Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 28. Feb. 2012 - L 9 R 4943/11

bei uns veröffentlicht am28.02.2012

Tenor

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Oktober 2011 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Die 1959 geborene Klägerin war als ungelernte Arbeiterin - zuletzt bis Oktober 1999 - in wechselnden Beschäftigungsverhältnissen beschäftigt. Seit 2005 bezieht sie Arbeitslosengeld II.
In ihrem Antrag vom 01.12.2010 verwies sie auf chronische Rückenschmerzen und legte hierzu Bescheinigungen des Praktischen Arztes Dr. von K. vor. In dem daraufhin in Auftrag gegebenen Gutachten von Dr. W. vom 11.02.2011 wurden chronische Rückenschmerzen bei degenerativen Veränderungen der LWS mit schmerzhafter Einschränkung der Beweglichkeit, eine arterielle Hypertonie und nächtliche Brachialgien mit Missempfindungen der Finger festgestellt. Dr. W. führte aus, dass in der Zusammenschau der Diagnosen und Befunde das Leistungsvermögen auf Grund der degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule sowie aufgrund der arteriellen Hypertonie qualitativ, jedoch nicht quantitativ eingeschränkt sei. Nicht mehr möglich seien körperlich schwere und mittelschwere Tätigkeiten, Tätigkeiten mit Wirbelsäulenzwangshaltungen und repetitiven Bewegungen in den Handgelenken. Unter Berücksichtigung dieser Leistungseinschränkungen seien körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiterhin vollschichtig möglich. Durch Rehabilitationsmaßnahmen wäre eine Besserung zu erzielen, die Klägerin könne eine solche auf Grund der Pflege/Versorgung ihres Lebensgefährten jedoch nicht durchführen.
Mit Bescheid vom 16.02.2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung ab. Den unter Vorlage eines weiteren ärztlichen Attestes von Dr. von K. begründeten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2011 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 24.05.2011 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben.
Zur Begründung hat sie geltend gemacht, aufgrund der vorliegenden Krankheiten und Behinderung außer Stande zu sein, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen sachverständiger Zeugenaussagen beim Hausarzt Dr. von K. sowie beim behandelnden Orthopäden Dr. T.. Dr. von K. hat mitgeteilt („Ärztliches Attest“ vom 18.07.2011), dass die Klägerin seit Oktober 2008 aufgrund eines schweren chronischen Lumbalsyndroms mit teils pseudoradikulärer Ausstrahlung arbeitsunfähig sei. Der Bewegungsumfang sei im Vergleich zu den Schmerzangaben nur mäßig eingeschränkt. Inwieweit eine psychosomatische Komponente eine Rolle spiele, lasse sich durch explorative Gespräche nicht sicher beantworten. Trotz intensiver Krankengymnastik und fachorthopädischer Betreuung habe sich der Zustand auch unter Schmerztherapie nicht wesentlich geändert. Aufgrund des langen Krankheitsverlaufs sei das chronifizierte Schmerzsyndrom führend und eine Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit erscheine ihm nicht möglich. Dr. T. hat unter dem 02.09.2011 über Behandlungen der Klägerin seit März 2010 berichtet. Die regelmäßige Durchführung einer leichten körperlichen Erwerbstätigkeit von sechs Stunden pro Tag sei aufgrund von degenerativen Veränderungen der LWS durch die Klägerin nur dann durchführbar, wenn regelmäßige Pausen eingehalten werden könnten und wenn Zwangshaltungen vermieden würden. Sämtliche Tätigkeiten in vornübergebeugter Haltung könne sie nicht mehr ausüben.
Mit einem am 19.09.2011 beim SG eingegangen Schriftsatz vom 16.09.2011 haben sich Bevollmächtigte für die Kläger legitimiert. Sie haben ausgeführt, dass die Klägerin krankheitsbedingt nicht mehr erwerbsfähig und damit nicht mehr in der Lage sei, täglich mehr als drei Stunden, geschweige denn täglich mehr als sechs Stunden zu arbeiten. Sie haben sich zur Begründung auf ein einzuholendes umfassendes, sowohl orthopädisches als auch psychiatrisches Sachverständigengutachten bezogen. Die auf orthopädischem Fachgebiet konzentrierenden Krankheitsbilder hätten längst zu einer chronischen Schmerzbelastung der Klägerin geführt, welche sich inzwischen auch auf ihre psychische Verfassung auswirke. Eine psychiatrische/psychologische Behandlung habe bislang nicht stattgefunden. Die Überweisung zu einem entsprechenden Facharzt sei jedoch inzwischen erfolgt.
Das SG hat einem mit dem Namen der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichneten Schreiben vom 21.09.2011 auf die Absicht hingewiesen, ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen. Es hat den Beteiligten Gelegenheit gegeben, sich bis 14.10.2011 zu der beabsichtigten Verfahrensweise zu äußern.
10 
Mit einem am 12.10.2011 eingegangen Schriftsatz haben die Bevollmächtigten mitgeteilt, dass die Klägerin auf der Einholung eines orthopädischen als auch psychiatrischen Sachverständigengutachtens beharre und dies nunmehr der Gestalt, dass sie einen Antrag gemäß § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) stelle. Die Klägerin halte sich für die Erbringung des nötigen Sachverständigenvorschusses, um dessen Bemessung das Gericht gebeten werde, bereit.
11 
Den Bevollmächtigten der Klägerin ist am 27.10.2011 der Gerichtsbescheid des SG vom 18.10.2011 zugestellt worden. Das SG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei. Dem im Schriftsatz vom 11.10.2011 gestellten Antrag gemäß § 109 Abs. 1 SGG sei nicht nachzukommen gewesen, weil die rechtsanwaltlich vertretene Klägerin keinen wirksamen Antrag nach § 109 SGG gestellt habe. Für einen solchen sei es notwendig, dass ein bestimmter Arzt benannt werde, der mit der Begutachtung beauftragt werden solle. Weil die rechtsanwaltlich vertretene Klägerin dies versäumt habe, sei dem Begehren auf antragsgemäße Beweiserhebung in Gestalt der Einholung eines umfassenden, sowohl orthopädischen als auch psychiatrischen Sachverständigengutachtens nicht nachzukommen gewesen, weil die bereits durchgeführte Ermittlung von Amts wegen für die Erkenntnis der Kammer ausreichend gewesen sei. Aufgrund der rechtsanwaltlichen Vertretung habe die Klägerin auch nicht noch einmal zur Nennung eines bestimmten Arztes aufgefordert werden müssen, weil ein Rechtsanwalt von den Formerfordernissen eines Antrages nach § 109 SGG wissen und die Klägerin sich dies zurechnen lassen müsse.
12 
Hiergegen hat die Klägerin am 11.11.2011 Berufung eingelegt.
13 
Die Klägerin hält die Auffassung des SG für rechtsirrig, wonach der Beweisantrag nach § 109 SGG habe unbeachtet bleiben dürfen, weil sogleich ein bestimmter Arzt, welcher mit der Begutachtung habe beauftragt werden sollen, zu benennen gewesen wäre. Eine solche Anforderung werde vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt. Zwar spreche § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG in der Tat von einem „bestimmten Arzt“. Diese Regelung gebe aber nichts dafür her, dass ein Antrag gemäß § 109 Abs. 1 SGG sich als unwirksam erweise, wenn nicht - schon bei dieser Antragstellung - auch der vom Gericht zu beauftragende Gutachter benannt werde. Die Erwägung des SG, vorliegend gehe es um ein anwaltliches Versäumnis, worauf eben wegen der anwaltschaftlichen Vertretung nicht hingewiesen zu werden brauchte, verkenne die Reichweite des den Verfahrensbeteiligten gemäß § 62 SGG „vor jeder Entscheidung“ zu gewährenden rechtlichen Gehörs. Schließlich gelte dies umso mehr, als dem Prozessbevollmächtigten eine andere „Übung“ Seitens des Sozialgerichts Freiburg bekannt und vertraut sei. Der Gerichtsbescheid leide damit an einem wesentlichen Mangel. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 Ziffer 3 SGG erfüllt, nachdem die Klägerin hiermit unter Wiederholung des Beweisantrages vom 11.10.2011 die Ärzte, welche das orthopädische und psychiatrische Sachverständigengutachten erstellen sollen, namentlich benannt habe.
14 
Die Klägerin beantragt,
15 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Oktober 2011 aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht Freiburg zurückzuverweisen,
16 
hilfsweise den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Oktober 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 29. April 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren,
17 
höchsthilfsweise die im Schriftsatz vom 08.11.2011 genannten Ärzte als Sachverständige gemäß § 109 SGG mit der Erstellung eines Gutachtens zu beauftragen.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die gemäß §§ 143, 144 Abs.1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist im Sinne der Aufhebung des angegriffenen Gerichtsbescheids und der Zurückverweisung der Streitsache an das SG auch begründet.
22 
Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der ab 1. Januar 2012 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 3057) kann das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung (hier: der Gerichtsbescheid) auf ihm beruhen kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 159 SGG Rdnr. 3a).
23 
Das Verfahren unterlag bereits deshalb einem wesentlichen Mangel, weil das SG die Tragweite des § 109 SGG verkannt hat sowie seiner prozessualen Fürsorgepflicht und den sich aus den §§ 105 und 106 Abs. 1 SGG ergebenden Hinweispflichten nicht nachgekommen war. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs liegt darüber hinaus ebenfalls vor.
24 
Zunächst erfordert § 105 SGG nicht nur den formelhaften Hinweis auf die Absicht durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, sondern eine konkrete, fallbezogene Auseinandersetzung mit dem Sach- und Streitstand (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O., § 105, Rn 10 m.w.N.;) die sich hier schon deshalb hätte aufdrängen müssen, weil das SG der Einschätzung des als Zeugen gehörten Arztes Dr. von K. nicht zu folgen beabsichtigte und die Einschätzung von Dr. T., eine Erwerbstätigkeit sei nur dann 6 Stunden am Tag zumutbar, wenn regelmäßige Pausen eingehalten werden könnten, ebenfalls nicht zwingend gegen den geltend gemachten Anspruch sprach. Schließlich ignorierte die rein formelhafte, allein den Gesetzestext wiederholende Mitteilung der Absicht durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, den Vortrag der Klägerin, die chronische Schmerzbelastung wirke sich auch auf ihre psychische Verfassung aus, weshalb sie sich zum Beweis (auch) auf die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens berief. Dass das SG einer entsprechenden Beweisanregung nicht nachgehen wollte und weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht für erforderlich hielt, ergibt sich allenfalls konkludent aus der - wohl vom Vorsitzenden stammenden - Verfügung vom 20.09.2011 und des von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle dann umgesetzten „Justus-Hinweis GB“ (zur Notwendigkeit der Unterzeichnung der Verfügung durch den Richter mit vollem Namen sowie dessen Wiedergabe in der Ausfertigung/beglaubigte Abschrift vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 09.11.2010, L 12 R 793/09; BSG Urteil v. 01.07.2010, B 13 R 58/09 R [zur sog. „Betreibensaufforderung“], beide in Juris). Eine Begründung für das Vorgehen und eine Auseinandersetzung hiermit enthält der Hinweis nicht, weshalb die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 11.10.2011 ausdrücklich klargestellt hat, auf der antragsgemäßen Beweiserhebung in Gestalt der Einholung eines umfassenden, sowohl orthopädischen als auch psychiatrischen Sachverständigengutachtens zu beharren. Insoweit stellte sie „Antrag gem. § 109 Abs. 1 SGG“ und teilte mit, sie halte sich für die Erbringung des nötigen Sachverständigenvorschusses, um dessen Bemessung gebeten werde, bereit. Die Fürsorgepflicht der Kammer verlangte nach Überzeugung des Senats spätestens zu diesem Zeitpunkt den Hinweis darauf, dass und aus welchem Grund weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht für erforderlich erachtet wurden und dass deshalb (auch weiterhin) beabsichtigt sei, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Dieser Hinweis hätte - was ebenfalls aus der Fürsorgepflicht der Kammer folgt - mit dem Hinweis verbunden werden müssen, dass und in welcher Frist ein Arzt benannt werden muss - verbunden mit der regelmäßig erfolgenden Festsetzung des einzuzahlenden Kostenvorschusses. Hierzu hatte die Klägerin bereits aufgefordert. Angesichts dieses Verfahrensverlaufes und des gestellten Antrages durfte die Klägerin darauf vertrauen, dass nicht „ohne weiteres“ entschieden werde.
25 
Daran ändert nichts, dass (noch) kein bestimmter Arzt benannt worden war. Zwar erfordert ein vollständiger Antrag nach § 109 SGG die Benennung eines bestimmten bzw. zumindest bestimmbaren Arztes. Aufgrund der prozessualen Hinweis- und Fürsorgepflicht gemäß § 106 Abs. 1 SGG, die insoweit auch gegenüber fachkundig vertretenen Beteiligten gilt, kann das Gericht einen unvollständigen Antrag jedoch erst dann ablehnen, wenn die erforderlichen Angaben nicht innerhalb einer angemessenen Frist nachgeholt werden (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 109 Anm. 3).
26 
Deshalb kann ein hinsichtlich der Benennung des Arztes unvollständiger, aber im Übrigen unbedingt gestellter Antrag nach § 109 SGG nicht abgelehnt werden, bevor dem Beteiligten nicht vorab Gelegenheit zur Vervollständigung seines Antrags innerhalb angemessener Frist gegeben worden ist. Denn die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 11.10.2011 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie von ihrem Recht nach § 109 Abs.1 SGG Gebrauch machen will. Soweit in der Literatur (Keller a.a.O., § 109, Rn 4) die Auffassung vertreten wird, es handele sich noch nicht um einen wirksamen Antrag, wenn der Arzt noch nicht benannt ist, sondern nur um die Ankündigung eines zukünftigen Antrags, folgt der Senat dem in dieser Allgemeinheit nicht. Denn in vorliegendem Fall war unmissverständlich eine Antragstellung gewollt, was schon dadurch zum Ausdruck gekommen ist, dass die Klägerin sich für die Zahlung eines zu benennenden Kostenvorschusses bereit gehalten und um eine entsprechende Mitteilung nachgesucht hat. Sie hat sich damit nicht nur einen entsprechenden Antrag vorbehalten, sondern sie hat ihn unbedingt gestellt. Wie bei allen anderen Anträgen ist jedoch auch ein Antrag nach § 109 SGG bereits dann rechtswirksam gestellt und dementsprechend vom Gericht zu bescheiden, wenn er ohne (unzulässige) Bedingungen gestellt wird. Erfüllt ein solcher wirksam gestellter Antrag nicht die gesetzlichen Voraussetzungen, kann er vom Gericht abgelehnt werden, nicht jedoch als noch nicht wirksam gestellter Antrag unbeachtet bleiben (so schon LSG Niedersachsen-Bremen Urteil v. 28.08.2008, L 1 R 303/06, in Juris).
27 
Gründe den Antrag nach § 109 Abs. 2 SGG abzulehnen, lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung des SG nicht vor. Danach ist eine Ablehnung des Beweisantrags nur dann möglich, wenn der Antrag entweder (lediglich) in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. In beiden Fallkonstellationen muss zudem festgestellt werden, dass es bei einer Zulassung des Beweisantrags zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits kommt.
28 
Anhaltspunkte für eine Verschleppungsabsicht der Klägerin oder ihres Bevollmächtigten liegen schon nicht vor, zumal sich die Klägerin regelmäßig innerhalb der vom SG gewährten Fristen geäußert hat. Für eine verspätete Antragstellung, die zudem aus grober Nachlässigkeit erfolgt sein müsste, lassen sich ebenfalls keine Argumente finden, nachdem die Klägerin erstmals aus der Verfügung der Kammer vom 21.09.2011 schließen musste, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht durchgeführt werden und die Klage ohne Erfolg bleiben würde. Hierauf hatte sie mit Schriftsatz vom 11.10.2011 noch innerhalb der gewährten Frist reagiert. Angesichts der Zustellung dieser Verfügung erst am 26.09.2011 verblieben der Klägerin im Übrigen auch nur weniger als 3 Wochen zur Prüfung, ob ein Antrag gestellt werden soll und welcher oder welche Ärzte hierfür benannt werden können. Allein diese kurze Frist dürfte einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne weiteren Hinweis und nach Eingang des Schreibens des Bevollmächtigten entgegengestanden haben.
29 
Letztlich wäre auch keine Verzögerung des Rechtsstreits selbst bei einer sofortigen Benennung der oder des Sachverständigen vor Ablauf der gesetzten Frist (14.10.2011) eingetreten. Denn das SG hätte vor Erlass der entsprechenden Beweisanordnung den erforderlichen Kostenvorschuss anfordern müssen. Eine zeitnahe Entscheidung unmittelbar nach Fristablauf - entweder mittels Beweisanordnung nach § 109 SGG oder aber mittels abschießender Entscheidung durch Gerichtsbescheid - wäre verfahrensfehlerfrei vielmehr lediglich dann möglich gewesen, wenn das SG verbunden mit dem Hinweis auf die beabsichtigte Entscheidung nach § 105 SGG konkret auf § 109 SGG und die dabei zu erfüllenden Voraussetzungen (Benennung des Arztes mit ladungsfähiger Anschrift, Kostenvorschuss, Frist) hingewiesen hätte.
30 
Die dargelegten Verfahrensfehler, auf denen die Entscheidung des SG beruhen kann, erfüllen den Tatbestand des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Hiernach kann das LSG die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn auf Grund eines wesentlichen Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Das Verfahren beim SG leidet an mehreren wesentlichen Verfahrensmängeln (s.o.). Durch die rechtsfehlerhafte Ablehnung des Beweisantrags nach § 109 SGG sind auch (noch) umfangreiche und aufwendige Ermittlungen notwendig, nachdem die Klägerin an der Anhörung von Sachverständigen auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet festhält und diese auch mit der Berufung namentlich bezeichnet hat. Damit sind auch die Voraussetzungen des § 159 Abs.1 SGG in der seit 01.01.2012 anzuwendenden Fassung erfüllt (s. a. LSG B.-W., Urteil v. 24.01.2012, L 13 AS 1671/11).
31 
Da das Verfahren infolge der verfahrensfehlerhaften Ablehnung des Antrags nach § 109 SGG noch nicht entscheidungsreif ist, hält der erkennende Senat eine Zurückverweisung an das SG gem. § 159 SGG für geboten anstatt selbst – nach noch durchzuführender Beweisaufnahme nach § 109 SGG – in der Sache zu entscheiden. Dies entspricht auch dem vorrangig mit der Berufung geltend gemachten Begehren der Klägerin, sodass die infolge der Aufhebung und Zurückverweisung eintretende Verzögerung hinter dem Interesse an einer ordnungsgemäßen Erledigung des erstinstanzlichen Verfahrens zurückzutreten hat.
32 
Die Kostenentscheidung bleibt der erneuten Entscheidung des SG vorbehalten.
33 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Gründe

 
21 
Die gemäß §§ 143, 144 Abs.1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist im Sinne der Aufhebung des angegriffenen Gerichtsbescheids und der Zurückverweisung der Streitsache an das SG auch begründet.
22 
Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der ab 1. Januar 2012 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 3057) kann das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung (hier: der Gerichtsbescheid) auf ihm beruhen kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 159 SGG Rdnr. 3a).
23 
Das Verfahren unterlag bereits deshalb einem wesentlichen Mangel, weil das SG die Tragweite des § 109 SGG verkannt hat sowie seiner prozessualen Fürsorgepflicht und den sich aus den §§ 105 und 106 Abs. 1 SGG ergebenden Hinweispflichten nicht nachgekommen war. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs liegt darüber hinaus ebenfalls vor.
24 
Zunächst erfordert § 105 SGG nicht nur den formelhaften Hinweis auf die Absicht durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, sondern eine konkrete, fallbezogene Auseinandersetzung mit dem Sach- und Streitstand (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O., § 105, Rn 10 m.w.N.;) die sich hier schon deshalb hätte aufdrängen müssen, weil das SG der Einschätzung des als Zeugen gehörten Arztes Dr. von K. nicht zu folgen beabsichtigte und die Einschätzung von Dr. T., eine Erwerbstätigkeit sei nur dann 6 Stunden am Tag zumutbar, wenn regelmäßige Pausen eingehalten werden könnten, ebenfalls nicht zwingend gegen den geltend gemachten Anspruch sprach. Schließlich ignorierte die rein formelhafte, allein den Gesetzestext wiederholende Mitteilung der Absicht durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, den Vortrag der Klägerin, die chronische Schmerzbelastung wirke sich auch auf ihre psychische Verfassung aus, weshalb sie sich zum Beweis (auch) auf die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens berief. Dass das SG einer entsprechenden Beweisanregung nicht nachgehen wollte und weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht für erforderlich hielt, ergibt sich allenfalls konkludent aus der - wohl vom Vorsitzenden stammenden - Verfügung vom 20.09.2011 und des von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle dann umgesetzten „Justus-Hinweis GB“ (zur Notwendigkeit der Unterzeichnung der Verfügung durch den Richter mit vollem Namen sowie dessen Wiedergabe in der Ausfertigung/beglaubigte Abschrift vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 09.11.2010, L 12 R 793/09; BSG Urteil v. 01.07.2010, B 13 R 58/09 R [zur sog. „Betreibensaufforderung“], beide in Juris). Eine Begründung für das Vorgehen und eine Auseinandersetzung hiermit enthält der Hinweis nicht, weshalb die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 11.10.2011 ausdrücklich klargestellt hat, auf der antragsgemäßen Beweiserhebung in Gestalt der Einholung eines umfassenden, sowohl orthopädischen als auch psychiatrischen Sachverständigengutachtens zu beharren. Insoweit stellte sie „Antrag gem. § 109 Abs. 1 SGG“ und teilte mit, sie halte sich für die Erbringung des nötigen Sachverständigenvorschusses, um dessen Bemessung gebeten werde, bereit. Die Fürsorgepflicht der Kammer verlangte nach Überzeugung des Senats spätestens zu diesem Zeitpunkt den Hinweis darauf, dass und aus welchem Grund weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht für erforderlich erachtet wurden und dass deshalb (auch weiterhin) beabsichtigt sei, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Dieser Hinweis hätte - was ebenfalls aus der Fürsorgepflicht der Kammer folgt - mit dem Hinweis verbunden werden müssen, dass und in welcher Frist ein Arzt benannt werden muss - verbunden mit der regelmäßig erfolgenden Festsetzung des einzuzahlenden Kostenvorschusses. Hierzu hatte die Klägerin bereits aufgefordert. Angesichts dieses Verfahrensverlaufes und des gestellten Antrages durfte die Klägerin darauf vertrauen, dass nicht „ohne weiteres“ entschieden werde.
25 
Daran ändert nichts, dass (noch) kein bestimmter Arzt benannt worden war. Zwar erfordert ein vollständiger Antrag nach § 109 SGG die Benennung eines bestimmten bzw. zumindest bestimmbaren Arztes. Aufgrund der prozessualen Hinweis- und Fürsorgepflicht gemäß § 106 Abs. 1 SGG, die insoweit auch gegenüber fachkundig vertretenen Beteiligten gilt, kann das Gericht einen unvollständigen Antrag jedoch erst dann ablehnen, wenn die erforderlichen Angaben nicht innerhalb einer angemessenen Frist nachgeholt werden (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 109 Anm. 3).
26 
Deshalb kann ein hinsichtlich der Benennung des Arztes unvollständiger, aber im Übrigen unbedingt gestellter Antrag nach § 109 SGG nicht abgelehnt werden, bevor dem Beteiligten nicht vorab Gelegenheit zur Vervollständigung seines Antrags innerhalb angemessener Frist gegeben worden ist. Denn die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 11.10.2011 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie von ihrem Recht nach § 109 Abs.1 SGG Gebrauch machen will. Soweit in der Literatur (Keller a.a.O., § 109, Rn 4) die Auffassung vertreten wird, es handele sich noch nicht um einen wirksamen Antrag, wenn der Arzt noch nicht benannt ist, sondern nur um die Ankündigung eines zukünftigen Antrags, folgt der Senat dem in dieser Allgemeinheit nicht. Denn in vorliegendem Fall war unmissverständlich eine Antragstellung gewollt, was schon dadurch zum Ausdruck gekommen ist, dass die Klägerin sich für die Zahlung eines zu benennenden Kostenvorschusses bereit gehalten und um eine entsprechende Mitteilung nachgesucht hat. Sie hat sich damit nicht nur einen entsprechenden Antrag vorbehalten, sondern sie hat ihn unbedingt gestellt. Wie bei allen anderen Anträgen ist jedoch auch ein Antrag nach § 109 SGG bereits dann rechtswirksam gestellt und dementsprechend vom Gericht zu bescheiden, wenn er ohne (unzulässige) Bedingungen gestellt wird. Erfüllt ein solcher wirksam gestellter Antrag nicht die gesetzlichen Voraussetzungen, kann er vom Gericht abgelehnt werden, nicht jedoch als noch nicht wirksam gestellter Antrag unbeachtet bleiben (so schon LSG Niedersachsen-Bremen Urteil v. 28.08.2008, L 1 R 303/06, in Juris).
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Gründe den Antrag nach § 109 Abs. 2 SGG abzulehnen, lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung des SG nicht vor. Danach ist eine Ablehnung des Beweisantrags nur dann möglich, wenn der Antrag entweder (lediglich) in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. In beiden Fallkonstellationen muss zudem festgestellt werden, dass es bei einer Zulassung des Beweisantrags zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits kommt.
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Anhaltspunkte für eine Verschleppungsabsicht der Klägerin oder ihres Bevollmächtigten liegen schon nicht vor, zumal sich die Klägerin regelmäßig innerhalb der vom SG gewährten Fristen geäußert hat. Für eine verspätete Antragstellung, die zudem aus grober Nachlässigkeit erfolgt sein müsste, lassen sich ebenfalls keine Argumente finden, nachdem die Klägerin erstmals aus der Verfügung der Kammer vom 21.09.2011 schließen musste, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht durchgeführt werden und die Klage ohne Erfolg bleiben würde. Hierauf hatte sie mit Schriftsatz vom 11.10.2011 noch innerhalb der gewährten Frist reagiert. Angesichts der Zustellung dieser Verfügung erst am 26.09.2011 verblieben der Klägerin im Übrigen auch nur weniger als 3 Wochen zur Prüfung, ob ein Antrag gestellt werden soll und welcher oder welche Ärzte hierfür benannt werden können. Allein diese kurze Frist dürfte einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne weiteren Hinweis und nach Eingang des Schreibens des Bevollmächtigten entgegengestanden haben.
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Letztlich wäre auch keine Verzögerung des Rechtsstreits selbst bei einer sofortigen Benennung der oder des Sachverständigen vor Ablauf der gesetzten Frist (14.10.2011) eingetreten. Denn das SG hätte vor Erlass der entsprechenden Beweisanordnung den erforderlichen Kostenvorschuss anfordern müssen. Eine zeitnahe Entscheidung unmittelbar nach Fristablauf - entweder mittels Beweisanordnung nach § 109 SGG oder aber mittels abschießender Entscheidung durch Gerichtsbescheid - wäre verfahrensfehlerfrei vielmehr lediglich dann möglich gewesen, wenn das SG verbunden mit dem Hinweis auf die beabsichtigte Entscheidung nach § 105 SGG konkret auf § 109 SGG und die dabei zu erfüllenden Voraussetzungen (Benennung des Arztes mit ladungsfähiger Anschrift, Kostenvorschuss, Frist) hingewiesen hätte.
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Die dargelegten Verfahrensfehler, auf denen die Entscheidung des SG beruhen kann, erfüllen den Tatbestand des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Hiernach kann das LSG die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn auf Grund eines wesentlichen Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Das Verfahren beim SG leidet an mehreren wesentlichen Verfahrensmängeln (s.o.). Durch die rechtsfehlerhafte Ablehnung des Beweisantrags nach § 109 SGG sind auch (noch) umfangreiche und aufwendige Ermittlungen notwendig, nachdem die Klägerin an der Anhörung von Sachverständigen auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet festhält und diese auch mit der Berufung namentlich bezeichnet hat. Damit sind auch die Voraussetzungen des § 159 Abs.1 SGG in der seit 01.01.2012 anzuwendenden Fassung erfüllt (s. a. LSG B.-W., Urteil v. 24.01.2012, L 13 AS 1671/11).
31 
Da das Verfahren infolge der verfahrensfehlerhaften Ablehnung des Antrags nach § 109 SGG noch nicht entscheidungsreif ist, hält der erkennende Senat eine Zurückverweisung an das SG gem. § 159 SGG für geboten anstatt selbst – nach noch durchzuführender Beweisaufnahme nach § 109 SGG – in der Sache zu entscheiden. Dies entspricht auch dem vorrangig mit der Berufung geltend gemachten Begehren der Klägerin, sodass die infolge der Aufhebung und Zurückverweisung eintretende Verzögerung hinter dem Interesse an einer ordnungsgemäßen Erledigung des erstinstanzlichen Verfahrens zurückzutreten hat.
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Die Kostenentscheidung bleibt der erneuten Entscheidung des SG vorbehalten.
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Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

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(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 106


(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlich

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 159


(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn 1. dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,2. das Verfahren an einem wesent

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 28. Feb. 2012 - L 9 R 4943/11 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 28. Feb. 2012 - L 9 R 4943/11 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2012 - L 13 AS 1671/11

bei uns veröffentlicht am 24.01.2012

Tenor Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. März 2011 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen. Tatbestand   1 Streitig ist die von der Beklagten verfügt

Bundessozialgericht Urteil, 01. Juli 2010 - B 13 R 58/09 R

bei uns veröffentlicht am 01.07.2010

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 18. März 2009 aufgehoben. D

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(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn

1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 18. März 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landes-sozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Vormerkung rentenrechtlicher Zeiten. Mit der Revision wendet er sich gegen die Feststellung der Erledigung des Verfahrens durch eine fiktive Berufungsrücknahme.

2

Mit Bescheid vom 4.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.6.2004 stellte die Beklagte gemäß § 149 Abs 5 SGB VI die im Versicherungsverlauf des Klägers enthaltenen Daten für den Zeitraum bis zum 31.12.1996 verbindlich fest.

3

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.6.2007 mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger weder seinen Widerspruch noch die Klage begründet habe. Mangels Begründung sei nicht ersichtlich, inwieweit die Feststellung der Daten im Versicherungskonto rechtswidrig sein solle.

4

Im Berufungsverfahren hat das LSG den Kläger mehrmals vergeblich an die Vorlage der Berufungsbegründung erinnert. Die Geschäftsstelle des LSG-Senats hat mit Schreiben vom 19.8.2008, das auf einer durch den Berichterstatter unterschriebenen Verfügung vom selben Tage beruhte und mit dem Zusatz "auf richterliche Anordnung" durch eine(n) Justizangestellte(n) unterzeichnet war, den Kläger aufgefordert, (unter Hinweis auf § 153 Abs 1, § 106a SGG: bis zum 19.9.2008) die Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühle. Des Weiteren hat sie ihn darauf hingewiesen, dass die Berufung nach § 102 Abs 2 Satz 1, § 153 Abs 1 SGG als zurückgenommen gelte, wenn er das Verfahren trotz Aufforderung länger als drei Monate (gerechnet ab Zugang dieser Verfügung) nicht betreibe, dh die Berufung nicht begründe. Auf das ihm am 21.8.2008 zugestellte Schreiben hat sich der Kläger nicht zur Sache geäußert.

5

Am 16.12.2008 hat das LSG den Beteiligten mitgeteilt, dass die Berufung als zurückgenommen gelte. Hiergegen hat sich der Kläger mit Schriftsatz vom 21.12.2008 gewandt; er habe seine Berufung keinesfalls zurückgenommen, sondern warte auf einen Gerichtstermin. In der mündlichen Verhandlung vom 18.3.2009 hat er erklärt, der Versicherungsverlauf sei fehlerhaft, da dort (im Einzelnen bezeichnete) Zeiten der Arbeitslosigkeit und eines Rentenbezugs nicht angegeben seien.

6

Mit Urteil vom selben Tage hat das LSG festgestellt, dass das Verfahren durch Fiktion der Berufungsrücknahme erledigt sei. Die Vorschrift des § 102 Abs 2 SGG gelte gemäß § 153 Abs 1 SGG für das Berufungsverfahren entsprechend. Aus den Vorschriften über das Berufungsverfahren ergebe sich insoweit "nichts anderes" iS von § 153 Abs 1 SGG. Nicht zu folgen sei der in der Literatur vertretenen Auffassung, wonach die Rücknahmefiktion nach § 102 Abs 2 SGG ausschließlich für das Klageverfahren gelte, weil das SGG keine dem § 126 Abs 2 VwGO entsprechende Fiktion der Berufungsrücknahme enthalte. Offenbar habe der Gesetzgeber übersehen, dass es an einer gesetzlichen Regelung für fehlendes Betreiben im Berufungsverfahren mangele, denn auch in den Gesetzesmaterialien finde das Problem keine Erwähnung. Es liege eine unplanmäßige Lücke vor, die mangels erkennbar entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers durch entsprechende Anwendung des § 102 Abs 2 SGG auf das Berufungsverfahren zu schließen sei.

7

Die Voraussetzungen für eine Fiktion der Berufungsrücknahme seien erfüllt. Der Kläger habe innerhalb der ihm gesetzten Frist keine das Verfahren fördernde Äußerung gemacht. Nur mit entsprechender Mitwirkung des Versicherten durch Angaben zu den streitigen Zeiten seien weitere Ermittlungen des Versicherungsträgers ohne Beschränkung auf zugängliche Daten möglich. Entsprechendes gelte für eine sinnvolle gerichtliche Überprüfung des Vormerkungsbescheids. Trotz entsprechender Aufforderung habe der Kläger innerhalb der gesetzten Frist das Verfahren nicht durch Begründung der Berufung betrieben.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 156, § 153 Abs 1 und § 102 Abs 2 SGG. Die Rücknahmefiktion des § 102 Abs 2 SGG sei nicht gemäß § 153 Abs 1 SGG auf das Berufungsverfahren entsprechend anwendbar. In das SGG sei keine dem § 126 Abs 2 VwGO entsprechende Regelung der Fiktion einer Berufungsrücknahme aufgenommen worden. Die Berufungsrücknahme sei im sozialgerichtlichem Verfahren in § 156 SGG speziell und abschließend geregelt, was die Anwendung des § 102 Abs 2 SGG ausschließe. Sachlich begründete Anhaltspunkte für den nach § 102 Abs 2 SGG vorausgesetzten Wegfall des Rechtsschutzinteresses im Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung habe das LSG nicht festgestellt.

9

           

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des LSG Hamburg vom 18.3.2009 und den Gerichtsbescheid des SG Hamburg vom 15.6.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 4.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.6.2004 zu verpflichten, für die Zeiten vom 12.2.1993 bis 21.6.1994 eine Anrechnungszeit wegen Rentenbezugs nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB VI vorzumerken;
hilfsweise, das Urteil des LSG vom 18.3.2009 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

10

           

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Klägers hat iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung Erfolg (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

14

Das LSG hat zu Unrecht festgestellt, dass das Berufungsverfahren durch Fiktion der Rücknahme der Berufung erledigt sei. Denn dafür fehlt es im SGG an einer gesetzlichen Grundlage (1.). Auch eine gemäß § 153 Abs 1 SGG entsprechende Anwendung des § 102 Abs 2 SGG (Klagerücknahmefiktion) kommt iS einer Fiktion der Rücknahme der Berufung bei Nichtbetreiben nicht in Betracht (2.). Überdies wären die Voraussetzungen für den Eintritt einer - unterstelltermaßen entsprechend § 102 Abs 2 Satz 1 SGG möglichen - Rücknahmefiktion nicht gegeben (3.).

15

           

1. Mit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26.3.2008 (BGBl I 444) wurde mit Wirkung vom 1.4.2008 in Abs 2 des § 102 SGG eine Fiktion der Klagerücknahme bei Nichtbetreiben eingefügt. Die Norm lautet:
"Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs 1 Satz 1 (SGG) in Verbindung mit § 155 Abs 2 VwGO ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen."
Bei der fingierten Klagerücknahme handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Fall des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG, BT-Drucks 16/7716 S 19 zu Nummer 17 <§ 102>; Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, Vor § 51 RdNr 16); sie erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache (§ 102 Abs 2 Satz 2 iVm Abs 1 Satz 2 SGG). Eine Regelung zur Fiktion der Berufungsrücknahme hat der Gesetzgeber im SGG hingegen nicht getroffen.

16

2. Die Klagerücknahmefiktion des § 102 Abs 2 SGG ist nicht iS der Fiktion einer Berufungsrücknahme entsprechend anzuwenden.

17

Nach § 153 Abs 1 SGG gelten für das Verfahren vor den Landessozialgerichten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 SGG entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt (= Erster Unterabschnitt des Zweiten Abschnitts des Zweiten Teils des SGG, der die Bestimmungen über die Berufung in den §§ 143 bis 159 SGG umfasst) nichts anderes ergibt. Bei den in Bezug genommenen "Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug" handelt es sich um die im Vierten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Zweiten Teils des SGG aufgeführten Vorschriften der §§ 87 bis 122 SGG(BSG Urteil vom 5.7.1979 - 9 RV 72/77 - SozR 1750 § 543 Nr 2 S 2). Danach ist zwar auch § 102 SGG grundsätzlich nicht von der Anordnung der entsprechenden Geltung im Berufungsverfahren ausgenommen. Die Vorschrift über die Fiktion der Klagerücknahme in § 102 Abs 2 SGG ist jedoch nicht gemäß § 153 Abs 1 SGG im LSG-Verfahren iS einer Fiktion der Berufungsrücknahme entsprechend anwendbar.

18

Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes (a), der Entstehungsgeschichte der Norm (b), dem Vergleich mit der Rechtslage nach der VwGO (c), einem fehlenden Bedürfnis für ein derartiges Rechtsinstitut (d) und dem Ausnahmecharakter der Klagerücknahmefiktion (e).

19

a) Schon der Wortlaut des § 102 Abs 2 Satz 1 SGG, wonach die "Klage" und nicht die "Berufung" als zurückgenommen gilt, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt, steht einer gemäß § 153 Abs 1 SGG entsprechenden Anwendung dieser Regelung auf die Berufung entgegen.

20

Über § 153 Abs 1 SGG kann nicht das Wort "Berufung" in § 102 Abs 2 SGG hineingelesen werden(vgl Leopold, SGb 2009, 458, 463). Denn auch andere Vorschriften über "das Verfahren im ersten Rechtszug", deren entsprechende Geltung § 153 Abs 1 SGG bestimmt und die Regelungen über die "Klage" enthalten, sind im Berufungsverfahren nicht derart erweiternd anzuwenden. Die entsprechende Geltung dieser Vorschriften (zB Klageänderung nach § 99 SGG oder Widerklage nach § 100 SGG) gemäß § 153 Abs 1 SGG umfasst keine Ersetzung des Begriffs "Klage" durch "Berufung". Ein Grund für eine unterschiedliche Auslegung je nachdem, welche Norm in Bezug genommen wird, ist nicht ersichtlich.

21

Überdies findet sich im Ersten Unterabschnitt des Zweiten Abschnitts des Zweiten Teils des SGG, der die Vorschriften für das Verfahren der Berufung umfasst, für die Berufung in § 156 SGG eine spezielle Regelung über ihre "Zurücknahme". Eine § 102 Abs 2 SGG entsprechende Bestimmung für die Berufung iS einer Fiktion ihrer Rücknahme bei Nichtbetreiben enthält die Norm aber nicht. Schon von daher trifft die Ansicht des LSG nicht zu, aus den entsprechenden Vorschriften über das Berufungsverfahren ergebe sich "nichts anderes" iS des § 153 Abs 1 SGG(aA auch LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 15.10.2009 - L 33 R 290/09 WA - Juris RdNr 32, ohne eigenständige Begründung unter Hinweis auf das hier angefochtene LSG-Urteil).

22

b) Aus den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren ergeben sich keinerlei Hinweise dafür, dass der Gesetzgeber die Regelung in § 102 Abs 2 SGG in entsprechender Anwendung gemäß § 153 Abs 1 SGG auf die Berufungsrücknahme ausdehnen wollte.

23

Ziel des SGGArbGGÄndG war es, eine Vereinfachung und Straffung des sozialgerichtlichen Verfahrens herbeizuführen, um dadurch die Sozialgerichtsbarkeit nachhaltig zu entlasten (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 16/7716 S 1 f, 12 ff). Dies sollte durch eine Vielzahl von Maßnahmen geschehen. Die Einführung einer Berufungsrücknahmefiktion zur Entlastung der Landessozialgerichte war aber im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG nicht vorgesehen (vgl BT-Drucks 16/7716 S 13 f); insoweit sah dieser zur Entlastung der Sozialgerichte und Straffung des dortigen Verfahrens lediglich die Fiktion einer Klagerücknahme vor (BT-Drucks 16/7716 S 13). Eine fiktive Berufungsrücknahme wurde auch - soweit ersichtlich - im gesamten Gesetzgebungsverfahren weder im Bundesrat noch in den Ausschüssen oder im Plenum des Bundestags erörtert.

24

           

In der Einleitung der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG heißt es zum Entwurf des § 102 Abs 2 SGG, der in seinem Satz 1 mit der späteren Gesetzesfassung übereinstimmt, wie folgt(BT-Drucks 16/7716 S 19 zu Nummer 17 <§ 102>):

 "Die Fiktion einer Klagerücknahme wird für die Fälle eingeführt, in denen der Kläger oder die Klägerin ungeachtet einer Aufforderung des Gerichts nicht fristgemäß die vom Gericht als geboten angesehene Mitwirkungshandlung erbringt oder hinreichend substantiiert darlegt, warum er oder sie die geforderte Handlung nicht vornehmen kann. Die Klagerücknahmefiktion des Absatzes 2 ist an § 92 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angelehnt, der mit dem 6. VwGOÄndG vom 1. November 1996 (BGBl. I S. 1626) eingefügt wurde und § 81 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) nachgebildet ist. Die Verkürzung auf die Zweimonatsfrist durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) wurde wegen der Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens auf drei Monate erstreckt. Damit soll insbesondere dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die vor den Sozialgerichten vorwiegend klagenden bedürftigen oder kranken Menschen zur Entscheidungsfindung über die Klagerücknahme mehr Zeit brauchen …"

25

           

Die Begründung schließt mit dem Hinweis (aaO, S 20):

 "… Die Regelungen über die fiktive Klagerücknahme gelten auch im einstweiligen Rechtsschutz."

26

Demnach sollen zwar die Regelungen über die fiktive Klagerücknahme im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Anwendung finden. Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Rücknahmefiktion - unabhängig davon, ob eine solche dort überhaupt praktische Relevanz haben kann (vgl hierzu Bienert, NZS 2009, 554, 559; Leopold, SGb 2009, 458, 462, ua mit dem Hinweis, dass das gerichtliche Abwarten der in § 102 Abs 2 Satz 1 SGG genannten Dreimonatsfrist nicht zum Eilcharakter des Verfahrens "passt") - ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung in entsprechender Anwendung des § 102 Abs 2 SGG zulässig ist(bejahend Bienert, aaO; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 102 RdNr 8; verneinend Leopold, aaO). Jedenfalls findet sich kein Hinweis dafür, dass § 102 Abs 2 SGG iS einer Fiktion der Berufungsrücknahme über § 153 Abs 1 SGG entsprechend anwendbar sein soll. Vielmehr wird dort nur verlautbart, dass in § 102 Abs 2 SGG die "Fiktion einer Klagerücknahme … eingeführt" wird und diese "angelehnt" ist an § 92 Abs 2 VwGO; ersichtlich sollte somit der Regelungsgehalt der Parallelvorschrift des § 92 Abs 2 VwGO in das SGG "übernommen" werden. Die "Fiktion einer Berufungsrücknahme" wird nicht erwähnt; ebenso wird an keiner Stelle ein Bezug zur Regelung der Berufungsrücknahmefiktion in § 126 Abs 2 VwGO hergestellt. Nichts anderes ergibt sich aus den sonstigen Materialien zum SGGArbGGÄndG (Stellungnahme des Bundesrats Drucks 16/7716 s 29 f>; Gegenäußerung der Bundesregierung ; zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Gesetzentwurfs im Bundestag vom 17.1.2008, Plenarprotokoll 16/136 S 14417 - 14422 (Anlage 6); Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 20.2.2008 ). Auch sie enthalten keinen Hinweis darauf, dass nach dem "Willen" des Gesetzgebers eine "fiktive Berufungsrücknahme" in entsprechender Anwendung des § 102 Abs 2 SGG ermöglicht werden sollte.

27

c) Der Vergleich mit den in der VwGO normierten Rücknahmefiktionen spricht ebenfalls gegen die Annahme einer Fiktion der Berufungsrücknahme im SGG ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung.

28

Die Klagerücknahmefiktion in § 92 Abs 2 VwGO wurde durch das Sechste Gesetz zur Änderung der VwGO und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) vom 1.11.1996 (BGBl I 1626) mit Wirkung vom 1.1.1997 in Anlehnung an den bereits seit 1.7.1992 geltenden § 81 AsylVfG in die VwGO eingefügt(vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 6. VwGOÄndG, BT-Drucks 13/3993 S 12 zu Nummer 10 <§ 92 VwGO>). Nach § 92 Abs 2 Satz 1 VwGO gilt eine Klage als zurückgenommen, wenn ein Kläger das Verfahren länger als zwei Monate (in Verfahren nach dem AsylVfG gemäß § 81 Satz 1 AsylVfG länger als einen Monat) nicht betreibt.

29

Gleichzeitig wurde durch das 6. VwGOÄndG für die Berufung eine "gesetzliche Rücknahmefiktion" in § 126 Abs 2 VwGO aufgenommen und die Regelung in § 92 Abs 2 VwGO insoweit "ergänzt"(Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 6. VwGOÄndG, BT-Drucks 13/3993 S 13 zu Nummer 17 <§ 126 VwGO>). Nach Satz 1 dieser Bestimmung gilt die Berufung als zurückgenommen, wenn der Berufungskläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt.

30

Die eigenständige gesetzliche Regelung der Fiktion einer Berufungsrücknahme in § 126 Abs 2 VwGO macht deutlich, dass der Gesetzgeber die allgemeine Verweisung in § 125 Abs 1 VwGO auf die Vorschriften des Verfahrens im ersten Rechtszug der VwGO, zu denen auch § 92 Abs 2 VwGO gehört, als nicht ausreichend angesehen hat (vgl in diesem Sinne auch Binder in Lüdtke, SGG, 3. Aufl 2009, § 156 RdNr 16; Leopold, SGb 2009, 458, 463). Vielmehr hat er für die Einführung einer Berufungsrücknahmefiktion einen ausdrücklichen gesetzlichen Regelungsbedarf angenommen.

31

Der Verzicht des SGGArbGGÄndG auf eine Ergänzung des § 156 SGG um eine Rücknahmefiktion für die Berufung in Kenntnis des Umstands, dass eine solche in der Parallelvorschrift der VwGO zu § 156 SGG, nämlich in § 126 VwGO, ausdrücklich geregelt worden ist, bestätigt die Annahme, dass diese "Unvollständigkeit" beabsichtigt war und der Gesetzgeber im SGG lediglich die Möglichkeit einer Fiktion der Klagerücknahme eröffnen wollte, entgegen der Ansicht des LSG also gerade keine "planwidrige Regelungslücke" vorliegt. Hätte er die Berufungsrücknahmefiktion "gewollt", wäre gerade wegen der weitgehenden Parallelität zur VwGO eine dem § 126 Abs 2 VwGO entsprechende ausdrückliche Regelung zu erwarten gewesen(vgl in diesem Sinne auch Binder in Lüdtke, aaO, § 156 RdNr 16).

32

Sollte der Gesetzgeber gleichwohl - anders als in der VwGO - eine ausdrückliche Regelung im SGG für entbehrlich gehalten haben, hätte es zumindest eines deutlichen Hinweises bedurft. Dieser fehlt jedoch. Keinesfalls kann daraus jedoch, wie das LSG offenbar meint, ein "Wille" des Gesetzgebers für eine gemäß § 153 Abs 1 SGG entsprechende Anwendung des § 102 Abs 2 SGG für die Berufung iS einer Fiktion ihrer Rücknahme bei Nichtbetreiben hergeleitet werden. Vielmehr dürfte das "Schweigen" sowohl in § 156 SGG als auch in den Materialien zum SGGArbGGÄndG schon eher als "beredtes Schweigen" zu werten sein(vgl Leopold, SGb 2009, 458, 463).

33

Dem Gesetzgeber war im Übrigen der Regelungszusammenhang zwischen erst- und zweitinstanzlichem Verfahren durchaus bewusst; dies belegt die mit dem SGGArbGGÄndG erfolgte Einfügung des § 157a SGG für das Berufungsverfahren gleichzeitig mit der ebenfalls durch dieses Gesetz für das erstinstanzliche Verfahren eingeführten Bestimmung des § 106a SGG zur Zurückweisung verspäteten Vorbringens (vgl auch Leopold, SGb 2009, 458, 463). Ausdrücklich heißt es hierzu in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucks 16/7716 S 22 zu Nummer 27 <§ 157a>): "Folgeänderung wegen der Einführung der Präklusionsvorschrift in § 106a im erstinstanzlichen Verfahren. Dies zieht die Notwendigkeit einer entsprechenden Vorschrift im Rechtsmittelverfahren nach sich …".

34

d) Dass der Gesetzgeber auf die Regelung einer Fiktion der Berufungsrücknahme verzichtet hat, mag möglicherweise auch darauf zurückzuführen sein, dass nach dem SGG eine Klagerücknahme ohne Zustimmung der/des Beklagten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens erfolgen kann (so Roller in Lüdtke, aaO, § 102 RdNr 16). Auf dieser Grundlage hält die wohl überwiegende Auffassung im Schrifttum auch eine Klagerücknahmefiktion im Berufungsverfahren für zulässig (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 102 RdNr 8b und § 156 RdNr 1b; Roller, aaO; Eschner in Jansen, SGG, 3. Aufl 2008, § 102 RdNr 4; Hauck in Zeihe, SGG, Stand 2009, § 102 RdNr 12; Bienert, NZS 2009, 554, 558; kritisch Leopold, SGb 2009, 458, 463; Schafhausen, ASR 2010, 112, 118).

35

Der Senat kann offen lassen, ob er sich dieser Rechtsansicht anschließt; denn das LSG hat nicht festgestellt, dass das Verfahren durch Fiktion der Klagerücknahme erledigt ist. Er neigt jedoch dazu, ihr jedenfalls grundsätzlich zuzustimmen. Denn § 102 Abs 2 Satz 1 SGG wird nicht über seinen Anwendungsbereich hinaus angewendet, sofern die Rücknahmefiktion in der zweiten Instanz die Klage betrifft. Der Übernahme einer § 126 Abs 2 Satz 1 VwGO entsprechenden Regelung bedurfte es insoweit nicht(Hauck in Zeihe, aaO, § 102 RdNr 12).

36

Gemäß § 102 Abs 1 Satz 1 SGG kann der Kläger die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Dies hat der Gesetzgeber mit der Änderung des § 102 Abs 1 Satz 1 SGG durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17.8.2001 (BGBl I 2144) klargestellt (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 6. SGGÄndG, BT-Drucks 14/5943 S 26 zu Nummer 38 <§ 102>), entsprach aber auch schon der Rechtsprechung des BSG zur früheren Fassung des § 102 Abs 1 Satz 1 SGG, wonach der Kläger die Klage "bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung" zurücknehmen konnte(s hierzu BSG Beschluss vom 27.9.1983 - 8 BK 16/82 - SozR 1500 § 102 Nr 5 S 10). Der Kläger kann daher auch noch im Berufungsverfahren die Klage ganz oder - wenn der Streitgegenstand teilbar ist - teilweise (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 102 RdNr 4; Roller in Lüdtke, aaO, § 102 RdNr 4)zurücknehmen mit der Folge, dass die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung gemäß § 202 SGG iVm § 269 Abs 3 Satz 1 ZPO ganz oder - bei teilweiser Klagerücknahme - teilweise wirkungslos wird.

37

Ist aber eine Klagerücknahme nach § 102 Abs 1 Satz 1 SGG im Berufungsverfahren möglich und bestimmt § 102 Abs 2 Satz 2 SGG für die Klagerücknahmefiktion, dass Abs 1 entsprechend gilt, ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb die Fiktion der Rücknahme der Klage bei ganz oder teilweisem Wegfall des Rechtsschutzinteresses nicht (grundsätzlich) auch im Berufungsverfahren in Betracht kommen kann. Denn auch im Rechtsmittelverfahren muss das Rechtsschutzinteresse des Klägers an der von ihm in erster Instanz erhobenen Klage stets fortbestehen.

38

Allerdings dürfte nach Einlegung einer Berufung gegen ein klageabweisendes erstinstanzliches Urteil ein Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers, also ein Desinteresse an der weiteren Verfolgung seines Begehrens, nur in seltenen Ausnahmefällen zu unterstellen sein (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 102 RdNr 8b; Leopold, SGb 2009, 458, 463; Hauck in Zeihe, aaO, § 102 RdNr 12, mit dem Hinweis, dass im Rechtsmittelverfahren "eher noch höhere Anforderungen an die Demonstration mangelnden Rechtsschutzinteresses zu stellen" seien; Schafhausen, ASR 2010, 112, 118). Dies gilt vor allem dann, wenn der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren teilweise Erfolg hatte, entzöge die Klagerücknahmefiktion im Berufungsverfahren doch dem zusprechenden Teil des erstinstanzlichen Urteils die Rechtswirkung. Die Annahme, dass ein Kläger, der ein Berufungsverfahren trotz Aufforderung nicht betreibt, durch das Nichtbetreiben auch die für ihn positiven Folgen der erstinstanzlichen Entscheidung zum Wegfall bringen und damit so gestellt werden möchte, als ob er die Klage nie erhoben hätte, dürfte nur schwerlich zu begründen sein (vgl Schafhausen, aaO; Leopold, aaO). In Betracht käme in diesen Fällen freilich eine Fiktion der teilweisen Klagerücknahme bezogen auf den klageabweisenden Teil der SG-Entscheidung.

39

e) Schließlich berücksichtigt nur die Rechtsauffassung, dass § 102 Abs 2 SGG nicht iS einer Fiktion der Berufungsrücknahme über § 153 Abs 1 SGG entsprechend anwendbar ist, die verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG für die Auslegung und Anwendung von gesetzlichen Regelungen über die Beendigung eines Gerichtsverfahrens wegen unterstellten Wegfalls des Rechtsschutzinteresses. Vorschriften dieser Art haben nämlich strengen Ausnahmecharakter. Da sie einschneidende Rechtsfolgen für die betroffenen Beteiligten nach sich ziehen, bedürfen sie in besonderem Maße der Rechtsklarheit.

40

Das BVerfG (Kammer) hat in seinem Beschluss vom 27.10.1998 (2 BvR 2662/95 - DVBl 1999, 166, 167) darauf hingewiesen, dass in Einklang mit Art 19 Abs 4 GG jede an einen Antrag gebundene Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt und ein Gericht im Einzelfall von einem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses ausgehen kann, wenn das Verhalten eines Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an einer Sachentscheidung nicht mehr gelegen ist. Ausdrücklich hat es festgestellt, dass eine hierauf gestützte Abweisung eines Rechtsschutzbegehrens mangels Sachbescheidungsinteresses verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich ist.

41

Einen gesetzlichen Niederschlag hat dieser Rechtsgedanke in § 81 AsylVfG, § 92 Abs 2 VwGO, § 126 Abs 2 VwGO und in § 102 Abs 2 SGG gefunden. Denn diese Bestimmungen, die eine Beendigung des Verfahrens ohne Entscheidung über das Rechtsschutzbegehren zur Folge haben, unterstellen, dass das Rechtsschutzinteresse entfallen ist, wenn ein Kläger in dem von ihm angestrengten Verfahren über einen bestimmten Zeitraum nicht oder nicht in hinreichendem Maße tätig geworden ist.

42

Das BVerfG hat bereits mehrfach entschieden, dass hiervon ausgehende Vorschriften mit der Rechtsfolge einer Verfahrensbeendigung mit Art 19 Abs 4 GG vereinbar sind; es hat aber zugleich betont, dass Regelungen dieser Art Ausnahmecharakter haben, der bei ihrer Auslegung und Anwendung besonders zu beachten ist (BVerfG Beschluss vom 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 - DVBl 1999, 166, 167 zu § 81 AsylVfG und § 92 Abs 2 VwGO; vgl bereits BVerfG Beschluss vom 7.8.1984 - 2 BvR 187/84 - NVwZ 1985, 33; BVerfG Beschluss vom 15.8.1984 - 2 BvR 357/84 - DVBl 1984, 1005; BVerfG Beschluss vom 19.5.1993 - 2 BvR 1972/92 - NVwZ 1994, 62 f, alle zu § 33 AsylVfG 1982). Auch in der Literatur besteht über den Ausnahmecharakter und ein von Verfassungs wegen gebotenes enges Verständnis gesetzlich fixierter Rechtsmittelrücknahmefiktionen Einigkeit (vgl zu § 102 Abs 2 SGG: Roller in Lüdtke, aaO, § 102 RdNr 17; Binder in Lüdtke, aaO, § 156 RdNr 16; Berchtold in Berchtold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2009, § 5 RdNr 586; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 102 RdNr 8a; Leitherer, NJW 2008, 1258, 1260; Hauck in Hennig, SGG, Stand: 2010, § 102 RdNr 29; Hauck in Zeihe, aaO, § 102 RdNr 8b; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, Kap VII RdNr 170a; Schafhausen, ASR 2010, 112, 115; Leopold, SGb 2009, 458, 459; Bienert, NZS 2009, 554, 555; Becker, SGb 2009, 267, 269; Tabbara, NZS 2008, 8, 10; Francke, ASR 2008, 127, 128; vgl zu § 92 Abs 2 VwGO: Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl 2009, § 92 RdNr 18; Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Juli 2009, § 92 RdNr 39).

43

Dass sich auch der Gesetzgeber des SGGArbGGÄndG bei der Einfügung der Klagerücknahmefiktion in § 102 Abs 2 SGG der vom BVerfG aufgezeigten engen verfassungsrechtlichen Grenzen unter Beachtung ihres Ausnahmecharakters bewusst war, kommt in den Materialien deutlich zum Ausdruck. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG heißt es zum dortigen Entwurf des § 102 Abs 2 SGG unter Bezugnahme auf die vorgenannte Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG(Beschluss vom 12.4.2001 - 8 B 2/01 - NVwZ 2001, 918) ausdrücklich, dass "die Auslegung und Anwendung der Norm nur vor dem Hintergrund ihres strengen Ausnahmecharakters erfolgen" darf (BT-Drucks 16/7716 S 19 zu Nummer 17 <§ 102>).

44

Ist dies aber der Fall, verbietet es sich, § 102 Abs 2 SGG als Sonder- und Ausnahmeregelung über seinen ausdrücklich geregelten Anwendungsbereich hinaus erweiternd auszulegen und anzuwenden. Vielmehr ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 19 Abs 4 GG, Art 103 Abs 1 GG) geradezu geboten, wollte man auch im SGG eine Fiktion der Rücknahme der Berufung wegen Nichtbetreibens ermöglichen, hierfür - wie in der VwGO durch Einfügung des § 126 Abs 2 VwGO geschehen - eine eigenständige gesetzliche Grundlage zu schaffen.

45

3. Nach dem Vorstehenden braucht der Senat nicht mehr zu prüfen, ob - wie vom LSG entschieden - die Voraussetzungen einer Fiktion einer Berufungsrücknahme bei unterstellter entsprechender Anwendbarkeit des § 102 SGG vorliegen. Gleichwohl weist der Senat darauf hin, dass, selbst wenn man der generellen Rechtsansicht des LSG folgen würde, die Feststellung der Erledigung des Verfahrens durch das LSG im Falle des Klägers zu Unrecht erfolgt wäre.

46

a) Zwar ist im Zeitpunkt der Betreibensaufforderung das vom BVerfG für eine Rechtsmittelrücknahmefiktion geforderte ungeschriebene Tatbestandsmerkmal erfüllt gewesen, dass nach dem prozessualen Verhalten des Klägers hinreichender Anlass bestand, von einem Wegfall des Rechtsschutzinteresses auszugehen (vgl BVerfG Beschluss vom 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 - DVBl 1999, 166, 167; vgl ebenso Senatsurteil vom heutigen Tage - B 13 R 74/09 R).

47

Denn bei Erlass der Betreibensaufforderung am 19.8.2008 waren die Gründe, warum der Kläger eine gerichtliche Überprüfung des angefochtenen Vormerkungsbescheids vom 4.11.2003 begehrte, mangels dessen Mitwirkung für das LSG nicht ersichtlich. Trotz mehrfacher Aufforderung war nämlich die Berufung auch ein Jahr nach ihrer Einlegung nicht begründet worden, ebenso wenig wie der Widerspruch gegen den Vormerkungsbescheid vom 4.11.2003 oder die Klage. Das SGG enthält zwar für die Begründung der Klage und der Berufung, insbesondere für die Angabe von Beweismitteln und von Tatsachen, durch deren Nichtberücksichtigung der Kläger sich beschwert fühlt, keine zwingenden Vorschriften (§ 92 Abs 1 Satz 4, § 151 Abs 3 SGG: "sollen" bzw "soll"). Das Gericht hat die Beteiligten aber insoweit heranzuziehen, wie sich aus § 103 Satz 1 Halbs 2 SGG ergibt. Bei fehlender Mitwirkung ist das Gericht nicht verpflichtet, von sich aus in jede nur mögliche Richtung ("ins Blaue hinein") zu ermitteln und Beweis zu erheben (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 103 RdNr 16).

48

b) Allerdings setzt eine Rücknahmefiktion den Ablauf einer zuvor vom Gericht gesetzten Frist zum Betreiben des Verfahrens voraus (vgl § 102 Abs 2 Satz 1 SGG). Eine in diesem Sinne wirksame Fristsetzung ist vorliegend aber nicht erfolgt. Denn jedenfalls vermag ein - wie hier - lediglich mit dem Zusatz "auf richterliche Anordnung" durch eine(n) Justizangestellte(n) unterzeichnetes gerichtliches Schreiben der Geschäftsstelle eine Frist zum Betreiben des Verfahrens nicht in Lauf zu setzen (vgl Krasney/Udsching, aaO, Kap VII RdNr 170a; Leopold SGb 2009, 458, 460; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, aaO, § 102 RdNr 11, mit dem Hinweis, die Betreibensaufforderung müsse "wenigstens die Form eines Richterbriefs" haben; s auch BGH Urteil vom 13.3.1980 - VII ZR 147/79 - BGHZ 76, 236, 241 - zur Frist gemäß § 273 Abs 2 Nr 1, § 275 Abs 1, § 296 ZPO).

49

Zur Form der Betreibensaufforderung gilt im Übrigen Folgendes: Wenn sie Wirkungen für die Beteiligten erzeugen soll, muss sie vom zuständigen Richter verfügt und mit vollem Namen unterzeichnet werden. Ein den Namen abkürzendes Handzeichen (Paraphe) genügt als Unterschrift nicht (vgl Krasney/Udsching, aaO, Kap VII RdNr 170a; Leopold, SGb 2009, 458, 460; Bienert, NZS 2009, 554, 556, jeweils mwN). Dies folgt schon aus den einschneidenden Rechtsfolgen einer (erfolglosen) Betreibensaufforderung. Erst die Beifügung der vollen Unterschrift des Richters macht deutlich, dass es sich bei dem unterzeichneten Text nicht lediglich um einen Entwurf handelt und dass der Unterzeichnende nicht von einer Routine-Verfügung ausgeht; hierüber muss aber bei einer Betreibensaufforderung auch für die Betroffenen Gewissheit bestehen. Deshalb muss sie nicht nur vom zuständigen Richter verfügt und unterschrieben sein, sondern auch die gemäß § 63 Abs 1 Satz 1 SGG zuzustellende Ausfertigung/beglaubigte Abschrift(vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG, BT-Drucks 16/7716 S 19 zu Nummer 17 <§ 102>; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 63 RdNr 3)diesen Umstand erkennen lassen, dh durch Wiedergabe des vollen Namens des Richters ausweisen, dass die Betreibensaufforderung von ihm stammt.

50

4. Da der Senat über die vom Kläger geltend gemachten rentenrechtlichen Zeiten mangels entsprechender Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG nicht entscheiden konnte, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn

1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn

1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

Tenor

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. März 2011 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

 
Streitig ist die von der Beklagten verfügte Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Klägerin Ziff 1 ab 1. August 2008, die Aufhebung der Bewilligung von Alg II für den Zeitraum Februar bis Juli 2008 und die Erstattung gezahlter Leistungen für die Kläger Ziff. 1 und Ziff. 2 in Höhe von jeweils 2.629,85 EUR sowie die Aufhebung und Erstattung gezahlten Einstiegsgeldes von Februar bis September 2008 für die Klägerin Ziff. 1. in Höhe von 1.249,20 EUR.
Die Kläger lebten nach ihren Angaben ab 1. Januar 2008 in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft (siehe Bl. 131, 132 der Verwaltungsakte der Beklagten). Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 23. Januar 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2008 in Höhe von 624,00 EUR monatlich.
Am 17. März 2008 meldete die Klägerin Ziff. 1 bei der Stadt Ö. die Aufnahme eines Gewerbes (Thailändische Wellness-Massage) zum 1. April 2008 in ihrer Wohnung in der H.-Straße an. Diesbezüglich stellte die Klägerin bei der Beklagten am 3. April 2008 einen Antrag auf Einstiegsgeld, das ihr mit Bescheid vom 15. April 2008 für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2008 in Höhe von monatlich 208,20 EUR bewilligt wurde. Mit zweien an die beiden Kläger adressierten Änderungsbescheiden vom 16. April 2008 wurde den Klägern vom 1. April 2008 bis 31. Juli 2008 monatlich 624,00 EUR bewilligt. Die Bescheide enthielten einen Hinweis auf die am 1. April 2008 aufgenommene selbstständige Tätigkeit der Klägerin Ziff. 1. Am 15. Mai 2008 zeigte die Klägerin Ziff. 1 bei der Stadt Ö. die Verlegung ihres Gewerbes in die K.-Sch.-Straße zum 15. Mai 2008 an.
Mit zwei Änderungsbescheiden vom 26. Mai 2008 - adressiert wiederum an die Klägerin Ziff. 1 und den Kläger Ziff. 2 - bewilligte die Beklagte den Klägern 532,00 EUR für den Monat Juli 2008 aufgrund des Einkommens aus der Selbstständigkeit der Klägerin Ziff. 1.
Auf den Antrag vom 2. Juli 2008 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Juli 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. August 2008 bis 31. Januar 2009 in Höhe von 632,00 EUR monatlich. Im Hinblick auf das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erfolgte die Bewilligung vorläufig.
Am 10. Juli 2008 sprach ein Herr A. G. (im Folgenden Z) bei der Beklagten vor und teilte mit, er habe die Klägerin Ziff. 1 im November 2007 in einem Bordell in B. kennen gelernt, sie aus der Prostitution herausgeholt und mit ihr zum 1. April 2008 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts und einen Massagesalon in B., F.-Straße , gegründet. Die Klägerin Ziff. 1 habe auch bei ihm gewohnt. Er habe der Klägerin Ziff. 1 von November 2007 ab ca. 32.000,00 EUR in kleineren Beträgen ausgehändigt. Die Klägerin Ziff. 1 baue in Thailand ein Haus. Er sei zusammen mit der Klägerin Ziff. 1 vom 30. April bis 12. Mai 2008 in Thailand gewesen und habe sie dort - in Deutschland nicht anerkannt - geheiratet. Z händigte verschiedene Unterlagen, u.a. eine Meldebestätigung der Stadt B. über die Anmeldung der Klägerin Ziff. 1 seit dem 1. April 2008 in die H.-Straße mit Hauptwohnung, eine Gewerbeanmeldung der Klägerin Ziff. 1 und des Z in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts namens „S. d. - traditionelle Thaimassage und Wellness“, und den Gesellschaftsvertrag vom 28. März 2008, der Beklagten aus. Der Kläger Ziff. 2 fungiere als eine Art Zuhälter, die Klägerin Ziff. 1 gehe weiter der Prostitution nach.
Mit Änderungsbescheid vom 14. Juli 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger Ziff. 2 vom 1. August 2008 bis 31. Januar 2009 351,00 EUR monatlich. Mit Bescheid vom 14. Juli 2008 hob die Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Klägerin Ziff. 1 ab 1. August 2008 ganz auf, da die Klägerin umgezogen sei und mit Z in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft stehe. Auch sei ein anderer Träger nunmehr zuständig. Am 14. August 2008 erhob die Klägerin Ziff. 1 hiergegen Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ab Januar 2008 habe Z mehrfach und in wechselnder Höhe Geld überwiesen, weshalb die Klägerin Ziff. 1 nicht hilfebedürftig gewesen sei. Mit Bescheid vom 30. Oktober 2008 hob die Beklagte die Entscheidung vom 23. Januar 2008 ganz auf und forderte die Erstattung von 2.629,85 EUR. Mit einem weiteren Bescheid vom 30. Oktober 2008 hob die Beklagte auch die Entscheidung vom 23. Januar 2008 hinsichtlich des Klägers Ziff. 2 ganz auf und forderte ebenfalls die Erstattung von 2.629,85 EUR. Am 6. November 2008 legten die Kläger jeweils gegen die Bescheide vom 30. Oktober 2008 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2008 wurde der Widerspruch der Klägerin Ziff 1, mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2009 der Widerspruch des Klägers Ziff. 2 zurückgewiesen. Mit Bescheid vom 6. November 2008 hob die Beklagte die Entscheidung vom 15. April 2008 über die Bewilligung von Einstiegsgeld ganz auf und forderte die Erstattung von 1.249,20 EUR. Am 24. November 2008 erhob die Klägerin Ziff. 1 hiergegen Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2008 zurückgewiesen wurde.
Auf den Antrag vom 12. Januar 2009 bewilligte die Beklagte - nach Aufhebung ihres den Antrag ablehnenden Bescheides vom 25. Februar 2009 durch Bescheid vom 3. April 2009 - den Klägern Leistungen in Höhe von 265,01 EUR bzw. 473,34 EUR monatlich (weiterer Bescheid vom 3. April 2009).
Am 21. November 2008 hat die Klägerin Ziff. 1 Klage gegen den Aufhebungsbescheid vom 14. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2008 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, die das Aktenzeichen S 5 AS 5099/08 bekommen hat. Am 29. Dezember 2008 hat die Klägerin Ziff. 1 Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 30. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2008 erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 5 AS 5740/08 geführt worden ist. Am selben Tag hat die Klägerin Ziff. 1 auch Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. November 2008 erhoben, die das Aktenzeichen S 5 AS 5741/08 bekommen hat. Am 30. April 2009 hat der Kläger Ziff. 2 Klage zum SG gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 30. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2009 erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 8 AS 1932/09 geführt worden ist. Die Kläger haben im Wesentlichen vorgetragen, dass die Behauptungen des Z falsch, die vorgelegten Unterlagen nicht von der Klägerin Ziff. 1 veranlasst worden bzw. gefälscht seien.
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Das SG hat im Verfahren S 5 AS 5099/08 die Akten der Staatsanwaltschaft K. hinsichtlich dreier Ermittlungsverfahren (Bedrohung, [„Heirats“-] Betrug und Sozialleistungsbetrug) beigezogen, Auszüge zur Akte genommen und im März 2009 zurückgesandt. Mit Beschluss vom 30. September 2010 hat der Vorsitzende der 5. Kammer des SG ohne vorherige Anhörung der Beteiligten die genannten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen S 5 AS 5199/08 fortgeführt. Aus Bl. 129 Rückseite ist ableitbar, dass eine irgendwie geartete Anhörung zum Erlass eines Gerichtsbescheides verfügt worden ist. Mit Gerichtsbescheid vom 28. März 2011 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2008 aufgehoben, den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2009 aufgehoben, soweit die Beklagte darin die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 1. April bis 31. Juli 2008 aufgehoben und für diesen Zeitraum Erstattung gefordert hat, die Klagen diesbezüglich im Übrigen abgewiesen und den Bescheid der Beklagten vom 6. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2008 aufgehoben. Im Februar und März 2008 habe die Klägerin Ziff. 1 von Z Gelder erhalten, die als laufende Einnahmen zu werten und deshalb nur diesen Monaten zuzuordnen seien. Soweit die Beklagte Leistungen vom 1. April bis 31. Juli 2008 aufgehoben und für diesen Zeitraum Erstattung von Leistungen gefordert hat, habe sie den falschen Bescheid aufgehoben, sodass auch eine Rückforderung ausscheide. Bezüglich der Klage gegen den Aufhebungsbescheid vom 14. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2008 bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Umzug der Klägerin nach B.. Die Voraussetzungen für die Rückforderung des Einstiegsgeldes lägen nicht vor. Der Bewilligungsbescheid sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, weil die Klägerin Ziff. 1 im März 2008 wegen des Einkommens in Höhe von 1590 EUR nicht hilfebedürftig gewesen sei. Die Klägerin habe aber weder unrichtige Angaben im Sinne von § 45 Abs. 3 Nr. 2 SGB X gemacht, noch infolge grober Fahrlässigkeit die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes verkannt (§ 45 Abs.2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Hinsichtlich der Klage des Klägers Ziff. 2 würden die Ausführungen zur Klage der Klägerin Ziff. 1 entsprechend gelten.
11 
Gegen den der Beklagten am 29. März 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 26. April 2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, entgegen der Auffassung des SG habe der Änderungsbescheid vom 16. April 2008 keine Regelung enthalten und den Bescheid vom 23. Januar 2008 schon gar nicht (ganz) ersetzt. Mit Bescheid vom 26. Mai 2008 sei der Bewilligungsbescheid vom 23. Januar 2008 nur teilweise für Juli 2008 wegen einer Einkommensanrechnung abgeändert worden, aber der Bescheid vom 23. Januar 2008 nicht ersetzt worden. Hinsichtlich des Umzuges der Klägerin Ziff. 1 nach B. sei weiter fraglich, wie es zu der Meldebestätigung Bl. 211 der Verwaltungsakten gekommen sei, zumal das Amtsgericht B. im Verfahren wegen Ehescheidung, Az , die Adresse in B. verwendet habe. Fraglich sei auch, ob einige Zuwendungen nicht doch als Einmalzahlungen zu betrachten seien. Aufgrund welcher Informationen das SG zu der Erkenntnis gelangt sei, die Klägerin Ziff. 1 habe von August 2008 bis Januar 2009 offenbar kein zu berücksichtigendes Einkommen erzielt, sei nicht bekannt. Die betriebswirtschaftliche Auswertung (Bl. 466 der Verwaltungsakten) bescheinige erhebliche Beträge, welche die Hilfebedürftigkeit entfallen ließen. Zudem lasse das SG völlig außer Betracht, dass die Klägerin offenbar eine Immobilie in Thailand besitze und somit über Vermögen verfüge. Nach Aussage des Z müssten sich Unterlagen über das Anwesen und Renovierungsmaßnahmen in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft befinden. Gegenüber Z habe die Klägerin Ziff. 1 wohl stets behauptet, dass die Immobilie in ihrem Eigentum stehe. Die vom Klägerbevollmächtigten bezeichnete Eigentumsurkunde sei nicht zur Kenntnis gegeben worden. Hinsichtlich der Klage gegen den Bescheid vom 6. November 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 27. November 2008 lasse sich aus dem beigefügten Gesetzestext sehr wohl entnehmen, dass Hilfebedürftigkeit Anspruchsvoraussetzung sei. Es hätte der Klägerin auch klar sein müssen, dass sie auch keine Leistungen zum Aufbau einer selbstständigen Tätigkeit erhalten könne, während sie gleichzeitig den Aufbau einer weiteren Selbstständigkeit betreibe und voll umfänglich aus anderen Quellen finanziere. Das müsse sich auch einem Angehörigen eines fremden Rechts- und Kulturkreises ohne Weiteres aufdrängen. Wie das SG zu der Erkenntnis komme, dass die Klägerin tatsächlich verkannt habe, dass ihr Einstiegsgeld nicht zustehe, lasse sich dem Akteninhalt nicht entnehmen. Die Klägerin Ziff. 1 habe durchaus grob fahrlässig gehandelt.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
den Gerichtsbescheid abzuändern und die Klagen in vollem Umfang abzuweisen.
14 
Die Kläger beantragen,
15 
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
16 
Die Klägerin sei nicht Eigentümerin eines Hauses in Thailand. Die Behauptungen des Z seien falsch. Die am 29. April 2011 erhobene Berufung der Kläger haben diese am 30. Mai 2011 zurückgenommen.
17 
In der nichtöffentlichen Sitzung am 14. Dezember 2011 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass auch eine Zurückverweisung des Verfahrens an das SG in Betracht komme. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die gemäß §§ 143, 144 Abs.1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist im Sinne der Aufhebung des angegriffenen Gerichtsbescheids und der Zurückverweisung der Streitsache an das SG auch begründet.
20 
Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der ab 1. Januar 2012 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 3057) kann das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung (hier: der Gerichtsbescheid) auf ihm beruhen kann (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 159 SGG Rdnr. 3a).
21 
Das gerichtliche Verfahren des SG leidet an mehreren wesentlichen Mängeln.
22 
Dem SG hätte sich nach dem Amtsermittlungsprinzip (§ 103 SGG) eindeutig -auch ohne förmlichen Beweisantrag eines Beteiligten- aufdrängen müssen, den „Belastungszeugen“ Z zu vernehmen, was ein wesentlicher Verfahrensfehler ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 103 SGG Rdnr. 20 m.w.N.). Die erheblichen Vorwürfe des Z sind von den Klägern vehement und mit Fälschungsvorwurf bestritten worden, sodass es nicht im Ansatz nachvollziehbar ist, dass der Vorsitzende der 5. Kammer die Vernehmung des Z unterlassen hat. So hat der Vorsitzende der 8. Kammer die Vernehmung des Zeugen sogar in einem Eilverfahren (S 8 AS 1263/09 ER) angeordnet, was lediglich deshalb nicht zur Durchführung kam, weil sich das Eilverfahren im Beweisaufnahmetermin vorher erledigte. Die Vernehmung des Z drängte sich um so mehr auf, als das SG auch nicht das Verfahren gemäß § 114 Abs. 3 SGG ausgesetzt hat, um die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zunächst abzuwarten, was die Beklagte angeregt hatte. Auf die Aussage des Z kam es auch nach der Auffassung des SG an. Denn das SG hat die - nur aktenkundigen - Angaben des Z und die Unterlagen für die Monate Februar und März 2008 dahingehend bewertet, dass Zahlungen des Z an die Klägerin Ziff. 1 vorgenommen worden sind; das SG hat auch die Zweckbestimmung dieser Zahlungen nur nach Aktenlage bewertet und aufgrund einer unklaren persönlichen Beziehung als laufend eingeschätzt. Hierzu hätte es offensichtlich und eindeutig ebenfalls einer Sachaufklärung durch Zeugenvernehmung bedurft. Schließlich hat es das SG auch unterlassen, den Zeugen zu dem fraglichen Umzug der Klägerin Ziff. 1 zu ihm und zu ihren Ortsabwesenheiten zu vernehmen. Das SG hat auch keinerlei Ermittlungen unternommen, um Näheres über die Eigentumsverhältnisse des von Z erwähnten Grundbesitzes der Klägerin Ziff. 1 in Thailand anzustellen.
23 
Letztlich hätte es sich dem Vorsitzenden der 5. Kammer auch aufdrängen müssen, die Klägerin Ziff. 1 mündlich zu hören, um die Frage des persönlichen Verschuldens der Klägerin Ziff. 1 im Hinblick auf § 45 SGB X und die damit in Beziehung gesetzten Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin Ziff. 1 zu klären.
24 
Nachdem der Sachverhalt nicht aufgeklärt ist, kam auch eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 12 SGG) gemäß § 105 SGG nicht in Betracht. Damit ist die Entscheidung nicht durch den gesetzlichen Richter erfolgt. Hinzu kommt, dass die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist. Es handelt sich um vier verbundene Klageverfahren zweier Kläger, wobei jedes Klageverfahren für sich bereits besonders schwierige Fragen tatsächlicher (siehe oben) und rechtlicher Art aufweist. Nach Aufklärung des Sachverhalts über die Zahlungen des Z und deren jeweilige Zweckbestimmung ist nicht nur über die Abgrenzung zwischen laufenden und einmaligen Zuwendungen zu entscheiden, sondern ist auch darüber zu befinden, ob jede einzelne Zuwendung tatsächlich als Einkommen anzurechnen ist. Auch die vom SG aufgeführte Rechtsfrage, ob die Beklagte den falschen Bewilligungsbescheid (vom 23. Januar 2008) aufgehoben hat, ist wenn nicht falsch entschieden, so doch jedenfalls schwierig. Die Beklagte hat durch die Änderungsbescheide vom 16. April 2008 keinerlei Änderung im Verfügungssatz vorgenommen. Mit den Bescheiden vom 26. Mai 2008 hat sie die Leistungen lediglich für Juli 2008 geändert, sodass der Bescheid vom 23. Januar 2008 wie auch die „Änderungsbescheide“ vom 16. April 2008 allenfalls teilweise geändert, keinesfalls ganz ersetzt worden ist. Besonders schwierig erscheint auch bereits die Berechnung des Einkommens der Klägerin Ziff. 1 aus ihrer/ihren selbstständigen Tätigkeiten. Entgegen der Vermutung des SG hat die Klägerin auch ab 1. August 2008 Betriebseinnahmen erzielt (vgl. Bl. 466 der Verwaltungsakte der Beklagten). Schließlich ist vom SG noch zu ermitteln, ob die Klägerin Ziff. 1 eine weitere selbständige Tätigkeit bezüglich der S. ... GbR ausgeübt und auch aus ihr anzurechnendes Einkommen erzielt hat und ob sie weiterhin einer einkommenserzielenden Prostitution nachgegangen ist, was angesichts der korrigierten Aussage der Frau St. gegenüber der Staatsanwaltschaft (Blatt 79 der Gerichtsakten des SG) gut möglich erscheint. Auch der Vortrag der Kläger hierzu ist zu den Behauptungen des Z derart gegensätzlich, dass eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich ist. So ist nach erneuter Beiziehung aller Akten der Staatsanwaltschaft, der Akten des AG B., Az und der Akten des diesbezüglichen Berufungsverfahrens beim LG Karlsruhe, das das angebliche Gesellschaftsverhältnis S. d. GbR betrifft, über die Vernehmung auch der dort vernommenen Zeugen zu befinden, die nicht nur beruflich mit der Klägerin Ziff. 1 zu tun hatten, sondern auch von dieser behandelt worden sind, was die Kläger wiederum alles bestreiten. Darüber hinaus kommt eine Vernehmung des geschiedenen Ehemannes der Klägerin Ziff. 1 und die Beiziehung der Akten des AG B. wegen Ehescheidung (Az) in Betracht, da auch darin gut möglich zeitlich und materiell einschlägige Schilderungen enthalten sein können. Schwierig kann - nach Aufklärung aller Umstände des Einzelfalles - auch die Frage sein, ob die Klägerin Ziff. 1 ihren gewöhnlichen Aufenthalt für kurze Zeit in B. hatte, was auch rechtlich möglich ist, da die Dauerhaftigkeit des Aufenthalts nur bei vorausschauender Prognose vorliegen, also zukunftsoffen sein muss (vgl. hierzu nur Lilge, Kommentar zum SGB I, § 30 SGG Rdnr. 57 ff. m.w.N.). Auch die Ausführungen des SG zu § 45 SGB X beinhalten schwierige Rechtsfragen. Das SG wird neben der Anhörung der Klägerin Ziff. 1 (s.o.) auch bezüglich des Verschuldens zu klären haben, ob der Klägerin Ziff. 1 in Thailand ein bebautes Grundstück gehört und ob sie einen weiteren, der Beklagten nicht angezeigten gleichartigen Betrieb aufgebaut hat bzw. der Prostitution nachging.
25 
Schließlich hat das SG auch nicht - wie es § 105 SGG erfordert (siehe hierzu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 105 SGG Rdnr.10 m.w.N.) - die Beteiligten ausreichend gehört. Die sogenannte Anhörungsmitteilung muss konkret und fallbezogen sein; ein formularmäßiger Hinweis reicht nicht. Wegen des Verbots von Überraschungsentscheidungen muss das Gericht naturgemäß auch auf Tatsachen und Rechtsfragen hinweisen, die bisher im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht erörtert worden sind. Ein fallbezogener Hinweis kann hier nicht erfolgt sein, da in der Gerichtsakte lediglich der Hinweis auf einen „Baustein“ enthalten ist, der zudem inhaltlich nicht aktenkundig gemacht wurde. Die Beklagte wurde auch überrascht durch die Begründung des SG, sie habe mit ihren Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 30. Oktober 2008 den falschen Bewilligungsbescheid aufgehoben.
26 
Die dargelegten Verfahrensfehler, auf denen die Entscheidung des SG beruhen kann, erfüllen den Tatbestand des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Hiernach kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn auf Grund eines wesentlichen Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Das Verfahren beim SG leidet an mehreren wesentlichen Verfahrensmängeln (s.o.). Es sind auch umfangreiche und aufwendige Ermittlungen notwendig (s.o.). Diese müssen entgegen dem Wortlaut des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG aber nicht auf dem Verfahrensfehler des SG beruhen. Dem Gesetzgeber ist hierbei ein offensichtliches Redaktionsversehen unterlaufen. Denn es ist offensichtlich, dass ein Verfahrensfehler des SG selbst kausal eine solche umfangreiche und aufwendige Ermittlungspflicht des LSG überhaupt nicht auslösen kann, zumal auch die denkbaren notwendigen Ermittlungen zur Frage, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, kaum gemeint sein können, da der Verfahrensmangel erst ermittelt werden muss, bevor der Frage einer Zurückverweisung nachgegangen werden kann.
27 
Möglich erscheint eine Auslegung, nach der der Gesetzgeber lediglich die bereits bestehende Rechtsprechung des BSG zur Ausübung des Ermessens (z.B. Beschluss vom 14. Februar 2006, B 9a SB 22/05 B, veröffentlicht in Juris) in Bezug auf die noch zu tätigenden Ermittlungen in den Tatbestand übernehmen wollte, so dass der Verfahrensfehler entgegen dem eindeutigen Wortlaut in keinerlei -kausalen- Beziehung zum Umfang der notwendigen Beweisaufnahme stehen muss. Dagegen spricht allerdings, dass die bereits vorher geltenden §§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Leitbild der Gesetzesänderung gewesen sein dürften. Nach dieser Auffassung müsste zum Einen ein wesentlicher Verfahrensfehler des SG vorliegen und zum Anderen müsste das LSG noch umfangreiche und aufwendige Ermittlungen ergreifen, deren Notwendigkeit sich allerdings auch erst im Berufungsverfahren ergeben könnte. Diese Auffassung scheint weit verbreitet, ohne allerdings auf ein gesetzgeberisches Redaktionsversehen hinzuweisen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kommentar zur ZPO, 70. Auflage, § 538 ZPO, Rdnr. 7-9; Zöller, Kommentar zur ZPO, 29. Auflage, § 538 ZPO Rdnr. 31; Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Auflage, § 538 ZPO Rdnr. 21 ff., 43, jeweils zu § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; KG, Urteile vom 11. Oktober 2010, 12 U 79/09, und 14. Februar 2011, jeweils in BauR 2011, 1061; BGH, NJW 2008, 1672; NJW 2011, 2578; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2011, 7 ff.; wohl auch Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, § 130 VwGO Rdnr. 6; unklar Eyermann, Kommentar zur VwGO, 12. Auflage, § 130 VwGO Rdnr. 8-11; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 17. Auflage, § 130 VwGO Rdnr. 10 ). Die Motive könnten diese Auffassung bestätigen, da darin (BT-Drucksache 17/6764, Seite 27 ff.) nur festgehalten ist, dass ein erheblicher Einsatz von personellen und sächlichen Mitteln [beim LSG] vermieden werden soll, ohne dass weitere -kausale- Anforderungen an die Beweisaufnahme gestellt werden.
28 
Der Senat ist aber der Auffassung, dass der Wortlaut des Gesetzes, wonach auf Grund des Mangels eine -umfangreiche und aufwendige- Beweisaufnahme notwendig sein muss, nicht völlig außer Acht gelassen werden kann. Der Gesetzgeber hat nach Auffassung des Senates missverständlich bzw. vereinfacht zum Ausdruck bringen wollen, dass nur diejenige Beweisaufnahme für eine Zurückverweisung berücksichtigt werden darf, die wegen des Verfahrensfehlers unterblieben ist. Zu prüfen ist danach, ob die Beweisaufnahme ohne den Verfahrensfehler in erster Instanz durchzuführen gewesen wäre (so Musielak, Kommentar zur ZPO, 6. Auflage, § 538 ZPO Rdnr. 15). Im Falle der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) ist demnach darauf abzustellen, ob sich bereits dem SG umfangreiche und aufwendige Ermittlungen aufdrängten und von diesem pflichtwidrig (auf Grund/wegen eines Mangels) unterlassen worden sind. Ergibt sich der umfangreiche und aufwendige Ermittlungsbedarf teilweise erst im Berufungsverfahren oder auf Grund einer anderen Rechtsauffassung des LSG, liegt insoweit bereits ein „Mangel“ nicht vor und darf deshalb bei der Prüfung der Zurückverweisung nicht berücksichtigt werden. Das LSG hat alle notwendigen Ermittlungen zu tätigen, auch wenn sie umfangreich und aufwendig sind, wenn nicht bereits die vom SG pflichtwidrigen unterlassenen Ermittlungen diesen Umfang erreichen. Diese Auslegung berücksichtigt den Gesetzeswortlaut und legt ihn in sinnvoller Weise aus. Diese teleologische Auslegung wird systematisch bestätigt dadurch, dass der Gesetzgeber mit dem selben Änderungsgesetz § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGG aufgehoben hat. Denn damit hat der Gesetzgeber erreicht, dass für eine Zurückverweisung immer auf einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens abzustellen ist. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGG konnte das LSG bis zum 31. Dezember 2011 die Sache auch zurückverweisen, wenn nach dem Erlass des Urteils relevante neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, was sowohl für vorhandene, aber dem SG unbekannt gebliebene, als auch für noch nicht einmal vorhandene Tatsachen/Beweismittel galt (BSG SozR Nr. 5 zu § 159 SGG; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 159 SGG Rdnr. 4 m.w.N.). Damit war eine Zurückverweisung möglich, ohne dass dem SG ein Fehler unterlaufen ist. Mit der Aufhebung des § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGG hat der Gesetzgeber eine Zurückverweisung in einem Verfahren ausgeschlossen, in dem das SG keinen Fehler begangen hat. Durch die Änderung des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG hat der Gesetzgeber systematisch passend eine Zurückverweisung nur noch dann zulassen wollen, wenn die vom SG pflichtwidrig unterlassenen Ermittlungen umfangreich und aufwendig sind und damit ein gravierender Mangel vorliegt.
29 
Das Erfordernis einer umfangreichen und aufwendigen Beweisaufnahme hätte sich bereits dem SG aufdrängen müssen, so dass diese wegen des Verfahrensfehlers notwendig ist (s.o.); die Tatbestandsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb eine Zurückverweisung in Betracht kommt.
30 
Der Senat hat demnach in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens darüber zu entscheiden, ob die angegriffene Entscheidung aufgehoben und die Sache an das SG zurückverwiesen werden soll. Auch wenn die Zurückverweisung nur ausnahmsweise stattfinden soll, macht der Senat hier von dem ihm in § 159 SGG eröffneten Ermessen im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das SG Gebrauch. Das SG hat ohne die offenkundig erforderlichen umfangreichen Ermittlungen tatsächlich und rechtlich schwierige Rechtsfragen mehrerer Klageverfahren und Kläger durch Gerichtsbescheid entschieden, den Beteiligten damit den gesetzlichen Richter entzogen und die Beteiligten mit seiner Rechtsauffassung jedenfalls teilweise überrascht (s.o.). Es handelt sich damit um besonders schwerwiegende Verfahrensfehler, sodass die infolge der Aufhebung und Zurückverweisung zwingend eintretende Verzögerung hinter dem Interesse an einer ordnungsgemäßen Erledigung des erstinstanzlichen Verfahrens zurückzutreten hat.
31 
Die Kostenentscheidung bleibt der erneuten Entscheidung des SG vorbehalten.
32 
Gründe für die Zulassung der Revision gegen diese Entscheidung liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).

Gründe

 
19 
Die gemäß §§ 143, 144 Abs.1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist im Sinne der Aufhebung des angegriffenen Gerichtsbescheids und der Zurückverweisung der Streitsache an das SG auch begründet.
20 
Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der ab 1. Januar 2012 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 3057) kann das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung (hier: der Gerichtsbescheid) auf ihm beruhen kann (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 159 SGG Rdnr. 3a).
21 
Das gerichtliche Verfahren des SG leidet an mehreren wesentlichen Mängeln.
22 
Dem SG hätte sich nach dem Amtsermittlungsprinzip (§ 103 SGG) eindeutig -auch ohne förmlichen Beweisantrag eines Beteiligten- aufdrängen müssen, den „Belastungszeugen“ Z zu vernehmen, was ein wesentlicher Verfahrensfehler ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 103 SGG Rdnr. 20 m.w.N.). Die erheblichen Vorwürfe des Z sind von den Klägern vehement und mit Fälschungsvorwurf bestritten worden, sodass es nicht im Ansatz nachvollziehbar ist, dass der Vorsitzende der 5. Kammer die Vernehmung des Z unterlassen hat. So hat der Vorsitzende der 8. Kammer die Vernehmung des Zeugen sogar in einem Eilverfahren (S 8 AS 1263/09 ER) angeordnet, was lediglich deshalb nicht zur Durchführung kam, weil sich das Eilverfahren im Beweisaufnahmetermin vorher erledigte. Die Vernehmung des Z drängte sich um so mehr auf, als das SG auch nicht das Verfahren gemäß § 114 Abs. 3 SGG ausgesetzt hat, um die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zunächst abzuwarten, was die Beklagte angeregt hatte. Auf die Aussage des Z kam es auch nach der Auffassung des SG an. Denn das SG hat die - nur aktenkundigen - Angaben des Z und die Unterlagen für die Monate Februar und März 2008 dahingehend bewertet, dass Zahlungen des Z an die Klägerin Ziff. 1 vorgenommen worden sind; das SG hat auch die Zweckbestimmung dieser Zahlungen nur nach Aktenlage bewertet und aufgrund einer unklaren persönlichen Beziehung als laufend eingeschätzt. Hierzu hätte es offensichtlich und eindeutig ebenfalls einer Sachaufklärung durch Zeugenvernehmung bedurft. Schließlich hat es das SG auch unterlassen, den Zeugen zu dem fraglichen Umzug der Klägerin Ziff. 1 zu ihm und zu ihren Ortsabwesenheiten zu vernehmen. Das SG hat auch keinerlei Ermittlungen unternommen, um Näheres über die Eigentumsverhältnisse des von Z erwähnten Grundbesitzes der Klägerin Ziff. 1 in Thailand anzustellen.
23 
Letztlich hätte es sich dem Vorsitzenden der 5. Kammer auch aufdrängen müssen, die Klägerin Ziff. 1 mündlich zu hören, um die Frage des persönlichen Verschuldens der Klägerin Ziff. 1 im Hinblick auf § 45 SGB X und die damit in Beziehung gesetzten Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin Ziff. 1 zu klären.
24 
Nachdem der Sachverhalt nicht aufgeklärt ist, kam auch eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 12 SGG) gemäß § 105 SGG nicht in Betracht. Damit ist die Entscheidung nicht durch den gesetzlichen Richter erfolgt. Hinzu kommt, dass die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist. Es handelt sich um vier verbundene Klageverfahren zweier Kläger, wobei jedes Klageverfahren für sich bereits besonders schwierige Fragen tatsächlicher (siehe oben) und rechtlicher Art aufweist. Nach Aufklärung des Sachverhalts über die Zahlungen des Z und deren jeweilige Zweckbestimmung ist nicht nur über die Abgrenzung zwischen laufenden und einmaligen Zuwendungen zu entscheiden, sondern ist auch darüber zu befinden, ob jede einzelne Zuwendung tatsächlich als Einkommen anzurechnen ist. Auch die vom SG aufgeführte Rechtsfrage, ob die Beklagte den falschen Bewilligungsbescheid (vom 23. Januar 2008) aufgehoben hat, ist wenn nicht falsch entschieden, so doch jedenfalls schwierig. Die Beklagte hat durch die Änderungsbescheide vom 16. April 2008 keinerlei Änderung im Verfügungssatz vorgenommen. Mit den Bescheiden vom 26. Mai 2008 hat sie die Leistungen lediglich für Juli 2008 geändert, sodass der Bescheid vom 23. Januar 2008 wie auch die „Änderungsbescheide“ vom 16. April 2008 allenfalls teilweise geändert, keinesfalls ganz ersetzt worden ist. Besonders schwierig erscheint auch bereits die Berechnung des Einkommens der Klägerin Ziff. 1 aus ihrer/ihren selbstständigen Tätigkeiten. Entgegen der Vermutung des SG hat die Klägerin auch ab 1. August 2008 Betriebseinnahmen erzielt (vgl. Bl. 466 der Verwaltungsakte der Beklagten). Schließlich ist vom SG noch zu ermitteln, ob die Klägerin Ziff. 1 eine weitere selbständige Tätigkeit bezüglich der S. ... GbR ausgeübt und auch aus ihr anzurechnendes Einkommen erzielt hat und ob sie weiterhin einer einkommenserzielenden Prostitution nachgegangen ist, was angesichts der korrigierten Aussage der Frau St. gegenüber der Staatsanwaltschaft (Blatt 79 der Gerichtsakten des SG) gut möglich erscheint. Auch der Vortrag der Kläger hierzu ist zu den Behauptungen des Z derart gegensätzlich, dass eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich ist. So ist nach erneuter Beiziehung aller Akten der Staatsanwaltschaft, der Akten des AG B., Az und der Akten des diesbezüglichen Berufungsverfahrens beim LG Karlsruhe, das das angebliche Gesellschaftsverhältnis S. d. GbR betrifft, über die Vernehmung auch der dort vernommenen Zeugen zu befinden, die nicht nur beruflich mit der Klägerin Ziff. 1 zu tun hatten, sondern auch von dieser behandelt worden sind, was die Kläger wiederum alles bestreiten. Darüber hinaus kommt eine Vernehmung des geschiedenen Ehemannes der Klägerin Ziff. 1 und die Beiziehung der Akten des AG B. wegen Ehescheidung (Az) in Betracht, da auch darin gut möglich zeitlich und materiell einschlägige Schilderungen enthalten sein können. Schwierig kann - nach Aufklärung aller Umstände des Einzelfalles - auch die Frage sein, ob die Klägerin Ziff. 1 ihren gewöhnlichen Aufenthalt für kurze Zeit in B. hatte, was auch rechtlich möglich ist, da die Dauerhaftigkeit des Aufenthalts nur bei vorausschauender Prognose vorliegen, also zukunftsoffen sein muss (vgl. hierzu nur Lilge, Kommentar zum SGB I, § 30 SGG Rdnr. 57 ff. m.w.N.). Auch die Ausführungen des SG zu § 45 SGB X beinhalten schwierige Rechtsfragen. Das SG wird neben der Anhörung der Klägerin Ziff. 1 (s.o.) auch bezüglich des Verschuldens zu klären haben, ob der Klägerin Ziff. 1 in Thailand ein bebautes Grundstück gehört und ob sie einen weiteren, der Beklagten nicht angezeigten gleichartigen Betrieb aufgebaut hat bzw. der Prostitution nachging.
25 
Schließlich hat das SG auch nicht - wie es § 105 SGG erfordert (siehe hierzu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 105 SGG Rdnr.10 m.w.N.) - die Beteiligten ausreichend gehört. Die sogenannte Anhörungsmitteilung muss konkret und fallbezogen sein; ein formularmäßiger Hinweis reicht nicht. Wegen des Verbots von Überraschungsentscheidungen muss das Gericht naturgemäß auch auf Tatsachen und Rechtsfragen hinweisen, die bisher im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht erörtert worden sind. Ein fallbezogener Hinweis kann hier nicht erfolgt sein, da in der Gerichtsakte lediglich der Hinweis auf einen „Baustein“ enthalten ist, der zudem inhaltlich nicht aktenkundig gemacht wurde. Die Beklagte wurde auch überrascht durch die Begründung des SG, sie habe mit ihren Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 30. Oktober 2008 den falschen Bewilligungsbescheid aufgehoben.
26 
Die dargelegten Verfahrensfehler, auf denen die Entscheidung des SG beruhen kann, erfüllen den Tatbestand des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Hiernach kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn auf Grund eines wesentlichen Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Das Verfahren beim SG leidet an mehreren wesentlichen Verfahrensmängeln (s.o.). Es sind auch umfangreiche und aufwendige Ermittlungen notwendig (s.o.). Diese müssen entgegen dem Wortlaut des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG aber nicht auf dem Verfahrensfehler des SG beruhen. Dem Gesetzgeber ist hierbei ein offensichtliches Redaktionsversehen unterlaufen. Denn es ist offensichtlich, dass ein Verfahrensfehler des SG selbst kausal eine solche umfangreiche und aufwendige Ermittlungspflicht des LSG überhaupt nicht auslösen kann, zumal auch die denkbaren notwendigen Ermittlungen zur Frage, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, kaum gemeint sein können, da der Verfahrensmangel erst ermittelt werden muss, bevor der Frage einer Zurückverweisung nachgegangen werden kann.
27 
Möglich erscheint eine Auslegung, nach der der Gesetzgeber lediglich die bereits bestehende Rechtsprechung des BSG zur Ausübung des Ermessens (z.B. Beschluss vom 14. Februar 2006, B 9a SB 22/05 B, veröffentlicht in Juris) in Bezug auf die noch zu tätigenden Ermittlungen in den Tatbestand übernehmen wollte, so dass der Verfahrensfehler entgegen dem eindeutigen Wortlaut in keinerlei -kausalen- Beziehung zum Umfang der notwendigen Beweisaufnahme stehen muss. Dagegen spricht allerdings, dass die bereits vorher geltenden §§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Leitbild der Gesetzesänderung gewesen sein dürften. Nach dieser Auffassung müsste zum Einen ein wesentlicher Verfahrensfehler des SG vorliegen und zum Anderen müsste das LSG noch umfangreiche und aufwendige Ermittlungen ergreifen, deren Notwendigkeit sich allerdings auch erst im Berufungsverfahren ergeben könnte. Diese Auffassung scheint weit verbreitet, ohne allerdings auf ein gesetzgeberisches Redaktionsversehen hinzuweisen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kommentar zur ZPO, 70. Auflage, § 538 ZPO, Rdnr. 7-9; Zöller, Kommentar zur ZPO, 29. Auflage, § 538 ZPO Rdnr. 31; Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Auflage, § 538 ZPO Rdnr. 21 ff., 43, jeweils zu § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; KG, Urteile vom 11. Oktober 2010, 12 U 79/09, und 14. Februar 2011, jeweils in BauR 2011, 1061; BGH, NJW 2008, 1672; NJW 2011, 2578; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2011, 7 ff.; wohl auch Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, § 130 VwGO Rdnr. 6; unklar Eyermann, Kommentar zur VwGO, 12. Auflage, § 130 VwGO Rdnr. 8-11; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 17. Auflage, § 130 VwGO Rdnr. 10 ). Die Motive könnten diese Auffassung bestätigen, da darin (BT-Drucksache 17/6764, Seite 27 ff.) nur festgehalten ist, dass ein erheblicher Einsatz von personellen und sächlichen Mitteln [beim LSG] vermieden werden soll, ohne dass weitere -kausale- Anforderungen an die Beweisaufnahme gestellt werden.
28 
Der Senat ist aber der Auffassung, dass der Wortlaut des Gesetzes, wonach auf Grund des Mangels eine -umfangreiche und aufwendige- Beweisaufnahme notwendig sein muss, nicht völlig außer Acht gelassen werden kann. Der Gesetzgeber hat nach Auffassung des Senates missverständlich bzw. vereinfacht zum Ausdruck bringen wollen, dass nur diejenige Beweisaufnahme für eine Zurückverweisung berücksichtigt werden darf, die wegen des Verfahrensfehlers unterblieben ist. Zu prüfen ist danach, ob die Beweisaufnahme ohne den Verfahrensfehler in erster Instanz durchzuführen gewesen wäre (so Musielak, Kommentar zur ZPO, 6. Auflage, § 538 ZPO Rdnr. 15). Im Falle der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) ist demnach darauf abzustellen, ob sich bereits dem SG umfangreiche und aufwendige Ermittlungen aufdrängten und von diesem pflichtwidrig (auf Grund/wegen eines Mangels) unterlassen worden sind. Ergibt sich der umfangreiche und aufwendige Ermittlungsbedarf teilweise erst im Berufungsverfahren oder auf Grund einer anderen Rechtsauffassung des LSG, liegt insoweit bereits ein „Mangel“ nicht vor und darf deshalb bei der Prüfung der Zurückverweisung nicht berücksichtigt werden. Das LSG hat alle notwendigen Ermittlungen zu tätigen, auch wenn sie umfangreich und aufwendig sind, wenn nicht bereits die vom SG pflichtwidrigen unterlassenen Ermittlungen diesen Umfang erreichen. Diese Auslegung berücksichtigt den Gesetzeswortlaut und legt ihn in sinnvoller Weise aus. Diese teleologische Auslegung wird systematisch bestätigt dadurch, dass der Gesetzgeber mit dem selben Änderungsgesetz § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGG aufgehoben hat. Denn damit hat der Gesetzgeber erreicht, dass für eine Zurückverweisung immer auf einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens abzustellen ist. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGG konnte das LSG bis zum 31. Dezember 2011 die Sache auch zurückverweisen, wenn nach dem Erlass des Urteils relevante neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, was sowohl für vorhandene, aber dem SG unbekannt gebliebene, als auch für noch nicht einmal vorhandene Tatsachen/Beweismittel galt (BSG SozR Nr. 5 zu § 159 SGG; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 159 SGG Rdnr. 4 m.w.N.). Damit war eine Zurückverweisung möglich, ohne dass dem SG ein Fehler unterlaufen ist. Mit der Aufhebung des § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGG hat der Gesetzgeber eine Zurückverweisung in einem Verfahren ausgeschlossen, in dem das SG keinen Fehler begangen hat. Durch die Änderung des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG hat der Gesetzgeber systematisch passend eine Zurückverweisung nur noch dann zulassen wollen, wenn die vom SG pflichtwidrig unterlassenen Ermittlungen umfangreich und aufwendig sind und damit ein gravierender Mangel vorliegt.
29 
Das Erfordernis einer umfangreichen und aufwendigen Beweisaufnahme hätte sich bereits dem SG aufdrängen müssen, so dass diese wegen des Verfahrensfehlers notwendig ist (s.o.); die Tatbestandsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb eine Zurückverweisung in Betracht kommt.
30 
Der Senat hat demnach in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens darüber zu entscheiden, ob die angegriffene Entscheidung aufgehoben und die Sache an das SG zurückverwiesen werden soll. Auch wenn die Zurückverweisung nur ausnahmsweise stattfinden soll, macht der Senat hier von dem ihm in § 159 SGG eröffneten Ermessen im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das SG Gebrauch. Das SG hat ohne die offenkundig erforderlichen umfangreichen Ermittlungen tatsächlich und rechtlich schwierige Rechtsfragen mehrerer Klageverfahren und Kläger durch Gerichtsbescheid entschieden, den Beteiligten damit den gesetzlichen Richter entzogen und die Beteiligten mit seiner Rechtsauffassung jedenfalls teilweise überrascht (s.o.). Es handelt sich damit um besonders schwerwiegende Verfahrensfehler, sodass die infolge der Aufhebung und Zurückverweisung zwingend eintretende Verzögerung hinter dem Interesse an einer ordnungsgemäßen Erledigung des erstinstanzlichen Verfahrens zurückzutreten hat.
31 
Die Kostenentscheidung bleibt der erneuten Entscheidung des SG vorbehalten.
32 
Gründe für die Zulassung der Revision gegen diese Entscheidung liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn

1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn

1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 18. März 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landes-sozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Vormerkung rentenrechtlicher Zeiten. Mit der Revision wendet er sich gegen die Feststellung der Erledigung des Verfahrens durch eine fiktive Berufungsrücknahme.

2

Mit Bescheid vom 4.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.6.2004 stellte die Beklagte gemäß § 149 Abs 5 SGB VI die im Versicherungsverlauf des Klägers enthaltenen Daten für den Zeitraum bis zum 31.12.1996 verbindlich fest.

3

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.6.2007 mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger weder seinen Widerspruch noch die Klage begründet habe. Mangels Begründung sei nicht ersichtlich, inwieweit die Feststellung der Daten im Versicherungskonto rechtswidrig sein solle.

4

Im Berufungsverfahren hat das LSG den Kläger mehrmals vergeblich an die Vorlage der Berufungsbegründung erinnert. Die Geschäftsstelle des LSG-Senats hat mit Schreiben vom 19.8.2008, das auf einer durch den Berichterstatter unterschriebenen Verfügung vom selben Tage beruhte und mit dem Zusatz "auf richterliche Anordnung" durch eine(n) Justizangestellte(n) unterzeichnet war, den Kläger aufgefordert, (unter Hinweis auf § 153 Abs 1, § 106a SGG: bis zum 19.9.2008) die Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühle. Des Weiteren hat sie ihn darauf hingewiesen, dass die Berufung nach § 102 Abs 2 Satz 1, § 153 Abs 1 SGG als zurückgenommen gelte, wenn er das Verfahren trotz Aufforderung länger als drei Monate (gerechnet ab Zugang dieser Verfügung) nicht betreibe, dh die Berufung nicht begründe. Auf das ihm am 21.8.2008 zugestellte Schreiben hat sich der Kläger nicht zur Sache geäußert.

5

Am 16.12.2008 hat das LSG den Beteiligten mitgeteilt, dass die Berufung als zurückgenommen gelte. Hiergegen hat sich der Kläger mit Schriftsatz vom 21.12.2008 gewandt; er habe seine Berufung keinesfalls zurückgenommen, sondern warte auf einen Gerichtstermin. In der mündlichen Verhandlung vom 18.3.2009 hat er erklärt, der Versicherungsverlauf sei fehlerhaft, da dort (im Einzelnen bezeichnete) Zeiten der Arbeitslosigkeit und eines Rentenbezugs nicht angegeben seien.

6

Mit Urteil vom selben Tage hat das LSG festgestellt, dass das Verfahren durch Fiktion der Berufungsrücknahme erledigt sei. Die Vorschrift des § 102 Abs 2 SGG gelte gemäß § 153 Abs 1 SGG für das Berufungsverfahren entsprechend. Aus den Vorschriften über das Berufungsverfahren ergebe sich insoweit "nichts anderes" iS von § 153 Abs 1 SGG. Nicht zu folgen sei der in der Literatur vertretenen Auffassung, wonach die Rücknahmefiktion nach § 102 Abs 2 SGG ausschließlich für das Klageverfahren gelte, weil das SGG keine dem § 126 Abs 2 VwGO entsprechende Fiktion der Berufungsrücknahme enthalte. Offenbar habe der Gesetzgeber übersehen, dass es an einer gesetzlichen Regelung für fehlendes Betreiben im Berufungsverfahren mangele, denn auch in den Gesetzesmaterialien finde das Problem keine Erwähnung. Es liege eine unplanmäßige Lücke vor, die mangels erkennbar entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers durch entsprechende Anwendung des § 102 Abs 2 SGG auf das Berufungsverfahren zu schließen sei.

7

Die Voraussetzungen für eine Fiktion der Berufungsrücknahme seien erfüllt. Der Kläger habe innerhalb der ihm gesetzten Frist keine das Verfahren fördernde Äußerung gemacht. Nur mit entsprechender Mitwirkung des Versicherten durch Angaben zu den streitigen Zeiten seien weitere Ermittlungen des Versicherungsträgers ohne Beschränkung auf zugängliche Daten möglich. Entsprechendes gelte für eine sinnvolle gerichtliche Überprüfung des Vormerkungsbescheids. Trotz entsprechender Aufforderung habe der Kläger innerhalb der gesetzten Frist das Verfahren nicht durch Begründung der Berufung betrieben.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 156, § 153 Abs 1 und § 102 Abs 2 SGG. Die Rücknahmefiktion des § 102 Abs 2 SGG sei nicht gemäß § 153 Abs 1 SGG auf das Berufungsverfahren entsprechend anwendbar. In das SGG sei keine dem § 126 Abs 2 VwGO entsprechende Regelung der Fiktion einer Berufungsrücknahme aufgenommen worden. Die Berufungsrücknahme sei im sozialgerichtlichem Verfahren in § 156 SGG speziell und abschließend geregelt, was die Anwendung des § 102 Abs 2 SGG ausschließe. Sachlich begründete Anhaltspunkte für den nach § 102 Abs 2 SGG vorausgesetzten Wegfall des Rechtsschutzinteresses im Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung habe das LSG nicht festgestellt.

9

           

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des LSG Hamburg vom 18.3.2009 und den Gerichtsbescheid des SG Hamburg vom 15.6.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 4.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.6.2004 zu verpflichten, für die Zeiten vom 12.2.1993 bis 21.6.1994 eine Anrechnungszeit wegen Rentenbezugs nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB VI vorzumerken;
hilfsweise, das Urteil des LSG vom 18.3.2009 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

10

           

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Klägers hat iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung Erfolg (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

14

Das LSG hat zu Unrecht festgestellt, dass das Berufungsverfahren durch Fiktion der Rücknahme der Berufung erledigt sei. Denn dafür fehlt es im SGG an einer gesetzlichen Grundlage (1.). Auch eine gemäß § 153 Abs 1 SGG entsprechende Anwendung des § 102 Abs 2 SGG (Klagerücknahmefiktion) kommt iS einer Fiktion der Rücknahme der Berufung bei Nichtbetreiben nicht in Betracht (2.). Überdies wären die Voraussetzungen für den Eintritt einer - unterstelltermaßen entsprechend § 102 Abs 2 Satz 1 SGG möglichen - Rücknahmefiktion nicht gegeben (3.).

15

           

1. Mit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26.3.2008 (BGBl I 444) wurde mit Wirkung vom 1.4.2008 in Abs 2 des § 102 SGG eine Fiktion der Klagerücknahme bei Nichtbetreiben eingefügt. Die Norm lautet:
"Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs 1 Satz 1 (SGG) in Verbindung mit § 155 Abs 2 VwGO ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen."
Bei der fingierten Klagerücknahme handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Fall des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG, BT-Drucks 16/7716 S 19 zu Nummer 17 <§ 102>; Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, Vor § 51 RdNr 16); sie erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache (§ 102 Abs 2 Satz 2 iVm Abs 1 Satz 2 SGG). Eine Regelung zur Fiktion der Berufungsrücknahme hat der Gesetzgeber im SGG hingegen nicht getroffen.

16

2. Die Klagerücknahmefiktion des § 102 Abs 2 SGG ist nicht iS der Fiktion einer Berufungsrücknahme entsprechend anzuwenden.

17

Nach § 153 Abs 1 SGG gelten für das Verfahren vor den Landessozialgerichten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 SGG entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt (= Erster Unterabschnitt des Zweiten Abschnitts des Zweiten Teils des SGG, der die Bestimmungen über die Berufung in den §§ 143 bis 159 SGG umfasst) nichts anderes ergibt. Bei den in Bezug genommenen "Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug" handelt es sich um die im Vierten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Zweiten Teils des SGG aufgeführten Vorschriften der §§ 87 bis 122 SGG(BSG Urteil vom 5.7.1979 - 9 RV 72/77 - SozR 1750 § 543 Nr 2 S 2). Danach ist zwar auch § 102 SGG grundsätzlich nicht von der Anordnung der entsprechenden Geltung im Berufungsverfahren ausgenommen. Die Vorschrift über die Fiktion der Klagerücknahme in § 102 Abs 2 SGG ist jedoch nicht gemäß § 153 Abs 1 SGG im LSG-Verfahren iS einer Fiktion der Berufungsrücknahme entsprechend anwendbar.

18

Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes (a), der Entstehungsgeschichte der Norm (b), dem Vergleich mit der Rechtslage nach der VwGO (c), einem fehlenden Bedürfnis für ein derartiges Rechtsinstitut (d) und dem Ausnahmecharakter der Klagerücknahmefiktion (e).

19

a) Schon der Wortlaut des § 102 Abs 2 Satz 1 SGG, wonach die "Klage" und nicht die "Berufung" als zurückgenommen gilt, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt, steht einer gemäß § 153 Abs 1 SGG entsprechenden Anwendung dieser Regelung auf die Berufung entgegen.

20

Über § 153 Abs 1 SGG kann nicht das Wort "Berufung" in § 102 Abs 2 SGG hineingelesen werden(vgl Leopold, SGb 2009, 458, 463). Denn auch andere Vorschriften über "das Verfahren im ersten Rechtszug", deren entsprechende Geltung § 153 Abs 1 SGG bestimmt und die Regelungen über die "Klage" enthalten, sind im Berufungsverfahren nicht derart erweiternd anzuwenden. Die entsprechende Geltung dieser Vorschriften (zB Klageänderung nach § 99 SGG oder Widerklage nach § 100 SGG) gemäß § 153 Abs 1 SGG umfasst keine Ersetzung des Begriffs "Klage" durch "Berufung". Ein Grund für eine unterschiedliche Auslegung je nachdem, welche Norm in Bezug genommen wird, ist nicht ersichtlich.

21

Überdies findet sich im Ersten Unterabschnitt des Zweiten Abschnitts des Zweiten Teils des SGG, der die Vorschriften für das Verfahren der Berufung umfasst, für die Berufung in § 156 SGG eine spezielle Regelung über ihre "Zurücknahme". Eine § 102 Abs 2 SGG entsprechende Bestimmung für die Berufung iS einer Fiktion ihrer Rücknahme bei Nichtbetreiben enthält die Norm aber nicht. Schon von daher trifft die Ansicht des LSG nicht zu, aus den entsprechenden Vorschriften über das Berufungsverfahren ergebe sich "nichts anderes" iS des § 153 Abs 1 SGG(aA auch LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 15.10.2009 - L 33 R 290/09 WA - Juris RdNr 32, ohne eigenständige Begründung unter Hinweis auf das hier angefochtene LSG-Urteil).

22

b) Aus den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren ergeben sich keinerlei Hinweise dafür, dass der Gesetzgeber die Regelung in § 102 Abs 2 SGG in entsprechender Anwendung gemäß § 153 Abs 1 SGG auf die Berufungsrücknahme ausdehnen wollte.

23

Ziel des SGGArbGGÄndG war es, eine Vereinfachung und Straffung des sozialgerichtlichen Verfahrens herbeizuführen, um dadurch die Sozialgerichtsbarkeit nachhaltig zu entlasten (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 16/7716 S 1 f, 12 ff). Dies sollte durch eine Vielzahl von Maßnahmen geschehen. Die Einführung einer Berufungsrücknahmefiktion zur Entlastung der Landessozialgerichte war aber im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG nicht vorgesehen (vgl BT-Drucks 16/7716 S 13 f); insoweit sah dieser zur Entlastung der Sozialgerichte und Straffung des dortigen Verfahrens lediglich die Fiktion einer Klagerücknahme vor (BT-Drucks 16/7716 S 13). Eine fiktive Berufungsrücknahme wurde auch - soweit ersichtlich - im gesamten Gesetzgebungsverfahren weder im Bundesrat noch in den Ausschüssen oder im Plenum des Bundestags erörtert.

24

           

In der Einleitung der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG heißt es zum Entwurf des § 102 Abs 2 SGG, der in seinem Satz 1 mit der späteren Gesetzesfassung übereinstimmt, wie folgt(BT-Drucks 16/7716 S 19 zu Nummer 17 <§ 102>):

 "Die Fiktion einer Klagerücknahme wird für die Fälle eingeführt, in denen der Kläger oder die Klägerin ungeachtet einer Aufforderung des Gerichts nicht fristgemäß die vom Gericht als geboten angesehene Mitwirkungshandlung erbringt oder hinreichend substantiiert darlegt, warum er oder sie die geforderte Handlung nicht vornehmen kann. Die Klagerücknahmefiktion des Absatzes 2 ist an § 92 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angelehnt, der mit dem 6. VwGOÄndG vom 1. November 1996 (BGBl. I S. 1626) eingefügt wurde und § 81 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) nachgebildet ist. Die Verkürzung auf die Zweimonatsfrist durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) wurde wegen der Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens auf drei Monate erstreckt. Damit soll insbesondere dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die vor den Sozialgerichten vorwiegend klagenden bedürftigen oder kranken Menschen zur Entscheidungsfindung über die Klagerücknahme mehr Zeit brauchen …"

25

           

Die Begründung schließt mit dem Hinweis (aaO, S 20):

 "… Die Regelungen über die fiktive Klagerücknahme gelten auch im einstweiligen Rechtsschutz."

26

Demnach sollen zwar die Regelungen über die fiktive Klagerücknahme im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Anwendung finden. Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Rücknahmefiktion - unabhängig davon, ob eine solche dort überhaupt praktische Relevanz haben kann (vgl hierzu Bienert, NZS 2009, 554, 559; Leopold, SGb 2009, 458, 462, ua mit dem Hinweis, dass das gerichtliche Abwarten der in § 102 Abs 2 Satz 1 SGG genannten Dreimonatsfrist nicht zum Eilcharakter des Verfahrens "passt") - ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung in entsprechender Anwendung des § 102 Abs 2 SGG zulässig ist(bejahend Bienert, aaO; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 102 RdNr 8; verneinend Leopold, aaO). Jedenfalls findet sich kein Hinweis dafür, dass § 102 Abs 2 SGG iS einer Fiktion der Berufungsrücknahme über § 153 Abs 1 SGG entsprechend anwendbar sein soll. Vielmehr wird dort nur verlautbart, dass in § 102 Abs 2 SGG die "Fiktion einer Klagerücknahme … eingeführt" wird und diese "angelehnt" ist an § 92 Abs 2 VwGO; ersichtlich sollte somit der Regelungsgehalt der Parallelvorschrift des § 92 Abs 2 VwGO in das SGG "übernommen" werden. Die "Fiktion einer Berufungsrücknahme" wird nicht erwähnt; ebenso wird an keiner Stelle ein Bezug zur Regelung der Berufungsrücknahmefiktion in § 126 Abs 2 VwGO hergestellt. Nichts anderes ergibt sich aus den sonstigen Materialien zum SGGArbGGÄndG (Stellungnahme des Bundesrats Drucks 16/7716 s 29 f>; Gegenäußerung der Bundesregierung ; zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Gesetzentwurfs im Bundestag vom 17.1.2008, Plenarprotokoll 16/136 S 14417 - 14422 (Anlage 6); Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 20.2.2008 ). Auch sie enthalten keinen Hinweis darauf, dass nach dem "Willen" des Gesetzgebers eine "fiktive Berufungsrücknahme" in entsprechender Anwendung des § 102 Abs 2 SGG ermöglicht werden sollte.

27

c) Der Vergleich mit den in der VwGO normierten Rücknahmefiktionen spricht ebenfalls gegen die Annahme einer Fiktion der Berufungsrücknahme im SGG ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung.

28

Die Klagerücknahmefiktion in § 92 Abs 2 VwGO wurde durch das Sechste Gesetz zur Änderung der VwGO und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) vom 1.11.1996 (BGBl I 1626) mit Wirkung vom 1.1.1997 in Anlehnung an den bereits seit 1.7.1992 geltenden § 81 AsylVfG in die VwGO eingefügt(vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 6. VwGOÄndG, BT-Drucks 13/3993 S 12 zu Nummer 10 <§ 92 VwGO>). Nach § 92 Abs 2 Satz 1 VwGO gilt eine Klage als zurückgenommen, wenn ein Kläger das Verfahren länger als zwei Monate (in Verfahren nach dem AsylVfG gemäß § 81 Satz 1 AsylVfG länger als einen Monat) nicht betreibt.

29

Gleichzeitig wurde durch das 6. VwGOÄndG für die Berufung eine "gesetzliche Rücknahmefiktion" in § 126 Abs 2 VwGO aufgenommen und die Regelung in § 92 Abs 2 VwGO insoweit "ergänzt"(Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 6. VwGOÄndG, BT-Drucks 13/3993 S 13 zu Nummer 17 <§ 126 VwGO>). Nach Satz 1 dieser Bestimmung gilt die Berufung als zurückgenommen, wenn der Berufungskläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt.

30

Die eigenständige gesetzliche Regelung der Fiktion einer Berufungsrücknahme in § 126 Abs 2 VwGO macht deutlich, dass der Gesetzgeber die allgemeine Verweisung in § 125 Abs 1 VwGO auf die Vorschriften des Verfahrens im ersten Rechtszug der VwGO, zu denen auch § 92 Abs 2 VwGO gehört, als nicht ausreichend angesehen hat (vgl in diesem Sinne auch Binder in Lüdtke, SGG, 3. Aufl 2009, § 156 RdNr 16; Leopold, SGb 2009, 458, 463). Vielmehr hat er für die Einführung einer Berufungsrücknahmefiktion einen ausdrücklichen gesetzlichen Regelungsbedarf angenommen.

31

Der Verzicht des SGGArbGGÄndG auf eine Ergänzung des § 156 SGG um eine Rücknahmefiktion für die Berufung in Kenntnis des Umstands, dass eine solche in der Parallelvorschrift der VwGO zu § 156 SGG, nämlich in § 126 VwGO, ausdrücklich geregelt worden ist, bestätigt die Annahme, dass diese "Unvollständigkeit" beabsichtigt war und der Gesetzgeber im SGG lediglich die Möglichkeit einer Fiktion der Klagerücknahme eröffnen wollte, entgegen der Ansicht des LSG also gerade keine "planwidrige Regelungslücke" vorliegt. Hätte er die Berufungsrücknahmefiktion "gewollt", wäre gerade wegen der weitgehenden Parallelität zur VwGO eine dem § 126 Abs 2 VwGO entsprechende ausdrückliche Regelung zu erwarten gewesen(vgl in diesem Sinne auch Binder in Lüdtke, aaO, § 156 RdNr 16).

32

Sollte der Gesetzgeber gleichwohl - anders als in der VwGO - eine ausdrückliche Regelung im SGG für entbehrlich gehalten haben, hätte es zumindest eines deutlichen Hinweises bedurft. Dieser fehlt jedoch. Keinesfalls kann daraus jedoch, wie das LSG offenbar meint, ein "Wille" des Gesetzgebers für eine gemäß § 153 Abs 1 SGG entsprechende Anwendung des § 102 Abs 2 SGG für die Berufung iS einer Fiktion ihrer Rücknahme bei Nichtbetreiben hergeleitet werden. Vielmehr dürfte das "Schweigen" sowohl in § 156 SGG als auch in den Materialien zum SGGArbGGÄndG schon eher als "beredtes Schweigen" zu werten sein(vgl Leopold, SGb 2009, 458, 463).

33

Dem Gesetzgeber war im Übrigen der Regelungszusammenhang zwischen erst- und zweitinstanzlichem Verfahren durchaus bewusst; dies belegt die mit dem SGGArbGGÄndG erfolgte Einfügung des § 157a SGG für das Berufungsverfahren gleichzeitig mit der ebenfalls durch dieses Gesetz für das erstinstanzliche Verfahren eingeführten Bestimmung des § 106a SGG zur Zurückweisung verspäteten Vorbringens (vgl auch Leopold, SGb 2009, 458, 463). Ausdrücklich heißt es hierzu in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucks 16/7716 S 22 zu Nummer 27 <§ 157a>): "Folgeänderung wegen der Einführung der Präklusionsvorschrift in § 106a im erstinstanzlichen Verfahren. Dies zieht die Notwendigkeit einer entsprechenden Vorschrift im Rechtsmittelverfahren nach sich …".

34

d) Dass der Gesetzgeber auf die Regelung einer Fiktion der Berufungsrücknahme verzichtet hat, mag möglicherweise auch darauf zurückzuführen sein, dass nach dem SGG eine Klagerücknahme ohne Zustimmung der/des Beklagten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens erfolgen kann (so Roller in Lüdtke, aaO, § 102 RdNr 16). Auf dieser Grundlage hält die wohl überwiegende Auffassung im Schrifttum auch eine Klagerücknahmefiktion im Berufungsverfahren für zulässig (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 102 RdNr 8b und § 156 RdNr 1b; Roller, aaO; Eschner in Jansen, SGG, 3. Aufl 2008, § 102 RdNr 4; Hauck in Zeihe, SGG, Stand 2009, § 102 RdNr 12; Bienert, NZS 2009, 554, 558; kritisch Leopold, SGb 2009, 458, 463; Schafhausen, ASR 2010, 112, 118).

35

Der Senat kann offen lassen, ob er sich dieser Rechtsansicht anschließt; denn das LSG hat nicht festgestellt, dass das Verfahren durch Fiktion der Klagerücknahme erledigt ist. Er neigt jedoch dazu, ihr jedenfalls grundsätzlich zuzustimmen. Denn § 102 Abs 2 Satz 1 SGG wird nicht über seinen Anwendungsbereich hinaus angewendet, sofern die Rücknahmefiktion in der zweiten Instanz die Klage betrifft. Der Übernahme einer § 126 Abs 2 Satz 1 VwGO entsprechenden Regelung bedurfte es insoweit nicht(Hauck in Zeihe, aaO, § 102 RdNr 12).

36

Gemäß § 102 Abs 1 Satz 1 SGG kann der Kläger die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Dies hat der Gesetzgeber mit der Änderung des § 102 Abs 1 Satz 1 SGG durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17.8.2001 (BGBl I 2144) klargestellt (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 6. SGGÄndG, BT-Drucks 14/5943 S 26 zu Nummer 38 <§ 102>), entsprach aber auch schon der Rechtsprechung des BSG zur früheren Fassung des § 102 Abs 1 Satz 1 SGG, wonach der Kläger die Klage "bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung" zurücknehmen konnte(s hierzu BSG Beschluss vom 27.9.1983 - 8 BK 16/82 - SozR 1500 § 102 Nr 5 S 10). Der Kläger kann daher auch noch im Berufungsverfahren die Klage ganz oder - wenn der Streitgegenstand teilbar ist - teilweise (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 102 RdNr 4; Roller in Lüdtke, aaO, § 102 RdNr 4)zurücknehmen mit der Folge, dass die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung gemäß § 202 SGG iVm § 269 Abs 3 Satz 1 ZPO ganz oder - bei teilweiser Klagerücknahme - teilweise wirkungslos wird.

37

Ist aber eine Klagerücknahme nach § 102 Abs 1 Satz 1 SGG im Berufungsverfahren möglich und bestimmt § 102 Abs 2 Satz 2 SGG für die Klagerücknahmefiktion, dass Abs 1 entsprechend gilt, ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb die Fiktion der Rücknahme der Klage bei ganz oder teilweisem Wegfall des Rechtsschutzinteresses nicht (grundsätzlich) auch im Berufungsverfahren in Betracht kommen kann. Denn auch im Rechtsmittelverfahren muss das Rechtsschutzinteresse des Klägers an der von ihm in erster Instanz erhobenen Klage stets fortbestehen.

38

Allerdings dürfte nach Einlegung einer Berufung gegen ein klageabweisendes erstinstanzliches Urteil ein Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers, also ein Desinteresse an der weiteren Verfolgung seines Begehrens, nur in seltenen Ausnahmefällen zu unterstellen sein (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 102 RdNr 8b; Leopold, SGb 2009, 458, 463; Hauck in Zeihe, aaO, § 102 RdNr 12, mit dem Hinweis, dass im Rechtsmittelverfahren "eher noch höhere Anforderungen an die Demonstration mangelnden Rechtsschutzinteresses zu stellen" seien; Schafhausen, ASR 2010, 112, 118). Dies gilt vor allem dann, wenn der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren teilweise Erfolg hatte, entzöge die Klagerücknahmefiktion im Berufungsverfahren doch dem zusprechenden Teil des erstinstanzlichen Urteils die Rechtswirkung. Die Annahme, dass ein Kläger, der ein Berufungsverfahren trotz Aufforderung nicht betreibt, durch das Nichtbetreiben auch die für ihn positiven Folgen der erstinstanzlichen Entscheidung zum Wegfall bringen und damit so gestellt werden möchte, als ob er die Klage nie erhoben hätte, dürfte nur schwerlich zu begründen sein (vgl Schafhausen, aaO; Leopold, aaO). In Betracht käme in diesen Fällen freilich eine Fiktion der teilweisen Klagerücknahme bezogen auf den klageabweisenden Teil der SG-Entscheidung.

39

e) Schließlich berücksichtigt nur die Rechtsauffassung, dass § 102 Abs 2 SGG nicht iS einer Fiktion der Berufungsrücknahme über § 153 Abs 1 SGG entsprechend anwendbar ist, die verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG für die Auslegung und Anwendung von gesetzlichen Regelungen über die Beendigung eines Gerichtsverfahrens wegen unterstellten Wegfalls des Rechtsschutzinteresses. Vorschriften dieser Art haben nämlich strengen Ausnahmecharakter. Da sie einschneidende Rechtsfolgen für die betroffenen Beteiligten nach sich ziehen, bedürfen sie in besonderem Maße der Rechtsklarheit.

40

Das BVerfG (Kammer) hat in seinem Beschluss vom 27.10.1998 (2 BvR 2662/95 - DVBl 1999, 166, 167) darauf hingewiesen, dass in Einklang mit Art 19 Abs 4 GG jede an einen Antrag gebundene Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt und ein Gericht im Einzelfall von einem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses ausgehen kann, wenn das Verhalten eines Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an einer Sachentscheidung nicht mehr gelegen ist. Ausdrücklich hat es festgestellt, dass eine hierauf gestützte Abweisung eines Rechtsschutzbegehrens mangels Sachbescheidungsinteresses verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich ist.

41

Einen gesetzlichen Niederschlag hat dieser Rechtsgedanke in § 81 AsylVfG, § 92 Abs 2 VwGO, § 126 Abs 2 VwGO und in § 102 Abs 2 SGG gefunden. Denn diese Bestimmungen, die eine Beendigung des Verfahrens ohne Entscheidung über das Rechtsschutzbegehren zur Folge haben, unterstellen, dass das Rechtsschutzinteresse entfallen ist, wenn ein Kläger in dem von ihm angestrengten Verfahren über einen bestimmten Zeitraum nicht oder nicht in hinreichendem Maße tätig geworden ist.

42

Das BVerfG hat bereits mehrfach entschieden, dass hiervon ausgehende Vorschriften mit der Rechtsfolge einer Verfahrensbeendigung mit Art 19 Abs 4 GG vereinbar sind; es hat aber zugleich betont, dass Regelungen dieser Art Ausnahmecharakter haben, der bei ihrer Auslegung und Anwendung besonders zu beachten ist (BVerfG Beschluss vom 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 - DVBl 1999, 166, 167 zu § 81 AsylVfG und § 92 Abs 2 VwGO; vgl bereits BVerfG Beschluss vom 7.8.1984 - 2 BvR 187/84 - NVwZ 1985, 33; BVerfG Beschluss vom 15.8.1984 - 2 BvR 357/84 - DVBl 1984, 1005; BVerfG Beschluss vom 19.5.1993 - 2 BvR 1972/92 - NVwZ 1994, 62 f, alle zu § 33 AsylVfG 1982). Auch in der Literatur besteht über den Ausnahmecharakter und ein von Verfassungs wegen gebotenes enges Verständnis gesetzlich fixierter Rechtsmittelrücknahmefiktionen Einigkeit (vgl zu § 102 Abs 2 SGG: Roller in Lüdtke, aaO, § 102 RdNr 17; Binder in Lüdtke, aaO, § 156 RdNr 16; Berchtold in Berchtold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2009, § 5 RdNr 586; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 102 RdNr 8a; Leitherer, NJW 2008, 1258, 1260; Hauck in Hennig, SGG, Stand: 2010, § 102 RdNr 29; Hauck in Zeihe, aaO, § 102 RdNr 8b; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, Kap VII RdNr 170a; Schafhausen, ASR 2010, 112, 115; Leopold, SGb 2009, 458, 459; Bienert, NZS 2009, 554, 555; Becker, SGb 2009, 267, 269; Tabbara, NZS 2008, 8, 10; Francke, ASR 2008, 127, 128; vgl zu § 92 Abs 2 VwGO: Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl 2009, § 92 RdNr 18; Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Juli 2009, § 92 RdNr 39).

43

Dass sich auch der Gesetzgeber des SGGArbGGÄndG bei der Einfügung der Klagerücknahmefiktion in § 102 Abs 2 SGG der vom BVerfG aufgezeigten engen verfassungsrechtlichen Grenzen unter Beachtung ihres Ausnahmecharakters bewusst war, kommt in den Materialien deutlich zum Ausdruck. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG heißt es zum dortigen Entwurf des § 102 Abs 2 SGG unter Bezugnahme auf die vorgenannte Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG(Beschluss vom 12.4.2001 - 8 B 2/01 - NVwZ 2001, 918) ausdrücklich, dass "die Auslegung und Anwendung der Norm nur vor dem Hintergrund ihres strengen Ausnahmecharakters erfolgen" darf (BT-Drucks 16/7716 S 19 zu Nummer 17 <§ 102>).

44

Ist dies aber der Fall, verbietet es sich, § 102 Abs 2 SGG als Sonder- und Ausnahmeregelung über seinen ausdrücklich geregelten Anwendungsbereich hinaus erweiternd auszulegen und anzuwenden. Vielmehr ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 19 Abs 4 GG, Art 103 Abs 1 GG) geradezu geboten, wollte man auch im SGG eine Fiktion der Rücknahme der Berufung wegen Nichtbetreibens ermöglichen, hierfür - wie in der VwGO durch Einfügung des § 126 Abs 2 VwGO geschehen - eine eigenständige gesetzliche Grundlage zu schaffen.

45

3. Nach dem Vorstehenden braucht der Senat nicht mehr zu prüfen, ob - wie vom LSG entschieden - die Voraussetzungen einer Fiktion einer Berufungsrücknahme bei unterstellter entsprechender Anwendbarkeit des § 102 SGG vorliegen. Gleichwohl weist der Senat darauf hin, dass, selbst wenn man der generellen Rechtsansicht des LSG folgen würde, die Feststellung der Erledigung des Verfahrens durch das LSG im Falle des Klägers zu Unrecht erfolgt wäre.

46

a) Zwar ist im Zeitpunkt der Betreibensaufforderung das vom BVerfG für eine Rechtsmittelrücknahmefiktion geforderte ungeschriebene Tatbestandsmerkmal erfüllt gewesen, dass nach dem prozessualen Verhalten des Klägers hinreichender Anlass bestand, von einem Wegfall des Rechtsschutzinteresses auszugehen (vgl BVerfG Beschluss vom 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 - DVBl 1999, 166, 167; vgl ebenso Senatsurteil vom heutigen Tage - B 13 R 74/09 R).

47

Denn bei Erlass der Betreibensaufforderung am 19.8.2008 waren die Gründe, warum der Kläger eine gerichtliche Überprüfung des angefochtenen Vormerkungsbescheids vom 4.11.2003 begehrte, mangels dessen Mitwirkung für das LSG nicht ersichtlich. Trotz mehrfacher Aufforderung war nämlich die Berufung auch ein Jahr nach ihrer Einlegung nicht begründet worden, ebenso wenig wie der Widerspruch gegen den Vormerkungsbescheid vom 4.11.2003 oder die Klage. Das SGG enthält zwar für die Begründung der Klage und der Berufung, insbesondere für die Angabe von Beweismitteln und von Tatsachen, durch deren Nichtberücksichtigung der Kläger sich beschwert fühlt, keine zwingenden Vorschriften (§ 92 Abs 1 Satz 4, § 151 Abs 3 SGG: "sollen" bzw "soll"). Das Gericht hat die Beteiligten aber insoweit heranzuziehen, wie sich aus § 103 Satz 1 Halbs 2 SGG ergibt. Bei fehlender Mitwirkung ist das Gericht nicht verpflichtet, von sich aus in jede nur mögliche Richtung ("ins Blaue hinein") zu ermitteln und Beweis zu erheben (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 103 RdNr 16).

48

b) Allerdings setzt eine Rücknahmefiktion den Ablauf einer zuvor vom Gericht gesetzten Frist zum Betreiben des Verfahrens voraus (vgl § 102 Abs 2 Satz 1 SGG). Eine in diesem Sinne wirksame Fristsetzung ist vorliegend aber nicht erfolgt. Denn jedenfalls vermag ein - wie hier - lediglich mit dem Zusatz "auf richterliche Anordnung" durch eine(n) Justizangestellte(n) unterzeichnetes gerichtliches Schreiben der Geschäftsstelle eine Frist zum Betreiben des Verfahrens nicht in Lauf zu setzen (vgl Krasney/Udsching, aaO, Kap VII RdNr 170a; Leopold SGb 2009, 458, 460; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, aaO, § 102 RdNr 11, mit dem Hinweis, die Betreibensaufforderung müsse "wenigstens die Form eines Richterbriefs" haben; s auch BGH Urteil vom 13.3.1980 - VII ZR 147/79 - BGHZ 76, 236, 241 - zur Frist gemäß § 273 Abs 2 Nr 1, § 275 Abs 1, § 296 ZPO).

49

Zur Form der Betreibensaufforderung gilt im Übrigen Folgendes: Wenn sie Wirkungen für die Beteiligten erzeugen soll, muss sie vom zuständigen Richter verfügt und mit vollem Namen unterzeichnet werden. Ein den Namen abkürzendes Handzeichen (Paraphe) genügt als Unterschrift nicht (vgl Krasney/Udsching, aaO, Kap VII RdNr 170a; Leopold, SGb 2009, 458, 460; Bienert, NZS 2009, 554, 556, jeweils mwN). Dies folgt schon aus den einschneidenden Rechtsfolgen einer (erfolglosen) Betreibensaufforderung. Erst die Beifügung der vollen Unterschrift des Richters macht deutlich, dass es sich bei dem unterzeichneten Text nicht lediglich um einen Entwurf handelt und dass der Unterzeichnende nicht von einer Routine-Verfügung ausgeht; hierüber muss aber bei einer Betreibensaufforderung auch für die Betroffenen Gewissheit bestehen. Deshalb muss sie nicht nur vom zuständigen Richter verfügt und unterschrieben sein, sondern auch die gemäß § 63 Abs 1 Satz 1 SGG zuzustellende Ausfertigung/beglaubigte Abschrift(vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG, BT-Drucks 16/7716 S 19 zu Nummer 17 <§ 102>; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 63 RdNr 3)diesen Umstand erkennen lassen, dh durch Wiedergabe des vollen Namens des Richters ausweisen, dass die Betreibensaufforderung von ihm stammt.

50

4. Da der Senat über die vom Kläger geltend gemachten rentenrechtlichen Zeiten mangels entsprechender Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG nicht entscheiden konnte, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn

1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn

1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

Tenor

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. März 2011 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

 
Streitig ist die von der Beklagten verfügte Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Klägerin Ziff 1 ab 1. August 2008, die Aufhebung der Bewilligung von Alg II für den Zeitraum Februar bis Juli 2008 und die Erstattung gezahlter Leistungen für die Kläger Ziff. 1 und Ziff. 2 in Höhe von jeweils 2.629,85 EUR sowie die Aufhebung und Erstattung gezahlten Einstiegsgeldes von Februar bis September 2008 für die Klägerin Ziff. 1. in Höhe von 1.249,20 EUR.
Die Kläger lebten nach ihren Angaben ab 1. Januar 2008 in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft (siehe Bl. 131, 132 der Verwaltungsakte der Beklagten). Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 23. Januar 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2008 in Höhe von 624,00 EUR monatlich.
Am 17. März 2008 meldete die Klägerin Ziff. 1 bei der Stadt Ö. die Aufnahme eines Gewerbes (Thailändische Wellness-Massage) zum 1. April 2008 in ihrer Wohnung in der H.-Straße an. Diesbezüglich stellte die Klägerin bei der Beklagten am 3. April 2008 einen Antrag auf Einstiegsgeld, das ihr mit Bescheid vom 15. April 2008 für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2008 in Höhe von monatlich 208,20 EUR bewilligt wurde. Mit zweien an die beiden Kläger adressierten Änderungsbescheiden vom 16. April 2008 wurde den Klägern vom 1. April 2008 bis 31. Juli 2008 monatlich 624,00 EUR bewilligt. Die Bescheide enthielten einen Hinweis auf die am 1. April 2008 aufgenommene selbstständige Tätigkeit der Klägerin Ziff. 1. Am 15. Mai 2008 zeigte die Klägerin Ziff. 1 bei der Stadt Ö. die Verlegung ihres Gewerbes in die K.-Sch.-Straße zum 15. Mai 2008 an.
Mit zwei Änderungsbescheiden vom 26. Mai 2008 - adressiert wiederum an die Klägerin Ziff. 1 und den Kläger Ziff. 2 - bewilligte die Beklagte den Klägern 532,00 EUR für den Monat Juli 2008 aufgrund des Einkommens aus der Selbstständigkeit der Klägerin Ziff. 1.
Auf den Antrag vom 2. Juli 2008 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Juli 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. August 2008 bis 31. Januar 2009 in Höhe von 632,00 EUR monatlich. Im Hinblick auf das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erfolgte die Bewilligung vorläufig.
Am 10. Juli 2008 sprach ein Herr A. G. (im Folgenden Z) bei der Beklagten vor und teilte mit, er habe die Klägerin Ziff. 1 im November 2007 in einem Bordell in B. kennen gelernt, sie aus der Prostitution herausgeholt und mit ihr zum 1. April 2008 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts und einen Massagesalon in B., F.-Straße , gegründet. Die Klägerin Ziff. 1 habe auch bei ihm gewohnt. Er habe der Klägerin Ziff. 1 von November 2007 ab ca. 32.000,00 EUR in kleineren Beträgen ausgehändigt. Die Klägerin Ziff. 1 baue in Thailand ein Haus. Er sei zusammen mit der Klägerin Ziff. 1 vom 30. April bis 12. Mai 2008 in Thailand gewesen und habe sie dort - in Deutschland nicht anerkannt - geheiratet. Z händigte verschiedene Unterlagen, u.a. eine Meldebestätigung der Stadt B. über die Anmeldung der Klägerin Ziff. 1 seit dem 1. April 2008 in die H.-Straße mit Hauptwohnung, eine Gewerbeanmeldung der Klägerin Ziff. 1 und des Z in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts namens „S. d. - traditionelle Thaimassage und Wellness“, und den Gesellschaftsvertrag vom 28. März 2008, der Beklagten aus. Der Kläger Ziff. 2 fungiere als eine Art Zuhälter, die Klägerin Ziff. 1 gehe weiter der Prostitution nach.
Mit Änderungsbescheid vom 14. Juli 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger Ziff. 2 vom 1. August 2008 bis 31. Januar 2009 351,00 EUR monatlich. Mit Bescheid vom 14. Juli 2008 hob die Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Klägerin Ziff. 1 ab 1. August 2008 ganz auf, da die Klägerin umgezogen sei und mit Z in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft stehe. Auch sei ein anderer Träger nunmehr zuständig. Am 14. August 2008 erhob die Klägerin Ziff. 1 hiergegen Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ab Januar 2008 habe Z mehrfach und in wechselnder Höhe Geld überwiesen, weshalb die Klägerin Ziff. 1 nicht hilfebedürftig gewesen sei. Mit Bescheid vom 30. Oktober 2008 hob die Beklagte die Entscheidung vom 23. Januar 2008 ganz auf und forderte die Erstattung von 2.629,85 EUR. Mit einem weiteren Bescheid vom 30. Oktober 2008 hob die Beklagte auch die Entscheidung vom 23. Januar 2008 hinsichtlich des Klägers Ziff. 2 ganz auf und forderte ebenfalls die Erstattung von 2.629,85 EUR. Am 6. November 2008 legten die Kläger jeweils gegen die Bescheide vom 30. Oktober 2008 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2008 wurde der Widerspruch der Klägerin Ziff 1, mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2009 der Widerspruch des Klägers Ziff. 2 zurückgewiesen. Mit Bescheid vom 6. November 2008 hob die Beklagte die Entscheidung vom 15. April 2008 über die Bewilligung von Einstiegsgeld ganz auf und forderte die Erstattung von 1.249,20 EUR. Am 24. November 2008 erhob die Klägerin Ziff. 1 hiergegen Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2008 zurückgewiesen wurde.
Auf den Antrag vom 12. Januar 2009 bewilligte die Beklagte - nach Aufhebung ihres den Antrag ablehnenden Bescheides vom 25. Februar 2009 durch Bescheid vom 3. April 2009 - den Klägern Leistungen in Höhe von 265,01 EUR bzw. 473,34 EUR monatlich (weiterer Bescheid vom 3. April 2009).
Am 21. November 2008 hat die Klägerin Ziff. 1 Klage gegen den Aufhebungsbescheid vom 14. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2008 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, die das Aktenzeichen S 5 AS 5099/08 bekommen hat. Am 29. Dezember 2008 hat die Klägerin Ziff. 1 Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 30. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2008 erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 5 AS 5740/08 geführt worden ist. Am selben Tag hat die Klägerin Ziff. 1 auch Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. November 2008 erhoben, die das Aktenzeichen S 5 AS 5741/08 bekommen hat. Am 30. April 2009 hat der Kläger Ziff. 2 Klage zum SG gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 30. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2009 erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 8 AS 1932/09 geführt worden ist. Die Kläger haben im Wesentlichen vorgetragen, dass die Behauptungen des Z falsch, die vorgelegten Unterlagen nicht von der Klägerin Ziff. 1 veranlasst worden bzw. gefälscht seien.
10 
Das SG hat im Verfahren S 5 AS 5099/08 die Akten der Staatsanwaltschaft K. hinsichtlich dreier Ermittlungsverfahren (Bedrohung, [„Heirats“-] Betrug und Sozialleistungsbetrug) beigezogen, Auszüge zur Akte genommen und im März 2009 zurückgesandt. Mit Beschluss vom 30. September 2010 hat der Vorsitzende der 5. Kammer des SG ohne vorherige Anhörung der Beteiligten die genannten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen S 5 AS 5199/08 fortgeführt. Aus Bl. 129 Rückseite ist ableitbar, dass eine irgendwie geartete Anhörung zum Erlass eines Gerichtsbescheides verfügt worden ist. Mit Gerichtsbescheid vom 28. März 2011 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2008 aufgehoben, den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2009 aufgehoben, soweit die Beklagte darin die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 1. April bis 31. Juli 2008 aufgehoben und für diesen Zeitraum Erstattung gefordert hat, die Klagen diesbezüglich im Übrigen abgewiesen und den Bescheid der Beklagten vom 6. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2008 aufgehoben. Im Februar und März 2008 habe die Klägerin Ziff. 1 von Z Gelder erhalten, die als laufende Einnahmen zu werten und deshalb nur diesen Monaten zuzuordnen seien. Soweit die Beklagte Leistungen vom 1. April bis 31. Juli 2008 aufgehoben und für diesen Zeitraum Erstattung von Leistungen gefordert hat, habe sie den falschen Bescheid aufgehoben, sodass auch eine Rückforderung ausscheide. Bezüglich der Klage gegen den Aufhebungsbescheid vom 14. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2008 bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Umzug der Klägerin nach B.. Die Voraussetzungen für die Rückforderung des Einstiegsgeldes lägen nicht vor. Der Bewilligungsbescheid sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, weil die Klägerin Ziff. 1 im März 2008 wegen des Einkommens in Höhe von 1590 EUR nicht hilfebedürftig gewesen sei. Die Klägerin habe aber weder unrichtige Angaben im Sinne von § 45 Abs. 3 Nr. 2 SGB X gemacht, noch infolge grober Fahrlässigkeit die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes verkannt (§ 45 Abs.2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Hinsichtlich der Klage des Klägers Ziff. 2 würden die Ausführungen zur Klage der Klägerin Ziff. 1 entsprechend gelten.
11 
Gegen den der Beklagten am 29. März 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 26. April 2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, entgegen der Auffassung des SG habe der Änderungsbescheid vom 16. April 2008 keine Regelung enthalten und den Bescheid vom 23. Januar 2008 schon gar nicht (ganz) ersetzt. Mit Bescheid vom 26. Mai 2008 sei der Bewilligungsbescheid vom 23. Januar 2008 nur teilweise für Juli 2008 wegen einer Einkommensanrechnung abgeändert worden, aber der Bescheid vom 23. Januar 2008 nicht ersetzt worden. Hinsichtlich des Umzuges der Klägerin Ziff. 1 nach B. sei weiter fraglich, wie es zu der Meldebestätigung Bl. 211 der Verwaltungsakten gekommen sei, zumal das Amtsgericht B. im Verfahren wegen Ehescheidung, Az , die Adresse in B. verwendet habe. Fraglich sei auch, ob einige Zuwendungen nicht doch als Einmalzahlungen zu betrachten seien. Aufgrund welcher Informationen das SG zu der Erkenntnis gelangt sei, die Klägerin Ziff. 1 habe von August 2008 bis Januar 2009 offenbar kein zu berücksichtigendes Einkommen erzielt, sei nicht bekannt. Die betriebswirtschaftliche Auswertung (Bl. 466 der Verwaltungsakten) bescheinige erhebliche Beträge, welche die Hilfebedürftigkeit entfallen ließen. Zudem lasse das SG völlig außer Betracht, dass die Klägerin offenbar eine Immobilie in Thailand besitze und somit über Vermögen verfüge. Nach Aussage des Z müssten sich Unterlagen über das Anwesen und Renovierungsmaßnahmen in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft befinden. Gegenüber Z habe die Klägerin Ziff. 1 wohl stets behauptet, dass die Immobilie in ihrem Eigentum stehe. Die vom Klägerbevollmächtigten bezeichnete Eigentumsurkunde sei nicht zur Kenntnis gegeben worden. Hinsichtlich der Klage gegen den Bescheid vom 6. November 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 27. November 2008 lasse sich aus dem beigefügten Gesetzestext sehr wohl entnehmen, dass Hilfebedürftigkeit Anspruchsvoraussetzung sei. Es hätte der Klägerin auch klar sein müssen, dass sie auch keine Leistungen zum Aufbau einer selbstständigen Tätigkeit erhalten könne, während sie gleichzeitig den Aufbau einer weiteren Selbstständigkeit betreibe und voll umfänglich aus anderen Quellen finanziere. Das müsse sich auch einem Angehörigen eines fremden Rechts- und Kulturkreises ohne Weiteres aufdrängen. Wie das SG zu der Erkenntnis komme, dass die Klägerin tatsächlich verkannt habe, dass ihr Einstiegsgeld nicht zustehe, lasse sich dem Akteninhalt nicht entnehmen. Die Klägerin Ziff. 1 habe durchaus grob fahrlässig gehandelt.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
den Gerichtsbescheid abzuändern und die Klagen in vollem Umfang abzuweisen.
14 
Die Kläger beantragen,
15 
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
16 
Die Klägerin sei nicht Eigentümerin eines Hauses in Thailand. Die Behauptungen des Z seien falsch. Die am 29. April 2011 erhobene Berufung der Kläger haben diese am 30. Mai 2011 zurückgenommen.
17 
In der nichtöffentlichen Sitzung am 14. Dezember 2011 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass auch eine Zurückverweisung des Verfahrens an das SG in Betracht komme. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die gemäß §§ 143, 144 Abs.1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist im Sinne der Aufhebung des angegriffenen Gerichtsbescheids und der Zurückverweisung der Streitsache an das SG auch begründet.
20 
Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der ab 1. Januar 2012 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 3057) kann das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung (hier: der Gerichtsbescheid) auf ihm beruhen kann (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 159 SGG Rdnr. 3a).
21 
Das gerichtliche Verfahren des SG leidet an mehreren wesentlichen Mängeln.
22 
Dem SG hätte sich nach dem Amtsermittlungsprinzip (§ 103 SGG) eindeutig -auch ohne förmlichen Beweisantrag eines Beteiligten- aufdrängen müssen, den „Belastungszeugen“ Z zu vernehmen, was ein wesentlicher Verfahrensfehler ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 103 SGG Rdnr. 20 m.w.N.). Die erheblichen Vorwürfe des Z sind von den Klägern vehement und mit Fälschungsvorwurf bestritten worden, sodass es nicht im Ansatz nachvollziehbar ist, dass der Vorsitzende der 5. Kammer die Vernehmung des Z unterlassen hat. So hat der Vorsitzende der 8. Kammer die Vernehmung des Zeugen sogar in einem Eilverfahren (S 8 AS 1263/09 ER) angeordnet, was lediglich deshalb nicht zur Durchführung kam, weil sich das Eilverfahren im Beweisaufnahmetermin vorher erledigte. Die Vernehmung des Z drängte sich um so mehr auf, als das SG auch nicht das Verfahren gemäß § 114 Abs. 3 SGG ausgesetzt hat, um die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zunächst abzuwarten, was die Beklagte angeregt hatte. Auf die Aussage des Z kam es auch nach der Auffassung des SG an. Denn das SG hat die - nur aktenkundigen - Angaben des Z und die Unterlagen für die Monate Februar und März 2008 dahingehend bewertet, dass Zahlungen des Z an die Klägerin Ziff. 1 vorgenommen worden sind; das SG hat auch die Zweckbestimmung dieser Zahlungen nur nach Aktenlage bewertet und aufgrund einer unklaren persönlichen Beziehung als laufend eingeschätzt. Hierzu hätte es offensichtlich und eindeutig ebenfalls einer Sachaufklärung durch Zeugenvernehmung bedurft. Schließlich hat es das SG auch unterlassen, den Zeugen zu dem fraglichen Umzug der Klägerin Ziff. 1 zu ihm und zu ihren Ortsabwesenheiten zu vernehmen. Das SG hat auch keinerlei Ermittlungen unternommen, um Näheres über die Eigentumsverhältnisse des von Z erwähnten Grundbesitzes der Klägerin Ziff. 1 in Thailand anzustellen.
23 
Letztlich hätte es sich dem Vorsitzenden der 5. Kammer auch aufdrängen müssen, die Klägerin Ziff. 1 mündlich zu hören, um die Frage des persönlichen Verschuldens der Klägerin Ziff. 1 im Hinblick auf § 45 SGB X und die damit in Beziehung gesetzten Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin Ziff. 1 zu klären.
24 
Nachdem der Sachverhalt nicht aufgeklärt ist, kam auch eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 12 SGG) gemäß § 105 SGG nicht in Betracht. Damit ist die Entscheidung nicht durch den gesetzlichen Richter erfolgt. Hinzu kommt, dass die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist. Es handelt sich um vier verbundene Klageverfahren zweier Kläger, wobei jedes Klageverfahren für sich bereits besonders schwierige Fragen tatsächlicher (siehe oben) und rechtlicher Art aufweist. Nach Aufklärung des Sachverhalts über die Zahlungen des Z und deren jeweilige Zweckbestimmung ist nicht nur über die Abgrenzung zwischen laufenden und einmaligen Zuwendungen zu entscheiden, sondern ist auch darüber zu befinden, ob jede einzelne Zuwendung tatsächlich als Einkommen anzurechnen ist. Auch die vom SG aufgeführte Rechtsfrage, ob die Beklagte den falschen Bewilligungsbescheid (vom 23. Januar 2008) aufgehoben hat, ist wenn nicht falsch entschieden, so doch jedenfalls schwierig. Die Beklagte hat durch die Änderungsbescheide vom 16. April 2008 keinerlei Änderung im Verfügungssatz vorgenommen. Mit den Bescheiden vom 26. Mai 2008 hat sie die Leistungen lediglich für Juli 2008 geändert, sodass der Bescheid vom 23. Januar 2008 wie auch die „Änderungsbescheide“ vom 16. April 2008 allenfalls teilweise geändert, keinesfalls ganz ersetzt worden ist. Besonders schwierig erscheint auch bereits die Berechnung des Einkommens der Klägerin Ziff. 1 aus ihrer/ihren selbstständigen Tätigkeiten. Entgegen der Vermutung des SG hat die Klägerin auch ab 1. August 2008 Betriebseinnahmen erzielt (vgl. Bl. 466 der Verwaltungsakte der Beklagten). Schließlich ist vom SG noch zu ermitteln, ob die Klägerin Ziff. 1 eine weitere selbständige Tätigkeit bezüglich der S. ... GbR ausgeübt und auch aus ihr anzurechnendes Einkommen erzielt hat und ob sie weiterhin einer einkommenserzielenden Prostitution nachgegangen ist, was angesichts der korrigierten Aussage der Frau St. gegenüber der Staatsanwaltschaft (Blatt 79 der Gerichtsakten des SG) gut möglich erscheint. Auch der Vortrag der Kläger hierzu ist zu den Behauptungen des Z derart gegensätzlich, dass eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich ist. So ist nach erneuter Beiziehung aller Akten der Staatsanwaltschaft, der Akten des AG B., Az und der Akten des diesbezüglichen Berufungsverfahrens beim LG Karlsruhe, das das angebliche Gesellschaftsverhältnis S. d. GbR betrifft, über die Vernehmung auch der dort vernommenen Zeugen zu befinden, die nicht nur beruflich mit der Klägerin Ziff. 1 zu tun hatten, sondern auch von dieser behandelt worden sind, was die Kläger wiederum alles bestreiten. Darüber hinaus kommt eine Vernehmung des geschiedenen Ehemannes der Klägerin Ziff. 1 und die Beiziehung der Akten des AG B. wegen Ehescheidung (Az) in Betracht, da auch darin gut möglich zeitlich und materiell einschlägige Schilderungen enthalten sein können. Schwierig kann - nach Aufklärung aller Umstände des Einzelfalles - auch die Frage sein, ob die Klägerin Ziff. 1 ihren gewöhnlichen Aufenthalt für kurze Zeit in B. hatte, was auch rechtlich möglich ist, da die Dauerhaftigkeit des Aufenthalts nur bei vorausschauender Prognose vorliegen, also zukunftsoffen sein muss (vgl. hierzu nur Lilge, Kommentar zum SGB I, § 30 SGG Rdnr. 57 ff. m.w.N.). Auch die Ausführungen des SG zu § 45 SGB X beinhalten schwierige Rechtsfragen. Das SG wird neben der Anhörung der Klägerin Ziff. 1 (s.o.) auch bezüglich des Verschuldens zu klären haben, ob der Klägerin Ziff. 1 in Thailand ein bebautes Grundstück gehört und ob sie einen weiteren, der Beklagten nicht angezeigten gleichartigen Betrieb aufgebaut hat bzw. der Prostitution nachging.
25 
Schließlich hat das SG auch nicht - wie es § 105 SGG erfordert (siehe hierzu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 105 SGG Rdnr.10 m.w.N.) - die Beteiligten ausreichend gehört. Die sogenannte Anhörungsmitteilung muss konkret und fallbezogen sein; ein formularmäßiger Hinweis reicht nicht. Wegen des Verbots von Überraschungsentscheidungen muss das Gericht naturgemäß auch auf Tatsachen und Rechtsfragen hinweisen, die bisher im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht erörtert worden sind. Ein fallbezogener Hinweis kann hier nicht erfolgt sein, da in der Gerichtsakte lediglich der Hinweis auf einen „Baustein“ enthalten ist, der zudem inhaltlich nicht aktenkundig gemacht wurde. Die Beklagte wurde auch überrascht durch die Begründung des SG, sie habe mit ihren Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 30. Oktober 2008 den falschen Bewilligungsbescheid aufgehoben.
26 
Die dargelegten Verfahrensfehler, auf denen die Entscheidung des SG beruhen kann, erfüllen den Tatbestand des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Hiernach kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn auf Grund eines wesentlichen Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Das Verfahren beim SG leidet an mehreren wesentlichen Verfahrensmängeln (s.o.). Es sind auch umfangreiche und aufwendige Ermittlungen notwendig (s.o.). Diese müssen entgegen dem Wortlaut des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG aber nicht auf dem Verfahrensfehler des SG beruhen. Dem Gesetzgeber ist hierbei ein offensichtliches Redaktionsversehen unterlaufen. Denn es ist offensichtlich, dass ein Verfahrensfehler des SG selbst kausal eine solche umfangreiche und aufwendige Ermittlungspflicht des LSG überhaupt nicht auslösen kann, zumal auch die denkbaren notwendigen Ermittlungen zur Frage, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, kaum gemeint sein können, da der Verfahrensmangel erst ermittelt werden muss, bevor der Frage einer Zurückverweisung nachgegangen werden kann.
27 
Möglich erscheint eine Auslegung, nach der der Gesetzgeber lediglich die bereits bestehende Rechtsprechung des BSG zur Ausübung des Ermessens (z.B. Beschluss vom 14. Februar 2006, B 9a SB 22/05 B, veröffentlicht in Juris) in Bezug auf die noch zu tätigenden Ermittlungen in den Tatbestand übernehmen wollte, so dass der Verfahrensfehler entgegen dem eindeutigen Wortlaut in keinerlei -kausalen- Beziehung zum Umfang der notwendigen Beweisaufnahme stehen muss. Dagegen spricht allerdings, dass die bereits vorher geltenden §§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Leitbild der Gesetzesänderung gewesen sein dürften. Nach dieser Auffassung müsste zum Einen ein wesentlicher Verfahrensfehler des SG vorliegen und zum Anderen müsste das LSG noch umfangreiche und aufwendige Ermittlungen ergreifen, deren Notwendigkeit sich allerdings auch erst im Berufungsverfahren ergeben könnte. Diese Auffassung scheint weit verbreitet, ohne allerdings auf ein gesetzgeberisches Redaktionsversehen hinzuweisen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kommentar zur ZPO, 70. Auflage, § 538 ZPO, Rdnr. 7-9; Zöller, Kommentar zur ZPO, 29. Auflage, § 538 ZPO Rdnr. 31; Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Auflage, § 538 ZPO Rdnr. 21 ff., 43, jeweils zu § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; KG, Urteile vom 11. Oktober 2010, 12 U 79/09, und 14. Februar 2011, jeweils in BauR 2011, 1061; BGH, NJW 2008, 1672; NJW 2011, 2578; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2011, 7 ff.; wohl auch Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, § 130 VwGO Rdnr. 6; unklar Eyermann, Kommentar zur VwGO, 12. Auflage, § 130 VwGO Rdnr. 8-11; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 17. Auflage, § 130 VwGO Rdnr. 10 ). Die Motive könnten diese Auffassung bestätigen, da darin (BT-Drucksache 17/6764, Seite 27 ff.) nur festgehalten ist, dass ein erheblicher Einsatz von personellen und sächlichen Mitteln [beim LSG] vermieden werden soll, ohne dass weitere -kausale- Anforderungen an die Beweisaufnahme gestellt werden.
28 
Der Senat ist aber der Auffassung, dass der Wortlaut des Gesetzes, wonach auf Grund des Mangels eine -umfangreiche und aufwendige- Beweisaufnahme notwendig sein muss, nicht völlig außer Acht gelassen werden kann. Der Gesetzgeber hat nach Auffassung des Senates missverständlich bzw. vereinfacht zum Ausdruck bringen wollen, dass nur diejenige Beweisaufnahme für eine Zurückverweisung berücksichtigt werden darf, die wegen des Verfahrensfehlers unterblieben ist. Zu prüfen ist danach, ob die Beweisaufnahme ohne den Verfahrensfehler in erster Instanz durchzuführen gewesen wäre (so Musielak, Kommentar zur ZPO, 6. Auflage, § 538 ZPO Rdnr. 15). Im Falle der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) ist demnach darauf abzustellen, ob sich bereits dem SG umfangreiche und aufwendige Ermittlungen aufdrängten und von diesem pflichtwidrig (auf Grund/wegen eines Mangels) unterlassen worden sind. Ergibt sich der umfangreiche und aufwendige Ermittlungsbedarf teilweise erst im Berufungsverfahren oder auf Grund einer anderen Rechtsauffassung des LSG, liegt insoweit bereits ein „Mangel“ nicht vor und darf deshalb bei der Prüfung der Zurückverweisung nicht berücksichtigt werden. Das LSG hat alle notwendigen Ermittlungen zu tätigen, auch wenn sie umfangreich und aufwendig sind, wenn nicht bereits die vom SG pflichtwidrigen unterlassenen Ermittlungen diesen Umfang erreichen. Diese Auslegung berücksichtigt den Gesetzeswortlaut und legt ihn in sinnvoller Weise aus. Diese teleologische Auslegung wird systematisch bestätigt dadurch, dass der Gesetzgeber mit dem selben Änderungsgesetz § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGG aufgehoben hat. Denn damit hat der Gesetzgeber erreicht, dass für eine Zurückverweisung immer auf einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens abzustellen ist. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGG konnte das LSG bis zum 31. Dezember 2011 die Sache auch zurückverweisen, wenn nach dem Erlass des Urteils relevante neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, was sowohl für vorhandene, aber dem SG unbekannt gebliebene, als auch für noch nicht einmal vorhandene Tatsachen/Beweismittel galt (BSG SozR Nr. 5 zu § 159 SGG; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 159 SGG Rdnr. 4 m.w.N.). Damit war eine Zurückverweisung möglich, ohne dass dem SG ein Fehler unterlaufen ist. Mit der Aufhebung des § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGG hat der Gesetzgeber eine Zurückverweisung in einem Verfahren ausgeschlossen, in dem das SG keinen Fehler begangen hat. Durch die Änderung des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG hat der Gesetzgeber systematisch passend eine Zurückverweisung nur noch dann zulassen wollen, wenn die vom SG pflichtwidrig unterlassenen Ermittlungen umfangreich und aufwendig sind und damit ein gravierender Mangel vorliegt.
29 
Das Erfordernis einer umfangreichen und aufwendigen Beweisaufnahme hätte sich bereits dem SG aufdrängen müssen, so dass diese wegen des Verfahrensfehlers notwendig ist (s.o.); die Tatbestandsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb eine Zurückverweisung in Betracht kommt.
30 
Der Senat hat demnach in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens darüber zu entscheiden, ob die angegriffene Entscheidung aufgehoben und die Sache an das SG zurückverwiesen werden soll. Auch wenn die Zurückverweisung nur ausnahmsweise stattfinden soll, macht der Senat hier von dem ihm in § 159 SGG eröffneten Ermessen im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das SG Gebrauch. Das SG hat ohne die offenkundig erforderlichen umfangreichen Ermittlungen tatsächlich und rechtlich schwierige Rechtsfragen mehrerer Klageverfahren und Kläger durch Gerichtsbescheid entschieden, den Beteiligten damit den gesetzlichen Richter entzogen und die Beteiligten mit seiner Rechtsauffassung jedenfalls teilweise überrascht (s.o.). Es handelt sich damit um besonders schwerwiegende Verfahrensfehler, sodass die infolge der Aufhebung und Zurückverweisung zwingend eintretende Verzögerung hinter dem Interesse an einer ordnungsgemäßen Erledigung des erstinstanzlichen Verfahrens zurückzutreten hat.
31 
Die Kostenentscheidung bleibt der erneuten Entscheidung des SG vorbehalten.
32 
Gründe für die Zulassung der Revision gegen diese Entscheidung liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).

Gründe

 
19 
Die gemäß §§ 143, 144 Abs.1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist im Sinne der Aufhebung des angegriffenen Gerichtsbescheids und der Zurückverweisung der Streitsache an das SG auch begründet.
20 
Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der ab 1. Januar 2012 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 3057) kann das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung (hier: der Gerichtsbescheid) auf ihm beruhen kann (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 159 SGG Rdnr. 3a).
21 
Das gerichtliche Verfahren des SG leidet an mehreren wesentlichen Mängeln.
22 
Dem SG hätte sich nach dem Amtsermittlungsprinzip (§ 103 SGG) eindeutig -auch ohne förmlichen Beweisantrag eines Beteiligten- aufdrängen müssen, den „Belastungszeugen“ Z zu vernehmen, was ein wesentlicher Verfahrensfehler ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 103 SGG Rdnr. 20 m.w.N.). Die erheblichen Vorwürfe des Z sind von den Klägern vehement und mit Fälschungsvorwurf bestritten worden, sodass es nicht im Ansatz nachvollziehbar ist, dass der Vorsitzende der 5. Kammer die Vernehmung des Z unterlassen hat. So hat der Vorsitzende der 8. Kammer die Vernehmung des Zeugen sogar in einem Eilverfahren (S 8 AS 1263/09 ER) angeordnet, was lediglich deshalb nicht zur Durchführung kam, weil sich das Eilverfahren im Beweisaufnahmetermin vorher erledigte. Die Vernehmung des Z drängte sich um so mehr auf, als das SG auch nicht das Verfahren gemäß § 114 Abs. 3 SGG ausgesetzt hat, um die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zunächst abzuwarten, was die Beklagte angeregt hatte. Auf die Aussage des Z kam es auch nach der Auffassung des SG an. Denn das SG hat die - nur aktenkundigen - Angaben des Z und die Unterlagen für die Monate Februar und März 2008 dahingehend bewertet, dass Zahlungen des Z an die Klägerin Ziff. 1 vorgenommen worden sind; das SG hat auch die Zweckbestimmung dieser Zahlungen nur nach Aktenlage bewertet und aufgrund einer unklaren persönlichen Beziehung als laufend eingeschätzt. Hierzu hätte es offensichtlich und eindeutig ebenfalls einer Sachaufklärung durch Zeugenvernehmung bedurft. Schließlich hat es das SG auch unterlassen, den Zeugen zu dem fraglichen Umzug der Klägerin Ziff. 1 zu ihm und zu ihren Ortsabwesenheiten zu vernehmen. Das SG hat auch keinerlei Ermittlungen unternommen, um Näheres über die Eigentumsverhältnisse des von Z erwähnten Grundbesitzes der Klägerin Ziff. 1 in Thailand anzustellen.
23 
Letztlich hätte es sich dem Vorsitzenden der 5. Kammer auch aufdrängen müssen, die Klägerin Ziff. 1 mündlich zu hören, um die Frage des persönlichen Verschuldens der Klägerin Ziff. 1 im Hinblick auf § 45 SGB X und die damit in Beziehung gesetzten Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin Ziff. 1 zu klären.
24 
Nachdem der Sachverhalt nicht aufgeklärt ist, kam auch eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 12 SGG) gemäß § 105 SGG nicht in Betracht. Damit ist die Entscheidung nicht durch den gesetzlichen Richter erfolgt. Hinzu kommt, dass die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist. Es handelt sich um vier verbundene Klageverfahren zweier Kläger, wobei jedes Klageverfahren für sich bereits besonders schwierige Fragen tatsächlicher (siehe oben) und rechtlicher Art aufweist. Nach Aufklärung des Sachverhalts über die Zahlungen des Z und deren jeweilige Zweckbestimmung ist nicht nur über die Abgrenzung zwischen laufenden und einmaligen Zuwendungen zu entscheiden, sondern ist auch darüber zu befinden, ob jede einzelne Zuwendung tatsächlich als Einkommen anzurechnen ist. Auch die vom SG aufgeführte Rechtsfrage, ob die Beklagte den falschen Bewilligungsbescheid (vom 23. Januar 2008) aufgehoben hat, ist wenn nicht falsch entschieden, so doch jedenfalls schwierig. Die Beklagte hat durch die Änderungsbescheide vom 16. April 2008 keinerlei Änderung im Verfügungssatz vorgenommen. Mit den Bescheiden vom 26. Mai 2008 hat sie die Leistungen lediglich für Juli 2008 geändert, sodass der Bescheid vom 23. Januar 2008 wie auch die „Änderungsbescheide“ vom 16. April 2008 allenfalls teilweise geändert, keinesfalls ganz ersetzt worden ist. Besonders schwierig erscheint auch bereits die Berechnung des Einkommens der Klägerin Ziff. 1 aus ihrer/ihren selbstständigen Tätigkeiten. Entgegen der Vermutung des SG hat die Klägerin auch ab 1. August 2008 Betriebseinnahmen erzielt (vgl. Bl. 466 der Verwaltungsakte der Beklagten). Schließlich ist vom SG noch zu ermitteln, ob die Klägerin Ziff. 1 eine weitere selbständige Tätigkeit bezüglich der S. ... GbR ausgeübt und auch aus ihr anzurechnendes Einkommen erzielt hat und ob sie weiterhin einer einkommenserzielenden Prostitution nachgegangen ist, was angesichts der korrigierten Aussage der Frau St. gegenüber der Staatsanwaltschaft (Blatt 79 der Gerichtsakten des SG) gut möglich erscheint. Auch der Vortrag der Kläger hierzu ist zu den Behauptungen des Z derart gegensätzlich, dass eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich ist. So ist nach erneuter Beiziehung aller Akten der Staatsanwaltschaft, der Akten des AG B., Az und der Akten des diesbezüglichen Berufungsverfahrens beim LG Karlsruhe, das das angebliche Gesellschaftsverhältnis S. d. GbR betrifft, über die Vernehmung auch der dort vernommenen Zeugen zu befinden, die nicht nur beruflich mit der Klägerin Ziff. 1 zu tun hatten, sondern auch von dieser behandelt worden sind, was die Kläger wiederum alles bestreiten. Darüber hinaus kommt eine Vernehmung des geschiedenen Ehemannes der Klägerin Ziff. 1 und die Beiziehung der Akten des AG B. wegen Ehescheidung (Az) in Betracht, da auch darin gut möglich zeitlich und materiell einschlägige Schilderungen enthalten sein können. Schwierig kann - nach Aufklärung aller Umstände des Einzelfalles - auch die Frage sein, ob die Klägerin Ziff. 1 ihren gewöhnlichen Aufenthalt für kurze Zeit in B. hatte, was auch rechtlich möglich ist, da die Dauerhaftigkeit des Aufenthalts nur bei vorausschauender Prognose vorliegen, also zukunftsoffen sein muss (vgl. hierzu nur Lilge, Kommentar zum SGB I, § 30 SGG Rdnr. 57 ff. m.w.N.). Auch die Ausführungen des SG zu § 45 SGB X beinhalten schwierige Rechtsfragen. Das SG wird neben der Anhörung der Klägerin Ziff. 1 (s.o.) auch bezüglich des Verschuldens zu klären haben, ob der Klägerin Ziff. 1 in Thailand ein bebautes Grundstück gehört und ob sie einen weiteren, der Beklagten nicht angezeigten gleichartigen Betrieb aufgebaut hat bzw. der Prostitution nachging.
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Schließlich hat das SG auch nicht - wie es § 105 SGG erfordert (siehe hierzu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 105 SGG Rdnr.10 m.w.N.) - die Beteiligten ausreichend gehört. Die sogenannte Anhörungsmitteilung muss konkret und fallbezogen sein; ein formularmäßiger Hinweis reicht nicht. Wegen des Verbots von Überraschungsentscheidungen muss das Gericht naturgemäß auch auf Tatsachen und Rechtsfragen hinweisen, die bisher im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht erörtert worden sind. Ein fallbezogener Hinweis kann hier nicht erfolgt sein, da in der Gerichtsakte lediglich der Hinweis auf einen „Baustein“ enthalten ist, der zudem inhaltlich nicht aktenkundig gemacht wurde. Die Beklagte wurde auch überrascht durch die Begründung des SG, sie habe mit ihren Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 30. Oktober 2008 den falschen Bewilligungsbescheid aufgehoben.
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Die dargelegten Verfahrensfehler, auf denen die Entscheidung des SG beruhen kann, erfüllen den Tatbestand des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Hiernach kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn auf Grund eines wesentlichen Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Das Verfahren beim SG leidet an mehreren wesentlichen Verfahrensmängeln (s.o.). Es sind auch umfangreiche und aufwendige Ermittlungen notwendig (s.o.). Diese müssen entgegen dem Wortlaut des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG aber nicht auf dem Verfahrensfehler des SG beruhen. Dem Gesetzgeber ist hierbei ein offensichtliches Redaktionsversehen unterlaufen. Denn es ist offensichtlich, dass ein Verfahrensfehler des SG selbst kausal eine solche umfangreiche und aufwendige Ermittlungspflicht des LSG überhaupt nicht auslösen kann, zumal auch die denkbaren notwendigen Ermittlungen zur Frage, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, kaum gemeint sein können, da der Verfahrensmangel erst ermittelt werden muss, bevor der Frage einer Zurückverweisung nachgegangen werden kann.
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Möglich erscheint eine Auslegung, nach der der Gesetzgeber lediglich die bereits bestehende Rechtsprechung des BSG zur Ausübung des Ermessens (z.B. Beschluss vom 14. Februar 2006, B 9a SB 22/05 B, veröffentlicht in Juris) in Bezug auf die noch zu tätigenden Ermittlungen in den Tatbestand übernehmen wollte, so dass der Verfahrensfehler entgegen dem eindeutigen Wortlaut in keinerlei -kausalen- Beziehung zum Umfang der notwendigen Beweisaufnahme stehen muss. Dagegen spricht allerdings, dass die bereits vorher geltenden §§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Leitbild der Gesetzesänderung gewesen sein dürften. Nach dieser Auffassung müsste zum Einen ein wesentlicher Verfahrensfehler des SG vorliegen und zum Anderen müsste das LSG noch umfangreiche und aufwendige Ermittlungen ergreifen, deren Notwendigkeit sich allerdings auch erst im Berufungsverfahren ergeben könnte. Diese Auffassung scheint weit verbreitet, ohne allerdings auf ein gesetzgeberisches Redaktionsversehen hinzuweisen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kommentar zur ZPO, 70. Auflage, § 538 ZPO, Rdnr. 7-9; Zöller, Kommentar zur ZPO, 29. Auflage, § 538 ZPO Rdnr. 31; Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Auflage, § 538 ZPO Rdnr. 21 ff., 43, jeweils zu § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; KG, Urteile vom 11. Oktober 2010, 12 U 79/09, und 14. Februar 2011, jeweils in BauR 2011, 1061; BGH, NJW 2008, 1672; NJW 2011, 2578; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2011, 7 ff.; wohl auch Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, § 130 VwGO Rdnr. 6; unklar Eyermann, Kommentar zur VwGO, 12. Auflage, § 130 VwGO Rdnr. 8-11; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 17. Auflage, § 130 VwGO Rdnr. 10 ). Die Motive könnten diese Auffassung bestätigen, da darin (BT-Drucksache 17/6764, Seite 27 ff.) nur festgehalten ist, dass ein erheblicher Einsatz von personellen und sächlichen Mitteln [beim LSG] vermieden werden soll, ohne dass weitere -kausale- Anforderungen an die Beweisaufnahme gestellt werden.
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Der Senat ist aber der Auffassung, dass der Wortlaut des Gesetzes, wonach auf Grund des Mangels eine -umfangreiche und aufwendige- Beweisaufnahme notwendig sein muss, nicht völlig außer Acht gelassen werden kann. Der Gesetzgeber hat nach Auffassung des Senates missverständlich bzw. vereinfacht zum Ausdruck bringen wollen, dass nur diejenige Beweisaufnahme für eine Zurückverweisung berücksichtigt werden darf, die wegen des Verfahrensfehlers unterblieben ist. Zu prüfen ist danach, ob die Beweisaufnahme ohne den Verfahrensfehler in erster Instanz durchzuführen gewesen wäre (so Musielak, Kommentar zur ZPO, 6. Auflage, § 538 ZPO Rdnr. 15). Im Falle der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) ist demnach darauf abzustellen, ob sich bereits dem SG umfangreiche und aufwendige Ermittlungen aufdrängten und von diesem pflichtwidrig (auf Grund/wegen eines Mangels) unterlassen worden sind. Ergibt sich der umfangreiche und aufwendige Ermittlungsbedarf teilweise erst im Berufungsverfahren oder auf Grund einer anderen Rechtsauffassung des LSG, liegt insoweit bereits ein „Mangel“ nicht vor und darf deshalb bei der Prüfung der Zurückverweisung nicht berücksichtigt werden. Das LSG hat alle notwendigen Ermittlungen zu tätigen, auch wenn sie umfangreich und aufwendig sind, wenn nicht bereits die vom SG pflichtwidrigen unterlassenen Ermittlungen diesen Umfang erreichen. Diese Auslegung berücksichtigt den Gesetzeswortlaut und legt ihn in sinnvoller Weise aus. Diese teleologische Auslegung wird systematisch bestätigt dadurch, dass der Gesetzgeber mit dem selben Änderungsgesetz § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGG aufgehoben hat. Denn damit hat der Gesetzgeber erreicht, dass für eine Zurückverweisung immer auf einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens abzustellen ist. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGG konnte das LSG bis zum 31. Dezember 2011 die Sache auch zurückverweisen, wenn nach dem Erlass des Urteils relevante neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, was sowohl für vorhandene, aber dem SG unbekannt gebliebene, als auch für noch nicht einmal vorhandene Tatsachen/Beweismittel galt (BSG SozR Nr. 5 zu § 159 SGG; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 159 SGG Rdnr. 4 m.w.N.). Damit war eine Zurückverweisung möglich, ohne dass dem SG ein Fehler unterlaufen ist. Mit der Aufhebung des § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGG hat der Gesetzgeber eine Zurückverweisung in einem Verfahren ausgeschlossen, in dem das SG keinen Fehler begangen hat. Durch die Änderung des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG hat der Gesetzgeber systematisch passend eine Zurückverweisung nur noch dann zulassen wollen, wenn die vom SG pflichtwidrig unterlassenen Ermittlungen umfangreich und aufwendig sind und damit ein gravierender Mangel vorliegt.
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Das Erfordernis einer umfangreichen und aufwendigen Beweisaufnahme hätte sich bereits dem SG aufdrängen müssen, so dass diese wegen des Verfahrensfehlers notwendig ist (s.o.); die Tatbestandsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb eine Zurückverweisung in Betracht kommt.
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Der Senat hat demnach in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens darüber zu entscheiden, ob die angegriffene Entscheidung aufgehoben und die Sache an das SG zurückverwiesen werden soll. Auch wenn die Zurückverweisung nur ausnahmsweise stattfinden soll, macht der Senat hier von dem ihm in § 159 SGG eröffneten Ermessen im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das SG Gebrauch. Das SG hat ohne die offenkundig erforderlichen umfangreichen Ermittlungen tatsächlich und rechtlich schwierige Rechtsfragen mehrerer Klageverfahren und Kläger durch Gerichtsbescheid entschieden, den Beteiligten damit den gesetzlichen Richter entzogen und die Beteiligten mit seiner Rechtsauffassung jedenfalls teilweise überrascht (s.o.). Es handelt sich damit um besonders schwerwiegende Verfahrensfehler, sodass die infolge der Aufhebung und Zurückverweisung zwingend eintretende Verzögerung hinter dem Interesse an einer ordnungsgemäßen Erledigung des erstinstanzlichen Verfahrens zurückzutreten hat.
31 
Die Kostenentscheidung bleibt der erneuten Entscheidung des SG vorbehalten.
32 
Gründe für die Zulassung der Revision gegen diese Entscheidung liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn

1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.