dass diese als Wesensmerkmal der Person angesehen werden müsse. Ob eine künstlerische Leistung erbracht werde, richte sich nach der Verkehrsauffassung und der überwiegenden Meinung einschlägiger Fachkreise. Indizien hierfür könnten die Höhe des vereinbarten Entgelts, die Häufigkeit solcher Auftritte und die Art des Beitrags herangezogen werden. Personen die nur einmalig gegen Zahlung eines Anerkennungshonorars aufträten und sich zu Alltagsfragen äußerten oder sich für Spiele zur Verfügung stellten, erbrächten keine künstlerische Leistung, da hierfür unabdingbar eine eigenschöpferische Leistung zum Ausdruck kommen müsse. Mit Urteil vom 26.11.1998 (B 3 KR 12/97 R) hat das BSG zu § 2 KSVG festgestellt, dass Berufsringer (Catcher, Wrestler), die einen Mix aus sportlicher, akrobatischer und schauspielerischer Tätigkeit zur Schau stellen, keine Unterhaltungskünstler oder Artisten i.S. des KSVG seien. Sie träten nicht im Rahmen von Varieté- oder Zirkusveranstaltungen auf, von den Akteuren selbst werde kein künstlerischer Anspruch geltend gemacht und ein solcher Anspruch auch von den Zuschauern nicht erwartet; deshalb lasse sich keine Verkehrsauffassung feststellen, die eine Zuordnung zu Unterhaltungskünstlern im Sinne von "Show-" oder Revuekünstlern erlaube. Mit Urteil vom 12.5.2005 (B 3 KR 13/04 R) entschied das BSG zu § 2 KSVG, dass die Vorführung der japanischen Teezeremonie in Deutschland keine Kunstform i.S. des KSVG darstelle, sondern nach der hiesigen als auch der japanischen Verkehrsauffassung nach Bedeutung und Stellenwert zum Bereich der Traditions- und Brauchtumspflege gehöre. Es fehle an einem eigenschöpferischen Beitrag, da die Zeremonie festen Regeln unterworfen sei. Das BSG hat in seinem Urteil vom 24.1.2008 (B 3 KS 1/07 R) daran festgehalten, dass die Künstlereigenschaft nur solchen Personen zukomme, die Kunst nicht nur einmalig, sondern so nachhaltig ausübten, dass sie als Wesensmerkmal der Person anzusehen sei. Das Honorar für den Profiboxer K. für die Teilnahme an einem Werbefilm (vertragliche Verpflichtung: mehrtägige Aufnahmen, Foto- und Sprachaufnahmen, PR-Maßnahmen und Probetraining) unterliege nicht der Abgabepflicht. Die einmalige Zahlung eines künstlerischen Entgelts an eine Person, die nicht Künstler sei, mache aus dieser keinen Künstler. Dabei sei entscheidend, ob von den Akteuren selbst ein künstlerischer Anspruch erhoben und von den Zuschauern "Unterhaltungskunst" erwartet werde oder vorrangig der Wettkampfgedanke im Vordergrund stehe. Auch in einem Werbefilm bleibe K. Profiboxer und werde nicht zum Schauspieler, selbst wenn er in einem Werbefilm eine kurze Rolle spiele. In seinem Urteil vom 1.10.2009 (B 3 KS 4/08 R) hat das BSG die Vergütung der DSDS-Juroren als abgabepflichtig angesehen. Diese Schlussfolgerung sei nicht schon aus dem Umstand zu ziehen, dass die Sendung als solche als Unterhaltungsshow zu qualifizieren sei, denn nicht jeder, der daran mitwirke, werde automatisch zum Unterhaltungskünstler. Es komme vielmehr darauf an, ob die konkret ausgeübte Tätigkeit selbst eine künstlerische sei. Die Juroren seien keine Unterhaltungskünstler. Sie nähmen aber an einem dem Factural-Entertainment zuzuordnenden Sendeformat teil und seien neben den Moderatoren und Kandidaten untrennbarer Bestandteil des neuartigen Formats von Unterhaltungskunst. Sie agierten nach dem Sendekonzept in der bissigen, polemischen und erkennbar parteiischen Bewertung der Kandidaten stellvertretend für den Zuschauer. Durch die Herkunft aus der Musikbranche werde eine scheinbare Gewähr dafür suggeriert, tatsächlich einen potentiellen Star erkennen zu können. Tatsächlich stehe aber nicht der Wettbewerb, sondern die Unterhaltung im Vordergrund. Dies ergebe sich auch durch die Verträge, die die Juroren zu einer eigenschöpferischen Leistung verpflichteten, die der Sender mit Honoraren zw. 60.000 und 1,2 Mio. Euro vergüte. Zudem lebe die Sendereihe ganz wesentlich von den Stellungnahmen und Spontanreaktionen der Jury und dem Zusammenspiel von Gesang und Bewertung. Mit Urteil vom 2.4.2014 (B 3 KS 3/12 R) hat das BSG (neben anderen zu entscheidenden Rechtsfragen) ein Honorar eines Musikers i.H.v. 30.000 Euro für die Teilnahme bei "Ich bin ein Star -holt mich hier raus!" als KSA-pflichtig angesehen. Die Teilnahme als Akteur, "Selbst-Darsteller" und Wettbewerbsteilnehmer in dem als "Factural-Entertainment" zu bezeichnenden Sendeformat mit mehr oder weniger prominenten Personen sei eine künstlerische Leistung. Vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen ist der Senat der Ansicht, dass das BSG bei der sich hier stellenden Frage nicht von einem Automatismus dergestalt ausgeht, dass jeder, der an einem dem Factural Entertainment zuzuordnenden Format mitwirkt, automatisch eine künstlerische Tätigkeit ausübt. Denn das BSG hat im Verlauf der oben aufgeführten Entscheidungen einerseits immer wieder betont, dass die Künstlereigenschaft nur demjenigen zukomme, der eine eigenschöpferische Leistung erbringe und nach der Verkehrsauffassung und der überwiegenden Meinung einschlägiger Fachkreise als Künstler anzusehen sei. Es hat andererseits auch ausgeführt, dass jemand durch die einmalige Teilnahme an einem künstlerischen Format noch nicht zum Künstler werde. Daher ist bei der Frage der Abgabepflicht von Mitwirkenden eines Factural-Entertainment-Formats im Einzelfall im ersten Schritt zu prüfen, ob der Mitwirkende entweder eine künstlerische Tätigkeit ausübt (z.B. Musizieren) oder wesentlich zur Unterhaltung beiträgt und im zweiten Schritt, ob er diese Tätigkeit so nachhaltig ausübt, dass sie als Wesensmerkmal seiner Person anzusehen ist.
41Das Format "Unter Volldampf" gehört (unstreitig) zum G. Entertainment. Während des Kochvorgangs ist der Dialog zwischen den Kandidaten untereinander und dem Chefkoch sowie dem Restaurantleiter und den Gästen Hauptbestandteil der Unterhaltung. Die Spannung steigt durch die während des Verlaufs immer hektischer werdenden Köche, die durch die forsche Kritik des Chefkoches und des Restaurantleiters aus der Ruhe gebracht werden. In der Testphase tragen die Kommentare der Gäste zu den von ihnen zu bewertenden Speisen und die anerkennenden oder abschätzenden Wertungen des Chefkochs und des Restaurantleiters zur Unterhaltung bei. Thematisch geht um den alltäglichen Vorgang des Kochens in einer Wettbewerbssituation, garniert mit kurz eingestreuten "Blitzlichtern" aus den Lebensläufen oder -umständen der Mitwirkenden. Wer letztlich Tages- oder Wochensieger wird, ist für die Unterhaltung eher nebensächlich.
42Bei der im ersten Schritt zu prüfenden Frage, ob die nicht-prominenten Mitwirkenden eine künstlerische Tätigkeit ausüben, ist zwischen dem Kochen/Servieren und der "unterhaltenden" Teilnahme der Kandidaten zu unterscheiden:
43Nach Feststellung des Senats ist das Kochen und Servieren keine künstlerische Tätigkeit. Das Zubereiten von Speisen und das Planen eines Menüs ist nach der Verkehrsauffassung und der Ansicht einschlägiger Kreise weder darstellende noch bildende Kunst, das angerichtete Essen auf dem Teller kein Kunstwerk. Auch wenn es den Begriff der "Kochkunst" gibt und das Zubereiten von Gerichten "am Rezept vorbei" sicher ebenso wie das Anrichten und Dekorieren der Speisen auf dem Teller Kreativität erfordert, handelt es sich bei dem Endprodukt um Nahrungsmittel, welches - ähnlich wie bei dem bei der Teezeremonie zubereiteten Tee - nach einem Rezept zubereitet wurde. Gleiches gilt für das Eindecken von Tischen und das Servieren von Speisen, das nach gesellschaftlichen Etikette-Regeln erfolgt (nach Knigge z.B. die Reihenfolge und Platzierung des Bestecks und der Gläser neben dem Teller, das "Servieren von rechts").
44Der Senat geht jedoch davon aus, dass die Kandidaten nach der Verkehrsauffassung durch ihre während des Kochwettbewerbs vorgetragenen Dialoge, Bemerkungen und Kommentare (neben dem Restaurantleiter und dem Chefkoch) gerade durch deren Wechselspiel wesentlich zur Unterhaltung des Zuschauers beitragen. Hierbei muss auch berücksichtigt werden, dass es bei "Unter Volldampf" gerade keine Moderatoren oder prominenten Jurymitglieder gibt, die die Unterhaltung bestreiten könnten. Nähmen die nicht-prominenten Mitwirkenden nicht an der Sendung teil, gäbe es vielmehr keine Unterhaltung. Zwar werden die Kandidaten (anders als die Juroren bei DSDS) vertraglich nicht zu eigenschöpferischen Wortbeiträgen verpflichtet. Es muss aber berücksichtigt werden, dass ein Mindestmaß an eigenschöpferischer Leistung ausreichend ist und weder ein bestimmtes Können oder entsprechende Vorkenntnisse (siehe Models bei der Damenunterwäschevorführung) erforderlich sind noch es auf ein gewisses Niveau der Unterhaltung ankommt. Damit ist das eloquente "unterhaltende" Teilnehmen als solches für die Annahme einer künstlerischen Tätigkeit ausreichend.
45Die nicht-prominenten Mitwirkenden üben ihre Tätigkeit zur Überzeugung des Senats aber nicht so nachhaltig aus, dass diese von den Kandidaten oder dem Publikum als Wesensmerkmal der Kandidaten angesehen wird. Jeder Mitwirkendende darf nur an einer Staffel von "Unter Volldampf" teilnehmen. Damit ist er an den 5 Sendetagen zusammen mit den anderen vier Kandidaten, dem Chefkoch und dem Restaurantleiter sowie den 20 Gästen jeweils 25 Minuten zu sehen, auf den Einzelnen entfallen damit maximal 5 Minuten pro Tag und damit insgesamt nur 25 Minuten Sendezeit. Dies dürfte nicht viel länger sein als die einmalige Teilnahme eines "Menschen von der Straße" bei einer Talkshow. Darüber hinaus werden über die einzelnen Kandidaten nur spärliche Informationen preisgegeben. Beide Umstände führen nach den Feststellungen des Senats nach Ansehen der DVDs dazu, dass die Kandidaten dem TV-Konsumenten schon nach kurzer Zeit nicht mehr erinnerlich sind und auf der Straße nicht als "Teilnehmer an "Unter Volldampf"" bzw. "Teilnehmer an Factural Entertainment" wiederzuerkennen wären. Vielmehr bewirkt die Bekanntgabe des Berufs des jeweiligen Kandidaten während der Sendung eher, dass man ihn nicht nachhaltig mit diesem Format des Factural Entertainments verknüpft. Die einmalige Teilnahme an einer solchen Show macht den hobbykochenden Uhrenmacher oder Bilanzbuchhalter, die Sekretärin oder Event-Managerin eben nicht zu einem "Factural-Entertainer". Dafür dass sie selbst nicht als Hobbykoch sondern als "Factural Entertainer" wahrgenommen werden wollen, ist ebenfalls nichts ersichtlich. Die Motivation zur Teilnahme dürfte sich eher aus dem Wunsch nach etwas Aufmerksamkeit für die Kochkünste und dem lockenden Preisgeld erklären lassen.
46Indiz dafür, dass das Publikum und der Sender nicht davon ausgehen, dass die Teilnahme zum Wesensmerkmal der Personen gehört, ist auch die Höhe des an sie gezahlten Honorars von 1.000,- Euro, welches nur 1/8 bzw. 1/6 des Salärs prominenter Mitwirkender ausmacht. Zum einen wird man prominente Teilnehmer nur durch ein höheres Honorar zur Teilnehme bewegen können. Zum anderen ziehen prominente Teilnehmer das Publikum stärker an als TV-Neulinge. Denn der Promi, der dem Zuschauer nur aus der medialen Glamourwelt bekannt ist, soll sich nun bei einer Aufgabe wie dem Kochen, die "Menschen wie Du und ich" (zu denen sich auch der Zuschauer zählt) aus dem Täglichen bekannt ist, unter Beweis stellen. Den Prominenten in einer medial unbekannten Rolle zu sehen, übt einen Reiz aus, der von nicht-prominenten Mitwirkenden nicht ausgeht. Der Umstand, dass einige der nicht-prominenten Teilnehmer von "Unter Volldampf" bereits zuvor bei "Das perfekte Dinner" als Sieger hervorgegangen sind, ändert daran nichts. Denn keiner der Teilnehmer von "Unter Volldampf" hat sich durch die zweimalige Mitwirkung an einer Koch-Show auch nur annähernd zu einer Person entwickelt, zu deren Wesensmerkmal das Factural-Entertainment zählt. Dies ist auch von der Beklagten weder vorgetragen noch belegt worden. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass dies geschehen kann. Es ist zwar denkbar, dass ein TV-Neuling durch seine Persönlichkeit und seinen Unterhaltungswert so gut beim Publikum ankommt, dass er immer wieder Angebote zur Teilnahme an verschiedenen Formaten des Factural Entertainments erhält und schließlich einen Prominentenstatus als "Factural Entertainer" erlangt. Darauf kommt es aber für die Beurteilung des streitigen Formats nicht an. Es kann lediglich für die Mitwirkung an späteren Formaten Bedeutung bekommen. Die Wertung des erkennenden Senats steht auch den Ausführungen des BSG im Urteil vom 2.4.2014 (a.a.O.) nicht entgegen, da bei dem Format "Ich bin ein Star! Holt mich hier raus" schon dem Wortlaut nach nur bekannte Personen teilnehmen und es sich bei der Entscheidung um einen in einer Künstlergruppe auftretenden Musiker handelte.
47Somit hat die Beklagte für die Jahre 2007 und 2008 für die nicht-prominenten Mitwirkenden des Formats "Unter Volldampf" Künstlersozialabgabe zu Unrecht erhoben.
48Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
49Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der Frage, ob die Teilnahme nicht-prominenter Mitwirkender an dem Factural Entertainment zuzuordnenden Unterhaltungsformaten als künstlerische Leistung zu bewerten ist, grundsätzliche Bedeutung zumisst.
50Die Festsetzung des Streitwerts auf 16.157,26 Euro findet in § 47 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz ihre Grundlage.
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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
(1) Der zur Abgabe Verpflichtete hat nach Ablauf eines Kalenderjahres, spätestens bis zum 31. März des Folgejahres, der Künstlersozialkasse die Summe der sich nach § 25 ergebenden Beträge zu melden. Für die Meldung ist ein Vordruck der Künstlersozialkasse zu verwenden. Soweit der zur Abgabe Verpflichtete trotz Aufforderung die Meldung nicht, nicht rechtzeitig, falsch oder unvollständig erstattet, nehmen die Künstlersozialkasse oder, sofern die Aufforderung durch die Träger der Rentenversicherung erfolgte, diese eine Schätzung vor. Satz 3 gilt entsprechend, soweit die Künstlersozialkasse bei einer Prüfung auf Grund des § 35 oder die Träger der Rentenversicherung bei einer Prüfung auf Grund des § 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch die Höhe der sich nach § 25 ergebenden Beträge nicht oder nicht in angemessener Zeit ermitteln können, insbesondere weil die Aufzeichnungspflichten nach § 28 nicht ordnungsgemäß erfüllt worden sind.
(1a) Die Künstlersozialkasse teilt dem zur Abgabe Verpflichteten den von ihm zu zahlenden Betrag der Künstlersozialabgabe und die zu leistende Vorauszahlung schriftlich oder elektronisch mit, es sei denn, diese Verwaltungsakte werden von den Trägern der Deutschen Rentenversicherung im Rahmen ihrer Prüfung bei den Arbeitgebern nach § 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch erlassen. Der Abgabebescheid wird mit Wirkung für die Vergangenheit zu Ungunsten des zur Abgabe Verpflichteten zurückgenommen, wenn die Meldung nach Absatz 1 unrichtige Angaben enthält oder sich die Schätzung nach Absatz 1 Satz 3 als unrichtig erweist.
(2) Der zur Abgabe Verpflichtete hat innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf jeden Kalendermonats eine Vorauszahlung auf die Abgabe an die Künstlersozialkasse zu leisten.
(3) Die monatliche Vorauszahlung bemißt sich nach dem für das laufende Kalenderjahr geltenden Vomhundertsatz (§ 26) und einem Zwölftel der Bemessungsgrundlage für das vorausgegangene Kalenderjahr. Für die Zeit zwischen dem Ablauf eines Kalenderjahres und dem folgenden 1. März ist die Vorauszahlung in Höhe des Betrages zu leisten, der für den Dezember des vorausgegangenen Kalenderjahres zu entrichten war. Die Vorauszahlungspflicht entfällt, wenn der vorauszuzahlende Betrag 40 Euro nicht übersteigt.
(4) Die Vorauszahlungspflicht beginnt zehn Tage nach Ablauf des Monats, bis zu welchem die Künstlersozialabgabe zuerst vom Verpflichteten abzurechnen war. Hat die Abgabepflicht nur während eines Teils des vorausgegangenen Kalenderjahres bestanden, ist die Bemessungsgrundlage für das vorausgegangene Kalenderjahr durch die Zahl der begonnenen Kalendermonate zu teilen, in denen die Abgabepflicht bestand.
(5) Die Künstlersozialkasse kann auf Antrag die Höhe der Vorauszahlung herabsetzen, wenn glaubhaft gemacht wird, daß voraussichtlich die Bemessungsgrundlage die für das vorausgegangene Kalenderjahr maßgebende Bemessungsgrundlage erheblich unterschreiten wird. Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor, können die Träger der Deutschen Rentenversicherung die Höhe der Vorauszahlungen im Rahmen eines bei ihnen anhängigen Widerspruchsverfahrens herabsetzen.
(6) Für die Zahlung der Künstlersozialabgabe und die Vorauszahlung gilt § 17a entsprechend.
(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.
(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.
Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen.
(1) Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe sind die Entgelte für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen, die ein nach § 24 Abs. 1 oder 2 zur Abgabe Verpflichteter im Rahmen der dort aufgeführten Tätigkeiten im Laufe eines Kalenderjahres an selbständige Künstler oder Publizisten zahlt, auch wenn diese selbst nach diesem Gesetz nicht versicherungspflichtig sind. Bemessungsgrundlage sind auch die Entgelte, die ein nicht abgabepflichtiger Dritter für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen zahlt, die für einen zur Abgabe Verpflichteten erbracht werden.
(2) Entgelt im Sinne des Absatzes 1 ist alles, was der zur Abgabe Verpflichtete aufwendet, um das Werk oder die Leistung zu erhalten oder zu nutzen, abzüglich der in einer Rechnung oder Gutschrift gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer. Ausgenommen hiervon sind
- 1.
die Entgelte, die für urheberrechtliche Nutzungsrechte, sonstige Rechte des Urhebers oder Leistungsschutzrechte an Verwertungsgesellschaften gezahlt werden, - 2.
steuerfreie Aufwandsentschädigungen und die in § 3 Nr. 26 des Einkommensteuergesetzes genannten steuerfreien Einnahmen.
(3) Entgelt im Sinne des Absatzes 1 ist auch der Preis, der dem Künstler oder Publizisten aus der Veräußerung seines Werkes im Wege eines Kommissionsgeschäfts für seine eigene Leistung zusteht. Satz 1 gilt entsprechend, wenn ein nach § 24 Abs. 1 zur Abgabe Verpflichteter
- 1.
den Vertrag im Namen des Künstlers oder Publizisten mit einem Dritten oder im Namen eines Dritten mit dem Künstler oder Publizisten abgeschlossen hat oder - 2.
den Künstler oder Publizisten an einen Dritten vermittelt und für diesen dabei Leistungen erbringt, die über einen Gelegenheitsnachweis hinausgehen,
(4) Erwirbt ein nach § 24 Abs. 1 oder 2 zur Abgabe Verpflichteter von einer Person, die ihren Wohnsitz oder Sitz nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, ein künstlerisches oder publizistisches Werk eines selbständigen Künstlers oder Publizisten, der zur Zeit der Herstellung des Werkes seinen Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hatte, gilt als Entgelt im Sinne des Absatzes 1 auch das Entgelt, das der Künstler oder Publizist aus der Veräußerung seines Werkes von dieser Person erhalten hat. Satz 1 gilt nicht, wenn der zur Abgabe Verpflichtete nachweist, daß von dem Entgelt Künstlersozialabgabe gezahlt worden ist oder die Veräußerung des Werkes mehr als zwei Jahre zurückliegt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn eine künstlerische oder publizistische Leistung erbracht wird.
(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.
(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.
(1) Der zur Abgabe Verpflichtete hat nach Ablauf eines Kalenderjahres, spätestens bis zum 31. März des Folgejahres, der Künstlersozialkasse die Summe der sich nach § 25 ergebenden Beträge zu melden. Für die Meldung ist ein Vordruck der Künstlersozialkasse zu verwenden. Soweit der zur Abgabe Verpflichtete trotz Aufforderung die Meldung nicht, nicht rechtzeitig, falsch oder unvollständig erstattet, nehmen die Künstlersozialkasse oder, sofern die Aufforderung durch die Träger der Rentenversicherung erfolgte, diese eine Schätzung vor. Satz 3 gilt entsprechend, soweit die Künstlersozialkasse bei einer Prüfung auf Grund des § 35 oder die Träger der Rentenversicherung bei einer Prüfung auf Grund des § 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch die Höhe der sich nach § 25 ergebenden Beträge nicht oder nicht in angemessener Zeit ermitteln können, insbesondere weil die Aufzeichnungspflichten nach § 28 nicht ordnungsgemäß erfüllt worden sind.
(1a) Die Künstlersozialkasse teilt dem zur Abgabe Verpflichteten den von ihm zu zahlenden Betrag der Künstlersozialabgabe und die zu leistende Vorauszahlung schriftlich oder elektronisch mit, es sei denn, diese Verwaltungsakte werden von den Trägern der Deutschen Rentenversicherung im Rahmen ihrer Prüfung bei den Arbeitgebern nach § 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch erlassen. Der Abgabebescheid wird mit Wirkung für die Vergangenheit zu Ungunsten des zur Abgabe Verpflichteten zurückgenommen, wenn die Meldung nach Absatz 1 unrichtige Angaben enthält oder sich die Schätzung nach Absatz 1 Satz 3 als unrichtig erweist.
(2) Der zur Abgabe Verpflichtete hat innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf jeden Kalendermonats eine Vorauszahlung auf die Abgabe an die Künstlersozialkasse zu leisten.
(3) Die monatliche Vorauszahlung bemißt sich nach dem für das laufende Kalenderjahr geltenden Vomhundertsatz (§ 26) und einem Zwölftel der Bemessungsgrundlage für das vorausgegangene Kalenderjahr. Für die Zeit zwischen dem Ablauf eines Kalenderjahres und dem folgenden 1. März ist die Vorauszahlung in Höhe des Betrages zu leisten, der für den Dezember des vorausgegangenen Kalenderjahres zu entrichten war. Die Vorauszahlungspflicht entfällt, wenn der vorauszuzahlende Betrag 40 Euro nicht übersteigt.
(4) Die Vorauszahlungspflicht beginnt zehn Tage nach Ablauf des Monats, bis zu welchem die Künstlersozialabgabe zuerst vom Verpflichteten abzurechnen war. Hat die Abgabepflicht nur während eines Teils des vorausgegangenen Kalenderjahres bestanden, ist die Bemessungsgrundlage für das vorausgegangene Kalenderjahr durch die Zahl der begonnenen Kalendermonate zu teilen, in denen die Abgabepflicht bestand.
(5) Die Künstlersozialkasse kann auf Antrag die Höhe der Vorauszahlung herabsetzen, wenn glaubhaft gemacht wird, daß voraussichtlich die Bemessungsgrundlage die für das vorausgegangene Kalenderjahr maßgebende Bemessungsgrundlage erheblich unterschreiten wird. Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor, können die Träger der Deutschen Rentenversicherung die Höhe der Vorauszahlungen im Rahmen eines bei ihnen anhängigen Widerspruchsverfahrens herabsetzen.
(6) Für die Zahlung der Künstlersozialabgabe und die Vorauszahlung gilt § 17a entsprechend.
(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.
(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.
(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen.
(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.
(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.
(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
- 1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, - 2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, - 3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder - 4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.
(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.
Tenor
I.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über höhere Leistungen zur Pflege nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) und dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention - UN-BRK).
Der 1996 geborene Kläger leidet an hyperkinetischen Störungen, einem ADHS-Syndrom, Aggressionen, Vergesslichkeit und Wahrnehmungseinschränkungen. Der Kläger wird von seiner Mutter, R. A., gepflegt.
Am 20.04.2009 stellte der Kläger erstmals einen Antrag auf Pflegegeld. Eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) vom 21.08.2009 ergab einen Grundpflegebedarf von 56 Minuten täglich; außerdem wurde festgestellt, dass die Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI in erhöhtem Maße eingeschränkt sei. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 27.08.2009 erstmals Pflegegeld der Pflegestufe I in Höhe von monatlich 215 € ab dem 01.04.2009. Mit weiterem Bescheid ebenfalls vom 27.08.2009 bewilligte die Beklagte Betreuungsleistungen mit erhöhtem Betrag ab 01.04.2009, im Kalenderjahr 2009 bis 1800 € und ab 2010 bis 2400 €.
Am 27.04.2011 stellte die Mutter des Klägers für diesen einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Höhe des bewilligten Pflegegeldes berücksichtige nicht die UN-Behindertenrechtskonvention, die seit dem 26.03.2009 in Deutschland gelte, gemäß Art. 25 Grundgesetz (GG) Verfassungsrang habe und deshalb über dem SGB XI stehe. Dementsprechend seien die Höchstsätze nach dem SGB XI nicht mehr anzuwenden. Auch seien das System der „Minutenpflege“ nicht mehr anzuwenden und der Hilfebedarf für Demenz bei der Ermittlung des Pflegebedarfs mit einzubeziehen. Daraus ergebe sich für den Kläger ein Hilfebedarf von 40 Stunden pro Woche. Die zusätzlichen Leistungen für die Einschränkung der Alltagskompetenz in Höhe von 200 € je Kind und Monat müssten zur freien Verfügung ausbezahlt werden und nicht nur zur Verwendung über niedrigschwellige Betreuungsdienste. Für den Kläger werde deshalb ein monatlicher Betrag in Höhe von 1470 € bzw. 1510 € gefordert.
Mit Schreiben vom 23.05.2011 teilte die Beklagte dem Kläger unter Bezugnahme auf seinen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X mit, dass er laufend Pflegegeld der Pflegestufe I erhalte und eine höhere Pflegegeldzahlung nach deutschem Recht nicht möglich sei.
Mit Schreiben vom 23.06.2011, bei der Beklagten eingegangen am 24.06.2011, legte die Klägerin gegen diesen Ablehnungsbescheid Widerspruch ein. Nach der UN-Behinderten- rechtskonvention dürfe es keinen Unterschied geben zwischen körperlich, geistig und seelisch Behinderten. Ebenso wenig dürfe es weniger Geld für die ambulante als für die stationäre Pflege geben. Auch dürfe hinsichtlich der Höhe der Leistungen nicht differenziert werden zwischen der Pflege durch Angehörige und der Pflege durch Pflegedienste.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2011, zur Post gegeben am 01.08.2011, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In der Begründung hieß es, die Anwendung übernationalen Rechts sei nicht Aufgabe der Beklagten. Dazu müsste der Gesetzgeber eine Überführung in national bindendes Recht vornehmen.
Dagegen richtet sich die vom Kläger am 01.09.2011 beim Sozialgericht (SG) Landshut erhobene Klage.
Bei einer Wiederholungsbegutachtung durch den MDK Bayern vom 11.11.2011 wurde ein Grundpflegebedarf von 135 Minuten täglich ermittelt. Die Voraussetzungen der Pflegestufe II lägen seit Oktober 2011 vor. Die Alltagskompetenz sei nach wie vor in erhöhtem Maße eingeschränkt.
Daraufhin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 15.11.2011 dem Kläger Pflegegeld der Pflegestufe II in Höhe von 430 € monatlich ab dem 01.10.2011.
Eine weitere Begutachtung durch den MDK Bayern vom 07.12.2012 ergab einen Grundpflegebedarf von nur noch 23 Minuten täglich und einen Bedarf an hauswirtschaftlicher Versorgung in Höhe von nur noch 50 Minuten täglich. Die Alltagskompetenz sei nur noch erheblich und nicht mehr in erhöhtem Maße eingeschränkt. Im Vergleich zum Vorgutachten habe sich eine wesentliche Veränderung ergeben.
Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 07.12.2012 zur Einstellung der Pflegeleistungen an. Zu den Einwänden des Klägers äußerte sich der MDK Bayern am 05.02.2013 nach Aktenlage. Mit Bescheid vom 07.02.2013 hob die Beklagte ihren „Bescheid vom 16.11.2011“, mit dem Leistungen der „Pflegestufe I“ zugesagt worden seien, auf. Die Pflegeleistungen wurden mit dem 28.02.2013 eingestellt. Als Rechtsgrundlage wurde § 48 Abs. 1 SGB X angegeben. Mit weiterem Bescheid vom 07.02.2013 wurde ein Antrag vom 01.02.2013 auf Betreuungsleistungen dahingehend beschieden, dass ab dem 01.02.2013 Leistungen bis zu einem Betrag von 1100 € und ab dem Folgejahr bis zu 1200 € bewilligt wurden. Gegen die Bescheide vom 07.02.2013 legte der Kläger am 05.03.2013 Widerspruch ein. Bei einer Nachbegutachtung durch den MDK Bayern vom 03.07.2013 ergab sich ein Grundpflegebedarf von nur 20 Minuten, aber eine in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz seit April 2009. Am 04.07.2013 erließ die Beklagte einen Teilabhilfebescheid hinsichtlich der Betreuungsleistungen, die ab dem 01.03.2013 weiterhin in einer Höhe von 200 € monatlich gezahlt wurden. Hinsichtlich der Herabsetzung der Pflegestufe wurde jedoch eine Abhilfe abgelehnt. Ein Widerspruchsbescheid ist hierzu nicht ergangen.
Das SG hat mit Urteil vom 21.02.2013 (Az. S 6 P 89/11) die Klage gegen den Bescheid vom 23.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2011 abgewiesen. Der Kläger hatte schriftsätzlich keinen ausdrücklichen Antrag gestellt und war in der mündlichen Verhandlung weder persönlich anwesend noch vertreten. Das SG hat im Urteil die Klage so ausgelegt, dass sie darauf gerichtet war, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2011 zu verurteilen, den Bescheid aus 2009 dahin abzuändern, dass ihm ab April 2009 monatlich 1470 € bzw. 1510 € an Pflegegeld gewährt werden. Das SG hat die so interpretierte Klage als zulässig, aber nicht begründet angesehen. Der vom Kläger geltend gemachte Verstoß der Regelungen des SGB XI gegen Bestimmungen der UN-Behindertenrechtskonvention liege nicht vor. Insbesondere liege kein Verstoß gegen Art. 5 UN-BRK (Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung) vor. Die unterschiedliche Leistungshöhe bei der Pflege durch Angehörige einerseits und bei der Pflege durch ambulante Pflegedienste andererseits knüpfe nicht an eine Behinderung im verfassungsrechtlichen oder konventionsrechtlichen Sinn an, sondern behandle alle Pflegebedürftigen und Behinderten insoweit gleich. Die finanziell höheren Leistungen für ambulante Pflegedienste sollten es einem Behinderten, der keine Angehörigen habe, die ihn pflegten, ermöglichen, seine Pflege sicherzustellen. Auch sei kein Verstoß gegen Art. 7 UN-BRK erkennbar.
Der Kläger hat gegen das Urteil des SG, das ihm am 28.03.2013 zugestellt worden war, am 24.04.2013 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt.
Mit seiner Berufung macht der Kläger erneut eine Diskriminierung der Pflege durch Angehörige gegenüber der Pflege durch Pflegedienste bezüglich der Höhe der Leistungen sowie eine Diskriminierung von Erkrankungen mit hohem allgemeinen Beaufsichtigungsbedarf und geringem Grundpflegeanteil geltend.
In der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2015 hat der Kläger geltend gemacht, dass die Argumentation im Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26.03.2014 (Az. 1 BvR 1133/12) betreffend die Verfassungsmäßigkeit der unterschiedlichen finanziellen Ausgestaltung der Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung bei häuslicher Pflege durch Familienangehörige einerseits und beim Einsatz bezahlter Pflegekräfte andererseits auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da es ihm nicht um die Finanzierung der Pflege durch Familienangehörige gehe, sondern um die Finanzierung des Einsatzes professioneller Pflegekräfte im Wege des Arbeitgebermodells, also im Wege der Anstellung dieser Pflegekräfte durch den Pflegebedürftigen selbst. Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Landshut
- ab dem 01.04.2009 in Höhe von 1.470 €
- ab dem 01.01.2010 in Höhe von 1.510 €
- ab dem 01.01.2012 in Höhe von 1.550 €
- ab dem 01.01.2015 in Höhe von 1.612 €
monatlich zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.
Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.
Die Klage ist zulässig. Prozessual macht der Kläger seinen am 27.04.2011 bei der Beklagten gestellten Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X hinsichtlich der Bescheide vom 27.08.2009 in statthafter Weise in Form einer dreifach gestuften kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 SGG, gerichtet sowohl auf die Aufhebung des den Überprüfungsantrag ablehnenden Bescheides in Gestalt des entsprechenden Widerspruchsbescheides - hier also des Bescheides der Beklagten vom 23.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2011 - als auch auf Verurteilung der Beklagten, die für rechtswidrig erachteten Verwaltungsakte - also hier die Bescheide der Beklagten vom 27.08.2009 - zurückzunehmen und Pflegegeld in einer Höhe zu bezahlen, wie sie den Leistungen der Pflegestufe III bei ambulanten Pflegesachleistungen nach § 36 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI oder bei vollstationärer Pflege gemäß § 43 Abs. 2 Nr. 3 SGB XI entspricht.
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2011 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rücknahme ihrer Bescheide vom 27.08.2009 nach § 44 SGB X. Ein Anspruch auf Rücknahme nach § 44 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X setzt voraus, dass der aufzuhebende Verwaltungsakt in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht unrichtig ist. Beides war bezüglich der Verwaltungsakte vom 27.08.2009 nicht der Fall.
Nicht Gegenstand des Verfahrens wurden gemäß § 96 SGG die Bescheide vom 15.11.2011 über die Bewilligung von Pflegegeld der Pflegestufe II ab dem 01.10.2011, vom 07.02.2013 betreffend die Halbierung der zusätzlichen Betreuungsleistungen gemäß § 45b SGB XI, vom 07.02.2013 über die Einstellung des Pflegegeldes zum 28.02.2013 und vom 04.07.2013 über die Bewilligung von zusätzlichen Betreuungsleistungen in Höhe des erhöhten Betrages. Durch diese Bescheide wurden zwar die Bescheide vom 27.08.2009, deren Änderung der Kläger nach § 44 SGB X begehrt, im Sinne des § 96 Abs. 1 SGG abgeändert oder ersetzt, nicht jedoch der Bescheid vom 23.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2011, mit dem ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X bezüglich der Bescheide vom 27.08.2009 abgelehnt wurde. Hat die Behörde einen Antrag auf Rücknahme des Ausgangsverwaltungsaktes nach § 44 SGB X abgelehnt, so wird ein Verwaltungsakt, der den Ausgangsverwaltungsakt für spätere Zeiträume abändert oder ersetzt, nicht gemäß § 86 oder § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens. Bei der Entscheidung über die Rücknahme nach § 44 SGB X beurteilt sich nämlich die Rechtswidrigkeit nach der damaligen Sach- und Rechtslage aus der Sicht im Zeitpunkt der Überprüfungsentscheidung (Schütze, in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 44 Rdnr. 10). Spätere Entwicklungen der Sach- und Rechtslage, die die Zeit nach Erlass des Ausgangsverwaltungsaktes betreffen, sind für die Entscheidung nach § 44 SGB X nicht von Belang. Würde man die sich auf spätere Zeiträume beziehenden Änderungsverwaltungsakte bezüglich des Ausgangsbescheides als Folgebescheide im Sinne der §§ 86 und 96 SGG ansehen, würde auf diesem Wege die Prüfung der Sach- und Rechtslage für spätere Zeiträume in die Überprüfung nach § 44 SGB X einbezogen werden, obwohl dafür ausschließlich das Verfahren nach § 48 SGB X vorgesehen ist.
Dementsprechend kommt es im vorliegenden Fall für die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte im streitgegenständlichen Verwaltungsakt zu Recht die Rücknahme ihrer Bescheide vom 27.08.2009 abgelehnt hat, ausschließlich darauf an, ob diese Bescheide im Zeitpunkt ihres Erlasses auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse rückblickend rechtmäßig waren, wobei ohne Bedeutung ist, ob sich die Sach- und Rechtslage bezüglich dieser Dauerverwaltungsakte zu einem späteren Zeitpunkt geändert hat. Dies war der Fall. Die Verwaltungsakte vom 27.08.2009 waren im Zeitpunkt ihres Erlasses auch aus heutiger Sicht rechtmäßig. Die Bewilligung von Pflegegeld der Pflegestufe I in Höhe von 215 € monatlich entsprach den Rechtsvorschriften der §§ 14, 15 und § 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB XI in der damals geltenden Fassung. Die Bewilligung von zusätzlichen Betreuungsleistungen in Höhe von 200 € monatlich entsprach dem § 45b SGB XI in der damals geltenden Fassung. Es lagen sowohl die Voraussetzungen der Pflegestufe I, nicht aber der Pflegestufe II im Sinne der §§ 14, 15 SGB XI, als auch die Voraussetzungen einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz im Sinne des § 45a SGB XI vor. Der Senat ist der Überzeugung, dass entsprechend dem Gutachten des MDK Bayern vom 21.08.2009 der Kläger einen Grundpflegebedarf in Höhe von 56 Minuten täglich und einen Bedarf an hauswirtschaftlicher Versorgung in Höhe von 45 Minuten täglich hatte und dass seine Alltagskompetenz erheblich und in erhöhtem Maße eingeschränkt war. § 45b SGB XI ließ auch bei einer in erhöhtem Maße eingeschränkten Alltagskompetenz keinen höheren Umfang der Bewilligung zu. Das Gutachten des MDK Bayern vom 21.08.2009 ist in sich schlüssig und nachvollziehbar; Verstöße gegen Rechtsvorschriften oder gegen die Begutachtungsempfehlungen sind in dem Gutachten nicht erkennbar, so dass von Amts wegen kein Anlass zu weiteren Ermittlungen bezüglich des Umfangs der Pflegebedürftigkeit, insbesondere des Grundpflegebedarfs, bestand. Einwendungen gegen die Feststellungen des MDK Bayern in seinem Gutachten vom 21.08.2009 sind auch von Klägerseite nicht vorgebracht worden.
Keine Zweifel bestehen bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften der §§ 14, 15, 37 und 45b SGB XI. Soweit der Kläger geltend macht, dass die unterschiedliche Bewertung von Pflegezeiten aufgrund des eingeschränkten Grundpflegebegriffs eine Diskriminierung insbesondere von Demenzkranken bedeute, hat das Bundesverfassungsgericht bereits mit Nichtannahmebeschluss vom 22.05.2003 (Az. 1 BvR 452/99
Die Verwaltungsakte vom 27.08.2009 verstießen auch nicht gegen das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention - UN-BRK), dem der Deutsche Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates durch Gesetz vom 21.12.2008 (BGBl. II, S. 1419) zugestimmt hat.
Zum einen trifft die Auffassung des Klägers nicht zu, dass dieses Übereinkommen gemäß Art. 25 GG Vorrang vor dem SGB XI hätte. Gemäß Art. 25 GG sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts und gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Rechte des Bundesgebietes. Bei der UN-Behindertenrechtskonvention handelt es sich jedoch um keine allgemeine Regel des Völkerrechts, wie auch das BSG mit Urteil vom 06.03.2012 (Az. B 1 KR 10/11 R, BSGE 110, 194, Rdnrn. 20 f. bei Juris) entschieden hat. Bei den allgemeinen Regeln des Völkerrechts handelt es sich um Regeln des universell geltenden Völkergewohnheitsrechts, ergänzt durch aus den nationalen Rechtsordnungen tradierte allgemeine Rechtsgrundsätze. Das Bestehen von Völkergewohnheitsrecht setzt eine gefestigte Praxis zahlreicher Staaten voraus, die in der Überzeugung geübt wird, hierzu aus Gründen des Völkerrechts verpflichtet zu sein. Darum handelt es sich bei den Regelungen der UN-Behindertenrechtskonvention gerade nicht, vielmehr sollen den Behinderten Rechte eingeräumt werden, die sie zuvor durch gefestigte Praxis noch nicht hatten. Innerstaatliche Geltung hat die UN-Behindertenrechtskonvention durch das nach Art. 59 Abs. 2 GG vorgeschriebene innerstaatliche Zustimmungsgesetz erlangt, das am 01.01.2009 in Kraft getreten ist. Es erteilt innerstaatlich den Befehl zur Anwendung der UN-Behindertenrechtskonvention und setzt diese in nationales Recht um. Damit steht die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland im Range eines Bundesgesetzes; deutsche Gerichte haben sie wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden, gegebenenfalls unter Beachtung des intertemporalen Rechts (BSG, a. a. O., Rdnr. 20).
Vor diesem Hintergrund wäre also zu diskutieren, ob durch die Inkraftsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention durch innerstaatliches Zustimmungsgesetz zum 01.01.2009 eventuell entgegenstehende Bestimmungen des SGB XI nach dem Grundsatz „lex posterior derogat legi priori“ außer Kraft gesetzt werden konnten. Selbst wenn sich ein Gegensatz zwischen den Regelungen des SGB XI und denen der UN-Behindertenrechtskonvention feststellen lassen könnte, wäre es nicht möglich, eine Außerkraftsetzung des SGB XI in seinen Grundprinzipien, wie dem Pflegebedürftigkeitsbegriff oder der Differenzierung hinsichtlich der Leistungshöhe zwischen Pflegesachleistungen und Pflegegeld, zu unterstellen, zumal der Gesetzgeber durch spätere Weiterentwicklung des SGB XI, wie etwa durch das Gesetz vom 17.12.2014 (BGBl. I, S. 2222), an den fraglichen Differenzierungen festgehalten hat.
Im Übrigen lassen sich der UN-Behindertenrechtskonvention aber auch keine Vorschriften entnehmen, aus denen sich Ansprüche der Versicherten ableiten ließen, die über die im SGB XI geregelten Ansprüche hinausgingen. Die unmittelbare Anwendbarkeit völkervertragsrechtlicher Bestimmungen setzt voraus, dass die Bestimmung alle Eigenschaften besitzt, welche ein Gesetz nach innerstaatlichem Recht haben muss, um Einzelne berechtigen oder verpflichten zu können. Dafür muss ihre Auslegung ergeben, dass sie geeignet und hinreichend bestimmt ist, wie eine innerstaatliche Vorschrift rechtliche Wirkung zu entfalten, ohne dass es einer weiteren normativen Ausfüllung bedarf. Ist eine Regelung - objektiv-rechtlich - unmittelbar anwendbar, muss sie zusätzlich auch ein subjektives Recht des Einzelnen vermitteln. Gemäß Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.05.1969 (BGBl. II 1985, S. 926 und BGBl. II 1987, S. 757) erfolgt die Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrages nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Ziels und Zwecks. Nach diesen Grundsätzen hat das BSG in seinem Urteil vom 06.03.2012 (Az. B 1 KR 10/11 R, Rdnrn. 24 ff.) festgestellt, dass die Vorschrift des Art. 25 Satz 3 Buchst. b UN-BRK keine unmittelbaren Rechtsansprüche begründet. Art. 25 UN-BRK betrifft Leistungen der Vertragsstaaten zur Gesundheit. Nach Ansicht des BSG zeigt schon die Formulierung des Satzes 1 dieser Vorschrift („auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit“), dass unmittelbare Rechtsansprüche durch sie nicht begründet werden. Diese Überlegungen lassen sich auf die gesamte Vorschrift des Art. 25 UN-BRK übertragen (offen lassend BSG, Urteil vom 15.10.2014, Az. B 12 KR 17/12 R, Rdnr. 30 bei Juris für Art. 25 Satz 3 Buchst. a UN-BRK). Im Übrigen regelt Art. 25 lediglich Gesundheitsleistungen, also Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Pflegeleistungen zählen hierzu nicht.
Auch aus Art. 28 Abs. 1 UN-BRK lassen sich keine konkreten Rechtsansprüche von Behinderten ableiten, die auf über das SGB XI hinausgehende Pflegeleistungen gerichtet wären. Nach dieser Vorschrift erkennen die Vertragsstaaten das Recht von Menschen mit Behinderungen auf einen angemessenen Lebensstandard für sich selbst und ihre Familien, einschließlich angemessener Ernährung, Bekleidung und Wohnung, sowie auf eine stetige Verbesserung der Lebensbedingungen an und unternehmen geeignete Schritte zum Schutz und zur Förderung der Verwirklichung dieses Rechts ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung. Die Vorschrift ist erkennbar offen und als Programmsatz für die Gesetzgebung formuliert. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der deutsche Gesetzgeber dagegen evident verstoßen hätte, da er im SGB XI ein System von abgestuften Leistungen bei Pflegebedürftigkeit geschaffen und im Übrigen für Pflegebedürftige, die über keine weiteren Ressourcen verfügen und bei denen die Leistungen der Pflegeversicherung nicht ausreichen, die Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII als subsidiäre Sozialhilfeleistung vorgesehen hat.
Anerkannt ist lediglich die unmittelbare Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots des Art. 5 Abs. 2 UN-BRK (BSG, Urteil vom 06.03.2012, a. a. O.., Rdnr. 29) bei Juris bzw. ggf. des Art. 25 Satz 3 Buchst. a UN-BRK (BSG
Im Übrigen liegt, soweit das Pflegegeld geringer ist als die Pflegesachleistungen bei häuslicher Pflege, von vornherein keine Differenzierung nach der Behinderung vor, sondern eine Differenzierung nach der für die Pflege beanspruchten Leistung, was jedoch nicht Regelungsgegenstand des Art. 5 UN-BRK ist.
Ein Verstoß gegen das in Art. 7 UN-BRK enthaltene Verbot, Kinder mit Behinderungen gegenüber anderen Kindern zu benachteiligen, liegt schon deshalb nicht vor, weil die Regelungen des SGB XI keine Benachteiligung von Kindern vorsehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG). Der Senat folgt insbesondere den o. g., einschlägigen Entscheidungen des BSG zur UN-Behindertenrechtskonvention sowie des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Pflegegeldleistungen.
(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
(1) Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe sind die Entgelte für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen, die ein nach § 24 Abs. 1 oder 2 zur Abgabe Verpflichteter im Rahmen der dort aufgeführten Tätigkeiten im Laufe eines Kalenderjahres an selbständige Künstler oder Publizisten zahlt, auch wenn diese selbst nach diesem Gesetz nicht versicherungspflichtig sind. Bemessungsgrundlage sind auch die Entgelte, die ein nicht abgabepflichtiger Dritter für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen zahlt, die für einen zur Abgabe Verpflichteten erbracht werden.
(2) Entgelt im Sinne des Absatzes 1 ist alles, was der zur Abgabe Verpflichtete aufwendet, um das Werk oder die Leistung zu erhalten oder zu nutzen, abzüglich der in einer Rechnung oder Gutschrift gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer. Ausgenommen hiervon sind
- 1.
die Entgelte, die für urheberrechtliche Nutzungsrechte, sonstige Rechte des Urhebers oder Leistungsschutzrechte an Verwertungsgesellschaften gezahlt werden, - 2.
steuerfreie Aufwandsentschädigungen und die in § 3 Nr. 26 des Einkommensteuergesetzes genannten steuerfreien Einnahmen.
(3) Entgelt im Sinne des Absatzes 1 ist auch der Preis, der dem Künstler oder Publizisten aus der Veräußerung seines Werkes im Wege eines Kommissionsgeschäfts für seine eigene Leistung zusteht. Satz 1 gilt entsprechend, wenn ein nach § 24 Abs. 1 zur Abgabe Verpflichteter
- 1.
den Vertrag im Namen des Künstlers oder Publizisten mit einem Dritten oder im Namen eines Dritten mit dem Künstler oder Publizisten abgeschlossen hat oder - 2.
den Künstler oder Publizisten an einen Dritten vermittelt und für diesen dabei Leistungen erbringt, die über einen Gelegenheitsnachweis hinausgehen,
(4) Erwirbt ein nach § 24 Abs. 1 oder 2 zur Abgabe Verpflichteter von einer Person, die ihren Wohnsitz oder Sitz nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, ein künstlerisches oder publizistisches Werk eines selbständigen Künstlers oder Publizisten, der zur Zeit der Herstellung des Werkes seinen Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hatte, gilt als Entgelt im Sinne des Absatzes 1 auch das Entgelt, das der Künstler oder Publizist aus der Veräußerung seines Werkes von dieser Person erhalten hat. Satz 1 gilt nicht, wenn der zur Abgabe Verpflichtete nachweist, daß von dem Entgelt Künstlersozialabgabe gezahlt worden ist oder die Veräußerung des Werkes mehr als zwei Jahre zurückliegt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn eine künstlerische oder publizistische Leistung erbracht wird.
(1) Zur Künstlersozialabgabe ist ein Unternehmer verpflichtet, der eines der folgenden Unternehmen betreibt:
- 1.
Buch-, Presse- und sonstige Verlage, Presseagenturen (einschließlich Bilderdienste), - 2.
Theater (ausgenommen Filmtheater), Orchester, Chöre und vergleichbare Unternehmen; Voraussetzung ist, daß ihr Zweck überwiegend darauf gerichtet ist, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten; Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bleibt unberührt, - 3.
Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen sowie sonstige Unternehmen, deren wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen; Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bleibt unberührt, - 4.
Rundfunk, Fernsehen, - 5.
Herstellung von bespielten Bild- und Tonträgern (ausschließlich alleiniger Vervielfältigung), - 6.
Galerien, Kunsthandel, - 7.
Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte, - 8.
Variete- und Zirkusunternehmen, Museen, - 9.
Aus- und Fortbildungseinrichtungen für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten.
(2) Zur Künstlersozialabgabe sind auch Unternehmer verpflichtet,
- 1.
die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben und hierbei selbständige Künstler oder Publizisten beauftragen oder - 2.
die selbständige Künstler oder Publizisten beauftragen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen.
- 1.
für Entgelte, die im Rahmen der Durchführung von Veranstaltungen gezahlt werden, wenn in einem Kalenderjahr nicht mehr als drei Veranstaltungen durchgeführt werden, in denen künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen aufgeführt oder dargeboten werden sowie - 2.
für Musikvereine, soweit für sie Chorleiter oder Dirigenten regelmäßig tätig sind.
(3) (weggefallen)
Künstler im Sinne dieses Gesetzes ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Publizist im Sinne dieses Gesetzes ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in ähnlicher Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt.
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.