Landessozialgericht NRW Urteil, 06. Feb. 2015 - L 4 R 1017/13
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.09.2013 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird endgültig auf 30.011,12 Euro festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beklagte der Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres Vaters Altersrente für den Zeitraum vom 01.07.1997 bis 31.01.2008 zu zahlen hat.
3Die Klägerin ist die Tochter und Erbin des am 00.00.1928 in C (Ukraine) geborenen und 1995 in Israel eingewanderten F N (im Folgenden: Versicherter). Der Versicherte beantragte über seinen Bevollmächtigten am 07.11.2002 bei der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). Die Beklagte forderte ihn mit Schreiben vom 22.10.2003 unter Beifügung eines Fragebogens auf, nähere Angaben zur behaupteten Ghetto-Beschäftigung zu machen. Am 09.12.2003 nahm der Bevollmächtigte des Versicherten den Rentenantrag zurück. Der Versicherte verstarb am 21.01.2008.
4Am 29.12.2009 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin - zunächst im Namen des bereits verstorbenen Versicherten - bei der Beklagten "die Überprüfung des Ablehnungsbescheides nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und die Anerkennung von Beitragszeiten sowie die Rentenzahlung nach dem ZRBG". Mit Schreiben vom 03.05.2010 teilte er mit, die Klägerin wolle das Verfahren als Rechtsnachfolgerin fortführen.
5Mangels überprüfbarer Ablehnungsbescheide wertete die Beklagte den Antrag als neuen Rentenantrag und zog Unterlagen der Claims Conference bei. Dort war ein Antrag des Versicherten auf Entschädigung unter Hinweis darauf abgelehnt worden, dass sich der Versicherte nach den Ermittlungen während des Krieges nicht in einem Ghetto, sondern ab dem Jahr 1941 in der Sowjetunion aufgehalten habe. Die Beklagte wies auf diesen Ablehnungsgrund mit Schreiben vom 10.11.2010 hin. Den Rentenantrag lehnte sie mit Bescheid vom 20.05.2011 ab. Bei der Altersrente handele es sich um ein Recht, das nur der Versicherte selbst in Anspruch nehmen könne. Die Geltendmachung des Zahlungsanspruchs sei höchstpersönlicher Natur und könne auch nicht nachträglich durch die Erben oder Rechtsnachfolger erfolgen. Der Tod des Versicherten sei bereits am 21.01.2008 eingetreten, der Antrag jedoch erst am 29.12.2009 durch die Klägerin gestellt worden, so dass es zu keiner Rentengewährung komme. Den gegen diesen Bescheid gerichteten Widerspruch vom 28.06.2011, den die Klägerin nicht begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2013 zurück.
6Die Klägerin hat am 13.03.2013 Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Die Beklagte habe die Zahlung einer Rente abgelehnt, weil der Antrag vom 04.11.2002 am 08.12.2003 infolge des Ausschlusses von Ghettotätigkeiten in Transnistrien durch die Beklagte vom Versicherten zurückgezogen worden sei. Die Beklagte habe die Konsequenzen zu tragen, dass sich ihre damalige Auffassung zu den Ghettotätigkeiten als falsch erwiesen habe und dadurch Berechtigte von der rechtzeitigen Antragstellung abgehalten wurden oder hätten werden können. Sie müsse einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gewähren. Im Übrigen könne das Schreiben vom 08.12.2003 nicht als wirksame Antragsrücknahme des israelischen Antrags angesehen werden, weil der Bevollmächtigte des Versicherten die Antragsgleichstellung für israelische Anträge damals nicht gekannt habe. Nach dem Gesetz der Logik könne man nur etwas zurücknehmen, von dem man auch Kenntnis habe.
7Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
8den Bescheid vom 20.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2013 aufzuheben und ihr als Rechtsnachfolgerin Altersrente aus der Versicherung von F N vom 01.07.1997 bis zum 31.01.2008 zu zahlen.
9Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie hat die getroffene Entscheidung für zutreffend erachtet und die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs lägen nicht vor.
12Das SG hat die Klage - nach Einholung des Einverständnisses der Beteiligten zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung - mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 26.09.2013 abgewiesen. Die zulässige Klage sei nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2013 beschwere die Klägerin nicht nach § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Diese Bescheide seien rechtmäßig, weil die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch habe, dass ihr als Rechtsnachfolgerin gemäß § 58 Erstes Sozialgesetzbuch (SGB I) i.V.m. §§ 1922 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Altersrente für den Versicherten gewährt werde.
13Dies folge aus § 35 S. 1 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach bestünde ein Anspruch von Versicherten auf Regelaltersrente, wenn sie die Regelaltersgrenze erreicht und die allgemeine Wartezeit erfüllt hätten. Ferner bestimme § 19 S. 1 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV) i. V. m. § 115 Abs. 1 S. 1 SGB VI, dass eine Altersrente nur auf Antrag hin zu gewähren sei. Dieser Antrag könne wegen der höchstpersönlichen Natur der Rentenleistungsansprüche nur vom Berechtigten selbst, nicht aber von Rechtsnachfolgern gestellt werden. Ausgehend hiervon habe die Beklagte zu Recht den von der Klägerin als Rechtsnachfolgerin gestellten Rentenantrag abgelehnt. Wegen der höchstpersönlichen Natur des Altersrentenanspruchs sei nicht sie, sondern nur der bereits verstorbene Versicherte antragsberechtigt gewesen. Etwas Anderes folge auch nicht aus dem vom Versicherten selbst gestellten Rentenantrag vom 07.11.2002. Denn diesen Antrag habe der Versicherte über seinen Bevollmächtigten zurückgenommen, noch bevor die Beklagte ihn habe bescheiden können. Mangels Bescheidung scheide auch die von der Klägerin zunächst beantragte Überprüfung früherer Ablehnungsbescheide aus.
14Ebenso scheide die Annahme der Klägerin aus, der Versicherte habe nur den in Deutschland gestellten Rentenantrag, nicht aber den zuvor in Israel gestellten zurückgenommen. Für die von der Klägerin angenommene "Aufspaltung" des Rentenverfahrens bestehe kein Raum, vielmehr werde durch einen sowohl in Israel als auch in Deutschland gestellten Rentenantrag nur ein Verwaltungsverfahren eingeleitet. Denn Art. 27 des Deutsch-Israelischen-Sozialversicherungsabkommens besage nur, dass ein Antrag als bei dem zuständigen Träger gestellt gelte, wenn er bei einem für die Annahme des Antrags auf eine entsprechende Leistung zuständigen Versicherungsträger des anderen Vertragsstaates gestellt werde.
15Schließlich scheide entgegen der Auffassung der Klägerin ein ererbter Rentenanspruch durch Annahme eines Rentenantrages des Versicherten im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aus. Dem stehe bereits die Vorschrift des § 59 S. 2 SGB I entgegen, woraus folge, dass Ansprüche auf Geldleistungen nur dann auf den Rechtsnachfolger übergingen, wenn über sie zumindest im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten ein Verwaltungsverfahren anhängig sei. Andernfalls würden sie mit dem Tod erlöschen. Hierbei werde auf die im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten tatsächlich bestehende Rechtslage abgestellt und nicht auf eine, die hätte bestehen können oder müssen. Der Gesetzgeber habe einen Anspruchsübergang für den Fall, dass Verfahrensmaßnahmen unterblieben seien, nicht vorgesehen, weswegen es selbst bei Annahme eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht zu einem Anspruchsübergang komme.
16Unabhängig davon habe die Klägerin aber auch nicht die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs substantiiert dargetan. Denn selbst wenn man mit der Klägerin die Frage, ob die restriktive Verwaltungspraxis bei Rentenanträgen nach dem ZRBG für Transnistrien überhaupt als Pflichtverletzung betrachtet werden könne, bejahe, habe die Klägerin nicht ansatzweise dargelegt, dass der verstorbene Versicherte hierdurch von einer Rentenantragstellung tatsächlich abgehalten worden sei. Er habe vielmehr trotz dieser Praxis auch zunächst einen Rentenantrag gestellt.
17Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 09.10.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.11.2013 Berufung eingelegt und ihr bisheriges Begehren weiterverfolgt und vertieft. Die Berufung stütze sich auf einen Herstellungsanspruch, weil der Versicherungsträger grundsätzlich das Risiko für die Richtigkeit seiner Rechtsauffassung trage. Die Unrichtigkeit sei unter Berücksichtigung des grundrechtlichen Vertrauensschutzes aus heutiger Sicht (ex post) und nicht aus der Sicht des Versicherungsträgers bei der Erstellung seiner Richtlinien (ex ante) festzustellen. Der Herstellungsanspruch leite sich unmittelbar aus dem Fehler der Verwaltung her und die durch das Verhalten des Versicherten verursachte Unkenntnis auf seinen Anspruch. Ein Verschulden sei nicht erforderlich. Der Versicherte sei hier seit dem Jahr 2001 vom Korrespondenzbüro des Bevollmächtigten H in Tel-Aviv betreut worden. Über dieses Büro sei dann auch im November 2001 ein Antrag nach dem ZRBG gestellt worden. Auf Grund der Anforderung der Beklagten vom 22.10.2003 sei der Versicherte darüber informiert worden, dass die Verwaltung die Anwendung des ZRBG bei Ghetto-Tätigkeiten in Transnistrien ablehne. Der Versicherte habe im Vertrauen auf die Richtigkeit der Rechtsauffassung der Verwaltung keine Chancen auf eine erfolgreiche Bearbeitung seines Antrags gesehen und die Mitwirkung eingestellt. Nach entsprechender Information des Büros H über die fehlende Mitwirkung habe der Bevollmächtigte den Antrag zurückgezogen. Die Antragsrücknahme sei auf der Basis eines rechtswidrigen Ausschlusses erfolgt und habe nicht den israelischen Rentenantrag umfasst. Nach Bekanntwerden von Anerkennungsleistungen bei einem Ghetto-Aufenthalt in Transnistrien habe der Versicherte das Büro H am 08.01.2008 (wieder) mit der Antragstellung beauftragt. Am 21.01.2008 sei er dann leider verstorben. Die Verwaltung habe durch die von ihr bei verschiedenen Anlässen mitgeteilte restriktive Rechtsauffassung ihre allgemeine Informationspflicht nach § 13 SGB I verletzt. Das BSG habe in einigen Sachverhalten (z.B. Versäumung der Nachentrichtungsfrist) entschieden, dass die Frist verlängert oder es der Rentenversicherung versagt werden müsse, sich auf die Antragsfrist zu berufen. Ebenfalls komme ein "normaler" Herstellungsanspruch unter Anwendung von § 44 Abs. 4 SGB X in Betracht. Der Versicherte habe hier keinen fristgerechten Antrag zum 30.06.2003 stellen können, da er seinen Anspruch nicht habe kennen können. Bei einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gelte der Grundsatz von Treu und Glauben. Auch der Verband der Deutschen Rentenversicherer (VDR) habe damals ausgeführt, dass Personen, die durch ein Verwaltungsverfahren oder erstinstanzliches Urteil falsch aufgeklärt worden seien und im Vertrauen darauf ihr Verfahren nicht weiter betrieben hätten, so behandelt werden müssten, als hätten sie den Antrag rechtzeitig gestellt. Die Beklagte müsse hier auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 und 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sowie den Bestandsschutz und hier insbesondere den Sozialstaatsgrundsatz Antragsverlängerung gewähren. Dem Ausschluss von Ghettobeitragszeiten in Transnistrien habe ein Ermittlungsfehler der Verwaltung verbunden mit einer restriktiven Gesetzesauslegung durch die Rentenversicherungen zugrunde gelegen. Die Kausalität für eine vorgenommene oder unterlassene Disposition des Betroffenen sei unter Umständen schwer nachweisbar. Würde dem Berechtigten aber der volle Beweis aufgebürdet, so wäre der Vertrauensschutz in vielen Fällen entwertet. Hier sei daher mit einer Beweislastumkehr oder dem Beweis des ersten Anscheins zu arbeiten. Stehe fest, dass die Sozialverwaltung rechtswidrig einen fehlerhaften Vertrauenstatbestand gesetzt habe und habe der Berechtigte zulässigerweise darauf vertraut, so sei der Sozialverwaltung das Risiko zuzuordnen, dass sich daraus die tatsächlich entstandenen Nachteile entwickelten.
18Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
19das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.09.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2013 zu verurteilen, ihr als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Vaters, Herrn F N, Altersrente aus dessen Versicherung ab 01.07.1997 bis zum 31.01.2008 zu zahlen.
20Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
23Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere des Vorbringens der Klägerin, wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
24Entscheidungsgründe:
25Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
26Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Ablehnung der Zahlung von Altersrente im Bescheid der Beklagten vom 20.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2013 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Vaters (§ 58 Abs. 1 S. 1 SGB I i.V. § 1922 Abs. 1 BGB) nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG).
27Gem. § 99 Abs. SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung (hier: der Versicherung des Vaters der Klägerin) von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.
28Die Klägerin hat - unabhängig von weiteren Anspruchsvoraussetzungen der Regelaltersrente gem. § 35 SGB VI i.V.m. ZRBG - bereits deshalb keinen Anspruch auf Zahlung von Altersrente aus der Versicherung ihres Vaters, weil es an einer wirksamen Antragstellung des Vaters gem. § 115 Abs. 1 S. 1 SGB VI fehlt. Der über den Bevollmächtigten im November 2002 gestellte Antrag kann keine Berücksichtigung finden, da er zurückgenommen worden ist (hierzu 1.). Ebenso scheidet die Fiktion eines Antrags mittels des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aus (hierzu 2.)
291.) Der vom Versicherten selbst (über seinen Bevollmächtigten) im November 2002 gestellte Rentenantrag hat das Leistungsverfahren zwar zunächst gem. §§ 19 S. 1 SGB IV, 115 Abs. 1 S. 1 SGB VI in Gang gesetzt. Diesen Antrag hat der Bevollmächtigte des Versicherten aber am 09.12.2003 zurückgenommen (vgl. zur Wirksamkeit der Rücknahme von Anträgen vor Bescheiderlass zB BSG Urt. v. 09.08.1995 - 13 RJ 43/94 - juris Rn. 23 mwN; vgl. auch Kühn in Kreikebohm, SGB VI, Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 115 Rn. 19 f.).
30Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, die Rücknahme umfasse nicht den "zuvor in Israel" gestellten Antrag, ist dieses Vorbringen bereits dem Wortlaut nach nicht nachvollziehbar. Nach Aktenlage ist nicht ersichtlich und im Übrigen von der Klägerin auch sonst nicht vorgetragen, dass der Versicherte nicht nur in Deutschland, sondern ausdrücklich auch in Israel einen (weiteren) Antrag auf Gewährung einer deutschen Altersrente gestellt hat. Im Übrigen würde die Rücknahmeerklärung jedoch auch einen solchen Rentenantrag mit erfassen, weil beiden Anträgen (dann) ein identischer Gegenstand zugrunde liegt, der sich nicht aufspalten lässt (vgl. hierzu LSG NRW Urt. v. 25.10.2013 - L 14 R 250/13 - juris Rn. 36 ff. mwN zur BSG-Rechtsprechung). Entsprechendes gilt auch, wenn man das Vorbringen der Klägerin so versteht, der im November 2002 in Deutschland gestellte Antrag sei gleichzeitig gem. Art. 27 des Deutsch-Israelischen Sozialversicherungsabkommens (DISVA) als in Israel gestellter Antrag auf deutsche Rente anzusehen und ihr Vater habe lediglich den ausdrücklichen Antrag hier, nicht aber den - fingierten - Antrag in Israel zurückgenommen. Auch dies würde eine (unzulässige) Aufspaltung einer einheitlichen Sache bedeuten (vgl. hierzu auch LSG NRW a.a.O. - juris Rn. 39). Darüber hinaus würde eine derartige Auslegung den Sinn der Antragsfiktion des Art. 27 DISVA verkennen, der darin besteht, die Antragstellung zu vereinfachen, nicht hingegen darin, zwei gleichartige Anträge nebeneinander und mit ggf. unterschiedlichem Schicksal zu konstruieren.
31Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin am 29.12.2009 einen "Antrag auf Überprüfung gem. § 44 SGB X" gestellt hat, konnte dieser Antrag mangels eines überprüfbaren (Vor-)Bescheides keine Wirkung entfalten. Auch bei der - von der Beklagten vorgenommenen - Umdeutung in einen Erstantrag ließ sich ein auf Rentenleistung für den Versicherten gerichtetes Verfahren nicht (mehr) wirksam in Gang setzen. Altersrenten werden gem. § 102 Abs. 5 SGB VI (lediglich) bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem der Berechtigte verstorben ist. Hier wäre eine Rentenzahlung aufgrund des Todes des Versicherten im Januar 2008 entsprechend lediglich bis Ende diesen Monats in Betracht gekommen, somit nicht mehr zum Zeitpunkt der (erneuten) Antragstellung knapp zwei Jahre später.
322.) Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich ein anderes Ergebnis auch nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Dieses von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ergänzend zu den gesetzlich geregelten Korrekturmöglichkeiten bei fehlerhaftem Verwaltungshandeln entwickelte Rechtsinstitut greift - im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs - ein, wenn ein Sozialleistungsträger durch Verletzung einer ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegenden Pflicht, insbesondere zur Beratung und Betreuung (vgl. §§ 14, 15 SGB I), nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese Folgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt werden können (vgl. zB BSG Urt. v. 23.10.2014 - B 11 AL 7/14 R - juris Rn. 35; Urt. v. 05.03.2014 - B 12 R 1/12 R - juris Rn. 24; Urt. v. 19.12.2013 - B 2 U 14/12 R - juris Rn. 23; Urt. v. 19.12.2013 - B 2 U 17/12 R - juris Rn. 37).
33Zur Überzeugung des Senats liegt bereits eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht vor. Auf die umfangreichen Ausführungen im Urteil des LSG NRW vom 25.10.2013 zum Verfahren L 14 R 250/13, an dem der Bevollmächtigte der Klägerin ebenfalls beteiligt war, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Diese macht der Senat sich nach Überprüfung zu eigen.
34Darüber hinaus fehlt es auch an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der von der Klägerin angenommenen Pflichtverletzung der Beklagten und den nachteiligen Folgen für den Versicherten bzw. für sie als dessen Rechtsnachfolgerin.
35Zunächst ist zu beachten, dass der Versicherte - wie vom SG zutreffend herausgestellt - durch die (behaupteten Fehl-)Informationen der Beklagten nicht von einer Antragstellung abgehalten worden ist, da er ja tatsächlich im November 2002 einen Leistungsantrag gestellt hat.
36Auch die Rücknahme des Rentenantrags im Dezember 2003 durch den Bevollmächtigten - nicht den Versicherten persönlich - ist erkennbar nicht auf eine behauptete Pflichtverletzung der Beklagten zurückzuführen. Der Bevollmächtigte hat selbst mitgeteilt, dass Grund für die Rücknahme die Tatsache war, dass der Versicherte die Mitwirkung am Verfahren eingestellt hatte.
37Ein Kausalzusammenhang zwischen der von der Klägerin geltend gemachten Pflichtverletzung der Beklagten und den Nachteilen (kein Rentenanspruch), die der Versicherte - und hiervon abgeleitet sie - durch die fehlende Fortführung des ursprünglichen Antragsverfahrens erlitten hat, kommt damit überhaupt nur dann in Betracht, wenn der Versicherte die Mitwirkung aufgrund dieser Pflichtverletzung eingestellt hat. Hierfür fehlt es zur Überzeugung des Senats an jeglichen konkreten, dies belegenden Anhaltspunkten.
38Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin zur Begründung deren Begehrens behauptet, der Versicherte habe im Vertrauen auf die Richtigkeit der Rechtsauffassung der Verwaltung keine Chancen auf eine erfolgreiche Bearbeitung des Antrags gesehen, handelt es sich um eine reine Mutmaßung ohne sachliche Stütze. Eigene Äußerungen des Versicherten sind nicht vorhanden und von der Klägerin zu keiner Zeit im Verfahren auch nur angeführt worden. Sonstige Umstände, die die Behauptung stützen könnten, sind weder erkennbar noch überhaupt vorgetragen. Zu keinem Zeitpunkt vor der Rücknahme des Antrags hat das Verhalten der Beklagten im konkreten Fall darauf deuten lassen, das Antragsverfahren sei aussichtslos. Im Gegenteil ist der Versicherte von der Beklagten mit Schreiben vom 22.10.2003 gebeten worden, konkrete Erklärungen abzugeben, um sein Begehren überprüfen zu können. Fordert eine Behörde Unterlagen an, so lässt dies aus objektiver Sicht zunächst durchaus Raum für die Annahme, der Antrag könne nach Prüfung positiv beschieden werden. Letztlich bewegt sich die Frage, aus welchen Gründen der Versicherte im Jahr 2003 die Mitwirkung am Verfahren eingestellt hat, im Bereich purer Spekulation. Die Gründe dafür, warum Versicherte nicht (mehr) an einem Verfahren mitwirken, sind ausgesprochen zahlreich. In einer großen Vielzahl von Fällen sind allein persönliche Umstände maßgeblich. Ohne konkrete Anhaltspunkte kann nicht einer der möglichen Gründe - hier eine behauptete durch die Beklagte begründete (Fehl-)Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Antrags - als tatsächlich maßgebliche Ursache angenommen werden. Dies gilt im vorliegenden Fall um so mehr, als bereits ein Ghettoaufenthalt des Versicherten nicht belegt ist. Nach den im Verfahren der Claims Conference eingeholten Unterlagen des Roten Kreuzes haben sich der Versicherte und seine Familie 1941 bis 1944 nicht in einem Ghetto, sondern nach Flucht in der Sowjetunion aufgehalten. Hierauf ist der Versicherte auch in der ablehnenden Entscheidung der Claims Conference hingewiesen worden. Es erscheint daher durchaus naheliegender, dass die fehlende weitere Mitwirkung des Versicherten im Rentenverfahren der Beklagten auf den Umstand fehlender Verfolgteneigenschaft zurückzuführen ist.
39Im Übrigen scheint auch die Klägerin selbst davon auszugehen, dass der erforderliche Kausalzusammenhang im Falle ihres Vaters nicht (positiv) festgestellt werden könne. So hat sie mehrfach betont, es genüge, wenn der Versicherte von der Antragstellung abgehalten worden sei oder "hätte abgehalten werden können". In die gleiche Richtung ist ihr Vortrag zu verstehen, die Kausalität "sei unter Umständen schwer nachweisbar". Soweit sie anschließend versucht, das Fehlen des Beweises zu ihren Gunsten über das Rechtsinstitut des Anscheinsbeweises bzw. eine Beweislastumkehr zu ersetzen, missachtet sie die tatsächlichen Umstände im hier vorliegenden Einzelfall und verkennt im Übrigen die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.
40Ein Anscheinsbeweis kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil es - wie ausgeführt - eine Vielzahl von Gründen gibt, aus denen ein Versicherter die Mitwirkung an einem Verfahren einstellt; dass dies grundsätzlich und üblicherweise einer Fehlinformation des Versicherungsträgers geschuldet ist, trifft gerade nicht zu.
41Eine Umkehr der Beweislast widerspräche zudem dem Schutzziel des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Dieser dient gerade dazu, (nur) denjenigen Versicherten, der aufgrund einer Pflichtverletzung der Behörde eine Disposition trifft oder unterlässt, zu schützen. Nicht schutzwürdig ist hingegen ein Versicherter, der die entscheidende Bedingung für seinen sozialrechtlichen Nachteil selbst setzt (vgl. BSG Urt. v. 06.03.2003 - B 4 RA 38/02 R - juris Rn. 54). Entsprechend kommt eine Begründung von Ansprüchen über den - außerhalb von gesetzlichen Normen stehenden - sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nur in Betracht, wenn eine Pflichtverletzung der Behörde auch wesentliche, d.h. mindestens gleichwertige Bedingung für den Eintritt des Rechtsverlusts war (BSG a.a.O.; Urt. v. 22.10.1996 - 13 RJ 23/95 - juris Rn. 34). Raum für eine Beweislastumkehr besteht hier nicht.
42Schließlich ist auch nicht erwiesen, dass die Rücknahme des ursprünglichen Rentenantrags nachteilige Folgen für den Versicherten bzw. dessen Tochter als seine Rechtsnachfolgerin hatte. Da nach Aktenlage, insbesondere den Ermittlungen der Claims Conference, denen der Versicherte bzw. die Klägerin nicht widersprochen haben, ein Verfolgtenschicksal iSd ZRBG nicht bestanden haben dürfte, hätte dem Versicherten der geltend gemachte Anspruch auch bei Weiterführung des Antragsverfahrens voraussichtlich nicht zugesprochen werden können.
43Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
44Der Streitwert für die Gerichtsgebühren wird gem. § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) endgültig auf 30.011,12 Euro festgesetzt. Die Bestimmung des Streitwerts folgt dem Wert des begehrten Anspruchs auf Rentenzahlung entsprechend der Probeberechnung der Beklagten vom 30.10.2013.
45Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
(1) Das Verfahren beginnt mit dem Antrag, wenn nicht etwas anderes bestimmt ist. Eines Antrags bedarf es nicht, wenn eine Rente wegen der Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse in niedrigerer als der bisherigen Höhe zu leisten ist.
(2) Anträge von Witwen oder Witwern auf Zahlung eines Vorschusses auf der Grundlage der für den Sterbemonat an den verstorbenen Ehegatten geleisteten Rente gelten als Anträge auf Leistung einer Witwenrente oder Witwerrente.
(3) Haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen, ist anschließend eine Regelaltersrente zu leisten, wenn sie nicht etwas anderes bestimmen. Haben Witwen oder Witwer bis zum Erreichen der Altersgrenze für eine große Witwenrente oder große Witwerrente eine kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente bezogen, ist anschließend eine große Witwenrente oder große Witwerrente zu leisten.
(4) Leistungen zur Teilhabe können auch von Amts wegen erbracht werden, wenn die Versicherten zustimmen. Die Zustimmung gilt als Antrag auf Leistungen zur Teilhabe.
(5) Rentenauskünfte werden auch von Amts wegen erteilt.
(6) Die Träger der Rentenversicherung sollen die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. In Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund kann bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen solche Hinweise erfolgen sollen.
Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen erlöschen mit dem Tod des Berechtigten. Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist.
Die Leistungsträger, ihre Verbände und die sonstigen in diesem Gesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen sind verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über die Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch aufzuklären.
(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.
(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.
(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.
Soweit fällige Ansprüche auf Geldleistungen nicht nach den §§ 56 und 57 einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, werden sie nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs vererbt. Der Fiskus als gesetzlicher Erbe kann die Ansprüche nicht geltend machen.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.
(2) Eine Hinterbliebenenrente wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Sie wird bereits vom Todestag an geleistet, wenn an den Versicherten eine Rente im Sterbemonat nicht zu leisten ist. Eine Hinterbliebenenrente wird nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt wird, geleistet.
Versicherte haben Anspruch auf Regelaltersrente, wenn sie
- 1.
die Regelaltersgrenze erreicht und - 2.
die allgemeine Wartezeit erfüllt
(1) Das Verfahren beginnt mit dem Antrag, wenn nicht etwas anderes bestimmt ist. Eines Antrags bedarf es nicht, wenn eine Rente wegen der Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse in niedrigerer als der bisherigen Höhe zu leisten ist.
(2) Anträge von Witwen oder Witwern auf Zahlung eines Vorschusses auf der Grundlage der für den Sterbemonat an den verstorbenen Ehegatten geleisteten Rente gelten als Anträge auf Leistung einer Witwenrente oder Witwerrente.
(3) Haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen, ist anschließend eine Regelaltersrente zu leisten, wenn sie nicht etwas anderes bestimmen. Haben Witwen oder Witwer bis zum Erreichen der Altersgrenze für eine große Witwenrente oder große Witwerrente eine kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente bezogen, ist anschließend eine große Witwenrente oder große Witwerrente zu leisten.
(4) Leistungen zur Teilhabe können auch von Amts wegen erbracht werden, wenn die Versicherten zustimmen. Die Zustimmung gilt als Antrag auf Leistungen zur Teilhabe.
(5) Rentenauskünfte werden auch von Amts wegen erteilt.
(6) Die Träger der Rentenversicherung sollen die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. In Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund kann bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen solche Hinweise erfolgen sollen.
Leistungen in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie in der sozialen Pflegeversicherung werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt. Leistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung werden von Amts wegen erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die gesetzliche Unfallversicherung nichts Abweichendes ergibt.
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig zwischen den Beteiligten ist der Beginn einer der Klägerin zustehenden Regelaltersrente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
3Die Klägerin wurde am 00.00.1924 in Rumänien geboren. Sie ist jüdischen Glaubens. Sie lebt in Israel und ist israelische Staatsbürgerin.
4Am 01.03.1984 stellte die Klägerin einen Rentenantrag in Israel. Am 04.12.1998 beantragte sie mittels eines Vordrucks mit dem Betreff " Anerkennung von Arbeitszeiten im Ghetto" "nach dem FRG/ WGSVG/SGB VI"die Anerkennung ihrer Arbeitszeiten im Ghetto als Beitragszeiten, die Zulassung zum Nachentrichtungsverfahren und eine Altersrente. Die Beklagte übersandte der Klägerin daraufhin Antragsvordrucke und bat sie, diese auszufüllen. Am 19.04.1999 erinnerte die Beklagte die Klägerin an die Übersendung der Unterlagen. Sofern eine solche nicht erfolge, müsse der Antrag abgelehnt werden. Mit Schreiben vom 03.05.1999 (eingegangen am 31.05.1999) erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten: "Sehr geehrter Herr, ersuche höflichst meine Akte zu schliessen, ich kann keine Deutschprüfung machen, weil ich die Sprache nicht beherrsche." Die Beklagte sah die Erklärung als Rücknahme des Antrags an und schloss das Verfahren ab.
5Mit Bescheid vom 16.02.2009 gewährte das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen der Klägerin eine Anerkennungsleistung in Höhe von EUR 2000,- für Arbeit in einem Ghetto, die keine Zwangsarbeit war und bisher ohne sozialversicherungsrechtliche Berücksichtigung geblieben ist.
6Am 23.12.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Anerkennung einer Beitragszeit und Rentennachzahlung nach dem ZRBG. Soweit bereits ein Rentenverfahren durchgeführt worden sei beantrage sie die Überprüfung nach § 44 SGB X. Die Klägerin gab hierbei an, sich im Zeitraum von Anfang bis Ende Mai 1944 zwangsweise im Ghetto Oradea aufgehalten zu haben. Sie habe dort Küchenarbeiten durchgeführt und dafür Mittagessen und zusätzliche Lebensmittel erhalten.
7Mit Bescheid vom 24.11.2010 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Regelaltersrente in Höhe von EUR 201,07 monatlich für den Zeitraum ab dem 01.12.2009. Sie erkannte hierbei die Zeit vom 01.05.1944 bis zum 31.05.1944 als Beitragszeit nach dem ZRBG und die Zeiten vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1949 als Ersatzzeit an. Die Klägerin erhob am 29.11.2010 Widerspruch gegen diesen Bescheid. Der Rentenbeginn sei am 01.07.1997 anzusetzen. Sie sei im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob der Antrag bereits am 30.06.2003 gestellt worden sei. Die Rentenversicherungsträger hätten durch ihre restriktive Gesetzesauslegung in der Vergangenheit, die insbesondere Sachbezüge nicht für ausreichend gehalten habe und bestimmte Gebiete von der Einbeziehung in das ZRBG ausgeschlossen habe, die Antragsteller davon abgehalten, den Aufwand eines früheren Antragsverfahrens zu betreiben. Damit hätten sie die sich aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebende Verpflichtung zur gebotenen Förderung sozialer Rechte verletzt. Zudem liege ein Verstoß gegen Art.3 des Grundgesetzes (GG) vor. Die "Berücksichtigung von offenen Verfahren und der damit einhergehenden Rechtsfolge Rentenbeginn 1997" beruhe auf Zufälligkeiten, die der Personengruppe der Verfolgten nicht zugemutet werden könne.
8Mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach § 19 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) würden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur auf Antrag erbracht. Der Rentenantrag löse gemäß § 115 Abs.1 SGB VI das Verwaltungsverfahren aus. Er bestimme in Zusammenhang mit § 99 SGB VI den Rentenbeginn. Mit § 3 ZRBG habe der Gesetzgeber keine Spezialregelung zur allgemeinen Regelung des § 99 SGB VI geschaffen. Dieser regele nur, dass ein bis zum 30.06.2003 gestellter Rentenantrag als ein zum 18.06.1997 gestellter Antrag gelte und stelle somit eine Antragsfiktion, aber keine spezielle Beginnsvorschrift dar. Die Klägerin habe ihren Antrag erstmals am 23.12.2009 und damit nach dem 30.06.2003 gestellt. Aus dem Antrag vom 04.12.1998 könne die Klägerin keine Rechte mehr herleiten, weil sie diesen am 31.05.1999 zurückgenommen habe.
9Diese Rücknahme erfasse auch den israelischen Rentenantrag. Ein Überprüfungsantrag gemäß § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) könne bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil mit dem Bescheid vom 24.11.2010 auch erstmalig über das Begehren der Klägerin entschieden worden sei. § 44 SGB X könne auch in Verbindung mit einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht zu einem Erfolg des Widerspruchs führen. Eine rechtswidrige Pflichtverletzung könne bereits deshalb nicht festgestellt werden, weil das Bundessozialgericht erstmals in seinen Urteilen vom 02.06.2009 und 03.06.2009 die Tatbestandsmerkmale nach dem ZRBG "gegen Entgelt" und "aus eigenem Willensentschluss" erweiternd ausgelegt habe. Die Klägerin habe ihre Anträge zurückgenommen.
10Am 22.06.2012 hat die Klägerin vor dem SG Düsseldorf Klage gegen den Bescheid vom 24.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.06.2012 erhoben. Sie hat vorgetragen, dass der Rentenbeginn bereits früher anzusetzen sei. Sie sei im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob der Antrag bereits am 30.06.2003 gestellt worden sei. Die Rentenversicherungsträger hätten durch ihre restriktive Gesetzesauslegung in der Vergangenheit, die insbesondere Sachbezüge nicht für ausreichend gehalten habe und bestimmte Gebiete von der Einbeziehung in das ZRBG ausgeschlossen habe, die Antragsteller davon abgehalten, den Aufwand eines früheren Antragsverfahrens zu betreiben. Damit hätten sie die sich aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebende Verpflichtung zur gebotenen Förderung sozialer Rechte verletzt. Im vorliegenden Fall ergebe sich dies insbesondere daraus, dass sie sich in Ghettos in Ungarn aufgehalten habe. Bis zum Jahr 2009 habe die Beklagte ausdrücklich ausgeführt, dass das ZRBG auf Ghettos in Ungarn keine Anwendung finde. Auch der Präsident des Sozialgerichts Düsseldorf habe geäußert, dass die meisten Klagen hätten abgewiesen werden müssen. Aufgrund der in vielen Fällen geäußerten Rechtsauffassung seien andere Personen davon abgehalten worden, einen Rentenantrag zu stellen. Auch sie habe sich aufgrund der Chancenlosigkeit dazu entschlossen, das psychisch und physisch belastende Rentenverfahren nicht durchzuführen. Im Hinblick auf den von ihr angenommenen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verweist die Klägerin auf die Urteile des Bundessozialgerichts, 13 RJ 23/95, 13 RJ 5/95 und 12 RK 27/88.
11Die Unrichtigkeit eines Bescheides sei aus heutiger Sicht und nicht aus der Sicht des Zeitpunkts der Bescheiderteilung zu beurteilen. Die Klägerin hat einen anonymisierten Bescheid aus einem Parallelverfahren aus dem Jahr 2003 beigefügt, in dem die Beklagte einen Anspruch nach dem ZRBG mit der Begründung der fehlenden Anwendbarkeit des ZRBG auf Ghettos in Ungarn abgelehnt hat.
12Mit Urteil vom 22.02.2013 hat das SG Düsseldorf die Klage ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Der Rentenbeginn sei mit dem 01.12.2009 zutreffend angesetzt, weil die Klägerin erst am 14.12.2009 die Rente nach dem ZRBG beantragt habe. Weder aus dem in Israel gestellten Rentenantrag aus dem Jahr 1984 noch aus dem Antrag der Klägerin vom 04.12.1998 folge etwas anderes. Denn diese Anträge habe die Klägerin zurückgenommen. Gemäß dem Urteil des BSG vom 07.02.2012 - B 13 R 40/11 R - erfasse eine der Antragsrücknahme vergleichbare bestandskräftige Ablehnung eines in Deutschland gestellten Rentenantrags auch den zuvor in Israel gestellten Rentenantrag. Für die Auslegung des Schreibens vom 03.05.1999 als Rücknahme spreche auch, dass die Klägerin danach zehn Jahre lang keinen Kontakt zur Beklagten mehr gesucht habe.
13Der Klägerin stehe weiter kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zur Seite. Dieser setze zunächst eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur Aufklärung der Bevölkerung gemäß § 13 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I) aber nicht verletzt. Insbesondere habe sie keine fehlerhafte Allgemeininformation zum ZRBG verfasst. Die Beklagte habe lediglich in Parallelfällen das ZRBG gemäß der damaligen Rechtsprechung des BSG restriktiv ausgelegt und insbesondere ein die Versicherungspflicht dem Grunde nach auslösendes Entgelt als Voraussetzung gesehen. Die Annahme einer Pflichtverletzung scheide bereits deshalb aus, weil die Beklagte sich im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung befunden habe. Zudem sei keine Kausalität zwischen einer unterstellten Pflichtverletzung der Beklagten und der Rücknahme des Rentenantrags durch die Klägerin zu erkennen. Andere Antragsteller hätten sich durch die restriktive Bewilligungspraxis der Beklagten nämlich nicht davon abhalten lassen, ihren Rentenantrag weiterzuverfolgen und gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen.
14Am 15.03.2013 hat die Klägerin Berufung gegen das Urteil eingelegt. Sie trägt weiter vor, dass ihr aus verschiedenen Quellen bekannt gewesen sei, dass die deutschen Rentenversicherungsträger Tätigkeiten in einem Ghetto ohne entsprechende Bezahlung nicht als anspruchsauslösend ansähen. Sie nimmt weiter Bezug auf das Urteil des BSG vom 24.10.1985 - 12 RK 48/84 und vom 21.06.1990 - 12 RK 27/88. Sie hat sich zunächst ergänzend darauf bezogen, dass ihre Erklärung vom 31.05.1999 nicht als Rücknahme zu werten sei und in diesem Zusammenhang einen Richterbrief des Senats aus dem Verfahren L 14 R 861/12 übersandt.
15Die Beklagte hat in Reaktion auf diesen Vortrag darauf verwiesen, dass im Jahr 1998 das ZRBG noch nicht verkündet gewesen sei. Für die Anerkennung von Zeiten nach § 20 WGSVG oder § 17a FRG sei die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis unabdingbare Voraussetzung gewesen, so dass der Verweis der Klägerin auf ihre fehlenden Deutschkenntnisse als Begründung der Rücknahme zu werten sei. Die Rücknahme erfasse auch den israelischen Antrag; es sei davon auszugehen, dass die Klägerin von diesem Kenntnis gehabt habe. Art.27 DISVA sei auch im Jahr 1999 - auch vor der Verkündung des ZRBG - schon existent gewesen. Die Klägerin hat daraufhin an ihren Ausführungen zur Rücknahme des Antrags nicht mehr festgehalten, bezieht sich aber weiterhin darauf, dass ihr ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zur Seite stehe.
16Die Klägerin stützt sich weiter auf einen Richterbrief des Sozialgerichts Berlin im dortigen Verfahren S 31 R 4726/12. Der dortige Kammervorsitzende hat darauf verwiesen, dass die bis zum 31.12.1991 geltende Reichsversicherungsordnung (RVO) und das Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) für Versicherte, die das 65.Lebensjahr vollendet und die Wartezeit erfüllt hatten, kein Antragserfordernis vorgesehen hätten. Ein bereits unter Geltung der RVO entstandener Altersrentenanspruch erlösche nicht durch das zum 01.01.1992 eingeführte Antragserfordernis. Da sie das 65. Lebensjahr bereits im Jahr 1985 vollendet habe, sei diese Rechtsauffassung auch auf sie anwendbar. Es sei der Zeitpunkt der Entstehung des Stammrechts und nicht der Zahlungsbeginn maßgeblich.
17Die Klägerin beantragt,
18das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2013 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 24.11.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2012 zu verurteilen, der Klägerin Regelaltersrente bereits ab 01.07.1997 zu gewähren.
19Die Beklagte beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Im vorliegenden Fall sei eine Pflichtverletzung der Beklagten schon deshalb nicht anzunehmen, weil die Klägerin vor ihrer Antragstellung im November 2009 überhaupt keine Angaben gemacht habe, die eine Prüfung ihres Anspruchs ermöglicht hätten. Die von der Klägerin zitierten Urteile des BSG seien nicht auf den vorliegenden Sachverhalt zu übertragen.
22Das Urteil vom 24.10.1985 - 12 RK 48/84 - habe sich mit der Frage beschäftigt, ob eine Ausschlussfrist unter bestimmten Voraussetzungen neu eröffnet werden müsse. In dem Urteil werde ausdrücklich aufgeführt, das in einem derartigen Fall der Rückgriff auf das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht zulässig sei.
23Das Urteil vom 21.06.1990 - 12 RK 27/88 - sei bereits deshalb nicht anwendbar, weil die Beklagte im vorliegenden Fall (dort abweichend: Herausgabe eines Merkblatts) keine Allgemeininformation erteilt habe. Das BSG habe auch angemerkt, dass die Versäumung einer Frist nicht mit einer fehlerhaften Beratung oder Auskunft begründet werden könne, wenn sich der Antragsteller erst nach dem Ablauf dieser Frist an die Behörde gewandt habe. Dies müsse auch gelten, wenn der Antragsteller gegenüber der Behörde vor dem Ablauf der Frist keine Angaben gemacht habe, die eine Prüfung des Anspruchs ermöglicht hätten. Da das ZRBG rückwirkend zum 01.07.1997 in Kraft getreten sei, könnten Renten nach diesem Buch auch frühestens am 01.07.1997 beginnen und seien damit am SGB VI zu messen. Ghettobeitragszeiten nach dem ZRBG seien nämlich Zeiten eigener Art gemäß § 55 Abs.1 S.2 SGB VI, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Ein Rentenstammrecht aus Ghettobeitragszeiten könne damit erst mit dessen Inkrafttreten entstanden sein.
24Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung und hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der wesentliche Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
25Entscheidungsgründe:
26Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Bescheid der Beklagten vom 24.11.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2012 nicht rechtswidrig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt ( § 54 Absatz 2 SGG). Denn die Beklagte hat rechtmäßig entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung der Regelaltersrente vor dem 01.12.2009 und damit auch nicht für die Zeit vom 01.07.1997 bis zum 30.11.2009 hat.
27Gemäß § 99 SGB VI hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung ihrer Regelaltersrente erst für die Zeit ab dem 01.12.2009, weil sie dem Antragserfordernis des § 115 Absatz 1 Satz 1 SGB VI unterlag und als zu berücksichtigender Antrag allein ihr Rentenantrag vom 23.12.2009 in Frage kommt (dazu I.). Ein früherer Rentenbeginn kann weder aufgrund einer Verlängerung der Rentenantragsfrist entsprechend der Rechtsprechung des BSG zur Verlängerung von Nachentrichtungsfristen (dazu II.) noch aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (dazu III) noch unter Berücksichtigung des sogenannten Wiedergutmachungsgedankens (dazu IV) angenommen werden.
28I.
29Gemäß § 99 SGB VI hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung ihrer Regelaltersrente erst für die Zeit ab dem 01.12.2009 Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Regelaltersrente der Klägerin nach § 35 SGB VI und nach Maßgabe des ZRBG waren für sie zwar mit (dem rückwirkenden) Inkrafttreten des ZRBG vom 20.06.2002 (Artikel 1 des Gesetzes vom 20.06.2002, veröffentlicht am 27.06.2002, BGBl I, 2074) zum 01.07.1997 (Artikel 3 Absatz 2 des Gesetzes vom 20.06.2002) erfüllt, weil sie bereits im März 1989 ihr 65. Lebensjahr vollendet hatte, Zeiten nach dem ZRBG vom 01.05.1944 bis zum 31.10.1944 vorliegen und sie hierdurch auch die allgemeine Wartezeit erfüllt.
30Weitere Voraussetzung für die Gewährung einer Altersrente an die Klägerin war aufgrund der Vorschrift des § 115 Absatz 1 Satz 1 SGB VI aber ein wirksamer Rentenantrag.
31Mit dem Inkrafttreten der §§ 19 Satz 1 SGB IV und 115 Absatz 1 Satz 1 SGB VI am 01.01.1992 ist nämlich das Antragsprinzip eingeführt worden: Danach werden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich nur auf Antrag erbracht. Erst der Rentenantrag löst regelmäßig das Verwaltungsverfahren aus. Der Rentenantrag ist dabei auch für den Rentenbeginn nach § 99 SGB VI maßgeblich. Danach wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird ( § 99 Absatz 1 Satz 2 SGB VI).
32§ 99 Absatz 1 Satz 2 SGB VI gestaltet einen materiell-rechtlichen, die fälligen und ab dem 01.01.1992 entstandenen Einzelansprüche aus einem Recht auf Regelaltersrente vernichtenden Einwand aus. Dieser greift dann Platz, wenn der Antrag mehr als drei Kalendermonate nach Ablauf des Monats gestellt wird, in dem das Recht auf Rente entstanden ist (BSG, Urteil vom 02.08.2000, B 4 RA 54/99 R, SozR 3 2600 § 99 Nr. 5 (Rdnr. 17)). Nachdem die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen für eine Regelaltersrente nach § 35 SGB VI und nach Maßgabe des ZRBG mit (dem rückwirkenden) Inkrafttreten des ZRBG zum 01.07.1997 erfüllt hatte, war der dritte Kalendermonat nach Ablauf dieses Monats der Oktober 1997. Da aber nach § 99 Absatz 1 Satz 2 SGB VI bei späterer Antragstellung eine Rente aus eigener Versicherung erst vom Antragsmonat an geleistet wird, war Rente ab dem 01.12.2009 zu leisten. In diesem Zusammenhang kommt als maßgeblicher Antrag auch allein der Antrag der Klägerin vom 23.12.2009 in Betracht.
33Die Klägerin kann sich in diesem Zusammnhang weder auf ihren früheren Antrag vom 04.12.1998 noch auf den im Jahr 1984 in Israel gestellten Antrag auf Gewährung einer Altersrente berufen.
34Sie kann sich zunächst nicht auf ihren früheren Antrag vom 04.12.1998 berufen.
35Ihre Erklärung vom 31.05.1999 "Sehr geehrter Herr, ersuche höflichst meine Akte zu schließen, ich kann keine Deutschprüfung machen, weil ich die Sprache nicht beherrsche" ist im Rahmen einer verständigen Würdigung gemäß §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nämlich als Rücknahme des Antrags zu verstehen. Bereits ohne die Einbeziehung zusätzlicher Gesichtspunkte kommt im Deutschen der Begrifflichkeit des (Ab)Schließens eines Vorgangs, eines Kapitels etc. (der Begriff des "Schließens der Akte" ist hier eher unüblich) eine endgültige Bedeutung zu. In der englischen Sprache ist die wörtliche Übersetzung "to close a file"- insbesondere in Medienberichten zu rechtlichen Fragestellungen - deutlich gebräuchlicher und wird in Zusammenhang mit dem Abschluss eines Verfahrens gebraucht.
36Auch die Würdigung des Zusammenhangs, in dem die Klägerin ihre Erklärung vom 04.12.1998 abgegeben hat, spricht für deren Wertung als Rücknahme. Die Beklagte hatte die Klägerin nach ihrer Antragstellung von ihr auszufüllende Vordrucke übersandt. Die Anspruchsvoraussetzungen für eine mögliche Altersrente der Klägerin im Jahre 1998 bestimmten sich nach den Vorschriften des Fremdrentengesetzes (FRG) und nach dem Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG). Die Vorschriften der §§ 17a FRG und 20 WGSVG knüpften aber ausdrücklich an eine Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis an. Es ist davon auszugehen, dass auch in den der Klägerin von der Beklagten übersandten Vordrucken Fragen zum kulturellen Hintergrund der Klägerin, ihrem Sprachgebrauch und ihren Sprachkenntnissen gestellt worden sind und dass die Klägerin im Hinblick auf die von ihr angenommenen fehlenden deutschen Sprachkenntnisse von der Erfolgslosigkeit ihres Begehrens ausgegangen ist. Für die Würdigung der Erklärung als Rücknahme und nicht als bloßen Antrag auf Ruhen des Verfahrens spricht auch, dass die Klägerin sich bis zur erneuten Antragstellung im Jahr 2009 nicht mehr bei der Beklagten gemeldet hat.
37Auf einen israelischen Rentenantrag kann die Klägerin sich ebenfalls nicht berufen. Zwar hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 19.04.2011 - B 13 R 20/10R - juris - (die Entscheidung des Senats vom 12.02.2010, L 14 R 3/08 - juris - bestätigend) entschieden, dass ein in Israel gestellter Antrag auf Altersrente gemäß Art.27 Abs.2 S.1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit ( Israel SozSich) auch für die deutsche Altersrente zu berücksichtigen ist. Der israelische Antrag gilt -sowohl formell als auch materiell- zugleich als Antrag auf "entsprechende Leistung" nach deutschem Recht (BSG, Urteil vom 19.04.2011 - B 13 R 20/10 R - juris - (Rdnr.19)).
38Die Rücknahmeerklärung der Klägerin vom 31.05.1999 erfasst jedoch auch den israelischen Rentenantrag, soweit dieser sich auf die Gewährung einer deutschen Altersrente bezog, weil insoweit ein identischer Streitgegenstand vorliegt.
39Das BSG hat in dem Urteil B 13 R 20/10 R (juris (Rdnr.19)) ausgeführt, dass Art. 27 Abs.2 S.2 Abk Israel SozSich eine Antragsfiktion bewirkt, die keine ausdrückliche Geltendmachung deutscher Versicherungszeiten, keine Übermittlung des israelischen Antrags an den Versicherungsträger und keine tatsächliche Kenntnis des deutschen Rentenversicherungsträgers voraussetzt. Der Antragsteller soll damit von der Mühe einer doppelten Antragstellung entbunden werden. Die Antragsgleichstellung bewirkt die "automatische" Erstreckung eines Antrags auf Leistung in einem Vertragsstaat auf die entsprechende Leistung in dem anderen Vertragsstaat (BSG, wie vor juris - (Rdnr.23)). Aufgrund der automatischen Funktion als deutscher Rentenantrag war der Gegenstand des israelischen Antrags mit dem Gegenstand des Antrags der Klägerin vom 04.12.1998 identisch, soweit ersterer sich auf die eine mögliche Altersrente bezog. Die Aufspaltung dieses Streitgegenstands ist unter Berücksichtigung der Ausführungen im Urteil des BSG - B 13 R 20/10 R - und insbesondere des Urteils vom 07.02.2012- B 13 R 40/11 R - juris-, dessen Betrachtung der Senat sich anschließt - nicht möglich.
40Das BSG hat sich in dem Urteil B 13 R 40/11 R unter anderem mit der Frage befasst, wie sich die bestandskräftige Entscheidung über einen deutschen Altersrentenantrag auf einen bereits zuvor gestellten israelischen Antrag auswirkt. Hierzu führt es aus (juris, Rdnr.34): "Ob die Klägerin vor dem 30.6.2003 weitere Rentenanträge zB bei einem israelischen Versicherungsträger (mit Wirkung für die deutsche gesetzliche Rentenversicherung: s hierzu Senatsurteil vom 19.4.2011 - B 13 R 20/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-6480 Art 27 Nr 1 vorgesehen) gestellt hat, kann im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben. Denn solche Anträge hätten sich auch dann mit Erlass des Bescheids der Beklagten vom 19.11.2004 erledigt, wenn sie der Beklagten nicht bekannt waren. Denn dieser Bescheid ist mit Eintritt seiner Bestandskraft nach § 77 SGG "in der Sache" bindend geworden (vgl zur Bindungswirkung bestandskräftiger Verwaltungsakte bereits BSG vom 21.9.1962 - BSGE 18, 22, 26 = SozR Nr 35 zu § 77 SGG). Nach der Rücknahme des Ablehnungsbescheids vom 19.11.2004 nach § 44 SGB X ist daher auch insoweit die rückwirkende Rentenzahlung durch § 44 Abs 4 SGB X beschränkt."
41Dieser Rechtsauffassung schließt der erkennende Senat sich vollumfänglich an.
42Diese Doppelwirkung in der "Sache" muss nach dem Vorstehenden auch hinsichtlich der Wirkung der Rücknahme der Klägerin für den israelischen Rentenantrag gelten. Sofern man die Möglichkeit der Aufspaltung der "einheitlichen" Sache im Rahmen einer sie erfassenden Entscheidung verneint, kann diese Möglichkeit auch bei einer auf "die Sache" bezogenen Rücknahme nämlich nicht angenommen werden.
43Der aus § 99 SGB VI resultierende Rentenbeginn am 01.11.2009 erfährt durch § 3 Absatz 1 Satz 1 ZRBG keine Änderung. Nach dieser Vorschrift gilt (nur) ein bis zum 30.06.2003 gestellter Antrag auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als am 18.06.1997 gestellt. Wurde der Antrag bis zum 30.06.2003 gestellt, wird durch § 3 Absatz 1 Satz 2 ZRBG das Antragsdatum fiktiv auf den 18.06.1997 festgesetzt. Damit wurden jene Berechtigten, die durch die Verkündung des ZRBG am 27.06.2002 davon Kenntnis erlangten und sich aufgrund dieses Gesetzes binnen gut einen Jahres nach seiner Verkündung zu einem Antrag auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung veranlasst sahen, so behandelt, als hätten sie den Antrag bereits am Tage des BSG-Urteils (vom 18.06.1997, 5 RJ 66/95, BSGE 80, 250) über die rentenversicherungsrechtliche Behandlung von Beschäftigungen in einem Ghetto gestellt (vgl. BSG, Urteil vom 03.05.2005, B 13 RJ 34/04 R, BSGE 94, 294 (Rdnr. 29)). Dass bereits 65-jährige Berechtigte mit erfüllter Wartezeit aufgrund des rückwirkenden Inkrafttretens des ZRBG vom 20.06.2002 zum 01.07.1997 trotz erst am 27.06.2002 erfolgter Verkündung des ZRBG und damit erstmalig gegebener Möglichkeit zur Kenntnisnahme dieses Gesetzes einen Antrag bis spätestens Oktober 1997 hätten stellen müssen, um die zwingende Folge eines Anspruchsverlusts nach § 99 Absatz 1 Sätze 1 und 2 SGB VI zu vermeiden, wurde durch § 3 Absatz 1 Satz 1 ZRBG modifiziert. Die Vorschrift regelt nämlich nicht selbst unmittelbar den Rentenbeginn, sondern fingiert lediglich den maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung (BSG, Urteil vom 07.02.2012, B 13 R 40/11 R, BSGE 110, 97 (Rdnr. 22 m.w.N.)).
44Die amtliche Überschrift des § 3 Absatz 1 ZRBG ("Besonderheiten beim Rentenbeginn") verdeutlicht dabei, dass die Regelung nicht selbst den Rentenbeginn für "Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto" festlegt, sondern lediglich Besonderheiten hinsichtlich eines einzelnen für den Rentenbeginn nach § 99 SGB VI bedeutsamen Umstandes - des Zeitpunktes der Antragstellung - normiert. Dies geht auch aus der Regelung des § 1 Absatz 2 ZRBG hervor, wonach dieses Gesetz "die rentenrechtlichen Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung" (WGSVG) ergänzt. Nach § 7 WGSVG ergänzen jedoch wiederum diese Vorschriften "zugunsten von Verfolgten die allgemein anzuwendenden Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch".
45Dem aus § 99 SGB VI resultierenden Rentenbeginn am 01.11.2009 steht nicht entgegen, dass die Klägerin möglicherweise von der Frist des § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI und vom rückwirkenden Inkrafttreten des am 27.06.2002 veröffentlichten ZRBG zum 01.07.1997 keine Kenntnis hatte. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 Absatz 1 Satz 1 SGB X kann ihr nicht zugebilligt werden. Zwar ist eine solche Wiedereinsetzung grundsätzlich auch bei Versäumung einer Frist des materiellen Sozialrechts zulässig, wenn die betreffende Regelung dies ausdrücklich bestimmt oder ihre Auslegung dies ergibt (BSG, Urteile vom 25.10.1988, 12 RK 22/87, BSGE 64, 153 ff.; vom 21.05.1996, 12 RK 43/95, SozR 3 5070 § 21 Nr. 3; vom 22.10.1996, 13 RJ 23/95, BSGE 79, 168 ff.). Ob danach eine Wiedereinsetzung bei Versäumung der Dreimonatsfrist des § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI, der eine Wiedereinsetzung nicht ausdrücklich vorsieht, im Wege der Auslegung zulässig wäre, kann indes offenbleiben (so auch BSG, Urteil vom 22.10.1996, a.a.O.). Denn gemäß § 27 Absatz 3 SGB X kann nach Ablauf eines Jahres seit dem Ende der versäumten Frist (hier Oktober 1997) die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden oder die versäumte Handlung - hier Antrag auf Regelaltersrente - nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Dafür, dass die Klägerin bis zum Ablauf des Oktober 1998 durch höhere Gewalt an der rechtzeitigen Antragstellung gehindert gewesen sein soll, ist nichts ersichtlich. Wegen Nichteinhaltung der Jahresfrist konnte ein allenfalls erstmalig für den 23.12.2009 anzunehmender Antrag auf Wiedereinsetzung nicht zu einer solchen führen. Hinzu kommt, dass die Klägerin auch bei bestehender Unkenntnis der Fristen-Regelung des § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI nicht im Sinne des § 27 Absatz 1 SGB X ohne ihr Verschulden gehindert war, diese Frist einzuhalten, weil sich dies aus dem Grundsatz der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen ergibt. Danach gelten Gesetze mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich davon Kenntnis erhalten haben (BSG, Urteil vom 21.06.1990, 12 RK 27/88, BSGE 67, 90 ff.); dieser Grundsatz ist auch für die Beantwortung der Frage bedeutsam, welche Gründe eine etwa zulässige Wiedereinsetzung rechtfertigen können und ob dazu auch die Unkenntnis von dem Recht und der Befristung seiner Ausübung geeignet ist (BSG, Urteil vom 09.02.1993, 12 RK 28/92, BSGE 72, 80 ff.). Eine Unkenntnis solcher Rechte, deren befristete Ausübung im Gesetz selbst ausdrücklich geregelt ist, kann eine Wiedereinsetzung nicht rechtfertigen (BSG, Urteile vom 21.05.1996 und 22.10.1996, a.a.O.).
46Da eine etwaige Rechtsunkenntnis der Klägerin über die Frist des § 99 SGB VI eine Wiedereinsetzung nicht begründen kann, scheidet auch eine Nachsichtgewährung aus, falls für sie bei einer grundsätzlichen Anwendung der Wiedereinsetzung auch auf Fristen des materiellen Sozialrechts überhaupt noch Raum sein sollte (vgl. BSG, Urteil vom 27.09.1983, 12 RK 7/82, SozR 5750 Art. 2 § 51a Nr. 55).
47Ein früherer Rentenbeginn als zum 01.12.2009 ist der Klägerin auch nicht aufgrund einer Entstehung des Stammrechts auf Altersruhegeld bereits vor 1992 einzuräumen. In einem solchen Fall wäre noch eine Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) beziehungsweise des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) anzunehmen. Die Klägerin unterläge in einem solchen Fall nicht dem Antragseinwand des § 99 Abs.1 SGB VI. Eine entsprechende Entstehung des Stammrechts ist aber nicht gegeben.
48Zwar ist die Klägerin am 22.03.1924 geboren und hat demnach am 22.03.1989 das 65. Lebensjahr vollendet. Zu diesem Zeitpunkt galten noch die erst ab dem 01.01.1992 durch das SGB VI abgelösten Vorschriften der RVO beziehungsweise des AVG , die eine Antragstellung als Leistungsvoraussetzung für ein Altersruhegeld nur bei einem vorzeitigen Altersruhegeld (§§ 1248 Absätze 1 bis 3 und 1290 Absatz 1 Satz 2 RVO; §§ 25 Absätze 1 bis 3 und 67 Absatz 1 Satz 2 AVG), ansonsten beim Altersruhegeld aber nicht vorsahen (§ 1248 Absatz 5 RVO, § 25 Absatz 5 AVG). Auch erwarben hiernach Versicherte mit Vollendung des 65. Lebensjahres kraft Gesetzes ein eigentumsrechtlich geschütztes Vollrecht auf Regelaltersrente, wobei der Antragseinwand des § 99 SGB VI nicht gilt, wenn das Recht auf Regelaltersrente bereits vor dem 01.01.1992 entstanden ist(BSG, Urteil vom 02.08.2000, B 4 RA 54/99 R, SozR 3 2600 § 99 Nr. 5). Ein bereits unter der Geltung der RVO beziehungsweise des AVG entstandener Anspruch auf Altersruhegeld entfällt schließlich auch nicht nachträglich auf Grund des mit dem SGB VI ab dem 01.01.1992 eingeführten Antragserfordernisses (BSG, Urteil vom 08.1.2005, B 13 RJ 41/04 R, BSGE 95, 300).
49Vorliegend ist aber ein Stammrecht der Klägerin auf - antragsfreies - Altersruhegeld unter Geltung der RVO beziehungsweise des AVG nicht bereits spätestens bis zum 31.12.1991 entstanden, so dass ein solches auch nicht mit dem Inkrafttreten des ZRBG zum 01.07.1997 zahlbar gemacht werden kann; vielmehr richtet sich ihr Anspruch auf Rente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres nach den Vorschriften des SGB VI und des ZRBG und unterliegt daher auch dem Antragseinwand des § 99 SGB VI. Zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 erfüllte die Klägerin nämlich nicht die allgemeine Wartezeit (Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten). Dies ist aber Voraussetzung für einen Anspruch auf Altersruhegeld nach §§ 1248 Absatz 5 RVO, 25 Absatz 5 AVG.
50Gemäß § 1249 Satz 1 RVO wurden auf die Wartezeit für das Altersruhegeld die ab dem 01.01.1924 zurückgelegten Versicherungszeiten angerechnet; anrechnungsfähig waren dabei gemäß § 1250 Absatz 1 RVO Zeiten, für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Invalidenversicherung Beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet galten (Beitragszeiten), Zeiten ohne Beitragsleistung nach § 1251 RVO (Ersatzzeiten) und Zeiten der Kindererziehung vor dem 01.01.1986 nach § 1251a RVO, wobei gemäß § 1251 Absatz 2 Satz 1 RVO die in § 1251 Absatz 1 RVO aufgeführten Zeiten als Ersatzzeiten für die Erfüllung der Wartezeiten angerechnet wurden, wenn eine Versicherung vorher bestanden hatte und während der Ersatzzeit Versicherungspflicht nicht bestanden hatte; insofern musste zumindest ein Beitragsmonat vorhanden sein, um mit Ersatzzeiten die allgemeine Wartezeit zu erfüllen. Entsprechende Regelungen sah auch das AVG vor.
51Im Zeitpunkt der Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 hatte die Klägerin solche auf die allgemeine Wartezeit anrechnungsfähigen Zeiten zur deutschen Rentenversicherung nicht zurückgelegt.
52Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen im Rentenbescheid der Beklagten sind der Klägerin Beitragszeiten nach dem ZRBG vom 01.05.1942 bis zum 31.10.1942 sowie Ersatzzeiten vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1949 anzurechnen. Bei diesen Zeiten handelt es sich nicht um auf die allgemeine Wartezeit nach §§ 1250, 1251, 1251 a RVO bzw. den entsprechenden Regelungen des AVG anrechnungsfähige Zeiten zur deutschen Rentenversicherung.
53Zwar konnten auch Beschäftigungszeiten in einem Ghetto bereits vor dem rückwirkenden Inkrafttreten des ZRBG zum 01.01.1997 Beitragszeiten sein. Dies traf insbesondere für das Ghetto Lodz zu, weil dort ab Inkrafttreten der Ostgebiete-Verordnung vom 22.12.1941 zum 01.01.1942 das Recht der RVO galt. Solche Zeiten hat die Klägerin aufgrund ihres individuellen Verfolgungsschicksals jedoch nicht zurückgelegt. Vielmehr weist sie Beschäftigungszeiten im Ghetto Oradea/ Großwardein im damaligen Ungarn vor. Zwar ist die Berücksichtigung einer ausgeübten Beschäftigung in einem Gebiet, in dem während des zweiten Weltkrieges die RVO nicht galt, als gleichgestellte Beitrags-/Beschäftigungszeit nach §§ 15, 16 FRG möglich, wodurch zugleich eine Anrechnung von Ersatzzeiten möglich würde. Die Berücksichtigung der von der Klägerin im Ghetto Oradea/ Großwardein ausgeübten Beschäftigung nach §§ 15, 16 FRG kommt aber nicht in Betracht. Hierfür wäre nämlich die Zugehörigkeit der Klägerin zum deutschen Sprach- und Kulturkreis erforderlich. Dafür bestehen aber keine Anhaltspunkte. Vielmehr hat die Klägerin im Rahmen ihrer Erklärung vom 31.05.1999 ausgeführt, dass sie die deutsche Sprache nicht beherrscht.
54§ 15 FRG sieht vor, dass Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichstehen; nach Maßgabe des § 16 FRG gilt Entsprechendes für Beschäftigungszeiten in Vertreibungsgebieten. Da die Klägerin, soweit ersichtlich, nicht zu dem gemäß §§ 1, 17 a FRG begünstigten Personenkreis gehört (insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sie Vertriebene im Sinne von § 1 des Bundesvertriebenengesetzes ist), könnte ihr insoweit noch die Regelung des § 20 WGSVG zugutekommen, nach der bei Anwendung des FRG den anerkannten Vertriebenen im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes vertriebene Verfolgte gleichstehen, die lediglich deswegen nicht als Vertriebene anerkannt sind oder anerkannt werden können, weil sie sich nicht ausdrücklich zum deutschen Volkstum bekannt haben. Da § 20 Absatz 1 Satz 2 WGSVG auf § 19 Absatz 2 Buchstabe a Halbsatz 2 WGSVG verweist, genügt es, soweit es auf die deutsche Volkszugehörigkeit ankommt, dass Verfolgte im Zeitraum des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört haben. Eine solche Zugehörigkeit der Klägerin ist - wie vorab dargestellt - aber nicht erkennbar.
55Die aufgrund der Beitragsfiktion des § 2 Absatz 1 ZRBG anerkannten Beitragszeiten der Klägerin vom 01.05.1944 bis zum 31.05.1944 können nicht für die Erfüllung der für einen Anspruch auf Altersruhegeld nach §§ 1248 Absatz 5 RVO, 25 Absatz 5 AVG erforderlichen allgemeinen Wartezeit herangezogen werden. Diese sind nämlich erst mit Inkrafttreten des ZRBG rückwirkend zum 01.07.1997 entstanden und bestanden damit nicht bereits zum Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres der Klägerin am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991. Nach § 2 Absatz 1 ZRBG gelten für die Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt, und zwar für die Berechnung der Rente als Beiträge nach den Reichsversicherungsgesetzen für eine Beschäftigung außerhalb des Bundesgebietes sowie für die Erbringung von Leistungen ins Ausland als Beiträge für eine Beschäftigung im Bundesgebiet (Ghetto-Beitragszeiten). Dabei ist die rechtliche Wirkung von fiktiven Beiträgen nach dem ZRBG dieselbe wie die der tatsächlich zur deutschen Rentenversicherung entrichteten und damit vergleichbar mit den im Rahmen des FRG gleichgestellten Beiträgen (BSG, Urteil vom 19.05.2009, B 5 R 14/08 R, BSGE 103, 161). Bei den Personen, die wie die Klägerin aufgrund gesetzlicher Fiktion in die Geltung der Reichsversicherungsgesetze einbezogen worden sind, handelt es sich um "tatsächlich" (wenn auch nachträglich) Versicherte im Sinne der Rentenversicherung. Sie sind in Bezug auf die nach dem ZRBG anerkannten Beitragszeiten nicht anders als diejenigen zu behandeln, für deren Beschäftigung die Reichsversicherungsgesetze galten, während sie sich innerhalb von deren territorialem Geltungsbereich aufgehalten haben (BSG, Urteil vom 19.05.2009, a.a.O.). Trotz der durch die Beitragsfiktion nach § 2 Absatz 1 ZRBG entstandenen nachträglichen Versicherteneigenschaft reicht die Fiktion dieser Vorschrift nicht so weit, dass hierdurch die fiktive Beitragszeit bereits mit Vollendung des 65. Lebensjahres im Jahr 1989 als zurückgelegt und damit die allgemeine Wartezeit zusammen mit den Verfolgungsersatzzeiten zu diesem Zeitpunkt als erfüllt gilt. Hiergegen spricht die Systematik der eine Fiktionswirkung entfaltenden Regelungen in §§ 2 und 3 ZRBG, der Wortlaut der Vorschrift des § 3 Absatz 2 ZRBG sowie die Gesetzesbegründung und der darin zum Ausdruck kommende mutmaßliche Wille des Gesetzgebers. Der Senat verweist insoweit auf die Entscheidungsgründe der beiden Urteile des Sozialgerichts Lübeck vom 23.04.2013 (S 6 R 353/11- juris - (Rdnr.26 bis 37)) und vom 24.04.2013 (S 45 R 675/11 - juris - (Rdnr.26 bis 29) dazu anhängig B 13 R 10/13 R), denen er sich vollinhaltlich anschließt.
56Allein durch die von der Beklagten festgestellten Ersatzzeiten der Klägerin vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1949 konnte die Klägerin auch nicht bereits zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 die für die Erfüllung der für einen Anspruch auf Altersruhegeld nach §§ 1248 Absatz 5 RVO, 25 Absatz 5 AVG erforderliche allgemeine Wartezeit erfüllen. Zeiten ohne Beitragsleistung nach § 1251 RVO (Ersatzzeiten) konnten gemäß § 1251 Absatz 2 Satz 1 RVO für die Erfüllung der Wartezeiten nur angerechnet werden, wenn eine Versicherung vorher bestanden hatte und während der Ersatzzeit Versicherungspflicht nicht bestanden hatte. Insofern musste zumindest ein Beitragsmonat vorhanden sein, um mit Ersatzzeiten die allgemeine Wartezeit zu erfüllen. Da, wie aufgezeigt, Beitragszeiten der Klägerin zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 nicht bestanden, können auch die festgestellten Ersatzzeiten vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1949 gemäß § 1251 Absatz 2 Satz 1 RVO nicht zur Erfüllung der allgemeinen Wartezeit angerechnet werden.
57II.
58Ein früherer Rentenbeginn als zum 01.12.2009 kann der Klägerin auch nicht aufgrund einer Verlängerung der Rentenantragsfrist entsprechend der von ihrem Bevollmächtigten angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Verlängerung von Nachentrichtungsfristen (Urteile vom 01.12.1978, 12 RAr 56/77, SozR 4100 § 141 e Nr. 4; vom 12.10.1979, 12 RK 15/78, SozR 5070 § 10 a Nr. 2; vom 24.10.1985, 12 RK 48/84, SozR 5070 § 10 a Nr. 13; vom 26.06.1985, 12 RK 23/84 - juris -; vom 03.05.2005, B 13 RJ 34/04 R, BSGE 4 2600 § 306 Nr. 1) eingeräumt werden.
59Etwaige Rechtsprechung zur Verlängerung von Nachentrichtungsfristen ist auf den vorliegenden Fall schon dadurch nicht übertragbar, dass die Antragstellung nach dem ZRBG nicht an eine Frist gebunden ist. Die in § 3 des ZRBG genannte Frist bis zum 30.06.2003 führt lediglich zu einer Fiktivverlegung des Rentenantrags auf den 18.06.1997 (Tag des BSG-Urteils B 5 RJ 66/95 (BSGE 80, 250) über die rentenversicherungsrechtliche Behandlung von Beschäftigungen in einem Ghetto). Jedoch war und ist auch nach Juni 2003 jederzeit die Möglichkeit zur Geltendmachung eines Rentenanspruchs auf der Grundlage des ZRBG gegeben.
60Auch im Übrigen sind die diesbezüglich vom Bevollmächtigten der Klägerin genannten Entscheidungen auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Die Entscheidung des 12. Senats des BSG vom 12.10.1979 hatte keine Verlängerung einer Antragsfrist oder einer Nachentrichtungsfrist zum Inhalt. Vielmehr erweiterte der 12. Senat des BSG den unter § 10 a WGSVG fallenden Personenkreis auch auf solche Personen, die nach Kriegsende nicht in den Geltungsbereich des WGSVG zurückgekehrt waren, so dass auch diese die durch § 10 a WGSVG geregelte Möglichkeit zur Beitragsentrichtung längstens für die Zeit bis zum 31.12.1955 nutzen konnten. Ebenso wenig befasst sich die Entscheidung des 13. Senats des BSG vom 03.05.2005 mit der Verlängerung einer Antragsfrist oder einer Nachentrichtungsfrist. Vielmehr hat der 13. Senat des BSG dort eine Rechtsfortbildung zur Schließung einer gesetzgeberischen Lücke im ZRBG dahingehend vorgenommen, dass die Vorschrift des § 306 Absatz 1 SGB VI für Bestandsrentner, die bereits vor dem 18.06.1997 (= Tag des BSG-Urteils B 5 RJ 66/95 (BSGE 80, 250) über die rentenversicherungsrechtliche Behandlung von Beschäftigungen in einem Ghetto) eine Altersrente bezogen haben, und die vor dem 30.06.2003 einen Antrag auf Zahlung der Rente unter Bezugnahme auf das ZRBG gestellt hatten, nicht nachteilig anzuwenden ist, und zwar aus Gründen der Gleichbehandlung. Aus dem Leitsatz des Urteils des 12. Senats vom 24.10.1985 ergibt sich wiederum der Grund, warum hier eine ursprünglich (am 31.12.1975) bereits abgelaufene Ausschlussfrist (zur Nachentrichtung von Beiträgen nach § 10 a Absatz 2 WGSVG) neu zu eröffnen war (was dann unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom 24.10.1985 erfolgte mit einer Neueröffnung bis zum 31.12.1986). Grund war nämlich, dass durch eine zuvor erfolgte Rechtsprechung des BSG (vom 17.03.1981 bzw. 24.06.1981) eine Gesetzeslücke in der Form geschlossen wurde, als dass für einen weiteren Personenkreis das Nachentrichtungsrecht erstmals ermöglicht wurde. Der Entscheidung des 12. Senats vom 01.12.1978 lag zugrunde, dass das BSG die Frist des § 141 e Absatz 1 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz für einen Antrag auf Konkursausfallgeld neu eröffnet hat, weil es insoweit eine planwidrige Unvollständigkeit (Lücke) im Einführungsgesetz zum Einkommenssteuergesetz von 1974 erkannt hat. In der Entscheidung vom 26.06.1985 wiederum sah sich der 12. Senat des BSG infolge seiner Rechtsprechung vom 27.03.1980, dass in Ausfüllung einer Gesetzeslücke Artikel 2 § 5 b Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes auf Vorstandsmitglieder von großen Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit analog anzuwenden sei, veranlasst, die in dieser Norm enthaltende Befristung (31.12.1979) auf einen angemessenen Zeitpunkt nach dem Bekanntwerden seines Urteils vom 27.03.1980 zu verschieben.
61Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von den vorgenannten Konstellationen aber dadurch, dass die Rechtsprechung des BSG zum ZRBG vom 02. und 03. Juni 2009 sich lediglich mit der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und damit mit der reinen Auslegung eines Gesetzes befasst hat. Es hat aber nicht Gesetzeslücken im Wege richterlicher Rechtsfortbildung geschlossen.
62Darüber hinaus führt der - verspätete - Antrag der Klägerin nicht dazu, dass sie von einem Rentenanspruch nach dem ZRBG vollständig (und auf Dauer) ausgeschlossen wird. Die Verspätung hat lediglich die Folge einer nur eingeschränkten Rückwirkung. Dass im Übrigen der 13. Senat im Urteil vom 03.05.2005 aus Gründen der Gleichbehandlung gemäß Artikel 3 GG zur Anwendbarkeit des ZRBG auch für Bestandsrentner gelangte (§ 306 SGB VI), vorliegend aber schon kein Verstoß gegen Artikel 3 GG erkennbar ist, obwohl die Klägerin unter Anwendung des § 99 SGB VI erst ab dem Monat ihrer Antragstellung eine Regelaltersrente erhält, hat bereits das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. Die von ihr angenommene Ungleichbehandlung zu anderen Verfolgten mit früherem Rentenbeginn ist durch den Umstand gerechtfertigt, dass letztere auch zu einem früheren Zeitpunkt Rente beantragt haben. Dies hätte die Klägerin im Gegensatz zu den Klägern der vom BSG zu § 306 SGB VI entschiedenen Fälle auch in der Hand gehabt.
63III.)
64Die Klägerin kann auch nicht verlangen, aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so behandelt zu werden, als hätte sie den Antrag auf eine Leistung aus der deutschen Rentenversicherung spätestens bis zum 30.06.2003 gestellt, um wie entsprechend § 3 ZRBG bereits ab dem 01.07.1997 in den Genuss einer Rente zu gelangen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, dessen Rückwirkung zu einem frühesten Rentenbeginn ab dem 01.01.2005 führen könnte (dazu 1.), steht der Klägerin nicht zu. Eine Pflichtverletzung der Beklagten, die diesbezügliche Voraussetzung wäre, ist nämlich nicht festzustellen. Auch die vom Bevollmächtigten der Klägerin zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts führt nicht zu einem anderen Ergebnis (dazu 2.).
651.
66Bei der hier vorliegenden Erstfeststellung einer Rente könnte einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch der Klägerin selbst für den Fall seines Vorliegens in entsprechender Anwendung des § 44 Absatz 4 SGB X Rückwirkung nicht bis zum 01.07.1997, sondern nur bis zum 01.01.2005 zukommen. Maßgeblich ist hier der (erstmalige/ allein zu berücksichtigende) Antrag der Klägerin auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus dem Monat November 2010. Die in § 44 Absatz 4 SGB X für eine rückwirkende Erbringung von Sozialleistungen festgesetzte zeitliche Grenze von vier Jahren ist nämlich entsprechend anzuwenden, auch wenn die rückwirkende Gewährung vorenthaltener Leistungen auf einer Erstfeststellung im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beruht (Urteil des erkennenden Senats vom 24.05.2013, L 14 R 432/12 -juris -; dazu anhängig B 13 R 23/13 R).
672.
68Der Klägerin steht ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch mit der Folge eines frühest- möglichen Rentenbeginns ab dem 01.01.2005 nicht zu (dazu a.). Die von ihrem Bevollmächtigten angesprochenen Urteile des Bundessozialgerichts erfassen die hier vorliegende Konstellation nicht (dazu b.).
69a.)
70Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger entweder seine Verpflichtung nach § 13 SGB I zur Aufklärung der Bevölkerung über ihre sozialen Rechte durch unrichtige oder missverständliche Allgemeininformationen (BSG, Urteile vom 16.12.1993, 13 RJ 19/92, SozR 3 1200 § 14 Nr. 12 und vom 23.05.1996, 13 RJ 17/95, SozR 3 5750 Art. 2 § 6 Nr. 15) oder die ihm aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber erwachsenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Beratung, zur Auskunft und zu Hinweisen nach §§ 14 und 15 sowie 115 Absatz 6 SGB VI, nicht verletzt hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des BSG vom 16.12.1993, 13 RJ 19/92, SozR 3-1200 § 14 Nr 12 m.w.N. und vom 25.01.1996, 7 RAr 60/94, SozR 3-3200 § 86a Nr 2). Voraussetzung ist weiter, dass die verletzte Pflicht dem Sozialleistungsträger gerade gegenüber dem Versicherten oblag, diesem also ein entsprechendes subjektives Recht einräumt, dass die objektiv rechtswidrige Pflichtverletzung zumindest gleichwertig (neben anderen Bedingungen) einen Nachteil des Versicherten bewirkt hat und dass die verletzte Pflicht darauf gerichtet war, den Betroffenen gerade vor den eingetretenen Nachteilen zu bewahren (Schutzzweckzusammenhang). Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können, das heißt die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen.
71Die Beklagte hat weder im Rahmen ihrer Verpflichtung nach § 13 SGB I zur Aufklärung der Bevölkerung über deren sozialen Rechte diese unrichtig oder missverständlich informiert (dazu aa.) noch hat sie ihr aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber der Klägerin obliegende und dieser ein entsprechendes subjektives Recht einräumende Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Beratung und Auskunft nach §§ 14 und 15 SGB VI (dazu bb.) bzw. zum Hinweis nach § 115 Absatz 6 SGB VI (dazu cc.), verletzt.
72aa.)
73Die Klägerin kann einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht auf eine Verletzung der allgemeinen Aufklärungspflicht nach § 13 SGB I stützen. Nach § 13 SGB I sind die Leistungsträger, ihre Verbände und die sonstigen im SGB genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über ihre Rechte und Pflichten nach dem SGB aufzuklären. Unter "Aufklärung" ist dabei die allgemeine und abstrakte Unterrichtung der Bevölkerung, insbesondere aller von den sozialen Rechten und Pflichten möglicherweise Betroffenen, die im Einzelnen in der Regel nicht bekannt sind, zu verstehen (vgl. Hauck/Haines, SGB I, K § 13 Rdn. 5). Diese Aufklärungspflicht begründet nach der Rechtsprechung des BSG regelmäßig kein subjektives Recht des Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger; aus ihrer Verletzung erwächst dem Betroffenen daher grundsätzlich kein Herstellungsanspruch (BSG, Urteil vom 21.06.1990, 12 RK 27/88, BSGE 67, 90). Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn ein Versicherungsträger eine unrichtige oder missverständliche Allgemeininformation, z.B. in Merkblättern oder Broschüren, verbreitet hat und ein Versicherter dadurch etwa von der rechtzeitigen Ausübung eines Gestaltungsrechts abgehalten worden ist (BSG, Urteile vom 16.12.1993, 13 RJ 19/92, SozR 3 1200 § 14 Nr. 12 und vom 23.05.1996, 13 RJ 17/95, SozR 3 5750 Art. 2 § 6 Nr. 15). Dabei kann auch eine unrichtige Information durch ausländische Stellen dem deutschen Rentenversicherungsträger, zumindest im Sinne einer wesentlichen Mitursache, zuzurechnen sein, wenn dieser die ausländischen Verbindungsstellen seinerseits unzutreffend, etwa über bestehende Antragsfristen, informiert hat (BSG, Urteil vom 23.05.1996, a.a.O.).
74Dass die Beklagte vorliegend eine solche unrichtige oder missverständliche (Allgemein-) Information der Bevölkerung in Israel im Hinblick auf das ZRBG, auf etwaige Antragsfristen oder zu den Ghettos in Ungarn erteilt oder den israelischen Versicherungsträger entsprechend unrichtig informiert hätte, wäre allerdings von der Klägerin darzulegen und nachzuweisen.
75Im vorliegenden Fall ist aber zunächst nicht erkennbar, dass die Beklagte vor dem Jahr 2009 eine Allgemeininformation im Hinblick auf den Anwendungsbereich des ZRBG herausgegeben hat. Darüber hinaus ist die damalige Rechtsauffassung der Beklagten insbesondere zum Entgeltbegriff des ZRBG und zur anspruchsbegründenden Qualität einer Internierung in einem Ghetto in Ungarn auch nicht "unrichtig", weil sie in Übereinstimmung mit der damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung stand.
76Das Bundessozialgericht hat noch in seinem Urteil vom 07.10.2004 - B13 RJ 59/03 R- juris - ausgeführt, dass auch ein Anspruch nach § 1 Abs.1 ZRBG nur gegeben sei, wenn die von der Rechtsprechung aufgeführten Kriterien der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto erfüllt seien (Rdnr.50). Auch bei Arbeiten, die unter den Bedingungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zustandegekommen seien, sei eine Differenzierung zwischen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung einerseits und einer nichtversicherten Beschäftigung andererseits geboten (Rdnr.44). Das BSG hat mit diesem Urteil das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.10.2003 - L 8 RJ 90/01 - juris - geändert und im Fall einer Klägerin, die für die Tätigkeit in einer Militärkantine im Ghetto Lodz eine überdurchschnittliche Verpflegung erhalten hatte, die Merkmale der Entgeltlichkeit, der Versicherungspflicht und der Freiwilligkeit abgelehnt.
77Als Entgelt gemäß § 1226 RVO a.F. i.V.m. § 160 RVO a.F. seien zunächst nur die Gegenleistungen anzusehen, die zum Umfang und der Art der geleisteten Arbeit noch in einem angemessenen Verhältnis stünden (Rdnr.38). Obwohl auch freier Unterhalt grundsätzlich dem Begriff des Entgelts unterfallen könne, sei eine Beschäftigung für die nur freiwilliger Unterhalt gewährt worden sei, gemäß § 1227 RVO a.F. nicht versicherungspflichtig gewesen. Als freier Unterhalt sei dasjenige Maß von Wirtschaftsgütern anzusehen, das zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitnehmers erforderlich sei, nicht aber das, was darüber hinausgehe (Rdnr.36-38). Zudem hat das BSG aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin die Arbeit vom jüdischen Komitee zugewiesen bekommen habe, keine Freiwilligkeit der von ihr geleisteten Arbeit angenommen.
78Noch mit Beschluss vom 22.03.2007 - B 5 R 16/07 B - juris - hat das BSG eine Nichtzulassungsbeschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, dass ein Anspruch nach § 1 Abs.1 S.1 Nr.1 ZRBG die Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit der Beschäftigung voraussetze und damit an die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto anknüpfe und diese Rechtsfrage als geklärt anzusehen sei.
79Inwiefern die in den Jahren 2003 und 2004 vorherrschende Annahme der Beklagten, dass die in einem ungarischen Ghetto ausgeübte Tätigkeit nicht anspruchsbegründend im Sinne von § 1 Abs.1 S.1 Nr.1 ZRBG sei, bedarf keiner weiteren Klärung.
80Die Beklagte hat ausweislich der Begründungen der vom Klägerbevollmächtigten zum ebenfalls am 25.10.2013 vor dem Senat verhandelten Verfahren L 14 R 317/13 übersandten anonymisierten Bescheide aus Verfahren mit Parallelproblematik ihre Ablehnung nämlich darauf gestützt, dass sie aufgrund der späten Besetzung Ungarns durch die deutsche Wehrmacht am 19.03.1944, der Einrichtung von Ghettos erst ab dem 16.04.1944 und dem nur kurzen Bestand dieser Ghettos von etwa sechs Wochen Arbeitsverhältnisse, die von den Merkmalen der "Freiwilligkeit" und "Entgeltlichkeit" nach den vorab dargestellten Maßstäben geprägt waren, grundsätzlich nicht als glaubhaft gemacht ansah. Die in den Jahren 2003 und 2004 vorherrschende Betrachtung der Beklagten ist mithin untrennbar mit den zum damaligen Zeitpunkt von der Rechtsprechung vertretenen Anforderungen an die Begriffe von Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit verknüpft. Angaben, die die Beklagte zur Annahme einer freiwilligen und entgeltlichen Tätigkeit der Klägerin nach den im Jahr 2003 angenommenen Maßstäben veranlassen mussten, hat auch die Klägerin des vorliegenden Verfahrens nicht gemacht.
81Überdies stellen die vorgenannten Bescheidungen in Parallelfällen jedenfalls aufgrund ihrer bloßen Inter - Partes - Wirkung keine Allgemeininformation im Sinne von § 13 SGB I dar. Auch ansonsten sind fehlerhaft erfolgte Allgemeininformationen der israelischen Bevölkerung oder des israelischen Versicherungsträgers durch die Beklagte zum ZRBG, zu etwaigen Antragsfristen und insbesondere zu den Ghettos in Ungarn sowie deren Zugang bei der Klägerin dem Senat nicht bekannt. Im Übrigen geht der Senat von einem erheblichen Bekanntheitsgrad des ZRBG und bestehender Antragsfristen in der israelischen Bevölkerung auch bereits für die Zeit bis (zu dem für § 3 ZRBG maßgeblichen Zeitpunkt) Juni 2003 beziehungsweise für die Zeit bis (zur "Rechtsprechungswende" des BSG) 2009 aus, weil dies die bereits bis dahin gestellten sehr zahlreichen Anträge nach diesem Gesetz widerspiegeln.
82bb.)
83Durch die vom Bevollmächtigten der Klägerin gerügte restriktive Verwaltungspraxis beziehungsweise Auslegung des ZRBG hat die Beklagte der Klägerin gegenüber auch keine Pflichten zur individuellen Beratung nach § 14 SGB I oder zur individuellen Auskunft nach § 15 SGB I verletzt.
84Zunächst liegt keine fehlerhafte Auskunft oder Beratung der Beklagten gegenüber der Klägerin vor. Wie das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat (und wie unter aa.) ausgeführt wurde), liegt in der früheren restriktiven Auslegungspraxis des ZRBG durch die Beklagte schon deshalb keine Pflichtverletzung, weil sich die Beklagte hierbei auf die damalige höchstrichterliche Rechtsprechung gestützt hat. Zudem hat die Beklagte hierdurch nicht gegenüber der Klägerin gehandelt, weil sich die Verwaltungspraxis nur auf beschiedene Parallelfälle anderer Antragsteller mit allenfalls ähnlicher Fallgestaltung bezogen hat und daher nur zwischen diesen Inter- Partes- Wirkung entfaltet. Zudem wäre, wie das Sozialgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, auch kein kausaler Nachteil zu einer unterstellten Pflichtverletzung zu erkennen, weil zahlreiche andere Antragsteller, die ebenfalls Beitragszeiten nach dem ZRBG geltend gemacht haben, durch das Erfordernis eines versicherungspflichtigen Entgelts und einer "freiwilligen" Beschäftigungsaufnahme auch in der Zeit bis 2009 nicht davon abgehalten worden sind, ihren Rentenantrag zu stellen und dessen Ablehnung gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen.
85Der Beklagten ist weiter nicht vorzuwerfen, dass sie eine Beratung oder Auskunft gegenüber der Klägerin pflichtwidrig nicht vorgenommen hat. Eine solche Verpflichtung der Beklagten bestand nicht.
86Voraussetzung für das Entstehen einer Beratungspflicht nach § 14 SGB I ist ein Beratungsbegehren oder zumindest ein konkreter Anlass zur Beratung (BSG, Urteile vom 21.03.1990, 7 RAr 36/88, BSGE 66, 258, vom 16.12.1993, 13 RJ 19/92, a.a.O. und vom 16.06.1994, 13 RJ 25/93, SozR 3-1200 § 14 Nr. 15); für eine Auskunftspflicht im Sinne des § 15 SGB I ist es ebenfalls erforderlich, dass ein entsprechender Informationsbedarf der Versicherten für den zuständigen Versicherungsträger oder eine andere auskunftspflichtige Stelle offen zu Tage tritt (BSG, Urteil vom 28.09.1976, 3 RK 7/76, BSGE 42, 224). Im Rahmen ihrer Beratungspflicht nach § 14 SGB I beziehungsweise ihrer Auskunftspflicht nach § 15 SGB I §§ 14 und 15 SGB I hat die Beklagte nicht die Pflicht, all diejenigen möglicherweise Anspruchsberechtigten erst noch zu ermitteln, die in absehbarer Zeit Anspruch auf Rente haben könnten, um sie über die Voraussetzungen der Rentengewährung zu informieren.
87Im vorliegenden Fall scheidet nach diesen Maßgaben das Entstehen einer Beratungspflicht aus. Vor dem Neuantrag am 23.12.2009 (und damit auch vor der Rücknahme des Erstantrags der Klägerin am 31.05.1999) war für die Beklagte aufgrund der fehlenden Angaben der Klägerin über ihre Internierung im Ghetto (Ort des Ghettos, ausgeführte Arbeit etc.) nämlich nicht einmal erkennbar, in welcher Weise ein Informationsbedarf der Klägerin entstehen konnte. Zudem bestand nach der Rücknahme des Antrags der Klägerin am 31.05.1999 zwischen den Beteiligten keinerlei Kontakt mehr. Es war für die Beklagte in keiner Weise ersichtlich, dass die Klägerin noch an der Durchsetzung des von ihr geltend gemachten Anspruchs festhalten wollte.
88Anhaltspunkte für einen der Beklagten zuzurechnenden Beratungsfehler des israelischen Sozialversicherungsträgers bestehen nicht (zu den Voraussetzungen Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 15.07.1986, L 2 An 135/85 - juris - und BSG, Urteil vom 22.02.1989, 5 RJ 42/88 SozR 6961 § 7 Nr. 2; anders BSG, Urteile vom 21.06.1990, 12 RK 27/88, BSGE 67, 90 und vom 23.05.1996, B 13 RJ 17/95, SozR 3 5750 Artikel 2 § 6 Nr. 15, wenn der deutsche Rentenversicherungsträger die ausländische Verbindungsstelle unzutreffend informiert hat und diese dann ihrerseits den Versicherten unrichtig informiert).
89cc.)
90Auf eine Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Absatz 6 Satz 1 SGB VI kann die Klägerin ihren Herstellungsanspruch ebenfalls nicht stützen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ist zwar nicht auf die Verletzung der Pflichten aus §§ 14, 15 SGB I beschränkt, sondern kommt auch bei andersartiger Fehl- oder Nichtinformation der Versicherten in Betracht (BSG, Urteil vom 08.11.1995, 13 RJ 5/95, SozR 3 2600 § 300 Nr. 5). Als Pflicht, deren Verletzung grundsätzlich geeignet ist, einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu begründen, kommt insofern auch die aus § 115 Absatz 6 Satz 1 SGB VI resultierende Hinweispflicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift sollen die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen; die Rentenversicherungsträger können dabei in gemeinsamen Richtlinien bestimmen, unter welchen Voraussetzungen solche Hinweise erfolgen sollen (Satz 2 a.a.O). Sinn und Zweck des § 115 Absatz 6 SGB VI ist es, die nicht ausreichend Informierten vor Nachteilen aus dem Antragsprinzip zu bewahren (Hauck/Haines, SGB VI-Kommentar, § 115, RdNr. 12; Gemeinschaftskommentar-SGB VI / Meyer, § 115, RdNr. 4). Die Vorschrift wurde durch das Rentenreformgesetz 1992 zugleich mit § 99 SGB VI eingeführt, in dem die Auswirkung des Antragszeitpunktes auf den Rentenbeginn bestimmt wird. Da durch § 99 SGB VI gravierendere Folgen an die Antragstellung beziehungsweise deren Zeitpunkt geknüpft werden als nach dem altem Recht der RVO, ist als Korrektiv hierfür die Regelung des § 115 Absatz 6 SGB VI vorgesehen. Die Beklagte war im vorliegenden Fall aber nicht verpflichtet, der Klägerin einen Hinweis auf die Möglichkeit des Bezugs eines Altersrente und auf den bei Überschreitung der Frist des § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI eintretenden Anspruchsverlust zu erteilen. Die Verpflichtung der Beklagten zur Hinweiserteilung scheidet dabei zwar nicht bereits deshalb aus, weil die Klägerin sich nicht rechtzeitig rat- oder auskunftsuchend an die Beklagte gewandt hätte; denn für das Entstehen einer Verpflichtung des Versicherungsträgers zur Erteilung eines Hinweises ist eine Anfrage der Versicherten nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 22.10.1996, 13 RJ 23/95, BSGE 79, 168). Die Adressaten derartiger Hinweise (anders als etwa bei § 13 SGB I) müssen für den Versicherungsträger aber konkret bestimmbar sein, weil die Regelung den Schutz der Einzelnen bezweckt; nur so kann davon ausgegangen werden, dass diesen auch ein subjektives Recht auf Erteilung eines Hinweises zustehen soll (Hauck/Haines, SGB VI-Kommentar, § 115, RdNr. 13).
91Unter Berücksichtigung der Ausführungen zu bb.) konnte eine entsprechende Hinweispflicht der Beklagten jedoch bereits deshalb nicht bestehen, weil der Beklagten aufgrund der vor dem Jahr 2009 völlig fehlenden Informationen über die Natur des Aufenthalts der Klägerin im Ghetto überhaupt nicht erkennbar war, worauf die Klägerin gegebenenfalls hinzuweisen war. Dies gilt unabhängig davon, dass die Rechtsauffassung der Beklagten aus der ex-post-Perspektive jedenfalls nicht unrichtig war.
92b.)
93Zu einem anderen Ergebnis gelangt man auch nicht unter Berücksichtigung der vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin angeführten Entscheidungen des BSG (BSG, Urteile vom 15.12.1983, 12 RK 6/83 - juris -; vom 21.06.1990, 12 RK 27/88, BSGE 67, 90; vom 08.11.1995, 13 RJ 5/95, SozR 3 2600 § 300 Nr. 5), ohne dass es insoweit auf ein Verschulden der Beklagten ankomme (BSG, Urteile vom 12.10.1979, 12 RK 47/77, BSGE 49, 76; vom 09.05.1979, 9 RV 20/87, SozR 3100, § 44 Nr. 11; vom 15.12.1983, 12 RK 6/83, - juris -; vom 28.02.1984, 12 RK 31/83, SozR 1200 § 14 Nr. 16; vom 24.10.1985, 12 RK 48/84, SozR 5070 § 10 a Nr. 13).
94Diese Entscheidungen haben nicht den ihnen vom Bevollmächtigten zugesprochenen Inhalt. Sie sind insbesondere auf den vorliegenden Fall nicht dahingehend übertragbar -, dass das für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch erforderliche Fehlverhalten eines Versicherungsträgers darin liegen kann, dass dieser bis zum Zeitpunkt geänderter höchstrichterlicher Rechtsprechung in größerer Zahl negative Bescheidungen erlassen hat, die aus der ex - post - Sicht der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung seitdem nicht mehr haltbar erscheinen, und aufgrund derer Berechtigte von einer Antragstellung abgehalten worden sind oder sein könnten. Vielmehr fordern (auch) die vom Bevollmächtigten genannten Entscheidungen des 12. Senats des BSG für einen Herstellungsanspruch, dass das gerügte Verhalten - etwa eine fehlerhafte Gesetzesanwendung - bereits im Zeitpunkt der Ausübung fehlerhaft gewesen sein muss, wozu die spätere Erkenntnis der Fehlerhaftigkeit aus der Rückschau nicht ausreicht. Dass diese Anforderungen an den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu stellen sind, ist nicht nur den vom Bevollmächtigten angeführten Entscheidungen des 12. Senats des BSG zu entnehmen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung weiterer Senate des BSG, so zum Beispiel der Rechtsprechung des 7. Senats (Urteil vom 25.01.1996, 7 RAr 60/94, SozR 3 3200 § 86 a Nr. 2), der ausgeführt hat, dass der Leistungsträger, wenn seine - negative - Auskunft über eventuelle Leistungsansprüche im Zeitpunkt ihrer Erteilung der Gesetzeslage und dem Stand des eingeleiteten Gesetzgebungsverfahrens entsprach, bei einer späteren, im Zeitpunkt der Auskunftserteilung nicht erkennbaren Gesetzesänderung zugunsten des Betroffenen nicht verpflichtet ist, den durch eine verspätete Antragstellung bedingten Nachteil im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auszugleichen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des heute für das Recht der Rentenversicherung zuständigen 13. Senats des BSG (Urteil vom 08.11.1995,13 RJ 5/95, SozR 3 2600 § 300 Nr. 5), der ausgeführt hat, dass ein Herstellungsanspruch nicht in Betracht kommt, wenn die dem Versicherten günstigen Voraussetzungen erst später bekannt wurden oder nachgewiesen werden konnten.
95Die in größerer Zahl ergangenen negativen Bescheidungen der Beklagten bis zum Jahr 2009 standen aber in Einklang mit der bis zur "Rechtsprechungswende" des BSG zum ZRBG im Jahr 2009 bestehenden damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die die unbestimmten Rechtsbegriffe des "Entgelts" und des Beschäftigungsverhältnisses "aus eigenem Willensentschluss" restriktiv ausgelegt hatte (vgl. etwas Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03, BSGE 93, 214, und Beschluss vom 22.03.2007, B 5 R 16/07 B - juris -). Dass Erfolgsaussicht für die Durchsetzung ihrer Ansprüche für die Klägerin erst aufgrund der Urteile des BSG von Juni 2009 bestand und vorher nicht, beruht somit nicht auf einem objektiven Fehlverhalten der Beklagten durch etwaige Falschanwendung von Gesetzen bzw. Rechtsprechung im Zeitpunkt der Anwendung. Aus dem gleichen Grund führen auch die vom Bevollmächtigten angeführten Entscheidungen des BSG vom 12.10.1979, 09.05.1979, 15.12.1983, 28.02.1984 und 24.10.1985 (alle a.a.O.) nicht weiter, nach denen ein - hier nicht vorliegendes - im Zeitpunkt der Ausübung bereits objektiv fehlerhaftes Verhalten der Verwaltung, das einen Herstellungsanspruch begründet, nicht subjektiv schuldhaft zu sein braucht. Beim Fehlen eines objektiven Fehlverhaltens kommt es auf die Frage der subjektiven Vorwerfbarkeit nicht mehr an. Deutlich wird dies insbesondere aus der vom Bevollmächtigten angeführten Entscheidung des BSG vom 12.10.1979 (12 RK 47/77), in der das BSG ausgeführt hat, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch auf Seiten des Versicherungsträgers grundsätzlich kein Verschulden voraussetze, also (auch) bestehe, wenn der Versicherungsträger im Zeitpunkt der Auskunftserteilung eine bereits damals objektiv unrichtige Auskunft erteilt habe, er zu diesem Zeitpunkt aber von der Richtigkeit seiner Rechtsansicht habe ausgehen dürfen.
96Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass zum einen wegen der verspäteten Antragstellung eine der notwendigen Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt ist und zum anderen eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht vorliegt, die eine Ersetzung des nicht rechtzeitig gestellten Antrags im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ermöglichen könnte.
97IV.
98Die von der Klägerin erstrebte Rechtsanwendung - Gewährung einer Altersrente auf der Grundlage des ZRBG bereits für die Zeit ab dem 01.07.1997 trotz Versäumung der Antragsfrist des § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI - ist schließlich auch unter Berücksichtigung des sogenannten Wiedergutmachungsgedankens nicht möglich. Denn zugunsten der Klägerin wirkt sich hier auch nicht der vom Bundesgerichtshof (BGH) zum Entschädigungsrecht entwickelte Grundsatz aus, dass eine Gesetzesauslegung, die möglich ist und dem Ziel entspricht, das zugefügte Unrecht so bald und so weit wie irgend möglich wiedergutzumachen, den Vorzug gegenüber jeder anderen Auslegung verdient, die die Wiedergutmachung erschwert oder zunichte macht (Urteile des BGH vom 26.02.1960, IV ZR 255/59, RzW 1960, 262; vom 22.02.2011, IX ZR 113/00, BGH Report 2001, 372). Zwar ist hiervon bei der Auslegung einschlägiger Vorschriften auch das BSG ausgegangen; der Bevollmächtigte der Klägerin hat die einschlägigen Entscheidungen des BSG auch (in anderem Zusammenhang) genannt (Urteile vom 26.10.1976, 12/1 RA 81/75, SozR 5070 § 9 Nr. 1; vom 12.10.1979, 12 RK 15/78, SozR 5070 § 10 a Nr. 2; vom 28.02.1984, 12 RK 50/82, SozR 5070 § 9 Nr. 7). Dennoch führt dies hier nicht zu einem anderen Ergebnis. Der Gesetzgeber hat mit dem ZRBG zur Wiedergutmachung erlittenen Unrechts Rentenzeiten, die mit in einem Ghetto verrichteter Arbeit erworben wurden, unabhängig von weiteren Voraussetzungen (insbesondere nach dem FRG) als Regelaltersrente zahlbar gemacht. Anders als etwa bei der Zuerkennung eines festen Entschädigungsbetrags handelt es sich damit bei den auf der Grundlage des ZRBG gezahlten Leistungen um Renten, die dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI folgen. Die aus dieser Konzeption folgenden Konsequenzen, wie etwa der Verfall von Rentenansprüchen für die Vergangenheit bei Versäumung der Antragsfrist, treten aber bei allen Renten gleichermaßen ein und widersprechen insofern auch nicht dem Wiedergutmachungsgedanken.
99Aus dem gleichen Grund lässt sich auch kein anderes Ergebnis aus § 2 Absatz 2 Halbsatz 2 SGB I ableiten, wonach bei der Auslegung der Vorschriften des SGB sicherzustellen ist, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.
100Nach alledem hat die Klägerin keinen Anspruch auf den Beginn der Regelaltersrente vor dem 01.12.2009 und damit auch nicht auf Zahlung von Regelaltersrente für die Zeit vom 01.07.1997 bis zum 30.11.2009. Im Übrigen wirkt es sich zu Gunsten der Klägerin aus, dass die Beklagte für den Zugangsfaktor (§ 77 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 b SGB VI) davon ausgegangen ist, dass die Klägerin die Altersrente nach Erreichen der Regelaltersgrenze erst zum 01.12.2009 in Anspruch genommen hat, so dass die Beklage insofern die Rente auch nach einem höheren Zugangsfaktor als bei einem (begehrten) Rentenbeginn zum 01.07.1997 berechnet hat (vgl. § 3 Absatz 2 ZRBG). Angesichts des hohen Lebensalters der Klägerin dürfte sich allerdings ihr wirtschaftliches Interesse eher auf eine (größere) Nachzahlung als auf eine laufende höhere Rente richten. Zu dem weiteren Vortrag des Bevollmächtigten , dass die Regelungen der §§ 3 ZRBG und 44 SGB X sowie das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs je nachdem, ob es sich um ein Überprüfungsverfahren oder eine Erstbescheidung handele, zu sehr unterschiedlichen Folgen für den Rentenbeginn führen würden (Rentenbeginn ab 1997, ab 2005 oder erst ab Rentenantragstellung) und dies den Betroffenen schwierig zu vermitteln sei, ist auf Folgendes hinzuweisen: Überprüfungsanträgen nach Ablehnungsbescheiden, die seit 2009 - fußend auf der "Rechtsprechungswende" des Bundessozialgerichts vom 02.06.2009 und 03.06.2009 zur Auslegung der Rechtsbegriffe des "Entgelts" und des Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses "aus eigenem Willensentschluss" - gestellt wurden, kann nach § 44 Absatz 4 SGB X Rückwirkung maximal bis 2005 und nicht bis 1997 zukommen (vgl. allerdings die anhängigen zahlreichen Revisionen im 5. und 13 Senat des BSG zu der Frage: " Kann eine Rente bei Berechtigten des Personenkreises des § 1 ZRBG im Falle eines erstmaligen Rentenantrages noch vor Juli 2003 schon ab dem 01.07.1997 beginnen, wenn bereits eine bestandskräftig gewordene Ablehnung des Rentenantrags vorlag und die Rente erst danach aufgrund eines Überprüfungsverfahrens bewilligt wurde unter Anwendung von § 44 SGB X oder § 100 Absatz 4 SGB VI). Auch Erstbescheidungen aufgrund erstmaliger Antragstellung seit der "Rechtsprechungswende" in 2009 könnte selbst bei Vorliegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Rückwirkung nur in Anwendung des § 44 Absatz 4 SGB X (Urteil des erkennenden Senats vom 24.05.2013, L 14 R 432/12 in juris; dazu anhängig B 13 R 23/13 R) und damit ebenfalls maximal bis 2005 und nicht bis 1997 zukommen. Liegen die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs allerdings nicht vor, können Rentenleistungen in Einklang mit § 99 SGB VI erst ab dem Antragsmonat gewährt werden.
101Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Absatz 1 SGG.
102Die Revisionszulassung folgt aus § 160 Absatz 2 Nr. 1 SGG, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
(1) Sind Renten befristet, enden sie mit Ablauf der Frist. Dies schließt eine vorherige Änderung oder ein Ende der Rente aus anderen Gründen nicht aus. Renten dürfen nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden.
(2) Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen. Wird unmittelbar im Anschluss an eine auf Zeit geleistete Rente diese Rente unbefristet geleistet, verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.
(2a) Werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht, ohne dass zum Zeitpunkt der Bewilligung feststeht, wann die Leistung enden wird, kann bestimmt werden, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit mit Ablauf des Kalendermonats enden, in dem die Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben beendet wird.
(3) Große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Kindererziehung und Erziehungsrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem die Kindererziehung voraussichtlich endet. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.
(4) Waisenrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem voraussichtlich der Anspruch auf die Waisenrente entfällt. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.
(5) Renten werden bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem die Berechtigten gestorben sind.
(6) Renten an Verschollene werden längstens bis zum Ende des Monats geleistet, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten; § 49 gilt entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Feststellung des Rentenversicherungsträgers haben keine aufschiebende Wirkung. Kehren Verschollene zurück, lebt der Anspruch auf die Rente wieder auf; die für den Zeitraum des Wiederauflebens geleisteten Renten wegen Todes an Hinterbliebene sind auf die Nachzahlung anzurechnen.
Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind.
(1) Die nach Landesrecht zuständigen Stellen, die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung sind verpflichtet, über alle sozialen Angelegenheiten nach diesem Gesetzbuch Auskünfte zu erteilen.
(2) Die Auskunftspflicht erstreckt sich auf die Benennung der für die Sozialleistungen zuständigen Leistungsträger sowie auf alle Sach- und Rechtsfragen, die für die Auskunftsuchenden von Bedeutung sein können und zu deren Beantwortung die Auskunftsstelle imstande ist.
(3) Die Auskunftsstellen sind verpflichtet, untereinander und mit den anderen Leistungsträgern mit dem Ziel zusammenzuarbeiten, eine möglichst umfassende Auskunftserteilung durch eine Stelle sicherzustellen.
(4) Die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sollen über Möglichkeiten zum Aufbau einer staatlich geförderten zusätzlichen Altersvorsorge produkt- und anbieterneutral Auskünfte erteilen.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 22. Januar 2014 wird zurückgewiesen.
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Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Der Kläger war ab 1.12.1992 als Bohrer bei der Z. GmbH & Co KG beschäftigt. Zuletzt bezog er bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer am 5.3.2007 Krankengeld. Am 8.1.2007 beantragte er Erwerbsminderungsrente bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV).
- 3
-
Am 8.3.2007 beantragte der zum Betreuer des Klägers bestellte W.S. per Telefax für den Kläger Alg. Mit weiterem Telefax bat der Betreuer, den Alg-Anspruch nach § 125 Sozialgesetzbuch Drittes Buch aF (SGB III aF) zu behandeln. Die Beklagte forderte den Betreuer auf, persönlich zu erscheinen, weil die Arbeitslosmeldung nach § 122 SGB III nur persönlich erfolgen könne. Hierauf antwortete der Betreuer schriftlich und verwies auf den Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 28.2.2007 (L 1 B 6/07 AL), wonach eine persönliche Meldung des Betreuers nicht erforderlich sei. Die Gründe für die Notwendigkeit einer persönlichen Arbeitslosmeldung, nämlich die Prüfung der Vermittlungsfähigkeit und der frühzeitige Beginn der Vermittlung lasse sich im Verhältnis zum Vertreter des Arbeitslosen nicht verwirklichen. Auch sei zu erwarten, dass der Kläger wegen einer schweren chronischen Erkrankung eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalten werde. Am 2.4.2007 erschien der Kläger in Begleitung einer Mitarbeiterin der Tagesklinik des A.-Klinikums H. bei der Beklagten und stellte sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Seit 1.6.2007 bezieht der Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit von der DRV (Bescheid vom 21.3.2007).
- 4
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Die beklagte Bundesagentur für Arbeit bewilligte dem Kläger Alg ab 2.4.2007 für 360 Tage in Höhe von 32,77 Euro/täglich (Bescheid vom 11.5.2007). Hiergegen legte der Betreuer des Klägers wegen des Leistungsbeginns Widerspruch ein; Alg sei schon ab 8.3.2007 zu zahlen. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 31.5.2007). Die schriftliche Antragsstellung durch den Betreuer am 8.3.2007 reiche nicht aus.
- 5
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Der Kläger hat deswegen Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben. Der Betreuer habe den Kläger am 8.3.2007 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und Leistungen beantragt. Dem Wortlaut des § 125 Abs 1 S 3 SGB III lasse sich nicht entnehmen, dass die Meldung durch den Vertreter persönlich zu erfolgen habe. Sinn und Zweck der Arbeitslosmeldung stünden dem Erfordernis einer persönlichen Meldung des Vertreters entgegen. Auch sei es einem Betreuer nicht zumutbar, Zeit auf den Fluren der Arbeitsverwaltung zu vergeuden.
- 6
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Das SG hat die streitigen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 8.3.2007 bis 1.4.2007 Alg zu zahlen (Urteil vom 14.9.2010). Der Betreuer habe den Kläger wirksam arbeitslos gemeldet.
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Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte Berufung beim LSG eingelegt und auf dessen Rechtsprechung verwiesen (Urteil vom 4.5.2012 - L 2 AL 33/10). Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 22.1.2014 - L 2 AL 2/11). Sowohl unter Berücksichtigung des Wortlauts sowie des Zwecks des § 125 Abs 1 S 3 SGB III aF als auch vor dem Hintergrund des § 309 SGB III sei eine Arbeitslosmeldung durch den Vertreter persönlich vorzunehmen. Dies sei auch zumutbar und sachgerecht, weil nur in einem persönlichen Gespräch mit dem Vertreter Unklarheiten bei der Antragsstellung oder über die Vermittlungsfähigkeit geklärt werden könnten.
- 8
-
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung von § 125 Abs 1 S 3 SGB III aF. Er verbleibt bei der Auffassung, dass die Arbeitslosmeldung bei der Agentur für Arbeit (AA) nicht persönlich erfolgen müsse, wenn ein Vertreter für den verhinderten Arbeitslosen handeln dürfe. Es genüge die schriftliche Meldung, dass der Vertretene arbeitslos sei und Leistungen bei Arbeitslosigkeit beantrage. Eine persönliche Vorsprache sei auch nicht zur Prüfung der Legitimation der Vertreters geboten. Der Wortlaut der Vorschrift sehe keine persönliche Meldung des Vertreters vor und dürfe wegen des Vorbehalts des Gesetzes auch nicht um ein weiteres Tatbestandsmerkmal ergänzt werden.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 22. Januar 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. September 2010 zurückzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
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Sie hält an der von ihr vertretenen Auffassung fest. Die streitige Vorschrift stelle auf "die Meldung" ab und beziehe sich damit auf die persönliche Arbeitslosmeldung nach § 122 SGB III aF.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz
) .
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Die Anfechtungs- und Leistungsklage, mit der der Kläger die Bewilligung von Alg auch für die Zeit vom 8.3. bis 1.4.2007 begehrt, ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11.5.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.5.2007 ist rechtmäßig; denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Alg ab 8.3.2007, die Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg waren erst ab 2.4.2007 erfüllt.
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Gemäß § 118 Abs 1 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I S 2848) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der AA arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 122 Abs 1 S 1 SGB III aF hat sich der Arbeitslose (grundsätzlich) persönlich bei der zuständigen AA arbeitslos zu melden. Allerdings kann die Meldung gemäß § 125 Abs 1 S 3 SGB III aF durch einen Vertreter erfolgen, wenn und solange sich der leistungsgeminderte Arbeitslose wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht persönlich bei der AA arbeitslos melden kann. Die persönliche Arbeitslosmeldung ist danach eine konstitutive Voraussetzung des Leistungsanspruchs und eine Tatsachenerklärung über den Eintritt der Arbeitslosigkeit (BSG Urteil vom 14.12.1995 - 11 RAr 75/95 - BSGE 77, 175 = SozR 3-4100 § 105 Nr 2; Juris RdNr 17).
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Vorliegend fehlt es an einer persönlichen Arbeitslosmeldung des Klägers bei der AA nach Maßgabe des § 122 Abs 1 S 1 SGB III aF. Ab dem (späteren) Zeitpunkt, an dem der Kläger sich persönlich bei der AA gemeldet hatte, hat die Beklagte ihm Alg bewilligt.
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1. Der Kläger hat auch nicht deshalb Anspruch auf Alg, weil er nach Maßgabe des § 125 Abs 1 S 3 SGB III aF(jetzt: § 145 Abs 1 S 3 SGB III) durch einen Vertreter wirksam arbeitslos gemeldet worden wäre.
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Nur ausnahmsweise, wenn dem Arbeitslosen selbst die persönliche Meldung aus gesundheitlichen Gründen objektiv unmöglich ist, kann der Arbeitslose zur Erfüllung dieser Anspruchsvoraussetzung eine andere Person, einen Vertreter, einsetzen. Die Voraussetzungen für eine Arbeitslosmeldung durch einen Vertreter gemäß § 125 Abs 1 S 3 SGB III aF haben hier vorgelegen; denn der Kläger war in der hier streitigen Zeit wegen bestehender gesundheitlicher Einschränkungen gehindert, sich persönlich bei der zuständigen AA arbeitslos zu melden.
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Ob in einem Fall, in dem die Arbeitslosmeldung durch einen Vertreter erfolgen darf, der Vertreter diese Meldung persönlich vorzunehmen hat, oder ob eine andere Form der Meldung genügt, ist in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt worden. Das LSG hat den Meinungsstand zu dieser Frage aufgezeigt. Danach wird vielfach die Auffassung vertreten, eine persönliche Meldung des Vertreters bei der AA sei nicht erforderlich (so SG Berlin, Urteil vom 27.3.2012 - S 80 AL 1650/10; SG Hamburg vom 14.9.2010 - S 17 AL 418/07; in der Tendenz ebenso LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.2.2007 - L 1 B 6/07 AL - Juris RdNr 10; Brand in Brand, SGB III, 6. Aufl 2012, § 145 RdNr 14; Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, § 145 RdNr 138; Aubel in juris-PK SGB III, § 145 RdNr 28, Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, K § 145 RdNr 46a; Steinmeyer in info also 2012, 123 ff). Andere Teile der Rechtsprechung und des Schrifttums vertreten dagegen die Ansicht, eine persönliche Meldung des Vertreters sei geboten (so SG Düsseldorf, Urteil vom 11.6.2007 - S 13 (20) AL 58/06; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4.9.2013 - L 18 AL 126/12; LSG Hamburg vom 4.5.2012 - L 2 AL 33/10; Brand in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl 2010, § 125 RdNr 14; Sauer in Jahn, SGB III, Stand 2011, § 125 RdNr 10a).
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Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass der Vertreter den Arbeitslosen, der aus gesundheitlichen Gründen an der persönlichen Meldung gehindert ist, bei Vornahme der persönlichen Arbeitslosmeldung vertritt, sich also - ebenso wie der Arbeitslose selbst - persönlich bei der AA melden muss.
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Allerdings lässt sich dem Wortlaut des § 125 Abs 1 S 3 SGB III aF weder mit der gebotenen Sicherheit entnehmen, dass die Meldung persönlich zu erfolgen hat, noch, dass eine andere Art der Meldung ausreichend sein soll. § 125 Abs 1 S 3 und 4 SGB III aF lauteten: "Kann sich der Leistungsgeminderte wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht persönlich arbeitslos melden, so kann die Meldung durch einen Vertreter erfolgen. Der Leistungsgeminderte hat sich unverzüglich persönlich beim Arbeitsamt zu melden, sobald der Grund für die Verhinderung entfallen ist." - Anders als in § 122 Abs 1 S 1 SGB III aF ist in § 125 Abs 1 S 3 SGB III aF eine persönliche Meldung nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Der Vertreter wird nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht ausdrücklich verpflichtet, sich persönlich bei der AA zu melden. Die Auslegung nach dem Wortlaut der Vorschrift spricht also eher dafür, dass keine persönliche Meldung des Vertreters erforderlich ist (ähnlich zu § 310 SGB III: Düe in Brand, SGB III, 6. Aufl 2012, § 310 RdNr 3; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III K § 310 RdNr 7; Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 310 RdNr 21). Wäre die Vorschrift so zu verstehen, wäre es aber auch nicht geboten, die Meldung schriftlich oder - wie hier - per Telefax vorzunehmen. Vielmehr ergäben sich aus der Vorschrift keine Anforderungen an die Form der Meldung.
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Dies hindert aber - entgegen der Auffassung des Klägers - den Senat nicht, anhand anderer teleologischer, historischer und systematischer Gesichtspunkte den Inhalt der Vorschrift auszulegen. Dabei geht es nicht darum, ungeschriebene Merkmale in den Tatbestand hineinzuinterpretieren. Vielmehr ist durch Auslegung zu ergründen, ob das Tatbestandsmerkmal "die Meldung" wegen des Zusammenhangs mit § 122 Abs 1 S 1 SGB III aF eine persönliche Meldung meint oder ob nach der Vorschrift eine formlose Meldung genügen soll.
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Der Entstehungsgeschichte der Norm ist ebenfalls nicht mit der gebotenen Sicherheit zu entnehmen, ob die Meldung durch den Vertreter persönlich zu erfolgen hat oder nicht. Der Gesetzgeber hat § 125 Abs 1 S 3 SGB III aF mit dem Arbeitsförderungs-Reformgesetz (AFRG) vom 24.3.1997 (BGBl I S 594) in das SGB III eingefügt. Nach der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs zum AFRG sollen die Regelungen des "Absatzes 1 Satz 3 und 4" verhindern, dass ein Leistungsanspruch nicht entsteht, weil der Betroffene etwa wegen akuter gesundheitlicher Beeinträchtigungen das Arbeitsamt nicht persönlich aufsuchen kann (BT-Drucks 13/4941 S 177). Danach soll die gesundheitliche Unmöglichkeit einer persönlichen Meldung dem Versicherten zwar nicht zum Nachteil gereichen. Trotz fehlender persönlicher Arbeitslosmeldung soll der Anspruch auf Alg entstehen. In welcher Form sich der Vertreter "melden" muss, wenn er einen aus gesundheitlichen Gründen verhinderten Arbeitslosen vertritt, bleibt dabei offen.
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Immerhin stellt die Begründung des AFRG einen Zusammenhang zwischen den Regelungen der S 3 und 4 des § 125 Abs 1 SGB III aF her. Beide Regelungen dienen demselben Zweck. Der aus gesundheitlichen Gründen an der Arbeitslosmeldung gehinderte Arbeitslose kann sich nach S 3 bei der Meldung vertreten lassen. S 4 der Vorschrift regelt für den Arbeitslosen die Obliegenheit, sich unverzüglich persönlich bei der AA zu melden, sobald die gesundheitlichen Gründe der Verhinderung entfallen sind. Der Arbeitslose hat die ihm vorübergehend nicht mögliche persönliche Arbeitslosmeldung iS des § 122 Abs 1 S 1 SGB III aF "nachzuholen".
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Bei systematischer Betrachtung wird durch die Vorschriften also geregelt, unter welchen Voraussetzungen auf die persönliche Meldung des Arbeitslosen verzichtet werden kann. Damit werden einerseits Nachteile für die gesundheitlich an der Meldung gehinderten Arbeitslosen vermieden, indem diese sich nicht persönlich melden müssen. Die Vorschrift regelt diesen Ausnahmefall andererseits erkennbar eng. Die Arbeitslosen können sich bei der Meldung vertreten lassen, müssen die persönliche Meldung aber unverzüglich nach dem Wegfall des Hinderungsgrunds nachholen.
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Die Regelungen stehen daher sowohl nach dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks 13/4941 S 177) als auch bei systematischer Auslegung in einem Regelungszusammenhang mit der materiellen Anspruchsvoraussetzung der § 118 Abs 1 Nr 2, § 122 Abs 1 S 1 SGB III aF. Aus dem Regelungszusammenhang wird deutlich, dass es sich bei "der Meldung", bei der der Arbeitslose sich vertreten lässt, um diejenige nach § 122 Abs 1 S 1 SGB III aF handelt. Die Arbeitslosmeldung nach dieser Vorschrift ist aber stets persönlich vorzunehmen.
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Auch das Tatbestandsmerkmal "Meldung" dürfte darauf hindeuten, dass eine persönliche Vorsprache bei der AA gemeint ist. Denn sowohl für die Arbeitslosmeldung als auch für die allgemeine Meldepflicht nach § 309 SGB III ist ausdrücklich angeordnet, dass die jeweilige Meldung ein persönliches Erscheinen bei der AA erfordert(zu § 309 SGB III: Düe in Brand, SGB III, 6. Aufl 2013, § 309 RdNr 18). Allerdings darf nicht übersehen werden, dass ein persönliches Erscheinen für die Meldepflicht nach Wechsel der zuständigen AA (§ 310 SGB III)von der hM nicht verlangt wird (vgl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III K § 310 RdNr 6; Düe in Brand, SGB III, 6. Aufl 2012, § 310 RdNr 3; Siefert in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III § 310 RdNr 4; Harks in juris-PK SGB III § 310 RdNr 13). Dies wird damit begründet, dass ein persönliches Erscheinen bei dieser Art der Meldung nicht ausdrücklich angeordnet sei. Der Senat lässt deshalb dahingestellt, ob im SGB III auch Meldepflichten geregelt sind, die nicht durch persönliches Erscheinen bei der AA erfüllt werden, sondern für die jede Form einer "Meldung" genügt (so Siefert aaO).
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Hätte der Gesetzgeber in dem hier maßgeblichen Regelungszusammenhang auf die Erforderlichkeit einer persönlichen Meldung durch den Vertreter verzichten wollen, hätte es nahegelegen, zunächst eine schriftliche Meldung des verhinderten Arbeitslosen genügen zu lassen, und nur dann, wenn dem Arbeitslosen auch diese unmöglich ist, eine schriftliche oder formlose Meldung durch den Vertreter zuzulassen (Mutschler in K/S/W, 3. Aufl 2013, § 145 SGB III RdNr 16). Die arbeitslose Person, die aus gesundheitlichen Gründen gehindert ist, sich bei der AA persönlich zu melden, muss sich aber unabhängig davon vertreten lassen, ob sie sich schriftlich melden könnte. Wenn aber schon die schriftliche Meldung der arbeitslosen Person nicht genügt, kann hier nicht gemeint sein, dass es genügt, wenn der Vertreter des Arbeitslosen diesen lediglich schriftlich arbeitslos meldet.
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Insoweit darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass das SGB III ausdrücklich zwischen der persönlichen Arbeitslosmeldung als materieller Anspruchsvoraussetzung (§ 118 Abs 1 Nr 2 SGB III aF) einerseits und der Antragstellung andererseits unterscheidet (§ 323 Abs 1 S 1 SGB III). Die Antragstellung ist grundsätzlich formfrei (Scholz in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl 2013, § 323 RdNr 4 und 6), ihr kommt nur verfahrensrechtliche Bedeutung zu (Leitherer in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand Juli 2010 § 323 RdNr 32 mwN; Radüge in Hauck/Noftz, SGB III K § 323 RdNr 19). Zwar gilt nach § 323 Abs 1 S 2 SGB III das Alg mit der persönlichen Meldung als beantragt, wenn keine andere Erklärung abgegeben wird. Dennoch handelt es sich aber bei Arbeitslosmeldung und Antragstellung um zwei voneinander zu trennende Institute (Leitherer aaO RdNr 35 mwN; Scholz aaO RdNr 8). Würde lediglich eine kurze Mitteilung des Vertreters an die AA genügen, dass der leistungsgeminderte Kläger nicht erscheinen kann, arbeitslos ist und Alg beantragt, würde von beiden Voraussetzungen nicht mehr verbleiben als die formlose Antragstellung. Diese reicht aber nach dem SGB III zur Erfüllung der materiellen Anspruchsvoraussetzungen des Alg nicht aus.
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Auch bedürfte es der ausdrücklichen Regelung der Vertretung in § 125 Abs 1 S 3 SGB III aF nicht, wenn diese sich nicht auf eine materielle Anspruchsvoraussetzung bezöge. Denn außerhalb der persönlich zu erfüllenden Anspruchsvoraussetzung nach § 122 SGB III aF kann sich jeder Arbeitslose schon nach allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften in dem Verwaltungsverfahren wegen der Bewilligung von Alg gegenüber der AA vertreten lassen(§ 13 SGB X; vgl nur Roller in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 13 RdNr 4). Noch weitergehend wird nach § 38 Sozialgesetzbuch Zweites Buch innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft eine Vertretung der anderen Mitglieder bei der Vornahme von Verfahrenshandlungen, zB der Antragstellung, vermutet. Die hier streitige Regelung verfolgt also nicht das Ziel, die schlichte Vertretung von Arbeitslosen bei der Vornahme von Verfahrenshandlungen im Verwaltungsverfahren zu ermöglichen oder zu erleichtern. Vielmehr ist sie darauf beschränkt, die spezifische Frage der Vertretung von Arbeitslosen zu regeln, die sich nicht persönlich bei der AA arbeitslos melden können.
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Die Gegenansicht argumentiert, es sei nicht zweckmäßig, in Fällen der Nahtlosigkeit eine Prüfung der Verfügbarkeit vorzunehmen oder mit der Vermittlung zu beginnen. Diese Ansicht übersieht, dass mit dieser Begründung eine persönliche Arbeitslosmeldung in vielen Fällen von Nahtlosigkeit (§ 125 SGB III aF) verzichtbar wäre, weil nicht auszuschließen ist, dass die Verfügbarkeit und Vermittelbarkeit der nach § 125 SGB III aF berechtigten Personen eingeschränkt ist. Ob ein Versicherter mit gesundheitlichen Einschränkungen aber dem System der Arbeitslosenversicherung zuzuordnen und entsprechend seinem gesundheitlichen Restleistungsvermögen zu vermitteln ist oder ob er dem System der gesetzlichen Rentenversicherung zuzuweisen ist, weil er eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung nicht mehr unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt üblich sind, ist im Verfahren nach § 125 Abs 2 und 3 SGB III aF erst noch zu klären.
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Bis zu dieser Klärung ist es von Gesetzes wegen nicht gewollt, dass sich leistungsgeminderte Arbeitslose weder bei der AA melden müssen noch von ihr betreut werden. Vielmehr ergibt sich bereits aus § 125 Abs 1 S 4 SGB III aF, dass sich auch leistungsgeminderte Personen bei der AA persönlich melden müssen, wenn und sobald ihnen dies gesundheitlich möglich ist. Die Meldepflicht besteht also auch in den Fällen, in denen sich (später) herausstellen wird, dass die arbeitslose Person aufgrund der bestehenden Minderung der Leistungsfähigkeit Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
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Die Gegenmeinung beachtet auch nicht, dass die persönliche Meldung andere Funktionen hat, als die bloße Missbrauchskontrolle oder den Beginn der Vermittlungstätigkeit (dazu BSG Urteil vom 14.12.1995 - 11 RAr 75/95 - BSGE 77, 175 = SozR 3-4100 § 105 Nr 2; Juris RdNr 17). Durch den persönlichen Kontakt kann zB auch sichergestellt werden, dass die Nahtlosigkeitsregelung Anwendung findet. Es kann geklärt werden, ob eine Begutachtung oder eine Antragstellung bei einem anderen Träger erforderlich ist (§ 2 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch). Auch weitere offene Fragen lassen sich bei einem persönlichen Kontakt leichter klären als über einen Schriftwechsel oder Ähnliches. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass die AA einem Vertreter, der nach § 125 Abs 1 S 3 SGB III aF tätig wird, nicht nur Informationsblätter und das Antragsformular aushändigen darf. Erforderlich ist vielmehr, dass auch mit der Person des Vertreters frühzeitig und einzelfallbezogen darauf hingewirkt wird, die Ziele der Arbeitsförderung (§ 1 SGB III) zu verwirklichen. Zu diesem Zweck ist zB zu klären, ob und ggf welche Maßnahmen in Bezug auf die arbeitslos gemeldete Person zu treffen sind (Begutachtung, Antragstellung bei anderen Trägern, andere Ermittlungen).
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Im Ergebnis vertritt ein Vertreter, der nach § 125 Abs 1 S 3 SGB III aF handelt, den Arbeitslosen bei der Meldung, die dieser selbst persönlich vorzunehmen hätte. Er ist verpflichtet, die Meldung namens und im Auftrag des Arbeitslosen, der die AA aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen kann, persönlich bei der AA vorzunehmen.
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2. Der Kläger kann sein Begehren auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.
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Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat im Wesentlichen einen dreigliedrigen Tatbestand. Es muss eine Pflichtverletzung vorliegen, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (stRspr; zuletzt BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 5 R 5/13 R - SozR 4-2600 § 137b Nr 1 RdNr 37).
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Hier liegt schon keine Pflichtverletzung der Beklagten vor. Weder der Betreuer noch der Kläger haben im Zusammenhang mit der Meldung am 8.3.2007 eine Auskunft oder Beratung der AA erbeten. Nach der nicht formgerechten Meldung des Betreuers hat die AA diesen darauf hingewiesen, dass eine persönliche Meldung erforderlich ist. Der Vertreter hat aber darauf bestanden, dass eine Meldung in der von ihm gewählten Form genüge.
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Nach allem ist die Revision des Klägers unbegründet und zurückzuweisen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs 1 SGG.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 7. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung (RV).
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Der Kläger ist seit 1993 im Unternehmen seiner Ehefrau tätig. Hierfür wurden nach Anzeige der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit gegenüber der zuständigen Krankenkasse als Einzugsstelle in den folgenden Jahren regelmäßig Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Nachdem die Einzugsstelle auf eine im November 2006 hin beantragte Statusfeststellung hin das Bestehen von Versicherungspflicht festgestellt hatte, entschied das SG Aurich durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 28.5.2008, dass der Kläger seit August 1993 nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist.
- 3
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Im Juli 2008 beantragten der Kläger und seine Ehefrau daraufhin bei der Einzugsstelle die Erstattung der zu Unrecht entrichteten Beiträge. Die insoweit betroffenen RV-Beiträge sollten nicht als Beiträge zur freiwilligen Versicherung beim RV-Träger verbleiben. Auf die Rechte nach § 202 SGB VI verzichtete der Kläger ebenso wie auf einen ggf bestehenden Beanstandungsschutz. Unter Hinweis auf eine in Teilen bereits eingetretene Verjährung der Erstattungsforderung leitete die Einzugsstelle den Antrag hinsichtlich der RV-Beiträge zur abschließenden Bearbeitung an die beklagte Deutsche RV Braunschweig-Hannover weiter. Im Oktober 2008 trat der Kläger seinen Anspruch auf Erstattung der Arbeitnehmeranteile an den für ihn entrichteten RV-Beiträgen an das beigeladene Kreditinstitut ab. Die Beklagte entsprach dem Erstattungsbegehren hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile für die Zeit vom 1.12.2003 bis 31.5.2008 in Höhe von 18 833,79 Euro. Für den vorangegangenen Zeitraum vom 1.8.1993 bis 30.11.2003 lehnte sie hingegen eine Beitragserstattung - auch bezogen auf die Arbeitnehmeranteile - mit der Begründung ab, dass dieser Anspruch nach Maßgabe des § 26 Abs 1 S 3 iVm § 27 Abs 2 S 1 SGB IV bereits verjährt sei(Bescheid vom 11.11.2008, Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009).
- 4
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Das SG hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 10.5.2011). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Ein Beitragserstattungsanspruch hinsichtlich des noch streitigen Zeitraums sei nicht gegeben, weil die insoweit geleisteten Beiträge bei fehlender Beanstandungsmöglichkeit gemäß § 26 Abs 1 S 3 SGB IV in der ab 1.1.2008 geltenden Fassung die Qualität zu Recht entrichteter Pflichtbeiträge hätten. Die Regelung ordne keine Verjährung der Beitragserstattungsforderungen an, sondern nehme eine materiell-rechtliche Umgestaltung der anfänglich zu Unrecht gezahlten Beiträge in zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge vor. Die Grundsätze des intertemporalen Sozialrechts gäben keinen Anlass, den Anwendungsbereich des § 26 Abs 1 S 3 SGB IV so zu interpretieren, dass hierunter nur Beiträge fielen, die erst nach ihrem Inkrafttreten am 1.1.2008 entrichtet worden seien. Der Kläger habe einen Erstattungsantrag erst unter Geltung des neuen Rechts im Juli 2008 gestellt. Bei dem vorangegangenen Statusfeststellungsbegehren handele es sich um ein von dem Erstattungsverfahren zu trennendes Verfahren, weil die Geltendmachung einer Erstattung im Ermessen des Betroffenen liege, er die Möglichkeit habe, die Beiträge als freiwillige Beiträge fortbestehen zu lassen und in letzterem Verfahren geklärt werden müsse, ob nicht bereits Leistungen erbracht worden seien (Urteil vom 7.12.2011).
- 5
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision, mit der er eine Verletzung von § 26 Abs 1 S 3 SGB IV iVm den Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch rügt und weiter die vollständige Erstattung der Arbeitnehmeranteile an den gezahlten RV-Beiträgen begehrt. Anzuwenden sei die Gesetzeslage aus der Zeit vor dem 1.1.2008. Durch die vorangegangene Statusfeststellung sei nämlich eine Verzögerung von zwei Jahren eingetreten, die die Einzugsstelle verschuldet habe. Er (der Kläger) sei so zu stellen, wie wenn die Einzugsstelle von Anfang an ordnungsgemäß gehandelt hätte. Unstreitig hätte sein Begehren bei einer vor dem 1.1.2008 beantragten Beitragserstattung Erfolg gehabt. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils im Statusfeststellungverfahren stehe fest, dass die Einzugsstelle fehlerhaft entschieden habe, was nun im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auszugleichen sei.
- 6
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 7. Dezember 2011 sowie des Sozialgerichts Aurich vom 10. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 11. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2009 zu verurteilen, die Arbeitnehmeranteile der für ihn für den Zeitraum 1. August 1993 bis 30. November 2003 entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung an die Beigeladene zu erstatten,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
- 7
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Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
- 8
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
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Die Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.
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Zutreffend hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende SG-Urteil zurückgewiesen. Der Kläger kann von der Beklagten die Erstattung der Arbeitnehmeranteile der für ihn für den Zeitraum 1.8.1993 bis 30.11.2003 entrichteten Beiträge zur gesetzlichen RV an die Beigeladene nicht verlangen. Die dieses ablehnenden angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.
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1. Zu Recht hat das LSG seinem Urteil zugrunde gelegt, dass der Kläger trotz der Abtretung seines/seiner (vermeintlichen) Beitragserstattungsanspruchs/Beitragserstattungsansprüche an das beigeladene Kreditinstitut im vorliegenden Rechtsstreit zur Prozessführung befugt ist. Grundsätzlich bestehen gegen die Wirksamkeit einer entsprechend §§ 398 ff BGB vorgenommenen Abtretung eines Erstattungsanspruchs selbst unter dem Blickwinkel des § 53 Abs 1 SGB I keine Bedenken, weil dieser ein vermögensrechtlicher Ausgleichsanspruch und nicht als Sozialleistung iS des § 11 SGB I zu qualifizieren ist(vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, Leitsatz 1 und RdNr 11 ff mwN; BSG Urteil vom 26.6.1986 - 7 RAr 121/84 -, Juris mwN). Ohne selbst noch Inhaber des (vermeintlichen) Anspruchs zu sein, ist der Kläger zur Prozessführung im Wege einer gewillkürten Prozessstandschaft berechtigt (vgl hierzu allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 11a mwN). Das LSG hat ausgehend von den der Abtretung zugrundeliegenden Vertragsbedingungen zwischen Kläger und Beigeladener angenommen, dass dieser auch nach Abtretung seines (vermeintlichen) Anspruchs zu einer gerichtlichen Geltendmachung legitimiert ist. Dem hat die Beigeladene auf ausdrückliche Nachfrage des LSG nicht widersprochen. Es ist auch ein eigenes Rechtsschutzbedürfnis des Klägers anzunehmen, das fremde Recht im eigenen Namen geltend zu machen (vgl zB BSGE 10, 131, 134; 37, 33, 35; BSG SozR 2200 § 639 Nr 1 S 2), da sich seine Vermögenslage im Falle seines Obsiegens verbessern würde.
- 13
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2. Gegenstand des Rechtsstreits ist der an den Kläger gerichtete Bescheid der Beklagten vom 11.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2009 nur insoweit, als die Beklagte darin den Erstattungsantrag des Klägers hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile der für ihn für die Zeit vom 1.8.1993 bis 30.11.2003 gezahlten Beiträge zur gesetzlichen RV abgelehnt hat, nicht betroffen sind dagegen Beiträge aus anderen Zweigen der Sozialversicherung.
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3. In der Sache kann der Kläger von der Beklagten die Arbeitnehmeranteile der für die Zeit vom 1.8.1993 bis 30.11.2003 für ihn entrichteten Beiträge zur gesetzlichen RV nicht zugunsten der Beigeladenen erstattet verlangen. Zwar war(en) sein(e) Anspruch (Ansprüche) auf Beitragserstattung insoweit im Zeitpunkt ihrer Entrichtung entstanden und fällig geworden (dazu a). Ab 1.1.2008 ist eine Erstattung jedoch ausgeschlossen, weil die ursprünglich zu Unrecht entrichteten Beiträge als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge gelten (dazu b). Der Kläger kann eine Beitragserstattung auch nicht nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beanspruchen (dazu c). Gegen dieses Ergebnis bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (dazu d).
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a) Nach § 26 Abs 2 Halbs 1 SGB IV sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zur gesetzlichen RV zu erstatten; eine Erstattung solcher Beiträge kommt nach § 26 Abs 2 Halbs 1 SGB IV nur dann in Betracht, wenn der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, keine Leistungen erbracht oder zu erbringen hat (sog Verfallklausel). Gemäß § 26 Abs 3 S 1 SGB IV steht der ein (entstandener) Erstattungsanspruch(vgl zum Entstehen von Beitragserstattungsansprüchen allgemein BSG SozR 3-2400 § 28 Nr 1 S 4)demjenigen zu, der die Beiträge getragen hat.
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Die von dem Kläger im streitigen Zeitraum getragenen Beiträge (Arbeitnehmeranteile) zur gesetzlichen RV wurden - wie inzwischen feststeht - ursprünglich iS von § 26 Abs 2 Halbs 1 SGB IV zu Unrecht entrichtet; denn das SG Aurich stellte mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 28.5.2008 fest, dass der Kläger im Unternehmen seiner Ehefrau seit 1.8.1993 nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. Der Kläger machte seinen Beitragserstattungsanspruch dann erstmals im Juli 2008 gegenüber der Einzugsstelle geltend; bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte Leistungen an den Kläger nicht erbracht. Die Beklagte erkannte einen Beitragserstattungsanspruch bzw Beitragserstattungsansprüche für die von Dezember 2003 bis Mai 2008 entrichteten Beiträge hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile auch an.
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b) Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erstattung der Arbeitnehmeranteile hinsichtlich der für den darüber hinausgehend im streitigen Zeitraum entrichteten RV-Beiträge nicht zu, weil die (ursprünglich zu Unrecht) entrichteten Beiträge für diesen Zeitraum als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge gelten.
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Nach § 26 Abs 1 S 3 iVm S 2 SGB IV gelten zu Unrecht entrichtete Beiträge nach Ablauf der in § 27 Abs 2 S 1 SGB IV bestimmten Frist als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge. Die in Bezug genommene Vorschrift des § 27 Abs 2 S 1 SGB IV regelt, dass der Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge entrichtet worden sind, verjährt.
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aa) Zutreffend hat das LSG angenommen, dass § 26 Abs 1 S 3 SGB IV im Falle des Klägers zur Anwendung gelangt. Die Norm wurde durch Art 1 Nr 14 des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007 (BGBl I 3024) angefügt und ist gemäß Art 21 Abs 1 des vorgenannten Gesetzes am 1.1.2008 ohne Übergangsvorschriften in Kraft getreten.
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bb) Zu Recht hat das LSG entschieden, dass die für den streitigen Zeitraum entrichteten Beiträge von § 26 Abs 1 S 3 SGB IV erfasst werden, weil die Norm grundsätzlich auch (ursprünglich) zu Unrecht entrichtete Beiträge erfasst, die für Zeiträume entrichtet wurden, die vor dem Inkrafttreten der Norm, also vor dem 1.1.2008, liegen (vgl in diesem Sinne auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 21.1.2011 - L 4 KR 4672/10 - Juris; Bayerisches LSG Urteil vom 30.1.2013 - L 13 R 598/10 - Juris; KomGRV, § 26 SGB IV RdNr 2, Stand Einzelkommentierung 2010; Kreikebohm, SGB IV, 2008, § 26 RdNr 9; Roßbach in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 26 SGB IV RdNr 6; zur Frage, ob die Norm auch abgeschlossene Sachverhalte erfasst, in denen in der Vergangenheit zu Unrecht entrichtete Beiträge bereits erstattet wurden, vgl Waßer in jurisPK-SGB IV, § 26 RdNr 41.1, Stand Januar 2014).
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Werden materielle Anspruchsvoraussetzungen eines sozialrechtlichen Leistungsgesetzes geändert, gilt grundsätzlich das Versicherungsfall- bzw Leistungsfallprinzip. Hiernach ist ein Rechtssatz nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Spätere Änderungen eines Rechtssatzes sind danach für die Beurteilung von vor seinem Inkrafttreten entstandenen Lebensverhältnissen unerheblich, es sei denn, dass das Gesetz seine zeitliche Geltung auf solche Verhältnisse erstreckt. Dementsprechend geht das BSG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche bzw Rechtsverhältnisse grundsätzlich nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit des Vorliegens der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat. Das Versicherungsfall- bzw Leistungsfallprinzip ist allerdings nicht anzuwenden, soweit später in Kraft gesetztes Recht ausdrücklich oder sinngemäß etwas anderes bestimmt. Dann kommt der Grundsatz der sofortigen Anwendung des neuen Rechts auch auf nach altem Recht entstandene Rechte und Rechtsverhältnisse zum Tragen. Welcher der genannten Grundsätze des intertemporalen Rechts zur Anwendung gelangt, richtet sich letztlich danach, wie das einschlägige Recht ausgestaltet bzw auszulegen ist (vgl zum Ganzen ausführlich BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R -, Juris RdNr 42 f mit umfangreichen Nachweisen, ferner zB Schlegel, VSSR 2004, 313, 314 ff).
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Dem Wortlaut der Regelung in § 26 Abs 1 S 3 SGB IV kann ebenso wenig wie ihrer systematischen Stellung eine eindeutige Antwort auf die Frage ihrer Geltung für Beitragszeiträume bereits vor dem 1.1.2008 entnommen werden. Allerdings folgt eine Geltung der Vorschrift mit hinreichender Klarheit jedenfalls aus den Gesetzesmaterialien. Nach den - im weiteren Gesetzgebungsverfahren nicht in Zweifel gezogenen - Ausführungen der Gesetzesbegründung der Bundesregierung zu der genannten Bestimmung sollte nämlich gerade die bis dahin geltende Rechtslage geändert werden, wonach zu Unrecht entrichtete Beiträge zur gesetzlichen RV im Einzelfall "noch für viele Jahre rückwirkend" erstattet werden mussten; derartig zu Unrecht entrichtete Beiträge sollten aufgrund der Neuregelung nach Ablauf der Verjährungsfrist von vier Jahren nach § 27 Abs 2 S 1 SGB IV vielmehr als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge gelten und die Beiträge als solche erhalten bleiben, eine Erstattung dagegen nicht mehr möglich sein(so Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze, BT-Drucks 16/6540 S 23 f zu Nr 14 <§ 26>). Dieses vom Gesetzgeber formulierte Ziel ließ sich konsequenterweise nur durch eine unmittelbar und zeitnah greifende Rechtsänderung verwirklichen, indem von der Neuregelung auch schon in Zeiträumen vor dem Inkrafttreten der Norm entrichtete Beiträge erfasst wurden und nicht erst Beiträge, die nach dem 1.1.2008 entrichtet wurden und bei denen die neu angeordneten Rechtsfolgen dann wiederum erst nach weiteren vier Jahren greifen würden. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber trotz des von ihm angenommenen Handlungsbedarfs eine erst Jahre später eintretende Wirkung der Rechtsänderung beabsichtigte, sind jedoch den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen.
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cc) Rechtsfehlerfrei hat das LSG schließlich angenommen, dass die in § 26 Abs 1 S 3 iVm § 27 Abs 2 S 1 SGB IV genannte Frist hinsichtlich der für den streitigen Zeitraum geleisteten Beiträge verstrichen ist, nachdem der Kläger erst im Juli 2008 einen Antrag auf Erstattung gestellt hat. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, was in Fällen eines vor dem 1.1.2008 gestellten Erstattungsantrags gilt (für die Geltung der früheren Rechtslage: KomGRV, § 26 SGB IV RdNr 2, Stand Einzelkommentierung 2010; Kreikebohm, SGB IV, aaO, § 26 RdNr 9). Ebenso kann offenbleiben, ob die in § 26 Abs 1 S 3 SGB IV genannte Voraussetzung des Ablaufs der in § 27 Abs 2 S 1 SGB IV genannten Frist als bloße Definition des maßgebenden Zeitraums (vier Jahre) oder darüber hinaus als Erfordernis eines Ablaufs der "Verjährungsfrist"(so Gesetzentwurf, aaO, BT-Drucks 16/6540 S 23 f) unter Berücksichtigung der Regelung insbesondere über die Hemmung der Verjährung in § 27 Abs 3 SGB IV(hierzu Waßer in jurisPK-SGB IV, aaO, § 26 RdNr 41.1) zu verstehen ist. Anhaltspunkte für eine Hemmung oder Unterbrechung der Frist des § 27 Abs 2 S 1 SGB IV sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger einen schriftlichen Antrag auf Erstattung, der geeignet sein könnte, die Verjährung(sfrist) zu unterbrechen (vgl § 27 Abs 3 S 2 SGB IV), erst im Juli 2008 und damit erst nach Inkrafttreten von § 26 Abs 1 S 3 SGB IV gestellt. Seine (möglicherweise) bestehende Unkenntnis von den Beitragserstattungsansprüchen und der Möglichkeit, sie (rechtzeitig) geltend zu machen, wären für die Frage des Fristablaufs ohne Bedeutung (vgl zur Verjährung von Beitragserstattungsansprüchen BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 11 mwN; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341).
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c) Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich ein anderes Ergebnis auch nicht über eine Anwendung der Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Dieses von der Rechtsprechung des BSG ergänzend zu den gesetzlich geregelten Korrekturmöglichkeiten bei fehlerhaftem Verwaltungshandeln entwickelte Rechtsinstitut greift - im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs - ein, wenn ein Sozialleistungsträger durch Verletzung einer ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegenden Pflicht, insbesondere zur Beratung und Betreuung (vgl §§ 14, 15 SGB I), nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese Folgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt werden können (stRspr; zu den Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen vgl zuletzt zB BSG SozR 4-4300 § 28a Nr 3 RdNr 22 mwN; ferner BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 15 RdNr 12).
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Es kann offenbleiben, ob sich der Kläger schon deshalb nicht auf die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs stützen kann, weil der Erstattungsanspruch nach § 26 Abs 2 SGB IV, der unabhängig von den Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gegeben ist, die Beitragserstattung wegen eines behaupteten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ausschließt(so bereits BSG SozR 3-2400 § 26 Nr 10 S 49; BSG Urteil vom 29.11.2006 - B 12 KR 30/05 R - Juris RdNr 15 mwN; Seewald in Kasseler Komm, § 26 SGB IV RdNr 27, Stand Einzelkommentierung Oktober 2008). Selbst wenn man eine Anwendbarkeit der Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch neben § 26 Abs 2 SGB IV bejahen wollte, würde es an dessen Voraussetzungen fehlen, weil nicht ein Verwaltungshandeln der Einzugsstelle unmittelbar zum Ausschluss der vom Kläger als nachteilig empfundenen fehlenden Erstattungsfähigkeit der für den streitigen Zeitraum geleisteten RV-Beiträge führte; denn eine Neuqualifizierung der Beiträge als zu Recht entrichtete Beiträge wurde erst durch eine gesetzliche Neuregelung und nicht durch ein (möglicherweise fehlerhaftes) Verwaltungshandeln vorgenommen. Auch aus dem Umstand allein, dass die Einzugsstelle zunächst - vom Kläger selbst seit 1993 beanstandet gelassen und im Betrieb seiner Ehefrau entsprechend über lange Jahre hinweg so praktiziert - zunächst von einem der Versicherungspflicht unterliegenden Beschäftigungsverhältnis ausging und erst das SG Aurich in seinem Urteil vom 28.5.2008 auf fehlende Versicherungspflicht erkannte, kann ebenfalls nichts zu Gunsten des Klägers hergeleitet werden. Dafür, dass er auf seinen Statusfeststellungsantrag hin durch eine zögerliche Bearbeitungsweise der Einzugsstelle davon abgehalten wurde, einen Erstattungsantrag schon vor dem 1.1.2008 zu stellen, hat das LSG nichts festgestellt und ist auch sonst nichts ersichtlich. Der Kläger stellte erst im Juli 2008 einen Antrag auf Erstattung der RV-Beiträge unter Verzicht auf Beanstandungsschutz und nicht bereits - zB vorsorglich und gestuft - zu einem früheren Zeitpunkt, etwa zeitgleich mit der Einleitung des Statusfeststellungsverfahrens im November 2006. Unbeschadet dessen erscheint fraglich, ob der - den anderen am Beitragseinzugsverfahren beteiligten und durch den Gesamtsozialversicherungsbeitrag begünstigten Versicherungsträgern gleichermaßen zur Beachtung der Regelungen des Versicherungs- und Beitragsrechts verpflichteten - Einzugsstelle (vgl § 28h Abs 2 SGB IV)schon deshalb eine Betreuungspflichtverletzung speziell gegenüber dem Kläger angelastet werden könnte, weil sie in ihrer Einschätzung über die Versicherungspflicht zunächst zu einem anderen Ergebnis gelangte als später das SG.
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Ein anderes Ergebnis ließe sich auch nicht dadurch herbeiführen, dass weitere Verwaltungshandlungen und Verfahrensabschnitte aus der Zeit vor dem 1.1.2008 in den Blick genommen werden. Auch in der Zeit vor dem 1.1.2008 wäre(n) der/die bereits mit der Beitragsentrichtung entstandene(n) Beitragserstattungsanspruch/Beitragserstattungsansprüche des Klägers schon allein deshalb nicht ohne Weiteres realisierbar gewesen, weil auch nach altem Recht gemäß § 26 Abs 1 S 2 SGB IV nicht mehr beanstandungsfähige Beiträge als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge galten. Darüber hinaus ist ein konkreter Anlass für bestimmte Handlungen der Beklagten als Träger der gesetzlichen RV - zB für eine Beratung des Klägers gemäß § 14 SGB I im vorliegend interessierenden Zusammenhang - nicht ersichtlich. Hieran ändert auch die Einleitung und Durchführung eines Verwaltungsverfahrens zur Statusfeststellung bei der Einzugsstelle nichts: Aus einem solchen Verfahren kann nicht automatisch geschlossen werden, der Betroffene werde bei der von der Einzugsstelle getroffenen Feststellung, dass mangels Versicherungspflicht Beiträge zu Unrecht entrichtet worden seien - in jedem Fall automatisch ebenfalls die umfassende Erstattung aller in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung entrichteten Beiträge geltend machen. Vielmehr hat der Betroffene gerade in Bezug auf RV-Beiträge Gestaltungsmöglichkeiten (zB kein Verzicht auf Beanstandungsschutz mit der Rechtsfolge des § 26 Abs 1 S 2 SGB IV, Umwandlung in freiwillige Beiträge gemäß § 202 SGB VI), die im wohlverstandenen Eigeninteresse zuvor entsprechende Überlegungen erfordern.
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d) Der sich damit ergebende Ausschluss der Erstattungsfähigkeit der Arbeitnehmeranteile der vom 1.8.1993 bis 30.11.2003 für den Kläger entrichteten RV-Beiträge verstößt nicht gegen Verfassungsrecht.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG begrenzen das Rechtsstaatsprinzip und die Grundrechte die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpfen. Dabei findet das Rückwirkungsverbot seinen Grund im Vertrauensschutz (vgl aus jüngerer Zeit zB BVerfGE 132, 302, RdNr 41; BVerfGE 126, 369, 393 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 75 mwN). Jedoch geht der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz nicht so weit, den Staatsbürger vor jeglicher Enttäuschung seiner Erwartung in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage zu schützen. Die schlichte Erwartung, das geltende Recht werde auch in der Zukunft unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich nicht geschützt (vgl BVerfGE 128, 90, 106 = SozR 4-1100 Art 14 Nr 23 RdNr 43 mwN). Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung ist zwischen einer echten Rückwirkung und einer unechten Rückwirkung bzw tatbestandlichen Rückanknüpfung zu differenzieren. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift oder wenn der Beginn seiner zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm durch ihre Verkündung rechtlich existent, das heißt gültig geworden ist (BVerfGE 128, 90, 106 = SozR 4-1100 Art 14 Nr 23 RdNr 45 mwN). Eine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet oder wenn die Rechtsfolgen einer Norm zwar erst nach ihrer Verkündung eintreten, deren Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor der Verkündung "ins Werk gesetzt" worden sind (BVerfGE 128, 90, 107 = SozR aaO RdNr 47 mwN). Während eine echte Rückwirkung verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig ist, gelten für eine unechte Rückwirkung bzw tatbestandliche Rückanknüpfung weniger strenge Beschränkungen (vgl BVerfGE 109, 133, 181).
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Hiernach ist vorliegend (nur) von einer unechten Rückwirkung bzw tatbestandlichen Rückanknüpfung auszugehen, weil § 26 Abs 1 S 3 SGB IV die mangels Versicherungspflicht zu Unrecht für den streitigen Zeitraum entrichteten Beiträge rückwirkend als zu Recht entrichtet qualifiziert.
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bb) § 26 Abs 1 S 3 SGB IV verstößt nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, soweit sie Beiträge, die (ursprünglich zu Unrecht) für länger als vier Jahre zurückliegende Zeiträume entrichtet wurden, als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge qualifiziert.
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(1) Es kann offenbleiben, ob in dem damit einhergehenden Ausschluss der Geltendmachung von ursprünglich gegebenen Beitragserstattungsansprüchen überhaupt ein relevanter Eingriff in die verfassungsrechtliche Position des Betroffenen liegt. Es liegt bereits nicht die Situation des Eintritts von Verjährung verbunden mit einem Leistungsverweigerungsrecht oder die Auflösung des Versicherungsverhältnisses vor, wie dies etwa bei den Regelungen zur sog Heiratserstattung der Fall ist (vgl hierzu BVerfGE 36, 237 = SozR Nr 99 zu Art 3 GG; BVerfG SozR 4-2600 § 282 Nr 1; BSG SozR 3-2600 § 58 Nr 19 mwN) vor. Auch entspricht die durch § 26 Abs 1 S 3 SGB IV angeordnete Rechtsfolge gerade der der Beitragsentrichtung ursprünglich zugrunde liegenden Annahme der Beteiligten über die Rechtmäßigkeit der Beitragsentrichtung und damit über das Bestehen von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung. Hiermit korrespondiert die gesetzgeberische Intention, wonach keine Schlechterstellung gegenüber der Situation entstehen soll, wenn der Betroffene tatsächlich pflichtversichert gewesen wäre, wovon er bis zur Feststellung des Nichtvorliegens der Versicherungspflicht bzw bis zur Einleitung der von der Einzugsstelle begehrten Statusfeststellung auch ausgegangen ist (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 16/6540 S 23 zu Nr 14 <§ 26>).
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(2) Jedenfalls wäre ein Eingriff in Rechte des Klägers verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die tatbestandliche Rückanknüpfung kann Grundrechte zum Schutz solcher Sachverhalte berühren, die mit der Verwirklichung des jeweiligen Tatbestandsmerkmals vor Verkündung der Norm "ins Werk gesetzt" worden sind. An diesen Grundrechten sind die betreffenden Gesetze zu messen. Die rechtsstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit wirken - beschränkt auf den Gesichtspunkt der Vergangenheitsanknüpfung - auf die grundrechtliche Bewertung in der Weise ein, wie dies allgemein bei der Auslegung und Anwendung von Grundrechten im Hinblick auf die Fragen des materiellen Rechts geschieht. Die Grenzen gesetzgeberischer Regelungsbefugnis ergeben sich dabei aus einer Abwägung zwischen dem Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl (vgl stellvertretend BVerfGE 109, 133, 182 mwN). Soweit man als Bezugspunkt eines schützenswerten Vertrauens des Betroffenen die Wirksamkeit der Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen RV ansieht, enttäuscht § 26 Abs 1 S 3 SGB IV dieses Vertrauen nicht, sondern schützt dieses, indem die Regelung die ursprünglich zu Unrecht entrichteten Beiträge als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge qualifiziert. Soweit man demgegenüber die Erwartung des Betroffenen, wegen instanzgerichtlich verneinter Versicherungspflicht müssten ihm ursprünglich zu Unrecht entrichtete Beiträge uneingeschränkt, dh uU auch nach Jahren und Jahrzehnten, erstattet werden, als Bezugspunkt seines Vertrauens ansieht, wäre dieses Vertrauen jedenfalls nicht schutzwürdig: Das geltende Recht sieht im Zusammenhang mit der Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV aufgrund (abhängiger) Beschäftigung nämlich grundsätzlich keine Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten vor. Vielmehr tritt Versicherungspflicht kraft Gesetzes bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen ein (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Hat ein Versicherter und/oder sein Arbeitgeber aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse Zweifel am (Fort-)Bestehen von Versicherungspflicht aufgrund einer (abhängigen) Beschäftigung, besteht für ihn/sie jederzeit die Möglichkeit, zeitnah - entweder unmittelbar bei Aufnahme der Tätigkeit oder bei einem Wandel ihrer Merkmale - das (Fort-)Bestehen von Versicherungspflicht verbindlich klären zu lassen (vgl § 7a Abs 1 S 1, § 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Eine in Klein- und/oder Familienbetrieben bestehende faktische Steuerungsmöglichkeit hinsichtlich der Klärung der Versicherungspflicht durch eine erst Jahre oder Jahrzehnte später erfolgende "Offenlegung" der wahren tatsächlichen Verhältnisse im Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit entspricht weder der Systematik des Eintritts von Versicherungspflicht in der Sozialversicherung noch ist sie verfassungsrechtlich schützenswert (vgl zum Ganzen ausführlich: Kreikebohm, SGB IV, aaO, § 26 RdNr 9).
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. April 2012 wird zurückgewiesen.
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Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Anerkennung eines in Kasachstan erlittenen Unfalls als Arbeitsunfall.
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Der 1955 geborene Kläger schloss im November 2007 mit der Engineering D. GmbH in M. einen Arbeitsvertrag als Montageleiter für eine Baustelle in Kasachstan, der mit dem Abschluss dieser Baustelle beendet sein sollte. Für das Ausscheiden des Klägers wurde die Rückgabe verschiedener Unterlagen sowie die Anfertigung eines Übergabeprotokolls vereinbart.
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Auf eine Anfrage der Personalreferentin der Arbeitgeberin hin übersandte die Beklagte eine Kopie des Aufsatzes "Versicherungsschutz bei Tätigkeiten im Ausland". Form und Inhalt der Anfrage sowie der Aussagen von Mitarbeitern der Beklagten zum Versicherungsschutz des Klägers sind nicht geklärt. Einen Antrag auf die Aufnahme in die bei der Beklagten mögliche freiwillige Auslandsunfallversicherung stellte die Arbeitgeberin des Klägers nicht. Der Kläger selbst hatte keinen Kontakt zur Beklagten. Nach einer ab dem 3.12.2007 in Deutschland durchgeführten Einarbeitungsphase begab sich der Kläger am 16.12.2007 nach Kasachstan. In der Folgezeit reiste er zwei Mal für jeweils ein bis zwei Tage nach Deutschland, um den weiteren Projektablauf zu besprechen. Das Arbeitsverhältnis endete vereinbarungsgemäß am 21.12.2009.
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Am 2.12.2009 knickte der Kläger auf einem Weg vom Büro zu der Baustelle mit dem Fuß auf einer schneebedeckten Fläche um und zog sich eine Sprunggelenksfraktur zu. Mit Bescheid vom 22.2.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung von "Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung" aufgrund des Unfalls vom 2.12.2009 ab. Der Kläger gehöre nicht zum Kreis der versicherten Personen. Die Voraussetzung für eine Ausstrahlung nach § 4 SGB IV, dass das Arbeitsverhältnis nach dem Auslandsaufenthalt im Inland fortgesetzt werde, sei nicht erfüllt. Eine Auslandsunfallversicherung sei nicht abgeschlossen worden. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 15.4.2010 zurück.
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Das SG Speyer hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 14.10.2010). Zur Begründung hat es ua ausgeführt, eine Ausstrahlung sei auch unter Berücksichtigung der Vereinbarungen des Klägers mit seiner Arbeitgeberin über die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses nicht anzunehmen.
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Der Kläger hat seine Berufung ua ergänzend darauf gestützt, dass die Beklagte seine Arbeitgeberin unzutreffend über den Versicherungsschutz im Ausland beraten habe. Das LSG hat die Berufung durch Urteil vom 30.4.2012 zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, es liege kein Fall der Entsendung vor. Die vom Kläger zu erledigenden Aufgaben hätten auf der Baustelle in Kasachstan erfüllt werden müssen. Bei den vom Kläger am Ende des Arbeitsverhältnisses in Deutschland vorzunehmenden Tätigkeiten handele es sich lediglich um Maßnahmen, mit denen das Auslandsprojekt abgeschlossen und abgewickelt worden sei. Von Pflichten aus einem in Deutschland fortgesetzten Beschäftigungsverhältnis könne keine Rede sein. Es komme auch nicht darauf an, ob die Beklagte die Arbeitgeberin des Klägers in Bezug auf den Abschluss einer Auslandsunfallversicherung zutreffend beraten habe. Zwar lägen Anhaltspunkte für einen Beratungsfehler der Beklagten gegenüber der Arbeitgeberin des Klägers vor. Der Kläger könne hieraus aber keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls herleiten, weil ein eventueller Beratungsfehler im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Arbeitgeberin des Klägers keinen Anspruch in der Person des Klägers begründen könne. Der Kläger selbst sei nicht falsch beraten worden.
- 7
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Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Das LSG habe insbesondere einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu Unrecht verneint. Seine Arbeitgeberin sei bei seiner Entsendung mit der schwierigen Materie des Unfallversicherungsschutzes im Ausland nicht vertraut gewesen und habe sich deshalb an die Beklagte gewandt, um für ihn Versicherungsschutz zu erhalten. Die Beklagte habe seiner Arbeitgeberin mitgeteilt, dass er während seiner Tätigkeit in Kasachstan versichert sei. Im Vertrauen darauf habe seine Arbeitgeberin davon abgesehen, eine Auslandsunfallversicherung abzuschließen. Soweit das LSG anführe, die Beklagte habe nicht ihn beraten, werde außer Acht gelassen, dass die Arbeitgeberin hier seine Interessen wahrzunehmen habe, weil er selbst den Auslandsversicherungsschutz nicht beantragen könne. Auch laufe der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ins Leere, wenn der zu Beratende und der Geschädigte jeweils identisch sein müssten.
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. März 2012 und des Sozialgerichts Speyer vom 14. Oktober 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 2010 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger am 2. Dezember 2009 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
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1. Die Revision genügt den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG. Sie enthält einen bestimmten Antrag und bezeichnet die verletzte Rechtsnorm. Es genügt, insoweit den in ständiger Rechtsprechung (zB BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 34/07 R - juris RdNr 27 = SGb 2010, 47, 49 mit Anm Mrozynski) anerkannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu benennen. Bei diesem handelt es sich um ein zu Gewohnheitsrecht erstarktes, richterrechtlich gebildetes Rechtsinstitut und damit um revisibles Bundesrecht (vgl BSG Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 43/94 - BSGE 77, 53, 55 = SozR 3-2500 § 106 Nr 33 S 185). Der Kläger hat die Revision auch noch in ausreichendem Umfang begründet (s bereits Beschluss vom 24.9.1957 - 2 RU 70/54 - SozR Nr 27 zu § 164 SGG; BSG vom 2.1.1979 - 11 RA 54/78 - SozR 1500 § 164 Nr 12 S 17; zuletzt BSG vom 11.4.2013 - B 2 U 21/11 R - UV-Recht Aktuell 2013, 620, 623). Der Kläger verfolgt sein Begehren auch in zulässiger Weise mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs 1, 55 Abs 1 Nr 1 SGG; dazu: BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 46/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 4).
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2. Die Revision ist aber unbegründet, denn der Kläger hat bei dem Sturz am 2.12.2009 keinen Arbeitsunfall erlitten.
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Gemäß § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Der Kläger gehörte nicht zu dem Kreis der versicherten Personen, als er an dem fraglichen Tag stürzte und sich verletzte. Es liegt kein Fall der Einbeziehung in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung im Wege der Ausstrahlung vor (a>). Seine Arbeitgeberin hat für ihn auch keinen Antrag auf Auslandsversicherung gestellt (b>).
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a) Der Kläger war am Unfalltag nicht im Wege der Ausstrahlung nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versichert.
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Gemäß § 3 Nr 1 SGB IV gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt sind. § 4 Abs 1 SGB IV ("Ausstrahlung")bestimmt in Erweiterung der zuvor genannten Regelung, dass - soweit die Vorschriften über die Versicherungspflicht eine Beschäftigung voraussetzen - diese auch für Personen gelten, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.
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Nach seinem Wortlaut setzt § 4 Abs 1 SGB IV - neben einem Auslandsaufenthalt - ein im Inland bestehendes Arbeitsverhältnis und einen im Voraus zeitlich begrenzten Einsatz im Ausland voraus. Dazu muss das Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Entsendung im Inland weitergeführt werden (BSG vom 14.1.1987 - 10 RKg 20/85 - BSGE 61, 123, 125 = SozR 5870 § 1 Nr 11 S 24; BSG vom 22.6.1989 - 4 REg 4/88 - SozR 7833 § 1 Nr 6 S 15; BSG vom 17.11.1992 - 4 RA 15/91 - BSGE 71, 227, 234 = SozR 3-2600 § 56 Nr 4 S 19; BSG vom 8.12.1994 - 2 RU 37/93 - BSGE 75, 232, 234 = SozR 3-6050 Art 14 Nr 4 S 11; BSG vom 10.8.1999 - B 2 U 30/98 R - SozR 3-2400 § 4 Nr 5 S 8). Die Weiterführung eines Arbeitsverhältnisses nach einem Auslandseinsatz im Inland liegt vor, wenn nach der Entsendung weiterhin Hauptpflichten eines Arbeitsverhältnisses im Inland zu erfüllen sind (BSG vom 8.12.1994, aaO).
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Der Annahme einer Ausstrahlung iS des § 4 Abs 1 SGB IV steht hier entgegen, dass nach den Feststellungen des LSG(§ 163 SGG) der Kläger und seine Arbeitgeberin weder bei Eingehung des Beschäftigungsverhältnisses noch zum Zeitpunkt der Entsendung Vereinbarungen getroffen haben, nach denen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Auslandstätigkeit in Deutschland erbracht werden sollten. Vielmehr sollte das Arbeitsverhältnis mit dem Abschluss des Bauprojekts in Kasachstan enden. Die vertragliche Vereinbarung über die Herausgabe von Unterlagen und die Anfertigung eines Protokolls umfasst keine in Deutschland zu erbringenden Hauptpflichten eines Arbeitsverhältnisses. Der Kläger erfüllte - wie auch das SG und das LSG zutreffend entschieden haben - mit diesen Tätigkeiten lediglich Nebenpflichten, die nur zur Abwicklung des beendeten Arbeitsverhältnisses erforderlich waren.
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b) Der Kläger war auch nicht über eine Auslandsversicherung unfallversichert.
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Gemäß § 140 Abs 2, Abs 3 Satz 1 und 3 SGB VII können die Unfallversicherungsträger durch Beschluss der Vertreterversammlung, der der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf, eine Versicherung gegen Unfälle einrichten, die Personen im Zusammenhang mit einer Beschäftigung bei einem inländischen Unternehmen im Ausland erleiden, wenn diese Personen nicht bereits Versicherte im Sinne dieses Buches sind. Die Teilnahme an der Versicherung erfolgt auf Antrag der Unternehmer.
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Die Beklagte hat eine solche Auslandsversicherung zwar eingerichtet, die Arbeitgeberin des Klägers hat aber einen Antrag auf Versicherung des Klägers während des Einsatzes in Kasachstan nicht gestellt. Der Kläger war deshalb bei der Tätigkeit in Kasachstan auch nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung (auslands-)versichert.
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3. Der Kläger ist auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in die Auslandsunfallversicherung einzubeziehen.
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Ein Herstellungsanspruch setzt voraus, dass ein Sozialleistungsträger eine ihm gegenüber einem Berechtigten obliegende Nebenpflicht aus dem Sozialversicherungsverhältnis verletzt, dem Berechtigten ein unmittelbarer (sozialrechtlicher) Nachteil entsteht und zwischen der Pflichtverletzung und dem Nachteil ein Ursachenzusammenhang vorliegt. Der Herstellungsanspruch ist grundsätzlich auf die Vornahme der Amtshandlung gerichtet, die den möglichen und rechtlich zulässigen Zustand erreicht, der ohne die Pflichtverletzung eingetreten wäre (stRspr; BSG vom 18.12.1975 - 12 RJ 88/75 - BSGE 41, 126, 127 = SozR 7610 § 242 Nr 5 S 5; BSG vom 2.2.2006 - B 10 EG 9/05 R - BSGE 96, 44 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2, RdNr 19; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 34/07 R - SGb 2010, 47, 49).
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Die erste Voraussetzung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, die Verletzung von Nebenpflichten, kann sich insbesondere aus der Verletzung des § 14 Satz 1 SGB I ergeben, nach dem jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch hat. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch kann auch aus der Verletzung des § 15 Abs 2 Halbs 2 SGB I folgen, nach dem sich die Auskunftspflicht der Auskunftsstelle auf alle Sach- und Rechtsfragen erstreckt, die für die Auskunftsuchenden von Bedeutung sein können und zu deren Beantwortung die Auskunftsstelle imstande ist.
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Gegenüber dem Kläger bestand unter den für den Senat bindend festgestellten Gegebenheiten (§ 163 SGG) schon keine entsprechende Obliegenheit der Beklagten, ihm selbst eine Auskunft zu erteilen oder ihn zu beraten (hierzu unter a>). Gegenüber der Arbeitgeberin des Klägers könnte sich zwar aus einer fehlerhaften Auskunft oder Beratung über den Auslandsunfallversicherungsschutz ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ergeben. Ob sich die Auskunft oder Beratung auch über den Auslandsversicherungsschutz eines Beschäftigten erstrecken muss, begegnet jedoch Zweifeln. Ebenso bestehen Zweifel, ob der Arbeitgeberin des Klägers überhaupt ein Nachteil entstehen kann, der über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ausgeglichen werden könnte. Diese sogleich (unter b>) beiläufig erörterten Fragen bedürfen jedoch keiner Entscheidung. Jedenfalls konnte der Kläger hier einen ggf bestehenden Herstellungsanspruch seiner Arbeitgeberin nicht prozessual geltend machen, denn weder hat ihm die Arbeitgeberin einen solchen Anspruch abgetreten noch ist ein Fall der Prozessstandschaft gegeben (hierzu unter c>).
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a) Für einen (eigenen) Herstellungsanspruch des Klägers fehlt es bereits an einer Nebenpflichtverletzung aufgrund einer fehlerhaften Auskunft oder Beratung (über den Versicherungsschutz im Ausland) ihm selbst gegenüber.
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Die Beklagte war gegenüber dem Kläger ohne dessen vorheriges Ersuchen nicht zur Auskunft aufgerufen. Bereits aus dem Wortlaut des § 15 Abs 2 Halbs 2 SGB I ergibt sich, dass nur eine konkrete Frage den Sozialleistungsträger zur Auskunft verpflichtet. Es bedarf daher zumindest einer Kontaktaufnahme mit der Behörde (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 21.9.2007 - L 11 KR 3/07 - juris RdNr 19; Mönch-Kalina in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 15 RdNr 24). Hieran fehlt es, weil der Kläger vor seinem Auslandsaufenthalt keinen Kontakt zu der Beklagten hatte.
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Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, den Kläger ohne konkretes Ersuchen spontan zu beraten. Für die Beratung gemäß § 14 Satz 1 SGB I ist zwar anerkannt, dass diese im Einzelfall auch ohne konkretes Ersuchen zu leisten ist(sog Spontanberatung, vgl nur BSG vom 18.1.2011 - B 4 AS 29/10 R - SozR 4-1200 § 14 Nr 15 RdNr 14 mwN). Allerdings ist eine Spontanberatung erst geboten, wenn der Mitarbeiter eines Leistungsträgers anhand des konkreten Vorgangs Gestaltungsmöglichkeiten erkennen kann, die so offensichtlich zweckmäßig sind, dass ein verständiger Bürger sie mutmaßlich nutzen würde (BSG vom 18.1.2011, aaO). Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Sinne sind Handlungen des Beratenen, die Sozialleistungen oder Anwartschaften unmittelbar vorausgehen oder diese begleiten, insbesondere diesbezügliche Anträge (vgl Knecht in: Hauck/Noftz, Vorbem zu §§ 13 - 15 SGB I RdNr 5; Mönch-Kalina in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 14 RdNr 29). Dem Kläger standen aber keine Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Sinne offen. Die Einbeziehung in die Auslandsversicherung konnte er nicht selbst beantragen, sondern hätte lediglich die Möglichkeit gehabt, bei seiner Arbeitgeberin auf den Abschluss einer Auslandsunfallversicherung hinzuwirken.
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b) Für einen Herstellungsanspruch der Arbeitgeberin des Klägers ist bereits im Grundsatz zweifelhaft, ob sich aus einer fehlerhaften Auskunft oder Beratung gegenüber einem Arbeitgeber (die hier noch im Einzelnen festzustellen wäre) über den Auslandsunfallversicherungsschutz eines Beschäftigten eine Verletzung von Nebenpflichten ergeben kann. Eine Behörde ist nach Äußerung einer konkreten Frage bzw eines Beratungswunsches ohne weitergehende förmliche Anforderungen zur Auskunft oder Beratung verpflichtet (BSG Urteil vom 12.11.1980 - 1 RA 45/79 - SozR 1200 § 14 Nr 9 S 10; Mönch-Kalina in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 14 RdNr 20 und § 15 RdNr 31; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl 2010, § 14 RdNr 6 und § 15 RdNr 7). Zwar hat der Senat im Rahmen seiner Rechtsprechung zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch bereits eine Beratungsobliegenheit des Unfallversicherungsträgers gegenüber einem Arbeitgeber hinsichtlich der Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung gemäß § 6 Abs 1 SGB VII anerkannt. Bei einem Beratungsversäumnis kann der Unternehmer diesen Versicherungsschutz im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erreichen (BSG Urteil vom 22.9.1988 - 2/9b RU 36/87 - BSGE 64, 89, 94 = SozR 2200 § 545 Nr 8 S 14 mit Anm Wolber SGb 1990, 29, 32).
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Der Senat hat bislang nicht entschieden, ob die Einbeziehung in die freiwillige Auslandsunfallversicherung iS des § 140 Abs 2 SGB VII(bzw der Vorgängervorschriften der §§ 762 Abs 2, 830, 891 RVO) rückwirkend im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erreicht werden kann. Unter Berücksichtigung der soeben genannten Entscheidung (BSG Urteil vom 22.9.1988, aaO) spricht einiges dafür, dass Unternehmer jedenfalls auf Anfrage auch über eventuelle Zugangsmöglichkeiten zur freiwilligen Auslandsversicherung zu informieren und beraten sind. Ob dies auch für den Unfallversicherungsschutz ins Ausland entsandter Beschäftigter gilt, begegnet dagegen Zweifeln. Bei der Auslandsunfallversicherung eines Beschäftigten besteht ein Dreiecksverhältnis. Aufgrund der alleinigen Beitragspflicht der Unternehmer (§ 150 Abs 1 Satz 1 SGB VII) fällt - außer bei den nach § 2 SGB VII versicherten Unternehmern sowie den nach § 3 Abs 1 Nr 1 und § 6 Abs 1 SGB VII Versicherten - das Mitgliedschafts-/Beitragsverhältnis (Unternehmer - Unfallversicherungsträger) und das Leistungs-/Versicherungsschutzverhältnis (Beschäftigter - Unfallversicherungsträger) auseinander. Hängt der Versicherungsschutz bei der freiwilligen Auslandsunfallversicherung eines Beschäftigten - anders als bei inländischen Versicherungsverhältnissen, bei denen kraft Gesetzes Versicherungsschutz besteht - von einem Antrag des Unternehmers ab, so führt das Dreiecksverhältnis dazu, dass der über den Auslandsversicherungsschutz Auskunfts- oder Beratungsberechtigte und der im Falle einer fehlerhaften Auskunft/Beratung unmittelbar sozialrechtlich Benachteiligte stets personenverschieden sind. Allein der Beschäftigte ist vom ggf fehlenden Auslandsversicherungsschutz betroffen. Dagegen ist der über den Auslandsversicherungsschutz zu beratende Unternehmer lediglich insoweit betroffen, als er einen Antrag auf Auslandsversicherung mit nachfolgender (ihn zunächst belastender) Beitragszahlung unterlassen hat.
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Weiterhin ist zweifelhaft, ob der Arbeitgeberin selbst überhaupt ein Nachteil daraus entstehen konnte, dass sie den Abschluss einer Auslandsunfallversicherung für ihre Arbeitnehmer in Kasachstan unterlassen hat. Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Schadensersatz wegen unterlassener Auslandsunfallversicherung gemäß § 618 Abs 3 BGB oder wegen der Verletzung der allgemeinen arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht erscheinen nach der bisherigen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung fraglich(zum Hinweis auf fehlenden Krankenversicherungsschutz in den USA: Hessisches LAG Urteil vom 4.9.1995 - 16 Sa 215/95 - NZA 1996, 482; zum Hinweis auf Steuerpflichten: BAG Urteil vom 22.1.2009 - 8 AZR 161/08 - NZA 2009, 608, 609). Allerdings ist bislang nicht entschieden, ob der Beschäftigte von seinem Arbeitgeber den - über die schlichte Information über fehlenden Versicherungsschutz deutlich hinausgehenden - Abschluss einer Auslandsunfallversicherung zur Abdeckung der aus der Arbeitstätigkeit erwachsenden Risiken aus § 618 Abs 1 BGB oder der Fürsorgepflicht verlangen kann(ablehnend für den Abschluss einer Kfz-Kaskoversicherung BAG Urteil vom 22.3.1968 - 1 AZR 392/67 - BAGE 20, 352, 357; ebenso ablehnend für eine über den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz hinausgehende private Gruppenversicherung für ein Auslandsgastspiel BAG Urteil vom 4.5.1983 - 5 AZR 108/81 - juris RdNr 14; vgl auch LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 31.8.2009 - 5 Sa 702/08 - juris RdNr 62 zur Unzulässigkeit der Arbeitsverweigerung des Arbeitnehmers bei Unklarheiten über eine vorhandene soziale Sicherung im Ausland). Allerdings sehen Teile des Schrifttums den Arbeitgeber insbesondere bei einer Gefahrerhöhung im Vergleich zum Wohn- und Beschäftigungsort im Heimatland verpflichtet, eine Auslandsunfallversicherung für den Beschäftigten abzuschließen (so Krieger/Herzberg, BB 2012, 1089, 1091; Leube, ZESAR 2010, 171, 175; Edenfeld, NZA 2009, 938, 942; zurückhaltender Mastmann/Stark, BB 2005, 1849, 1853; Heuser/Heidenreich/Fritz, Auslandsentsendung und Beschäftigung ausländischer Mitarbeiter, 4. Aufl 2011, RdNr 543).
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c) Diese soeben unter b) erörterten Fragen können hier aber dahingestellt bleiben, denn der Kläger konnte einen ggf vorliegenden Herstellungsanspruch seiner Arbeitgeberin im vorliegenden Falle jedenfalls nicht selbst prozessual geltend machen. Insofern hat das LSG auch zu Recht keine weiteren Ermittlungen angestellt, inwieweit die Arbeitgeberin des Klägers tatsächlich von der Beklagten fehlerhaft oder unzureichend beraten worden ist.
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Zwar ist die Geltendmachung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs durch einen anderen als den in seinen Auskunfts- oder Beratungsrechten Verletzten grundsätzlich möglich. Allerdings ist der Kläger hier weder durch Legalzession noch durch Universalsukzession noch durch gewillkürte Übertragung Inhaber eines eventuellen Herstellungsanspruchs seiner Arbeitgeberin geworden. Solche gewillkürten (Abtretungs-)Erklärungen der Arbeitgeberin des Klägers liegen erkennbar nicht vor und werden von den Beteiligten auch nicht vorgetragen. Anders als in anderen Fällen (siehe § 91a BSHG idF vom 23.3.1994, § 1922 BGB, § 320 Abs 1 SGB III)sieht das Gesetz auch keinen unmittelbaren oder durch einseitige Erklärung vollziehbaren Anspruchsübergang auf den Benachteiligten vor.
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Das BSG hat entschieden, dass der Träger der Sozialhilfe den in der Person einer Leistungsempfängerin entstandenen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gegen eine dritte Behörde nach der gesetzlichen Anspruchsüberleitung (§ 91a BSHG aF)selbst geltend machen kann (BSG vom 26.1.2000 - B 13 RJ 37/98 R - SozR 3-5910 § 91a Nr 7 S 36). Auch wird angenommen, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch durch Erbschaft auf eine andere Person übergehen kann (BSG vom 25.10.1984 - 11 RA 18/84 - BSGE 57, 215, 216 = SozR 1200 § 59 Nr 6 S 13; LSG Rheinland-Pfalz vom 10.3.1993 - L 3 U 147/91 - Breithaupt 1993, 919, 926; BSG vom 8.10.1998 - B 8 KN 1/97 U R - SGb 2000, 29, 31 mit kritischer Anm Brandenburg aaO, 33, 35; aA LSG Baden-Württemberg Urteil vom 19.3.2013 - L 9 R 4622/11 - juris RdNr 19). Schließlich sind andere Personen als der oder die Berechtigte in besonders geregelten Ausnahmefällen befugt, Ansprüche des anderen geltend zu machen. Dies gilt zB für den Herstellungsanspruch im Zusammenhang mit der Beantragung von Kurzarbeitergeld (vgl LSG Rheinland-Pfalz vom 30.11.1984 - L 6 Ar 53/84 - NZA 1985, 263, 264; Striebinger in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand: 50. ErgLfg, § 320 SGB III RdNr 26; Siefert in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl 2013, § 320 RdNr 10). Ein anderer kann aber nur in solchen Fällen einen Herstellungsanspruch geltend machen, in denen er - wie der Arbeitgeber nach §§ 95, 99 SGB III - durch Gesetz zum Prozessstandschafter (dort der Arbeitnehmer) berufen ist(vgl Mutschler in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl 2013, § 95 RdNr 45 mwN und § 99 RdNr 39). An entsprechenden gesetzlichen Regelungen fehlt es vorliegend.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
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Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Streitig ist, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 25 vH anstatt bisher 20 vH hat.
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Der 1965 geborene Kläger erlitt am 8.9.1993 einen Arbeitsunfall, als ihm bei Ladearbeiten eine Kartonecke gegen das rechte Auge prallte. Dies führte zu einer starken Einschränkung der Sehschärfe auf dem betroffenen Auge, die im Juni 1996 nach den Feststellungen eines Gutachters rechts 0,063 (nach Korrektur 0,16) und links 1,0 betrug. Der Gutachter schätzte die MdE mit 20 vH ein und wies darauf hin, es könne langfristig zur Erblindung des Auges kommen. Die Beklagte bewilligte dem Kläger Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 vH (Bescheid vom 13.11.1996, Widerspruchsbescheid vom 20.3.1998, diese idF des vor dem SG Kassel - S 3 U 498/98 - am 9.9.1999 geschlossenen Vergleichs, nach dem sich die Beklagte verpflichtet hatte, die Rente bereits ab 1.1.1996 zu zahlen). Der Kläger bezieht wegen der Unfallfolgen eines weiteren Arbeitsunfalls vom 19.6.2005 eine weitere Rente nach einer MdE um 20 vH (Bescheid vom 27.11.2006).
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Im Juni 2002 machte er eine Verschlechterung der Unfallfolgen geltend. Die augenärztliche Begutachtung ergab, dass das rechte Auge inzwischen funktionell einem erblindeten Auge gleichzusetzen sei, die MdE betrage 25 vH. Die Beklagte lehnte die Gewährung höherer Verletztenrente aber ab, weil eine wesentliche Änderung iS des § 73 Abs 3 SGB VII nicht vorliege. Der entsprechende Bescheid vom 12.9.2002 wurde bindend.
- 4
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Im Dezember 2007 beantragte der Kläger, den "Anspruch auf Rente … hinsichtlich der Herabsetzung der Sehschärfe des rechten Auges … ab dem 23.8.2002 zu erhöhen". Der Sachverständige Dr. A. habe am 22.8.2002 eine MdE von 25 vH bestätigt. Die Beklagte verstand dies als Antrag auf Rücknahme des Bescheids vom 12.9.2002 und lehnte diesen ab (Bescheid vom 11.1.2008). Die Voraussetzungen für die Rücknahme des früheren Bescheids lägen nicht vor, denn der Verwaltungsakt vom 12.9.2002 sei nicht rechtswidrig gewesen. Zum Zeitpunkt seines Erlasses sei eine wesentliche Änderung in den Unfallfolgen nicht eingetreten, weil die MdE sich nicht um mehr als 5 vH erhöht habe. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 29.2.2008).
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Auf die zum SG Kassel erhobene Klage hat dieses die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1.1.2003 Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 25 vH zu zahlen (Urteil vom 11.6.2010). Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der zu überprüfende Bescheid der Beklagten vom 12.9.2002 sei rechtswidrig. Trotz des Wortlautes des § 73 Abs 3 SGB VII sei die Rente rückwirkend nach einer MdE um 25 vH zu zahlen. Es liege eine Gerechtigkeitslücke und eine Verletzung des Gleichheitssatzes vor, wenn der Unfallverletzte, der bei Erstfestsetzung der Verletztenrente erblindet sei, eine Rente von 25 vH bekomme, während derjenige, bei dem zunächst eine MdE um 20 vH festzusetzen war und der später erblinde, trotz identischer Unfallfolge nicht in den Genuss derselben nach einer MdE um 25 vH bemessenen Rente komme.
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Die Beklagte hat Berufung zum Hessischen LSG eingelegt. Sie vertrat die Auffassung, § 73 Abs 3 SGB VII stehe einer Rente nach einer MdE um 25 vH entgegen. Die Gewährung einer höheren Rente komme auch nicht auf der Grundlage des § 46 SGB X in Betracht, weil sich die Vorschrift auf den Widerruf von Ermessensentscheidungen beschränke, die hier nicht vorgelegen habe. Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 8.5.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen, dass mit dem Eintritt der Erblindung keine wesentliche Änderung gegenüber der ursprünglichen Bewilligung eingetreten sei. Nach § 73 Abs 3 SGB VII sei eine Änderung der Unfallfolgen nur dann wesentlich iS des § 48 Abs 1 SGB X, wenn sie mehr als 5 vH betrage. Ausnahmen seien nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht vorgesehen. Dies verletze auch nicht den Gleichheitssatz.
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Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Das SG habe bereits zutreffend ausgeführt, dass eine "offensichtliche" Gerechtigkeitslücke vorliege, weil vor Eintritt der Verschlimmerung eine Rente nach einer MdE von 20 vH bezogen worden und trotz einer Änderung von nur 5 vH ein erblindetes Auge mit einer MdE von 25 vH zu bewerten sei. Dass er eine Rente nach einer MdE um 25 vH nicht erhalte, verletze den allgemeinen Gleichheitssatz. Der Anspruch bestehe auch aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Der Beklagten sei ein Beratungsfehler anzulasten, weil sie ihn in dem Verwaltungsverfahren zur erstmaligen Festsetzung einer Rente nicht darauf hingewiesen habe, dass er bei Festsetzung der Rente nach einer MdE um 20 vH bei späterem Eintritt der Erblindung nicht in den Genuss einer Rente nach MdE um 25 vH kommen könne.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Mai 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. Juni 2010 zurückzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Der Gleichheitssatz gebiete eine Anpassung der Rente des Klägers nicht. Die Gruppe der von Anfang an einäugig erblindeten Unfallrentner (MdE 25 vH) sei nicht mit der Gruppe der zunächst nicht vollständig erblindeten Unfallrentner (MdE 20 vH) zu vergleichen. Vielmehr seien die Vergleichsgruppen iS des Art 3 Abs 1 GG so zu bilden, dass die Gruppe der zunächst noch nicht vollständig erblindeten Unfallrentner mit einer Rente nach einer MdE um 20 vH mit der großen Gruppe aller Unfallrentner zu vergleichen sei, deren MdE sich nachträglich um 5 vH ändere. Für diese Gruppe schließe der Rechtssatz des § 73 Abs 3 SGB VII eine Anhebung der Rente aus. Auch hätten MdE-Werte allenfalls die Qualität von Erfahrungswerten, sie stellten daher keinen Rechtssatz auf, der einen Rechtsanspruch auf Rente in bestimmter Höhe begründe. Die MdE sei zum Zeitpunkt der ersten Bewilligung einer Rente auf unbestimmte Zeit festzusetzen (§ 62 Abs 2 SGB VII)und dürfe danach nur eine Anpassung erfahren, wenn die Änderung mehr als 5 vH betrage.
Entscheidungsgründe
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Die noch hinreichend iS des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG begründete Revision des Klägers ist auch im Übrigen zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
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Das LSG hat mit dem angefochtenen Urteil zu Recht die Entscheidung des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Die Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl dazu BSG vom 11.4.2013 - B 2 U 34/11 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 4, Juris RdNr 15), mit der der Kläger die Beseitigung des Verwaltungsakts vom 11.1.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.2.2008, der seinen Antrag auf Rücknahme des Bescheids vom 12.9.2002 ablehnt, sowie die Verpflichtung der Beklagten zur (Teil)Aufhebung oder zum Widerruf des Verwaltungsakts vom 12.9.2002 sowie Zahlung einer Rente nach einer MdE um 25 vH begehrt, ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsakts der Beklagten vom 12.9.2002 (1.), dieser war auf seinen Antrag hin weder nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X iVm § 73 Abs 3 SGB VII aufzuheben (2.) noch nach § 46 Abs 1 SGB X zu widerrufen (3.); deshalb ist auch weiterhin eine Rente nach einer MdE um 25 vH nicht zu zahlen. Der Kläger wird dadurch nicht in seinen Grundrechten verletzt (4.). Auch liegen die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht vor (5.).
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1. Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
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Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X liegen nicht vor. Die Ablehnung der Rücknahme des Bescheids vom 12.9.2002 in dem Bescheid vom 11.1.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29.2.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, denn er hatte bei Erlass des Verwaltungsakts vom 12.9.2002 keinen Anspruch auf Aufhebung oder Widerruf des Verwaltungsakts vom 13.11.1996 und Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 25 vH.
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2. Die Beklagte war nicht verpflichtet, auf den Antrag des Klägers den Bescheid vom 12.9.2002 zurückzunehmen. Dieser Verwaltungsakt war nicht deshalb rechtswidrig, weil er seinerseits die Aufhebung des früheren Bescheids aus dem Jahre 1996 wegen des Eintritts einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ablehnte (§ 48 Abs 1 SGB X iVm § 73 Abs 3 SGB VII). Bei Erlass des Bescheids vom 12.9.2002 war § 73 Abs 3 SGB VII anzuwenden, weil diese Vorschrift auch für Versicherungsfälle gilt, die vor Inkrafttreten des SGB VII am 1.1.1997 eingetreten sind (§ 214 Abs 3 Satz 2 SGB VII).
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Zwar war im August 2002 eine Änderung gegenüber den im November 1996 bestehenden tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, weil das rechte Auge des Klägers nunmehr funktionell erblindet war. Diese tatsächliche Änderung war aber nicht rechtlich "wesentlich" iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, denn diese Vorschrift wird durch die spezifisch unfallversicherungsrechtliche Regelung des § 73 Abs 3 SGB VII modifiziert(vgl Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand VI/2007, K § 73 RdNr 30; Meibom in jurisPK-SGB VII, § 73 RdNr 32 f). Sie bestimmt, dass bei der Feststellung der MdE eine Änderung iS des § 48 Abs 1 SGB X nur dann (rechtlich) wesentlich ist, wenn sie mehr als 5 vH beträgt.
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Wie das LSG für den Senat bindend festgestellt hat (§ 163 SGG), war dem Kläger infolge eines Arbeitsunfalls mit Verletzungen des rechten Auges und Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,1 im Jahr 1996 eine Rente nach einer MdE um 20 vH durch Verwaltungsakt bewilligt worden. Damals wurde schon angenommen, es könne langfristig zur Erblindung des rechten Auges kommen. Bei der Untersuchung im August 2002 war die Funktion des rechten Auges so weit herabgesunken, dass der Befund einer funktionellen Erblindung gleichkam. Die MdE aufgrund einer einseitigen Erblindung wird allgemein mit einer MdE in Höhe von 25 vH eingeschätzt (vgl Schönberger/ Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 292; Kranig in Hauck/ Noftz, SGB VII, Stand IX/2010, K § 56 RdNr 56; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 03/2009, Anhang 12 J 004a f).
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Die Änderung der MdE auf nunmehr 25 vH (an Stelle von 20 vH) ist aber gemäß § 73 Abs 3 SGB VII nicht rechtlich wesentlich, weil sie nicht mehr als 5 vH beträgt. Die nach ihrem Wortlaut eindeutige Regelung des § 73 Abs 3 SGB VII steht einer Teilaufhebung des maßgeblichen Rentenbescheids vom 13.11.1996 und einer Erhöhung der Verletztenrente auf eine MdE um 25 vH entgegen.
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Dies ist anzunehmen, obwohl den Erfahrungswerten der gesetzlichen Unfallversicherung zur Feststellung und Bewertung der MdE von Unfallfolgen auch die Funktion zukommt, die Gleichmäßigkeit und Kontinuität der Entschädigungspraxis zu gewährleisten (vgl Scholz in juris-PK-SGB VII, § 56 RdNr 52). Vorliegend geht den Erfahrungswerten der Unfallmedizin aber die gesetzliche Regelung vor, dass nach § 73 Abs 3 SGB VII, § 48 Abs 1 SGB X geringfügige Änderungen in der Höhe der MdE weder zu Gunsten noch zu Lasten der Versicherten zu einer Rentenänderung führen sollen.
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§ 73 Abs 3 SGB VII kann auch nicht im Wege der teleologischen Auslegung in seinem Anwendungsbereich eingeschränkt werden(statt vieler: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl 1991, S 391 ff; Brandenburg, Die teleologische Reduktion, 1983). Die teleologische Reduktion gehört zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen (BVerfG, Beschluss vom 15.10.2004 - 2 BvR 1316/04 - NJW 2005, 352, 353; BVerfG, Beschluss vom 7.4.1997 - 1 BvL 11/96 - NJW 1997, 2230, 2231; BVerfG, Beschluss vom 14.3.2011 - 1 BvL 13/07 - NZS 2011, 812). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie die auszulegende Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle für unanwendbar hält, weil deren Sinn und Zweck, die Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BVerfG, Beschluss vom 7.4.1997 - 1 BvL 11/96 - NJW 1997, 2230, 2231; BSG vom 18.8.2011 - B 10 EG 7/10 R - BSGE 109, 42 = SozR 4-7837 § 2 Nr 10). Bei einem nach wortlautgetreuer Auslegung drohenden Grundrechtsverstoß kann eine zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung der Norm entgegen deren Wortlaut sogar geboten sein.
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So liegen die Verhältnisse indessen hier nicht. Wie das BVerfG immer wieder betont hat (vgl BVerfG, Beschlüsse vom 26.9.2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07 = NJW 2012, 1179), ist eine verfassungsrechtlich unzulässige richterliche Rechtsfortbildung dadurch gekennzeichnet, dass sie, ausgehend von einer teleologischen Interpretation, den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, ihren Widerhall nicht im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder - bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke - stillschweigend gebilligt wurde (BVerfG, Beschlüsse vom 14.6.2007 - 2 BvR 1447/05, 2 BvR 136/05 - BVerfGE 118, 212, 243). Richterliche Rechtsfortbildung überschreitet die verfassungsrechtlichen Grenzen, wenn sie deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte gesetzliche Entscheidungen abändert oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schafft (BVerfG, Beschluss vom 6.7.2010 - 2 BvR 2661/06 - BVerfGE 126, 286, 306).
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Eine teleologische Reduktion des § 73 Abs 3 SGB VII würde die soeben aufgezeigten Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten. Im Wege der Auslegung darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (vgl BVerfG, Beschluss vom 25.1.2011 - 1 BvR 918/10 - NJW 2011, 836).
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Einer teleologischen Reduktion steht hier zunächst der klar erkennbare Wille des historischen Gesetzgebers des § 73 Abs 3 SGB VII entgegen, Rentenanpassungen in Höhe von bis zu 5 vH in allen Fällen auszuschließen, in denen - wie etwa hier - zunächst eine rentenberechtigende MdE von 20 vH vorliegt und später eine MdE um 25 vH eintritt. Die Regelung des § 73 Abs 3 SGB VII sollte gerade die frühere Rechtsprechung des BSG zur Frage der wesentlichen Änderung bei MdE-Erhöhungen(vgl BSG Urteile vom 2.3.1971 - 2 RU 300/68 und 2 RU 39/70 - BSGE 32, 245 = SozR Nr 11 zu § 622 RVO)übernehmen (so BT-Drucks 13/2204 S 93; vgl auch Meibom in jurisPK-SGB VII, § 73 RdNr 33 f; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII § 73 Anm 5.1; Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand VI/2007, K § 73 RdNr 22). Der Senat führte in einem der beiden Urteile vom 2.3.1971 (2 RU 300/68), in dem - genau wie im vorliegenden Fall - die Erhöhung der MdE von 20 vH auf 25 vH bei einer nachträglich eingetretenen einäugigen Blindheit streitig war, aus:
"Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben zu überprüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Dies ist jedoch im allgemeinen zu verneinen, wenn bei unstreitigen Unfallfolgen die gutachterlichen Beurteilungen der MdE sich lediglich um 5 v. H. unterscheiden, also innerhalb einer bei derartigen Schätzungen zwangsläufig eintretenden Schwankungsbreite liegen. Nicht anders wird es häufig sein, wenn im Rechtsstreit eine weitere Gesundheitsstörung als Unfallfolge angesehen wird, diese sich aber auf die Erwerbsfähigkeit so wenig nachteilig auswirkt, daß die Gutachter unterschiedlicher Meinung sind, ob durch die gesamten Unfallfolgen die Erwerbsfähigkeit in einem Maße eingeschränkt wird, welche um 5 v. H. über dem bisherigen Ergebnis liegt (a. A. Hess. LSG, Breithaupt 1963, 780, 781). Dagegen wird Sprang und Ricke zugestimmt, daß die von der Rechtsprechung zugelassenen Ausnahmen - wenn es sich handelt um die Gewährung der Rente, die Schwerbeschädigteneigenschaft, um einen der Schwerbeschädigteneigenschaft gleichgestellten MdE-Grad - rechtssystematisch nicht zu begründen sind. Sie werden ersichtlich allein deshalb gemacht, um im Einzelfall zu einem vermeintlicher Billigkeit entsprechenden Ergebnis zu gelangen. Folgerichtig sind dann aber auch Änderungen um nur 5 v. H. für die Entziehung einer Rente von 20 v. H. der Vollrente sowie für die Herabsetzung von Rente nach einer MdE um 50 v. H. und um 30 v. H. wegen des Wegfalls der Schwerbeschädigteneigenschaft wesentlich im Sinne von § 622 Abs. 1 RVO (vgl. SozR Nr. 8 zu § 608 RVO aF; LSG Nordrhein-Westfalen, BG 1970, 279). Mangels einer rechtssystematischen Begründung für die bisher zugelassenen Ausnahmen wäre jedoch, wie der erkennende Senat in dem heute gefällten, zur Veröffentlichung bestimmten Urteil in der Sache 2 RU 39/70 näher ausgeführt hat, kein zwingender Grund gegeben, weitere Ausnahmen von dem o. a. Grundsatz zu Gunsten von Verletzten abzulehnen. Dies würde aber bedeuten, daß diese Ausnahmen sich auch zu ihren Ungunsten auswirken könnten. Schließlich würde dies aber dazu führen, daß sich der allgemeine Grundsatz nicht mehr aufrechterhalten ließe und Rentenherabsetzungen bei Änderungen um nur 5 v. H. allgemein als rechtens angesehen werden müßten. Daher erschien es dem Senat geboten, an dem auf eine jahrzehntelange allgemeine Erfahrung gestützten Grundsatz, daß Abweichungen um 5 v. H. in der Bewertung der MdE nicht statthaft sind, ausnahmslos festzuhalten und Unbilligkeiten in Einzelfällen im Hinblick darauf, daß sich dieser Grundsatz weitaus überwiegend zugunsten der Verletzten auswirkt, in Kauf zu nehmen. Diese auch den Bedürfnissen der Rechtssicherheit Rechnung tragende Auslegung verstößt nach der Auffassung des erkennenden Senats nicht gegen Art. 3 GG."
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Danach waren zwei Gründe für den erkennenden Senat dafür maßgeblich, dass eine Änderung der Verletztenrente aufgrund einer geringfügigen Änderung der Einschätzung der MdE von nicht mehr als 5 vH unterbleiben soll. An diesen Gründen hat sich bis heute nichts geändert. Erstens ist eine Änderung der Höhe der MdE nach oben und unten nicht geboten, wenn sie innerhalb der bei gutachterlichen Schätzungen zwangsläufig bestehenden Schwankungsbreite liegt. Dies trägt auch der Tatsache Rechnung, dass die Einschätzung der Erwerbsfähigkeit eines Menschen mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor behaftet und insoweit unvermeidlich durch einen Toleranzbereich gekennzeichnet ist. Zweitens hätte die Zulassung von Ausnahmen von diesem Grundsatz zur Folge, dass nicht nur die Erhöhung einer Rente wegen einer Änderung der MdE um 5 vH, sondern bei entsprechender Änderung zu Lasten des Versicherten auch eine Absenkung der Rente stattfinden müsste. Zugleich hat der Senat - wie in dem Zitat (s.o.) deutlich zum Ausdruck kommt - sich bereits 1971 ausgiebig mit der Frage möglicher Ausnahmen befasst und war zu dem Ergebnis gekommen, dass diese rechtssystematisch nicht zu begründen sind.
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Mithin kann § 73 Abs 3 SGB VII weder nach seinem Wortlaut noch aufgrund historischer Auslegung so verstanden werden, dass er in seinem Geltungsanspruch über das Bezweckte hinausgeht und folglich in seinem Anwendungsbereich eingeschränkt (teleologisch reduziert) werden müsste. Vielmehr entsprach es der vom Gesetzgeber übernommenen klaren Wertung der Rechtsprechung, dass im Bereich von bis zu 5 vH der Nachweis einer Verschlimmerung der Unfallfolgen mit solchen tatsächlichen Unsicherheiten behaftet sei, dass ausnahmslos kein Anspruch auf Aufhebung einer früheren Rentenbewilligung und Zahlung einer Rente nach einer um bis zu 5 vH höheren MdE erfolgen sollte.
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3. Auch § 46 Abs 1 SGB X bietet keine Rechtsgrundlage für einen Anspruch des Klägers auf eine höhere Rente.
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Nach § 46 Abs 1 SGB X kann die Beklagte einen rechtmäßigen, nicht begünstigenden Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist. Die Vorschrift ist mit dem SGB X am 1.1.1981 in Kraft getreten und galt zum Zeitpunkt der Prüfung der Rentenerhöhung im August 2002.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob § 46 Abs 1 SGB X auf Fälle der vorliegenden Art überhaupt Anwendung finden kann. In der Rechtsprechung des BSG ist die Frage bisher nicht beantwortet, ob die Vorschrift des § 46 Abs 1 SGB X eingreifen kann, wenn - wie hier - eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, diese aber nicht wesentlich iS des § 48 Abs 1 SGB X ist. Teilweise wird schon angenommen, die Regelung lasse nur den Widerruf von Ermessensentscheidungen zu (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB X, K § 46 RdNr 3). Eine Ermessensentscheidung, die zu widerrufen sein könnte, lag hier aber gerade nicht vor. Ob § 46 SGB X auch auf Verwaltungsakte mit Dauerwirkung Anwendung finden kann, über die ohne Ermessen zu entscheiden war und in deren tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eine Änderung eingetreten war, die aber nicht rechtlich wesentlich ist, ist ebenfalls umstritten(dazu Gmati in jurisPK-SGB X § 46 RdNr 11 mwN; für Anwendung des § 46 SGB X: Ricke in: Kasseler Kommentar § 56 SGB VII RdNr 43, Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 73 RdNr 25; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, § 46 RdNr 3; Dahm in jurisPR-SozR 23/2010 Anm 3; nur ausnahmsweise anwendbar: Steinwedel in KassKomm, § 46 SGB X RdNr 3; gegen Anwendung des § 46 SGB X: Schütze in Schütze/von Wulffen, SGB X, § 46 RdNr 6).
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Dies kann aber letztlich dahinstehen, denn jedenfalls kann der Senat den Bescheid vom 12.9.2002 schon deshalb nicht nach Maßgabe des § 46 Abs 1 SGB X überprüfen, weil die Beklagte in diesem Verwaltungsakt über einen Widerruf des maßgeblichen Bescheids vom 13.11.1996 nicht entschieden hat. Der Bescheid vom 12.9.2002 kann auch nicht dahingehend umgedeutet werden, dass er einen Widerruf des maßgebenden Bescheids abgelehnt habe, denn es handelt sich bei der Entscheidung über den Widerruf nach § 46 Abs 1 SGB X seinerseits um eine Ermessensentscheidung(vgl nur Steinwedel in KassKomm, Stand 08/2012, § 46 RdNr 4). Der Beklagten steht grundsätzlich ein Entschließungsermessen zu, ob sie von der Ermächtigung zum Widerruf des rechtmäßig erlassenen Verwaltungsakts Gebrauch macht oder nicht. Die Umdeutung des Bescheids vom 12.9.2002 in eine Entscheidung über einen Widerruf würde in die Kompetenz der Beklagten, ihr Entschließungsermessen pflichtgemäß betätigen zu können, eingreifen (zum Ausschluss der Umdeutung von gebundenen Entscheidungen in Ermessensentscheidungen vgl § 43 Abs 3 SGB X; hierzu BSG vom 20.10.2005 - B 7a AL 18/05 R - BSGE 95, 176 = SozR 4-4300 § 119 Nr 3; BSG vom 17.4.1986 - 7 RAr 101/84; vgl auch Leopold in jurisPK-SGB X § 43 RdNr 50 f; Schütze in: von Wulffen/Schütze SGB X § 43 RdNr 12).
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Vorliegend kommt hinzu, dass mit einer Anwendung der allgemeinen verfahrensrechtlichen Regelung des § 46 Abs 1 SGB X die spezifisch unfallversicherungsrechtliche Regelung des § 73 Abs 3 SGB VII (lex specialis) wieder unterlaufen würde. Denn eine Beseitigung der früheren Bewilligung und Erhöhung der Rente nach einer Änderung der MdE von lediglich bis zu 5 vH will § 73 Abs 3 SGB VII gerade ausschließen.
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Der Bescheid vom 12.9.2002 ist also auch nicht deshalb rechtswidrig gewesen, weil er den Widerruf des maßgeblichen Bescheids vom 13.11.1996 gemäß § 46 SGB X zu Unrecht abgelehnt hätte.
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4. Dieses maßgeblich durch § 73 Abs 3 SGB VII beeinflusste Ergebnis verletzt den Kläger nicht in seinem Grundrecht aus Art 3 Abs 1 GG. Der Senat hat keine Zweifel, dass die fragliche Regelung eine im Lichte des Art 3 GG zulässige und sachlich gerechtfertigte Typisierung ist.
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In Ansehung des allgemeinen Gleichheitssatzes bedürfen Differenzierungen der Rechtfertigung durch angemessene Sachgründe. Die hierbei dem Gesetzgeber gesetzten Grenzen reichen von einer Beschränkung auf das Willkürverbot bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen (vgl BVerfG, Beschluss vom 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 - NVwZ 2011, 1316, RdNr 64 f). So kann sich eine strengere Bindung des Gesetzgebers aus der Anknüpfung an - für den Einzelnen nicht verfügbare - Persönlichkeitsmerkmale oder aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl BVerfG, Beschluss vom 26.1.1993 - 1 BvL 38/92 - BVerfGE 88, 87, 96). Andererseits verfügt er im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit grundsätzlich über einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl BVerfG, Beschluss vom 29.10.2002 - 1 BvL 16/95 - BVerfGE 106, 166, 175 f). Innerhalb dieses Gestaltungsspielraums kann er auch Typisierungen vornehmen, wenn die damit verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfG, Beschluss vom 6.7.2010 - 1 BvL 9/06 - BVerfGE 126, 233, 263 f).
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Mit der Regelung des § 73 Abs 3 SGB VII hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, geringfügige Abweichungen in der Einschätzung der MdE unbeachtet zu lassen. Dabei geht die Regelung typisierend davon aus, dass die MdE regelmäßig der Beurteilung durch Sachverständige unterliegt und sich für deren Einschätzung "Erfahrungswerte" herausgebildet haben. Aufgrund des Erfahrungswissens, das der Beurteilung zu Grunde liegt, halten sich Abweichungen in der Schätzung der MdE um bis zu 5 vH typischerweise innerhalb des bestehenden gutachterlichen Beurteilungs- und letztlich auch Irrtumsspielraums. Die Regelung berücksichtigt damit, dass die so genannten Erfahrungswerte für die MdE-Schätzung keine exakten oder gar normativen Vorgaben sind. Weiter wird typisierend angenommen, dass in einem gewissen Bereich (von bis zu 5 vH) Schwankungen im Gesundheitszustand eines Betroffenen sowohl aufgrund des Heilungsverlaufs als auch aufgrund persönlicher Gegebenheiten regelmäßig auftreten können. Eine für den jeweiligen Zeitpunkt exakte Bestimmung des Vom-Hundert-Wertes der MdE ist schon deshalb nur unter Schwierigkeiten möglich. Für Änderungen in der Einschätzung der MdE, die 5 vH nicht übersteigen, schließt § 73 Abs 3 SGB VII deshalb sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten der Versicherten Änderungen in der Höhe der Rente aus. Die Regelung trägt damit auch zur Vereinfachung der Verwaltungstätigkeit und zur Verstetigung der dem Versicherten zu gewährenden Leistungen bei. Innerhalb des Anwendungsbereichs des § 73 Abs 3 SGB VII findet eine Ungleichbehandlung von Versicherten im Übrigen nicht statt.
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Diese auf langjähriger Praxis und Rechtsprechung beruhende sachgerechte Typisierung hält sich in dem durch Art 3 Abs 1 GG vorgegebenen Rahmen. Die den Kläger aufgrund der Typisierung treffende "Belastung" ist vergleichsweise gering. Zwar führt sie in seinem Fall dazu, dass eine Erhöhung der Rente unterbleibt, obwohl die MdE ab August 2002 mit 25 vH zu bewerten gewesen wäre. Wegen der relativ kleinteiligen Bewertung der MdE von Sehminderungen, für die dem Kläger eine Rente nach einer MdE in Höhe von bereits 20 vH bewilligt ist, kann er den nach den Erfahrungswerten vorgesehenen MdE-Wert von 25 vH nicht erreichen. Dennoch belastet ihn der mit der Typisierung verbundene Nachteil nicht unverhältnismäßig. Dass die Regelung zutreffend von einer Schwankungsbreite der Schätzung ausgeht, wird zum Beispiel daran deutlich, dass das rechte Auge des Klägers nicht vollständig, sondern (nur) funktionell erblindet ist. Dadurch relativiert sich auch dessen Rüge, eine andere Einschätzung der MdE als mit 25 vH führe zu einer für den Kläger unzumutbaren Härte.
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5. Schließlich kann der Kläger auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu einer Rentengewährung nach einer MdE von 25 vH gelangen.
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Ein Herstellungsanspruch setzt voraus, dass ein Sozialleistungsträger seine gegenüber einem Berechtigten obliegende Nebenpflicht aus dem Sozialversicherungsverhältnis verletzt, dem Berechtigten ein unmittelbarer (sozialrechtlicher) Nachteil entsteht und zwischen der Pflichtverletzung und dem Nachteil ein Ursachenzusammenhang vorliegt. Der Herstellungsanspruch ist grundsätzlich auf die Vornahme der Amtshandlung gerichtet, die den möglichen und rechtlich zulässigen Zustand erreicht, der ohne die Pflichtverletzung eingetreten wäre (stRspr; BSG vom 18.12.1975 - 12 RJ 88/75 - BSGE 41, 126, 127 = SozR 7610 § 242 Nr 5 S 5, BSG vom 2.2.2006 - B 10 EG 9/05 R - BSGE 96, 44, 48 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2 S 6 jeweils RdNr 19; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 34/07 R - SGb 2010, 47, 49).
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Sinngemäß trägt der Kläger vor, die Beklagte habe ihn im Jahre 1996 auf die Möglichkeit eines Verzichts (§ 46 SGB I) hinweisen müssen, damit ihm die Möglichkeit einer späteren Rente nach einer MdE in Höhe von 25 vH erhalten geblieben wäre. Es dürfte mehr als fraglich sein, ob eine solche Beratung, wie sie der Kläger einfordert, eine auf der Hand liegende Gestaltungsmöglichkeit darstellt. Keinesfalls liegt eine Kausalität des behaupteten Beratungsverschuldens für einen sozialrechtlichen Nachteil vor. Würde man dem Kläger nachträglich die Möglichkeit einräumen, auf die seit 1.1.1996 gezahlte Verletztenrente gänzlich zu verzichten, so wäre er verpflichtet, die seit 1996 bezogene Rente in voller Höhe zurückzuzahlen. Soweit der Kläger hingegen meinen könnte, dass die Beklagte seine Rente erst nach Eintritt der funktionellen Erblindung rechts hätte festsetzen und zahlen dürfen, verkennt er, dass die Beklagte damit ihrerseits rechtswidrig hätte handeln müssen, um ihm erst von dem Zeitpunkt der vollständigen Erblindung an eine um 5 vH höhere Rente bewilligen zu können.
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Da sich das Urteil des LSG mithin als zutreffend erweist, ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig zwischen den Beteiligten ist der Beginn einer der Klägerin zustehenden Regelaltersrente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
3Die Klägerin wurde am 00.00.1924 in Rumänien geboren. Sie ist jüdischen Glaubens. Sie lebt in Israel und ist israelische Staatsbürgerin.
4Am 01.03.1984 stellte die Klägerin einen Rentenantrag in Israel. Am 04.12.1998 beantragte sie mittels eines Vordrucks mit dem Betreff " Anerkennung von Arbeitszeiten im Ghetto" "nach dem FRG/ WGSVG/SGB VI"die Anerkennung ihrer Arbeitszeiten im Ghetto als Beitragszeiten, die Zulassung zum Nachentrichtungsverfahren und eine Altersrente. Die Beklagte übersandte der Klägerin daraufhin Antragsvordrucke und bat sie, diese auszufüllen. Am 19.04.1999 erinnerte die Beklagte die Klägerin an die Übersendung der Unterlagen. Sofern eine solche nicht erfolge, müsse der Antrag abgelehnt werden. Mit Schreiben vom 03.05.1999 (eingegangen am 31.05.1999) erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten: "Sehr geehrter Herr, ersuche höflichst meine Akte zu schliessen, ich kann keine Deutschprüfung machen, weil ich die Sprache nicht beherrsche." Die Beklagte sah die Erklärung als Rücknahme des Antrags an und schloss das Verfahren ab.
5Mit Bescheid vom 16.02.2009 gewährte das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen der Klägerin eine Anerkennungsleistung in Höhe von EUR 2000,- für Arbeit in einem Ghetto, die keine Zwangsarbeit war und bisher ohne sozialversicherungsrechtliche Berücksichtigung geblieben ist.
6Am 23.12.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Anerkennung einer Beitragszeit und Rentennachzahlung nach dem ZRBG. Soweit bereits ein Rentenverfahren durchgeführt worden sei beantrage sie die Überprüfung nach § 44 SGB X. Die Klägerin gab hierbei an, sich im Zeitraum von Anfang bis Ende Mai 1944 zwangsweise im Ghetto Oradea aufgehalten zu haben. Sie habe dort Küchenarbeiten durchgeführt und dafür Mittagessen und zusätzliche Lebensmittel erhalten.
7Mit Bescheid vom 24.11.2010 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Regelaltersrente in Höhe von EUR 201,07 monatlich für den Zeitraum ab dem 01.12.2009. Sie erkannte hierbei die Zeit vom 01.05.1944 bis zum 31.05.1944 als Beitragszeit nach dem ZRBG und die Zeiten vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1949 als Ersatzzeit an. Die Klägerin erhob am 29.11.2010 Widerspruch gegen diesen Bescheid. Der Rentenbeginn sei am 01.07.1997 anzusetzen. Sie sei im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob der Antrag bereits am 30.06.2003 gestellt worden sei. Die Rentenversicherungsträger hätten durch ihre restriktive Gesetzesauslegung in der Vergangenheit, die insbesondere Sachbezüge nicht für ausreichend gehalten habe und bestimmte Gebiete von der Einbeziehung in das ZRBG ausgeschlossen habe, die Antragsteller davon abgehalten, den Aufwand eines früheren Antragsverfahrens zu betreiben. Damit hätten sie die sich aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebende Verpflichtung zur gebotenen Förderung sozialer Rechte verletzt. Zudem liege ein Verstoß gegen Art.3 des Grundgesetzes (GG) vor. Die "Berücksichtigung von offenen Verfahren und der damit einhergehenden Rechtsfolge Rentenbeginn 1997" beruhe auf Zufälligkeiten, die der Personengruppe der Verfolgten nicht zugemutet werden könne.
8Mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach § 19 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) würden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur auf Antrag erbracht. Der Rentenantrag löse gemäß § 115 Abs.1 SGB VI das Verwaltungsverfahren aus. Er bestimme in Zusammenhang mit § 99 SGB VI den Rentenbeginn. Mit § 3 ZRBG habe der Gesetzgeber keine Spezialregelung zur allgemeinen Regelung des § 99 SGB VI geschaffen. Dieser regele nur, dass ein bis zum 30.06.2003 gestellter Rentenantrag als ein zum 18.06.1997 gestellter Antrag gelte und stelle somit eine Antragsfiktion, aber keine spezielle Beginnsvorschrift dar. Die Klägerin habe ihren Antrag erstmals am 23.12.2009 und damit nach dem 30.06.2003 gestellt. Aus dem Antrag vom 04.12.1998 könne die Klägerin keine Rechte mehr herleiten, weil sie diesen am 31.05.1999 zurückgenommen habe.
9Diese Rücknahme erfasse auch den israelischen Rentenantrag. Ein Überprüfungsantrag gemäß § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) könne bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil mit dem Bescheid vom 24.11.2010 auch erstmalig über das Begehren der Klägerin entschieden worden sei. § 44 SGB X könne auch in Verbindung mit einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht zu einem Erfolg des Widerspruchs führen. Eine rechtswidrige Pflichtverletzung könne bereits deshalb nicht festgestellt werden, weil das Bundessozialgericht erstmals in seinen Urteilen vom 02.06.2009 und 03.06.2009 die Tatbestandsmerkmale nach dem ZRBG "gegen Entgelt" und "aus eigenem Willensentschluss" erweiternd ausgelegt habe. Die Klägerin habe ihre Anträge zurückgenommen.
10Am 22.06.2012 hat die Klägerin vor dem SG Düsseldorf Klage gegen den Bescheid vom 24.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.06.2012 erhoben. Sie hat vorgetragen, dass der Rentenbeginn bereits früher anzusetzen sei. Sie sei im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob der Antrag bereits am 30.06.2003 gestellt worden sei. Die Rentenversicherungsträger hätten durch ihre restriktive Gesetzesauslegung in der Vergangenheit, die insbesondere Sachbezüge nicht für ausreichend gehalten habe und bestimmte Gebiete von der Einbeziehung in das ZRBG ausgeschlossen habe, die Antragsteller davon abgehalten, den Aufwand eines früheren Antragsverfahrens zu betreiben. Damit hätten sie die sich aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebende Verpflichtung zur gebotenen Förderung sozialer Rechte verletzt. Im vorliegenden Fall ergebe sich dies insbesondere daraus, dass sie sich in Ghettos in Ungarn aufgehalten habe. Bis zum Jahr 2009 habe die Beklagte ausdrücklich ausgeführt, dass das ZRBG auf Ghettos in Ungarn keine Anwendung finde. Auch der Präsident des Sozialgerichts Düsseldorf habe geäußert, dass die meisten Klagen hätten abgewiesen werden müssen. Aufgrund der in vielen Fällen geäußerten Rechtsauffassung seien andere Personen davon abgehalten worden, einen Rentenantrag zu stellen. Auch sie habe sich aufgrund der Chancenlosigkeit dazu entschlossen, das psychisch und physisch belastende Rentenverfahren nicht durchzuführen. Im Hinblick auf den von ihr angenommenen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verweist die Klägerin auf die Urteile des Bundessozialgerichts, 13 RJ 23/95, 13 RJ 5/95 und 12 RK 27/88.
11Die Unrichtigkeit eines Bescheides sei aus heutiger Sicht und nicht aus der Sicht des Zeitpunkts der Bescheiderteilung zu beurteilen. Die Klägerin hat einen anonymisierten Bescheid aus einem Parallelverfahren aus dem Jahr 2003 beigefügt, in dem die Beklagte einen Anspruch nach dem ZRBG mit der Begründung der fehlenden Anwendbarkeit des ZRBG auf Ghettos in Ungarn abgelehnt hat.
12Mit Urteil vom 22.02.2013 hat das SG Düsseldorf die Klage ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Der Rentenbeginn sei mit dem 01.12.2009 zutreffend angesetzt, weil die Klägerin erst am 14.12.2009 die Rente nach dem ZRBG beantragt habe. Weder aus dem in Israel gestellten Rentenantrag aus dem Jahr 1984 noch aus dem Antrag der Klägerin vom 04.12.1998 folge etwas anderes. Denn diese Anträge habe die Klägerin zurückgenommen. Gemäß dem Urteil des BSG vom 07.02.2012 - B 13 R 40/11 R - erfasse eine der Antragsrücknahme vergleichbare bestandskräftige Ablehnung eines in Deutschland gestellten Rentenantrags auch den zuvor in Israel gestellten Rentenantrag. Für die Auslegung des Schreibens vom 03.05.1999 als Rücknahme spreche auch, dass die Klägerin danach zehn Jahre lang keinen Kontakt zur Beklagten mehr gesucht habe.
13Der Klägerin stehe weiter kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zur Seite. Dieser setze zunächst eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur Aufklärung der Bevölkerung gemäß § 13 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I) aber nicht verletzt. Insbesondere habe sie keine fehlerhafte Allgemeininformation zum ZRBG verfasst. Die Beklagte habe lediglich in Parallelfällen das ZRBG gemäß der damaligen Rechtsprechung des BSG restriktiv ausgelegt und insbesondere ein die Versicherungspflicht dem Grunde nach auslösendes Entgelt als Voraussetzung gesehen. Die Annahme einer Pflichtverletzung scheide bereits deshalb aus, weil die Beklagte sich im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung befunden habe. Zudem sei keine Kausalität zwischen einer unterstellten Pflichtverletzung der Beklagten und der Rücknahme des Rentenantrags durch die Klägerin zu erkennen. Andere Antragsteller hätten sich durch die restriktive Bewilligungspraxis der Beklagten nämlich nicht davon abhalten lassen, ihren Rentenantrag weiterzuverfolgen und gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen.
14Am 15.03.2013 hat die Klägerin Berufung gegen das Urteil eingelegt. Sie trägt weiter vor, dass ihr aus verschiedenen Quellen bekannt gewesen sei, dass die deutschen Rentenversicherungsträger Tätigkeiten in einem Ghetto ohne entsprechende Bezahlung nicht als anspruchsauslösend ansähen. Sie nimmt weiter Bezug auf das Urteil des BSG vom 24.10.1985 - 12 RK 48/84 und vom 21.06.1990 - 12 RK 27/88. Sie hat sich zunächst ergänzend darauf bezogen, dass ihre Erklärung vom 31.05.1999 nicht als Rücknahme zu werten sei und in diesem Zusammenhang einen Richterbrief des Senats aus dem Verfahren L 14 R 861/12 übersandt.
15Die Beklagte hat in Reaktion auf diesen Vortrag darauf verwiesen, dass im Jahr 1998 das ZRBG noch nicht verkündet gewesen sei. Für die Anerkennung von Zeiten nach § 20 WGSVG oder § 17a FRG sei die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis unabdingbare Voraussetzung gewesen, so dass der Verweis der Klägerin auf ihre fehlenden Deutschkenntnisse als Begründung der Rücknahme zu werten sei. Die Rücknahme erfasse auch den israelischen Antrag; es sei davon auszugehen, dass die Klägerin von diesem Kenntnis gehabt habe. Art.27 DISVA sei auch im Jahr 1999 - auch vor der Verkündung des ZRBG - schon existent gewesen. Die Klägerin hat daraufhin an ihren Ausführungen zur Rücknahme des Antrags nicht mehr festgehalten, bezieht sich aber weiterhin darauf, dass ihr ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zur Seite stehe.
16Die Klägerin stützt sich weiter auf einen Richterbrief des Sozialgerichts Berlin im dortigen Verfahren S 31 R 4726/12. Der dortige Kammervorsitzende hat darauf verwiesen, dass die bis zum 31.12.1991 geltende Reichsversicherungsordnung (RVO) und das Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) für Versicherte, die das 65.Lebensjahr vollendet und die Wartezeit erfüllt hatten, kein Antragserfordernis vorgesehen hätten. Ein bereits unter Geltung der RVO entstandener Altersrentenanspruch erlösche nicht durch das zum 01.01.1992 eingeführte Antragserfordernis. Da sie das 65. Lebensjahr bereits im Jahr 1985 vollendet habe, sei diese Rechtsauffassung auch auf sie anwendbar. Es sei der Zeitpunkt der Entstehung des Stammrechts und nicht der Zahlungsbeginn maßgeblich.
17Die Klägerin beantragt,
18das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2013 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 24.11.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2012 zu verurteilen, der Klägerin Regelaltersrente bereits ab 01.07.1997 zu gewähren.
19Die Beklagte beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Im vorliegenden Fall sei eine Pflichtverletzung der Beklagten schon deshalb nicht anzunehmen, weil die Klägerin vor ihrer Antragstellung im November 2009 überhaupt keine Angaben gemacht habe, die eine Prüfung ihres Anspruchs ermöglicht hätten. Die von der Klägerin zitierten Urteile des BSG seien nicht auf den vorliegenden Sachverhalt zu übertragen.
22Das Urteil vom 24.10.1985 - 12 RK 48/84 - habe sich mit der Frage beschäftigt, ob eine Ausschlussfrist unter bestimmten Voraussetzungen neu eröffnet werden müsse. In dem Urteil werde ausdrücklich aufgeführt, das in einem derartigen Fall der Rückgriff auf das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht zulässig sei.
23Das Urteil vom 21.06.1990 - 12 RK 27/88 - sei bereits deshalb nicht anwendbar, weil die Beklagte im vorliegenden Fall (dort abweichend: Herausgabe eines Merkblatts) keine Allgemeininformation erteilt habe. Das BSG habe auch angemerkt, dass die Versäumung einer Frist nicht mit einer fehlerhaften Beratung oder Auskunft begründet werden könne, wenn sich der Antragsteller erst nach dem Ablauf dieser Frist an die Behörde gewandt habe. Dies müsse auch gelten, wenn der Antragsteller gegenüber der Behörde vor dem Ablauf der Frist keine Angaben gemacht habe, die eine Prüfung des Anspruchs ermöglicht hätten. Da das ZRBG rückwirkend zum 01.07.1997 in Kraft getreten sei, könnten Renten nach diesem Buch auch frühestens am 01.07.1997 beginnen und seien damit am SGB VI zu messen. Ghettobeitragszeiten nach dem ZRBG seien nämlich Zeiten eigener Art gemäß § 55 Abs.1 S.2 SGB VI, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Ein Rentenstammrecht aus Ghettobeitragszeiten könne damit erst mit dessen Inkrafttreten entstanden sein.
24Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung und hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der wesentliche Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
25Entscheidungsgründe:
26Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Bescheid der Beklagten vom 24.11.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2012 nicht rechtswidrig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt ( § 54 Absatz 2 SGG). Denn die Beklagte hat rechtmäßig entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung der Regelaltersrente vor dem 01.12.2009 und damit auch nicht für die Zeit vom 01.07.1997 bis zum 30.11.2009 hat.
27Gemäß § 99 SGB VI hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung ihrer Regelaltersrente erst für die Zeit ab dem 01.12.2009, weil sie dem Antragserfordernis des § 115 Absatz 1 Satz 1 SGB VI unterlag und als zu berücksichtigender Antrag allein ihr Rentenantrag vom 23.12.2009 in Frage kommt (dazu I.). Ein früherer Rentenbeginn kann weder aufgrund einer Verlängerung der Rentenantragsfrist entsprechend der Rechtsprechung des BSG zur Verlängerung von Nachentrichtungsfristen (dazu II.) noch aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (dazu III) noch unter Berücksichtigung des sogenannten Wiedergutmachungsgedankens (dazu IV) angenommen werden.
28I.
29Gemäß § 99 SGB VI hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung ihrer Regelaltersrente erst für die Zeit ab dem 01.12.2009 Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Regelaltersrente der Klägerin nach § 35 SGB VI und nach Maßgabe des ZRBG waren für sie zwar mit (dem rückwirkenden) Inkrafttreten des ZRBG vom 20.06.2002 (Artikel 1 des Gesetzes vom 20.06.2002, veröffentlicht am 27.06.2002, BGBl I, 2074) zum 01.07.1997 (Artikel 3 Absatz 2 des Gesetzes vom 20.06.2002) erfüllt, weil sie bereits im März 1989 ihr 65. Lebensjahr vollendet hatte, Zeiten nach dem ZRBG vom 01.05.1944 bis zum 31.10.1944 vorliegen und sie hierdurch auch die allgemeine Wartezeit erfüllt.
30Weitere Voraussetzung für die Gewährung einer Altersrente an die Klägerin war aufgrund der Vorschrift des § 115 Absatz 1 Satz 1 SGB VI aber ein wirksamer Rentenantrag.
31Mit dem Inkrafttreten der §§ 19 Satz 1 SGB IV und 115 Absatz 1 Satz 1 SGB VI am 01.01.1992 ist nämlich das Antragsprinzip eingeführt worden: Danach werden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich nur auf Antrag erbracht. Erst der Rentenantrag löst regelmäßig das Verwaltungsverfahren aus. Der Rentenantrag ist dabei auch für den Rentenbeginn nach § 99 SGB VI maßgeblich. Danach wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird ( § 99 Absatz 1 Satz 2 SGB VI).
32§ 99 Absatz 1 Satz 2 SGB VI gestaltet einen materiell-rechtlichen, die fälligen und ab dem 01.01.1992 entstandenen Einzelansprüche aus einem Recht auf Regelaltersrente vernichtenden Einwand aus. Dieser greift dann Platz, wenn der Antrag mehr als drei Kalendermonate nach Ablauf des Monats gestellt wird, in dem das Recht auf Rente entstanden ist (BSG, Urteil vom 02.08.2000, B 4 RA 54/99 R, SozR 3 2600 § 99 Nr. 5 (Rdnr. 17)). Nachdem die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen für eine Regelaltersrente nach § 35 SGB VI und nach Maßgabe des ZRBG mit (dem rückwirkenden) Inkrafttreten des ZRBG zum 01.07.1997 erfüllt hatte, war der dritte Kalendermonat nach Ablauf dieses Monats der Oktober 1997. Da aber nach § 99 Absatz 1 Satz 2 SGB VI bei späterer Antragstellung eine Rente aus eigener Versicherung erst vom Antragsmonat an geleistet wird, war Rente ab dem 01.12.2009 zu leisten. In diesem Zusammenhang kommt als maßgeblicher Antrag auch allein der Antrag der Klägerin vom 23.12.2009 in Betracht.
33Die Klägerin kann sich in diesem Zusammnhang weder auf ihren früheren Antrag vom 04.12.1998 noch auf den im Jahr 1984 in Israel gestellten Antrag auf Gewährung einer Altersrente berufen.
34Sie kann sich zunächst nicht auf ihren früheren Antrag vom 04.12.1998 berufen.
35Ihre Erklärung vom 31.05.1999 "Sehr geehrter Herr, ersuche höflichst meine Akte zu schließen, ich kann keine Deutschprüfung machen, weil ich die Sprache nicht beherrsche" ist im Rahmen einer verständigen Würdigung gemäß §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nämlich als Rücknahme des Antrags zu verstehen. Bereits ohne die Einbeziehung zusätzlicher Gesichtspunkte kommt im Deutschen der Begrifflichkeit des (Ab)Schließens eines Vorgangs, eines Kapitels etc. (der Begriff des "Schließens der Akte" ist hier eher unüblich) eine endgültige Bedeutung zu. In der englischen Sprache ist die wörtliche Übersetzung "to close a file"- insbesondere in Medienberichten zu rechtlichen Fragestellungen - deutlich gebräuchlicher und wird in Zusammenhang mit dem Abschluss eines Verfahrens gebraucht.
36Auch die Würdigung des Zusammenhangs, in dem die Klägerin ihre Erklärung vom 04.12.1998 abgegeben hat, spricht für deren Wertung als Rücknahme. Die Beklagte hatte die Klägerin nach ihrer Antragstellung von ihr auszufüllende Vordrucke übersandt. Die Anspruchsvoraussetzungen für eine mögliche Altersrente der Klägerin im Jahre 1998 bestimmten sich nach den Vorschriften des Fremdrentengesetzes (FRG) und nach dem Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG). Die Vorschriften der §§ 17a FRG und 20 WGSVG knüpften aber ausdrücklich an eine Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis an. Es ist davon auszugehen, dass auch in den der Klägerin von der Beklagten übersandten Vordrucken Fragen zum kulturellen Hintergrund der Klägerin, ihrem Sprachgebrauch und ihren Sprachkenntnissen gestellt worden sind und dass die Klägerin im Hinblick auf die von ihr angenommenen fehlenden deutschen Sprachkenntnisse von der Erfolgslosigkeit ihres Begehrens ausgegangen ist. Für die Würdigung der Erklärung als Rücknahme und nicht als bloßen Antrag auf Ruhen des Verfahrens spricht auch, dass die Klägerin sich bis zur erneuten Antragstellung im Jahr 2009 nicht mehr bei der Beklagten gemeldet hat.
37Auf einen israelischen Rentenantrag kann die Klägerin sich ebenfalls nicht berufen. Zwar hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 19.04.2011 - B 13 R 20/10R - juris - (die Entscheidung des Senats vom 12.02.2010, L 14 R 3/08 - juris - bestätigend) entschieden, dass ein in Israel gestellter Antrag auf Altersrente gemäß Art.27 Abs.2 S.1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit ( Israel SozSich) auch für die deutsche Altersrente zu berücksichtigen ist. Der israelische Antrag gilt -sowohl formell als auch materiell- zugleich als Antrag auf "entsprechende Leistung" nach deutschem Recht (BSG, Urteil vom 19.04.2011 - B 13 R 20/10 R - juris - (Rdnr.19)).
38Die Rücknahmeerklärung der Klägerin vom 31.05.1999 erfasst jedoch auch den israelischen Rentenantrag, soweit dieser sich auf die Gewährung einer deutschen Altersrente bezog, weil insoweit ein identischer Streitgegenstand vorliegt.
39Das BSG hat in dem Urteil B 13 R 20/10 R (juris (Rdnr.19)) ausgeführt, dass Art. 27 Abs.2 S.2 Abk Israel SozSich eine Antragsfiktion bewirkt, die keine ausdrückliche Geltendmachung deutscher Versicherungszeiten, keine Übermittlung des israelischen Antrags an den Versicherungsträger und keine tatsächliche Kenntnis des deutschen Rentenversicherungsträgers voraussetzt. Der Antragsteller soll damit von der Mühe einer doppelten Antragstellung entbunden werden. Die Antragsgleichstellung bewirkt die "automatische" Erstreckung eines Antrags auf Leistung in einem Vertragsstaat auf die entsprechende Leistung in dem anderen Vertragsstaat (BSG, wie vor juris - (Rdnr.23)). Aufgrund der automatischen Funktion als deutscher Rentenantrag war der Gegenstand des israelischen Antrags mit dem Gegenstand des Antrags der Klägerin vom 04.12.1998 identisch, soweit ersterer sich auf die eine mögliche Altersrente bezog. Die Aufspaltung dieses Streitgegenstands ist unter Berücksichtigung der Ausführungen im Urteil des BSG - B 13 R 20/10 R - und insbesondere des Urteils vom 07.02.2012- B 13 R 40/11 R - juris-, dessen Betrachtung der Senat sich anschließt - nicht möglich.
40Das BSG hat sich in dem Urteil B 13 R 40/11 R unter anderem mit der Frage befasst, wie sich die bestandskräftige Entscheidung über einen deutschen Altersrentenantrag auf einen bereits zuvor gestellten israelischen Antrag auswirkt. Hierzu führt es aus (juris, Rdnr.34): "Ob die Klägerin vor dem 30.6.2003 weitere Rentenanträge zB bei einem israelischen Versicherungsträger (mit Wirkung für die deutsche gesetzliche Rentenversicherung: s hierzu Senatsurteil vom 19.4.2011 - B 13 R 20/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-6480 Art 27 Nr 1 vorgesehen) gestellt hat, kann im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben. Denn solche Anträge hätten sich auch dann mit Erlass des Bescheids der Beklagten vom 19.11.2004 erledigt, wenn sie der Beklagten nicht bekannt waren. Denn dieser Bescheid ist mit Eintritt seiner Bestandskraft nach § 77 SGG "in der Sache" bindend geworden (vgl zur Bindungswirkung bestandskräftiger Verwaltungsakte bereits BSG vom 21.9.1962 - BSGE 18, 22, 26 = SozR Nr 35 zu § 77 SGG). Nach der Rücknahme des Ablehnungsbescheids vom 19.11.2004 nach § 44 SGB X ist daher auch insoweit die rückwirkende Rentenzahlung durch § 44 Abs 4 SGB X beschränkt."
41Dieser Rechtsauffassung schließt der erkennende Senat sich vollumfänglich an.
42Diese Doppelwirkung in der "Sache" muss nach dem Vorstehenden auch hinsichtlich der Wirkung der Rücknahme der Klägerin für den israelischen Rentenantrag gelten. Sofern man die Möglichkeit der Aufspaltung der "einheitlichen" Sache im Rahmen einer sie erfassenden Entscheidung verneint, kann diese Möglichkeit auch bei einer auf "die Sache" bezogenen Rücknahme nämlich nicht angenommen werden.
43Der aus § 99 SGB VI resultierende Rentenbeginn am 01.11.2009 erfährt durch § 3 Absatz 1 Satz 1 ZRBG keine Änderung. Nach dieser Vorschrift gilt (nur) ein bis zum 30.06.2003 gestellter Antrag auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als am 18.06.1997 gestellt. Wurde der Antrag bis zum 30.06.2003 gestellt, wird durch § 3 Absatz 1 Satz 2 ZRBG das Antragsdatum fiktiv auf den 18.06.1997 festgesetzt. Damit wurden jene Berechtigten, die durch die Verkündung des ZRBG am 27.06.2002 davon Kenntnis erlangten und sich aufgrund dieses Gesetzes binnen gut einen Jahres nach seiner Verkündung zu einem Antrag auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung veranlasst sahen, so behandelt, als hätten sie den Antrag bereits am Tage des BSG-Urteils (vom 18.06.1997, 5 RJ 66/95, BSGE 80, 250) über die rentenversicherungsrechtliche Behandlung von Beschäftigungen in einem Ghetto gestellt (vgl. BSG, Urteil vom 03.05.2005, B 13 RJ 34/04 R, BSGE 94, 294 (Rdnr. 29)). Dass bereits 65-jährige Berechtigte mit erfüllter Wartezeit aufgrund des rückwirkenden Inkrafttretens des ZRBG vom 20.06.2002 zum 01.07.1997 trotz erst am 27.06.2002 erfolgter Verkündung des ZRBG und damit erstmalig gegebener Möglichkeit zur Kenntnisnahme dieses Gesetzes einen Antrag bis spätestens Oktober 1997 hätten stellen müssen, um die zwingende Folge eines Anspruchsverlusts nach § 99 Absatz 1 Sätze 1 und 2 SGB VI zu vermeiden, wurde durch § 3 Absatz 1 Satz 1 ZRBG modifiziert. Die Vorschrift regelt nämlich nicht selbst unmittelbar den Rentenbeginn, sondern fingiert lediglich den maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung (BSG, Urteil vom 07.02.2012, B 13 R 40/11 R, BSGE 110, 97 (Rdnr. 22 m.w.N.)).
44Die amtliche Überschrift des § 3 Absatz 1 ZRBG ("Besonderheiten beim Rentenbeginn") verdeutlicht dabei, dass die Regelung nicht selbst den Rentenbeginn für "Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto" festlegt, sondern lediglich Besonderheiten hinsichtlich eines einzelnen für den Rentenbeginn nach § 99 SGB VI bedeutsamen Umstandes - des Zeitpunktes der Antragstellung - normiert. Dies geht auch aus der Regelung des § 1 Absatz 2 ZRBG hervor, wonach dieses Gesetz "die rentenrechtlichen Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung" (WGSVG) ergänzt. Nach § 7 WGSVG ergänzen jedoch wiederum diese Vorschriften "zugunsten von Verfolgten die allgemein anzuwendenden Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch".
45Dem aus § 99 SGB VI resultierenden Rentenbeginn am 01.11.2009 steht nicht entgegen, dass die Klägerin möglicherweise von der Frist des § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI und vom rückwirkenden Inkrafttreten des am 27.06.2002 veröffentlichten ZRBG zum 01.07.1997 keine Kenntnis hatte. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 Absatz 1 Satz 1 SGB X kann ihr nicht zugebilligt werden. Zwar ist eine solche Wiedereinsetzung grundsätzlich auch bei Versäumung einer Frist des materiellen Sozialrechts zulässig, wenn die betreffende Regelung dies ausdrücklich bestimmt oder ihre Auslegung dies ergibt (BSG, Urteile vom 25.10.1988, 12 RK 22/87, BSGE 64, 153 ff.; vom 21.05.1996, 12 RK 43/95, SozR 3 5070 § 21 Nr. 3; vom 22.10.1996, 13 RJ 23/95, BSGE 79, 168 ff.). Ob danach eine Wiedereinsetzung bei Versäumung der Dreimonatsfrist des § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI, der eine Wiedereinsetzung nicht ausdrücklich vorsieht, im Wege der Auslegung zulässig wäre, kann indes offenbleiben (so auch BSG, Urteil vom 22.10.1996, a.a.O.). Denn gemäß § 27 Absatz 3 SGB X kann nach Ablauf eines Jahres seit dem Ende der versäumten Frist (hier Oktober 1997) die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden oder die versäumte Handlung - hier Antrag auf Regelaltersrente - nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Dafür, dass die Klägerin bis zum Ablauf des Oktober 1998 durch höhere Gewalt an der rechtzeitigen Antragstellung gehindert gewesen sein soll, ist nichts ersichtlich. Wegen Nichteinhaltung der Jahresfrist konnte ein allenfalls erstmalig für den 23.12.2009 anzunehmender Antrag auf Wiedereinsetzung nicht zu einer solchen führen. Hinzu kommt, dass die Klägerin auch bei bestehender Unkenntnis der Fristen-Regelung des § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI nicht im Sinne des § 27 Absatz 1 SGB X ohne ihr Verschulden gehindert war, diese Frist einzuhalten, weil sich dies aus dem Grundsatz der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen ergibt. Danach gelten Gesetze mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich davon Kenntnis erhalten haben (BSG, Urteil vom 21.06.1990, 12 RK 27/88, BSGE 67, 90 ff.); dieser Grundsatz ist auch für die Beantwortung der Frage bedeutsam, welche Gründe eine etwa zulässige Wiedereinsetzung rechtfertigen können und ob dazu auch die Unkenntnis von dem Recht und der Befristung seiner Ausübung geeignet ist (BSG, Urteil vom 09.02.1993, 12 RK 28/92, BSGE 72, 80 ff.). Eine Unkenntnis solcher Rechte, deren befristete Ausübung im Gesetz selbst ausdrücklich geregelt ist, kann eine Wiedereinsetzung nicht rechtfertigen (BSG, Urteile vom 21.05.1996 und 22.10.1996, a.a.O.).
46Da eine etwaige Rechtsunkenntnis der Klägerin über die Frist des § 99 SGB VI eine Wiedereinsetzung nicht begründen kann, scheidet auch eine Nachsichtgewährung aus, falls für sie bei einer grundsätzlichen Anwendung der Wiedereinsetzung auch auf Fristen des materiellen Sozialrechts überhaupt noch Raum sein sollte (vgl. BSG, Urteil vom 27.09.1983, 12 RK 7/82, SozR 5750 Art. 2 § 51a Nr. 55).
47Ein früherer Rentenbeginn als zum 01.12.2009 ist der Klägerin auch nicht aufgrund einer Entstehung des Stammrechts auf Altersruhegeld bereits vor 1992 einzuräumen. In einem solchen Fall wäre noch eine Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) beziehungsweise des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) anzunehmen. Die Klägerin unterläge in einem solchen Fall nicht dem Antragseinwand des § 99 Abs.1 SGB VI. Eine entsprechende Entstehung des Stammrechts ist aber nicht gegeben.
48Zwar ist die Klägerin am 22.03.1924 geboren und hat demnach am 22.03.1989 das 65. Lebensjahr vollendet. Zu diesem Zeitpunkt galten noch die erst ab dem 01.01.1992 durch das SGB VI abgelösten Vorschriften der RVO beziehungsweise des AVG , die eine Antragstellung als Leistungsvoraussetzung für ein Altersruhegeld nur bei einem vorzeitigen Altersruhegeld (§§ 1248 Absätze 1 bis 3 und 1290 Absatz 1 Satz 2 RVO; §§ 25 Absätze 1 bis 3 und 67 Absatz 1 Satz 2 AVG), ansonsten beim Altersruhegeld aber nicht vorsahen (§ 1248 Absatz 5 RVO, § 25 Absatz 5 AVG). Auch erwarben hiernach Versicherte mit Vollendung des 65. Lebensjahres kraft Gesetzes ein eigentumsrechtlich geschütztes Vollrecht auf Regelaltersrente, wobei der Antragseinwand des § 99 SGB VI nicht gilt, wenn das Recht auf Regelaltersrente bereits vor dem 01.01.1992 entstanden ist(BSG, Urteil vom 02.08.2000, B 4 RA 54/99 R, SozR 3 2600 § 99 Nr. 5). Ein bereits unter der Geltung der RVO beziehungsweise des AVG entstandener Anspruch auf Altersruhegeld entfällt schließlich auch nicht nachträglich auf Grund des mit dem SGB VI ab dem 01.01.1992 eingeführten Antragserfordernisses (BSG, Urteil vom 08.1.2005, B 13 RJ 41/04 R, BSGE 95, 300).
49Vorliegend ist aber ein Stammrecht der Klägerin auf - antragsfreies - Altersruhegeld unter Geltung der RVO beziehungsweise des AVG nicht bereits spätestens bis zum 31.12.1991 entstanden, so dass ein solches auch nicht mit dem Inkrafttreten des ZRBG zum 01.07.1997 zahlbar gemacht werden kann; vielmehr richtet sich ihr Anspruch auf Rente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres nach den Vorschriften des SGB VI und des ZRBG und unterliegt daher auch dem Antragseinwand des § 99 SGB VI. Zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 erfüllte die Klägerin nämlich nicht die allgemeine Wartezeit (Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten). Dies ist aber Voraussetzung für einen Anspruch auf Altersruhegeld nach §§ 1248 Absatz 5 RVO, 25 Absatz 5 AVG.
50Gemäß § 1249 Satz 1 RVO wurden auf die Wartezeit für das Altersruhegeld die ab dem 01.01.1924 zurückgelegten Versicherungszeiten angerechnet; anrechnungsfähig waren dabei gemäß § 1250 Absatz 1 RVO Zeiten, für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Invalidenversicherung Beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet galten (Beitragszeiten), Zeiten ohne Beitragsleistung nach § 1251 RVO (Ersatzzeiten) und Zeiten der Kindererziehung vor dem 01.01.1986 nach § 1251a RVO, wobei gemäß § 1251 Absatz 2 Satz 1 RVO die in § 1251 Absatz 1 RVO aufgeführten Zeiten als Ersatzzeiten für die Erfüllung der Wartezeiten angerechnet wurden, wenn eine Versicherung vorher bestanden hatte und während der Ersatzzeit Versicherungspflicht nicht bestanden hatte; insofern musste zumindest ein Beitragsmonat vorhanden sein, um mit Ersatzzeiten die allgemeine Wartezeit zu erfüllen. Entsprechende Regelungen sah auch das AVG vor.
51Im Zeitpunkt der Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 hatte die Klägerin solche auf die allgemeine Wartezeit anrechnungsfähigen Zeiten zur deutschen Rentenversicherung nicht zurückgelegt.
52Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen im Rentenbescheid der Beklagten sind der Klägerin Beitragszeiten nach dem ZRBG vom 01.05.1942 bis zum 31.10.1942 sowie Ersatzzeiten vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1949 anzurechnen. Bei diesen Zeiten handelt es sich nicht um auf die allgemeine Wartezeit nach §§ 1250, 1251, 1251 a RVO bzw. den entsprechenden Regelungen des AVG anrechnungsfähige Zeiten zur deutschen Rentenversicherung.
53Zwar konnten auch Beschäftigungszeiten in einem Ghetto bereits vor dem rückwirkenden Inkrafttreten des ZRBG zum 01.01.1997 Beitragszeiten sein. Dies traf insbesondere für das Ghetto Lodz zu, weil dort ab Inkrafttreten der Ostgebiete-Verordnung vom 22.12.1941 zum 01.01.1942 das Recht der RVO galt. Solche Zeiten hat die Klägerin aufgrund ihres individuellen Verfolgungsschicksals jedoch nicht zurückgelegt. Vielmehr weist sie Beschäftigungszeiten im Ghetto Oradea/ Großwardein im damaligen Ungarn vor. Zwar ist die Berücksichtigung einer ausgeübten Beschäftigung in einem Gebiet, in dem während des zweiten Weltkrieges die RVO nicht galt, als gleichgestellte Beitrags-/Beschäftigungszeit nach §§ 15, 16 FRG möglich, wodurch zugleich eine Anrechnung von Ersatzzeiten möglich würde. Die Berücksichtigung der von der Klägerin im Ghetto Oradea/ Großwardein ausgeübten Beschäftigung nach §§ 15, 16 FRG kommt aber nicht in Betracht. Hierfür wäre nämlich die Zugehörigkeit der Klägerin zum deutschen Sprach- und Kulturkreis erforderlich. Dafür bestehen aber keine Anhaltspunkte. Vielmehr hat die Klägerin im Rahmen ihrer Erklärung vom 31.05.1999 ausgeführt, dass sie die deutsche Sprache nicht beherrscht.
54§ 15 FRG sieht vor, dass Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichstehen; nach Maßgabe des § 16 FRG gilt Entsprechendes für Beschäftigungszeiten in Vertreibungsgebieten. Da die Klägerin, soweit ersichtlich, nicht zu dem gemäß §§ 1, 17 a FRG begünstigten Personenkreis gehört (insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sie Vertriebene im Sinne von § 1 des Bundesvertriebenengesetzes ist), könnte ihr insoweit noch die Regelung des § 20 WGSVG zugutekommen, nach der bei Anwendung des FRG den anerkannten Vertriebenen im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes vertriebene Verfolgte gleichstehen, die lediglich deswegen nicht als Vertriebene anerkannt sind oder anerkannt werden können, weil sie sich nicht ausdrücklich zum deutschen Volkstum bekannt haben. Da § 20 Absatz 1 Satz 2 WGSVG auf § 19 Absatz 2 Buchstabe a Halbsatz 2 WGSVG verweist, genügt es, soweit es auf die deutsche Volkszugehörigkeit ankommt, dass Verfolgte im Zeitraum des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört haben. Eine solche Zugehörigkeit der Klägerin ist - wie vorab dargestellt - aber nicht erkennbar.
55Die aufgrund der Beitragsfiktion des § 2 Absatz 1 ZRBG anerkannten Beitragszeiten der Klägerin vom 01.05.1944 bis zum 31.05.1944 können nicht für die Erfüllung der für einen Anspruch auf Altersruhegeld nach §§ 1248 Absatz 5 RVO, 25 Absatz 5 AVG erforderlichen allgemeinen Wartezeit herangezogen werden. Diese sind nämlich erst mit Inkrafttreten des ZRBG rückwirkend zum 01.07.1997 entstanden und bestanden damit nicht bereits zum Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres der Klägerin am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991. Nach § 2 Absatz 1 ZRBG gelten für die Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt, und zwar für die Berechnung der Rente als Beiträge nach den Reichsversicherungsgesetzen für eine Beschäftigung außerhalb des Bundesgebietes sowie für die Erbringung von Leistungen ins Ausland als Beiträge für eine Beschäftigung im Bundesgebiet (Ghetto-Beitragszeiten). Dabei ist die rechtliche Wirkung von fiktiven Beiträgen nach dem ZRBG dieselbe wie die der tatsächlich zur deutschen Rentenversicherung entrichteten und damit vergleichbar mit den im Rahmen des FRG gleichgestellten Beiträgen (BSG, Urteil vom 19.05.2009, B 5 R 14/08 R, BSGE 103, 161). Bei den Personen, die wie die Klägerin aufgrund gesetzlicher Fiktion in die Geltung der Reichsversicherungsgesetze einbezogen worden sind, handelt es sich um "tatsächlich" (wenn auch nachträglich) Versicherte im Sinne der Rentenversicherung. Sie sind in Bezug auf die nach dem ZRBG anerkannten Beitragszeiten nicht anders als diejenigen zu behandeln, für deren Beschäftigung die Reichsversicherungsgesetze galten, während sie sich innerhalb von deren territorialem Geltungsbereich aufgehalten haben (BSG, Urteil vom 19.05.2009, a.a.O.). Trotz der durch die Beitragsfiktion nach § 2 Absatz 1 ZRBG entstandenen nachträglichen Versicherteneigenschaft reicht die Fiktion dieser Vorschrift nicht so weit, dass hierdurch die fiktive Beitragszeit bereits mit Vollendung des 65. Lebensjahres im Jahr 1989 als zurückgelegt und damit die allgemeine Wartezeit zusammen mit den Verfolgungsersatzzeiten zu diesem Zeitpunkt als erfüllt gilt. Hiergegen spricht die Systematik der eine Fiktionswirkung entfaltenden Regelungen in §§ 2 und 3 ZRBG, der Wortlaut der Vorschrift des § 3 Absatz 2 ZRBG sowie die Gesetzesbegründung und der darin zum Ausdruck kommende mutmaßliche Wille des Gesetzgebers. Der Senat verweist insoweit auf die Entscheidungsgründe der beiden Urteile des Sozialgerichts Lübeck vom 23.04.2013 (S 6 R 353/11- juris - (Rdnr.26 bis 37)) und vom 24.04.2013 (S 45 R 675/11 - juris - (Rdnr.26 bis 29) dazu anhängig B 13 R 10/13 R), denen er sich vollinhaltlich anschließt.
56Allein durch die von der Beklagten festgestellten Ersatzzeiten der Klägerin vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1949 konnte die Klägerin auch nicht bereits zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 die für die Erfüllung der für einen Anspruch auf Altersruhegeld nach §§ 1248 Absatz 5 RVO, 25 Absatz 5 AVG erforderliche allgemeine Wartezeit erfüllen. Zeiten ohne Beitragsleistung nach § 1251 RVO (Ersatzzeiten) konnten gemäß § 1251 Absatz 2 Satz 1 RVO für die Erfüllung der Wartezeiten nur angerechnet werden, wenn eine Versicherung vorher bestanden hatte und während der Ersatzzeit Versicherungspflicht nicht bestanden hatte. Insofern musste zumindest ein Beitragsmonat vorhanden sein, um mit Ersatzzeiten die allgemeine Wartezeit zu erfüllen. Da, wie aufgezeigt, Beitragszeiten der Klägerin zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 nicht bestanden, können auch die festgestellten Ersatzzeiten vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1949 gemäß § 1251 Absatz 2 Satz 1 RVO nicht zur Erfüllung der allgemeinen Wartezeit angerechnet werden.
57II.
58Ein früherer Rentenbeginn als zum 01.12.2009 kann der Klägerin auch nicht aufgrund einer Verlängerung der Rentenantragsfrist entsprechend der von ihrem Bevollmächtigten angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Verlängerung von Nachentrichtungsfristen (Urteile vom 01.12.1978, 12 RAr 56/77, SozR 4100 § 141 e Nr. 4; vom 12.10.1979, 12 RK 15/78, SozR 5070 § 10 a Nr. 2; vom 24.10.1985, 12 RK 48/84, SozR 5070 § 10 a Nr. 13; vom 26.06.1985, 12 RK 23/84 - juris -; vom 03.05.2005, B 13 RJ 34/04 R, BSGE 4 2600 § 306 Nr. 1) eingeräumt werden.
59Etwaige Rechtsprechung zur Verlängerung von Nachentrichtungsfristen ist auf den vorliegenden Fall schon dadurch nicht übertragbar, dass die Antragstellung nach dem ZRBG nicht an eine Frist gebunden ist. Die in § 3 des ZRBG genannte Frist bis zum 30.06.2003 führt lediglich zu einer Fiktivverlegung des Rentenantrags auf den 18.06.1997 (Tag des BSG-Urteils B 5 RJ 66/95 (BSGE 80, 250) über die rentenversicherungsrechtliche Behandlung von Beschäftigungen in einem Ghetto). Jedoch war und ist auch nach Juni 2003 jederzeit die Möglichkeit zur Geltendmachung eines Rentenanspruchs auf der Grundlage des ZRBG gegeben.
60Auch im Übrigen sind die diesbezüglich vom Bevollmächtigten der Klägerin genannten Entscheidungen auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Die Entscheidung des 12. Senats des BSG vom 12.10.1979 hatte keine Verlängerung einer Antragsfrist oder einer Nachentrichtungsfrist zum Inhalt. Vielmehr erweiterte der 12. Senat des BSG den unter § 10 a WGSVG fallenden Personenkreis auch auf solche Personen, die nach Kriegsende nicht in den Geltungsbereich des WGSVG zurückgekehrt waren, so dass auch diese die durch § 10 a WGSVG geregelte Möglichkeit zur Beitragsentrichtung längstens für die Zeit bis zum 31.12.1955 nutzen konnten. Ebenso wenig befasst sich die Entscheidung des 13. Senats des BSG vom 03.05.2005 mit der Verlängerung einer Antragsfrist oder einer Nachentrichtungsfrist. Vielmehr hat der 13. Senat des BSG dort eine Rechtsfortbildung zur Schließung einer gesetzgeberischen Lücke im ZRBG dahingehend vorgenommen, dass die Vorschrift des § 306 Absatz 1 SGB VI für Bestandsrentner, die bereits vor dem 18.06.1997 (= Tag des BSG-Urteils B 5 RJ 66/95 (BSGE 80, 250) über die rentenversicherungsrechtliche Behandlung von Beschäftigungen in einem Ghetto) eine Altersrente bezogen haben, und die vor dem 30.06.2003 einen Antrag auf Zahlung der Rente unter Bezugnahme auf das ZRBG gestellt hatten, nicht nachteilig anzuwenden ist, und zwar aus Gründen der Gleichbehandlung. Aus dem Leitsatz des Urteils des 12. Senats vom 24.10.1985 ergibt sich wiederum der Grund, warum hier eine ursprünglich (am 31.12.1975) bereits abgelaufene Ausschlussfrist (zur Nachentrichtung von Beiträgen nach § 10 a Absatz 2 WGSVG) neu zu eröffnen war (was dann unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom 24.10.1985 erfolgte mit einer Neueröffnung bis zum 31.12.1986). Grund war nämlich, dass durch eine zuvor erfolgte Rechtsprechung des BSG (vom 17.03.1981 bzw. 24.06.1981) eine Gesetzeslücke in der Form geschlossen wurde, als dass für einen weiteren Personenkreis das Nachentrichtungsrecht erstmals ermöglicht wurde. Der Entscheidung des 12. Senats vom 01.12.1978 lag zugrunde, dass das BSG die Frist des § 141 e Absatz 1 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz für einen Antrag auf Konkursausfallgeld neu eröffnet hat, weil es insoweit eine planwidrige Unvollständigkeit (Lücke) im Einführungsgesetz zum Einkommenssteuergesetz von 1974 erkannt hat. In der Entscheidung vom 26.06.1985 wiederum sah sich der 12. Senat des BSG infolge seiner Rechtsprechung vom 27.03.1980, dass in Ausfüllung einer Gesetzeslücke Artikel 2 § 5 b Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes auf Vorstandsmitglieder von großen Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit analog anzuwenden sei, veranlasst, die in dieser Norm enthaltende Befristung (31.12.1979) auf einen angemessenen Zeitpunkt nach dem Bekanntwerden seines Urteils vom 27.03.1980 zu verschieben.
61Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von den vorgenannten Konstellationen aber dadurch, dass die Rechtsprechung des BSG zum ZRBG vom 02. und 03. Juni 2009 sich lediglich mit der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und damit mit der reinen Auslegung eines Gesetzes befasst hat. Es hat aber nicht Gesetzeslücken im Wege richterlicher Rechtsfortbildung geschlossen.
62Darüber hinaus führt der - verspätete - Antrag der Klägerin nicht dazu, dass sie von einem Rentenanspruch nach dem ZRBG vollständig (und auf Dauer) ausgeschlossen wird. Die Verspätung hat lediglich die Folge einer nur eingeschränkten Rückwirkung. Dass im Übrigen der 13. Senat im Urteil vom 03.05.2005 aus Gründen der Gleichbehandlung gemäß Artikel 3 GG zur Anwendbarkeit des ZRBG auch für Bestandsrentner gelangte (§ 306 SGB VI), vorliegend aber schon kein Verstoß gegen Artikel 3 GG erkennbar ist, obwohl die Klägerin unter Anwendung des § 99 SGB VI erst ab dem Monat ihrer Antragstellung eine Regelaltersrente erhält, hat bereits das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. Die von ihr angenommene Ungleichbehandlung zu anderen Verfolgten mit früherem Rentenbeginn ist durch den Umstand gerechtfertigt, dass letztere auch zu einem früheren Zeitpunkt Rente beantragt haben. Dies hätte die Klägerin im Gegensatz zu den Klägern der vom BSG zu § 306 SGB VI entschiedenen Fälle auch in der Hand gehabt.
63III.)
64Die Klägerin kann auch nicht verlangen, aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so behandelt zu werden, als hätte sie den Antrag auf eine Leistung aus der deutschen Rentenversicherung spätestens bis zum 30.06.2003 gestellt, um wie entsprechend § 3 ZRBG bereits ab dem 01.07.1997 in den Genuss einer Rente zu gelangen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, dessen Rückwirkung zu einem frühesten Rentenbeginn ab dem 01.01.2005 führen könnte (dazu 1.), steht der Klägerin nicht zu. Eine Pflichtverletzung der Beklagten, die diesbezügliche Voraussetzung wäre, ist nämlich nicht festzustellen. Auch die vom Bevollmächtigten der Klägerin zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts führt nicht zu einem anderen Ergebnis (dazu 2.).
651.
66Bei der hier vorliegenden Erstfeststellung einer Rente könnte einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch der Klägerin selbst für den Fall seines Vorliegens in entsprechender Anwendung des § 44 Absatz 4 SGB X Rückwirkung nicht bis zum 01.07.1997, sondern nur bis zum 01.01.2005 zukommen. Maßgeblich ist hier der (erstmalige/ allein zu berücksichtigende) Antrag der Klägerin auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus dem Monat November 2010. Die in § 44 Absatz 4 SGB X für eine rückwirkende Erbringung von Sozialleistungen festgesetzte zeitliche Grenze von vier Jahren ist nämlich entsprechend anzuwenden, auch wenn die rückwirkende Gewährung vorenthaltener Leistungen auf einer Erstfeststellung im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beruht (Urteil des erkennenden Senats vom 24.05.2013, L 14 R 432/12 -juris -; dazu anhängig B 13 R 23/13 R).
672.
68Der Klägerin steht ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch mit der Folge eines frühest- möglichen Rentenbeginns ab dem 01.01.2005 nicht zu (dazu a.). Die von ihrem Bevollmächtigten angesprochenen Urteile des Bundessozialgerichts erfassen die hier vorliegende Konstellation nicht (dazu b.).
69a.)
70Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger entweder seine Verpflichtung nach § 13 SGB I zur Aufklärung der Bevölkerung über ihre sozialen Rechte durch unrichtige oder missverständliche Allgemeininformationen (BSG, Urteile vom 16.12.1993, 13 RJ 19/92, SozR 3 1200 § 14 Nr. 12 und vom 23.05.1996, 13 RJ 17/95, SozR 3 5750 Art. 2 § 6 Nr. 15) oder die ihm aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber erwachsenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Beratung, zur Auskunft und zu Hinweisen nach §§ 14 und 15 sowie 115 Absatz 6 SGB VI, nicht verletzt hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des BSG vom 16.12.1993, 13 RJ 19/92, SozR 3-1200 § 14 Nr 12 m.w.N. und vom 25.01.1996, 7 RAr 60/94, SozR 3-3200 § 86a Nr 2). Voraussetzung ist weiter, dass die verletzte Pflicht dem Sozialleistungsträger gerade gegenüber dem Versicherten oblag, diesem also ein entsprechendes subjektives Recht einräumt, dass die objektiv rechtswidrige Pflichtverletzung zumindest gleichwertig (neben anderen Bedingungen) einen Nachteil des Versicherten bewirkt hat und dass die verletzte Pflicht darauf gerichtet war, den Betroffenen gerade vor den eingetretenen Nachteilen zu bewahren (Schutzzweckzusammenhang). Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können, das heißt die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen.
71Die Beklagte hat weder im Rahmen ihrer Verpflichtung nach § 13 SGB I zur Aufklärung der Bevölkerung über deren sozialen Rechte diese unrichtig oder missverständlich informiert (dazu aa.) noch hat sie ihr aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber der Klägerin obliegende und dieser ein entsprechendes subjektives Recht einräumende Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Beratung und Auskunft nach §§ 14 und 15 SGB VI (dazu bb.) bzw. zum Hinweis nach § 115 Absatz 6 SGB VI (dazu cc.), verletzt.
72aa.)
73Die Klägerin kann einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht auf eine Verletzung der allgemeinen Aufklärungspflicht nach § 13 SGB I stützen. Nach § 13 SGB I sind die Leistungsträger, ihre Verbände und die sonstigen im SGB genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über ihre Rechte und Pflichten nach dem SGB aufzuklären. Unter "Aufklärung" ist dabei die allgemeine und abstrakte Unterrichtung der Bevölkerung, insbesondere aller von den sozialen Rechten und Pflichten möglicherweise Betroffenen, die im Einzelnen in der Regel nicht bekannt sind, zu verstehen (vgl. Hauck/Haines, SGB I, K § 13 Rdn. 5). Diese Aufklärungspflicht begründet nach der Rechtsprechung des BSG regelmäßig kein subjektives Recht des Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger; aus ihrer Verletzung erwächst dem Betroffenen daher grundsätzlich kein Herstellungsanspruch (BSG, Urteil vom 21.06.1990, 12 RK 27/88, BSGE 67, 90). Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn ein Versicherungsträger eine unrichtige oder missverständliche Allgemeininformation, z.B. in Merkblättern oder Broschüren, verbreitet hat und ein Versicherter dadurch etwa von der rechtzeitigen Ausübung eines Gestaltungsrechts abgehalten worden ist (BSG, Urteile vom 16.12.1993, 13 RJ 19/92, SozR 3 1200 § 14 Nr. 12 und vom 23.05.1996, 13 RJ 17/95, SozR 3 5750 Art. 2 § 6 Nr. 15). Dabei kann auch eine unrichtige Information durch ausländische Stellen dem deutschen Rentenversicherungsträger, zumindest im Sinne einer wesentlichen Mitursache, zuzurechnen sein, wenn dieser die ausländischen Verbindungsstellen seinerseits unzutreffend, etwa über bestehende Antragsfristen, informiert hat (BSG, Urteil vom 23.05.1996, a.a.O.).
74Dass die Beklagte vorliegend eine solche unrichtige oder missverständliche (Allgemein-) Information der Bevölkerung in Israel im Hinblick auf das ZRBG, auf etwaige Antragsfristen oder zu den Ghettos in Ungarn erteilt oder den israelischen Versicherungsträger entsprechend unrichtig informiert hätte, wäre allerdings von der Klägerin darzulegen und nachzuweisen.
75Im vorliegenden Fall ist aber zunächst nicht erkennbar, dass die Beklagte vor dem Jahr 2009 eine Allgemeininformation im Hinblick auf den Anwendungsbereich des ZRBG herausgegeben hat. Darüber hinaus ist die damalige Rechtsauffassung der Beklagten insbesondere zum Entgeltbegriff des ZRBG und zur anspruchsbegründenden Qualität einer Internierung in einem Ghetto in Ungarn auch nicht "unrichtig", weil sie in Übereinstimmung mit der damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung stand.
76Das Bundessozialgericht hat noch in seinem Urteil vom 07.10.2004 - B13 RJ 59/03 R- juris - ausgeführt, dass auch ein Anspruch nach § 1 Abs.1 ZRBG nur gegeben sei, wenn die von der Rechtsprechung aufgeführten Kriterien der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto erfüllt seien (Rdnr.50). Auch bei Arbeiten, die unter den Bedingungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zustandegekommen seien, sei eine Differenzierung zwischen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung einerseits und einer nichtversicherten Beschäftigung andererseits geboten (Rdnr.44). Das BSG hat mit diesem Urteil das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.10.2003 - L 8 RJ 90/01 - juris - geändert und im Fall einer Klägerin, die für die Tätigkeit in einer Militärkantine im Ghetto Lodz eine überdurchschnittliche Verpflegung erhalten hatte, die Merkmale der Entgeltlichkeit, der Versicherungspflicht und der Freiwilligkeit abgelehnt.
77Als Entgelt gemäß § 1226 RVO a.F. i.V.m. § 160 RVO a.F. seien zunächst nur die Gegenleistungen anzusehen, die zum Umfang und der Art der geleisteten Arbeit noch in einem angemessenen Verhältnis stünden (Rdnr.38). Obwohl auch freier Unterhalt grundsätzlich dem Begriff des Entgelts unterfallen könne, sei eine Beschäftigung für die nur freiwilliger Unterhalt gewährt worden sei, gemäß § 1227 RVO a.F. nicht versicherungspflichtig gewesen. Als freier Unterhalt sei dasjenige Maß von Wirtschaftsgütern anzusehen, das zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitnehmers erforderlich sei, nicht aber das, was darüber hinausgehe (Rdnr.36-38). Zudem hat das BSG aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin die Arbeit vom jüdischen Komitee zugewiesen bekommen habe, keine Freiwilligkeit der von ihr geleisteten Arbeit angenommen.
78Noch mit Beschluss vom 22.03.2007 - B 5 R 16/07 B - juris - hat das BSG eine Nichtzulassungsbeschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, dass ein Anspruch nach § 1 Abs.1 S.1 Nr.1 ZRBG die Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit der Beschäftigung voraussetze und damit an die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto anknüpfe und diese Rechtsfrage als geklärt anzusehen sei.
79Inwiefern die in den Jahren 2003 und 2004 vorherrschende Annahme der Beklagten, dass die in einem ungarischen Ghetto ausgeübte Tätigkeit nicht anspruchsbegründend im Sinne von § 1 Abs.1 S.1 Nr.1 ZRBG sei, bedarf keiner weiteren Klärung.
80Die Beklagte hat ausweislich der Begründungen der vom Klägerbevollmächtigten zum ebenfalls am 25.10.2013 vor dem Senat verhandelten Verfahren L 14 R 317/13 übersandten anonymisierten Bescheide aus Verfahren mit Parallelproblematik ihre Ablehnung nämlich darauf gestützt, dass sie aufgrund der späten Besetzung Ungarns durch die deutsche Wehrmacht am 19.03.1944, der Einrichtung von Ghettos erst ab dem 16.04.1944 und dem nur kurzen Bestand dieser Ghettos von etwa sechs Wochen Arbeitsverhältnisse, die von den Merkmalen der "Freiwilligkeit" und "Entgeltlichkeit" nach den vorab dargestellten Maßstäben geprägt waren, grundsätzlich nicht als glaubhaft gemacht ansah. Die in den Jahren 2003 und 2004 vorherrschende Betrachtung der Beklagten ist mithin untrennbar mit den zum damaligen Zeitpunkt von der Rechtsprechung vertretenen Anforderungen an die Begriffe von Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit verknüpft. Angaben, die die Beklagte zur Annahme einer freiwilligen und entgeltlichen Tätigkeit der Klägerin nach den im Jahr 2003 angenommenen Maßstäben veranlassen mussten, hat auch die Klägerin des vorliegenden Verfahrens nicht gemacht.
81Überdies stellen die vorgenannten Bescheidungen in Parallelfällen jedenfalls aufgrund ihrer bloßen Inter - Partes - Wirkung keine Allgemeininformation im Sinne von § 13 SGB I dar. Auch ansonsten sind fehlerhaft erfolgte Allgemeininformationen der israelischen Bevölkerung oder des israelischen Versicherungsträgers durch die Beklagte zum ZRBG, zu etwaigen Antragsfristen und insbesondere zu den Ghettos in Ungarn sowie deren Zugang bei der Klägerin dem Senat nicht bekannt. Im Übrigen geht der Senat von einem erheblichen Bekanntheitsgrad des ZRBG und bestehender Antragsfristen in der israelischen Bevölkerung auch bereits für die Zeit bis (zu dem für § 3 ZRBG maßgeblichen Zeitpunkt) Juni 2003 beziehungsweise für die Zeit bis (zur "Rechtsprechungswende" des BSG) 2009 aus, weil dies die bereits bis dahin gestellten sehr zahlreichen Anträge nach diesem Gesetz widerspiegeln.
82bb.)
83Durch die vom Bevollmächtigten der Klägerin gerügte restriktive Verwaltungspraxis beziehungsweise Auslegung des ZRBG hat die Beklagte der Klägerin gegenüber auch keine Pflichten zur individuellen Beratung nach § 14 SGB I oder zur individuellen Auskunft nach § 15 SGB I verletzt.
84Zunächst liegt keine fehlerhafte Auskunft oder Beratung der Beklagten gegenüber der Klägerin vor. Wie das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat (und wie unter aa.) ausgeführt wurde), liegt in der früheren restriktiven Auslegungspraxis des ZRBG durch die Beklagte schon deshalb keine Pflichtverletzung, weil sich die Beklagte hierbei auf die damalige höchstrichterliche Rechtsprechung gestützt hat. Zudem hat die Beklagte hierdurch nicht gegenüber der Klägerin gehandelt, weil sich die Verwaltungspraxis nur auf beschiedene Parallelfälle anderer Antragsteller mit allenfalls ähnlicher Fallgestaltung bezogen hat und daher nur zwischen diesen Inter- Partes- Wirkung entfaltet. Zudem wäre, wie das Sozialgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, auch kein kausaler Nachteil zu einer unterstellten Pflichtverletzung zu erkennen, weil zahlreiche andere Antragsteller, die ebenfalls Beitragszeiten nach dem ZRBG geltend gemacht haben, durch das Erfordernis eines versicherungspflichtigen Entgelts und einer "freiwilligen" Beschäftigungsaufnahme auch in der Zeit bis 2009 nicht davon abgehalten worden sind, ihren Rentenantrag zu stellen und dessen Ablehnung gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen.
85Der Beklagten ist weiter nicht vorzuwerfen, dass sie eine Beratung oder Auskunft gegenüber der Klägerin pflichtwidrig nicht vorgenommen hat. Eine solche Verpflichtung der Beklagten bestand nicht.
86Voraussetzung für das Entstehen einer Beratungspflicht nach § 14 SGB I ist ein Beratungsbegehren oder zumindest ein konkreter Anlass zur Beratung (BSG, Urteile vom 21.03.1990, 7 RAr 36/88, BSGE 66, 258, vom 16.12.1993, 13 RJ 19/92, a.a.O. und vom 16.06.1994, 13 RJ 25/93, SozR 3-1200 § 14 Nr. 15); für eine Auskunftspflicht im Sinne des § 15 SGB I ist es ebenfalls erforderlich, dass ein entsprechender Informationsbedarf der Versicherten für den zuständigen Versicherungsträger oder eine andere auskunftspflichtige Stelle offen zu Tage tritt (BSG, Urteil vom 28.09.1976, 3 RK 7/76, BSGE 42, 224). Im Rahmen ihrer Beratungspflicht nach § 14 SGB I beziehungsweise ihrer Auskunftspflicht nach § 15 SGB I §§ 14 und 15 SGB I hat die Beklagte nicht die Pflicht, all diejenigen möglicherweise Anspruchsberechtigten erst noch zu ermitteln, die in absehbarer Zeit Anspruch auf Rente haben könnten, um sie über die Voraussetzungen der Rentengewährung zu informieren.
87Im vorliegenden Fall scheidet nach diesen Maßgaben das Entstehen einer Beratungspflicht aus. Vor dem Neuantrag am 23.12.2009 (und damit auch vor der Rücknahme des Erstantrags der Klägerin am 31.05.1999) war für die Beklagte aufgrund der fehlenden Angaben der Klägerin über ihre Internierung im Ghetto (Ort des Ghettos, ausgeführte Arbeit etc.) nämlich nicht einmal erkennbar, in welcher Weise ein Informationsbedarf der Klägerin entstehen konnte. Zudem bestand nach der Rücknahme des Antrags der Klägerin am 31.05.1999 zwischen den Beteiligten keinerlei Kontakt mehr. Es war für die Beklagte in keiner Weise ersichtlich, dass die Klägerin noch an der Durchsetzung des von ihr geltend gemachten Anspruchs festhalten wollte.
88Anhaltspunkte für einen der Beklagten zuzurechnenden Beratungsfehler des israelischen Sozialversicherungsträgers bestehen nicht (zu den Voraussetzungen Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 15.07.1986, L 2 An 135/85 - juris - und BSG, Urteil vom 22.02.1989, 5 RJ 42/88 SozR 6961 § 7 Nr. 2; anders BSG, Urteile vom 21.06.1990, 12 RK 27/88, BSGE 67, 90 und vom 23.05.1996, B 13 RJ 17/95, SozR 3 5750 Artikel 2 § 6 Nr. 15, wenn der deutsche Rentenversicherungsträger die ausländische Verbindungsstelle unzutreffend informiert hat und diese dann ihrerseits den Versicherten unrichtig informiert).
89cc.)
90Auf eine Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Absatz 6 Satz 1 SGB VI kann die Klägerin ihren Herstellungsanspruch ebenfalls nicht stützen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ist zwar nicht auf die Verletzung der Pflichten aus §§ 14, 15 SGB I beschränkt, sondern kommt auch bei andersartiger Fehl- oder Nichtinformation der Versicherten in Betracht (BSG, Urteil vom 08.11.1995, 13 RJ 5/95, SozR 3 2600 § 300 Nr. 5). Als Pflicht, deren Verletzung grundsätzlich geeignet ist, einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu begründen, kommt insofern auch die aus § 115 Absatz 6 Satz 1 SGB VI resultierende Hinweispflicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift sollen die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen; die Rentenversicherungsträger können dabei in gemeinsamen Richtlinien bestimmen, unter welchen Voraussetzungen solche Hinweise erfolgen sollen (Satz 2 a.a.O). Sinn und Zweck des § 115 Absatz 6 SGB VI ist es, die nicht ausreichend Informierten vor Nachteilen aus dem Antragsprinzip zu bewahren (Hauck/Haines, SGB VI-Kommentar, § 115, RdNr. 12; Gemeinschaftskommentar-SGB VI / Meyer, § 115, RdNr. 4). Die Vorschrift wurde durch das Rentenreformgesetz 1992 zugleich mit § 99 SGB VI eingeführt, in dem die Auswirkung des Antragszeitpunktes auf den Rentenbeginn bestimmt wird. Da durch § 99 SGB VI gravierendere Folgen an die Antragstellung beziehungsweise deren Zeitpunkt geknüpft werden als nach dem altem Recht der RVO, ist als Korrektiv hierfür die Regelung des § 115 Absatz 6 SGB VI vorgesehen. Die Beklagte war im vorliegenden Fall aber nicht verpflichtet, der Klägerin einen Hinweis auf die Möglichkeit des Bezugs eines Altersrente und auf den bei Überschreitung der Frist des § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI eintretenden Anspruchsverlust zu erteilen. Die Verpflichtung der Beklagten zur Hinweiserteilung scheidet dabei zwar nicht bereits deshalb aus, weil die Klägerin sich nicht rechtzeitig rat- oder auskunftsuchend an die Beklagte gewandt hätte; denn für das Entstehen einer Verpflichtung des Versicherungsträgers zur Erteilung eines Hinweises ist eine Anfrage der Versicherten nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 22.10.1996, 13 RJ 23/95, BSGE 79, 168). Die Adressaten derartiger Hinweise (anders als etwa bei § 13 SGB I) müssen für den Versicherungsträger aber konkret bestimmbar sein, weil die Regelung den Schutz der Einzelnen bezweckt; nur so kann davon ausgegangen werden, dass diesen auch ein subjektives Recht auf Erteilung eines Hinweises zustehen soll (Hauck/Haines, SGB VI-Kommentar, § 115, RdNr. 13).
91Unter Berücksichtigung der Ausführungen zu bb.) konnte eine entsprechende Hinweispflicht der Beklagten jedoch bereits deshalb nicht bestehen, weil der Beklagten aufgrund der vor dem Jahr 2009 völlig fehlenden Informationen über die Natur des Aufenthalts der Klägerin im Ghetto überhaupt nicht erkennbar war, worauf die Klägerin gegebenenfalls hinzuweisen war. Dies gilt unabhängig davon, dass die Rechtsauffassung der Beklagten aus der ex-post-Perspektive jedenfalls nicht unrichtig war.
92b.)
93Zu einem anderen Ergebnis gelangt man auch nicht unter Berücksichtigung der vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin angeführten Entscheidungen des BSG (BSG, Urteile vom 15.12.1983, 12 RK 6/83 - juris -; vom 21.06.1990, 12 RK 27/88, BSGE 67, 90; vom 08.11.1995, 13 RJ 5/95, SozR 3 2600 § 300 Nr. 5), ohne dass es insoweit auf ein Verschulden der Beklagten ankomme (BSG, Urteile vom 12.10.1979, 12 RK 47/77, BSGE 49, 76; vom 09.05.1979, 9 RV 20/87, SozR 3100, § 44 Nr. 11; vom 15.12.1983, 12 RK 6/83, - juris -; vom 28.02.1984, 12 RK 31/83, SozR 1200 § 14 Nr. 16; vom 24.10.1985, 12 RK 48/84, SozR 5070 § 10 a Nr. 13).
94Diese Entscheidungen haben nicht den ihnen vom Bevollmächtigten zugesprochenen Inhalt. Sie sind insbesondere auf den vorliegenden Fall nicht dahingehend übertragbar -, dass das für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch erforderliche Fehlverhalten eines Versicherungsträgers darin liegen kann, dass dieser bis zum Zeitpunkt geänderter höchstrichterlicher Rechtsprechung in größerer Zahl negative Bescheidungen erlassen hat, die aus der ex - post - Sicht der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung seitdem nicht mehr haltbar erscheinen, und aufgrund derer Berechtigte von einer Antragstellung abgehalten worden sind oder sein könnten. Vielmehr fordern (auch) die vom Bevollmächtigten genannten Entscheidungen des 12. Senats des BSG für einen Herstellungsanspruch, dass das gerügte Verhalten - etwa eine fehlerhafte Gesetzesanwendung - bereits im Zeitpunkt der Ausübung fehlerhaft gewesen sein muss, wozu die spätere Erkenntnis der Fehlerhaftigkeit aus der Rückschau nicht ausreicht. Dass diese Anforderungen an den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu stellen sind, ist nicht nur den vom Bevollmächtigten angeführten Entscheidungen des 12. Senats des BSG zu entnehmen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung weiterer Senate des BSG, so zum Beispiel der Rechtsprechung des 7. Senats (Urteil vom 25.01.1996, 7 RAr 60/94, SozR 3 3200 § 86 a Nr. 2), der ausgeführt hat, dass der Leistungsträger, wenn seine - negative - Auskunft über eventuelle Leistungsansprüche im Zeitpunkt ihrer Erteilung der Gesetzeslage und dem Stand des eingeleiteten Gesetzgebungsverfahrens entsprach, bei einer späteren, im Zeitpunkt der Auskunftserteilung nicht erkennbaren Gesetzesänderung zugunsten des Betroffenen nicht verpflichtet ist, den durch eine verspätete Antragstellung bedingten Nachteil im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auszugleichen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des heute für das Recht der Rentenversicherung zuständigen 13. Senats des BSG (Urteil vom 08.11.1995,13 RJ 5/95, SozR 3 2600 § 300 Nr. 5), der ausgeführt hat, dass ein Herstellungsanspruch nicht in Betracht kommt, wenn die dem Versicherten günstigen Voraussetzungen erst später bekannt wurden oder nachgewiesen werden konnten.
95Die in größerer Zahl ergangenen negativen Bescheidungen der Beklagten bis zum Jahr 2009 standen aber in Einklang mit der bis zur "Rechtsprechungswende" des BSG zum ZRBG im Jahr 2009 bestehenden damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die die unbestimmten Rechtsbegriffe des "Entgelts" und des Beschäftigungsverhältnisses "aus eigenem Willensentschluss" restriktiv ausgelegt hatte (vgl. etwas Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03, BSGE 93, 214, und Beschluss vom 22.03.2007, B 5 R 16/07 B - juris -). Dass Erfolgsaussicht für die Durchsetzung ihrer Ansprüche für die Klägerin erst aufgrund der Urteile des BSG von Juni 2009 bestand und vorher nicht, beruht somit nicht auf einem objektiven Fehlverhalten der Beklagten durch etwaige Falschanwendung von Gesetzen bzw. Rechtsprechung im Zeitpunkt der Anwendung. Aus dem gleichen Grund führen auch die vom Bevollmächtigten angeführten Entscheidungen des BSG vom 12.10.1979, 09.05.1979, 15.12.1983, 28.02.1984 und 24.10.1985 (alle a.a.O.) nicht weiter, nach denen ein - hier nicht vorliegendes - im Zeitpunkt der Ausübung bereits objektiv fehlerhaftes Verhalten der Verwaltung, das einen Herstellungsanspruch begründet, nicht subjektiv schuldhaft zu sein braucht. Beim Fehlen eines objektiven Fehlverhaltens kommt es auf die Frage der subjektiven Vorwerfbarkeit nicht mehr an. Deutlich wird dies insbesondere aus der vom Bevollmächtigten angeführten Entscheidung des BSG vom 12.10.1979 (12 RK 47/77), in der das BSG ausgeführt hat, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch auf Seiten des Versicherungsträgers grundsätzlich kein Verschulden voraussetze, also (auch) bestehe, wenn der Versicherungsträger im Zeitpunkt der Auskunftserteilung eine bereits damals objektiv unrichtige Auskunft erteilt habe, er zu diesem Zeitpunkt aber von der Richtigkeit seiner Rechtsansicht habe ausgehen dürfen.
96Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass zum einen wegen der verspäteten Antragstellung eine der notwendigen Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt ist und zum anderen eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht vorliegt, die eine Ersetzung des nicht rechtzeitig gestellten Antrags im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ermöglichen könnte.
97IV.
98Die von der Klägerin erstrebte Rechtsanwendung - Gewährung einer Altersrente auf der Grundlage des ZRBG bereits für die Zeit ab dem 01.07.1997 trotz Versäumung der Antragsfrist des § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI - ist schließlich auch unter Berücksichtigung des sogenannten Wiedergutmachungsgedankens nicht möglich. Denn zugunsten der Klägerin wirkt sich hier auch nicht der vom Bundesgerichtshof (BGH) zum Entschädigungsrecht entwickelte Grundsatz aus, dass eine Gesetzesauslegung, die möglich ist und dem Ziel entspricht, das zugefügte Unrecht so bald und so weit wie irgend möglich wiedergutzumachen, den Vorzug gegenüber jeder anderen Auslegung verdient, die die Wiedergutmachung erschwert oder zunichte macht (Urteile des BGH vom 26.02.1960, IV ZR 255/59, RzW 1960, 262; vom 22.02.2011, IX ZR 113/00, BGH Report 2001, 372). Zwar ist hiervon bei der Auslegung einschlägiger Vorschriften auch das BSG ausgegangen; der Bevollmächtigte der Klägerin hat die einschlägigen Entscheidungen des BSG auch (in anderem Zusammenhang) genannt (Urteile vom 26.10.1976, 12/1 RA 81/75, SozR 5070 § 9 Nr. 1; vom 12.10.1979, 12 RK 15/78, SozR 5070 § 10 a Nr. 2; vom 28.02.1984, 12 RK 50/82, SozR 5070 § 9 Nr. 7). Dennoch führt dies hier nicht zu einem anderen Ergebnis. Der Gesetzgeber hat mit dem ZRBG zur Wiedergutmachung erlittenen Unrechts Rentenzeiten, die mit in einem Ghetto verrichteter Arbeit erworben wurden, unabhängig von weiteren Voraussetzungen (insbesondere nach dem FRG) als Regelaltersrente zahlbar gemacht. Anders als etwa bei der Zuerkennung eines festen Entschädigungsbetrags handelt es sich damit bei den auf der Grundlage des ZRBG gezahlten Leistungen um Renten, die dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI folgen. Die aus dieser Konzeption folgenden Konsequenzen, wie etwa der Verfall von Rentenansprüchen für die Vergangenheit bei Versäumung der Antragsfrist, treten aber bei allen Renten gleichermaßen ein und widersprechen insofern auch nicht dem Wiedergutmachungsgedanken.
99Aus dem gleichen Grund lässt sich auch kein anderes Ergebnis aus § 2 Absatz 2 Halbsatz 2 SGB I ableiten, wonach bei der Auslegung der Vorschriften des SGB sicherzustellen ist, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.
100Nach alledem hat die Klägerin keinen Anspruch auf den Beginn der Regelaltersrente vor dem 01.12.2009 und damit auch nicht auf Zahlung von Regelaltersrente für die Zeit vom 01.07.1997 bis zum 30.11.2009. Im Übrigen wirkt es sich zu Gunsten der Klägerin aus, dass die Beklagte für den Zugangsfaktor (§ 77 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 b SGB VI) davon ausgegangen ist, dass die Klägerin die Altersrente nach Erreichen der Regelaltersgrenze erst zum 01.12.2009 in Anspruch genommen hat, so dass die Beklage insofern die Rente auch nach einem höheren Zugangsfaktor als bei einem (begehrten) Rentenbeginn zum 01.07.1997 berechnet hat (vgl. § 3 Absatz 2 ZRBG). Angesichts des hohen Lebensalters der Klägerin dürfte sich allerdings ihr wirtschaftliches Interesse eher auf eine (größere) Nachzahlung als auf eine laufende höhere Rente richten. Zu dem weiteren Vortrag des Bevollmächtigten , dass die Regelungen der §§ 3 ZRBG und 44 SGB X sowie das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs je nachdem, ob es sich um ein Überprüfungsverfahren oder eine Erstbescheidung handele, zu sehr unterschiedlichen Folgen für den Rentenbeginn führen würden (Rentenbeginn ab 1997, ab 2005 oder erst ab Rentenantragstellung) und dies den Betroffenen schwierig zu vermitteln sei, ist auf Folgendes hinzuweisen: Überprüfungsanträgen nach Ablehnungsbescheiden, die seit 2009 - fußend auf der "Rechtsprechungswende" des Bundessozialgerichts vom 02.06.2009 und 03.06.2009 zur Auslegung der Rechtsbegriffe des "Entgelts" und des Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses "aus eigenem Willensentschluss" - gestellt wurden, kann nach § 44 Absatz 4 SGB X Rückwirkung maximal bis 2005 und nicht bis 1997 zukommen (vgl. allerdings die anhängigen zahlreichen Revisionen im 5. und 13 Senat des BSG zu der Frage: " Kann eine Rente bei Berechtigten des Personenkreises des § 1 ZRBG im Falle eines erstmaligen Rentenantrages noch vor Juli 2003 schon ab dem 01.07.1997 beginnen, wenn bereits eine bestandskräftig gewordene Ablehnung des Rentenantrags vorlag und die Rente erst danach aufgrund eines Überprüfungsverfahrens bewilligt wurde unter Anwendung von § 44 SGB X oder § 100 Absatz 4 SGB VI). Auch Erstbescheidungen aufgrund erstmaliger Antragstellung seit der "Rechtsprechungswende" in 2009 könnte selbst bei Vorliegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Rückwirkung nur in Anwendung des § 44 Absatz 4 SGB X (Urteil des erkennenden Senats vom 24.05.2013, L 14 R 432/12 in juris; dazu anhängig B 13 R 23/13 R) und damit ebenfalls maximal bis 2005 und nicht bis 1997 zukommen. Liegen die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs allerdings nicht vor, können Rentenleistungen in Einklang mit § 99 SGB VI erst ab dem Antragsmonat gewährt werden.
101Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Absatz 1 SGG.
102Die Revisionszulassung folgt aus § 160 Absatz 2 Nr. 1 SGG, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.