Landessozialgericht NRW Urteil, 28. Jan. 2014 - L 18 KN 57/13
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.3.2013 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 4.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.6.2010 verurteilt, der Klägerin höhere Witwenrente unter Berücksichtigung weiterer 4,1882 persönlicher Entgeltpunkte zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist die Höhe einer großen Witwenrente.
3Die 1960 geborene Klägerin ist die Witwe des 1955 in Polen geborenen und am 30.6.2008 in Deutschland verstorbenen X. L. (fortan: Versicherter). Der Versicherte war in Polen als Hauer/Schlosser beschäftigt. 1982 nahm er seinen ständigen Aufenthalt in der (damaligen) Bundesrepublik Deutschland und erhielt hier den Vertriebenenausweis "A". Anschließend war er in Deutschland bis Oktober 2007 als Maschinenbediener beschäftigt. Die Beklagte gewährte ihm ab Februar 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf der Basis von insgesamt 37,9273 persönlichen Entgeltpunkten (pEP). Dabei berücksichtigte sie die in Polen zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung vom 9.10.1975 (im Folgenden: Abk Polen RV/UV 1975). Die aus Polen stammende Klägerin kam - unabhängig vom Versicherten - im Dezember 1992 nach Deutschland. Sie ist keine Spätaussiedlerin, aber (mittlerweile) deutsche Staatsangehörige. Der Versicherte und die Klägerin lebten seit etwa 2000 in einem eheähnlichen Verhältnis und heirateten am 20.6.2008.
4Nachdem die Beklagte einen Anspruch auf große Witwenrente wegen der nur zehntägigen Ehedauer zunächst abgelehnt hatte, gewährte sie der Klägerin nach Anerkenntnis im nachfolgenden Klageverfahren (Sozialgericht (SG) Dortmund, Aktenzeichen (Az) S 6 KN 51/09) große Witwenrente in Höhe von (ab Oktober 2008) zunächst EUR 524,23 (Wert des Rechts auf Rente), wobei sich nach Anrechnung von Erwerbseinkommen ein Zahlbetrag von zunächst EUR 117,85 (ab Mai 2010: EUR 149,65) ergab. Dabei hat die Beklagte für "Zeiten mit Tabellenwert" (hier: 1.6.74 - 18.10.1982) nur 60% der ermittelten Entgeltpunkte (EP) berücksichtigt und insgesamt 33,7391 pEP zugrunde gelegt (endgültige Feststellung im Bescheid vom 4.5.2010). Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Beklagte habe bei der Witwenrente die EP des Versicherten für die polnischen Zeiten bis 18.10.1982 nicht auf 60% kürzen dürfen. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: Bei der Berechnung der großen Witwenrente sei auf die Witwe als Berechtigte (und nicht auf den Versicherten) abzustellen. Da sie erst im Dezember 1992 nach Deutschland gekommen sei, sei auf sie nicht (mehr) das Abk Polen RV/UV 1975 anzuwenden. Stattdessen sei das (Nachfolge-)Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit vom 8.12.1990 (im Folgenden: Abk Polen SozSich 1990) maßgeblich, das entsprechenden Besitzschutz für Rentenanwartschaften nicht mehr vorsehe (Widerspruchsbescheid vom 28.6.2010).
5Mit ihrer Klage vom 2.8.2010 hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie keine Rente aus eigenen Beitragszeiten, sondern aus denen des Versicherten beanspruche; dieser habe vor dem maßgeblichen "Stichtag 1.1.1991" seinen ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen und unterfalle dem Abk Polen RV/UV 1975. Auf den Zeitpunkt ihrer Übersiedlung komme es nicht an, da es nicht um einen Anspruch aus ihrer Versicherung gehe. Die Beklagte greife durch ihre Berechnungsweise in bereits bestandskräftig festgestellte Ansprüche des Versicherten ein.
6Die Beklagte hat ihre Entscheidung weiter für richtig gehalten. Durch die Änderung der Rechtslage habe der Gesetzgeber sicherstellen wollen, dass polnische Abkommenszeiten nur noch nach dem Fremdrentengesetz (FRG) berücksichtigen werden können.
7Mit Bescheiden vom 18.1. und 18.7.2012 hat die Beklagte die Witwenrente wegen Änderungen des auf die Rente anzurechnenden Erwerbseinkommens der Klägerin neu festgestellt.
8Das SG hat die Klage unter Bezugnahme auf ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) für das Saarland (vom 24.6.2004, Az L 4 KN 27/02) abgewiesen: Das Abk Polen RV/UV 1975 sei auf Fallgestaltungen der vorliegenden Art nicht anwendbar. Deshalb seien die strittigen in Polen zurückgelegten Beitragszeiten "mit dem Faktor 0,6 zu vervielfältigen", § 22 Abs 4 FRG idF des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25.9.1996. Die Kürzung der EP aus den polnischen rentenrechtlichen Zeiten um 40% (= "Vervielfältigung mit dem Faktor 0,6") sei auch nicht nach der Übergangsbestimmung des Art 6 § 4 Abs 5 des Gesetzes zur Neuregelung des Fremdrenten- und Auslandsrentenrechts und zur Anpassung der Berliner Reichsversicherung an die Vorschriften des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes und des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz - FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl I S 93) in der seit 1991 geltenden Fassung ausgeschlossen. Die Klägerin sei keine Rentenberechtigte, der nach Maßgabe des Abk Polen SozSich 1990 Ansprüche und Anwartschaften ausnahmsweise noch auf der Grundlage des Abk Polen RV/UV 1975 zustünden. Das am 1.10.1991 in Kraft getretene Abk Polen SozSich 1990 sei maßgeblich. Nach Art 27 Abs 1 Abk Polen SozSich 1990 gelte für Ansprüche von Personen, die nach dem 31.12.1990 ihren Wohnsitz in das Hoheitsgebiet des jeweiligen Vertragsstaates verlegt haben, grundsätzlich das Abk Polen SozSich 1990, mithin also auch für den Rentenanspruch der erst im Dezember 1992 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelten Klägerin. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift gelte die Stichtagsregelung und damit die in Art 19 Abs 4 Abk Polen SozSich 1990 in Bezug genommene Kürzungsbestimmung des § 22 Abs 4 FRG idF des WFG vom 25.9.1996 für Versicherten- und Hinterbliebenenrenten gleichermaßen (im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangenes Urteil vom 25.3.2013, der Klägerin zugestellt am 24.4.2013).
9Mit ihrer Berufung vom 22.5.2013 trägt die Klägerin ergänzend vor, das Urteil des LSG Saarland, auf das sich das SG maßgeblich stütze, betreffe einen anderen Sachverhalt und andere Rechtsfragen.
10Die Klägerin beantragt,
11das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.3.2013 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 4.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.6.2010 zu verurteilen, ihr ab 1.7.2008 höhere Witwenrente zu gewähren und dabei mindestens die persönlichen Entgeltpunkte zugrunde zu legen, die dem Bescheid vom 15.5.2008 zugrunde lagen, mit dem dem verstorbenen Versicherten Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt worden ist.
12Die Beklagte beantragt,
13die Berufung zurückzuweisen.
14Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsakten der Beklagten (betreffend den Versicherten und die Klägerin) sowie die Akten des Vorprozesses vor dem SG Dortmund (Az S 6 KN 51/09) Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
16Entscheidungsgründe:
17Die zulässige Berufung ist begründet.
18Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 4.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.6.2010 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) beschwert die Klägerin, weil er rechtswidrig ist, § 54 Abs 2 S 1 SGG. Die Klägerin hat Anspruch auf (höhere) große Witwenrente unter Berücksichtigung weiterer 4,1882 pEP.
19Gegenstand des Berufungsverfahrens ist (nur) der Bescheid der Beklagten vom 4.5.2010 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.6.2010), soweit darin die Höhe des Rechts auf Witwenrente geregelt ist. Die späteren Bescheide vom 18.1. und 18.7.2012 sind entgegen der Auffassung des SG nicht Gegenstand des (Klage-)Verfahrens geworden. Sie ändern oder ersetzen die Regelung zur Höhe des Rechts auf Witwenrente nicht, sondern regeln in Anwendung von § 31 FRG, in welcher Höhe die Rente nicht zu leisten ist, weil sie ruht (Urteile des Senats vom 28.5.2013, Az L 18 KN 135/12, juris-Rdnr 25, und vom 12.11.2013, Az L 18 KN 206/10, juris-Rdnr 25, jeweils mwN).
20Der Senat prüft den Anspruch der Klägerin auf höhere Witwenrente entsprechend ihrem Schlussantrag in zweiter Instanz nur noch darauf, ob der Berechnung (mindestens) die 37,9273 pEP zugrunde zu legen sind, die der Rente des Versicherten wegen voller Erwerbsminderung im Bescheid vom 15.5.2008 zugrunde lagen. Diesem maßgeblichen letzten Sachantrag liegt keine Klageänderung iS von § 99 Abs 1 SGG zugrunde, so dass über deren Zulässigkeit nicht zu befinden ist. Vielmehr hat die Klägerin ihren durchgehend weiterverfolgten Anspruch auf höhere große Witwenrente nur zulässigerweise (§ 99 Abs 3 Nr 2 SGG auf eine Mindesthöhe beschränkt ("gedeckelt"). Darin liegt allenfalls (je nach Berechnung des Werts auf Rente) eine konkludent erklärte teilweise Klagerücknahme, die den Rechtsstreit insoweit erledigt, § 102 Abs 1 S 2 SGG.
21Mit dem so begrenzten Klageantrag greift die Klägerin im Wege der Anfechtungsklage den (wertfeststellenden) Verwaltungsakt über die Rentenhöhe an, begehrt mit der Verpflichtungsklage die Festsetzung eines höheren Rentenwerts unter Berücksichtigung der pEP aus dem Bescheid des Versicherten zur Rente wegen voller Erwerbsminderung und mit der Leistungsklage - im Wege der objektiven Klagehäufung - die Zahlung eines höheren monatlichen Rentenbetrags, § 54 Abs 1 u 4 SGG iVm § 56 SGG (BSG, Urteil vom 20.3.2013, Az B 5 R 2/12 R).
22Entgegen der Ansicht des SG ist die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen. Über die von der Beklagten im Rentenbescheid vom 4.5.2010 zugrunde gelegten 33,7391 pEP (27,2958 pEP aus der allgemeinen Rentenversicherung und 6,4433 pEP aus knappschaftlicher Rentenversicherung) hinaus hat die Klägerin Anspruch auf Berücksichtigung weiterer pEP in Höhe der Differenz zu den dem Rentenbescheid des Versicherten vom 15.5.2008 zugrunde gelegten 37,9273 pEP (28,3284 pEP aus der allgemeinen Rentenversicherung und 9,5989 pEP aus der knappschaftlichen Rentenversicherung), also weiterer 4,1882 pEP.
23Der Senat kann für seine Entscheidung über den Klageantrag im Berufungsverfahren offenlassen, ob sich ein solcher Anspruch bereits daraus ergibt, dass bei der Berechnung der großen Witwenrente der Klägerin die vom Versicherten in Polen zurückgelegten Beitragszeiten nicht über § 15f FRG, sondern weiter nach dem Abk Polen RV/UV 1975 zu berücksichtigen sind. Dafür spricht entgegen der Auffassung des SG und des LSG Saarland, dass der Anspruch auf Witwenrente kein originärer, auf eigenen versicherten Entgelten beruhender Anspruch der Witwe, sondern ein vom versicherten Ehemann abgeleiteter Anspruch ist, der ausgefallenen Unterhalt ersetzt und deshalb - anders als eigene Rentenanwartschaften und -ansprüche - auch nicht dem Schutz des Art 14 Abs 1 Grundgesetz unterfällt (BVerfGE 97, 271 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1). Damit korrespondiert, dass primäres Regelungsobjekt (als Satzglied: Subjekt) der grundsätzlich hier weiter anzuwendenden Vorschriften des Art 27 Abs 2 Sätze 1 und 2 Abk Polen SozSich 1990 (vgl dazu im Einzelnen: Urteil des Senats vom 28.5.2013, Az L 18 KN 135/12 juris-Rdnrn 33ff mwN) Ansprüche und Anwartschaften und nicht etwa (anspruchsberechtigte) Personen sind. Die Regelung besagt im Kern, dass aufgrund des Abk Polen RV/UV 1975 erworbene Ansprüche und Anwartschaften durch das Abk Polen SozSich 1990 nicht berührt werden, solange die Personen, die sie erworben haben, auch nach dem 31.12.1990 ihren Wohnsitz beibehalten. Genau das ist hier der Fall: Der Versicherte hatte bereits 1982 und damit weit vor dem 1.1.1991 (Art 27 Abs 2 Abk Polen SozSich 1990) seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland genommen und unterfiel damit der Übergangsregelung Art 6 § 4 Abs 5 FANG, weil er nach Maßgabe des Abk Polen SozSich 1990 Ansprüche und Anwartschaften auf der Grundlage des Abk Polen RV/UV 1975 erworben hatte. Der so erworbene Bestandsschutz bleibt bestehen. Eine Regelung, nach der er für Hinterbliebene entfällt, fehlt. Dies wird im umgekehrten Fall - Witwe vor dem 1.1.(7.) 1991, verstorbener Versicherter nach dem 31.12.1990 (30.6.1991) eingereist (zu den Daten in Klammern s. Art 27 Abs 4 Abk Polen SozSich 1990) - besonders deutlich: Dann müssten auf polnischen rentenrechtlichen Zeiten basierende EP des Versicherten, der nach seiner Übersiedlung in Deutschland eine vor dem Stichtag in die Bundesrepublik übergesiedelte Polin geheiratet hat und selbst dem Abk Polen SozSich 1990 unterfällt, bei der Witwenrente von 60% auf 100% aufgestockt werden, weil die Witwe vor dem 1.1.1991 in die Bundesrepublik eingereist ist. Dies ist erkennbar nicht gewollt, weil die Witwe selbst vor ihrer Einreise solche nach dem Abk Polen RV/UV 1975 geschützte Anwartschaften gerade nicht erworben hatte.
24Der Anspruch der Klägerin auf Berücksichtigung weiterer 4,1882 pEP zu den von der Beklagten im Bescheid vom 4.5.2010 berücksichtigten 33,7391 EP folgt aus dem Schutz der bei der Rente wegen voller Erwerbsminderung des Versicherten zugrundegelegten pEP für die Berechnung der Witwenrente der Klägerin, § 88 Abs 2 S 1 SGB VI (s zu dieser Vorschrift Senatsurteil vom 14.2.2012, Az L 18 R 684/11, Rdnr 26).
25Nach § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag einer Rente, wenn 1. die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten pEP, 2. der Rentenartfaktor und 3. der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Nach § 66 Abs 2 Nr 2 SGB VI sind bei einer Witwenrente die EP des verstorbenen Versicherten die Grundlage für die Ermittlung der pEP. Nach § 88 Abs 2 S 1 SGB VI sind bei einer Hinterbliebenenrente mindestens die bisherigen pEP des verstorbenen Versicherten zugrunde zu legen, wenn der verstorbene Versicherte eine Rente aus eigener Versicherung bezogen hat und die Hinterbliebenenrente spätestens 24 Monate nach Bezug dieser Rente beginnt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn der Versicherte bezog eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus eigener Versicherung, und die Hinterbliebenenrente der Klägerin begann nahtlos im Anschluss an den Rentenbezug des Versicherten.
26Eine den Regelungsgehalt (und damit den Normbefehl) des § 88 Abs 2 S 1 SGB VI vorliegend nach allgemeinen (Kollisions-)Rechtsgrundsätzen als lex superior, lex specialis oder lex posterior verdrängende (Sonder-)Vorschrift existiert nicht (vgl zu einer anderen Konstellation: BSG, Urteil vom 20.3.2013, Az B 5 R 2/12 R Rdnr 18; Senatsurteil vom 14.2.2012, Az L 18 R 684/11, Rdnr 27). Als solche kommen nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik und Regelungszweck insbesondere nicht Art 27 Abs 1 S 2 und Abs 2 S 1 Abk Polen SozSich 1990 (iVm § 22 Abs 4 FRG) in Betracht (aA ohne nähere Begründung LSG Saarland, Urteil vom 24.6.2004, Az L 4 KN 27/02). Diese (gleichrangigen) Vorschriften sind zunächst nicht später als § 88 SGB VI, sondern kurz zuvor in Kraft getreten. Die Regelung des § 88 Abs 2 S 1 SGB VI ist durch Art 85 Abs 1 RRG 1992 zum 1.1.1992 in Kraft getreten, also zwar in zeitlicher Nähe, aber doch nach Inkrafttreten des Abk Polen SozSich 1990 in Deutschland zum 19.6.1991 (Art 6 des Zustimmungsgesetzes vom 18.6.1991, BGBl II, 741f) bzw Inkrafttreten des bilateralen Abkommens zum 1.10.1991 (BGBl II, 1072).
27Sie enthalten bei genauerer Analyse überdies keine abschließende (Sonder-)Regelung zum Bestandsschutz von pEP bei der Witwenrente einer nach dem 31.12.1990 (bzw 30.6.1991) aus Polen dauerhaft nach Deutschland gekommenen Person. Es ist bereits nicht erkennbar, dass sich der Regelungsgehalt beider (Bestands- und damit) Vertrauensschutz gewährenden Vorschriften (teilweise) deckt.
28Im Wortlaut des Art 27 Abs 1 u 2 Abk Polen SozSich 1990 ist - anders als in § 88 Abs 2 S 1 SGB VI - von Hinterbliebenen nicht die Rede. Art 27 Abs 2 S 1 Abk Polen SozSich 1990 trifft explizit - wie bereits weiter oben ausgeführt - eine Sonderregelung zu Abs 1 S 2 der Vorschrift für "die vor dem 1. Januar 1991 aufgrund des Abkommens vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung (Abkommen von 1975) von Personen in einem Vertragsstaat erworbenen Ansprüche und Anwartschaften, solange diese Personen auch nach dem 31. Dezember 1990 ihren Wohnort im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaats beibehalten". Die Norm stellt - übertragen auf den vorliegenden Fall - damit ausschließlich auf vom Versicherten erworbene Rechtspositionen ab. Damit korrespondiert (im Wege des Umkehrschlusses) die Formulierung "Ansprüche aus Versicherungszeiten" in Art 27 Abs 1 S 1 Abk Polen SozSich 1990.
29Auch die systematische und historische Auslegung spricht nicht für die Auffassung der Beklagten (und des LSG für das Saarland. AaO). Weder aus den weiteren Absätzen des Art 27 Abk Polen SozSich 1990 noch aus dem Standort dieser Vorschrift im Normgefüge ergeben sich Anknüpfungspunkte für die Annahme einer (abschließenden) Sonderregelung für Hinterbliebenenrenten von Polen, die ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben. Anhaltspunkte dafür, dass der Regelungsgehalt beider Vorschriften in direktem Zusammenhang steht, finden sich nicht. Allein die Tatsache, dass sich Art 27 Abk Polen SozSich 1990 in einem (in nationales Recht transformierten) bilateralen Abkommen befindet, führt nicht dazu, dass die darin enthaltenen Vorschriften aus systematischen Gründen Sondervorschriften zu innerstaatlichen gleichrangigen Gesetzen sind. Auch die Entstehungsgeschichte (der lex posterior) des § 88 Abs 2 SGB VI weist nicht in diese Richtung. Danach sollte § 88 Abs 2 SGB VI den Schutz von Hinterbliebenenrenten allgemein erweitern: Nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht (§ 30 Abs 2 Satz 5, § 31 Abs 2 Satz 2, § 45 Abs 2 Satz 2 Angestelltenversicherungsgesetz/§ 1253 Abs 2 Satz 5, § 1254 Abs 2 Satz 2, § 1268 Abs 2 Satz 2 Reichsversicherungsordnung) war (nur) der bisherige Rentenzahlbetrag besitzgeschützt. Indem durch die Neuregelung ab dem 1.1.1992 kein Besitzschutz mehr für den Zahlbetrag, sondern für die pEP gewährt wurde, sollten Hinterbliebene nicht schlechter, sondern besser gestellt werden. Sie sollten an der Dynamisierung der Rente nach § 65 SGB VI teilnehmen (vgl Begründung zum Gesetzentwurf für das RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, 173; BSG, Urteil vom 20.3.2013, Az B 5 R 2/12 R Rdnr 18; Gürtner in: KassKomm, SGB VI, Stand 2013,§ 88 Rdnr 2; Kreikebohm in: Kreikebohm, SGB VI, 4. Aufl 2013, § 88 Rdnr 2).
30Die teleologische Auslegung des § 88 Abs 2 S 1 SGB VI spricht schließlich eindeutig gegen die Nichtanwendung der Vorschrift auf die Witwenrente der Klägerin. Es ist nämlich Sinn und Zweck der Vorschrift, das Rentenniveau zu sichern, das den erworbenen bisherigen Lebensstandard des Versicherten und seiner Hinterbliebenen gewährleistet, und das Vertrauen der Hinterbliebenen auf den Fortbestand der existenzsichernden Rentenleistungen in bisheriger Höhe zu schützen. Rentenanwartschaften und -ansprüche stehen in einem ausgeprägten sozialen Bezug und sind Bestandteile eines Leistungssystems, dem eine besondere soziale Funktion zukommt. Aus Vertrauensschutzgesichtspunkten und um den Lebensstandard von Hinterbliebenen auf dem bisherigen Niveau zu sichern, nimmt der Gesetzgeber sogar (Mehr-)Belastungen der Solidargemeinschaft bewusst in Kauf (BSG, Urteil vom 20.3.2013, Az B 5 R 2/12 R Rdnr 18; Jensch in: jurisPK-SGB VI, 2. Aufl 2013, § 88 Rdnr 15.1). Widerstreitende Interessen der Versichertengemeinschaft, die der Gesetzgeber iSv Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) willkürlich dabei vernachlässigt haben könnte, sind nicht erkennbar. Im Gegenteil ergänzen sich § 88 Abs 2 SGB VI und Art 27 Abs 2 S 1 Abk Polen SozSich 1990 in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich: Beide Vorschriften gewähren Bestands- und Vertrauensschutz für unterschiedliche Regelungsbereiche. Art 27 Abs 2 S 1 Abk Polen SozSich 1990 schützt (abstrakt) das Vertrauen derjenigen Personen, bei denen die Überführung ihrer Rentenanwartschaften in das deutsche Rentensystem für die Ausreise (wesentlich mit-)ursächlich gewesen sein mag, § 88 Abs 2 SGB VI schützt das Vertrauen der Witwe in den Fortbestand des Lebensstandards nach dem Tod des Ehemanns in Fällen, in denen seine Rente diesen maßgeblich (mit-)geprägt hat.
31Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
32Der Senat hat die Revision wegen der von der Beklagten geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 160 Abs 2 SGG.
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Referenzen - Gesetze
Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten
Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160
Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54
Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183
Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 99
Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 56
Fremdrentengesetz - FRG | § 22
Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 102
Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 64 Rentenformel für Monatsbetrag der Rente
Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 66 Persönliche Entgeltpunkte
Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 65 Anpassung der Renten
Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 88 Persönliche Entgeltpunkte bei Folgerenten
Fremdrentengesetz - FRG | § 31
Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz - FANG | § 4
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenLandessozialgericht NRW Urteil, 28. Jan. 2014 - L 18 KN 57/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
Bundessozialgericht Urteil, 20. März 2013 - B 5 R 2/12 R
Landessozialgericht für das Saarland Urteil, 24. Juni 2004 - L 4 KN 27/02
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 26.09.2002 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Entscheidungsgründe
Gründe
(1) Für Zeiten der in §§ 15 und 16 genannten Art werden Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz, Satz 2 und 9 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ermittelt. Hierzu werden für Zeiten nach dem 31. Dezember 1949 die in Anlage 14 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch genannten oder nach § 256b Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch festgestellten Durchschnittsjahresverdienste um ein Fünftel erhöht und für Zeiten vor dem 1. Januar 1950 Entgeltpunkte auf Grund der Anlagen 1 bis 16 dieses Gesetzes ermittelt. Die Bestimmung des maßgeblichen Bereichs richtet sich danach, welchem Bereich der Betrieb, in dem der Versicherte seine Beschäftigung ausgeübt hat, zuzuordnen wäre, wenn der Betrieb im Beitrittsgebiet gelegen hätte. Ist der Betrieb Teil einer größeren Unternehmenseinheit, ist für die Bestimmung des Bereichs diese maßgeblich. Kommen nach dem Ergebnis der Ermittlungen mehrere Bereiche in Betracht, ist von ihnen der Bereich mit den niedrigsten Durchschnittsverdiensten des jeweiligen Jahres maßgeblich. Ist eine Zuordnung zu einem oder zu einem von mehreren Bereichen nicht möglich, so erfolgt die Zuordnung zu dem Bereich mit den für das jeweilige Jahr niedrigsten Durchschnittsverdiensten. Die Sätze 5 und 6 gelten entsprechend für die Zuordnung zu einer Qualifikations- oder Leistungsgruppe. Zeiten eines gesetzlichen Wehr- oder Ersatzdienstes werden Entgeltpunkte zugeordnet, die zu berücksichtigen wären, wenn der Wehr- oder Ersatzdienst im Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet abgeleistet worden wäre. Kindererziehungszeiten nach § 28b sind Entgeltpunkte zuzuordnen, wie wenn die Erziehung im Bundesgebiet erfolgt wäre.
(2) Zeiten der Ausbildung als Lehrling oder Anlernling erhalten für jeden Kalendermonat 0,025 Entgeltpunkte.
(3) Für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, werden die ermittelten Entgeltpunkte um ein Sechstel gekürzt.
(4) Die nach den Absätzen 1 und 3 maßgeblichen Entgeltpunkte werden mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Wird dem Berechtigten von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder an Stelle einer solchen eine andere Leistung gewährt, so ruht die Rente in Höhe des in Euro umgerechneten Betrags, der als Leistung des Trägers der Sozialversicherung oder der anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt wird. Auf Steigerungsbeträge aus Beiträgen der Höherversicherung findet Satz 1 keine Anwendung. § 18d des Vierten Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.
(2) Der Berechtigte hat dem zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen unverzüglich anzuzeigen, wenn ihm eine der in Absatz 1 genannten Stellen eine Rente oder eine andere Leistung gewährt.
(3) (weggefallen)
(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.
(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden, - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird, - 3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.
(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.
(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 6. Januar 2012 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Höhe einer großen Witwenrente.
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Die Klägerin ist die Witwe des am 11.1.2011 verstorbenen Versicherten J. V. Dessen erste Ehe war geschieden und zu seinen Lasten ein Versorgungsausgleich durchgeführt worden. Die ausgleichsberechtigte Ehefrau verstarb kurz nach der Scheidung. Der Versicherte erhielt vor seinem Tod ungemindert Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
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Die Beklagte gewährte der Klägerin ab dem 1.2.2011 große Witwenrente und berücksichtigte bei der Ermittlung der Entgeltpunkte (EP) für die Ehezeit vom 1.7.1961 bis 29.2.1980 einen Abschlag aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich von insgesamt 13,9145 EP (Bescheid vom 17.2.2011 und Widerspruchsbescheid vom 14.4.2011).
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Das SG hat die Klage abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom 6.1.2012): Die Beklagte habe die Witwenrente der Klägerin zu Recht auf Grund des durchgeführten Versorgungsausgleichs gemindert. Das Recht, einen Antrag gemäß § 37 des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG) vom 3.4.2009 (BGBl I 700) auf Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person zu stellen, stehe nach § 38 VersAusglG allein der ausgleichspflichtigen Person zu. Unerheblich sei, dass die Rente des Versicherten ungekürzt, dh ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs, gezahlt worden sei. Denn die Hinterbliebenenrente beruhe auf dem mit dem Tod des Versicherten 2011 eingetretenen Versicherungsfall. Für die Witwenrente seien deshalb die im Zeitpunkt dieses Versicherungsfalls geltenden gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden, zu denen das am 1.9.2009 in Kraft getretene VersAusglG gehöre.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 37, 38, 48 Abs 1, 49 VersAusglG iVm § 4 Abs 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG), das am 1.9.2009 außer Kraft getreten ist (vgl Art 23 S 2 Nr 2 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs - VAStrRefG - vom 3.4.2009, BGBl I 700): Das SG verkenne die Übergangsvorschriften des VersAusglG. Die Bundesknappschaft habe den Abschlag aus dem Versorgungsausgleich, den sie noch im Altersrentenbescheid vom 28.2.1996 zu Lasten des Versicherten berücksichtigt habe, mit Bescheid vom 21.5.1996 ab dem 1.4.1996 wieder rückgängig gemacht und ausdrücklich festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 VAHRG vorlägen. Damit sei die Kürzung nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft entfallen. Konsequenterweise sei dem Versicherten mit Bescheid vom 13.3.2001 ungekürzte Regelaltersrente bewilligt worden, und zwar ohne jeden Hinweis auf einen zu berücksichtigenden Versorgungsausgleich. Dieser Rentenbescheid sei auch für die Hinterbliebenenrente maßgeblich. Denn gemäß §§ 48 Abs 1, 49 VersAusglG gelte noch das alte VAHRG und nicht das neue VersAusglG, weil der Versorgungsausgleich und das Verfahren nach § 4 VAHRG weit vor Inkrafttreten des VersAusglG am 1.9.2009 eingeleitet und durchgeführt worden seien. Unabhängig davon habe der Versicherte das Antragsrecht nach § 37 VersAusglG zu Lebzeiten gar nicht benötigt, weil seine Rente bis zum Tod nicht gekürzt worden sei.
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Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 6. Januar 2012 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 14. April 2011 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, den Wert ihres Rechts auf große Witwenrente unter Feststellung des Rückausgleichs ohne Abschlag an Entgeltpunkten für den durchgeführten Versorgungsausgleich ab dem 1. Februar 2011 festzusetzen sowie diese zu verurteilen, ihr ab demselben Zeitpunkt entsprechend höhere Geldbeträge zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Die Übergangsregelungen des VersAusglG seien nicht einschlägig. § 48 VersAusglG sei unanwendbar, weil das Versorgungsausgleichsverfahren bereits im Februar 1980 und damit vor Inkrafttreten des VersAusglG rechtskräftig abgeschlossen worden sei. Gleiches gelte bezüglich § 49 VersAusglG, denn das Verfahren nach § 4 VAHRG sei mit Erlass der Bescheide vom 21.5. und 24.6.1996 beendet worden. Folglich gelte für das Verfahren der Klägerin das VersAusglG, insbesondere dessen § 38 Abs 1 S 2. Nach dieser Vorschrift könne sie keine Anpassung beantragen. Vielmehr sei bei einer Witwenrente aus der Versicherung des ausgleichspflichtigen Verstorbenen die Kürzung aus einem früheren Versorgungsausgleich wieder zu berücksichtigen, auch wenn bei der Versichertenrente § 4 VAHRG angewendet worden sei. Nichts anderes gelte mit Blick auf den Besitzschutz für die persönlichen EP in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 88 Abs 2 S 1 SGB VI). Dieser erstrecke sich nur auf die persönlichen EP, die sich ohne die Anwendung von § 4 VAHRG für die Rente des verstorbenen Ausgleichspflichtigen ergäben. Denn die EP aus § 4 VAHRG könnten - bedingt durch einen Hinterbliebenenrentenbezug aus der Versicherung der ausgleichsberechtigten Person - noch entfallen. Dies gelte selbst dann, wenn mangels bekannter eventuell anspruchsberechtigter Hinterbliebener im Einzelfall der Wegfall der Anwendung von § 4 VAHRG ausgeschlossen erscheine. Andernfalls entstünden erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten insbesondere hinsichtlich möglicher weiterer Ansprüche auf Waisenrenten. Ließe man die uneingeschränkte Anwendung von § 88 SGB VI zu, wäre die nachträgliche Minderung bei einem Rentenbezug aus der Versicherung des verstorbenen ausgleichsberechtigten Versicherten für die weitere Rentenzahlung ohne Bedeutung mit der Konsequenz einer doppelten Belastung der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil weitere Tatsachenfeststellungen des SG erforderlich sind.
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A. Die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz (Sprungrevision) ist zulässig. Gemäß § 161 Abs 1 S 1 SGG steht den Beteiligten die Sprungrevision zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und sie vom SG zugelassen worden ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt: Das SG hat die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz im Tenor des angefochtenen Urteils ausdrücklich zugelassen. Die Beklagte hat ihre Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision in der mündlichen Verhandlung vom 6.1.2012 zur Niederschrift des SG erklärt. Dass dies vor der Urteilsverkündung und damit schon vor der Revisionszulassung geschah, ist unschädlich (BSG SozR 5795 § 4 Nr 5). Schließlich ist auch das Schriftformerfordernis erfüllt, weil die Abgabe der Zustimmungserklärung gerichtlich beurkundet wurde, was sowohl der Bedeutung und Tragweite der Zustimmungserklärung als auch den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ausreichend Rechnung trägt (GrS BSGE 12, 230, 232 f = SozR Nr 14 zu § 161 SGG; BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 6 RdNr 11; BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 11 S 22, 24 mwN; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl 2012, § 161 RdNr 4b). Rechtssicherheit und Rechtsklarheit werden auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Beklagte der Einlegung der Sprungrevision nur "vorsorglich für den Fall des Obsiegens" zugestimmt hat. Denn diese (innerprozessuale) Bedingung ist jeder Zustimmungserklärung von vornherein immanent. Ferner ist unerheblich, dass die protokollierte Zustimmungserklärung, die mit Einlegung der Sprungrevision gemäß § 161 Abs 5 SGG als Verzicht auf die Berufung gilt, entgegen § 122 SGG iVm § 162 Abs 1 S 1, § 160 Abs 3 Nr 9 ZPO weder vorgelesen noch genehmigt wurde. Denn die Wirksamkeit der Zustimmung hängt nicht davon ab, ob sie ordnungsgemäß protokolliert worden ist (vgl BGH Beschlüsse vom 4.7.2007 - XII ZB 14/07 - NJW-RR 2007, 1451, 1452, vom 25.6.1986 - IVb ZB 75/85 - FamRZ 1986, 1089 und vom 18.1.1984 - IVb ZB 53/83 - FamRZ 1984, 372
) . Verlesung und Genehmigung von Protokollerklärungen sollen lediglich die Richtigkeit des Protokolls gewährleisten und damit seine Beweiskraft untermauern (vgl BGH aaO sowie BGHZ 107, 142, 145 f) . Ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 162 Abs 1 ZPO nimmt dem Protokoll deswegen lediglich die Beweiskraft als öffentliche Urkunde. Hier kommt es auf die besondere Beweiskraftwirkung des Protokolls aber nicht an, weil die Abgabe der Zustimmungserklärung mit dem protokollierten Inhalt zwischen den Beteiligten unstreitig ist, so dass eine entsprechende Klärung im Freibeweisverfahren entbehrlich ist. Die Klägerin erfüllt schließlich auch das Erfordernis des § 161 Abs 1 S 3 SGG, weil sie ihrer Revisionsschrift - was ausreicht - die beglaubigte Abschrift des Sitzungsprotokolls beigefügt hat(§§ 165 S 1, 153 Abs 1, 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 435 S 1 Halbs 1 ZPO), das die wirksame Zustimmungserklärung der Beklagten zur Einlegung der Sprungrevision enthält (vgl dazu GrS BSGE 12, 230, 232 f = SozR Nr 14 zu § 161 SGG; BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 6 RdNr 11; BSGE 89, 271, 272 = SozR 3-2500 § 33 Nr 43; Leitherer, aaO, § 161 RdNr 10a).
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B. Die Sprungrevision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Ob der wertfestsetzende Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) im Witwenrentenbescheid vom 17.2.2011 und der Widerspruchsbescheid vom 14.4.2011 (§ 95 SGG) rechtwidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen (§ 54 Abs 2 S 1 SGG), weil sie ihr die Festsetzung und Zahlung höherer Witwenrente versagen, kann der Senat auf Grund der Feststellungen des SG nicht abschließend entscheiden. Zwar steht der Klägerin entgegen der Revision übergangsrechtlich kein eigenes Antragsrecht nach dem VAHRG auf Feststellung des Rückausgleichsfalls und Festsetzung eines günstigeren Höchstwerts ihrer Hinterbliebenenrente zu. Das VersAusglG begrenzt ein derartiges - nach früherem Recht auch dem Hinterbliebenen selbst eröffnetes - Recht auf Antragstellungen vor dem 1.9.2009. Auch konnte der verstorbene Versicherte sein Antragsrecht nicht bereits vorweg zugunsten der Klägerin und mit Wirkung für deren abgeleitetes Recht auf Hinterbliebenenrente ausüben. Indessen bemisst sich der Wert des Rechts auf Hinterbliebenenrente nach der unverändert einschlägigen Besitzstandsregelung in § 88 Abs 2 SGB VI mindestens nach den bisherigen persönlichen EP des verstorbenen Versicherten, wenn dieser eine Rente aus eigener Versicherung bezogen hat und spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente beginnt.
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1. Die Klägerin greift mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, Regelung 2 SGG) den (wertfeststellenden) Verwaltungsakt über die Rentenhöhe an, macht mit der Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, Regelung 3 SGG) die Festsetzung eines höheren Rentenwerts unter Außerachtlassung des Abschlags aus dem Versorgungsausgleich sowie mit der unechten Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) die Zahlung eines höheren monatlichen Rentenbetrags geltend, und zwar zulässigerweise im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG).
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2. Der hier allein streitige Wert des Rechts auf große Witwenrente bestimmt sich nach der Rentenformel der §§ 63 Abs 6, 64 SGB VI. Danach ergibt sich der Monatsbetrag einer Rente, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors (§ 77 SGB VI) ermittelten persönlichen EP mit dem Rentenartfaktor (§§ 67, 255 und §§ 82, 265 SGB VI) und dem aktuellen Rentenwert (§§ 63 Abs 7, 65, 68, 69 SGB VI) vervielfältigt werden. Da die große Witwenrente der Klägerin am 1.2.2011 begonnen hat, sind die genannten Vorschriften in der jeweils zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden (vgl § 300 Abs 1 und 2 SGB VI; Senatsurteil vom 27.4.2010 - B 5 R 62/08 R - SozR 4-2600 § 71 Nr 5 RdNr 16 und BSG SozR 4-2600 § 300 Nr 2 RdNr 9 f).
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3. Grundlage für die Ermittlung der persönlichen EP - dem 1. Faktor der Rentenformel - sind bei Witwenrenten die EP des verstorbenen Versicherten (§ 66 Abs 2 Nr 2 SGB VI). Die persönlichen EP für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente ergeben sich, indem die Summe der EP mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt und ua bei Witwenrenten um einen Zuschlag erhöht wird (§ 66 Abs 1 SGB VI). Zu den Summanden, die durch Addition "die Summe der EP" ergeben, zählen gemäß § 66 Abs 1 Nr 4 SGB VI ua auch "Abschläge aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich", die ihrerseits aus einer Übertragung von Rentenanwartschaften zu Lasten des Versicherten resultieren(§ 76 Abs 3 SGB VI). Die Übertragung von Rentenanwartschaften regelte § 1587b Abs 1 S 1 BGB in seiner bis zum 31.8.2009 geltenden Altfassung (aF). Danach übertrug das Familiengericht im Rahmen des Scheidungsverfahrens vom Amts wegen (vgl § 623 Abs 1 S 3 ZPO in seiner bis zum 31.8.2009 geltenden Altfassung) Rentenanwartschaften in Höhe der Hälfte des Wertunterschieds, wenn ein Ehegatte in der Ehezeit Rentenanwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung iS des § 1587a Abs 2 Nr 2 BGB aF erworben hatte und diese die Anwartschaften iS des § 1587a Abs 2 Nr 1, 2 BGB aF überstiegen, die der andere Ehegatte in der Ehezeit erworben hatte (sog Rentensplitting).
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4. Die rechtskräftige (vgl § 53g Abs 1 FGG in seiner bis zum 31.8.2009 geltenden Altfassung) und wirksame (§ 629d ZPO aF) Entscheidung des Familiengerichts über das Rentensplitting blieb mit ihrer Gestaltungswirkung auch dann bestehen, wenn es später nach § 4 VAHRG zu einem sog "Rückausgleich" kam: Hatte der Ausgleichsberechtigte vor seinem Tod keine Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten, so wurde die Versorgung des Verpflichteten oder seiner Hinterbliebenen nicht auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt(Abs 1); war der Berechtigte gestorben und wurden aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen gewährt, die insgesamt zwei Jahresbeträge eines auf das Ende des Leistungsbezuges berechneten Altersruhegeldes aus dem erworbenen Anrecht nicht überstiegen, so galt Abs 1 entsprechend, jedoch waren die gewährten Leistungen auf die sich aus Abs 1 ergebende Erhöhung anzurechnen (Abs 2). Diese Regelungen waren verfassungsrechtlich geboten, weil die Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs durch Art 6 Abs 1 GG und Art 3 Abs 2 S 1 GG dann entfällt, wenn einerseits beim Verpflichteten eine spürbare Kürzung der Rentenansprüche erfolgt, ohne dass sich andererseits der Erwerb eines selbständigen Versicherungsschutzes angemessen für den Berechtigten auswirkt (BVerfG Urteil vom 28.2.1980 - 1 BvL 17/77 ua - SozR 7610 § 1587 Nr 1). In einem solchen Fall erbringt der Verpflichtete ein Opfer, das nicht mehr dem Ausgleich zwischen den geschiedenen Ehegatten dient; es kommt vielmehr ausschließlich dem Rentenversicherungsträger, in der Sache der Solidargemeinschaft der Versicherten, zugute. Dies lässt sich weder mit den Nachwirkungen der Ehe (Art 6 Abs 1 GG) noch mit der Gleichberechtigung der Ehegatten (Art 3 Abs 2 S 1 GG) begründen. Um derart ungerechtfertigte Härten zu vermeiden, muss der Verpflichtete befugt sein, eine nachträgliche Korrektur zu beantragen (BVerfG SozR 7610 § 1587 Nr 1). In Umsetzung dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung räumte das VAHRG dem (Ausgleichs-)Verpflichteten und, soweit sie belastet waren, seinen Hinterbliebenen die Möglichkeit ein, eine Aussetzung der Kürzung wegen Vorversterbens des Ausgleichsberechtigten ("Rückausgleich") zu beantragen (§ 9 Abs 2 VAHRG). Allerdings blieb auch nach einem durchgeführten Rückausgleich die Übertragung von Rentenanwartschaften und der damit verbundene Abschlag im Versicherungskonto des Ausgleichspflichtigen bestehen (Senatsurteile vom 20.9.1988 - 5/4a RJ 45/87 - BSGE 64, 75 ff = SozR 5795 § 4 Nr 6 und vom 22.11.1988 - 5/4a RJ 65/87 - Juris RdNr 14 f; BSG SozR 5795 § 4 Nr 9). Die Voraussetzungen für die Anwendung der Anpassungs- bzw Härteregelung des § 4 VAHRG musste bei jedem Rentenanspruch neu geprüft werden, weil in ihrem Rahmen keine "Rückübertragung" von Anrechten stattfand, sondern eine Rentenkürzung (vorübergehend) ausgesetzt wurde. Folglich war der Abschlag (Malus) aus dem früheren Versorgungsausgleich bei der Summenbildung der EP als (negativer) Summand und damit bei der Wertfestsetzung von Hinterbliebenenrenten grundsätzlich wieder zu berücksichtigen. Der Hinterbliebene konnte aber gemäß § 9 Abs 2 VAHRG seinerseits den "Rückausgleich" beantragen, was in aller Regel mit dem Antrag auf Hinterbliebenenrente zumindest konkludent geschah(BSG SozR 3-5795 § 5 Nr 2).
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5. Die Regelung des § 9 Abs 2 VAHRG trat jedoch - wie das gesamte VAHRG - am 1.9.2009 außer Kraft (Art 23 S 2 Nr 2 VAStrRefG). Sie ist übergangsrechtlich nach diesem Stichtag nur noch in Ausnahmefällen anwendbar: Dabei greift die allgemeine Übergangsvorschrift des § 48 VersAusglG nur ein, wenn das Verfahren über den Versorgungsausgleich vor dem 1.9.2009 eingeleitet und an diesem Tag noch nicht beendet, sondern weiterhin anhängig war. Das ist nach den Feststellungen des SG vorliegend nicht der Fall. Darüber hinaus ist für Verfahren nach den §§ 4 bis 10 VAHRG, in denen der Antrag beim Versorgungsträger vor dem 1.9.2009 einging, das bis dahin geltende Recht weiterhin anzuwenden (§ 49 VersAusglG). Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind für Sterbefälle nach dem 31.8.2009 aber von vornherein nicht erfüllt, weil Hinterbliebene den "Rückausgleich" erst wirksam beantragen können, wenn ihre Anwartschaft auf Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch den Tod des Versicherten zum Vollrecht gegen den Versorgungsträger erstarkt ist (vgl BSGE 92, 113 = SozR 4-2600 § 46 Nr 1). Zu Lebzeiten des Versicherten waren sie (noch) nicht "Hinterbliebene", so dass ihnen die erforderliche Antragsberechtigung fehlte. Soweit der Versicherte zu Lebzeiten den "Rückausgleich" nach § 4 Abs 2 VAHRG erfolgreich beantragt hatte, konnte sich dieser Antrag (und der daraufhin erfolgte Rückausgleich) nur auf seine eigene Versicherten-, nicht jedoch auf künftige Hinterbliebenenleistungen seiner Angehörigen beziehen. Denn ein Antragsteller kann - schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen - immer nur in eigener Sache die Durchsetzung oder Wahrung individueller Rechte verfolgen (vgl dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl 2012, § 22 RdNr 68; Mutschler in Kass Komm, SGB X, Stand April 2012, § 18 RdNr 5). Auch wenn sich das Recht auf Hinterbliebenenrente aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger ableitet, geht es keinesfalls kraft Rechtsnachfolge über, sondern vermittelt dem Hinterbliebenen ein eigenständiges Recht auf entsprechende Leistungen (BSG SozR 4-2600 § 307b Nr 4; BSGE 90, 102 = SozR 3-2600 § 307b Nr 10). Ist danach das VersAusglG einschlägig, richtet sich das Recht, die Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person zu beantragen (§ 37 VersAusglG), allein nach § 38 Abs 1 S 2 VersAusglG. Danach ist (nur) die ausgleichspflichtige Person antragsberechtigt; Hinterbliebenen des Ausgleichspflichtigen steht - anders als nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden § 9 Abs 2 VAHRG - keine Antragsberechtigung mehr zu. Ihnen ist der Rückausgleich versperrt. Folglich ist der Abschlag aus dem früheren Versorgungsausgleich bei der Summenbildung der EP als (negativer) Summand und damit bei der Wertfestsetzung von Hinterbliebenenrenten grundsätzlich wieder zu berücksichtigen.
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6. Allerdings besteht für Hinterbliebenenrenten, die sich an eine andere Rente anschließen (sog Folgerente), gemäß § 88 Abs 2 SGB VI ein Besitz- bzw Bestandsschutz. Dessen Satz 1 lautet: "Hat der verstorbene Versicherte eine Rente aus eigener Versicherung bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente, werden ihr mindestens die bisherigen persönlichen EP des verstorbenen Versicherten zugrunde gelegt". Nach den bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) des SG sind die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm erfüllt. Der verstorbene Versicherte hat bis zum 31.1.2011 eine Rente aus eigener Versicherung bezogen (§ 102 Abs 5 SGB VI), und die Hinterbliebenenrente (große Witwenrente) der Klägerin begann nahtlos am 1.2.2011, dh innerhalb von 24 Kalendermonaten. Folglich sind der großen Witwenrente "mindestens die bisherigen persönlichen EP des verstorbenen Versicherten zugrunde" zu legen. Die "persönlichen EP" sind das Produkt aus der Summe aller EP (§ 66 Abs 1 SGB VI) und des Zugangsfaktors (§ 77 SGB VI) des verstorbenen Versicherten. Bei der hiernach erforderlichen Summierung aller EP ist der Abschlag aus dem Versorgungsausgleich (§ 66 Abs 1 Nr 4 SGB VI) unterblieben, weil die Versorgung des verstorbenen Versicherten gemäß § 4 VAHRG - von Anfang an(Senatsurteile vom 8.4.1987 - 5a RKn 6/86 - SozR 1300 § 48 Nr 36 und vom 29.9.1987 - 5b RJ 70/86 - AmtlMittLVA Rheinpr 1988, 136 sowie BSG SozR 5795 § 4 Nr 5) - nicht auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt wurde. Damit erhöhten sich seine persönlichen EP. Dies sind zugleich die "bisherigen" persönlichen EP der maßgeblichen Vorrente, auf die der Versicherte zuletzt vor Beginn der Folgerente Anspruch hatte (Stahl in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 88 RdNr 16), und die nunmehr bei der Berechnung der Folgerente "mindestens" zu Grunde zu legen sind. Dabei erstreckt sich der Besitzschutz auf die Gesamtzahl der persönlichen EP aus der Vorrente (BSG Urteil vom 22.10.1996 - 13/4 RA 111/94 - SozR 3-2600 § 88 Nr 2). Einem Hinterbliebenenrentner kommt unter diesen Voraussetzungen mittelbar zu Gute, dass der verstorbene Versicherte durch Antragstellung nach dem VAHRG aus verfassungsrechtlichen Gründen erreicht hatte, dass bei seiner eigenen Rente trotz des zu seinen Lasten durchgeführten Versorgungsausgleichs und entgegen der Grundregel des § 76 Abs 1 und 3, § 66 Abs 1 Nr 4 SGB VI kein Abschlag an EP erfolgt.
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Keinesfalls darf die Summe der persönlichen EP aus der Vorrente bei Berechnung der Folgerente in besitzgeschützte und nicht besitzgeschützte Anteile aufgespalten werden, so dass sich der Bestandsschutz nur auf die persönlichen EP erstreckt, die sich ohne Anwendung von Anpassungs- (§§ 32 ff VersAusglG) und Härteregelungen (§§ 4 bis 8 VAHRG) für die Rente des verstorbenen Ausgleichspflichtigen ergeben haben. Eine solche Befugnis zur Aufspaltung der besitzgeschützten Gesamtzahl der persönlichen EP sieht das Gesetz weder in § 88 SGB VI noch an anderer Stelle vor. Ein zeitlich (lex posterior derogat legi priori) oder inhaltlich (lex specialis derogat legi generali) vorrangiges Bundesgesetz, das den vertrauensschützenden Regelungsgehalt von § 88 Abs 2 S 1 SGB VI zu Lasten des Hinterbliebenen modifiziert(§ 31 SGB I), existiert nicht (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 14.2.2012 - L 18 R 684/11 - Juris RdNr 27). Deren Situation sollte - im Gegenteil - mit Einführung des § 88 SGB VI gerade in Abkehr von einem bloßen Zahlbetragsschutz, den noch die Vorgängerregelungen in § 1253 Abs 2 S 5, § 1254 Abs 2, § 1268 Abs 2 S 2 und § 1290 Abs 3 S 3 RVO vorsahen, durch Hinwendung zu einem Besitzschutz aller persönlichen EP verbessert werden, damit die Folgerente auf Basis der Vorrente dynamisiert (und damit oberhalb des bisherigen Zahlbetrags) geleistet werden kann(vgl Begründung zum Gesetzentwurf für das RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, 173). Dieses gesetzgeberische Ziel lässt sich nur über den Besitzschutz der persönlichen EP in ihrer Gesamtheit erreichen, und zwar nach § 88 Abs 1 SGB VI für weitere Versichertenrenten und gemäß § 88 Abs 2 SGB VI für zukünftige Hinterbliebenenrenten. Damit sichert das Gesetz das bisherige Rentenniveau, wahrt den erworbenen Lebensstandard des Versicherten und seiner Hinterbliebenen und schützt ihr Vertrauen auf den Fortbestand der existenzsichernden Rentenleistungen in bisheriger Höhe. Diese Regelung blieb auch im Rahmen des VAStrRefG unangetastet, mit dem das Recht des Versorgungsausgleichs neu geordnet und auch das SGB VI umfangreich geändert worden ist.
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7. Soweit die Beklagte auf eine mögliche Doppelbelastung der Versichertengemeinschaft hinweist, wenn die Hinterbliebenen des ausgleichspflichtigen Versicherten (wegen "Besitzschutzes des Rückausgleichs") einerseits und die Hinterbliebenen des ausgleichsberechtigten (geschiedenen) Ehegatten (aus dem im Versorgungsausgleich übertragenen Anrecht) andererseits jeweils ungekürzte Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhielten, lässt sich mit dieser wirtschaftlichen Überlegung und dem Postulat einer "Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs" keine teleologische Reduktion des weit formulierten § 88 Abs 2 S 1 SGB VI rechtfertigen(zur ökonomischen Analyse des Rechts und zur Berücksichtigung ökonomischer Folgen vgl Vesting, Rechtstheorie, 2007, RdNr 199 mwN). Das VAHRG erzielte Kostenneutralität weitgehend dadurch, dass die Leistungen aus dem Versorgungsausgleich, zu denen Versicherten- und Hinterbliebenenrenten zählten, auf die rückausgleichsbedingte Rentenerhöhung angerechnet wurden (§ 4 Abs 2 aE VAHRG). Eine solche Anrechnung von Leistungen sieht das VersAusglG nicht mehr vor. Vielmehr wird gemäß § 37 VersAusglG auf Antrag ein Anrecht des Ausgleichspflichtigen nicht länger auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichsberechtigte Person gestorben ist(Abs 1) und die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat (Abs 2). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erhält die ausgleichspflichtige Person eine ungekürzte Rente, wobei allerdings Anrechte erlöschen, die sie ihrerseits aus dem Versorgungsausgleich von der verstorbenen ausgleichsberechtigten Person erworben hat (§ 37 Abs 3 VersAusglG). Gleichzeitig und davon unabhängig erhalten auch die Hinterbliebenen der ausgleichsberechtigten Person ungekürzte Hinterbliebenenrenten auf der Grundlage der (familien-)gerichtlichen Versorgungsausgleichsentscheidung, so dass es im Ergebnis zu Doppelleistungen aus dem übertragenen Anrecht kommt. Um dies - zumindest partiell - auszugleichen, verlagert § 38 Abs 2 iVm § 34 Abs 3 VersAusglG den Beginn der Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person auf den ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folgt. Damit entfällt die Rentenkürzung bei der ausgleichspflichtigen Person frühestens am Ende des Monats, in dem die ausgleichsberechtigte Person gestorben ist, und nicht mehr - wie nach bisherigem Recht - rückwirkend ab Durchführung des Versorgungsausgleichs (Senatsurteile vom 8.4.1987 - 5a RKn 6/86 - SozR 1300 § 48 Nr 36 und vom 29.9.1987 - 5b RJ 70/86 - AmtlMittLVA Rheinpr 1988, 136 sowie BSG SozR 5795 § 4 Nr 5). Mithin wird der Zuwachs an Versorgungen bei der ausgleichsberechtigten Person (und deren Hinterbliebenen) "im Wesentlichen" über die (temporäre) Kürzung der Anrechte der ausgleichspflichtigen Person kompensiert (BT-Drucks 16/10144 S 44 zu VI. 1.). Hierbei gilt: Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Beginn der (gekürzten) Versichertenrente und dem Vorversterben der ausgleichsberechtigten Person ist, desto mehr profitiert die Versichertengemeinschaft von der versorgungsausgleichsbedingten Kürzung der Versichertenrente. Im umgekehrten Fall kann es - schon nach dem gesetzlichen Konzept des VersAusglG - auch zu versorgungsausgleichsbedingten Mehrbelastungen der Versichertengemeinschaft kommen.
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Diese durch das VersAusglG geschaffene Grundkonstellation (ungekürzte Rentenleistungen sowohl an die ausgleichspflichtige Person als auch an die Hinterbliebenen der ausgleichsberechtigten Person) hält § 88 Abs 2 S 1 SGB VI für das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung im Todesfall der ausgleichspflichtigen Person insoweit aufrecht, als an ihre Stelle ihre Hinterbliebenen treten (können). Das ist (verfassungs-)rechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber stand vor der Aufgabe, die Interessen und Belange dreier Personengruppen unter- und gegeneinander abzuwägen: Die Versorgung der Hinterbliebenen des ausgleichspflichtigen Versicherten, die Versorgung der Hinterbliebenen der ausgleichsberechtigten Person und das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Vermeidung finanzieller Mehrbelastungen durch den Versorgungsausgleich. Dem Interesse der Versichertengemeinschaft an der Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs trägt der Gesetzgeber durch die Anrechnungsregelung des § 4 Abs 2 VAHRG bzw durch den späten Beginn der Anpassung(§ 38 Abs 2 iVm § 34 Abs 3 VersAusglG) Rechnung. Außerdem erlaubt er die (zukunftsgerichtete) Anpassung ausschließlich in Härte- und damit nur in Ausnahmefällen; im Regelfall bleibt die Rentenminderung zu Lasten der ausgleichspflichtigen Person (und zu Gunsten der Versichertengemeinschaft) dauerhaft bestehen. Entscheidet sich der Gesetzgeber auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung in Härtefällen dafür, den Lebensstandard der Hinterbliebenen von ausgleichspflichtiger und ausgleichsberechtigter Person aus Vertrauensschutzgesichtspunkten auf dem bisherigen Niveau zu sichern, nimmt er damit Mehrbelastungen der Solidargemeinschaft bewusst in Kauf. Die Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs ist jedoch kein übergesetzliches Strukturprinzip mit Verfassungsrang, hinter dem die Belange der Hinterbliebenen zurücktreten müssten. Vielmehr stehen Rentenversicherungsanwartschaften und -ansprüche in einem ausgeprägten sozialen Bezug und sind Bestandteil eines Leistungssystems, dem eine besondere soziale Funktion zukommt. Diese soziale Funktion erlaubt es, den Grundsatz der Kostenneutralität partiell zurückzustellen und der Lebensstandardsicherung von Hinterbliebenen durch § 88 Abs 2 S 1 SGB VI Vorrang einzuräumen. Jedenfalls ist nicht erkennbar und wird von der Beklagten auch nicht aufgezeigt, dass der Gesetzgeber bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen die Belange der Versichertengemeinschaft iS von Art 3 Abs 1 GG willkürlich vernachlässigt haben könnte.
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8. Das SG wird im wieder eröffneten Klageverfahren die Höhe der persönlichen EP feststellen müssen, die der zuletzt bezogenen Versichertenrente zu Grunde lagen. Übersteigen die in diesem Sinne besitzgeschützten persönlichen EP die bisher ermittelten persönlichen EP, so sind sie der Rentenberechnung zu Grunde zu legen. Die maßgeblichen persönlichen EP sind sodann mit dem jeweils zutreffenden aktuellen Rentenwert (§ 63 Abs 7, §§ 65, 68, 69 SGB VI) und dem Rentenartfaktor zu multiplizieren, wobei zu beachten ist, dass die Rentenartfaktoren für die ersten drei Monate nach dem Todesmonat (so genanntes Sterbevierteljahr) mit 1,3333 (knappschaftliche Rentenversicherung) bzw 1,0 (allgemeine Rentenversicherung) und anschließend mit 0,8 (knappschaftliche Rentenversicherung) und 0,6 (allgemeine Rentenversicherung) einzustellen sind (§ 67 Nr 6, § 255 Abs 1 und § 82 S 1 Nr 7, § 265 Abs 7 SGB VI).
(1) § 15 Abs. 1 Satz 3 des Fremdrentengesetzes ist nicht anzuwenden, wenn hierdurch eine besondere Härte vermieden wird. Mögliche Leistungen eines fremden Trägers stehen den bereits anerkannten Ansprüchen für Berechtigte nach § 1 Buchstabe b des Fremdrentengesetzes nicht entgegen, solange sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. § 31 des Fremdrentengesetzes bleibt unberührt.
(1a) § 2 Satz 1 Buchstabe b des Fremdrentengesetzes gilt nicht für Versicherungs- und Beschäftigungszeiten, die in Estland, Lettland oder Litauen zurückgelegt wurden, wenn der Berechtigte bereits vor dem 1. Mai 2004 Ansprüche oder Anwartschaften nach dem Fremdrentengesetz erworben hat.
(2) Besteht vor dem 1. Juli 1990 ein Anspruch auf Zahlung einer Rente, ist das Fremdrentengesetz in seiner bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Für Zeiten eines weiteren Rentenbezugs gilt Absatz 3 Satz 1 und 2 entsprechend, wenn die Rentenbezugszeiten unmittelbar aneinander anschließen.
(3) Hat der Berechtigte bis zum 30. Juni 1990 einen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet genommen, ohne in ein Herkunftsgebiet zurückgekehrt zu sein, und besteht ein Anspruch auf Zahlung einer Rente für einen Zeitraum vor dem 1. Januar 1996, frühestens jedoch vom 1. Juli 1990 an, ist das Fremdrentengesetz mit der Maßgabe anzuwenden, daß § 5 anstelle von § 22 Abs. 1 des Fremdrentengesetzes gilt. Dies gilt auch für Zeiten eines weiteren Rentenbezugs, wenn sich die Rentenbezugszeiten ununterbrochen aneinander anschließen. Besteht ein Anspruch auf Zahlung einer Rente erstmals für einen Zeitraum nach dem 31. Dezember 1995, ist das Fremdrentengesetz uneingeschränkt anzuwenden.
(3a) Für Zeiten eines weiteren Rentenbezuges aufgrund einer neuen Rentenfeststellung nach dem 31. Dezember 1996 können Beschäftigungszeiten nach § 16 des Fremdrentengesetzes angerechnet werden, wenn sie nach Vollendung des 16. Lebensjahres zurückgelegt wurden und die Rentenbezugszeiten unmittelbar aneinander anschließen.
(4) Hat der Berechtigte nach dem 30. Juni 1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet genommen und besteht ein Anspruch auf Zahlung einer Rente für einen Zeitraum vor dem 1. Januar 1992, ist das Fremdrentengesetz mit der Maßgabe anzuwenden, daß der Zahlbetrag der Rente, der sich nach § 22 Abs. 1 des Fremdrentengesetzes für Zeiten bis zum 31. Dezember 1991 ergibt, begrenzt wird auf den Betrag, der sich auf der Grundlage einer Berechnung der Rente nach § 5 ergeben würde. Der so ermittelte Rentenbetrag wird auch für Zeiten eines weiteren Rentenbezugs zugrunde gelegt, wenn sich die Rentenbezugszeiten ununterbrochen aneinander anschließen.
(4a) Ist eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen und sind dabei die persönlichen Entgeltpunkte neu zu ermitteln, sind die Vorschriften des Fremdrentengesetzes maßgebend, die bei erstmaliger Feststellung der Rente anzuwenden waren, soweit § 317 Abs. 2a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch nichts anderes bestimmt.
(5) § 22 Abs. 3 des Fremdrentengesetzes in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung und § 22 Abs. 4 des Fremdrentengesetzes in der ab 1. Januar 1992 sowie in der vom 7. Mai 1996 an geltenden Fassung finden keine Anwendung auf Berechtigte, die nach Maßgabe des Abkommens vom 8. Dezember 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit Ansprüche und Anwartschaften auf der Grundlage des Abkommens vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung haben.
(6) Bei Berechtigten nach dem Fremdrentengesetz, die
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ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet haben und dort nach dem 31. Dezember 1991 einen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem Fremdrentengesetz erwerben, - b)
nach dem 31. Dezember 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Beitrittsgebiet in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet verlegen und dort nach dem 31. Dezember 1991 einen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem Fremdrentengesetz erwerben oder - c)
nach dem 31. Dezember 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet in das Beitrittsgebiet verlegen und bereits vor Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts einen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem Fremdrentengesetz haben,
(7) (weggefallen)
(1) Hat ein Versicherter eine Rente wegen Alters bezogen, werden ihm für eine spätere Rente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt. Hat ein Versicherter eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine Rente, werden ihm für diese Rente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt. Satz 2 gilt bei Renten für Bergleute nur, wenn ihnen eine Rente für Bergleute vorausgegangen ist.
(2) Hat der verstorbene Versicherte eine Rente aus eigener Versicherung bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente, werden ihr mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte des verstorbenen Versicherten zugrunde gelegt. Haben eine Witwe, ein Witwer oder eine Waise eine Hinterbliebenenrente bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine solche Rente, werden ihr mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt.
(3) Haben Beiträge nach Beginn einer Rente wegen Alters noch nicht zu Zuschlägen an Entgeltpunkten geführt, werden bei der Folgerente zusätzlich zu den bisherigen persönlichen Entgeltpunkten auch persönliche Entgeltpunkte aus Zuschlägen an Entgeltpunkten aus Beiträgen nach Beginn der Rente wegen Alters zugrunde gelegt.
(4) Wird die Rente unter Anwendung der Absätze 1 bis 3 berechnet, entfällt auf den Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung der Anteil an persönlichen Entgeltpunkten, der in der Rente enthalten war, aus der sich der Besitzschutz an persönlichen Entgeltpunkten ergab.
Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich, wenn
- 1.
die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, - 2.
der Rentenartfaktor und - 3.
der aktuelle Rentenwert
(1) Die persönlichen Entgeltpunkte für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente ergeben sich, indem die Summe aller Entgeltpunkte für
- 1.
Beitragszeiten, - 2.
beitragsfreie Zeiten, - 3.
Zuschläge für beitragsgeminderte Zeiten, - 4.
Zuschläge oder Abschläge aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich oder Rentensplitting, - 5.
Zuschläge aus Zahlung von Beiträgen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters oder bei Abfindungen von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung oder von Anrechten bei der Versorgungsausgleichskasse, - 6.
Zuschläge an Entgeltpunkten für Arbeitsentgelt aus geringfügiger Beschäftigung, - 7.
Arbeitsentgelt aus nach § 23b Abs. 2 Satz 1 bis 4 des Vierten Buches aufgelösten Wertguthaben, - 8.
Zuschläge an Entgeltpunkten aus Beiträgen nach Beginn einer Rente wegen Alters, - 9.
Zuschläge an Entgeltpunkten für Zeiten einer besonderen Auslandsverwendung, - 10.
Zuschläge an Entgeltpunkten für nachversicherte Soldaten auf Zeit und - 11.
Zuschläge an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung
(2) Grundlage für die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte sind die Entgeltpunkte
- 1.
des Versicherten bei einer Rente wegen Alters, wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und bei einer Erziehungsrente, - 2.
des verstorbenen Versicherten bei einer Witwenrente, Witwerrente und Halbwaisenrente, - 3.
der zwei verstorbenen Versicherten mit den höchsten Renten bei einer Vollwaisenrente.
(3) Bei einer Teilrente (§ 42 Absatz 1) ergeben sich die in Anspruch genommenen Entgeltpunkte aus der Summe aller Entgeltpunkte entsprechend dem Verhältnis der Teilrente zu der Vollrente.
(3a) Zuschläge an Entgeltpunkten aus Beiträgen nach Beginn einer Rente wegen Alters werden mit Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze und anschließend jährlich zum 1. Juli berücksichtigt. Dabei sind für die jährliche Berücksichtigung zum 1. Juli die für das vergangene Kalenderjahr ermittelten Zuschläge maßgebend.
(4) Bei einer nur teilweise zu leistenden Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ergeben sich die jeweils in Anspruch genommenen Entgeltpunkte aus dem Monatsbetrag der Rente nach Anrechnung des Hinzuverdienstes im Wege einer Rückrechnung unter Berücksichtigung des maßgeblichen aktuellen Rentenwerts, des Rentenartfaktors und des jeweiligen Zugangsfaktors.
(1) Hat ein Versicherter eine Rente wegen Alters bezogen, werden ihm für eine spätere Rente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt. Hat ein Versicherter eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine Rente, werden ihm für diese Rente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt. Satz 2 gilt bei Renten für Bergleute nur, wenn ihnen eine Rente für Bergleute vorausgegangen ist.
(2) Hat der verstorbene Versicherte eine Rente aus eigener Versicherung bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente, werden ihr mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte des verstorbenen Versicherten zugrunde gelegt. Haben eine Witwe, ein Witwer oder eine Waise eine Hinterbliebenenrente bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine solche Rente, werden ihr mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt.
(3) Haben Beiträge nach Beginn einer Rente wegen Alters noch nicht zu Zuschlägen an Entgeltpunkten geführt, werden bei der Folgerente zusätzlich zu den bisherigen persönlichen Entgeltpunkten auch persönliche Entgeltpunkte aus Zuschlägen an Entgeltpunkten aus Beiträgen nach Beginn der Rente wegen Alters zugrunde gelegt.
(4) Wird die Rente unter Anwendung der Absätze 1 bis 3 berechnet, entfällt auf den Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung der Anteil an persönlichen Entgeltpunkten, der in der Rente enthalten war, aus der sich der Besitzschutz an persönlichen Entgeltpunkten ergab.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 6. Januar 2012 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Höhe einer großen Witwenrente.
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Die Klägerin ist die Witwe des am 11.1.2011 verstorbenen Versicherten J. V. Dessen erste Ehe war geschieden und zu seinen Lasten ein Versorgungsausgleich durchgeführt worden. Die ausgleichsberechtigte Ehefrau verstarb kurz nach der Scheidung. Der Versicherte erhielt vor seinem Tod ungemindert Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
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Die Beklagte gewährte der Klägerin ab dem 1.2.2011 große Witwenrente und berücksichtigte bei der Ermittlung der Entgeltpunkte (EP) für die Ehezeit vom 1.7.1961 bis 29.2.1980 einen Abschlag aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich von insgesamt 13,9145 EP (Bescheid vom 17.2.2011 und Widerspruchsbescheid vom 14.4.2011).
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Das SG hat die Klage abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom 6.1.2012): Die Beklagte habe die Witwenrente der Klägerin zu Recht auf Grund des durchgeführten Versorgungsausgleichs gemindert. Das Recht, einen Antrag gemäß § 37 des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG) vom 3.4.2009 (BGBl I 700) auf Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person zu stellen, stehe nach § 38 VersAusglG allein der ausgleichspflichtigen Person zu. Unerheblich sei, dass die Rente des Versicherten ungekürzt, dh ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs, gezahlt worden sei. Denn die Hinterbliebenenrente beruhe auf dem mit dem Tod des Versicherten 2011 eingetretenen Versicherungsfall. Für die Witwenrente seien deshalb die im Zeitpunkt dieses Versicherungsfalls geltenden gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden, zu denen das am 1.9.2009 in Kraft getretene VersAusglG gehöre.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 37, 38, 48 Abs 1, 49 VersAusglG iVm § 4 Abs 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG), das am 1.9.2009 außer Kraft getreten ist (vgl Art 23 S 2 Nr 2 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs - VAStrRefG - vom 3.4.2009, BGBl I 700): Das SG verkenne die Übergangsvorschriften des VersAusglG. Die Bundesknappschaft habe den Abschlag aus dem Versorgungsausgleich, den sie noch im Altersrentenbescheid vom 28.2.1996 zu Lasten des Versicherten berücksichtigt habe, mit Bescheid vom 21.5.1996 ab dem 1.4.1996 wieder rückgängig gemacht und ausdrücklich festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 VAHRG vorlägen. Damit sei die Kürzung nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft entfallen. Konsequenterweise sei dem Versicherten mit Bescheid vom 13.3.2001 ungekürzte Regelaltersrente bewilligt worden, und zwar ohne jeden Hinweis auf einen zu berücksichtigenden Versorgungsausgleich. Dieser Rentenbescheid sei auch für die Hinterbliebenenrente maßgeblich. Denn gemäß §§ 48 Abs 1, 49 VersAusglG gelte noch das alte VAHRG und nicht das neue VersAusglG, weil der Versorgungsausgleich und das Verfahren nach § 4 VAHRG weit vor Inkrafttreten des VersAusglG am 1.9.2009 eingeleitet und durchgeführt worden seien. Unabhängig davon habe der Versicherte das Antragsrecht nach § 37 VersAusglG zu Lebzeiten gar nicht benötigt, weil seine Rente bis zum Tod nicht gekürzt worden sei.
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Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 6. Januar 2012 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 14. April 2011 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, den Wert ihres Rechts auf große Witwenrente unter Feststellung des Rückausgleichs ohne Abschlag an Entgeltpunkten für den durchgeführten Versorgungsausgleich ab dem 1. Februar 2011 festzusetzen sowie diese zu verurteilen, ihr ab demselben Zeitpunkt entsprechend höhere Geldbeträge zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Die Übergangsregelungen des VersAusglG seien nicht einschlägig. § 48 VersAusglG sei unanwendbar, weil das Versorgungsausgleichsverfahren bereits im Februar 1980 und damit vor Inkrafttreten des VersAusglG rechtskräftig abgeschlossen worden sei. Gleiches gelte bezüglich § 49 VersAusglG, denn das Verfahren nach § 4 VAHRG sei mit Erlass der Bescheide vom 21.5. und 24.6.1996 beendet worden. Folglich gelte für das Verfahren der Klägerin das VersAusglG, insbesondere dessen § 38 Abs 1 S 2. Nach dieser Vorschrift könne sie keine Anpassung beantragen. Vielmehr sei bei einer Witwenrente aus der Versicherung des ausgleichspflichtigen Verstorbenen die Kürzung aus einem früheren Versorgungsausgleich wieder zu berücksichtigen, auch wenn bei der Versichertenrente § 4 VAHRG angewendet worden sei. Nichts anderes gelte mit Blick auf den Besitzschutz für die persönlichen EP in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 88 Abs 2 S 1 SGB VI). Dieser erstrecke sich nur auf die persönlichen EP, die sich ohne die Anwendung von § 4 VAHRG für die Rente des verstorbenen Ausgleichspflichtigen ergäben. Denn die EP aus § 4 VAHRG könnten - bedingt durch einen Hinterbliebenenrentenbezug aus der Versicherung der ausgleichsberechtigten Person - noch entfallen. Dies gelte selbst dann, wenn mangels bekannter eventuell anspruchsberechtigter Hinterbliebener im Einzelfall der Wegfall der Anwendung von § 4 VAHRG ausgeschlossen erscheine. Andernfalls entstünden erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten insbesondere hinsichtlich möglicher weiterer Ansprüche auf Waisenrenten. Ließe man die uneingeschränkte Anwendung von § 88 SGB VI zu, wäre die nachträgliche Minderung bei einem Rentenbezug aus der Versicherung des verstorbenen ausgleichsberechtigten Versicherten für die weitere Rentenzahlung ohne Bedeutung mit der Konsequenz einer doppelten Belastung der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil weitere Tatsachenfeststellungen des SG erforderlich sind.
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A. Die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz (Sprungrevision) ist zulässig. Gemäß § 161 Abs 1 S 1 SGG steht den Beteiligten die Sprungrevision zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und sie vom SG zugelassen worden ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt: Das SG hat die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz im Tenor des angefochtenen Urteils ausdrücklich zugelassen. Die Beklagte hat ihre Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision in der mündlichen Verhandlung vom 6.1.2012 zur Niederschrift des SG erklärt. Dass dies vor der Urteilsverkündung und damit schon vor der Revisionszulassung geschah, ist unschädlich (BSG SozR 5795 § 4 Nr 5). Schließlich ist auch das Schriftformerfordernis erfüllt, weil die Abgabe der Zustimmungserklärung gerichtlich beurkundet wurde, was sowohl der Bedeutung und Tragweite der Zustimmungserklärung als auch den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ausreichend Rechnung trägt (GrS BSGE 12, 230, 232 f = SozR Nr 14 zu § 161 SGG; BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 6 RdNr 11; BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 11 S 22, 24 mwN; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl 2012, § 161 RdNr 4b). Rechtssicherheit und Rechtsklarheit werden auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Beklagte der Einlegung der Sprungrevision nur "vorsorglich für den Fall des Obsiegens" zugestimmt hat. Denn diese (innerprozessuale) Bedingung ist jeder Zustimmungserklärung von vornherein immanent. Ferner ist unerheblich, dass die protokollierte Zustimmungserklärung, die mit Einlegung der Sprungrevision gemäß § 161 Abs 5 SGG als Verzicht auf die Berufung gilt, entgegen § 122 SGG iVm § 162 Abs 1 S 1, § 160 Abs 3 Nr 9 ZPO weder vorgelesen noch genehmigt wurde. Denn die Wirksamkeit der Zustimmung hängt nicht davon ab, ob sie ordnungsgemäß protokolliert worden ist (vgl BGH Beschlüsse vom 4.7.2007 - XII ZB 14/07 - NJW-RR 2007, 1451, 1452, vom 25.6.1986 - IVb ZB 75/85 - FamRZ 1986, 1089 und vom 18.1.1984 - IVb ZB 53/83 - FamRZ 1984, 372
) . Verlesung und Genehmigung von Protokollerklärungen sollen lediglich die Richtigkeit des Protokolls gewährleisten und damit seine Beweiskraft untermauern (vgl BGH aaO sowie BGHZ 107, 142, 145 f) . Ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 162 Abs 1 ZPO nimmt dem Protokoll deswegen lediglich die Beweiskraft als öffentliche Urkunde. Hier kommt es auf die besondere Beweiskraftwirkung des Protokolls aber nicht an, weil die Abgabe der Zustimmungserklärung mit dem protokollierten Inhalt zwischen den Beteiligten unstreitig ist, so dass eine entsprechende Klärung im Freibeweisverfahren entbehrlich ist. Die Klägerin erfüllt schließlich auch das Erfordernis des § 161 Abs 1 S 3 SGG, weil sie ihrer Revisionsschrift - was ausreicht - die beglaubigte Abschrift des Sitzungsprotokolls beigefügt hat(§§ 165 S 1, 153 Abs 1, 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 435 S 1 Halbs 1 ZPO), das die wirksame Zustimmungserklärung der Beklagten zur Einlegung der Sprungrevision enthält (vgl dazu GrS BSGE 12, 230, 232 f = SozR Nr 14 zu § 161 SGG; BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 6 RdNr 11; BSGE 89, 271, 272 = SozR 3-2500 § 33 Nr 43; Leitherer, aaO, § 161 RdNr 10a).
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B. Die Sprungrevision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Ob der wertfestsetzende Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) im Witwenrentenbescheid vom 17.2.2011 und der Widerspruchsbescheid vom 14.4.2011 (§ 95 SGG) rechtwidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen (§ 54 Abs 2 S 1 SGG), weil sie ihr die Festsetzung und Zahlung höherer Witwenrente versagen, kann der Senat auf Grund der Feststellungen des SG nicht abschließend entscheiden. Zwar steht der Klägerin entgegen der Revision übergangsrechtlich kein eigenes Antragsrecht nach dem VAHRG auf Feststellung des Rückausgleichsfalls und Festsetzung eines günstigeren Höchstwerts ihrer Hinterbliebenenrente zu. Das VersAusglG begrenzt ein derartiges - nach früherem Recht auch dem Hinterbliebenen selbst eröffnetes - Recht auf Antragstellungen vor dem 1.9.2009. Auch konnte der verstorbene Versicherte sein Antragsrecht nicht bereits vorweg zugunsten der Klägerin und mit Wirkung für deren abgeleitetes Recht auf Hinterbliebenenrente ausüben. Indessen bemisst sich der Wert des Rechts auf Hinterbliebenenrente nach der unverändert einschlägigen Besitzstandsregelung in § 88 Abs 2 SGB VI mindestens nach den bisherigen persönlichen EP des verstorbenen Versicherten, wenn dieser eine Rente aus eigener Versicherung bezogen hat und spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente beginnt.
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1. Die Klägerin greift mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, Regelung 2 SGG) den (wertfeststellenden) Verwaltungsakt über die Rentenhöhe an, macht mit der Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, Regelung 3 SGG) die Festsetzung eines höheren Rentenwerts unter Außerachtlassung des Abschlags aus dem Versorgungsausgleich sowie mit der unechten Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) die Zahlung eines höheren monatlichen Rentenbetrags geltend, und zwar zulässigerweise im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG).
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2. Der hier allein streitige Wert des Rechts auf große Witwenrente bestimmt sich nach der Rentenformel der §§ 63 Abs 6, 64 SGB VI. Danach ergibt sich der Monatsbetrag einer Rente, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors (§ 77 SGB VI) ermittelten persönlichen EP mit dem Rentenartfaktor (§§ 67, 255 und §§ 82, 265 SGB VI) und dem aktuellen Rentenwert (§§ 63 Abs 7, 65, 68, 69 SGB VI) vervielfältigt werden. Da die große Witwenrente der Klägerin am 1.2.2011 begonnen hat, sind die genannten Vorschriften in der jeweils zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden (vgl § 300 Abs 1 und 2 SGB VI; Senatsurteil vom 27.4.2010 - B 5 R 62/08 R - SozR 4-2600 § 71 Nr 5 RdNr 16 und BSG SozR 4-2600 § 300 Nr 2 RdNr 9 f).
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3. Grundlage für die Ermittlung der persönlichen EP - dem 1. Faktor der Rentenformel - sind bei Witwenrenten die EP des verstorbenen Versicherten (§ 66 Abs 2 Nr 2 SGB VI). Die persönlichen EP für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente ergeben sich, indem die Summe der EP mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt und ua bei Witwenrenten um einen Zuschlag erhöht wird (§ 66 Abs 1 SGB VI). Zu den Summanden, die durch Addition "die Summe der EP" ergeben, zählen gemäß § 66 Abs 1 Nr 4 SGB VI ua auch "Abschläge aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich", die ihrerseits aus einer Übertragung von Rentenanwartschaften zu Lasten des Versicherten resultieren(§ 76 Abs 3 SGB VI). Die Übertragung von Rentenanwartschaften regelte § 1587b Abs 1 S 1 BGB in seiner bis zum 31.8.2009 geltenden Altfassung (aF). Danach übertrug das Familiengericht im Rahmen des Scheidungsverfahrens vom Amts wegen (vgl § 623 Abs 1 S 3 ZPO in seiner bis zum 31.8.2009 geltenden Altfassung) Rentenanwartschaften in Höhe der Hälfte des Wertunterschieds, wenn ein Ehegatte in der Ehezeit Rentenanwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung iS des § 1587a Abs 2 Nr 2 BGB aF erworben hatte und diese die Anwartschaften iS des § 1587a Abs 2 Nr 1, 2 BGB aF überstiegen, die der andere Ehegatte in der Ehezeit erworben hatte (sog Rentensplitting).
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4. Die rechtskräftige (vgl § 53g Abs 1 FGG in seiner bis zum 31.8.2009 geltenden Altfassung) und wirksame (§ 629d ZPO aF) Entscheidung des Familiengerichts über das Rentensplitting blieb mit ihrer Gestaltungswirkung auch dann bestehen, wenn es später nach § 4 VAHRG zu einem sog "Rückausgleich" kam: Hatte der Ausgleichsberechtigte vor seinem Tod keine Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten, so wurde die Versorgung des Verpflichteten oder seiner Hinterbliebenen nicht auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt(Abs 1); war der Berechtigte gestorben und wurden aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen gewährt, die insgesamt zwei Jahresbeträge eines auf das Ende des Leistungsbezuges berechneten Altersruhegeldes aus dem erworbenen Anrecht nicht überstiegen, so galt Abs 1 entsprechend, jedoch waren die gewährten Leistungen auf die sich aus Abs 1 ergebende Erhöhung anzurechnen (Abs 2). Diese Regelungen waren verfassungsrechtlich geboten, weil die Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs durch Art 6 Abs 1 GG und Art 3 Abs 2 S 1 GG dann entfällt, wenn einerseits beim Verpflichteten eine spürbare Kürzung der Rentenansprüche erfolgt, ohne dass sich andererseits der Erwerb eines selbständigen Versicherungsschutzes angemessen für den Berechtigten auswirkt (BVerfG Urteil vom 28.2.1980 - 1 BvL 17/77 ua - SozR 7610 § 1587 Nr 1). In einem solchen Fall erbringt der Verpflichtete ein Opfer, das nicht mehr dem Ausgleich zwischen den geschiedenen Ehegatten dient; es kommt vielmehr ausschließlich dem Rentenversicherungsträger, in der Sache der Solidargemeinschaft der Versicherten, zugute. Dies lässt sich weder mit den Nachwirkungen der Ehe (Art 6 Abs 1 GG) noch mit der Gleichberechtigung der Ehegatten (Art 3 Abs 2 S 1 GG) begründen. Um derart ungerechtfertigte Härten zu vermeiden, muss der Verpflichtete befugt sein, eine nachträgliche Korrektur zu beantragen (BVerfG SozR 7610 § 1587 Nr 1). In Umsetzung dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung räumte das VAHRG dem (Ausgleichs-)Verpflichteten und, soweit sie belastet waren, seinen Hinterbliebenen die Möglichkeit ein, eine Aussetzung der Kürzung wegen Vorversterbens des Ausgleichsberechtigten ("Rückausgleich") zu beantragen (§ 9 Abs 2 VAHRG). Allerdings blieb auch nach einem durchgeführten Rückausgleich die Übertragung von Rentenanwartschaften und der damit verbundene Abschlag im Versicherungskonto des Ausgleichspflichtigen bestehen (Senatsurteile vom 20.9.1988 - 5/4a RJ 45/87 - BSGE 64, 75 ff = SozR 5795 § 4 Nr 6 und vom 22.11.1988 - 5/4a RJ 65/87 - Juris RdNr 14 f; BSG SozR 5795 § 4 Nr 9). Die Voraussetzungen für die Anwendung der Anpassungs- bzw Härteregelung des § 4 VAHRG musste bei jedem Rentenanspruch neu geprüft werden, weil in ihrem Rahmen keine "Rückübertragung" von Anrechten stattfand, sondern eine Rentenkürzung (vorübergehend) ausgesetzt wurde. Folglich war der Abschlag (Malus) aus dem früheren Versorgungsausgleich bei der Summenbildung der EP als (negativer) Summand und damit bei der Wertfestsetzung von Hinterbliebenenrenten grundsätzlich wieder zu berücksichtigen. Der Hinterbliebene konnte aber gemäß § 9 Abs 2 VAHRG seinerseits den "Rückausgleich" beantragen, was in aller Regel mit dem Antrag auf Hinterbliebenenrente zumindest konkludent geschah(BSG SozR 3-5795 § 5 Nr 2).
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5. Die Regelung des § 9 Abs 2 VAHRG trat jedoch - wie das gesamte VAHRG - am 1.9.2009 außer Kraft (Art 23 S 2 Nr 2 VAStrRefG). Sie ist übergangsrechtlich nach diesem Stichtag nur noch in Ausnahmefällen anwendbar: Dabei greift die allgemeine Übergangsvorschrift des § 48 VersAusglG nur ein, wenn das Verfahren über den Versorgungsausgleich vor dem 1.9.2009 eingeleitet und an diesem Tag noch nicht beendet, sondern weiterhin anhängig war. Das ist nach den Feststellungen des SG vorliegend nicht der Fall. Darüber hinaus ist für Verfahren nach den §§ 4 bis 10 VAHRG, in denen der Antrag beim Versorgungsträger vor dem 1.9.2009 einging, das bis dahin geltende Recht weiterhin anzuwenden (§ 49 VersAusglG). Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind für Sterbefälle nach dem 31.8.2009 aber von vornherein nicht erfüllt, weil Hinterbliebene den "Rückausgleich" erst wirksam beantragen können, wenn ihre Anwartschaft auf Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch den Tod des Versicherten zum Vollrecht gegen den Versorgungsträger erstarkt ist (vgl BSGE 92, 113 = SozR 4-2600 § 46 Nr 1). Zu Lebzeiten des Versicherten waren sie (noch) nicht "Hinterbliebene", so dass ihnen die erforderliche Antragsberechtigung fehlte. Soweit der Versicherte zu Lebzeiten den "Rückausgleich" nach § 4 Abs 2 VAHRG erfolgreich beantragt hatte, konnte sich dieser Antrag (und der daraufhin erfolgte Rückausgleich) nur auf seine eigene Versicherten-, nicht jedoch auf künftige Hinterbliebenenleistungen seiner Angehörigen beziehen. Denn ein Antragsteller kann - schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen - immer nur in eigener Sache die Durchsetzung oder Wahrung individueller Rechte verfolgen (vgl dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl 2012, § 22 RdNr 68; Mutschler in Kass Komm, SGB X, Stand April 2012, § 18 RdNr 5). Auch wenn sich das Recht auf Hinterbliebenenrente aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger ableitet, geht es keinesfalls kraft Rechtsnachfolge über, sondern vermittelt dem Hinterbliebenen ein eigenständiges Recht auf entsprechende Leistungen (BSG SozR 4-2600 § 307b Nr 4; BSGE 90, 102 = SozR 3-2600 § 307b Nr 10). Ist danach das VersAusglG einschlägig, richtet sich das Recht, die Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person zu beantragen (§ 37 VersAusglG), allein nach § 38 Abs 1 S 2 VersAusglG. Danach ist (nur) die ausgleichspflichtige Person antragsberechtigt; Hinterbliebenen des Ausgleichspflichtigen steht - anders als nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden § 9 Abs 2 VAHRG - keine Antragsberechtigung mehr zu. Ihnen ist der Rückausgleich versperrt. Folglich ist der Abschlag aus dem früheren Versorgungsausgleich bei der Summenbildung der EP als (negativer) Summand und damit bei der Wertfestsetzung von Hinterbliebenenrenten grundsätzlich wieder zu berücksichtigen.
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6. Allerdings besteht für Hinterbliebenenrenten, die sich an eine andere Rente anschließen (sog Folgerente), gemäß § 88 Abs 2 SGB VI ein Besitz- bzw Bestandsschutz. Dessen Satz 1 lautet: "Hat der verstorbene Versicherte eine Rente aus eigener Versicherung bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente, werden ihr mindestens die bisherigen persönlichen EP des verstorbenen Versicherten zugrunde gelegt". Nach den bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) des SG sind die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm erfüllt. Der verstorbene Versicherte hat bis zum 31.1.2011 eine Rente aus eigener Versicherung bezogen (§ 102 Abs 5 SGB VI), und die Hinterbliebenenrente (große Witwenrente) der Klägerin begann nahtlos am 1.2.2011, dh innerhalb von 24 Kalendermonaten. Folglich sind der großen Witwenrente "mindestens die bisherigen persönlichen EP des verstorbenen Versicherten zugrunde" zu legen. Die "persönlichen EP" sind das Produkt aus der Summe aller EP (§ 66 Abs 1 SGB VI) und des Zugangsfaktors (§ 77 SGB VI) des verstorbenen Versicherten. Bei der hiernach erforderlichen Summierung aller EP ist der Abschlag aus dem Versorgungsausgleich (§ 66 Abs 1 Nr 4 SGB VI) unterblieben, weil die Versorgung des verstorbenen Versicherten gemäß § 4 VAHRG - von Anfang an(Senatsurteile vom 8.4.1987 - 5a RKn 6/86 - SozR 1300 § 48 Nr 36 und vom 29.9.1987 - 5b RJ 70/86 - AmtlMittLVA Rheinpr 1988, 136 sowie BSG SozR 5795 § 4 Nr 5) - nicht auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt wurde. Damit erhöhten sich seine persönlichen EP. Dies sind zugleich die "bisherigen" persönlichen EP der maßgeblichen Vorrente, auf die der Versicherte zuletzt vor Beginn der Folgerente Anspruch hatte (Stahl in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 88 RdNr 16), und die nunmehr bei der Berechnung der Folgerente "mindestens" zu Grunde zu legen sind. Dabei erstreckt sich der Besitzschutz auf die Gesamtzahl der persönlichen EP aus der Vorrente (BSG Urteil vom 22.10.1996 - 13/4 RA 111/94 - SozR 3-2600 § 88 Nr 2). Einem Hinterbliebenenrentner kommt unter diesen Voraussetzungen mittelbar zu Gute, dass der verstorbene Versicherte durch Antragstellung nach dem VAHRG aus verfassungsrechtlichen Gründen erreicht hatte, dass bei seiner eigenen Rente trotz des zu seinen Lasten durchgeführten Versorgungsausgleichs und entgegen der Grundregel des § 76 Abs 1 und 3, § 66 Abs 1 Nr 4 SGB VI kein Abschlag an EP erfolgt.
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Keinesfalls darf die Summe der persönlichen EP aus der Vorrente bei Berechnung der Folgerente in besitzgeschützte und nicht besitzgeschützte Anteile aufgespalten werden, so dass sich der Bestandsschutz nur auf die persönlichen EP erstreckt, die sich ohne Anwendung von Anpassungs- (§§ 32 ff VersAusglG) und Härteregelungen (§§ 4 bis 8 VAHRG) für die Rente des verstorbenen Ausgleichspflichtigen ergeben haben. Eine solche Befugnis zur Aufspaltung der besitzgeschützten Gesamtzahl der persönlichen EP sieht das Gesetz weder in § 88 SGB VI noch an anderer Stelle vor. Ein zeitlich (lex posterior derogat legi priori) oder inhaltlich (lex specialis derogat legi generali) vorrangiges Bundesgesetz, das den vertrauensschützenden Regelungsgehalt von § 88 Abs 2 S 1 SGB VI zu Lasten des Hinterbliebenen modifiziert(§ 31 SGB I), existiert nicht (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 14.2.2012 - L 18 R 684/11 - Juris RdNr 27). Deren Situation sollte - im Gegenteil - mit Einführung des § 88 SGB VI gerade in Abkehr von einem bloßen Zahlbetragsschutz, den noch die Vorgängerregelungen in § 1253 Abs 2 S 5, § 1254 Abs 2, § 1268 Abs 2 S 2 und § 1290 Abs 3 S 3 RVO vorsahen, durch Hinwendung zu einem Besitzschutz aller persönlichen EP verbessert werden, damit die Folgerente auf Basis der Vorrente dynamisiert (und damit oberhalb des bisherigen Zahlbetrags) geleistet werden kann(vgl Begründung zum Gesetzentwurf für das RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, 173). Dieses gesetzgeberische Ziel lässt sich nur über den Besitzschutz der persönlichen EP in ihrer Gesamtheit erreichen, und zwar nach § 88 Abs 1 SGB VI für weitere Versichertenrenten und gemäß § 88 Abs 2 SGB VI für zukünftige Hinterbliebenenrenten. Damit sichert das Gesetz das bisherige Rentenniveau, wahrt den erworbenen Lebensstandard des Versicherten und seiner Hinterbliebenen und schützt ihr Vertrauen auf den Fortbestand der existenzsichernden Rentenleistungen in bisheriger Höhe. Diese Regelung blieb auch im Rahmen des VAStrRefG unangetastet, mit dem das Recht des Versorgungsausgleichs neu geordnet und auch das SGB VI umfangreich geändert worden ist.
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7. Soweit die Beklagte auf eine mögliche Doppelbelastung der Versichertengemeinschaft hinweist, wenn die Hinterbliebenen des ausgleichspflichtigen Versicherten (wegen "Besitzschutzes des Rückausgleichs") einerseits und die Hinterbliebenen des ausgleichsberechtigten (geschiedenen) Ehegatten (aus dem im Versorgungsausgleich übertragenen Anrecht) andererseits jeweils ungekürzte Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhielten, lässt sich mit dieser wirtschaftlichen Überlegung und dem Postulat einer "Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs" keine teleologische Reduktion des weit formulierten § 88 Abs 2 S 1 SGB VI rechtfertigen(zur ökonomischen Analyse des Rechts und zur Berücksichtigung ökonomischer Folgen vgl Vesting, Rechtstheorie, 2007, RdNr 199 mwN). Das VAHRG erzielte Kostenneutralität weitgehend dadurch, dass die Leistungen aus dem Versorgungsausgleich, zu denen Versicherten- und Hinterbliebenenrenten zählten, auf die rückausgleichsbedingte Rentenerhöhung angerechnet wurden (§ 4 Abs 2 aE VAHRG). Eine solche Anrechnung von Leistungen sieht das VersAusglG nicht mehr vor. Vielmehr wird gemäß § 37 VersAusglG auf Antrag ein Anrecht des Ausgleichspflichtigen nicht länger auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichsberechtigte Person gestorben ist(Abs 1) und die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat (Abs 2). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erhält die ausgleichspflichtige Person eine ungekürzte Rente, wobei allerdings Anrechte erlöschen, die sie ihrerseits aus dem Versorgungsausgleich von der verstorbenen ausgleichsberechtigten Person erworben hat (§ 37 Abs 3 VersAusglG). Gleichzeitig und davon unabhängig erhalten auch die Hinterbliebenen der ausgleichsberechtigten Person ungekürzte Hinterbliebenenrenten auf der Grundlage der (familien-)gerichtlichen Versorgungsausgleichsentscheidung, so dass es im Ergebnis zu Doppelleistungen aus dem übertragenen Anrecht kommt. Um dies - zumindest partiell - auszugleichen, verlagert § 38 Abs 2 iVm § 34 Abs 3 VersAusglG den Beginn der Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person auf den ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folgt. Damit entfällt die Rentenkürzung bei der ausgleichspflichtigen Person frühestens am Ende des Monats, in dem die ausgleichsberechtigte Person gestorben ist, und nicht mehr - wie nach bisherigem Recht - rückwirkend ab Durchführung des Versorgungsausgleichs (Senatsurteile vom 8.4.1987 - 5a RKn 6/86 - SozR 1300 § 48 Nr 36 und vom 29.9.1987 - 5b RJ 70/86 - AmtlMittLVA Rheinpr 1988, 136 sowie BSG SozR 5795 § 4 Nr 5). Mithin wird der Zuwachs an Versorgungen bei der ausgleichsberechtigten Person (und deren Hinterbliebenen) "im Wesentlichen" über die (temporäre) Kürzung der Anrechte der ausgleichspflichtigen Person kompensiert (BT-Drucks 16/10144 S 44 zu VI. 1.). Hierbei gilt: Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Beginn der (gekürzten) Versichertenrente und dem Vorversterben der ausgleichsberechtigten Person ist, desto mehr profitiert die Versichertengemeinschaft von der versorgungsausgleichsbedingten Kürzung der Versichertenrente. Im umgekehrten Fall kann es - schon nach dem gesetzlichen Konzept des VersAusglG - auch zu versorgungsausgleichsbedingten Mehrbelastungen der Versichertengemeinschaft kommen.
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Diese durch das VersAusglG geschaffene Grundkonstellation (ungekürzte Rentenleistungen sowohl an die ausgleichspflichtige Person als auch an die Hinterbliebenen der ausgleichsberechtigten Person) hält § 88 Abs 2 S 1 SGB VI für das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung im Todesfall der ausgleichspflichtigen Person insoweit aufrecht, als an ihre Stelle ihre Hinterbliebenen treten (können). Das ist (verfassungs-)rechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber stand vor der Aufgabe, die Interessen und Belange dreier Personengruppen unter- und gegeneinander abzuwägen: Die Versorgung der Hinterbliebenen des ausgleichspflichtigen Versicherten, die Versorgung der Hinterbliebenen der ausgleichsberechtigten Person und das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Vermeidung finanzieller Mehrbelastungen durch den Versorgungsausgleich. Dem Interesse der Versichertengemeinschaft an der Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs trägt der Gesetzgeber durch die Anrechnungsregelung des § 4 Abs 2 VAHRG bzw durch den späten Beginn der Anpassung(§ 38 Abs 2 iVm § 34 Abs 3 VersAusglG) Rechnung. Außerdem erlaubt er die (zukunftsgerichtete) Anpassung ausschließlich in Härte- und damit nur in Ausnahmefällen; im Regelfall bleibt die Rentenminderung zu Lasten der ausgleichspflichtigen Person (und zu Gunsten der Versichertengemeinschaft) dauerhaft bestehen. Entscheidet sich der Gesetzgeber auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung in Härtefällen dafür, den Lebensstandard der Hinterbliebenen von ausgleichspflichtiger und ausgleichsberechtigter Person aus Vertrauensschutzgesichtspunkten auf dem bisherigen Niveau zu sichern, nimmt er damit Mehrbelastungen der Solidargemeinschaft bewusst in Kauf. Die Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs ist jedoch kein übergesetzliches Strukturprinzip mit Verfassungsrang, hinter dem die Belange der Hinterbliebenen zurücktreten müssten. Vielmehr stehen Rentenversicherungsanwartschaften und -ansprüche in einem ausgeprägten sozialen Bezug und sind Bestandteil eines Leistungssystems, dem eine besondere soziale Funktion zukommt. Diese soziale Funktion erlaubt es, den Grundsatz der Kostenneutralität partiell zurückzustellen und der Lebensstandardsicherung von Hinterbliebenen durch § 88 Abs 2 S 1 SGB VI Vorrang einzuräumen. Jedenfalls ist nicht erkennbar und wird von der Beklagten auch nicht aufgezeigt, dass der Gesetzgeber bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen die Belange der Versichertengemeinschaft iS von Art 3 Abs 1 GG willkürlich vernachlässigt haben könnte.
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8. Das SG wird im wieder eröffneten Klageverfahren die Höhe der persönlichen EP feststellen müssen, die der zuletzt bezogenen Versichertenrente zu Grunde lagen. Übersteigen die in diesem Sinne besitzgeschützten persönlichen EP die bisher ermittelten persönlichen EP, so sind sie der Rentenberechnung zu Grunde zu legen. Die maßgeblichen persönlichen EP sind sodann mit dem jeweils zutreffenden aktuellen Rentenwert (§ 63 Abs 7, §§ 65, 68, 69 SGB VI) und dem Rentenartfaktor zu multiplizieren, wobei zu beachten ist, dass die Rentenartfaktoren für die ersten drei Monate nach dem Todesmonat (so genanntes Sterbevierteljahr) mit 1,3333 (knappschaftliche Rentenversicherung) bzw 1,0 (allgemeine Rentenversicherung) und anschließend mit 0,8 (knappschaftliche Rentenversicherung) und 0,6 (allgemeine Rentenversicherung) einzustellen sind (§ 67 Nr 6, § 255 Abs 1 und § 82 S 1 Nr 7, § 265 Abs 7 SGB VI).
(1) Für Zeiten der in §§ 15 und 16 genannten Art werden Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz, Satz 2 und 9 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ermittelt. Hierzu werden für Zeiten nach dem 31. Dezember 1949 die in Anlage 14 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch genannten oder nach § 256b Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch festgestellten Durchschnittsjahresverdienste um ein Fünftel erhöht und für Zeiten vor dem 1. Januar 1950 Entgeltpunkte auf Grund der Anlagen 1 bis 16 dieses Gesetzes ermittelt. Die Bestimmung des maßgeblichen Bereichs richtet sich danach, welchem Bereich der Betrieb, in dem der Versicherte seine Beschäftigung ausgeübt hat, zuzuordnen wäre, wenn der Betrieb im Beitrittsgebiet gelegen hätte. Ist der Betrieb Teil einer größeren Unternehmenseinheit, ist für die Bestimmung des Bereichs diese maßgeblich. Kommen nach dem Ergebnis der Ermittlungen mehrere Bereiche in Betracht, ist von ihnen der Bereich mit den niedrigsten Durchschnittsverdiensten des jeweiligen Jahres maßgeblich. Ist eine Zuordnung zu einem oder zu einem von mehreren Bereichen nicht möglich, so erfolgt die Zuordnung zu dem Bereich mit den für das jeweilige Jahr niedrigsten Durchschnittsverdiensten. Die Sätze 5 und 6 gelten entsprechend für die Zuordnung zu einer Qualifikations- oder Leistungsgruppe. Zeiten eines gesetzlichen Wehr- oder Ersatzdienstes werden Entgeltpunkte zugeordnet, die zu berücksichtigen wären, wenn der Wehr- oder Ersatzdienst im Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet abgeleistet worden wäre. Kindererziehungszeiten nach § 28b sind Entgeltpunkte zuzuordnen, wie wenn die Erziehung im Bundesgebiet erfolgt wäre.
(2) Zeiten der Ausbildung als Lehrling oder Anlernling erhalten für jeden Kalendermonat 0,025 Entgeltpunkte.
(3) Für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, werden die ermittelten Entgeltpunkte um ein Sechstel gekürzt.
(4) Die nach den Absätzen 1 und 3 maßgeblichen Entgeltpunkte werden mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 26.09.2002 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Entscheidungsgründe
Gründe
(1) Hat ein Versicherter eine Rente wegen Alters bezogen, werden ihm für eine spätere Rente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt. Hat ein Versicherter eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine Rente, werden ihm für diese Rente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt. Satz 2 gilt bei Renten für Bergleute nur, wenn ihnen eine Rente für Bergleute vorausgegangen ist.
(2) Hat der verstorbene Versicherte eine Rente aus eigener Versicherung bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente, werden ihr mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte des verstorbenen Versicherten zugrunde gelegt. Haben eine Witwe, ein Witwer oder eine Waise eine Hinterbliebenenrente bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine solche Rente, werden ihr mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt.
(3) Haben Beiträge nach Beginn einer Rente wegen Alters noch nicht zu Zuschlägen an Entgeltpunkten geführt, werden bei der Folgerente zusätzlich zu den bisherigen persönlichen Entgeltpunkten auch persönliche Entgeltpunkte aus Zuschlägen an Entgeltpunkten aus Beiträgen nach Beginn der Rente wegen Alters zugrunde gelegt.
(4) Wird die Rente unter Anwendung der Absätze 1 bis 3 berechnet, entfällt auf den Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung der Anteil an persönlichen Entgeltpunkten, der in der Rente enthalten war, aus der sich der Besitzschutz an persönlichen Entgeltpunkten ergab.
Zum 1. Juli eines jeden Jahres werden die Renten angepasst, indem der bisherige aktuelle Rentenwert durch den neuen aktuellen Rentenwert ersetzt wird.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 6. Januar 2012 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
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Die Beteiligten streiten über die Höhe einer großen Witwenrente.
- 2
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Die Klägerin ist die Witwe des am 11.1.2011 verstorbenen Versicherten J. V. Dessen erste Ehe war geschieden und zu seinen Lasten ein Versorgungsausgleich durchgeführt worden. Die ausgleichsberechtigte Ehefrau verstarb kurz nach der Scheidung. Der Versicherte erhielt vor seinem Tod ungemindert Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
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Die Beklagte gewährte der Klägerin ab dem 1.2.2011 große Witwenrente und berücksichtigte bei der Ermittlung der Entgeltpunkte (EP) für die Ehezeit vom 1.7.1961 bis 29.2.1980 einen Abschlag aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich von insgesamt 13,9145 EP (Bescheid vom 17.2.2011 und Widerspruchsbescheid vom 14.4.2011).
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Das SG hat die Klage abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom 6.1.2012): Die Beklagte habe die Witwenrente der Klägerin zu Recht auf Grund des durchgeführten Versorgungsausgleichs gemindert. Das Recht, einen Antrag gemäß § 37 des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG) vom 3.4.2009 (BGBl I 700) auf Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person zu stellen, stehe nach § 38 VersAusglG allein der ausgleichspflichtigen Person zu. Unerheblich sei, dass die Rente des Versicherten ungekürzt, dh ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs, gezahlt worden sei. Denn die Hinterbliebenenrente beruhe auf dem mit dem Tod des Versicherten 2011 eingetretenen Versicherungsfall. Für die Witwenrente seien deshalb die im Zeitpunkt dieses Versicherungsfalls geltenden gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden, zu denen das am 1.9.2009 in Kraft getretene VersAusglG gehöre.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 37, 38, 48 Abs 1, 49 VersAusglG iVm § 4 Abs 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG), das am 1.9.2009 außer Kraft getreten ist (vgl Art 23 S 2 Nr 2 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs - VAStrRefG - vom 3.4.2009, BGBl I 700): Das SG verkenne die Übergangsvorschriften des VersAusglG. Die Bundesknappschaft habe den Abschlag aus dem Versorgungsausgleich, den sie noch im Altersrentenbescheid vom 28.2.1996 zu Lasten des Versicherten berücksichtigt habe, mit Bescheid vom 21.5.1996 ab dem 1.4.1996 wieder rückgängig gemacht und ausdrücklich festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 VAHRG vorlägen. Damit sei die Kürzung nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft entfallen. Konsequenterweise sei dem Versicherten mit Bescheid vom 13.3.2001 ungekürzte Regelaltersrente bewilligt worden, und zwar ohne jeden Hinweis auf einen zu berücksichtigenden Versorgungsausgleich. Dieser Rentenbescheid sei auch für die Hinterbliebenenrente maßgeblich. Denn gemäß §§ 48 Abs 1, 49 VersAusglG gelte noch das alte VAHRG und nicht das neue VersAusglG, weil der Versorgungsausgleich und das Verfahren nach § 4 VAHRG weit vor Inkrafttreten des VersAusglG am 1.9.2009 eingeleitet und durchgeführt worden seien. Unabhängig davon habe der Versicherte das Antragsrecht nach § 37 VersAusglG zu Lebzeiten gar nicht benötigt, weil seine Rente bis zum Tod nicht gekürzt worden sei.
- 6
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Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 6. Januar 2012 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 14. April 2011 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, den Wert ihres Rechts auf große Witwenrente unter Feststellung des Rückausgleichs ohne Abschlag an Entgeltpunkten für den durchgeführten Versorgungsausgleich ab dem 1. Februar 2011 festzusetzen sowie diese zu verurteilen, ihr ab demselben Zeitpunkt entsprechend höhere Geldbeträge zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Die Übergangsregelungen des VersAusglG seien nicht einschlägig. § 48 VersAusglG sei unanwendbar, weil das Versorgungsausgleichsverfahren bereits im Februar 1980 und damit vor Inkrafttreten des VersAusglG rechtskräftig abgeschlossen worden sei. Gleiches gelte bezüglich § 49 VersAusglG, denn das Verfahren nach § 4 VAHRG sei mit Erlass der Bescheide vom 21.5. und 24.6.1996 beendet worden. Folglich gelte für das Verfahren der Klägerin das VersAusglG, insbesondere dessen § 38 Abs 1 S 2. Nach dieser Vorschrift könne sie keine Anpassung beantragen. Vielmehr sei bei einer Witwenrente aus der Versicherung des ausgleichspflichtigen Verstorbenen die Kürzung aus einem früheren Versorgungsausgleich wieder zu berücksichtigen, auch wenn bei der Versichertenrente § 4 VAHRG angewendet worden sei. Nichts anderes gelte mit Blick auf den Besitzschutz für die persönlichen EP in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 88 Abs 2 S 1 SGB VI). Dieser erstrecke sich nur auf die persönlichen EP, die sich ohne die Anwendung von § 4 VAHRG für die Rente des verstorbenen Ausgleichspflichtigen ergäben. Denn die EP aus § 4 VAHRG könnten - bedingt durch einen Hinterbliebenenrentenbezug aus der Versicherung der ausgleichsberechtigten Person - noch entfallen. Dies gelte selbst dann, wenn mangels bekannter eventuell anspruchsberechtigter Hinterbliebener im Einzelfall der Wegfall der Anwendung von § 4 VAHRG ausgeschlossen erscheine. Andernfalls entstünden erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten insbesondere hinsichtlich möglicher weiterer Ansprüche auf Waisenrenten. Ließe man die uneingeschränkte Anwendung von § 88 SGB VI zu, wäre die nachträgliche Minderung bei einem Rentenbezug aus der Versicherung des verstorbenen ausgleichsberechtigten Versicherten für die weitere Rentenzahlung ohne Bedeutung mit der Konsequenz einer doppelten Belastung der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil weitere Tatsachenfeststellungen des SG erforderlich sind.
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A. Die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz (Sprungrevision) ist zulässig. Gemäß § 161 Abs 1 S 1 SGG steht den Beteiligten die Sprungrevision zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und sie vom SG zugelassen worden ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt: Das SG hat die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz im Tenor des angefochtenen Urteils ausdrücklich zugelassen. Die Beklagte hat ihre Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision in der mündlichen Verhandlung vom 6.1.2012 zur Niederschrift des SG erklärt. Dass dies vor der Urteilsverkündung und damit schon vor der Revisionszulassung geschah, ist unschädlich (BSG SozR 5795 § 4 Nr 5). Schließlich ist auch das Schriftformerfordernis erfüllt, weil die Abgabe der Zustimmungserklärung gerichtlich beurkundet wurde, was sowohl der Bedeutung und Tragweite der Zustimmungserklärung als auch den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ausreichend Rechnung trägt (GrS BSGE 12, 230, 232 f = SozR Nr 14 zu § 161 SGG; BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 6 RdNr 11; BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 11 S 22, 24 mwN; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl 2012, § 161 RdNr 4b). Rechtssicherheit und Rechtsklarheit werden auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Beklagte der Einlegung der Sprungrevision nur "vorsorglich für den Fall des Obsiegens" zugestimmt hat. Denn diese (innerprozessuale) Bedingung ist jeder Zustimmungserklärung von vornherein immanent. Ferner ist unerheblich, dass die protokollierte Zustimmungserklärung, die mit Einlegung der Sprungrevision gemäß § 161 Abs 5 SGG als Verzicht auf die Berufung gilt, entgegen § 122 SGG iVm § 162 Abs 1 S 1, § 160 Abs 3 Nr 9 ZPO weder vorgelesen noch genehmigt wurde. Denn die Wirksamkeit der Zustimmung hängt nicht davon ab, ob sie ordnungsgemäß protokolliert worden ist (vgl BGH Beschlüsse vom 4.7.2007 - XII ZB 14/07 - NJW-RR 2007, 1451, 1452, vom 25.6.1986 - IVb ZB 75/85 - FamRZ 1986, 1089 und vom 18.1.1984 - IVb ZB 53/83 - FamRZ 1984, 372
) . Verlesung und Genehmigung von Protokollerklärungen sollen lediglich die Richtigkeit des Protokolls gewährleisten und damit seine Beweiskraft untermauern (vgl BGH aaO sowie BGHZ 107, 142, 145 f) . Ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 162 Abs 1 ZPO nimmt dem Protokoll deswegen lediglich die Beweiskraft als öffentliche Urkunde. Hier kommt es auf die besondere Beweiskraftwirkung des Protokolls aber nicht an, weil die Abgabe der Zustimmungserklärung mit dem protokollierten Inhalt zwischen den Beteiligten unstreitig ist, so dass eine entsprechende Klärung im Freibeweisverfahren entbehrlich ist. Die Klägerin erfüllt schließlich auch das Erfordernis des § 161 Abs 1 S 3 SGG, weil sie ihrer Revisionsschrift - was ausreicht - die beglaubigte Abschrift des Sitzungsprotokolls beigefügt hat(§§ 165 S 1, 153 Abs 1, 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 435 S 1 Halbs 1 ZPO), das die wirksame Zustimmungserklärung der Beklagten zur Einlegung der Sprungrevision enthält (vgl dazu GrS BSGE 12, 230, 232 f = SozR Nr 14 zu § 161 SGG; BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 6 RdNr 11; BSGE 89, 271, 272 = SozR 3-2500 § 33 Nr 43; Leitherer, aaO, § 161 RdNr 10a).
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B. Die Sprungrevision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Ob der wertfestsetzende Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) im Witwenrentenbescheid vom 17.2.2011 und der Widerspruchsbescheid vom 14.4.2011 (§ 95 SGG) rechtwidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen (§ 54 Abs 2 S 1 SGG), weil sie ihr die Festsetzung und Zahlung höherer Witwenrente versagen, kann der Senat auf Grund der Feststellungen des SG nicht abschließend entscheiden. Zwar steht der Klägerin entgegen der Revision übergangsrechtlich kein eigenes Antragsrecht nach dem VAHRG auf Feststellung des Rückausgleichsfalls und Festsetzung eines günstigeren Höchstwerts ihrer Hinterbliebenenrente zu. Das VersAusglG begrenzt ein derartiges - nach früherem Recht auch dem Hinterbliebenen selbst eröffnetes - Recht auf Antragstellungen vor dem 1.9.2009. Auch konnte der verstorbene Versicherte sein Antragsrecht nicht bereits vorweg zugunsten der Klägerin und mit Wirkung für deren abgeleitetes Recht auf Hinterbliebenenrente ausüben. Indessen bemisst sich der Wert des Rechts auf Hinterbliebenenrente nach der unverändert einschlägigen Besitzstandsregelung in § 88 Abs 2 SGB VI mindestens nach den bisherigen persönlichen EP des verstorbenen Versicherten, wenn dieser eine Rente aus eigener Versicherung bezogen hat und spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente beginnt.
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1. Die Klägerin greift mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, Regelung 2 SGG) den (wertfeststellenden) Verwaltungsakt über die Rentenhöhe an, macht mit der Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, Regelung 3 SGG) die Festsetzung eines höheren Rentenwerts unter Außerachtlassung des Abschlags aus dem Versorgungsausgleich sowie mit der unechten Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) die Zahlung eines höheren monatlichen Rentenbetrags geltend, und zwar zulässigerweise im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG).
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2. Der hier allein streitige Wert des Rechts auf große Witwenrente bestimmt sich nach der Rentenformel der §§ 63 Abs 6, 64 SGB VI. Danach ergibt sich der Monatsbetrag einer Rente, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors (§ 77 SGB VI) ermittelten persönlichen EP mit dem Rentenartfaktor (§§ 67, 255 und §§ 82, 265 SGB VI) und dem aktuellen Rentenwert (§§ 63 Abs 7, 65, 68, 69 SGB VI) vervielfältigt werden. Da die große Witwenrente der Klägerin am 1.2.2011 begonnen hat, sind die genannten Vorschriften in der jeweils zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden (vgl § 300 Abs 1 und 2 SGB VI; Senatsurteil vom 27.4.2010 - B 5 R 62/08 R - SozR 4-2600 § 71 Nr 5 RdNr 16 und BSG SozR 4-2600 § 300 Nr 2 RdNr 9 f).
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3. Grundlage für die Ermittlung der persönlichen EP - dem 1. Faktor der Rentenformel - sind bei Witwenrenten die EP des verstorbenen Versicherten (§ 66 Abs 2 Nr 2 SGB VI). Die persönlichen EP für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente ergeben sich, indem die Summe der EP mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt und ua bei Witwenrenten um einen Zuschlag erhöht wird (§ 66 Abs 1 SGB VI). Zu den Summanden, die durch Addition "die Summe der EP" ergeben, zählen gemäß § 66 Abs 1 Nr 4 SGB VI ua auch "Abschläge aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich", die ihrerseits aus einer Übertragung von Rentenanwartschaften zu Lasten des Versicherten resultieren(§ 76 Abs 3 SGB VI). Die Übertragung von Rentenanwartschaften regelte § 1587b Abs 1 S 1 BGB in seiner bis zum 31.8.2009 geltenden Altfassung (aF). Danach übertrug das Familiengericht im Rahmen des Scheidungsverfahrens vom Amts wegen (vgl § 623 Abs 1 S 3 ZPO in seiner bis zum 31.8.2009 geltenden Altfassung) Rentenanwartschaften in Höhe der Hälfte des Wertunterschieds, wenn ein Ehegatte in der Ehezeit Rentenanwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung iS des § 1587a Abs 2 Nr 2 BGB aF erworben hatte und diese die Anwartschaften iS des § 1587a Abs 2 Nr 1, 2 BGB aF überstiegen, die der andere Ehegatte in der Ehezeit erworben hatte (sog Rentensplitting).
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4. Die rechtskräftige (vgl § 53g Abs 1 FGG in seiner bis zum 31.8.2009 geltenden Altfassung) und wirksame (§ 629d ZPO aF) Entscheidung des Familiengerichts über das Rentensplitting blieb mit ihrer Gestaltungswirkung auch dann bestehen, wenn es später nach § 4 VAHRG zu einem sog "Rückausgleich" kam: Hatte der Ausgleichsberechtigte vor seinem Tod keine Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten, so wurde die Versorgung des Verpflichteten oder seiner Hinterbliebenen nicht auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt(Abs 1); war der Berechtigte gestorben und wurden aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen gewährt, die insgesamt zwei Jahresbeträge eines auf das Ende des Leistungsbezuges berechneten Altersruhegeldes aus dem erworbenen Anrecht nicht überstiegen, so galt Abs 1 entsprechend, jedoch waren die gewährten Leistungen auf die sich aus Abs 1 ergebende Erhöhung anzurechnen (Abs 2). Diese Regelungen waren verfassungsrechtlich geboten, weil die Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs durch Art 6 Abs 1 GG und Art 3 Abs 2 S 1 GG dann entfällt, wenn einerseits beim Verpflichteten eine spürbare Kürzung der Rentenansprüche erfolgt, ohne dass sich andererseits der Erwerb eines selbständigen Versicherungsschutzes angemessen für den Berechtigten auswirkt (BVerfG Urteil vom 28.2.1980 - 1 BvL 17/77 ua - SozR 7610 § 1587 Nr 1). In einem solchen Fall erbringt der Verpflichtete ein Opfer, das nicht mehr dem Ausgleich zwischen den geschiedenen Ehegatten dient; es kommt vielmehr ausschließlich dem Rentenversicherungsträger, in der Sache der Solidargemeinschaft der Versicherten, zugute. Dies lässt sich weder mit den Nachwirkungen der Ehe (Art 6 Abs 1 GG) noch mit der Gleichberechtigung der Ehegatten (Art 3 Abs 2 S 1 GG) begründen. Um derart ungerechtfertigte Härten zu vermeiden, muss der Verpflichtete befugt sein, eine nachträgliche Korrektur zu beantragen (BVerfG SozR 7610 § 1587 Nr 1). In Umsetzung dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung räumte das VAHRG dem (Ausgleichs-)Verpflichteten und, soweit sie belastet waren, seinen Hinterbliebenen die Möglichkeit ein, eine Aussetzung der Kürzung wegen Vorversterbens des Ausgleichsberechtigten ("Rückausgleich") zu beantragen (§ 9 Abs 2 VAHRG). Allerdings blieb auch nach einem durchgeführten Rückausgleich die Übertragung von Rentenanwartschaften und der damit verbundene Abschlag im Versicherungskonto des Ausgleichspflichtigen bestehen (Senatsurteile vom 20.9.1988 - 5/4a RJ 45/87 - BSGE 64, 75 ff = SozR 5795 § 4 Nr 6 und vom 22.11.1988 - 5/4a RJ 65/87 - Juris RdNr 14 f; BSG SozR 5795 § 4 Nr 9). Die Voraussetzungen für die Anwendung der Anpassungs- bzw Härteregelung des § 4 VAHRG musste bei jedem Rentenanspruch neu geprüft werden, weil in ihrem Rahmen keine "Rückübertragung" von Anrechten stattfand, sondern eine Rentenkürzung (vorübergehend) ausgesetzt wurde. Folglich war der Abschlag (Malus) aus dem früheren Versorgungsausgleich bei der Summenbildung der EP als (negativer) Summand und damit bei der Wertfestsetzung von Hinterbliebenenrenten grundsätzlich wieder zu berücksichtigen. Der Hinterbliebene konnte aber gemäß § 9 Abs 2 VAHRG seinerseits den "Rückausgleich" beantragen, was in aller Regel mit dem Antrag auf Hinterbliebenenrente zumindest konkludent geschah(BSG SozR 3-5795 § 5 Nr 2).
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5. Die Regelung des § 9 Abs 2 VAHRG trat jedoch - wie das gesamte VAHRG - am 1.9.2009 außer Kraft (Art 23 S 2 Nr 2 VAStrRefG). Sie ist übergangsrechtlich nach diesem Stichtag nur noch in Ausnahmefällen anwendbar: Dabei greift die allgemeine Übergangsvorschrift des § 48 VersAusglG nur ein, wenn das Verfahren über den Versorgungsausgleich vor dem 1.9.2009 eingeleitet und an diesem Tag noch nicht beendet, sondern weiterhin anhängig war. Das ist nach den Feststellungen des SG vorliegend nicht der Fall. Darüber hinaus ist für Verfahren nach den §§ 4 bis 10 VAHRG, in denen der Antrag beim Versorgungsträger vor dem 1.9.2009 einging, das bis dahin geltende Recht weiterhin anzuwenden (§ 49 VersAusglG). Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind für Sterbefälle nach dem 31.8.2009 aber von vornherein nicht erfüllt, weil Hinterbliebene den "Rückausgleich" erst wirksam beantragen können, wenn ihre Anwartschaft auf Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch den Tod des Versicherten zum Vollrecht gegen den Versorgungsträger erstarkt ist (vgl BSGE 92, 113 = SozR 4-2600 § 46 Nr 1). Zu Lebzeiten des Versicherten waren sie (noch) nicht "Hinterbliebene", so dass ihnen die erforderliche Antragsberechtigung fehlte. Soweit der Versicherte zu Lebzeiten den "Rückausgleich" nach § 4 Abs 2 VAHRG erfolgreich beantragt hatte, konnte sich dieser Antrag (und der daraufhin erfolgte Rückausgleich) nur auf seine eigene Versicherten-, nicht jedoch auf künftige Hinterbliebenenleistungen seiner Angehörigen beziehen. Denn ein Antragsteller kann - schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen - immer nur in eigener Sache die Durchsetzung oder Wahrung individueller Rechte verfolgen (vgl dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl 2012, § 22 RdNr 68; Mutschler in Kass Komm, SGB X, Stand April 2012, § 18 RdNr 5). Auch wenn sich das Recht auf Hinterbliebenenrente aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger ableitet, geht es keinesfalls kraft Rechtsnachfolge über, sondern vermittelt dem Hinterbliebenen ein eigenständiges Recht auf entsprechende Leistungen (BSG SozR 4-2600 § 307b Nr 4; BSGE 90, 102 = SozR 3-2600 § 307b Nr 10). Ist danach das VersAusglG einschlägig, richtet sich das Recht, die Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person zu beantragen (§ 37 VersAusglG), allein nach § 38 Abs 1 S 2 VersAusglG. Danach ist (nur) die ausgleichspflichtige Person antragsberechtigt; Hinterbliebenen des Ausgleichspflichtigen steht - anders als nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden § 9 Abs 2 VAHRG - keine Antragsberechtigung mehr zu. Ihnen ist der Rückausgleich versperrt. Folglich ist der Abschlag aus dem früheren Versorgungsausgleich bei der Summenbildung der EP als (negativer) Summand und damit bei der Wertfestsetzung von Hinterbliebenenrenten grundsätzlich wieder zu berücksichtigen.
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6. Allerdings besteht für Hinterbliebenenrenten, die sich an eine andere Rente anschließen (sog Folgerente), gemäß § 88 Abs 2 SGB VI ein Besitz- bzw Bestandsschutz. Dessen Satz 1 lautet: "Hat der verstorbene Versicherte eine Rente aus eigener Versicherung bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente, werden ihr mindestens die bisherigen persönlichen EP des verstorbenen Versicherten zugrunde gelegt". Nach den bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) des SG sind die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm erfüllt. Der verstorbene Versicherte hat bis zum 31.1.2011 eine Rente aus eigener Versicherung bezogen (§ 102 Abs 5 SGB VI), und die Hinterbliebenenrente (große Witwenrente) der Klägerin begann nahtlos am 1.2.2011, dh innerhalb von 24 Kalendermonaten. Folglich sind der großen Witwenrente "mindestens die bisherigen persönlichen EP des verstorbenen Versicherten zugrunde" zu legen. Die "persönlichen EP" sind das Produkt aus der Summe aller EP (§ 66 Abs 1 SGB VI) und des Zugangsfaktors (§ 77 SGB VI) des verstorbenen Versicherten. Bei der hiernach erforderlichen Summierung aller EP ist der Abschlag aus dem Versorgungsausgleich (§ 66 Abs 1 Nr 4 SGB VI) unterblieben, weil die Versorgung des verstorbenen Versicherten gemäß § 4 VAHRG - von Anfang an(Senatsurteile vom 8.4.1987 - 5a RKn 6/86 - SozR 1300 § 48 Nr 36 und vom 29.9.1987 - 5b RJ 70/86 - AmtlMittLVA Rheinpr 1988, 136 sowie BSG SozR 5795 § 4 Nr 5) - nicht auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt wurde. Damit erhöhten sich seine persönlichen EP. Dies sind zugleich die "bisherigen" persönlichen EP der maßgeblichen Vorrente, auf die der Versicherte zuletzt vor Beginn der Folgerente Anspruch hatte (Stahl in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 88 RdNr 16), und die nunmehr bei der Berechnung der Folgerente "mindestens" zu Grunde zu legen sind. Dabei erstreckt sich der Besitzschutz auf die Gesamtzahl der persönlichen EP aus der Vorrente (BSG Urteil vom 22.10.1996 - 13/4 RA 111/94 - SozR 3-2600 § 88 Nr 2). Einem Hinterbliebenenrentner kommt unter diesen Voraussetzungen mittelbar zu Gute, dass der verstorbene Versicherte durch Antragstellung nach dem VAHRG aus verfassungsrechtlichen Gründen erreicht hatte, dass bei seiner eigenen Rente trotz des zu seinen Lasten durchgeführten Versorgungsausgleichs und entgegen der Grundregel des § 76 Abs 1 und 3, § 66 Abs 1 Nr 4 SGB VI kein Abschlag an EP erfolgt.
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Keinesfalls darf die Summe der persönlichen EP aus der Vorrente bei Berechnung der Folgerente in besitzgeschützte und nicht besitzgeschützte Anteile aufgespalten werden, so dass sich der Bestandsschutz nur auf die persönlichen EP erstreckt, die sich ohne Anwendung von Anpassungs- (§§ 32 ff VersAusglG) und Härteregelungen (§§ 4 bis 8 VAHRG) für die Rente des verstorbenen Ausgleichspflichtigen ergeben haben. Eine solche Befugnis zur Aufspaltung der besitzgeschützten Gesamtzahl der persönlichen EP sieht das Gesetz weder in § 88 SGB VI noch an anderer Stelle vor. Ein zeitlich (lex posterior derogat legi priori) oder inhaltlich (lex specialis derogat legi generali) vorrangiges Bundesgesetz, das den vertrauensschützenden Regelungsgehalt von § 88 Abs 2 S 1 SGB VI zu Lasten des Hinterbliebenen modifiziert(§ 31 SGB I), existiert nicht (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 14.2.2012 - L 18 R 684/11 - Juris RdNr 27). Deren Situation sollte - im Gegenteil - mit Einführung des § 88 SGB VI gerade in Abkehr von einem bloßen Zahlbetragsschutz, den noch die Vorgängerregelungen in § 1253 Abs 2 S 5, § 1254 Abs 2, § 1268 Abs 2 S 2 und § 1290 Abs 3 S 3 RVO vorsahen, durch Hinwendung zu einem Besitzschutz aller persönlichen EP verbessert werden, damit die Folgerente auf Basis der Vorrente dynamisiert (und damit oberhalb des bisherigen Zahlbetrags) geleistet werden kann(vgl Begründung zum Gesetzentwurf für das RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, 173). Dieses gesetzgeberische Ziel lässt sich nur über den Besitzschutz der persönlichen EP in ihrer Gesamtheit erreichen, und zwar nach § 88 Abs 1 SGB VI für weitere Versichertenrenten und gemäß § 88 Abs 2 SGB VI für zukünftige Hinterbliebenenrenten. Damit sichert das Gesetz das bisherige Rentenniveau, wahrt den erworbenen Lebensstandard des Versicherten und seiner Hinterbliebenen und schützt ihr Vertrauen auf den Fortbestand der existenzsichernden Rentenleistungen in bisheriger Höhe. Diese Regelung blieb auch im Rahmen des VAStrRefG unangetastet, mit dem das Recht des Versorgungsausgleichs neu geordnet und auch das SGB VI umfangreich geändert worden ist.
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7. Soweit die Beklagte auf eine mögliche Doppelbelastung der Versichertengemeinschaft hinweist, wenn die Hinterbliebenen des ausgleichspflichtigen Versicherten (wegen "Besitzschutzes des Rückausgleichs") einerseits und die Hinterbliebenen des ausgleichsberechtigten (geschiedenen) Ehegatten (aus dem im Versorgungsausgleich übertragenen Anrecht) andererseits jeweils ungekürzte Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhielten, lässt sich mit dieser wirtschaftlichen Überlegung und dem Postulat einer "Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs" keine teleologische Reduktion des weit formulierten § 88 Abs 2 S 1 SGB VI rechtfertigen(zur ökonomischen Analyse des Rechts und zur Berücksichtigung ökonomischer Folgen vgl Vesting, Rechtstheorie, 2007, RdNr 199 mwN). Das VAHRG erzielte Kostenneutralität weitgehend dadurch, dass die Leistungen aus dem Versorgungsausgleich, zu denen Versicherten- und Hinterbliebenenrenten zählten, auf die rückausgleichsbedingte Rentenerhöhung angerechnet wurden (§ 4 Abs 2 aE VAHRG). Eine solche Anrechnung von Leistungen sieht das VersAusglG nicht mehr vor. Vielmehr wird gemäß § 37 VersAusglG auf Antrag ein Anrecht des Ausgleichspflichtigen nicht länger auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichsberechtigte Person gestorben ist(Abs 1) und die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat (Abs 2). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erhält die ausgleichspflichtige Person eine ungekürzte Rente, wobei allerdings Anrechte erlöschen, die sie ihrerseits aus dem Versorgungsausgleich von der verstorbenen ausgleichsberechtigten Person erworben hat (§ 37 Abs 3 VersAusglG). Gleichzeitig und davon unabhängig erhalten auch die Hinterbliebenen der ausgleichsberechtigten Person ungekürzte Hinterbliebenenrenten auf der Grundlage der (familien-)gerichtlichen Versorgungsausgleichsentscheidung, so dass es im Ergebnis zu Doppelleistungen aus dem übertragenen Anrecht kommt. Um dies - zumindest partiell - auszugleichen, verlagert § 38 Abs 2 iVm § 34 Abs 3 VersAusglG den Beginn der Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person auf den ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folgt. Damit entfällt die Rentenkürzung bei der ausgleichspflichtigen Person frühestens am Ende des Monats, in dem die ausgleichsberechtigte Person gestorben ist, und nicht mehr - wie nach bisherigem Recht - rückwirkend ab Durchführung des Versorgungsausgleichs (Senatsurteile vom 8.4.1987 - 5a RKn 6/86 - SozR 1300 § 48 Nr 36 und vom 29.9.1987 - 5b RJ 70/86 - AmtlMittLVA Rheinpr 1988, 136 sowie BSG SozR 5795 § 4 Nr 5). Mithin wird der Zuwachs an Versorgungen bei der ausgleichsberechtigten Person (und deren Hinterbliebenen) "im Wesentlichen" über die (temporäre) Kürzung der Anrechte der ausgleichspflichtigen Person kompensiert (BT-Drucks 16/10144 S 44 zu VI. 1.). Hierbei gilt: Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Beginn der (gekürzten) Versichertenrente und dem Vorversterben der ausgleichsberechtigten Person ist, desto mehr profitiert die Versichertengemeinschaft von der versorgungsausgleichsbedingten Kürzung der Versichertenrente. Im umgekehrten Fall kann es - schon nach dem gesetzlichen Konzept des VersAusglG - auch zu versorgungsausgleichsbedingten Mehrbelastungen der Versichertengemeinschaft kommen.
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Diese durch das VersAusglG geschaffene Grundkonstellation (ungekürzte Rentenleistungen sowohl an die ausgleichspflichtige Person als auch an die Hinterbliebenen der ausgleichsberechtigten Person) hält § 88 Abs 2 S 1 SGB VI für das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung im Todesfall der ausgleichspflichtigen Person insoweit aufrecht, als an ihre Stelle ihre Hinterbliebenen treten (können). Das ist (verfassungs-)rechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber stand vor der Aufgabe, die Interessen und Belange dreier Personengruppen unter- und gegeneinander abzuwägen: Die Versorgung der Hinterbliebenen des ausgleichspflichtigen Versicherten, die Versorgung der Hinterbliebenen der ausgleichsberechtigten Person und das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Vermeidung finanzieller Mehrbelastungen durch den Versorgungsausgleich. Dem Interesse der Versichertengemeinschaft an der Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs trägt der Gesetzgeber durch die Anrechnungsregelung des § 4 Abs 2 VAHRG bzw durch den späten Beginn der Anpassung(§ 38 Abs 2 iVm § 34 Abs 3 VersAusglG) Rechnung. Außerdem erlaubt er die (zukunftsgerichtete) Anpassung ausschließlich in Härte- und damit nur in Ausnahmefällen; im Regelfall bleibt die Rentenminderung zu Lasten der ausgleichspflichtigen Person (und zu Gunsten der Versichertengemeinschaft) dauerhaft bestehen. Entscheidet sich der Gesetzgeber auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung in Härtefällen dafür, den Lebensstandard der Hinterbliebenen von ausgleichspflichtiger und ausgleichsberechtigter Person aus Vertrauensschutzgesichtspunkten auf dem bisherigen Niveau zu sichern, nimmt er damit Mehrbelastungen der Solidargemeinschaft bewusst in Kauf. Die Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs ist jedoch kein übergesetzliches Strukturprinzip mit Verfassungsrang, hinter dem die Belange der Hinterbliebenen zurücktreten müssten. Vielmehr stehen Rentenversicherungsanwartschaften und -ansprüche in einem ausgeprägten sozialen Bezug und sind Bestandteil eines Leistungssystems, dem eine besondere soziale Funktion zukommt. Diese soziale Funktion erlaubt es, den Grundsatz der Kostenneutralität partiell zurückzustellen und der Lebensstandardsicherung von Hinterbliebenen durch § 88 Abs 2 S 1 SGB VI Vorrang einzuräumen. Jedenfalls ist nicht erkennbar und wird von der Beklagten auch nicht aufgezeigt, dass der Gesetzgeber bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen die Belange der Versichertengemeinschaft iS von Art 3 Abs 1 GG willkürlich vernachlässigt haben könnte.
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8. Das SG wird im wieder eröffneten Klageverfahren die Höhe der persönlichen EP feststellen müssen, die der zuletzt bezogenen Versichertenrente zu Grunde lagen. Übersteigen die in diesem Sinne besitzgeschützten persönlichen EP die bisher ermittelten persönlichen EP, so sind sie der Rentenberechnung zu Grunde zu legen. Die maßgeblichen persönlichen EP sind sodann mit dem jeweils zutreffenden aktuellen Rentenwert (§ 63 Abs 7, §§ 65, 68, 69 SGB VI) und dem Rentenartfaktor zu multiplizieren, wobei zu beachten ist, dass die Rentenartfaktoren für die ersten drei Monate nach dem Todesmonat (so genanntes Sterbevierteljahr) mit 1,3333 (knappschaftliche Rentenversicherung) bzw 1,0 (allgemeine Rentenversicherung) und anschließend mit 0,8 (knappschaftliche Rentenversicherung) und 0,6 (allgemeine Rentenversicherung) einzustellen sind (§ 67 Nr 6, § 255 Abs 1 und § 82 S 1 Nr 7, § 265 Abs 7 SGB VI).
(1) Hat ein Versicherter eine Rente wegen Alters bezogen, werden ihm für eine spätere Rente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt. Hat ein Versicherter eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine Rente, werden ihm für diese Rente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt. Satz 2 gilt bei Renten für Bergleute nur, wenn ihnen eine Rente für Bergleute vorausgegangen ist.
(2) Hat der verstorbene Versicherte eine Rente aus eigener Versicherung bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente, werden ihr mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte des verstorbenen Versicherten zugrunde gelegt. Haben eine Witwe, ein Witwer oder eine Waise eine Hinterbliebenenrente bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine solche Rente, werden ihr mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt.
(3) Haben Beiträge nach Beginn einer Rente wegen Alters noch nicht zu Zuschlägen an Entgeltpunkten geführt, werden bei der Folgerente zusätzlich zu den bisherigen persönlichen Entgeltpunkten auch persönliche Entgeltpunkte aus Zuschlägen an Entgeltpunkten aus Beiträgen nach Beginn der Rente wegen Alters zugrunde gelegt.
(4) Wird die Rente unter Anwendung der Absätze 1 bis 3 berechnet, entfällt auf den Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung der Anteil an persönlichen Entgeltpunkten, der in der Rente enthalten war, aus der sich der Besitzschutz an persönlichen Entgeltpunkten ergab.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 6. Januar 2012 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Höhe einer großen Witwenrente.
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Die Klägerin ist die Witwe des am 11.1.2011 verstorbenen Versicherten J. V. Dessen erste Ehe war geschieden und zu seinen Lasten ein Versorgungsausgleich durchgeführt worden. Die ausgleichsberechtigte Ehefrau verstarb kurz nach der Scheidung. Der Versicherte erhielt vor seinem Tod ungemindert Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
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Die Beklagte gewährte der Klägerin ab dem 1.2.2011 große Witwenrente und berücksichtigte bei der Ermittlung der Entgeltpunkte (EP) für die Ehezeit vom 1.7.1961 bis 29.2.1980 einen Abschlag aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich von insgesamt 13,9145 EP (Bescheid vom 17.2.2011 und Widerspruchsbescheid vom 14.4.2011).
- 4
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Das SG hat die Klage abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom 6.1.2012): Die Beklagte habe die Witwenrente der Klägerin zu Recht auf Grund des durchgeführten Versorgungsausgleichs gemindert. Das Recht, einen Antrag gemäß § 37 des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG) vom 3.4.2009 (BGBl I 700) auf Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person zu stellen, stehe nach § 38 VersAusglG allein der ausgleichspflichtigen Person zu. Unerheblich sei, dass die Rente des Versicherten ungekürzt, dh ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs, gezahlt worden sei. Denn die Hinterbliebenenrente beruhe auf dem mit dem Tod des Versicherten 2011 eingetretenen Versicherungsfall. Für die Witwenrente seien deshalb die im Zeitpunkt dieses Versicherungsfalls geltenden gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden, zu denen das am 1.9.2009 in Kraft getretene VersAusglG gehöre.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 37, 38, 48 Abs 1, 49 VersAusglG iVm § 4 Abs 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG), das am 1.9.2009 außer Kraft getreten ist (vgl Art 23 S 2 Nr 2 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs - VAStrRefG - vom 3.4.2009, BGBl I 700): Das SG verkenne die Übergangsvorschriften des VersAusglG. Die Bundesknappschaft habe den Abschlag aus dem Versorgungsausgleich, den sie noch im Altersrentenbescheid vom 28.2.1996 zu Lasten des Versicherten berücksichtigt habe, mit Bescheid vom 21.5.1996 ab dem 1.4.1996 wieder rückgängig gemacht und ausdrücklich festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 VAHRG vorlägen. Damit sei die Kürzung nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft entfallen. Konsequenterweise sei dem Versicherten mit Bescheid vom 13.3.2001 ungekürzte Regelaltersrente bewilligt worden, und zwar ohne jeden Hinweis auf einen zu berücksichtigenden Versorgungsausgleich. Dieser Rentenbescheid sei auch für die Hinterbliebenenrente maßgeblich. Denn gemäß §§ 48 Abs 1, 49 VersAusglG gelte noch das alte VAHRG und nicht das neue VersAusglG, weil der Versorgungsausgleich und das Verfahren nach § 4 VAHRG weit vor Inkrafttreten des VersAusglG am 1.9.2009 eingeleitet und durchgeführt worden seien. Unabhängig davon habe der Versicherte das Antragsrecht nach § 37 VersAusglG zu Lebzeiten gar nicht benötigt, weil seine Rente bis zum Tod nicht gekürzt worden sei.
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Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 6. Januar 2012 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 14. April 2011 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, den Wert ihres Rechts auf große Witwenrente unter Feststellung des Rückausgleichs ohne Abschlag an Entgeltpunkten für den durchgeführten Versorgungsausgleich ab dem 1. Februar 2011 festzusetzen sowie diese zu verurteilen, ihr ab demselben Zeitpunkt entsprechend höhere Geldbeträge zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Die Übergangsregelungen des VersAusglG seien nicht einschlägig. § 48 VersAusglG sei unanwendbar, weil das Versorgungsausgleichsverfahren bereits im Februar 1980 und damit vor Inkrafttreten des VersAusglG rechtskräftig abgeschlossen worden sei. Gleiches gelte bezüglich § 49 VersAusglG, denn das Verfahren nach § 4 VAHRG sei mit Erlass der Bescheide vom 21.5. und 24.6.1996 beendet worden. Folglich gelte für das Verfahren der Klägerin das VersAusglG, insbesondere dessen § 38 Abs 1 S 2. Nach dieser Vorschrift könne sie keine Anpassung beantragen. Vielmehr sei bei einer Witwenrente aus der Versicherung des ausgleichspflichtigen Verstorbenen die Kürzung aus einem früheren Versorgungsausgleich wieder zu berücksichtigen, auch wenn bei der Versichertenrente § 4 VAHRG angewendet worden sei. Nichts anderes gelte mit Blick auf den Besitzschutz für die persönlichen EP in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 88 Abs 2 S 1 SGB VI). Dieser erstrecke sich nur auf die persönlichen EP, die sich ohne die Anwendung von § 4 VAHRG für die Rente des verstorbenen Ausgleichspflichtigen ergäben. Denn die EP aus § 4 VAHRG könnten - bedingt durch einen Hinterbliebenenrentenbezug aus der Versicherung der ausgleichsberechtigten Person - noch entfallen. Dies gelte selbst dann, wenn mangels bekannter eventuell anspruchsberechtigter Hinterbliebener im Einzelfall der Wegfall der Anwendung von § 4 VAHRG ausgeschlossen erscheine. Andernfalls entstünden erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten insbesondere hinsichtlich möglicher weiterer Ansprüche auf Waisenrenten. Ließe man die uneingeschränkte Anwendung von § 88 SGB VI zu, wäre die nachträgliche Minderung bei einem Rentenbezug aus der Versicherung des verstorbenen ausgleichsberechtigten Versicherten für die weitere Rentenzahlung ohne Bedeutung mit der Konsequenz einer doppelten Belastung der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil weitere Tatsachenfeststellungen des SG erforderlich sind.
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A. Die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz (Sprungrevision) ist zulässig. Gemäß § 161 Abs 1 S 1 SGG steht den Beteiligten die Sprungrevision zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und sie vom SG zugelassen worden ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt: Das SG hat die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz im Tenor des angefochtenen Urteils ausdrücklich zugelassen. Die Beklagte hat ihre Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision in der mündlichen Verhandlung vom 6.1.2012 zur Niederschrift des SG erklärt. Dass dies vor der Urteilsverkündung und damit schon vor der Revisionszulassung geschah, ist unschädlich (BSG SozR 5795 § 4 Nr 5). Schließlich ist auch das Schriftformerfordernis erfüllt, weil die Abgabe der Zustimmungserklärung gerichtlich beurkundet wurde, was sowohl der Bedeutung und Tragweite der Zustimmungserklärung als auch den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ausreichend Rechnung trägt (GrS BSGE 12, 230, 232 f = SozR Nr 14 zu § 161 SGG; BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 6 RdNr 11; BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 11 S 22, 24 mwN; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl 2012, § 161 RdNr 4b). Rechtssicherheit und Rechtsklarheit werden auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Beklagte der Einlegung der Sprungrevision nur "vorsorglich für den Fall des Obsiegens" zugestimmt hat. Denn diese (innerprozessuale) Bedingung ist jeder Zustimmungserklärung von vornherein immanent. Ferner ist unerheblich, dass die protokollierte Zustimmungserklärung, die mit Einlegung der Sprungrevision gemäß § 161 Abs 5 SGG als Verzicht auf die Berufung gilt, entgegen § 122 SGG iVm § 162 Abs 1 S 1, § 160 Abs 3 Nr 9 ZPO weder vorgelesen noch genehmigt wurde. Denn die Wirksamkeit der Zustimmung hängt nicht davon ab, ob sie ordnungsgemäß protokolliert worden ist (vgl BGH Beschlüsse vom 4.7.2007 - XII ZB 14/07 - NJW-RR 2007, 1451, 1452, vom 25.6.1986 - IVb ZB 75/85 - FamRZ 1986, 1089 und vom 18.1.1984 - IVb ZB 53/83 - FamRZ 1984, 372
) . Verlesung und Genehmigung von Protokollerklärungen sollen lediglich die Richtigkeit des Protokolls gewährleisten und damit seine Beweiskraft untermauern (vgl BGH aaO sowie BGHZ 107, 142, 145 f) . Ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 162 Abs 1 ZPO nimmt dem Protokoll deswegen lediglich die Beweiskraft als öffentliche Urkunde. Hier kommt es auf die besondere Beweiskraftwirkung des Protokolls aber nicht an, weil die Abgabe der Zustimmungserklärung mit dem protokollierten Inhalt zwischen den Beteiligten unstreitig ist, so dass eine entsprechende Klärung im Freibeweisverfahren entbehrlich ist. Die Klägerin erfüllt schließlich auch das Erfordernis des § 161 Abs 1 S 3 SGG, weil sie ihrer Revisionsschrift - was ausreicht - die beglaubigte Abschrift des Sitzungsprotokolls beigefügt hat(§§ 165 S 1, 153 Abs 1, 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 435 S 1 Halbs 1 ZPO), das die wirksame Zustimmungserklärung der Beklagten zur Einlegung der Sprungrevision enthält (vgl dazu GrS BSGE 12, 230, 232 f = SozR Nr 14 zu § 161 SGG; BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 6 RdNr 11; BSGE 89, 271, 272 = SozR 3-2500 § 33 Nr 43; Leitherer, aaO, § 161 RdNr 10a).
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B. Die Sprungrevision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Ob der wertfestsetzende Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) im Witwenrentenbescheid vom 17.2.2011 und der Widerspruchsbescheid vom 14.4.2011 (§ 95 SGG) rechtwidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen (§ 54 Abs 2 S 1 SGG), weil sie ihr die Festsetzung und Zahlung höherer Witwenrente versagen, kann der Senat auf Grund der Feststellungen des SG nicht abschließend entscheiden. Zwar steht der Klägerin entgegen der Revision übergangsrechtlich kein eigenes Antragsrecht nach dem VAHRG auf Feststellung des Rückausgleichsfalls und Festsetzung eines günstigeren Höchstwerts ihrer Hinterbliebenenrente zu. Das VersAusglG begrenzt ein derartiges - nach früherem Recht auch dem Hinterbliebenen selbst eröffnetes - Recht auf Antragstellungen vor dem 1.9.2009. Auch konnte der verstorbene Versicherte sein Antragsrecht nicht bereits vorweg zugunsten der Klägerin und mit Wirkung für deren abgeleitetes Recht auf Hinterbliebenenrente ausüben. Indessen bemisst sich der Wert des Rechts auf Hinterbliebenenrente nach der unverändert einschlägigen Besitzstandsregelung in § 88 Abs 2 SGB VI mindestens nach den bisherigen persönlichen EP des verstorbenen Versicherten, wenn dieser eine Rente aus eigener Versicherung bezogen hat und spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente beginnt.
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1. Die Klägerin greift mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, Regelung 2 SGG) den (wertfeststellenden) Verwaltungsakt über die Rentenhöhe an, macht mit der Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, Regelung 3 SGG) die Festsetzung eines höheren Rentenwerts unter Außerachtlassung des Abschlags aus dem Versorgungsausgleich sowie mit der unechten Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) die Zahlung eines höheren monatlichen Rentenbetrags geltend, und zwar zulässigerweise im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG).
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2. Der hier allein streitige Wert des Rechts auf große Witwenrente bestimmt sich nach der Rentenformel der §§ 63 Abs 6, 64 SGB VI. Danach ergibt sich der Monatsbetrag einer Rente, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors (§ 77 SGB VI) ermittelten persönlichen EP mit dem Rentenartfaktor (§§ 67, 255 und §§ 82, 265 SGB VI) und dem aktuellen Rentenwert (§§ 63 Abs 7, 65, 68, 69 SGB VI) vervielfältigt werden. Da die große Witwenrente der Klägerin am 1.2.2011 begonnen hat, sind die genannten Vorschriften in der jeweils zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden (vgl § 300 Abs 1 und 2 SGB VI; Senatsurteil vom 27.4.2010 - B 5 R 62/08 R - SozR 4-2600 § 71 Nr 5 RdNr 16 und BSG SozR 4-2600 § 300 Nr 2 RdNr 9 f).
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3. Grundlage für die Ermittlung der persönlichen EP - dem 1. Faktor der Rentenformel - sind bei Witwenrenten die EP des verstorbenen Versicherten (§ 66 Abs 2 Nr 2 SGB VI). Die persönlichen EP für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente ergeben sich, indem die Summe der EP mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt und ua bei Witwenrenten um einen Zuschlag erhöht wird (§ 66 Abs 1 SGB VI). Zu den Summanden, die durch Addition "die Summe der EP" ergeben, zählen gemäß § 66 Abs 1 Nr 4 SGB VI ua auch "Abschläge aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich", die ihrerseits aus einer Übertragung von Rentenanwartschaften zu Lasten des Versicherten resultieren(§ 76 Abs 3 SGB VI). Die Übertragung von Rentenanwartschaften regelte § 1587b Abs 1 S 1 BGB in seiner bis zum 31.8.2009 geltenden Altfassung (aF). Danach übertrug das Familiengericht im Rahmen des Scheidungsverfahrens vom Amts wegen (vgl § 623 Abs 1 S 3 ZPO in seiner bis zum 31.8.2009 geltenden Altfassung) Rentenanwartschaften in Höhe der Hälfte des Wertunterschieds, wenn ein Ehegatte in der Ehezeit Rentenanwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung iS des § 1587a Abs 2 Nr 2 BGB aF erworben hatte und diese die Anwartschaften iS des § 1587a Abs 2 Nr 1, 2 BGB aF überstiegen, die der andere Ehegatte in der Ehezeit erworben hatte (sog Rentensplitting).
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4. Die rechtskräftige (vgl § 53g Abs 1 FGG in seiner bis zum 31.8.2009 geltenden Altfassung) und wirksame (§ 629d ZPO aF) Entscheidung des Familiengerichts über das Rentensplitting blieb mit ihrer Gestaltungswirkung auch dann bestehen, wenn es später nach § 4 VAHRG zu einem sog "Rückausgleich" kam: Hatte der Ausgleichsberechtigte vor seinem Tod keine Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten, so wurde die Versorgung des Verpflichteten oder seiner Hinterbliebenen nicht auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt(Abs 1); war der Berechtigte gestorben und wurden aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen gewährt, die insgesamt zwei Jahresbeträge eines auf das Ende des Leistungsbezuges berechneten Altersruhegeldes aus dem erworbenen Anrecht nicht überstiegen, so galt Abs 1 entsprechend, jedoch waren die gewährten Leistungen auf die sich aus Abs 1 ergebende Erhöhung anzurechnen (Abs 2). Diese Regelungen waren verfassungsrechtlich geboten, weil die Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs durch Art 6 Abs 1 GG und Art 3 Abs 2 S 1 GG dann entfällt, wenn einerseits beim Verpflichteten eine spürbare Kürzung der Rentenansprüche erfolgt, ohne dass sich andererseits der Erwerb eines selbständigen Versicherungsschutzes angemessen für den Berechtigten auswirkt (BVerfG Urteil vom 28.2.1980 - 1 BvL 17/77 ua - SozR 7610 § 1587 Nr 1). In einem solchen Fall erbringt der Verpflichtete ein Opfer, das nicht mehr dem Ausgleich zwischen den geschiedenen Ehegatten dient; es kommt vielmehr ausschließlich dem Rentenversicherungsträger, in der Sache der Solidargemeinschaft der Versicherten, zugute. Dies lässt sich weder mit den Nachwirkungen der Ehe (Art 6 Abs 1 GG) noch mit der Gleichberechtigung der Ehegatten (Art 3 Abs 2 S 1 GG) begründen. Um derart ungerechtfertigte Härten zu vermeiden, muss der Verpflichtete befugt sein, eine nachträgliche Korrektur zu beantragen (BVerfG SozR 7610 § 1587 Nr 1). In Umsetzung dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung räumte das VAHRG dem (Ausgleichs-)Verpflichteten und, soweit sie belastet waren, seinen Hinterbliebenen die Möglichkeit ein, eine Aussetzung der Kürzung wegen Vorversterbens des Ausgleichsberechtigten ("Rückausgleich") zu beantragen (§ 9 Abs 2 VAHRG). Allerdings blieb auch nach einem durchgeführten Rückausgleich die Übertragung von Rentenanwartschaften und der damit verbundene Abschlag im Versicherungskonto des Ausgleichspflichtigen bestehen (Senatsurteile vom 20.9.1988 - 5/4a RJ 45/87 - BSGE 64, 75 ff = SozR 5795 § 4 Nr 6 und vom 22.11.1988 - 5/4a RJ 65/87 - Juris RdNr 14 f; BSG SozR 5795 § 4 Nr 9). Die Voraussetzungen für die Anwendung der Anpassungs- bzw Härteregelung des § 4 VAHRG musste bei jedem Rentenanspruch neu geprüft werden, weil in ihrem Rahmen keine "Rückübertragung" von Anrechten stattfand, sondern eine Rentenkürzung (vorübergehend) ausgesetzt wurde. Folglich war der Abschlag (Malus) aus dem früheren Versorgungsausgleich bei der Summenbildung der EP als (negativer) Summand und damit bei der Wertfestsetzung von Hinterbliebenenrenten grundsätzlich wieder zu berücksichtigen. Der Hinterbliebene konnte aber gemäß § 9 Abs 2 VAHRG seinerseits den "Rückausgleich" beantragen, was in aller Regel mit dem Antrag auf Hinterbliebenenrente zumindest konkludent geschah(BSG SozR 3-5795 § 5 Nr 2).
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5. Die Regelung des § 9 Abs 2 VAHRG trat jedoch - wie das gesamte VAHRG - am 1.9.2009 außer Kraft (Art 23 S 2 Nr 2 VAStrRefG). Sie ist übergangsrechtlich nach diesem Stichtag nur noch in Ausnahmefällen anwendbar: Dabei greift die allgemeine Übergangsvorschrift des § 48 VersAusglG nur ein, wenn das Verfahren über den Versorgungsausgleich vor dem 1.9.2009 eingeleitet und an diesem Tag noch nicht beendet, sondern weiterhin anhängig war. Das ist nach den Feststellungen des SG vorliegend nicht der Fall. Darüber hinaus ist für Verfahren nach den §§ 4 bis 10 VAHRG, in denen der Antrag beim Versorgungsträger vor dem 1.9.2009 einging, das bis dahin geltende Recht weiterhin anzuwenden (§ 49 VersAusglG). Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind für Sterbefälle nach dem 31.8.2009 aber von vornherein nicht erfüllt, weil Hinterbliebene den "Rückausgleich" erst wirksam beantragen können, wenn ihre Anwartschaft auf Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch den Tod des Versicherten zum Vollrecht gegen den Versorgungsträger erstarkt ist (vgl BSGE 92, 113 = SozR 4-2600 § 46 Nr 1). Zu Lebzeiten des Versicherten waren sie (noch) nicht "Hinterbliebene", so dass ihnen die erforderliche Antragsberechtigung fehlte. Soweit der Versicherte zu Lebzeiten den "Rückausgleich" nach § 4 Abs 2 VAHRG erfolgreich beantragt hatte, konnte sich dieser Antrag (und der daraufhin erfolgte Rückausgleich) nur auf seine eigene Versicherten-, nicht jedoch auf künftige Hinterbliebenenleistungen seiner Angehörigen beziehen. Denn ein Antragsteller kann - schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen - immer nur in eigener Sache die Durchsetzung oder Wahrung individueller Rechte verfolgen (vgl dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl 2012, § 22 RdNr 68; Mutschler in Kass Komm, SGB X, Stand April 2012, § 18 RdNr 5). Auch wenn sich das Recht auf Hinterbliebenenrente aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger ableitet, geht es keinesfalls kraft Rechtsnachfolge über, sondern vermittelt dem Hinterbliebenen ein eigenständiges Recht auf entsprechende Leistungen (BSG SozR 4-2600 § 307b Nr 4; BSGE 90, 102 = SozR 3-2600 § 307b Nr 10). Ist danach das VersAusglG einschlägig, richtet sich das Recht, die Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person zu beantragen (§ 37 VersAusglG), allein nach § 38 Abs 1 S 2 VersAusglG. Danach ist (nur) die ausgleichspflichtige Person antragsberechtigt; Hinterbliebenen des Ausgleichspflichtigen steht - anders als nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden § 9 Abs 2 VAHRG - keine Antragsberechtigung mehr zu. Ihnen ist der Rückausgleich versperrt. Folglich ist der Abschlag aus dem früheren Versorgungsausgleich bei der Summenbildung der EP als (negativer) Summand und damit bei der Wertfestsetzung von Hinterbliebenenrenten grundsätzlich wieder zu berücksichtigen.
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6. Allerdings besteht für Hinterbliebenenrenten, die sich an eine andere Rente anschließen (sog Folgerente), gemäß § 88 Abs 2 SGB VI ein Besitz- bzw Bestandsschutz. Dessen Satz 1 lautet: "Hat der verstorbene Versicherte eine Rente aus eigener Versicherung bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente, werden ihr mindestens die bisherigen persönlichen EP des verstorbenen Versicherten zugrunde gelegt". Nach den bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) des SG sind die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm erfüllt. Der verstorbene Versicherte hat bis zum 31.1.2011 eine Rente aus eigener Versicherung bezogen (§ 102 Abs 5 SGB VI), und die Hinterbliebenenrente (große Witwenrente) der Klägerin begann nahtlos am 1.2.2011, dh innerhalb von 24 Kalendermonaten. Folglich sind der großen Witwenrente "mindestens die bisherigen persönlichen EP des verstorbenen Versicherten zugrunde" zu legen. Die "persönlichen EP" sind das Produkt aus der Summe aller EP (§ 66 Abs 1 SGB VI) und des Zugangsfaktors (§ 77 SGB VI) des verstorbenen Versicherten. Bei der hiernach erforderlichen Summierung aller EP ist der Abschlag aus dem Versorgungsausgleich (§ 66 Abs 1 Nr 4 SGB VI) unterblieben, weil die Versorgung des verstorbenen Versicherten gemäß § 4 VAHRG - von Anfang an(Senatsurteile vom 8.4.1987 - 5a RKn 6/86 - SozR 1300 § 48 Nr 36 und vom 29.9.1987 - 5b RJ 70/86 - AmtlMittLVA Rheinpr 1988, 136 sowie BSG SozR 5795 § 4 Nr 5) - nicht auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt wurde. Damit erhöhten sich seine persönlichen EP. Dies sind zugleich die "bisherigen" persönlichen EP der maßgeblichen Vorrente, auf die der Versicherte zuletzt vor Beginn der Folgerente Anspruch hatte (Stahl in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 88 RdNr 16), und die nunmehr bei der Berechnung der Folgerente "mindestens" zu Grunde zu legen sind. Dabei erstreckt sich der Besitzschutz auf die Gesamtzahl der persönlichen EP aus der Vorrente (BSG Urteil vom 22.10.1996 - 13/4 RA 111/94 - SozR 3-2600 § 88 Nr 2). Einem Hinterbliebenenrentner kommt unter diesen Voraussetzungen mittelbar zu Gute, dass der verstorbene Versicherte durch Antragstellung nach dem VAHRG aus verfassungsrechtlichen Gründen erreicht hatte, dass bei seiner eigenen Rente trotz des zu seinen Lasten durchgeführten Versorgungsausgleichs und entgegen der Grundregel des § 76 Abs 1 und 3, § 66 Abs 1 Nr 4 SGB VI kein Abschlag an EP erfolgt.
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Keinesfalls darf die Summe der persönlichen EP aus der Vorrente bei Berechnung der Folgerente in besitzgeschützte und nicht besitzgeschützte Anteile aufgespalten werden, so dass sich der Bestandsschutz nur auf die persönlichen EP erstreckt, die sich ohne Anwendung von Anpassungs- (§§ 32 ff VersAusglG) und Härteregelungen (§§ 4 bis 8 VAHRG) für die Rente des verstorbenen Ausgleichspflichtigen ergeben haben. Eine solche Befugnis zur Aufspaltung der besitzgeschützten Gesamtzahl der persönlichen EP sieht das Gesetz weder in § 88 SGB VI noch an anderer Stelle vor. Ein zeitlich (lex posterior derogat legi priori) oder inhaltlich (lex specialis derogat legi generali) vorrangiges Bundesgesetz, das den vertrauensschützenden Regelungsgehalt von § 88 Abs 2 S 1 SGB VI zu Lasten des Hinterbliebenen modifiziert(§ 31 SGB I), existiert nicht (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 14.2.2012 - L 18 R 684/11 - Juris RdNr 27). Deren Situation sollte - im Gegenteil - mit Einführung des § 88 SGB VI gerade in Abkehr von einem bloßen Zahlbetragsschutz, den noch die Vorgängerregelungen in § 1253 Abs 2 S 5, § 1254 Abs 2, § 1268 Abs 2 S 2 und § 1290 Abs 3 S 3 RVO vorsahen, durch Hinwendung zu einem Besitzschutz aller persönlichen EP verbessert werden, damit die Folgerente auf Basis der Vorrente dynamisiert (und damit oberhalb des bisherigen Zahlbetrags) geleistet werden kann(vgl Begründung zum Gesetzentwurf für das RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, 173). Dieses gesetzgeberische Ziel lässt sich nur über den Besitzschutz der persönlichen EP in ihrer Gesamtheit erreichen, und zwar nach § 88 Abs 1 SGB VI für weitere Versichertenrenten und gemäß § 88 Abs 2 SGB VI für zukünftige Hinterbliebenenrenten. Damit sichert das Gesetz das bisherige Rentenniveau, wahrt den erworbenen Lebensstandard des Versicherten und seiner Hinterbliebenen und schützt ihr Vertrauen auf den Fortbestand der existenzsichernden Rentenleistungen in bisheriger Höhe. Diese Regelung blieb auch im Rahmen des VAStrRefG unangetastet, mit dem das Recht des Versorgungsausgleichs neu geordnet und auch das SGB VI umfangreich geändert worden ist.
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7. Soweit die Beklagte auf eine mögliche Doppelbelastung der Versichertengemeinschaft hinweist, wenn die Hinterbliebenen des ausgleichspflichtigen Versicherten (wegen "Besitzschutzes des Rückausgleichs") einerseits und die Hinterbliebenen des ausgleichsberechtigten (geschiedenen) Ehegatten (aus dem im Versorgungsausgleich übertragenen Anrecht) andererseits jeweils ungekürzte Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhielten, lässt sich mit dieser wirtschaftlichen Überlegung und dem Postulat einer "Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs" keine teleologische Reduktion des weit formulierten § 88 Abs 2 S 1 SGB VI rechtfertigen(zur ökonomischen Analyse des Rechts und zur Berücksichtigung ökonomischer Folgen vgl Vesting, Rechtstheorie, 2007, RdNr 199 mwN). Das VAHRG erzielte Kostenneutralität weitgehend dadurch, dass die Leistungen aus dem Versorgungsausgleich, zu denen Versicherten- und Hinterbliebenenrenten zählten, auf die rückausgleichsbedingte Rentenerhöhung angerechnet wurden (§ 4 Abs 2 aE VAHRG). Eine solche Anrechnung von Leistungen sieht das VersAusglG nicht mehr vor. Vielmehr wird gemäß § 37 VersAusglG auf Antrag ein Anrecht des Ausgleichspflichtigen nicht länger auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichsberechtigte Person gestorben ist(Abs 1) und die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat (Abs 2). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erhält die ausgleichspflichtige Person eine ungekürzte Rente, wobei allerdings Anrechte erlöschen, die sie ihrerseits aus dem Versorgungsausgleich von der verstorbenen ausgleichsberechtigten Person erworben hat (§ 37 Abs 3 VersAusglG). Gleichzeitig und davon unabhängig erhalten auch die Hinterbliebenen der ausgleichsberechtigten Person ungekürzte Hinterbliebenenrenten auf der Grundlage der (familien-)gerichtlichen Versorgungsausgleichsentscheidung, so dass es im Ergebnis zu Doppelleistungen aus dem übertragenen Anrecht kommt. Um dies - zumindest partiell - auszugleichen, verlagert § 38 Abs 2 iVm § 34 Abs 3 VersAusglG den Beginn der Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person auf den ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folgt. Damit entfällt die Rentenkürzung bei der ausgleichspflichtigen Person frühestens am Ende des Monats, in dem die ausgleichsberechtigte Person gestorben ist, und nicht mehr - wie nach bisherigem Recht - rückwirkend ab Durchführung des Versorgungsausgleichs (Senatsurteile vom 8.4.1987 - 5a RKn 6/86 - SozR 1300 § 48 Nr 36 und vom 29.9.1987 - 5b RJ 70/86 - AmtlMittLVA Rheinpr 1988, 136 sowie BSG SozR 5795 § 4 Nr 5). Mithin wird der Zuwachs an Versorgungen bei der ausgleichsberechtigten Person (und deren Hinterbliebenen) "im Wesentlichen" über die (temporäre) Kürzung der Anrechte der ausgleichspflichtigen Person kompensiert (BT-Drucks 16/10144 S 44 zu VI. 1.). Hierbei gilt: Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Beginn der (gekürzten) Versichertenrente und dem Vorversterben der ausgleichsberechtigten Person ist, desto mehr profitiert die Versichertengemeinschaft von der versorgungsausgleichsbedingten Kürzung der Versichertenrente. Im umgekehrten Fall kann es - schon nach dem gesetzlichen Konzept des VersAusglG - auch zu versorgungsausgleichsbedingten Mehrbelastungen der Versichertengemeinschaft kommen.
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Diese durch das VersAusglG geschaffene Grundkonstellation (ungekürzte Rentenleistungen sowohl an die ausgleichspflichtige Person als auch an die Hinterbliebenen der ausgleichsberechtigten Person) hält § 88 Abs 2 S 1 SGB VI für das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung im Todesfall der ausgleichspflichtigen Person insoweit aufrecht, als an ihre Stelle ihre Hinterbliebenen treten (können). Das ist (verfassungs-)rechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber stand vor der Aufgabe, die Interessen und Belange dreier Personengruppen unter- und gegeneinander abzuwägen: Die Versorgung der Hinterbliebenen des ausgleichspflichtigen Versicherten, die Versorgung der Hinterbliebenen der ausgleichsberechtigten Person und das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Vermeidung finanzieller Mehrbelastungen durch den Versorgungsausgleich. Dem Interesse der Versichertengemeinschaft an der Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs trägt der Gesetzgeber durch die Anrechnungsregelung des § 4 Abs 2 VAHRG bzw durch den späten Beginn der Anpassung(§ 38 Abs 2 iVm § 34 Abs 3 VersAusglG) Rechnung. Außerdem erlaubt er die (zukunftsgerichtete) Anpassung ausschließlich in Härte- und damit nur in Ausnahmefällen; im Regelfall bleibt die Rentenminderung zu Lasten der ausgleichspflichtigen Person (und zu Gunsten der Versichertengemeinschaft) dauerhaft bestehen. Entscheidet sich der Gesetzgeber auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung in Härtefällen dafür, den Lebensstandard der Hinterbliebenen von ausgleichspflichtiger und ausgleichsberechtigter Person aus Vertrauensschutzgesichtspunkten auf dem bisherigen Niveau zu sichern, nimmt er damit Mehrbelastungen der Solidargemeinschaft bewusst in Kauf. Die Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs ist jedoch kein übergesetzliches Strukturprinzip mit Verfassungsrang, hinter dem die Belange der Hinterbliebenen zurücktreten müssten. Vielmehr stehen Rentenversicherungsanwartschaften und -ansprüche in einem ausgeprägten sozialen Bezug und sind Bestandteil eines Leistungssystems, dem eine besondere soziale Funktion zukommt. Diese soziale Funktion erlaubt es, den Grundsatz der Kostenneutralität partiell zurückzustellen und der Lebensstandardsicherung von Hinterbliebenen durch § 88 Abs 2 S 1 SGB VI Vorrang einzuräumen. Jedenfalls ist nicht erkennbar und wird von der Beklagten auch nicht aufgezeigt, dass der Gesetzgeber bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen die Belange der Versichertengemeinschaft iS von Art 3 Abs 1 GG willkürlich vernachlässigt haben könnte.
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8. Das SG wird im wieder eröffneten Klageverfahren die Höhe der persönlichen EP feststellen müssen, die der zuletzt bezogenen Versichertenrente zu Grunde lagen. Übersteigen die in diesem Sinne besitzgeschützten persönlichen EP die bisher ermittelten persönlichen EP, so sind sie der Rentenberechnung zu Grunde zu legen. Die maßgeblichen persönlichen EP sind sodann mit dem jeweils zutreffenden aktuellen Rentenwert (§ 63 Abs 7, §§ 65, 68, 69 SGB VI) und dem Rentenartfaktor zu multiplizieren, wobei zu beachten ist, dass die Rentenartfaktoren für die ersten drei Monate nach dem Todesmonat (so genanntes Sterbevierteljahr) mit 1,3333 (knappschaftliche Rentenversicherung) bzw 1,0 (allgemeine Rentenversicherung) und anschließend mit 0,8 (knappschaftliche Rentenversicherung) und 0,6 (allgemeine Rentenversicherung) einzustellen sind (§ 67 Nr 6, § 255 Abs 1 und § 82 S 1 Nr 7, § 265 Abs 7 SGB VI).
(1) Hat ein Versicherter eine Rente wegen Alters bezogen, werden ihm für eine spätere Rente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt. Hat ein Versicherter eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine Rente, werden ihm für diese Rente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt. Satz 2 gilt bei Renten für Bergleute nur, wenn ihnen eine Rente für Bergleute vorausgegangen ist.
(2) Hat der verstorbene Versicherte eine Rente aus eigener Versicherung bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente, werden ihr mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte des verstorbenen Versicherten zugrunde gelegt. Haben eine Witwe, ein Witwer oder eine Waise eine Hinterbliebenenrente bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine solche Rente, werden ihr mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt.
(3) Haben Beiträge nach Beginn einer Rente wegen Alters noch nicht zu Zuschlägen an Entgeltpunkten geführt, werden bei der Folgerente zusätzlich zu den bisherigen persönlichen Entgeltpunkten auch persönliche Entgeltpunkte aus Zuschlägen an Entgeltpunkten aus Beiträgen nach Beginn der Rente wegen Alters zugrunde gelegt.
(4) Wird die Rente unter Anwendung der Absätze 1 bis 3 berechnet, entfällt auf den Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung der Anteil an persönlichen Entgeltpunkten, der in der Rente enthalten war, aus der sich der Besitzschutz an persönlichen Entgeltpunkten ergab.
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.