Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 18. Jan. 2017 - L 3 U 995/16

bei uns veröffentlicht am18.01.2017

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Verletztenrente aufgrund der von ihm geltend gemachten Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - nachfolgend BK 2108.
Der Kläger zeigte mit formlosem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 17.09.2007 den Verdacht auf eine BK 2108 an und ersuchte um Übersendung von entsprechenden Antragsvordrucken. Mit Bescheid vom 18.12.2008 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 2108 wie auch einer BK 2109 und 2110 ab. Ansprüche auf Leistungen würden nicht bestehen. Dies gelte auch für Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken. Zur Begründung führte die Beklagte aus, bezüglich der BK 2108 und 2110 fehle es am belastungskonformen Schadensbild und bezüglich der BK 2109 seien bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Beklagte habe mit dem angefochtenen Bescheid die Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung im Sinne der BK 2108 abgelehnt. Dagegen richte sich der Widerspruch. Auch in der Widerspruchsbegründung vom 22.01.2009 führte der Kläger nochmals aus, der Widerspruch richte sich gegen die Ablehnung des Vorliegens einer BK nach den 2108 bis 2110. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2009 zurück.
Der Kläger erhob daraufhin drei separate Klagen, bezogen auf die drei einzelnen geltend gemachten BK, mit denen er eine Verurteilung der Beklagten begehrte, ihm Verletztenrente zu gewähren. Das SG verband diese drei Klagen unter dem Aktenzeichen S 9 U 2814/09 und wies die Klagen nach Einholung eines Gutachtens von Amts wegen bei Prof. Dr. A., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Gerichtsbescheid vom 22.11.2011 ab. Soweit mit den Klagen die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Renten beantragt werde, seien die Klagen mangels erforderlicher Verwaltungsentscheidung vor Klageerhebung bereits unzulässig. Zwar lege man die Klageanträge des Klägers dahingehend aus, dass weiterhin damit auch Feststellungsklagen, gerichtet auf die Feststellung des Vorliegens der geltend gemachten BK, verbunden seien; insoweit seien die Klagen aber unbegründet. Die hiergegen eingelegte Berufung wies das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg nach Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Prof. Dr. B.-C. mit neurologischer und radiologischer Zusatzbegutachtung mit Urteil vom 17.02.2014 zurück (L 1 U 5168/11). Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2014 die Feststellung begehrt habe, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung der Wirbelsäule eine BK 2108 sowie 2109 sei, sei die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nicht begründet. Die mit einem Entschädigungsantrag erhobenen Leistungsklagen seien, wie bereits das SG zutreffend entschieden habe, bereits unzulässig. Die gegen das Urteil des LSG eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 26.06.2014 als unzulässig (B 2 U 59/14 B).
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24.07.2014 beantragte der Kläger eine Überprüfung der „seinerzeit ablehnenden Bescheide“. Es sei eindeutig, dass der Kläger die materiell rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente erfülle. Mit Bescheid vom 19.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2014 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 18.12.2008 ab.
Hiergegen hat der Kläger am 25.11.2014 Klage beim SG erhoben und beantragt, die Beklagte im Wege des Zugunsten Verfahrens zu verurteilen, ihm Verletztenrente aufgrund einer BK 2108 zu gewähren. Mit Gerichtsbescheid vom 25.02.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente beantrage, sei die Klage unzulässig, wie bereits das SG und das LSG im früheren Verfahren übereinstimmend festgestellt hätten. Das klägerische Begehren sei aber sinngemäß so auszulegen, dass auch die Feststellung einer BK 2108 beantragt werde. Insoweit sei die Klage indes nicht begründet; der Kläger habe keine neuen Gesichtspunkte, die die Rechtswidrigkeit des Bescheides belegen würden, vorgebracht.
Gegen den dem Kläger am 27.02.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 11.03.2016 Berufung beim LSG eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgebracht, der Sachverhalt sei, wie von Gutachter Prof. Dr. B.-C. auch angemerkt, noch nicht aufgeklärt. Es sei daher eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. B.-C. von Amts wegen einzuholen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Februar 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2014 zu verurteilen, den Bescheid vom 18. Dezember 2008 zurückzunehmen und ihm Verletztenrente wegen einer BK 2108 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Berufung zurückzuweisen.
11 
Sie verweist zur Begründung auf den Akteninhalt, ihren Vortrag in erster Instanz sowie die Entscheidungsgründe des angegriffenen Gerichtsbescheides.
12 
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
13 
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 i. V. m. 105 Abs. 2 Satz 1 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
14 
Die Klage ist bereits unzulässig. Der Kläger begehrt ausweislich seines schriftsätzlich am 17.11.2016 gestellten Berufungsantrags ausschließlich die Gewährung von Verletztenrente aufgrund der von ihm angenommenen BK 2108 im Wege eines Zugunsten Verfahrens. Eine Auslegung dahingehend, dass sich der Kläger zugleich auch gegen die Ablehnung der Anerkennung einer BK 2108 - als den einzigen Regelungsgegenstand des von ihm zur Prüfung gestellten Bescheides vom 18.12.2008 - wehrt, verbietet sich - auch unter Berücksichtigung des das sozialgerichtliche Verfahren beherrschenden Grundsatzes der Meistbegünstigung - angesichts des eindeutigen Wortlautes des Berufungsantrages wie aber auch des Umstandes, dass der Kläger von einem rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten wird und exakt dieser Bevollmächtigte weiterhin in mittlerweile drei Entscheidungen des SG und des LSG darauf hingewiesen worden ist, dass ein auf Rente gerichtetes Klagebegehren mangels vorgängiger Verwaltungsentscheidung unzulässig ist. Ungeachtet dessen, dass das SG den eindeutigen und keiner Auslegung zugänglichen Antrag des Klägers neuerlich dahingehend ausgelegt hat, dass zugleich auch die Anfechtung der Ablehnung einer BK 2108 damit verbunden sein soll, hat sich der Kläger diese ihm günstige Auslegung neuerlich nicht zu eigen gemacht und im Berufungsverfahren wiederum lediglich die Verurteilung zur Gewährung einer Rente beantragt. Damit sind aber auch im sozialgerichtlichen Verfahren, welches sich durch einen geringen Formalismus und eine besondere Klägerfreundlichkeit auszeichnet, die noch zulässigen Grenzen der Auslegung erreicht. Das Klägerbegehren, wie es vom rechtskundigen Prozessbevollmächtigten formuliert wurde, kann nicht anders verstanden werden, als dass ausschließlich die Gewährung einer Rente begehrt wird.
15 
Die Klage ist mit dem Begehren des Klägers auf Gewährung einer Rente unzulässig, weil weder im zur Überprüfung gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestellten Bescheid vom 18.12.2008 (auch in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 06.05.2009 erhalten hat), noch im Bescheid vom 19.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2014 eine Entscheidung über die Gewährung einer Rente getroffen worden ist. Über die Gewährung von Verletztenrente ist indes vor Klageerhebung in einem Verwaltungsverfahren zu befinden, das mit einem Verwaltungsakt abschließt, gegen den die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig ist (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG), weil auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung zwischen Versicherungsfall - siehe die Definition der Versicherungsfälle in §§ 7 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) - und Leistungsfall - vgl. die §§ 26 ff. SGB VII - zu unterscheiden ist (BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R, Juris, auch zum Nachfolgenden). Für diese Unterscheidung sprechen außerdem die je nach Leistungsfall ggf. unterschiedlichen Zeitpunkte für die Berechnung der Leistungen (vgl. § 9 Abs. 5, §§ 48, 84 SGB VII), die Vielfalt des Leistungsrechts des SGB VII und die zum Teil sehr differenzierten Anforderungen an die einzelnen Leistungen, zumal den Unfallversicherungsträgern bei einigen Leistungen ein Ermessen eingeräumt ist. Eine derartige Entscheidung der Beklagten liegt indes nicht vor. Im angefochtenen Bescheid ist die vom Kläger begehrte Leistung mit keinem Wort erwähnt. Vielmehr entschied die Beklagte nur über das Vorliegen einer Berufskrankheit (so bereits das LSG in seiner Entscheidung von 17.02.2014, a.a.O.).
16 
Der Verfügungssatz des Bescheides enthält zwar auch die Aussage, dass Ansprüche auf Leistungen nicht bestehen würden. Dieser Verfügungssatz mag insofern, für sich genommen, missverständlich sein. Bei der Auslegung von Verwaltungsakten ist jedoch in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie der Empfänger bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste, wobei der der Bestandskraft (Bindungswirkung) zugängliche Verfügungssatz zugrunde zu legen und zur Klärung seines Umfanges die Begründung des Bescheides zu berücksichtigen ist (BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R, Juris). Die in Rede stehende Verletztenrente ist im Verwaltungsverfahren weder vom Kläger beantragt noch von der Beklagten konkret und für den Empfänger der Bescheide erkennbar geprüft worden und ist weder im Bescheid vom 18.12.2008 noch im Widerspruchsbescheid vom 06.05.2009 erwähnt worden. Bei dieser Sachlage konnte für einen verständigen Empfänger des Bescheides vom 18.12.2008 kein Zweifel bestehen, dass die Beklagte allein über das Vorliegen einer BK entscheiden wollte und etwaige Leistungsansprüche nicht in Erwägung zog (BSG, a.a.O.). Im Übrigen belegt der vom Kläger seinerzeit eingelegte Widerspruch und die hierzu vorgebrachte Widerspruchsbegründung, wonach Gegenstand des angegriffenen Bescheides die Ablehnung einer BK sei und der Widerspruch sich hiergegen richte, dass auch der Kläger dem Bescheid eben diesen Erklärungsinhalt, nämlich (nur) Ablehnung einer Anerkennung einer BK, zugemessen hat.
17 
Ohne dass es nach alledem hierauf noch ankäme, weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte zu Recht die Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Ablehnung der hier streitgegenständlichen BK 2108 abgelehnt hat und die Klage auch unbegründet wäre. Dies folgt bereits aus der Tatsache, dass aufgrund des rechtskräftig gewordenen Urteils des LSG vom 17.02.2014 nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG zwischen den Beteiligten bindend feststeht, dass keine BK 2108 vorliegt. Denn mit dem in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 17.02.2014 gestellten Antrag hat der Kläger zuletzt auch die Feststellung des Vorliegens einer BK 2108 mit der Feststellungsklage verfolgt. Der diesbezügliche Berufungsantrag wurde mit Urteil des LSG vom 17.02.2014 als unbegründet zurückgewiesen. Mit der Verwerfung der gegen das Urteil des LSG eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde durch das BSG mit Beschluss vom 26.06.2014 ist das Urteil des LSG rechtskräftig geworden.
18 
Mit rechtskräftiger Abweisung einer auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichteten Klage steht indes das Gegenteil der begehrten Feststellung, nämlich das Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses fest (BGH, Urteil vom 16.01.2008, XII ZR 216/05, Juris; BVerwG, Beschluss vom 22.12.2011, 2 B 71/10, Juris). Dies gilt im sozialgerichtlichen Verfahren in gleicher Weise. Auch hier binden gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG rechtskräftige Urteile die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Ein sozialgerichtliches Urteil über eine Klage auf Feststellung eines Versicherungsfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung ist deshalb ebenfalls nicht nur der formellen, sondern auch der materiellen Rechtskraft fähig (BSG, Urteil vom 28.06.1984, 2 RU 64/83, Juris). Mit der rechtskräftigen Abweisung einer auf Feststellung gerichteten Klage ist somit auch im sozialgerichtlichen Verfahren das Gegenteil der begehrten Feststellung festgestellt (BSG, a.a.O.). Dies bedeutet, dass mit Rechtskraft des Urteils des LSG vom 17.02.2014 rechtskräftig und damit für die Beteiligten und den Senat verbindlich feststeht, dass es sich bei der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers nicht um eine BK 2108 handelt. Zwar stehen alle rechtskräftigen Urteile - und damit auch Feststellungsurteile - unter einem Geltungsvorbehalt des Fortbestehens der zugrunde gelegten Sach- und Rechtslage. Ändert sich in der Zeit nach Erlass des rechtskräftigen Urteils die Sachlage, so darf über das Rechtsverhältnis erneut entschieden werden; die Rechtskraft des Urteils steht dann einer erneuten - gleichen oder abweichenden - Sachentscheidung auf der Grundlage der veränderten Sachlage nicht entgegen (BVerwG, Urteil vom 23.11.1999, 9 C 16/99, Juris). Dies ist hier indes ohne Bedeutung: denn Prüfungsgegenstand des hier vom Kläger ausdrücklich beantragten Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 SGB X ist die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 18.12.2008 (nur) im Zeitpunkt seines Erlasses nach damaliger Sach- und Rechtslage, wenngleich aus heutiger Sicht (Schütze, von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 44 Rn. 10). Ohne dass es nach alledem hierauf noch ankäme, ist im Übrigen eine neue Tatsachenlage auch nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht vorgetragen.
19 
Diese Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils des LSG kann indes, anders als bei kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw. Leistungsklagen - nicht durch § 44 SGB X überwunden werden (LSG, Urteil vom 16.02.2012, L 10 U 3886/10, Juris, auch zum Nachfolgenden). Denn mit der Feststellungsklage wird nicht über den Regelungsgegenstand eines Verwaltungsaktes über Ansprüche, dessen Bestandskraft nach § 44 SGB X durchbrochen werden kann, sondern über das Rechtsverhältnis als solches entschieden. Dementsprechend stellt sich die Rechtsposition der Beteiligten wegen der Rechtskraftwirkung gerichtlicher Feststellungsurteile im Gegensatz zur durchbrechungsfähigen Bindungswirkung feststellender und eine Feststellung ablehnender Verwaltungsakte, was die Durchbrechungsfähigkeit anbelangt, anders dar (BSG, Urteile vom 09.11.2010, B 2 U 6/10 R und B 2 U 14/10 R, beide in Juris).
20 
Steht aber somit für die Beteiligten und den Senat verbindlich fest, dass es sich bei der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers nicht um eine BK 2108 handelt, erweist sich der Bescheid vom 18.12.2008 bereits aus diesem Grunde als rechtmäßig und kann der Kläger folglich auch nicht die Rücknahme dieses Bescheides nach § 44 SGB X verlangen. Eine diesbezügliche Klage ist bereits deshalb unbegründet.
21 
Die Beweisanregung des Klägers im Schriftsatz vom 10.01.2017, von Amts wegen eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. B.-C. einzuholen, ob sich nunmehr „vor dem Hintergrund einer wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit von 1980 bis 1990“ eine andere, dem Kläger günstigere Beurteilung ergibt, veranlasst den Senat nicht zu weiteren Ermittlungen. Nachdem die Klage bereits unzulässig ist und im Übrigen einer Zugunstenentscheidung das bestandskräftige Feststellungsurteil des LSG entgegensteht, kommt es auf Ergebnisse etwaiger medizinischer Ermittlungen von vornherein nicht an.
22 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
23 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
13 
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 i. V. m. 105 Abs. 2 Satz 1 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
14 
Die Klage ist bereits unzulässig. Der Kläger begehrt ausweislich seines schriftsätzlich am 17.11.2016 gestellten Berufungsantrags ausschließlich die Gewährung von Verletztenrente aufgrund der von ihm angenommenen BK 2108 im Wege eines Zugunsten Verfahrens. Eine Auslegung dahingehend, dass sich der Kläger zugleich auch gegen die Ablehnung der Anerkennung einer BK 2108 - als den einzigen Regelungsgegenstand des von ihm zur Prüfung gestellten Bescheides vom 18.12.2008 - wehrt, verbietet sich - auch unter Berücksichtigung des das sozialgerichtliche Verfahren beherrschenden Grundsatzes der Meistbegünstigung - angesichts des eindeutigen Wortlautes des Berufungsantrages wie aber auch des Umstandes, dass der Kläger von einem rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten wird und exakt dieser Bevollmächtigte weiterhin in mittlerweile drei Entscheidungen des SG und des LSG darauf hingewiesen worden ist, dass ein auf Rente gerichtetes Klagebegehren mangels vorgängiger Verwaltungsentscheidung unzulässig ist. Ungeachtet dessen, dass das SG den eindeutigen und keiner Auslegung zugänglichen Antrag des Klägers neuerlich dahingehend ausgelegt hat, dass zugleich auch die Anfechtung der Ablehnung einer BK 2108 damit verbunden sein soll, hat sich der Kläger diese ihm günstige Auslegung neuerlich nicht zu eigen gemacht und im Berufungsverfahren wiederum lediglich die Verurteilung zur Gewährung einer Rente beantragt. Damit sind aber auch im sozialgerichtlichen Verfahren, welches sich durch einen geringen Formalismus und eine besondere Klägerfreundlichkeit auszeichnet, die noch zulässigen Grenzen der Auslegung erreicht. Das Klägerbegehren, wie es vom rechtskundigen Prozessbevollmächtigten formuliert wurde, kann nicht anders verstanden werden, als dass ausschließlich die Gewährung einer Rente begehrt wird.
15 
Die Klage ist mit dem Begehren des Klägers auf Gewährung einer Rente unzulässig, weil weder im zur Überprüfung gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestellten Bescheid vom 18.12.2008 (auch in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 06.05.2009 erhalten hat), noch im Bescheid vom 19.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2014 eine Entscheidung über die Gewährung einer Rente getroffen worden ist. Über die Gewährung von Verletztenrente ist indes vor Klageerhebung in einem Verwaltungsverfahren zu befinden, das mit einem Verwaltungsakt abschließt, gegen den die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig ist (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG), weil auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung zwischen Versicherungsfall - siehe die Definition der Versicherungsfälle in §§ 7 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) - und Leistungsfall - vgl. die §§ 26 ff. SGB VII - zu unterscheiden ist (BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R, Juris, auch zum Nachfolgenden). Für diese Unterscheidung sprechen außerdem die je nach Leistungsfall ggf. unterschiedlichen Zeitpunkte für die Berechnung der Leistungen (vgl. § 9 Abs. 5, §§ 48, 84 SGB VII), die Vielfalt des Leistungsrechts des SGB VII und die zum Teil sehr differenzierten Anforderungen an die einzelnen Leistungen, zumal den Unfallversicherungsträgern bei einigen Leistungen ein Ermessen eingeräumt ist. Eine derartige Entscheidung der Beklagten liegt indes nicht vor. Im angefochtenen Bescheid ist die vom Kläger begehrte Leistung mit keinem Wort erwähnt. Vielmehr entschied die Beklagte nur über das Vorliegen einer Berufskrankheit (so bereits das LSG in seiner Entscheidung von 17.02.2014, a.a.O.).
16 
Der Verfügungssatz des Bescheides enthält zwar auch die Aussage, dass Ansprüche auf Leistungen nicht bestehen würden. Dieser Verfügungssatz mag insofern, für sich genommen, missverständlich sein. Bei der Auslegung von Verwaltungsakten ist jedoch in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie der Empfänger bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste, wobei der der Bestandskraft (Bindungswirkung) zugängliche Verfügungssatz zugrunde zu legen und zur Klärung seines Umfanges die Begründung des Bescheides zu berücksichtigen ist (BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R, Juris). Die in Rede stehende Verletztenrente ist im Verwaltungsverfahren weder vom Kläger beantragt noch von der Beklagten konkret und für den Empfänger der Bescheide erkennbar geprüft worden und ist weder im Bescheid vom 18.12.2008 noch im Widerspruchsbescheid vom 06.05.2009 erwähnt worden. Bei dieser Sachlage konnte für einen verständigen Empfänger des Bescheides vom 18.12.2008 kein Zweifel bestehen, dass die Beklagte allein über das Vorliegen einer BK entscheiden wollte und etwaige Leistungsansprüche nicht in Erwägung zog (BSG, a.a.O.). Im Übrigen belegt der vom Kläger seinerzeit eingelegte Widerspruch und die hierzu vorgebrachte Widerspruchsbegründung, wonach Gegenstand des angegriffenen Bescheides die Ablehnung einer BK sei und der Widerspruch sich hiergegen richte, dass auch der Kläger dem Bescheid eben diesen Erklärungsinhalt, nämlich (nur) Ablehnung einer Anerkennung einer BK, zugemessen hat.
17 
Ohne dass es nach alledem hierauf noch ankäme, weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte zu Recht die Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Ablehnung der hier streitgegenständlichen BK 2108 abgelehnt hat und die Klage auch unbegründet wäre. Dies folgt bereits aus der Tatsache, dass aufgrund des rechtskräftig gewordenen Urteils des LSG vom 17.02.2014 nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG zwischen den Beteiligten bindend feststeht, dass keine BK 2108 vorliegt. Denn mit dem in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 17.02.2014 gestellten Antrag hat der Kläger zuletzt auch die Feststellung des Vorliegens einer BK 2108 mit der Feststellungsklage verfolgt. Der diesbezügliche Berufungsantrag wurde mit Urteil des LSG vom 17.02.2014 als unbegründet zurückgewiesen. Mit der Verwerfung der gegen das Urteil des LSG eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde durch das BSG mit Beschluss vom 26.06.2014 ist das Urteil des LSG rechtskräftig geworden.
18 
Mit rechtskräftiger Abweisung einer auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichteten Klage steht indes das Gegenteil der begehrten Feststellung, nämlich das Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses fest (BGH, Urteil vom 16.01.2008, XII ZR 216/05, Juris; BVerwG, Beschluss vom 22.12.2011, 2 B 71/10, Juris). Dies gilt im sozialgerichtlichen Verfahren in gleicher Weise. Auch hier binden gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG rechtskräftige Urteile die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Ein sozialgerichtliches Urteil über eine Klage auf Feststellung eines Versicherungsfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung ist deshalb ebenfalls nicht nur der formellen, sondern auch der materiellen Rechtskraft fähig (BSG, Urteil vom 28.06.1984, 2 RU 64/83, Juris). Mit der rechtskräftigen Abweisung einer auf Feststellung gerichteten Klage ist somit auch im sozialgerichtlichen Verfahren das Gegenteil der begehrten Feststellung festgestellt (BSG, a.a.O.). Dies bedeutet, dass mit Rechtskraft des Urteils des LSG vom 17.02.2014 rechtskräftig und damit für die Beteiligten und den Senat verbindlich feststeht, dass es sich bei der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers nicht um eine BK 2108 handelt. Zwar stehen alle rechtskräftigen Urteile - und damit auch Feststellungsurteile - unter einem Geltungsvorbehalt des Fortbestehens der zugrunde gelegten Sach- und Rechtslage. Ändert sich in der Zeit nach Erlass des rechtskräftigen Urteils die Sachlage, so darf über das Rechtsverhältnis erneut entschieden werden; die Rechtskraft des Urteils steht dann einer erneuten - gleichen oder abweichenden - Sachentscheidung auf der Grundlage der veränderten Sachlage nicht entgegen (BVerwG, Urteil vom 23.11.1999, 9 C 16/99, Juris). Dies ist hier indes ohne Bedeutung: denn Prüfungsgegenstand des hier vom Kläger ausdrücklich beantragten Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 SGB X ist die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 18.12.2008 (nur) im Zeitpunkt seines Erlasses nach damaliger Sach- und Rechtslage, wenngleich aus heutiger Sicht (Schütze, von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 44 Rn. 10). Ohne dass es nach alledem hierauf noch ankäme, ist im Übrigen eine neue Tatsachenlage auch nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht vorgetragen.
19 
Diese Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils des LSG kann indes, anders als bei kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw. Leistungsklagen - nicht durch § 44 SGB X überwunden werden (LSG, Urteil vom 16.02.2012, L 10 U 3886/10, Juris, auch zum Nachfolgenden). Denn mit der Feststellungsklage wird nicht über den Regelungsgegenstand eines Verwaltungsaktes über Ansprüche, dessen Bestandskraft nach § 44 SGB X durchbrochen werden kann, sondern über das Rechtsverhältnis als solches entschieden. Dementsprechend stellt sich die Rechtsposition der Beteiligten wegen der Rechtskraftwirkung gerichtlicher Feststellungsurteile im Gegensatz zur durchbrechungsfähigen Bindungswirkung feststellender und eine Feststellung ablehnender Verwaltungsakte, was die Durchbrechungsfähigkeit anbelangt, anders dar (BSG, Urteile vom 09.11.2010, B 2 U 6/10 R und B 2 U 14/10 R, beide in Juris).
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Steht aber somit für die Beteiligten und den Senat verbindlich fest, dass es sich bei der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers nicht um eine BK 2108 handelt, erweist sich der Bescheid vom 18.12.2008 bereits aus diesem Grunde als rechtmäßig und kann der Kläger folglich auch nicht die Rücknahme dieses Bescheides nach § 44 SGB X verlangen. Eine diesbezügliche Klage ist bereits deshalb unbegründet.
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Die Beweisanregung des Klägers im Schriftsatz vom 10.01.2017, von Amts wegen eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. B.-C. einzuholen, ob sich nunmehr „vor dem Hintergrund einer wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit von 1980 bis 1990“ eine andere, dem Kläger günstigere Beurteilung ergibt, veranlasst den Senat nicht zu weiteren Ermittlungen. Nachdem die Klage bereits unzulässig ist und im Übrigen einer Zugunstenentscheidung das bestandskräftige Feststellungsurteil des LSG entgegensteht, kommt es auf Ergebnisse etwaiger medizinischer Ermittlungen von vornherein nicht an.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 18. Jan. 2017 - L 3 U 995/16

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 9 Berufskrankheit


(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 141


(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, 1. die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger,2. im Falle des § 75 Absatz 2a die Personen und im Falle des § 75 Absatz 2b die Versicherungsträger, die einen An

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 48 Verletztengeld bei Wiedererkrankung


Im Fall der Wiedererkrankung an den Folgen des Versicherungsfalls gelten die §§ 45 bis 47 mit der Maßgabe entsprechend, daß anstelle des Zeitpunkts der ersten Arbeitsunfähigkeit auf den der Wiedererkrankung abgestellt wird.

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Bei Berufskrankheiten gilt für die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes als Zeitpunkt des Versicherungsfalls der letzte Tag, an dem die Versicherten versicherte Tätigkeiten verrichtet haben, die ihrer Art nach geeignet waren, die Berufskrankheit z

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Bundesgerichtshof Urteil, 16. Jan. 2008 - XII ZR 216/05

bei uns veröffentlicht am 16.01.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 216/05 Verkündet am: 16. Januar 2008 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 16. Feb. 2012 - L 10 U 3886/10

bei uns veröffentlicht am 16.02.2012

Tenor Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.07.2010 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Tatbestand   1 Der Kläger begehrt im Rahme

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 22. Dez. 2011 - 2 B 71/10

bei uns veröffentlicht am 22.12.2011

Gründe 1 Die auf sämtliche Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

Bundessozialgericht Urteil, 09. Nov. 2010 - B 2 U 14/10 R

bei uns veröffentlicht am 09.11.2010

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. April 2010 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dort

Bundessozialgericht Urteil, 09. Nov. 2010 - B 2 U 6/10 R

bei uns veröffentlicht am 09.11.2010

Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

Im Fall der Wiedererkrankung an den Folgen des Versicherungsfalls gelten die §§ 45 bis 47 mit der Maßgabe entsprechend, daß anstelle des Zeitpunkts der ersten Arbeitsunfähigkeit auf den der Wiedererkrankung abgestellt wird.

Bei Berufskrankheiten gilt für die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes als Zeitpunkt des Versicherungsfalls der letzte Tag, an dem die Versicherten versicherte Tätigkeiten verrichtet haben, die ihrer Art nach geeignet waren, die Berufskrankheit zu verursachen, wenn diese Berechnung für die Versicherten günstiger ist als eine Berechnung auf der Grundlage des in § 9 Abs. 5 genannten Zeitpunktes. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, aus welchen Gründen die schädigende versicherte Tätigkeit aufgegeben worden ist.

(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger,
2.
im Falle des § 75 Absatz 2a die Personen und im Falle des § 75 Absatz 2b die Versicherungsträger, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, daß die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrags der Rechtskraft fähig, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 216/05 Verkündet am:
16. Januar 2008
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Rechtskraft einer in einem Vorprozess der Parteien ergangenen Entscheidung
ist nicht nur bei Identität der Streitgegenstände in jeder Lage des
Verfahrens von Amts wegen zu beachten, sondern auch dann, wenn eine für
den nachfolgenden Rechtsstreit (hier: Leistungsklage) entscheidungserhebliche
Vorfrage im Vorprozess (dort: Feststellungsklage) rechtskräftig entschieden
wurde.

b) Auch ein klagabweisendes Urteil, das die Zulässigkeit der Klage verfahrensfehlerhaft
dahinstehen lässt, ist der uneingeschränkten materiellen Rechtskraft
fähig, wenn aus dessen Tenor und Entscheidungsgründen ersichtlich
ist, dass das Gericht ungeachtet seiner Zweifel an der Zulässigkeit der Klage
kein Prozessurteil erlassen, sondern eine Sachentscheidung getroffen hat.
BGH, Urteil vom 16. Januar 2008 - XII ZR 216/05 - OLG Naumburg
LG Halle
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Januar 2008 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter
Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die Richterin Dr. Vézina

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden unter Zurückweisung der Rechtsmittel des Klägers das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 6. Dezember 2005 und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 27. April 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten entschieden wurde. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt vom Beklagten aus gekündigten Mietverhältnissen als Ersatz seines Mietausfallschadens für die Monate Oktober 1999 bis Dezember 2000 einen Betrag von 28.974,19 € zuzüglich 4.727,39 € Nebenkosten für die Monate Juni 1999 bis Dezember 2000, jeweils nebst Zinsen.
2
Die Parteien waren gemeinsam mit Walter K. Gesellschafter einer Grundstücks-, Besitz- und Verwaltungsgesellschaft bürgerlichen Rechts. Diese Gesellschaft schloss mit dem Beklagten drei jeweils bis Ende 2006 befristete Mietverträge zum Betrieb eines Fitnessstudios, nämlich am 1. April 1993 über das Kellergeschoss, die Räume im Erdgeschoss rechts sowie sieben Parkplätze im Objekt D weg 4, am 29. April 1994 über das Obergeschoss dieses Objekts und am 27. Dezember 1995 über sieben weitere Parkplätze auf dem Grundstück D weg 2.
3
Nachdem der Beklagte den Mietzins bis einschließlich Juli 1997 an den Kläger gezahlt hatte, stellte er seine Zahlungen ein. Daraufhin kündigte der Kläger die drei Mietverträge fristlos mit Schreiben vom 10. September 1997. Am 28. Februar 1999 räumte der Beklagte die Mietobjekte.
4
Der Kläger leitete das vorliegende Verfahren mit Mahnbescheid vom 18. Dezember 2003 über 8.369,58 € nebst Kosten und Zinsen ein.
5
Das Landgericht gab der zuletzt auf 33.601,58 € erhöhten Klage in Höhe von 22.520,06 € nebst Zinsen statt. Dagegen legten beide Parteien Berufung ein. Das Berufungsgericht gab der Klage auf die Berufung des Klägers abändernd in Höhe von 27.147,45 € nebst Zinsen statt und wies die Berufungen der Parteien im übrigen zurück. Dagegen richten sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten sowie die Anschlussrevision des Klägers, mit denen die Parteien ihre zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Änderung der angefochtenen Entscheidungen und zur Abweisung der Klage insgesamt. Die Anschlussrevision des Klägers hat keinen Erfolg.
7
Auf den Streit der Parteien darüber, ob der Kläger auf Vermieterseite in die von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts abgeschlossenen Mietverträge eingetreten ist, und ob die Vorinstanzen, die dies bejahen, durch Verwertung von den Parteien nicht eingeführter Erkenntnisse aus Vorprozessen zwischen ihnen gegen den Beibringungsgrundsatz verstoßen haben, kommt es nicht an. Ebenso kann dahinstehen, ob die Schriftform dieser Verträge gewahrt ist und der Beklagte sich gegenüber der Klageforderung zu Recht auf Verjährung berufen hat.
8
Dem sachlichen Erfolg der Klage steht nämlich die vor ihrer Erhebung (2004) eingetretene Rechtskraft eines zwischen den Parteien ergangenen Urteils vom 9. September 1998 (3 O 57/98 LG Halle) entgegen.
9
1. Die Rechtskraft eines früheren Urteils über denselben Streitgegenstand ist als negative Prozessvoraussetzung auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu beachten (BGHZ 53, 332, 334; BGH Urteil vom 21. Dezember 1988 - VIII ZR 277/87 - NJW 1989, 2133, 2134; Stein/Jonas/Leipold ZPO 21. Aufl. § 322 Rdn. 221; MünchKomm-ZPO/Gottwald 3. Aufl. § 322 Rdn. 67; Thomas/Putzo/Reichold ZPO 28. Aufl. § 322 Rdn. 13). Aber auch dann, wenn eine im Vorprozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfrage lediglich Vorfrage für die Entscheidung des nachfolgenden Rechtsstreits ist, hat das Revisionsgericht die Rechtskraft der früheren Entscheidung und die sich daraus ergebende Bindungswirkung von Amts wegen zu beachten (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 1993 - III ZR 43/92 - NJW 1993, 3204, 3205 und vom 6. Oktober 1989 - V ZR 283/86 - BGHR ZPO § 322 Abs. 1 Amtsprüfung 1 m.N.; Zöller/Vollkommer ZPO 26. Aufl. § 322 Rdn. 20; Hk-ZPO/Saenger 2. Aufl. § 322 Rdn. 16).
10
Deshalb ist es hier ohne Belang, dass sich die Parteien in den Vorinstanzen nicht auf die Rechtskraft dieses Urteils berufen hatten, sie den Vorinstanzen deshalb verborgen blieb und der Beklagte erstmals im Rahmen seiner Nichtzulassungsbeschwerde die Beiziehung der Akten 3 O 57/98 LG Halle beantragt und auf die Rechtskraft dieses Urteils hingewiesen hat. In diesem Vorprozess (3 O 57/98 LG Halle) hatte der Kläger erstinstanzlich aus allen drei vorgenannten Mietverträgen unter anderem Mietausfallentschädigung für die Zeit bis Ende Februar 1998 geltend gemacht und zusätzlich die Feststellung beantragt, "dass der Beklagte auch nach dem 1.3.1998 verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz aus entgangenen Mieteinnahmen zu leisten".
11
Das Landgericht hatte diese Klage mit Urteil vom 9. September 1998 insgesamt abgewiesen. Seine hiergegen eingelegte Berufung nahm der Kläger - nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist - in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht am 23. Dezember 1998 hinsichtlich des Feststellungsantrages zurück.
12
Hierdurch ist die Abweisung des Feststellungsantrags in Rechtskraft erwachsen.
13
a) Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht in diesem Vorprozess - rechtsfehlerhaft - in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, es könne dahinstehen, inwieweit der vom Kläger gestellte Feststellungsantrag zulässig sei.
14
Die höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage, ob eine der Rechtskraft fähige Sachentscheidung vorliegt, wenn ein Gericht eine Klage alternativ als unzulässig oder unbegründet abweist, ist in der Literatur umstritten. Nur wenn das Gericht die Zulässigkeit der Klage eindeutig verneint, besteht Einigkeit darüber , dass weitere Ausführungen zur Begründetheit lediglich obiter dicta darstellen und nicht in Rechtskraft erwachsen.
15
Teilweise wird die Auffassung vertreten, ein klagabweisendes Urteil, das die Zulässigkeit der Klage zu Unrecht bewusst ungeprüft lasse, weil jedenfalls ihre Unbegründetheit ohne weiteres feststehe, erwachse nicht in Rechtskraft (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 26. Aufl. vor § 322 Rdn. 43).
16
Nach überwiegend vertretener Auffassung erwächst jedoch auch eine klagabweisende Entscheidung, die die Zulässigkeit der Klage ausdrücklich "offen" lässt, als Sachurteil in Rechtskraft (vgl. MünchKomm-ZPO/Gottwald aaO § 322 Rdn. 175; Musielak/Musielak ZPO 5. Aufl. § 322 Rdn. 46; Hk-ZPO/Saenger 2. Aufl. § 322 Rdn. 36).
17
Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Denn unzweifelhaft erwächst eine Sachabweisung auch dann in Rechtskraft, wenn das Gericht das Fehlen einer Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage übersehen oder die Zulässigkeit grob fehlerhaft bejaht hat. Darüber hinaus erwächst auch ein Urteil in Rechtskraft, das unter Verstoß gegen § 308 ZPO mehr als beantragt zuspricht; insoweit fehlt es aber nicht nur an der Zulässigkeit einer Klage, sondern an einer Klageerhebung überhaupt. Demgegenüber erscheint eine Entscheidung , die zwar Zweifel an der Zulässigkeit anspricht, es aber verfahrenswidrig unterlässt, ihnen weiter nachzugehen, weniger fehlerhaft, so dass für den Senat kein Grund ersichtlich ist, ihr wegen eines minder schweren Fehlers die Rechtskraft abzusprechen.
18
Im vorliegenden Fall hat das Landgericht im Vorprozess jedenfalls seine nicht näher bezeichneten Bedenken gegen die Zulässigkeit der Feststellungs- klage ersichtlich nicht zum Anlass einer Prozessabweisung genommen. Vielmehr hat es davon abgesehen, diesen Bedenken weiter nachzugehen, und sich nicht gehindert gesehen, sämtliche Klageanträge mit ausführlicher und einheitlicher Begründung, nämlich wegen fehlender Sachbefugnis des Klägers, in der Sache abzuweisen. Abgesehen davon vermag der Senat nicht zu erkennen, was der Zulässigkeit der Klage auf Feststellung einer fortdauernden Ersatzpflicht für einen hinreichend genau bezeichneten und noch nicht endgültig zu beziffernden Kündigungsfolgeschaden hier hätte entgegenstehen können.
19
b) Damit steht zwischen den Parteien rechtskräftig fest, dass das behauptete Rechtsverhältnis, nämlich eine Schadensersatzpflicht des Beklagten dem Kläger gegenüber auch für die Zeit nach dem 1. März 1998, nicht besteht (vgl. MünchKomm-ZPO/Gottwald aaO § 322 Rdn. 183).
20
Im Verhältnis eines vorausgegangenen Feststellungsurteils zu einer nachfolgenden Leistungsklage bedeutet dies, dass die Abweisung der auf Feststellung einer Forderung erhobenen Klage in der Sache insoweit Rechtskraft für eine später auf dieselbe Forderung gestützte Leistungsklage schafft, als das mit ihr erstrebte Prozessziel unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr aus demselben Lebenssachverhalt hergeleitet werden kann, der der Feststellungsklage zugrunde gelegen hat (BGH, Urteil vom 14. Februar 2006 - VI ZR 322/04 - NJW-RR 2006, 712, 714 Rz. 15 m.N.).
21
c) Dem sachlichen Erfolg der vorliegenden Klage hätte die rechtskräftige Abweisung der Feststellungsklage im Vorprozess daher nur dann nicht von vornherein entgegen gestanden, wenn der Kläger nunmehr geltend gemacht hätte, die ihm im Vorprozess abgesprochene Sachbefugnis zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche im eigenen Namen inzwischen nachträglich, das heißt nach der letzten Tatsachenverhandlung im Vorprozess (18. August 1998), erworben zu haben, sei es durch Abtretung oder im Rahmen der Auseinandersetzung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, von der der Beklagte die Mietobjekte gemietet hatte (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2006 - VI ZR 322/04 - NJW-RR 2006, 712, 714 Rz. 16 m.N.). Hierfür ist dem Vorbringen des Klägers aber nichts zu entnehmen.
22
3. Dies macht die vorliegende Klage zwar nicht unzulässig. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt die materielle Rechtskraft eines Urteils in einem späteren Rechtsstreit nur dann zur Unzulässigkeit der neuen Klage und deshalb zur Prozessabweisung, wenn die Streitgegenstände beider Prozesse identisch sind oder im zweiten Prozess das kontradiktorische Gegenteil der im ersten Prozess ausgesprochenen Rechtsfolge begehrt wird. Das ist hier nicht der Fall. Da das Urteil im Vorprozess einen Feststellungsanspruch betrifft, während hier ein Leistungsanspruch geltend gemacht wird, liegen unterschiedliche Streitgegenstände vor (vgl. BGH, Urteile vom 22. November 1988 - VI ZR 341/87 - NJW 1989, 393 f. und vom 17. Februar 1983 - III ZR 184/81 - NJW 1983, 2032 f.).
23
b) Die Klage ist aber unbegründet. Für den im vorliegenden Rechtsstreit vom Kläger geltend gemachten Zahlungsanspruch (Ersatz des durch die fristlose Kündigung der Mietverträge in der Zeit von Juni 1999 bis Dezember 2000 entstandenen Mietausfallschadens) ist die im Vorprozess entschiedene Frage nach dem Bestehen oder Nichtbestehen der streitigen Schadensersatzverpflichtung des Beklagten dem Kläger gegenüber für die Zeit nach dem 1. März 1998 entscheidend. Steht - wie hier - infolge rechtskräftiger Abweisung der positiven Feststellungsklage fest, dass der Beklagte dem Kläger wegen der vorzeitigen Beendigung der drei Mietverträge für die Zeit nach dem 1. März 1998 nicht schadensersatzpflichtig ist, kann eine auf Ersatz eines solchen Schadens gerichtete Leistungsklage keinen Erfolg haben, weil das nachentscheidende Ge- richt an einer abweichenden Beurteilung der rechtskräftig entschiedenen (Vor-)Frage gehindert ist (BGH, Urteil vom 17. Februar 1983 - III ZR 184/81 - NJW 1983, 2032 f. m.w.N.).
24
Dies gilt hier auch, soweit der Kläger einen Betrag von 4.627,39 € als verbrauchsunabhängige Nebenkosten für die Monate Oktober 1999 bis Dezember 2000 verlangt. Denn hierbei handelt es sich nicht um die Nachzahlung vertraglich geschuldeter Nebenkosten für einen Zeitraum, in dem die Mietverhältnisse noch bestanden, sondern, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, um verbrauchsunabhängige Nebenkosten aus der Zeit nach vorzeitiger Beendigung der Mietverhältnisse und damit ebenfalls um einen Kündigungsfolgeschaden , der in gleicher Weise wie der sonstige ab 1. März 1998 verlangte Mietausfallschaden von der Rechtskraft der im Vorprozess ergangenen Entscheidung erfasst wird.
25
4. Da die Klage somit insgesamt unbegründet ist, kommt es auf die von der Anschlussrevision angenommene Verjährung des Anspruchs auf Mietausfall für 1999 nicht mehr an.
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina

Vorinstanzen:
LG Halle, Entscheidung vom 27.04.2005 - 3 O 270/04 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 06.12.2005 - 9 U 53/05 -

Gründe

1

Die auf sämtliche Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

2

1. Der Kläger stand bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand Ende Dezember 2006 als Oberstleutnant (Besoldungsgruppe A 14 BBesO) im Dienst der Beklagten. Seit dem 4. August 1997 war er für die Wahrnehmung von Personalratsaufgaben freigestellt. Als freigestelltes Mitglied des Personalrats wurde er im Mai 1998 auf eine nach Besoldungsgruppe A 14 BBesO dotierte Planstelle z.b.V. versetzt. Im November 2000 beantragte er, ihn rückwirkend zum 1. Oktober 2000 in die Besoldungsgruppe A 15 BBesO einzuweisen und ihn für den Fall einer ablehnenden Entscheidung so zu stellen, wie er bei antragsgemäßer Entscheidung gestanden hätte. Antrag und Beschwerde blieben ohne Erfolg. Vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide zu verpflichten, ihn in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 BBesO einzuweisen, festzustellen, dass es rechtswidrig gewesen ist, ihn nicht spätestens zum 1. Oktober 2000 in eine solche Planstelle einzuweisen, und die Beklagte zu verpflichten, ihn dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, wie er im Falle einer Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 BBesO zum 1. Oktober 2000 stünde. Das Verwaltungsgericht hat der Klage hinsichtlich des begehrten Schadensersatzes stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil die Beklagte seine Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 BBesO zum 1. Oktober 2000 zu Recht abgelehnt habe. Der Kläger habe zu diesem Zeitpunkt lediglich einen nach der Besoldungsgruppe A 14 BBesO bewerteten Dienstposten inne gehabt. Nach dem Bundesbesoldungsgesetz komme eine Einweisung eines Oberstleutnants in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 BBesO nur in Betracht, wenn er Inhaber eines herausgehobenen und somit mindestens mit der Besoldungsgruppe A 15 BBesO bewerteten Dienstpostens sei. Auch aus prozessualen Gründen könne sich der Kläger nicht auf ein rechtswidriges Handeln der Beklagten berufen. Denn die inzidente Feststellung des Verwaltungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Antrags des Klägers, ihn zum 1. Oktober 2000 in die Besoldungsgruppe A 15 BBesO einzuweisen, sei in Rechtskraft erwachsen. Auch habe die Beklagte bei der Entscheidung über die Vergabe von zwölf Planstellen der Besoldungsgruppe A 15 BBesO an Offiziere des Dienstgrads Oberstleutnant nicht zu Lasten des Klägers gegen den Grundsatz der Bestenauslese verstoßen. Schließlich fehle es an dem für den Schadensersatzanspruch erforderlichen Verschulden der Beklagten.

3

2. Ist eine Berufungsentscheidung - wie hier - auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Revision nur zugelassen werden, wenn gegenüber jeder der Begründungen ein durchgreifender Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. Juni 1990 - BVerwG 1 B 92.90 - Buchholz 11 Art. 116 GG Nr. 20, vom 20. August 1993 - BVerwG 9 B 512.93 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 320 S. 51 und vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4). Daran fehlt es hier.

4

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz setzt voraus, dass der Dienstherr schuldhaft eine eigene, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis wurzelnde (quasi-vertragliche) Verbindlichkeit verletzt hat, dieser Rechtsverstoß adäquat kausal für den eingetretenen Schaden gewesen ist und der Betroffene es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (Urteile vom 25. August 1988 - BVerwG 2 C 51.86 - BVerwGE 80, 123 <124> = Buchholz 237.7 § 7 NWLBG Nr. 5, vom 28. Mai 1998 - BVerwG 2 C 29.97 - BVerwGE 107, 29 <31> = Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 40, vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <101 ff.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32 S. 28 und vom 25. Februar 2010 - BVerwG 2 C 22.09 - BVerwGE 136, 140 <143> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 45 S. 26). Diese für das Beamtenverhältnis entwickelten Grundsätze gelten auch für das Soldatenverhältnis.

5

Die Ablehnung des Antrags auf Schadensersatz in Bezug auf die unterbliebene Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 BBesO zum 1. Oktober 2000 hat das Berufungsgericht auch darauf gestützt, das Verwaltungsgericht habe den entsprechenden Feststellungsantrag rechtskräftig abgewiesen. Diese Begründung trägt die Abweisung der Klage hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs selbstständig. Hinsichtlich dieser Begründung macht die Beschwerde keinen Zulassungsgrund geltend.

6

Die Rechtskraft eines Urteils, durch das eine Feststellungsklage abgewiesen wird, ist identisch mit einer rechtskräftig gewordenen gegenteiligen Feststellung (Urteile vom 29. August 1966 - BVerwG 8 C 353.63 - BVerwGE 25, 7 <9> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 22 und vom 23. Februar 1993 - BVerwG 1 C 16.87 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 64 = NVwZ 1993, 781). Damit ist rechtskräftig entschieden, dass das Unterlassen der Beklagten, den Kläger zum 1. Oktober 2000 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 BBesO einzuweisen, rechtmäßig war. Die Beurteilung dieses Unterlassens als rechtmäßig ist nach § 121 Nr. 1 VwGO auch für die Klage auf Schadensersatz bindend. Die Rechtskraft eines Urteils soll gerade verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird (Urteile vom 8. Dezember 1992 - BVerwG 1 C 12.92 - BVerwGE 91, 256 <258> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 63 und vom 10. Mai 1994 - BVerwG 9 C 501.93 - BVerwGE 96, 24 <25> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 68 m.w.N.; BGH, Urteil vom 17. Februar 1983 - III ZR 184/81 - NJW 1983, 2032). Danach ist bei einer rechtskräftig als rechtmäßig bewerteten Amtshandlung oder entsprechendem behördlichen Unterlassen ein Schadensersatzanspruch, der die schuldhafte Verletzung einer Verbindlichkeit der Behörde voraussetzt, ausgeschlossen.

7

Die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Abweisung des Feststellungsantrags durch das Verwaltungsgericht als unbegründet rechtskräftig geworden ist, wird, ohne dass hiergegen eine zulässige und begründete Verfahrensrüge erhoben oder ein anderer Zulassungsgrund geltend gemacht wurde, nach Art einer Berufungsbegründung im Zusammenhang mit dem angeblichen Verfahrensmangel der unvorschriftsmäßigen Besetzung des Oberverwaltungsgerichts wegen Voreingenommenheit des Einzelrichters angegriffen. Der hier gerügte Verfahrensmangel ist nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise dargelegt.

8

Ein Gericht ist nur dann nicht vorschriftsmäßig besetzt, wenn willkürliche oder manipulative Erwägungen für die Fehlerhaftigkeit des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind (Beschluss vom 25. September 1987 - BVerwG 9 CB 59.87 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 72 und vom 13. Juni 1991 - BVerwG 5 ER 614.90 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 28 m.w.N.). Die Beschwerde muss die Tatsachen, aus denen sie den Mangel herleitet, in einer substantiierten Weise vortragen, die dem Revisionsgericht ohne Weiteres die Beurteilung ermöglicht (vgl. Beschlüsse vom 17. Dezember 1982 - BVerwG 8 CB 83.80 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 24 S. 3 f. m.w.N. und vom 27. Juni 1995 - BVerwG 5 B 53.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 9 S. 7). Diese Voraussetzungen sind hier durch die Ausführungen unter VI. 5 und 6 der Beschwerdebegründung nicht erfüllt.

9

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.

(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger,
2.
im Falle des § 75 Absatz 2a die Personen und im Falle des § 75 Absatz 2b die Versicherungsträger, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, daß die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrags der Rechtskraft fähig, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.07.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Feststellung seiner Lebererkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1101, 1302, 1306 oder 1316 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), hilfsweise die Feststellung als Wie-BK.
Der am 1960 geborene Kläger leidet an einer Fettleber (Steatosis hepatis). Er führt diese Erkrankung auf die Belastungen im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeiten in den Jahren 1977 bis ca. 1997 zurück. Vor allem geht es um Tätigkeiten als Maler und Lackierer (mit Unterbrechungen von 1977 bis 1991) und eine abhängige Beschäftigung, nachfolgend auch selbstständige Tätigkeit, in der Leuchtmittelwerbung für Tankstellen (1992 bis 1997 - so die Angaben des Klägers Bl. 226 f. VA).
Erste Beschwerden bemerkte der Kläger im Jahr 1983. Im Jahr 1986 wurden erhöhte Leberwerte festgestellt. Seither schreitet die Erkrankung fort. Aktuell ist bei zwischenzeitlich diagnostizierter Leberzirrhose und Ösophagusvarizen mit mehrmaligen Varizenblutungen eine Lebertransplantation geplant. Dem Kläger, der einen übermäßigen Alkoholkonsum stets verneinte und dessen CDT-Wert als Hinweis auf eine äthyltoxische Genese wegen einer selten vorkommenden Transferrinvariante nicht sicher bestimmbar ist (Gutachten Dr. B. , Bl. 415f. VA), wurde wiederholt eine Alkoholkarenz empfohlen (zuletzt Arztbrief Prof. Dr. Sch. , Medizinische Klinik und Poliklinik der Technischen Universität M. vom 22.01.2010, Bl. 25 LSG-Akte).
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2005 die Anerkennung einer BK oder Wie-BK ab. Sie stützte sich dabei u.a. auf das Gutachten des Direktors des Instituts und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin des Universitätsklinikums H. Prof. Dr. T. vom Juni 2004, der eine berufliche Verursachung der Lebererkrankung zwar für möglich, jedoch insbesondere auf Grund des Verlaufs der Erkrankung nach Ende der Exposition - in der Regel könne man davon ausgehen, dass sich eine toxische Leberschädigung bessere oder sich sogar vollständig zurückbilde, wenn die verursachende Noxe nicht mehr einwirke oder nicht mehr im Körper vorhanden sei - nicht für wahrscheinlich erachtete.
Die vom Kläger beim Sozialgericht Freiburg erhobene Anfechtungs- und Feststellungsklage (S 9 U 4846/05) wies das Sozialgericht mit Urteil vom 24.03.2009 ab. Es sah sich nicht in der Lage, eine der vom Kläger zur Feststellung beantragten BKen (BK 1101 Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen, 1302 Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe, 1306 Erkrankungen durch Methylalkohol (Methanol) und 1316 Erkrankungen der Leber durch die Dimethylformamid (DMF) oder - wie hilfsweise beantragt - eine Wie-BK festzustellen. Es stützte sich dabei auf das im Jahr 2008 im gerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin und Allgemeinmedizin Dr. B. . Dieser ging, gestützt auf die Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten (Stellungnahmen der Mitarbeiterin Z. vom 18.01.2005 Bl. 191 VA und des Dipl.-Ing. K. vom 21.02.2005 Bl. 198 VA), selbst unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers hinsichtlich der gesundheitsgefährdenden Expositionen mit den oben genannten Stoffen nicht vom Nachweis der arbeitstechnischen Voraussetzungen aus und sah auch in medizinischer Hinsicht keine Wahrscheinlichkeit für einen beruflichen Zusammenhang. Er bestätigte die zuvor schon von den behandelnden Ärzten gestellte Diagnose einer nicht-alkoholischen Steatosis hepatitis (NASH) unklarer Ätiologie. Neue Erkenntnisse in der medizinischen Wissenschaft darüber, dass Maler und Lackierer ein erhöhtes Risiko gegenüber der übrigen Bevölkerung für die Entwicklung der beim Kläger vorliegenden Erkrankungen haben, lägen nicht vor. Das Urteil des Sozialgerichts wurde - nach Rücknahme der vom Kläger erhobenen Berufung (L 2 U 2878/09) - rechtskräftig.
Im November 2009 beantragte der Kläger unter Hinweis auf eine Verschlimmerung seines Zustandes die Überprüfung des Bescheids vom 23.08.2005. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2010 ab. Die Verschlimmerung habe keinen Einfluss auf die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs.
Deswegen hat der Kläger am 11.02.2010 beim Sozialgericht Freiburg Klage erhoben. Im Wesentlichen hat er sich auf den Arztbrief des Prof. Dr. Sch. vom 22.01.2010 (s.o.) gestützt, wonach die Leberzirrhose am ehesten äthyltoxischer Genes sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.07.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Für die Anerkennung der verfahrensgegenständlichen BKen bzw. einer Wie-BK fehle es an den arbeitstechnischen Voraussetzungen. Selbst wenn man diese unterstelle, lasse sich nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. B. nicht feststellen, dass die Erkrankung des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf einer beruflich bedingten Exposition beruhe. Dem neu gestellten Antrag des Klägers lasse sich nichts entnehmen, was dies zweifelhaft erscheinen lasse. Vom Kläger jetzt geltend gemachte Beschwerden (Übelkeit/Bewusstlosigkeit bei verschiedenen Gerüchen, gelegentliches Blut-Erbrechen) habe er bereits Dr. B. mitgeteilt. Die nun von Prof. Dr. Sch. angenommene äthyltoxische Genese, das heiße eines Zusammenhangs mit einem Alkoholkonsum, spreche eher gegen eine berufliche Ursache.
Gegen den ihm am 16.07.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.08.2010 Berufung eingelegt. Er trägt vor, das Sozialgericht habe nicht ausreichend gewürdigt, dass zwischenzeitlich Situationen mit akuter Lebensgefahr eingetreten seien. Die von Prof. Dr. Sch. genannte äthyltoxische Genese bedeute, dass Ursache für die Lebererkrankung unter Ausschluss von sonstigen unbewiesenen und bestrittenen Vermutungen wie Alkoholkonsum ausschließlich eine Vergiftung durch äthylenhaltige Stoffe sei. Mit diesen habe er während seiner beruflichen Tätigkeit als Maler/Lackierer Kontakt gehabt.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.07.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2010 zu verpflichten, den Bescheid vom 23.08.2005 zurückzunehmen.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Die Beklagte verweist zur Erwiderung auf die vorangegangenen Gerichtsentscheidungen.
15 
Der Senat hat Prof. Dr. Sch. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat seine Arztbriefe vom Januar und September 2010 vorgelegt. Im Arztbrief vom Januar 2010 hat er erwähnt, es bestehe eine Leberzirrhose am ehesten äthyltoxischer Genese. Im Arztbrief vom September 2010 (Bl. 28 LSG-Akte) hat er eine noch kompensierte Leberzirrhose am ehesten auf dem Boden einer NASH im Rahmen eines metabolischen Syndroms beschrieben. Eine begleitende äthyltoxische Komponente bei zwar geringem, aber regelmäßigem Genuss von Alkohol hat er nicht ausgeschlossen, insbesondere da der Alkoholkonsum bei bereits bekannter Fettlebererkrankung nicht vollständig eingestellt worden sei.
16 
Als sachverständiger Zeuge hat Prof. Dr. Sch. angegeben, die Einschätzung einer durch Alkohol verursachten Leberzirrhose beruhe auf dem klinischen Verlauf sowie den Vorunterlagen. Im Krankenhaus O. sei im Dezember 2009 ein Blutalkoholwert von 2 ‰ gemessen worden. Der Kläger selbst habe im September 2010 einen regelmäßig geringen bis mäßiggradigen Alkoholkonsum angegeben. Somit könne eine alkoholtoxische Ursache, eine solche sei im Arztbrief vom Januar 2010 gemeint gewesen, als wahrscheinlich angesehen werden. Eine berufsbedingte Ursache der Lebererkrankung sei eher nicht wahrscheinlich, da die Erkrankung seit dem Ende jeglicher beruflicher Schadstoffexposition weiter fortschreitend sei.
17 
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin G. eingeholt. Dieser hat darauf hingewiesen, es sei ihm als Allgemein- und Hausarzt des Klägers nicht möglich, wie die Vorgutachter ein arbeitsmedizinisches Gutachten zu erstellen. Dies sei auch nicht notwendig, da bereits hinreichend belegt worden sei, dass nach den strengen Kriterien der Arbeitsmedizin nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu belegen sei, dass die Lebererkrankung ausschließlich berufsbedingt verursacht wurde. Die medizinischen und arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitgegenständlichen BKen seien nicht erfüllt. Aus hausärztlicher Sicht sei die Anerkennung als beruflich bedingte Schädigung gerechtfertigt.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
20 
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 22.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2010. Darin entschied die Beklagte ausschließlich über die Frage, ob sie bei Erlass des Bescheids vom 23.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2005 von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen war und deswegen zu Unrecht die Anerkennung einer BK oder Wie-BK abgelehnt hatte. Die Beklagte nahm diese Prüfung auf der rechtlichen Grundlage des § 44 SGB X vor. Dies zeigt nicht nur die von der Beklagten im Tenor des Bescheids vom 22.12.2009 verwandte Formulierung „ihr Antrag auf Neufeststellung bzw. Rücknahme (…) wird abgelehnt“, sondern folgt auch aus der Begründung dieses Bescheids sowie aus den Ausführungen des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2010. Damit prüfte die Beklagte neben § 44 SGB X nicht zusätzlich, unabhängig vom bestandskräftigen Bescheid im Sinne einer neuen originären Entscheidung, ob zwischenzeitlich eine BK oder Wie-BK - z.B. wegen späterer weiterer Expositionen oder wegen anderer Gesundheitsstörungen - eingetreten war. Zwar hatte der Kläger auf eine Veränderung seines Gesundheitszustands hingewiesen. Dies aber nur in Form einer Verschlimmerung des schon zuvor bekannten Leidens und nicht etwa im Hinblick auf den Hinzutritt einer neuen Erkrankung. Er selbst hatte ausdrücklich einen Antrag „auf der Grundlage von § 44 SGB X“ gestellt (Bl. 506 VA). In der Begründung des angefochtenen Bescheids vom 22.12.2009 brachte die Beklagte zum Ausdruck, dass die geltend gemachte Verschlimmerung der Erkrankung keinen Einfluss auf die hier allein streitige, schon im Bescheid vom 23.08.2005 vorgenommene Beurteilung des Ursachenzusammenhangs habe, traf also keine originäre neue Entscheidung.
21 
Grundsätzlich kann bei der Ablehnung der Feststellung einer BK ein Versicherter sein Begehren auf Feststellung einer BK - wie es der Kläger ausweislich des schriftsätzlich gestellten Antrages verfolgt - zwar im Wege einer Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG verfolgen (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2). Dies ist indessen im Rahmen eines so genannten Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X nicht möglich. Denn dieses Verfahren hat das Ziel, den bestandskräftigen, eine BK verneinenden Verwaltungsakt zu beseitigen, im Falle des entsprechenden Klageverfahrens die Beklagte zur Rücknahme dieses Verwaltungsaktes zu verurteilen. Bevor der bestandskräftige Ablehnungsbescheid aber nicht beseitigt ist, steht dieser - eben wegen seiner Bestandskraft - einer vom Kläger nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen eigentlich begehrten gegenteiligen Feststellung durch das Gericht entgegen. Damit beschränkt sich das Klagebegehren sachgerechterweise auf die Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides (ständige Rechtsprechung des Senats seit Urteil vom 27.04.2006, L 10 U 5290/03); diesen Antrag hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch gestellt.
22 
Die Beklagte hat zu Recht die Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Ablehnung der Feststellung der hier streitgegenständlichen BKen 1101, 1302, 1306 oder 1316 oder einer Wie-BK abgelehnt. Die folgt bereits aus der Tatsache, dass auf Grund des rechtskräftig gewordenen Urteils des Sozialgerichts Freiburg vom 24.03.2009 nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG zwischen den Beteiligten bindend feststeht, dass keine der eben genannten BKen und auch keine Wie-BK vorliegt. Im Übrigen kann sich auch der Senat - wie zuvor schon das SG - nicht davon überzeugen, dass bei Erlass des Bescheids vom 23.08.2005 das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde.
23 
Zunächst kann dahingestellt bleiben, ob sich die Prüfung des Anspruchs des Klägers auf eine Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Ablehnung nach § 44 Abs. 1 oder nach § 44 Abs. 2 SGB X zu richten hat. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass vom einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Da im bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 23.08.2005 hinsichtlich der jetzt vom Kläger zur Überprüfung gestellten Frage des Vorliegens einer BK an sich nicht über Leistungen entschieden wurde, könnten Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gesehen werden. Für die Anwendung dieser Regelung (so auch ohne weitere Problematisierung für die streitige Feststellung eines Arbeitsunfalls: BSG, Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 24/05 R in SozR 4 - 2700 § 8 Nr. 18) spricht jedoch, dass es bei der Feststellung einer BK letztendlich in der Regel doch (indirekt) um Leistungsansprüche geht. Zudem erscheint der die Feststellung einer BK begehrende potentielle Leistungsempfänger insoweit, als ihn § 44 Abs. 1 SGB X gegenüber dem alternativ in Betracht kommenden § 44 Abs. 2 SGB X privilegiert, schutzwürdig. Denn im Anwendungsbereich des Abs. 1 ist eine gebundene Entscheidung über die Korrektur mit Wirkung für die Vergangenheit zu treffen, während der Behörde im Anwendungsbereich des Abs. 2 ein Ermessensspielraum gewährt wird. Letztlich kann die Frage, ob Abs. 1 oder Abs. 2 des § 44 SGB X anzuwenden ist, offen bleiben, da auch nach § 44 Abs. 2 SGB X Voraussetzung wäre, dass der Bescheid vom 23.08.2005 rechtswidrig ist. Dies ist nicht der Fall.
24 
Regelungsgegenstand des Bescheides vom 23.08.2005 war die Ablehnung der Anerkennung der Lebererkrankung als BK 1101, 1302, 1306, 1316 bzw. als Wie-BK, also gerade jener BK, deren Anerkennung der Kläger über § 44 SGB X auch im vorliegenden Rechtsstreit erstrebt.
25 
Allerdings steht zwischen den Beteiligten rechtskräftig fest, dass keine der streitigen BKen beim Kläger vorliegt. Denn dasselbe Ziel - Feststellung, dass die Lebererkrankung eine BK 1101, 1302, 1306, 1316 hilfsweise eine Wie-BK ist - verfolgte der Kläger bereits im früheren Klageverfahren S 9 U 4946/05 mit der Feststellungsklage (so der damals in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht gestellte und im Urteil wiedergegebene Antrag). Diese Klage wurde vom Sozialgericht mit Urteil vom 24.03.2009 abgewiesen. Mit der Rücknahme der hiergegen eingelegten Berufung wurde dieses Urteil rechtskräftig.
26 
Mit der Abweisung einer auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichteten Klage steht das Gegenteil der begehrten Feststellung, nämlich das Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses fest (BGH, Urteil vom 16.01.2008, XII ZR 216/05 u.a. in juris). Auf Grund der Rechtskraftwirkung (vgl. § 322 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO -: Urteile sind der Rechtskraft... fähig, als ... über den Anspruch entschieden ist) ist dies - das Nichtbestehen des zur Feststellung begehrten Rechtsverhältnisses - auch für spätere Auseinandersetzungen zu berücksichtigen. Denn aus dem Lebenssachverhalt, der der (abgewiesenen) Feststellungsklage zu Grunde lag, kann wegen der Rechtskraftwirkung auch künftig nichts hergeleitet werden (BGH, a.a.O. für eine Leistungsklage nach rechtskräftig abgewiesener Feststellungklage).
27 
Im sozialgerichtlichen Verfahren gilt Gleiches. Denn auch hier binden gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG rechtskräftige Urteile die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Ein sozialgerichtliches Urteil über eine Klage auf Feststellung eines Versicherungsfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung (Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII) ist ebenfalls nicht nur der formellen, sondern auch der materiellen Rechtskraft fähig (BSG, Urteil vom 28.06.1984, 2 RU 64/83, u.a. in juris). Mit der rechtskräftigen Abweisung einer auf Feststellung gerichteten Klage ist somit auch im sozialgerichtlichen Verfahren das Gegenteil der begehrten Feststellung festgestellt (BSG a.a.O.: mit der Abweisung einer Klage auf Anerkennung von Wirbelsäulenbeschwerden als Folgen eines Arbeitsunfalles steht fest, dass die Wirbelsäulenbeschwerden keine Unfallfolgen sind). Dies bedeutet, dass mit Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts vom 24.03.2009, S 9 U 4846/05 über die Abweisung der Klage auf Feststellung der Lebererkrankung als BK Nr. 1101, 1302, 1306, 1316, hilfsweise als Wie-BK rechtskräftig und damit für die Beteiligten und den Senat verbindlich fest steht, dass es sich bei der Lebererkrankung des Klägers um weder eine BK Nr. 1101, 1302, 1306, 1316 noch um eine Wie-BK handelt.
28 
Diese Rechtskraftwirkung ist - anders als bei kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw. Leistungsklagen (s. hierzu Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 141 Rdnrn. 11 ff.) - nicht durch §§ 44 ff. SGB X „eingeschränkt“. Denn mit der Feststellungklage wird nicht über den Regelungsgegenstand eines (mit Verpflichtungs- bzw. Leistungsklage zum Erlass begehrten) Verwaltungsaktes über Ansprüche (z.B. auf bestimmte Leistungen, aber auch allgemein auf Anerkennung eines Versicherungsfalles oder von gesundheitlichen Folgen eines Versicherungsfalles, zum subjektiv öffentlichen Recht auf „Anerkennung“ s. BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, u.a. in juris), dessen Bestandkraft nach den §§ 44 ff. SGB X durchbrochen werden kann, sondern über das Rechtsverhältnis als solches entschieden. Dem entsprechend stellt sich die Rechtsposition der Beteiligten wegen der Rechtskraftwirkung gerichtlicher Feststellungsurteile im Gegensatz zur durchbrechungsfähigen Bindungswirkung feststellender oder eine Feststellung ablehnender Verwaltungsakte - was die Durchbrechungsfähigkeit anbelangt - anders dar (BSG, Urteil vom 27.04.2010, B 2 U 23/09 R und Urteile vom 09.11.2010, B 2 U 6/10 R und B 2 U 14/10 R, alle u.a. in juris, für Falle der Stattgabe der Feststellungsklage).
29 
Steht aber somit für die Beteiligten und den Senat verbindlich fest, dass es sich bei der Lebererkrankung des Klägers weder um eine BK Nr. 1101, 1302, 1306, 1316 noch um eine Wie-BK handelt, erweist sich der Bescheid vom 23.08.2005 über die Ablehnung einer Anerkennung der Lebererkrankung als eine solche BK als rechtmäßig. Folglich kann der Kläger auch nicht die Rücknahme dieses Bescheides nach § 44 SGB X verlangen.
30 
Im Übrigen geht der Senat wie die Beklagte und das Sozialgericht davon aus, dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Beklagte bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung vom 23.08.2005 das Recht unrichtig angewandt hatte - dies wird auch vom Kläger nicht behauptet - oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen war. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst Bezug auf die umfassenden und überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts im Urteil vom 24.03.2009, denen im Wesentlichen die auch aus Sicht des Senats schlüssigen Gutachten von Prof. Dr. T. und Dr. B. zu Grunde lagen. Neue Erkenntnisse, die die Gutachten der eben Genannten in Frage stellen würden, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nach der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme nicht ersichtlich.
31 
Es steht daher nach wie vor fest, dass der Kläger - so Dr. B. - an einer NASH bzw. - so der Sachverständige G. - an einer auf Grund der NASH zwischenzeitlich aufgetretenen Leberzirrhose leidet, wobei die Ätiologie (Ursache) der NASH unklar bleibt. U.a. Dr. B. legte insbesondere unter Hinweis auf den Verlauf der Erkrankung nachvollziehbar dar, dass die Erkrankung nicht hinreichend wahrscheinlich auf berufsbedingte Schadstoffexpositionen, die im Übrigen - was Dr. B. ebenfalls zutreffend darlegte und was er im Einzelnen begründete - nicht hinreichend nachgewiesen sind, zurückgeführt werden kann.
32 
Soweit der Kläger davon ausgegangen ist, Prof. Dr. Sch. habe im Arztbrief vom 22.01.2010 eine „Vergiftung durch äthylenhaltige Stoffe“, denen er beruflich ausgesetzt gewesen sei, beschrieben, hat sich diese Annahme als unzutreffend erwiesen. In seiner sachverständigen Zeugenaussage hat Prof. Dr. Sch. eindeutig klargestellt, dass in seinem Arztbrief vom Januar 2010 eine alkoholtoxische Verursachung gemeint war, die er im Arztbrief vom September 2010 zumindest noch als begleitende Komponente angesehen hat. In seiner Zeugenaussage vom November 2010 hat er unter Hinweis auf einen im Dezember 2009 gemessenen Blutalkoholwert von 2 ‰ sowie unter Bezugnahme auf eigene Angaben des Klägers eine alkoholtoxische - mithin nicht beruflich bedingte - Ursache der Leberzirrhose als wahrscheinlich angesehen. Die Untersuchungen durch Prof. Dr. Sch. habe somit keine neuen Erkenntnisse gebracht, die den von Prof. Dr. T. und Dr. B. nicht für ausreichend wahrscheinlich erachteten beruflichen Zusammenhang wahrscheinlicher machen würden. Wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt, ist vielmehr das Gegenteil der Fall. Die Ausführungen von Prof. Dr. Sch. zum schädlichen, bis zuletzt nicht eingestellten Alkoholkonsum lassen einen - so Dr. B. - möglichen aber nicht wahrscheinlichen beruflichen Zusammenhang sogar weiter in den Hintergrund rücken.
33 
Ähnliches gilt im Hinblick auf den vom Kläger beschriebenen und von Prof. Dr. Sch. und dem Sachverständigen G. bestätigten fortschreitenden Verlauf der Erkrankung mit einer inzwischen drastischen Verschlechterung des Allgemeinzustands. Gerade dieser Verlauf spricht - so Prof. Dr. Sch. und der Sachverständige G. ebenso wie Prof. Dr. T. und Dr. B. - gegen einen beruflichen Zusammenhang.
34 
Der auf Antrag des Klägers gehörte Sachverständige G. - gleichzeitig der Hausarzt des Klägers - hat im Ergebnis die Gutachten von Prof. Dr. T. und Dr. B. bestätigt. Er hat Kriterien aufgezeigt, die für einen beruflichen Zusammenhang sprechen (Schadstoffbelastung; erhöhte Leberwerte seit 1985, nachgewiesen seit 1995; schon früh Schwindel und dgl.; mit Ausnahme eines „mäßigen“ Alkoholkonsums keine anderen erkennbaren Ursachen), jedoch auch gegenteilige Kriterien (keine genaueren Nachweise zu den Schadstoffexpositionen; herrschende medizinische Lehrmeinung; Verlauf der Erkrankung) erwähnt. In der Zusammenschau hat auch er die genaue Ursache der Erkrankung für unklar gehalten. Soweit er „aus hausärztlicher Sicht“ die Anerkennung einer beruflich bedingten Schädigung für gerechtfertigt erachtet hat, hat er doch gleichzeitig klar bestätigt, dass die medizinischen und arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitgegenständlichen BKen nicht erfüllt sind. Auch das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung einer Wie-BK hat er verneint. Damit trägt auch sein Gutachten das Begehren des Klägers nicht, insbesondere belegt es in keiner Weise, dass die Beklage im Bescheid vom 23.08.2005 von einem unrichtigen Sachverhalt ausging.
35 
Im Hinblick auf die zuletzt vom Kläger als weiter klärungsbedürftig angesprochenen „Themenbereiche“ genetische Disposition, medizinischer Nachweis für den Ausschluss eines übermäßigen Alkoholkonsums sowie Nachweise und Bewertung für den Ausschluss anderer Ursachen als der Exposition von Lösemittelgemischen für seine Erkrankung ist zu ergänzen:
36 
Eine etwaige genetische Disposition würde eine berufliche Verursachung, bei ohnehin nicht nachgewiesenen arbeitstechnischen Voraussetzungen, nicht wahrscheinlicher machen.
37 
Dem Ausmaß des Alkoholkonsums ist nicht weiter nachzugehen. Dr. B. verneinte einen wahrscheinlichen beruflichen Zusammenhang, obwohl er eine NASH, das bedeutet gerade eine nicht-alkoholische Fettleber, diagnostizierte. Er maß dem vom Kläger eingeräumten Alkoholkonsum damit keine wesentliche Bedeutung bei. Auch der Sachverständige G. hat unter der Annahme eines nur mäßigen Alkoholkonsums das Vorliegen einer BK oder Wie-BK verneint. Somit würde ein nachgewiesener Ausschluss eines „übermäßigen“ Alkoholkonsums keinen Erkenntnisgewinn bringen.
38 
Dies gilt auch für den Ausschluss anderer, neben einer beruflichen Belastung, in Betracht kommender Ursachen der NASH. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen beruflicher Exposition und Erkrankung positiv festgestellt werden muss (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Insbesondere gibt es keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache und einem rein zeitlichen Zusammenhang die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O.).
39 
Weitere Ermittlungen sind damit nicht veranlasst.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
41 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
19 
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
20 
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 22.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2010. Darin entschied die Beklagte ausschließlich über die Frage, ob sie bei Erlass des Bescheids vom 23.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2005 von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen war und deswegen zu Unrecht die Anerkennung einer BK oder Wie-BK abgelehnt hatte. Die Beklagte nahm diese Prüfung auf der rechtlichen Grundlage des § 44 SGB X vor. Dies zeigt nicht nur die von der Beklagten im Tenor des Bescheids vom 22.12.2009 verwandte Formulierung „ihr Antrag auf Neufeststellung bzw. Rücknahme (…) wird abgelehnt“, sondern folgt auch aus der Begründung dieses Bescheids sowie aus den Ausführungen des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2010. Damit prüfte die Beklagte neben § 44 SGB X nicht zusätzlich, unabhängig vom bestandskräftigen Bescheid im Sinne einer neuen originären Entscheidung, ob zwischenzeitlich eine BK oder Wie-BK - z.B. wegen späterer weiterer Expositionen oder wegen anderer Gesundheitsstörungen - eingetreten war. Zwar hatte der Kläger auf eine Veränderung seines Gesundheitszustands hingewiesen. Dies aber nur in Form einer Verschlimmerung des schon zuvor bekannten Leidens und nicht etwa im Hinblick auf den Hinzutritt einer neuen Erkrankung. Er selbst hatte ausdrücklich einen Antrag „auf der Grundlage von § 44 SGB X“ gestellt (Bl. 506 VA). In der Begründung des angefochtenen Bescheids vom 22.12.2009 brachte die Beklagte zum Ausdruck, dass die geltend gemachte Verschlimmerung der Erkrankung keinen Einfluss auf die hier allein streitige, schon im Bescheid vom 23.08.2005 vorgenommene Beurteilung des Ursachenzusammenhangs habe, traf also keine originäre neue Entscheidung.
21 
Grundsätzlich kann bei der Ablehnung der Feststellung einer BK ein Versicherter sein Begehren auf Feststellung einer BK - wie es der Kläger ausweislich des schriftsätzlich gestellten Antrages verfolgt - zwar im Wege einer Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG verfolgen (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2). Dies ist indessen im Rahmen eines so genannten Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X nicht möglich. Denn dieses Verfahren hat das Ziel, den bestandskräftigen, eine BK verneinenden Verwaltungsakt zu beseitigen, im Falle des entsprechenden Klageverfahrens die Beklagte zur Rücknahme dieses Verwaltungsaktes zu verurteilen. Bevor der bestandskräftige Ablehnungsbescheid aber nicht beseitigt ist, steht dieser - eben wegen seiner Bestandskraft - einer vom Kläger nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen eigentlich begehrten gegenteiligen Feststellung durch das Gericht entgegen. Damit beschränkt sich das Klagebegehren sachgerechterweise auf die Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides (ständige Rechtsprechung des Senats seit Urteil vom 27.04.2006, L 10 U 5290/03); diesen Antrag hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch gestellt.
22 
Die Beklagte hat zu Recht die Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Ablehnung der Feststellung der hier streitgegenständlichen BKen 1101, 1302, 1306 oder 1316 oder einer Wie-BK abgelehnt. Die folgt bereits aus der Tatsache, dass auf Grund des rechtskräftig gewordenen Urteils des Sozialgerichts Freiburg vom 24.03.2009 nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG zwischen den Beteiligten bindend feststeht, dass keine der eben genannten BKen und auch keine Wie-BK vorliegt. Im Übrigen kann sich auch der Senat - wie zuvor schon das SG - nicht davon überzeugen, dass bei Erlass des Bescheids vom 23.08.2005 das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde.
23 
Zunächst kann dahingestellt bleiben, ob sich die Prüfung des Anspruchs des Klägers auf eine Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Ablehnung nach § 44 Abs. 1 oder nach § 44 Abs. 2 SGB X zu richten hat. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass vom einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Da im bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 23.08.2005 hinsichtlich der jetzt vom Kläger zur Überprüfung gestellten Frage des Vorliegens einer BK an sich nicht über Leistungen entschieden wurde, könnten Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gesehen werden. Für die Anwendung dieser Regelung (so auch ohne weitere Problematisierung für die streitige Feststellung eines Arbeitsunfalls: BSG, Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 24/05 R in SozR 4 - 2700 § 8 Nr. 18) spricht jedoch, dass es bei der Feststellung einer BK letztendlich in der Regel doch (indirekt) um Leistungsansprüche geht. Zudem erscheint der die Feststellung einer BK begehrende potentielle Leistungsempfänger insoweit, als ihn § 44 Abs. 1 SGB X gegenüber dem alternativ in Betracht kommenden § 44 Abs. 2 SGB X privilegiert, schutzwürdig. Denn im Anwendungsbereich des Abs. 1 ist eine gebundene Entscheidung über die Korrektur mit Wirkung für die Vergangenheit zu treffen, während der Behörde im Anwendungsbereich des Abs. 2 ein Ermessensspielraum gewährt wird. Letztlich kann die Frage, ob Abs. 1 oder Abs. 2 des § 44 SGB X anzuwenden ist, offen bleiben, da auch nach § 44 Abs. 2 SGB X Voraussetzung wäre, dass der Bescheid vom 23.08.2005 rechtswidrig ist. Dies ist nicht der Fall.
24 
Regelungsgegenstand des Bescheides vom 23.08.2005 war die Ablehnung der Anerkennung der Lebererkrankung als BK 1101, 1302, 1306, 1316 bzw. als Wie-BK, also gerade jener BK, deren Anerkennung der Kläger über § 44 SGB X auch im vorliegenden Rechtsstreit erstrebt.
25 
Allerdings steht zwischen den Beteiligten rechtskräftig fest, dass keine der streitigen BKen beim Kläger vorliegt. Denn dasselbe Ziel - Feststellung, dass die Lebererkrankung eine BK 1101, 1302, 1306, 1316 hilfsweise eine Wie-BK ist - verfolgte der Kläger bereits im früheren Klageverfahren S 9 U 4946/05 mit der Feststellungsklage (so der damals in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht gestellte und im Urteil wiedergegebene Antrag). Diese Klage wurde vom Sozialgericht mit Urteil vom 24.03.2009 abgewiesen. Mit der Rücknahme der hiergegen eingelegten Berufung wurde dieses Urteil rechtskräftig.
26 
Mit der Abweisung einer auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichteten Klage steht das Gegenteil der begehrten Feststellung, nämlich das Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses fest (BGH, Urteil vom 16.01.2008, XII ZR 216/05 u.a. in juris). Auf Grund der Rechtskraftwirkung (vgl. § 322 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO -: Urteile sind der Rechtskraft... fähig, als ... über den Anspruch entschieden ist) ist dies - das Nichtbestehen des zur Feststellung begehrten Rechtsverhältnisses - auch für spätere Auseinandersetzungen zu berücksichtigen. Denn aus dem Lebenssachverhalt, der der (abgewiesenen) Feststellungsklage zu Grunde lag, kann wegen der Rechtskraftwirkung auch künftig nichts hergeleitet werden (BGH, a.a.O. für eine Leistungsklage nach rechtskräftig abgewiesener Feststellungklage).
27 
Im sozialgerichtlichen Verfahren gilt Gleiches. Denn auch hier binden gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG rechtskräftige Urteile die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Ein sozialgerichtliches Urteil über eine Klage auf Feststellung eines Versicherungsfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung (Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII) ist ebenfalls nicht nur der formellen, sondern auch der materiellen Rechtskraft fähig (BSG, Urteil vom 28.06.1984, 2 RU 64/83, u.a. in juris). Mit der rechtskräftigen Abweisung einer auf Feststellung gerichteten Klage ist somit auch im sozialgerichtlichen Verfahren das Gegenteil der begehrten Feststellung festgestellt (BSG a.a.O.: mit der Abweisung einer Klage auf Anerkennung von Wirbelsäulenbeschwerden als Folgen eines Arbeitsunfalles steht fest, dass die Wirbelsäulenbeschwerden keine Unfallfolgen sind). Dies bedeutet, dass mit Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts vom 24.03.2009, S 9 U 4846/05 über die Abweisung der Klage auf Feststellung der Lebererkrankung als BK Nr. 1101, 1302, 1306, 1316, hilfsweise als Wie-BK rechtskräftig und damit für die Beteiligten und den Senat verbindlich fest steht, dass es sich bei der Lebererkrankung des Klägers um weder eine BK Nr. 1101, 1302, 1306, 1316 noch um eine Wie-BK handelt.
28 
Diese Rechtskraftwirkung ist - anders als bei kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw. Leistungsklagen (s. hierzu Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 141 Rdnrn. 11 ff.) - nicht durch §§ 44 ff. SGB X „eingeschränkt“. Denn mit der Feststellungklage wird nicht über den Regelungsgegenstand eines (mit Verpflichtungs- bzw. Leistungsklage zum Erlass begehrten) Verwaltungsaktes über Ansprüche (z.B. auf bestimmte Leistungen, aber auch allgemein auf Anerkennung eines Versicherungsfalles oder von gesundheitlichen Folgen eines Versicherungsfalles, zum subjektiv öffentlichen Recht auf „Anerkennung“ s. BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, u.a. in juris), dessen Bestandkraft nach den §§ 44 ff. SGB X durchbrochen werden kann, sondern über das Rechtsverhältnis als solches entschieden. Dem entsprechend stellt sich die Rechtsposition der Beteiligten wegen der Rechtskraftwirkung gerichtlicher Feststellungsurteile im Gegensatz zur durchbrechungsfähigen Bindungswirkung feststellender oder eine Feststellung ablehnender Verwaltungsakte - was die Durchbrechungsfähigkeit anbelangt - anders dar (BSG, Urteil vom 27.04.2010, B 2 U 23/09 R und Urteile vom 09.11.2010, B 2 U 6/10 R und B 2 U 14/10 R, alle u.a. in juris, für Falle der Stattgabe der Feststellungsklage).
29 
Steht aber somit für die Beteiligten und den Senat verbindlich fest, dass es sich bei der Lebererkrankung des Klägers weder um eine BK Nr. 1101, 1302, 1306, 1316 noch um eine Wie-BK handelt, erweist sich der Bescheid vom 23.08.2005 über die Ablehnung einer Anerkennung der Lebererkrankung als eine solche BK als rechtmäßig. Folglich kann der Kläger auch nicht die Rücknahme dieses Bescheides nach § 44 SGB X verlangen.
30 
Im Übrigen geht der Senat wie die Beklagte und das Sozialgericht davon aus, dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Beklagte bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung vom 23.08.2005 das Recht unrichtig angewandt hatte - dies wird auch vom Kläger nicht behauptet - oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen war. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst Bezug auf die umfassenden und überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts im Urteil vom 24.03.2009, denen im Wesentlichen die auch aus Sicht des Senats schlüssigen Gutachten von Prof. Dr. T. und Dr. B. zu Grunde lagen. Neue Erkenntnisse, die die Gutachten der eben Genannten in Frage stellen würden, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nach der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme nicht ersichtlich.
31 
Es steht daher nach wie vor fest, dass der Kläger - so Dr. B. - an einer NASH bzw. - so der Sachverständige G. - an einer auf Grund der NASH zwischenzeitlich aufgetretenen Leberzirrhose leidet, wobei die Ätiologie (Ursache) der NASH unklar bleibt. U.a. Dr. B. legte insbesondere unter Hinweis auf den Verlauf der Erkrankung nachvollziehbar dar, dass die Erkrankung nicht hinreichend wahrscheinlich auf berufsbedingte Schadstoffexpositionen, die im Übrigen - was Dr. B. ebenfalls zutreffend darlegte und was er im Einzelnen begründete - nicht hinreichend nachgewiesen sind, zurückgeführt werden kann.
32 
Soweit der Kläger davon ausgegangen ist, Prof. Dr. Sch. habe im Arztbrief vom 22.01.2010 eine „Vergiftung durch äthylenhaltige Stoffe“, denen er beruflich ausgesetzt gewesen sei, beschrieben, hat sich diese Annahme als unzutreffend erwiesen. In seiner sachverständigen Zeugenaussage hat Prof. Dr. Sch. eindeutig klargestellt, dass in seinem Arztbrief vom Januar 2010 eine alkoholtoxische Verursachung gemeint war, die er im Arztbrief vom September 2010 zumindest noch als begleitende Komponente angesehen hat. In seiner Zeugenaussage vom November 2010 hat er unter Hinweis auf einen im Dezember 2009 gemessenen Blutalkoholwert von 2 ‰ sowie unter Bezugnahme auf eigene Angaben des Klägers eine alkoholtoxische - mithin nicht beruflich bedingte - Ursache der Leberzirrhose als wahrscheinlich angesehen. Die Untersuchungen durch Prof. Dr. Sch. habe somit keine neuen Erkenntnisse gebracht, die den von Prof. Dr. T. und Dr. B. nicht für ausreichend wahrscheinlich erachteten beruflichen Zusammenhang wahrscheinlicher machen würden. Wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt, ist vielmehr das Gegenteil der Fall. Die Ausführungen von Prof. Dr. Sch. zum schädlichen, bis zuletzt nicht eingestellten Alkoholkonsum lassen einen - so Dr. B. - möglichen aber nicht wahrscheinlichen beruflichen Zusammenhang sogar weiter in den Hintergrund rücken.
33 
Ähnliches gilt im Hinblick auf den vom Kläger beschriebenen und von Prof. Dr. Sch. und dem Sachverständigen G. bestätigten fortschreitenden Verlauf der Erkrankung mit einer inzwischen drastischen Verschlechterung des Allgemeinzustands. Gerade dieser Verlauf spricht - so Prof. Dr. Sch. und der Sachverständige G. ebenso wie Prof. Dr. T. und Dr. B. - gegen einen beruflichen Zusammenhang.
34 
Der auf Antrag des Klägers gehörte Sachverständige G. - gleichzeitig der Hausarzt des Klägers - hat im Ergebnis die Gutachten von Prof. Dr. T. und Dr. B. bestätigt. Er hat Kriterien aufgezeigt, die für einen beruflichen Zusammenhang sprechen (Schadstoffbelastung; erhöhte Leberwerte seit 1985, nachgewiesen seit 1995; schon früh Schwindel und dgl.; mit Ausnahme eines „mäßigen“ Alkoholkonsums keine anderen erkennbaren Ursachen), jedoch auch gegenteilige Kriterien (keine genaueren Nachweise zu den Schadstoffexpositionen; herrschende medizinische Lehrmeinung; Verlauf der Erkrankung) erwähnt. In der Zusammenschau hat auch er die genaue Ursache der Erkrankung für unklar gehalten. Soweit er „aus hausärztlicher Sicht“ die Anerkennung einer beruflich bedingten Schädigung für gerechtfertigt erachtet hat, hat er doch gleichzeitig klar bestätigt, dass die medizinischen und arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitgegenständlichen BKen nicht erfüllt sind. Auch das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung einer Wie-BK hat er verneint. Damit trägt auch sein Gutachten das Begehren des Klägers nicht, insbesondere belegt es in keiner Weise, dass die Beklage im Bescheid vom 23.08.2005 von einem unrichtigen Sachverhalt ausging.
35 
Im Hinblick auf die zuletzt vom Kläger als weiter klärungsbedürftig angesprochenen „Themenbereiche“ genetische Disposition, medizinischer Nachweis für den Ausschluss eines übermäßigen Alkoholkonsums sowie Nachweise und Bewertung für den Ausschluss anderer Ursachen als der Exposition von Lösemittelgemischen für seine Erkrankung ist zu ergänzen:
36 
Eine etwaige genetische Disposition würde eine berufliche Verursachung, bei ohnehin nicht nachgewiesenen arbeitstechnischen Voraussetzungen, nicht wahrscheinlicher machen.
37 
Dem Ausmaß des Alkoholkonsums ist nicht weiter nachzugehen. Dr. B. verneinte einen wahrscheinlichen beruflichen Zusammenhang, obwohl er eine NASH, das bedeutet gerade eine nicht-alkoholische Fettleber, diagnostizierte. Er maß dem vom Kläger eingeräumten Alkoholkonsum damit keine wesentliche Bedeutung bei. Auch der Sachverständige G. hat unter der Annahme eines nur mäßigen Alkoholkonsums das Vorliegen einer BK oder Wie-BK verneint. Somit würde ein nachgewiesener Ausschluss eines „übermäßigen“ Alkoholkonsums keinen Erkenntnisgewinn bringen.
38 
Dies gilt auch für den Ausschluss anderer, neben einer beruflichen Belastung, in Betracht kommender Ursachen der NASH. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen beruflicher Exposition und Erkrankung positiv festgestellt werden muss (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Insbesondere gibt es keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache und einem rein zeitlichen Zusammenhang die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O.).
39 
Weitere Ermittlungen sind damit nicht veranlasst.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
41 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Arbeitsunfalls streitig.

2

Die Klägerin pflegt ihre Mutter, K. N. (im Folgenden: K. N.), die seit 1.3.2005 Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I bezieht. Wegen Mobilitätseinschränkungen im Bereich des rechten Hüftgelenks sowie der Knie ist K. N. nach einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) das Gehen nur mit einer Gehstütze und das Treppensteigen nur mit Hilfe möglich. Praxisbesuche beim Arzt sind in Begleitung ca einmal monatlich notwendig. Der Hilfebedarf in der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung erfordert insgesamt 106 Minuten täglich. Ein Zeitaufwand für die Hilfe beim Treppensteigen sowie beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung wurde nicht berücksichtigt.

3

Nach der Rückkehr von einem Arztbesuch am 25.1.2007 in Begleitung der Klägerin verlor K. N. auf der Treppe zu ihrer Wohnungstür das Gleichgewicht. Sie stürzte die Treppe hinab und riss ihre Tochter mit sich. Dabei zog sich die Klägerin eine Fraktur des linken Knies zu. Der Beklagte lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall und eine Entschädigung ab, weil sich der Unfall nicht während einer versicherten Pflegetätigkeit ereignet habe (Bescheid vom 9.5.2007; Widerspruchsbescheid vom 14.9.2007).

4

Das SG Regensburg hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, den Unfall vom 25.1.2007 als Arbeitsunfall anzuerkennen und der Klägerin Leistungen zu gewähren (Urteil vom 27.4.2009). Das Bayerische LSG hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Unfall als Arbeitsunfall festgestellt wird (Urteil vom 8.12.2009). Die Klägerin sei nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII versichert gewesen. Sie habe den Unfall als Pflegeperson während der versicherten Pflegetätigkeit des Begleitens der Mutter nach einem für diese erforderlichen Arztbesuch erlitten. Es komme nicht darauf an, dass K. N. weniger als einmal wöchentlich einen Arzt aufsuchen müsse und der MDK einen Hilfebedarf beim Treppensteigen, beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung oder beim Begleiten zum Arzt nicht festgestellt habe. Das Begleiten zum Arzt habe überwiegend der Pflege gedient und sei damit unabhängig von den Voraussetzungen für die Zuordnung zu einer Pflegestufe unfallversicherungsrechtlich geschützt.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII. Die Vorschrift erfasse nur Pflegepersonen, die bei Pflegetätigkeiten im Rahmen der Pflegeversicherung handelten. Der als flankierende Maßnahme zur Pflegeversicherung eingeräumte Unfallversicherungsschutz erstrecke sich nicht auf Tätigkeiten außerhalb des nach der Pflegeversicherung berücksichtigungsfähigen Hilfebedarfs. Der in § 14 Abs 4 SGB XI aufgeführte Bereich der Mobilität umfasse nur Arztbesuche, die mindestens einmal wöchentlich anfielen. Unregelmäßige Hilfestellungen beim Arztbesuch seien für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit nicht relevant und damit unfallversicherungsrechtlich nicht geschützt.

6

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2009 und des Sozialgerichts Regensburg vom 27. April 2009 aufzuheben und die Klagen abzuweisen, soweit ein Arbeitsunfall festgestellt worden ist.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Versichert seien Tätigkeiten, die im wesentlichen Zusammenhang mit der Pflege ständen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Ablehnung des allein noch streitigen Anspruchs auf Feststellung eines Arbeitsunfalls im Bescheid des Beklagten vom 9.5.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.9.2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat am 25.1.2007 einen Arbeitsunfall erlitten.

10

Einer Sachentscheidung steht nicht entgegen, dass das LSG den erstinstanzlich zulässig gestellten Klageantrag der Klägerin ohne deren Anhörung unzulässig von Amts wegen eingeschränkt und den auf die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines Arbeitsunfalls gerichteten Urteilsausspruch des SG durch eine gerichtliche Feststellung dieses Arbeitsunfalls ersetzt hat. Dadurch ist wegen der Rechtskraftwirkung gerichtlicher Feststellungsurteile im Gegensatz zur durchbrechungsfähigen Bindungswirkung feststellender Verwaltungsakte auch die Rechtsposition des Beklagten verschlechtert worden. Da der Beklagte mit seiner Revision hierzu keine Rüge erhoben und die Klägerin keine Revision eingelegt hat, hatte das BSG gleichwohl nur über den Urteilsausspruch des LSG zu entscheiden.

11

Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall eines Versicherten ist danach im Regelfall erforderlich, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Tatbestandsvoraussetzung eines Arbeitsunfalls (vgl BSG vom 4.9.2007 - B 2 U 24/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 24 RdNr 9 mwN).

12

Die Tatbestandsmerkmale eines Arbeitsunfalls sind hier erfüllt. Die Klägerin hat durch den Sturz einen Unfall und infolgedessen eine Knieverletzung und damit einen Gesundheitsschaden erlitten. Sie war als Pflegeperson für K. N. nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII versichert. Die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses - das Begleiten ihrer Mutter nach deren Arztbesuch - gehörte zur versicherten Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift und stand daher mit ihr in einem sachlichen Zusammenhang.

13

Nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII sind Pflegepersonen iS des § 19 SGB XI bei der Pflege eines Pflegebedürftigen iS des § 14 SGB XI kraft Gesetzes versichert. Die danach versicherte Tätigkeit umfasst Pflegetätigkeiten im Bereich der Körperpflege und - soweit diese Tätigkeiten überwiegend Pflegebedürftigen zu Gute kommen - Pflegetätigkeiten in den Bereichen der Ernährung, der Mobilität sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die der Pflegestufe I zugeordnete K. N. ist pflegebedürftig iS des § 14 SGB XI. Die Klägerin ist Pflegeperson iS des § 19 SGB XI, denn sie pflegt ihre Mutter nicht erwerbsmäßig in deren häuslichen Umgebung. Dass der Umfang der Pflegetätigkeit 14 Wochenstunden nicht erreicht, ist insoweit unerheblich (BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 46/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 15 ff). Dem Status einer Pflegeperson steht auch nicht entgegen, dass die hier zu beurteilende Tätigkeit des Begleitens nach einem Arztbesuch außerhalb des häuslichen Bereichs der K. N. erbracht wurde (vgl BSG vom 22.8.2000 - B 2 U 15/99 R - SozR 3-2200 § 539 Nr 52 S 220 f).

14

Zur Zeit des Unfallereignisses ist die Klägerin auch einer der pflegebedürftigen Mutter überwiegend zu Gute gekommenen versicherten Pflegetätigkeit nachgegangen, indem sie K. N. auf dem Weg vom Arztbesuch zurück in deren Wohnung begleitet hat.

15

Versichert sind nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII ua Pflegetätigkeiten im Bereich der Mobilität. Insoweit ist der berücksichtigungsfähige Pflegebedarf auf die Verrichtungen des selbstständigen Aufstehens und Zu-Bett-Gehens, des An- und Auskleidens, des Gehens, Stehens, Treppensteigens oder des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung begrenzt (§ 14 Abs 4 Nr 3 SGB XI). Arztbesuche sind Verrichtungen, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig machen und deshalb bei der Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung grundsätzlich zu berücksichtigen sind (BSG vom 29.4.1999 - B 3 P 7/98 R - SozR 3-3300 § 14 Nr 10 S 74). Dass K. N. nicht wöchentlich einen Arzt aufsuchen muss und bei der Feststellung der Pflegestufe ein Hilfebedarf beim Treppensteigen sowie beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung nicht berücksichtigt worden ist, steht der Annahme einer versicherten Pflegetätigkeit nicht entgegen.

16

Es ist zutreffend, dass Verrichtungen, die seltener als zumindest einmal pro Woche anfallen, nicht zum berücksichtigungsfähigen Pflegeaufwand iS von § 15 SGB XI zählen(BSG vom 29.4.1999 - B 3 P 13/98 R - SozR 3-3300 § 14 Nr 11 S 84 mwN). Der Versicherungstatbestand des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII erstreckt sich indes nicht nur auf Pflegeleistungen bei Verrichtungen, für die im konkreten Einzelfall ein die Pflegestufe prägender Hilfebedarf angenommen worden ist. Eine solche Einschränkung ist weder aufgrund des Wortlauts noch des Zwecks des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII geboten. Versicherte Pflegetätigkeiten sind vielmehr Tätigkeiten, die unabhängig von der jeweiligen Pflegestufe als Pflegeleistungen zu qualifizieren sind, weil sie wegen eines Hilfebedarfs des Pflegebedürftigen bei einer der in § 14 Abs 4 SGB XI bezeichneten Verrichtungen erbracht werden. Diese Voraussetzungen lagen hier wegen der zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe erforderlichen Begleitung der Mutter der Klägerin vor.

17

Die Ansicht des Beklagten, nur solche Pflegeleistungen seien versichert, die bei der Zuordnung einer Pflegestufe angerechnet worden seien, findet im Gesetz keine Stütze.

18

Nach dem Gesetzestext des § 2 Abs 1 Nr 17 Halbs 1 SGB VII sind kraft Gesetzes Pflegepersonen bei der "Pflege" eines Pflegebedürftigen versichert. Der Begriff der "Pflege" wird weder durch das SGB VII noch das SGB XI legaldefiniert. Er wird durch § 2 Abs 1 Nr 17 Halbs 2 SGB VII in zweierlei Hinsicht einschränkend konkretisiert. Zum einen sind nur Pflegetätigkeiten iS des § 14 Abs 4 SGB XI, also in den Bereichen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung versichert. Zum anderen gilt dies ohne weitere Voraussetzungen lediglich für den Bereich der Körperpflege (§ 14 Abs 4 Nr 1 SGB XI). Die Tätigkeit einer Pflegeperson in den anderen in § 14 Abs 4 Nr 2 bis 4 SGB XI genannten Bereichen der Ernährung, der Mobilität sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung ist durch die gesetzliche Unfallversicherung hingegen nur geschützt, soweit sie überwiegend der pflegebedürftigen Person zu Gute kommt. Eine Akzessorietät zwischen den Voraussetzungen der Unfallversicherungspflicht auf der einen und den Voraussetzungen für die Zuordnung zu einer den Umfang der Pflegeversicherungsleistungen bestimmenden Pflegestufe ist dem Wortlaut des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII nicht zu entnehmen. Eine Einschränkung regelt die Vorschrift nur insoweit, als Pflegeleistungen außerhalb der bezeichneten Bedarfsbereiche überhaupt nicht und außerhalb des Bereichs der Körperpflege nur solche Verrichtungen versichert sind, die überwiegend dem insoweit hilfebedürftigen Pflegebedürftigen zu Gute kommen.

19

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Bezugnahme in § 2 Abs 1 Nr 17 Halbs 2 SGB VII auf § 14 Abs 4 SGB XI. Nach der zuletzt genannten Vorschrift zählen zu den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen iS des § 14 Abs 1 SGB XI im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung (Nr 1), im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung (Nr 2), im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen oder Wiederaufsuchen der Wohnung (Nr 3) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen (Nr 4). Sie bezeichnet lediglich diejenigen Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, die bei der Begutachtung und Abstufung der Pflegebedürftigkeit zu berücksichtigen sind und schließt damit die Heranziehung anderer Bedarfsbereiche bei der Feststellung von Pflegebedürftigkeit aus (vgl BT-Drucks 12/5262 S 96 zu § 12 Abs 4). Eine Regelung, dass diese berücksichtigungsfähigen Verrichtungen nur dann bei der Bemessung des Pflegebedarfs heranzuziehen sind, wenn sie mindestens einmal wöchentlich anfallen, enthält sie nicht.

20

§ 14 Abs 4 SGB XI stellt einen Katalog derjenigen Verrichtungen auf, die der Gesetzgeber als regelmäßig wiederkehrend ansieht, ohne zugleich an das Erfordernis eines bestimmten Zeitabstands anzuknüpfen. Dass nur solche Verrichtungen bei der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit zu berücksichtigen sind, bei denen zumindest einmal pro Woche ein Hilfebedarf entsteht, ist vielmehr in § 15 Abs 3 SGB XI geregelt. Nach dieser Bestimmung ist aus dem für die erforderliche Pflege in der Woche entstehenden Zeitaufwand der Tagesdurchschnitt zu ermitteln. Nur diese Bestimmung schließt es aus, bei der Feststellung des zeitlichen Pflegebedarfs auch Verrichtungen einzubeziehen, die seltener als zumindest einmal wöchentlich anfallen (vgl BSG vom 29.4.1999 - B 3 P 13/98 R - SozR 3-3300 § 14 Nr 11 S 84 mwN). Sie legt fest, welche Pflegeleistung bei der Bemessung des nach § 14 Abs 1 SGB XI erforderlichen Hilfebedarfs "in erheblichem oder höherem Maße" und bei der Zuordnung zu einer Pflegestufe zu berücksichtigen ist. Auf sie nimmt § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII deshalb sachlich begründet keinen Bezug.

21

Eine Kongruenz zwischen den Voraussetzungen für die Zuordnung zu einer Pflegestufe und denjenigen einer unfallversicherten Pflegetätigkeit ist auch nicht aus dem Zweck des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII abzuleiten. Die nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen sind zwar im Zusammenhang mit der Einführung der Sozialen Pflegeversicherung mit Wirkung vom 1.4.1995 durch das Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz - PflegeVG) vom 26.5.1994 (BGBl I 1014) in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen worden. Die Begründung zum Entwurf dieses Gesetzes der Fraktionen der CDU/CSU und FDP enthält aber keinen Hinweis darauf, dass im Rahmen des durch Art 7 Nr 1 PflegeVG neu geschaffenen § 539 Abs 1 Nr 19 RVO, der inhaltlich § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII entspricht, nur Pflegetätigkeiten geschützt sein sollten, die mindestens einmal wöchentlich anfallen und daher bei der Bemessung des Hilfebedarfs Berücksichtigung finden. Nach den Gesetzesmaterialien sollen Pflegepersonen zur Verbesserung ihrer sozialen Sicherung "bei der Pflege" von Pflegebedürftigen vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst werden und dient der Hinweis auf die in § 14 Abs 4 SGB XI genannten Verrichtungen der Abgrenzung der Pflegetätigkeiten in häuslicher Umgebung von allgemeinen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten(vgl BT-Drucks 12/5262 S 161 zu Art 6). Dass nur Pflegetätigkeiten wegen eines mindestens wöchentlich auftretenden Hilfebedarfs versichert sein sollen, bringt auch der Gesetzesentwurf nicht zum Ausdruck.

22

Eine solche Einschränkung wird auch nicht in der Begründung des Entwurfs zum PflegeVG der Fraktion der SPD deutlich. Danach erstreckt sich der Unfallversicherungsschutz vielmehr auf alle Tätigkeiten, die im wesentlichen Zusammenhang mit der Pflege stehen (vgl BT-Drucks 12/1156 S 41 zu Art 6). Etwas anderes ergibt sich nicht aus der vom Beklagten angeführten Begründung der Bundesregierung im Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das SGB, wonach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII Pflegepersonen bei Pflegetätigkeiten im Rahmen der Pflegeversicherung erfasst(vgl BT-Drucks 13/2204 S 75). Sie lässt ebenfalls nicht erkennen, dass es für den Versicherungsschutz von Pflegepersonen nicht nur auf das Erbringen einer vom Pflegebedürftigen benötigten Pflegeleistung, sondern auch auf deren Häufigkeit ankommen soll.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. April 2010 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 2. Dezember 2008 zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist zwischen den Beteiligten die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

2

Der 1976 geborene Kläger war als Verwaltungsangestellter im Außendienst bei der Stadt L. beschäftigt, um den ruhenden Verkehr zu überwachen, und wohnte in der sog H.-Siedlung in L.-A.

3

Am Nachmittag des 31.3.2006 erhielt der Kläger, der seinen Dienst um 12.00 Uhr angetreten hatte, an seinem Einsatzort in L.-Süd die telefonische Nachricht, dass er auf dienstliche Anweisung zusammen mit seinem Kollegen L. zunächst den Theaterparkplatz in L.-Mitte überwachen und anschließend in der H.-Siedlung in L.-A. parkende Lastkraftwagen kontrollieren sollte. Der Kläger fuhr mit seinem privaten Pkw zum T.-Parkplatz in L.-Mitte, stellte sein Fahrzeug ab und nahm die Überwachungstätigkeit auf. Er vereinbarte mit seinem Kollegen, dass er seine Pause, die 30 Minuten betrug, dafür nutzen wolle, zu der in der Innenstadt gelegenen Werkstatt zu fahren, in der sich sein Motorrad zur Wartung befand. Der Kläger wollte dort nachfragen, ob die Wartung abgeschlossen sei.

4

Nachdem er und sein Kollege die Überwachungstätigkeit auf dem T.-Parkplatz gegen 16.30 Uhr beendet hatten, fuhren sie im Pkw des Kollegen zur Werkstatt. Die Wartung des Motorrads war abgeschlossen. Der Kläger vereinbarte mit seinem Kollegen, dass er mit dem Motorrad zu der in der H.-Siedlung gelegenen Wohnung des Klägers fahren sollte, damit der Kläger sein Motorrad dort abstellen konnte und um von dort aus die Ermittlungen aufzunehmen. Der Kollege sollte mit seinem Pkw dorthin kommen.

5

Gegen 16.40 Uhr trat der Kläger mit dem Motorrad die Fahrt von der Werkstatt in Richtung L.-A. an. Er befuhr die A. Straße in Richtung L.-A., als er gegen 16.48 Uhr mit einem in diese Straße einbiegenden Fahrzeug kollidierte. Dabei zog er sich eine Beckenring- und Oberschenkelfraktur zu.

6

Die Stadt L. meldete den Unfall dem Rechtsvorgänger der Beklagten, dem Gemeindeunfallversicherungsverband Westfalen-Lippe. Mit Bescheid vom 26.6.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2007 wurde die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe sein Motorrad in der Arbeitspause von der Werkstatt zu seiner Wohnung bringen wollen. Diese private Tätigkeit sei unversichert. Dass der sich anschließende Weg zum nächsten Einsatzort nicht mehr so weit gewesen sei, begründe keinen Versicherungsschutz.

7

Das SG hat die Klage, die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Arbeitsunfalls gerichtet war, mit Urteil vom 2.12.2008 abgewiesen.

8

Das LSG Nordrhein-Westfalen hat das Urteil des SG geändert und entsprechend dem im Berufungsverfahren geänderten Antrag des Klägers unter Aufhebung der angefochtenen Ablehnungsentscheidung festgestellt, dass der Unfall vom 31.3.2006 ein Arbeitsunfall ist. Die zum Unfall führende Fahrt habe nicht trennbar sowohl unversicherten privaten als auch versicherten Zwecken gedient. Als sog gemischte Tätigkeit habe die Fahrt unter Versicherungsschutz gestanden, weil sie auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck - das Nach-Hause-Bringen des Motorrads - entfallen wäre. Wäre das Motorrad nicht in der Werkstatt gewesen, wäre der Kläger nach der Pause mit dem Kollegen in dessen Privat-Pkw zum nächsten Einsatzort gefahren. Der Kläger sei arbeitsrechtlich nicht gehalten gewesen, seine Dienstfahrten in einer bestimmten Weise - zB zusammen mit dem Kollegen oder mit einem Pkw - zurückzulegen. Er hätte vom Einsatzort in L.-Stadtmitte bei Wahl der kürzesten Wegstrecke über die A. Straße zu seinem neuen Einsatzort gelangen müssen.

9

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und die Verletzung von § 8 SGB VII gerügt. Die unfallbringende Fahrt habe nicht im erforderlichen sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Überwachungstätigkeit gestanden. Der Kläger habe die versicherte Tätigkeit vorerst beendet gehabt und sich durch das rein privatwirtschaftliche Aufsuchen der Werkstatt in seiner Pause von der betrieblichen Tätigkeit gelöst. Der Weg ab der Werkstatt sei maßgeblich von den eigenwirtschaftlichen Interessen des Klägers - Verbringung des Motorrads zur Wohnung - geprägt, denn für die Wahl des Zeitpunkts und des Verkehrsmittels seien andere Gründe maßgebend gewesen als die Absicht, den nächsten Ort der Tätigkeit zu erreichen. Aus Sicht eines unbeteiligten Dritten sei das Aufsuchen der Werkstatt, die Auslösung des Motorrads und dessen Verbringung an den Wohnort eine einheitliche, eigenwirtschaftliche Handlung. Die reine Streckenidentität mit dem Weg zwischen den Einsatzgebieten genüge nicht zur Begründung von Versicherungsschutz, der auch nicht nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII oder § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII in Betracht komme.

10

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.4.2010 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG Dortmund vom 2.12.2008 zurückzuweisen.

11

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Er sei nur mit dem Motorrad nach L.-A. gefahren, weil es sich wegen des in der Nähe seiner Wohnung gelegenen Einsatzortes angeboten habe und nicht, weil er das Motorrad "zu sich nach Hause bringen wollte". Mit Antritt der Fahrt ab der Werkstatt habe er nach außen erkennbar seinen Dienst wieder angetreten.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG begründet, denn das LSG hat zu Unrecht das klageabweisende Urteil des SG geändert und unter Aufhebung des Bescheides vom 26.6.2007 idF des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2007 einen Arbeitsunfall festgestellt.

14

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG den Antrag einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG gestellt. Das LSG hat sachlich über diesen Klageantrag entschieden und so den Übergang des Klägers von einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf eine Anfechtungs- und Feststellungsklage im Berufungsverfahren bindend zugelassen (§ 153 Abs 1 SGG iVm § 99 Abs 4 SGG; vgl BSGE 48, 159, 162; BSG vom 4.5.1999 - B 2 U 89/98 B; Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl 2008 § 99 RdNr 15). Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage erweist sich als zulässig. Denn die grundsätzliche prozessrechtliche Nachrangigkeit der Feststellungsklage steht der Zulässigkeit der mit der Anfechtungsklage verbundenen Feststellungsklage nach ständiger Rechtsprechung des Senats in Fällen der vorliegenden Art nicht entgegen (vgl BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 23/09 R - Juris RdNr 9; BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 46/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 4 f; Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25 RdNr 8). Begehrt der Versicherte allein die von dem Unfallversicherungsträger abgelehnte Feststellung des Vorliegens eines Versicherungsfalls, kann er durch die Verbindung einer Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage ggf unmittelbar eine gerichtliche, von der Verwaltung nicht mehr beeinflussbare Feststellung erlangen.

15

Entgegen der Entscheidung des LSG war der Unfall des Klägers vom 31.3.2006 kein Arbeitsunfall nach § 8 SGB VII.

16

Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl ua BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196, 198 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 10 mwN; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN).

17

Der Kläger war zwar zur Zeit des Unfallereignisses Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII und hat am 31.3.2006 einen Unfall mit der Folge eines Gesundheitsschadens erlitten.

18

Dieser Unfall ist jedoch kein Arbeitsunfall, da die vom Kläger im Zeitpunkt des Unfallereignisses ausgeübte Verrichtung - die Motorradfahrt von der Werkstatt zur eigenen Wohnung in der H.-Siedlung - nicht im inneren bzw sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden hat. Es handelt sich weder um eine versicherte Tätigkeit nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII (dazu sogleich unter 1.) noch um das Zurücklegen eines mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wegs nach oder von dem Ort der Tätigkeit nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII (dazu unter 2.) noch um ein mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängendes Verwahren, Befördern, Instandhalten oder Erneuern eines Arbeitsgeräts nach § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII (dazu unter 3.).

19

1. Mit der Motorradfahrt zum Unfallzeitpunkt erfüllte der Kläger keine arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenpflicht, die ihm als Verwaltungsangestellten zur Kontrolle des ruhenden Verkehrs oblag, insbesondere legte er keinen Betriebsweg zurück, der Teil der versicherten Tätigkeit iS von § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII wäre.

20

Ein Betriebsweg unterscheidet sich von anderen Wegen dadurch, dass er im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und nicht - wie Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit iS von § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII - der versicherten Tätigkeit lediglich vorausgeht oder sich ihr anschließt(vgl hierzu BSG Urteil vom 12.1.2010 - B 2 U 35/08 R - Juris RdNr 16). Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ist die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten, ob also der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (vgl BSG vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 19 RdNr 14). Als objektive Umstände, die Rückschlüsse auf die Handlungstendenz zulassen, ist beim Zurücklegen von Wegen insbesondere von Bedeutung, ob und inwieweit Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und ggf das gewählte Verkehrsmittel durch betriebliche Vorgaben geprägt werden.

21

Die Motorradfahrt als konkrete Verrichtung des Klägers zum Zeitpunkt des Unfallereignisses, die nach den Feststellungen des LSG zugleich betrieblichen und privaten Zwecken dienen sollte, beruhte angesichts der objektiven Umstände nicht auf der vom LSG bindend festgestellten betrieblichen Handlungstendenz.

22

Der Kläger verrichtete keine "gemischte Tätigkeit", da diese zumindest zwei gleichzeitig ausgeübte untrennbare Verrichtungen voraussetzt, von denen (wenigstens) eine im sachlichen Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit steht, während die Motorradfahrt des Klägers eine einzige Verrichtung war. Denn eine "Verrichtung" ist nur ein konkretes, also auch räumlich und zeitlich bestimmtes Verhalten, das seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist. Die Motorradfahrt ist aus Sicht eines objektiven Betrachters eine einzige einheitliche Verrichtung, selbst wenn sie unterschiedlichen Zwecken dient. Die Motorradfahrt ist die konkrete Verrichtung, durch die der Kläger von der Werkstatt aus sein Motorrad zur Wohnung fahren und selbst zum nächsten Einsatzort gelangen wollte. Deswegen kann die konkrete Verrichtung des Klägers zum Unfallzeitpunkt entgegen der Formulierung im LSG-Urteil nicht abstrakt als "Fahrt" bezeichnet werden ohne Angabe des Fortbewegungsmittels. Eine "Fahrt" ohne Verkehrsmittel ist nicht möglich, sodass schon die Definition der zum Unfallzeitpunkt vorgenommenen konkreten Verrichtung des Klägers die Angabe eines Transportmittels voraussetzt.

23

Die Motorradfahrt zur klägerischen Wohnung war eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz bzw mit gemischter Motivationslage (vgl BSG vom 12.5.2009 - B 2 U 12/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 33 RdNr 16), denn sie erfolgte sowohl mit privatwirtschaftlicher als auch mit betrieblicher Handlungstendenz. Eine betriebliche, den sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit begründende Handlungstendenz des Beschäftigten liegt vor, wenn er den Willen hat, durch die Verrichtung eine seiner Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen oder die Erfüllung von Vor- und Nachbereitungshandlungen, die das Gesetz versichert, zu ermöglichen, zu fördern oder zu sichern. Nach den Feststellungen des LSG hatte der Kläger zwei Ziele. Er wollte zwecks Wiederaufnahme seiner Beschäftigung weisungsgemäß seinen nächsten Einsatzort erreichen, also den Weg auch als "Betriebsweg" zurücklegen (betriebliche Handlungstendenz) und er wollte sein Motorrad an seiner Wohnung abstellen (privatwirtschaftliche Handlungstendenz). Bei der "Handlungstendenz" handelt es sich um eine sog innere Tatsache. Daher sind diese von der Beklagten nicht gerügten Feststellungen des LSG für den Senat bindend.

24

Eine solche Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht dann im inneren bzw sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre (vgl BSG vom 12.5.2009 - B 2 U 12/08 R - aaO), wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet. Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenzen, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt. Die Ausführungen des LSG darüber, was vermutlich geschehen wäre, wenn der Kläger zur Unfallzeit nicht mit seinem Motorrad von der Werkstatt zu seiner Wohnung gefahren wäre, enthalten keine maßgeblichen Tatsachenfeststellungen. Denn sie befassen sich mit hypothetischen Geschehensabläufen außerhalb der konkreten Verrichtung "Motorradfahrt", die als nicht erfolgte Ereignisse keine (feststellbaren) Tatsachen sind.

25

Nach den objektiven Umständen lässt die tatsächlich erfolgte Motorradfahrt des Klägers von der Werkstatt zur Wohnung einen sachlichen Zusammenhang mit der verrichteten Tätigkeit, hier zB sich zum nächsten Einsatzgebiet zu begeben, nicht deutlich werden. Der betriebliche Zweck, sich (von einem) zum nächsten Einsatzgebiet zu begeben, vermag nach den objektiven Umständen nicht zu erklären, dass die Fahrt an der Werkstatt beginnt, dass als Ziel im nächsten Einsatzgebiet gerade die Wohnung des Klägers gewählt worden ist und die Fahrt auf dem Motorrad erfolgt anstatt einer Fahrt mit dem eigenen Pkw oder einer Fahrt als Beifahrer im Pkw des Kollegen. Vorliegend wurden Ausgangsort, Ziel und das genutzte Verkehrsmittel nicht durch betriebliche Erfordernisse bestimmt, sondern finden ihren Grund in der privaten Motivation des Klägers, sein Motorrad von der Werkstatt zur eigenen Wohnung zu fahren.

26

In rechtlicher Wertung sprach nichts dafür, dass die berufliche Handlungstendenz, die private Motivation weggedacht, zu der unfallbringenden Motorradfahrt des Klägers geführt hätte. Ohne die private Motivation, das Motorrad von der Werkstatt zur Wohnung zu fahren, wäre insbesondere nicht das Motorrad als Verkehrsmittel gewählt worden und die konkrete, zum Unfallzeitpunkt ausgeübte Verrichtung - nämlich die Motorradfahrt auf der A. Straße in Richtung der Wohnung - wäre nicht erfolgt. Das Führen eines Motorrads ist objektiv eine andere Verrichtung als eine Fahrt mit dem eigenen Pkw oder als Beifahrer im Pkw des Kollegen.

27

Dass der Kläger aus arbeitsrechtlicher Sicht sein privates Motorrad für dienstliche Fahrten nutzen durfte, vermag keinen inneren bzw sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit mit solchen Motorradfahrten des Klägers zu begründen, die nach dem oben dargelegten Maßstab für die Ermittlung der objektivierten Handlungstendenz bei gemischter Motivationslage gerade nicht auf einer objektivierten betrieblichen Handlungstendenz beruhen.

28

Eine den inneren bzw sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit begründende objektivierte betriebliche Handlungstendenz des Klägers kann nicht daraus gefolgert werden, dass sich der Unfall an einer Stelle ereignet hat, die der Kläger mutmaßlich passiert hätte, wenn er eine Fahrt von einem zum anderen Einsatzgebiet zurückgelegt hätte.

29

Zutreffend hat die Revisionsklägerin darauf hingewiesen, dass reine Streckenidentität einer mit privater Handlungstendenz erfolgten Motorradfahrt mit einer möglichen, tatsächlich aber nicht erfolgten betrieblich veranlassten (Pkw-)Fahrt, die mutmaßlich (oder möglicherweise) an Stelle der Motorradfahrt getreten wäre, keinen inneren bzw sachlichen Zusammenhang der durchgeführten Motorradfahrt als konkrete Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit begründen kann (vgl auch BSG vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 19 RdNr 15).

30

2. Die Motorradfahrt des Klägers als Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses war auch keine versicherte Tätigkeit iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII.

31

Danach sind versicherte Tätigkeiten das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 und 6 SGB VII zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Begründet wird dieser Versicherungsschutz damit, dass diese Wege nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf die versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 13; BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29 RdNr 21). Sie erfolgen entweder mit der Handlungstendenz, sich aus dem privaten Bereich in den betrieblichen Bereich (Weg zu dem Ort der Tätigkeit) oder sich aus dem betrieblichen Bereich zurück in den privaten Bereich zu begeben (Weg von dem Ort der Tätigkeit). Der Kläger hat mit der Motorradfahrt keinen unmittelbaren Weg von oder zu dem Ort der Tätigkeit zurückgelegt. Wie bereits dargelegt, fehlte der Verrichtung bei gemischter Motivationslage eine objektivierte betriebliche Handlungstendenz. Außerdem war Ausgangsort der konkreten Motorradfahrt kein Ort der Tätigkeit als Angestellter der Verkehrsüberwachung, sondern die aus privaten Gründen aufgesuchte Werkstatt, und deren Endpunkt die private Wohnung.

32

3. Das Motorrad war ferner kein Arbeitsgerät iS von § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII, denn es war nicht dazu bestimmt, hauptsächlich der Tätigkeit im Unternehmen zu dienen(vgl BSG vom 12.5.2009 - B 2 U 12/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 33 RdNr 28 mit Verweis auf BSG vom 23.2.1966 - 2 RU 45/65 - BSGE 24, 243, 246).

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

Im Fall der Wiedererkrankung an den Folgen des Versicherungsfalls gelten die §§ 45 bis 47 mit der Maßgabe entsprechend, daß anstelle des Zeitpunkts der ersten Arbeitsunfähigkeit auf den der Wiedererkrankung abgestellt wird.

Bei Berufskrankheiten gilt für die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes als Zeitpunkt des Versicherungsfalls der letzte Tag, an dem die Versicherten versicherte Tätigkeiten verrichtet haben, die ihrer Art nach geeignet waren, die Berufskrankheit zu verursachen, wenn diese Berechnung für die Versicherten günstiger ist als eine Berechnung auf der Grundlage des in § 9 Abs. 5 genannten Zeitpunktes. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, aus welchen Gründen die schädigende versicherte Tätigkeit aufgegeben worden ist.

(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger,
2.
im Falle des § 75 Absatz 2a die Personen und im Falle des § 75 Absatz 2b die Versicherungsträger, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, daß die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrags der Rechtskraft fähig, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 216/05 Verkündet am:
16. Januar 2008
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Rechtskraft einer in einem Vorprozess der Parteien ergangenen Entscheidung
ist nicht nur bei Identität der Streitgegenstände in jeder Lage des
Verfahrens von Amts wegen zu beachten, sondern auch dann, wenn eine für
den nachfolgenden Rechtsstreit (hier: Leistungsklage) entscheidungserhebliche
Vorfrage im Vorprozess (dort: Feststellungsklage) rechtskräftig entschieden
wurde.

b) Auch ein klagabweisendes Urteil, das die Zulässigkeit der Klage verfahrensfehlerhaft
dahinstehen lässt, ist der uneingeschränkten materiellen Rechtskraft
fähig, wenn aus dessen Tenor und Entscheidungsgründen ersichtlich
ist, dass das Gericht ungeachtet seiner Zweifel an der Zulässigkeit der Klage
kein Prozessurteil erlassen, sondern eine Sachentscheidung getroffen hat.
BGH, Urteil vom 16. Januar 2008 - XII ZR 216/05 - OLG Naumburg
LG Halle
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Januar 2008 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter
Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die Richterin Dr. Vézina

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden unter Zurückweisung der Rechtsmittel des Klägers das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 6. Dezember 2005 und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 27. April 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten entschieden wurde. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt vom Beklagten aus gekündigten Mietverhältnissen als Ersatz seines Mietausfallschadens für die Monate Oktober 1999 bis Dezember 2000 einen Betrag von 28.974,19 € zuzüglich 4.727,39 € Nebenkosten für die Monate Juni 1999 bis Dezember 2000, jeweils nebst Zinsen.
2
Die Parteien waren gemeinsam mit Walter K. Gesellschafter einer Grundstücks-, Besitz- und Verwaltungsgesellschaft bürgerlichen Rechts. Diese Gesellschaft schloss mit dem Beklagten drei jeweils bis Ende 2006 befristete Mietverträge zum Betrieb eines Fitnessstudios, nämlich am 1. April 1993 über das Kellergeschoss, die Räume im Erdgeschoss rechts sowie sieben Parkplätze im Objekt D weg 4, am 29. April 1994 über das Obergeschoss dieses Objekts und am 27. Dezember 1995 über sieben weitere Parkplätze auf dem Grundstück D weg 2.
3
Nachdem der Beklagte den Mietzins bis einschließlich Juli 1997 an den Kläger gezahlt hatte, stellte er seine Zahlungen ein. Daraufhin kündigte der Kläger die drei Mietverträge fristlos mit Schreiben vom 10. September 1997. Am 28. Februar 1999 räumte der Beklagte die Mietobjekte.
4
Der Kläger leitete das vorliegende Verfahren mit Mahnbescheid vom 18. Dezember 2003 über 8.369,58 € nebst Kosten und Zinsen ein.
5
Das Landgericht gab der zuletzt auf 33.601,58 € erhöhten Klage in Höhe von 22.520,06 € nebst Zinsen statt. Dagegen legten beide Parteien Berufung ein. Das Berufungsgericht gab der Klage auf die Berufung des Klägers abändernd in Höhe von 27.147,45 € nebst Zinsen statt und wies die Berufungen der Parteien im übrigen zurück. Dagegen richten sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten sowie die Anschlussrevision des Klägers, mit denen die Parteien ihre zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Änderung der angefochtenen Entscheidungen und zur Abweisung der Klage insgesamt. Die Anschlussrevision des Klägers hat keinen Erfolg.
7
Auf den Streit der Parteien darüber, ob der Kläger auf Vermieterseite in die von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts abgeschlossenen Mietverträge eingetreten ist, und ob die Vorinstanzen, die dies bejahen, durch Verwertung von den Parteien nicht eingeführter Erkenntnisse aus Vorprozessen zwischen ihnen gegen den Beibringungsgrundsatz verstoßen haben, kommt es nicht an. Ebenso kann dahinstehen, ob die Schriftform dieser Verträge gewahrt ist und der Beklagte sich gegenüber der Klageforderung zu Recht auf Verjährung berufen hat.
8
Dem sachlichen Erfolg der Klage steht nämlich die vor ihrer Erhebung (2004) eingetretene Rechtskraft eines zwischen den Parteien ergangenen Urteils vom 9. September 1998 (3 O 57/98 LG Halle) entgegen.
9
1. Die Rechtskraft eines früheren Urteils über denselben Streitgegenstand ist als negative Prozessvoraussetzung auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu beachten (BGHZ 53, 332, 334; BGH Urteil vom 21. Dezember 1988 - VIII ZR 277/87 - NJW 1989, 2133, 2134; Stein/Jonas/Leipold ZPO 21. Aufl. § 322 Rdn. 221; MünchKomm-ZPO/Gottwald 3. Aufl. § 322 Rdn. 67; Thomas/Putzo/Reichold ZPO 28. Aufl. § 322 Rdn. 13). Aber auch dann, wenn eine im Vorprozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfrage lediglich Vorfrage für die Entscheidung des nachfolgenden Rechtsstreits ist, hat das Revisionsgericht die Rechtskraft der früheren Entscheidung und die sich daraus ergebende Bindungswirkung von Amts wegen zu beachten (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 1993 - III ZR 43/92 - NJW 1993, 3204, 3205 und vom 6. Oktober 1989 - V ZR 283/86 - BGHR ZPO § 322 Abs. 1 Amtsprüfung 1 m.N.; Zöller/Vollkommer ZPO 26. Aufl. § 322 Rdn. 20; Hk-ZPO/Saenger 2. Aufl. § 322 Rdn. 16).
10
Deshalb ist es hier ohne Belang, dass sich die Parteien in den Vorinstanzen nicht auf die Rechtskraft dieses Urteils berufen hatten, sie den Vorinstanzen deshalb verborgen blieb und der Beklagte erstmals im Rahmen seiner Nichtzulassungsbeschwerde die Beiziehung der Akten 3 O 57/98 LG Halle beantragt und auf die Rechtskraft dieses Urteils hingewiesen hat. In diesem Vorprozess (3 O 57/98 LG Halle) hatte der Kläger erstinstanzlich aus allen drei vorgenannten Mietverträgen unter anderem Mietausfallentschädigung für die Zeit bis Ende Februar 1998 geltend gemacht und zusätzlich die Feststellung beantragt, "dass der Beklagte auch nach dem 1.3.1998 verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz aus entgangenen Mieteinnahmen zu leisten".
11
Das Landgericht hatte diese Klage mit Urteil vom 9. September 1998 insgesamt abgewiesen. Seine hiergegen eingelegte Berufung nahm der Kläger - nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist - in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht am 23. Dezember 1998 hinsichtlich des Feststellungsantrages zurück.
12
Hierdurch ist die Abweisung des Feststellungsantrags in Rechtskraft erwachsen.
13
a) Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht in diesem Vorprozess - rechtsfehlerhaft - in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, es könne dahinstehen, inwieweit der vom Kläger gestellte Feststellungsantrag zulässig sei.
14
Die höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage, ob eine der Rechtskraft fähige Sachentscheidung vorliegt, wenn ein Gericht eine Klage alternativ als unzulässig oder unbegründet abweist, ist in der Literatur umstritten. Nur wenn das Gericht die Zulässigkeit der Klage eindeutig verneint, besteht Einigkeit darüber , dass weitere Ausführungen zur Begründetheit lediglich obiter dicta darstellen und nicht in Rechtskraft erwachsen.
15
Teilweise wird die Auffassung vertreten, ein klagabweisendes Urteil, das die Zulässigkeit der Klage zu Unrecht bewusst ungeprüft lasse, weil jedenfalls ihre Unbegründetheit ohne weiteres feststehe, erwachse nicht in Rechtskraft (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 26. Aufl. vor § 322 Rdn. 43).
16
Nach überwiegend vertretener Auffassung erwächst jedoch auch eine klagabweisende Entscheidung, die die Zulässigkeit der Klage ausdrücklich "offen" lässt, als Sachurteil in Rechtskraft (vgl. MünchKomm-ZPO/Gottwald aaO § 322 Rdn. 175; Musielak/Musielak ZPO 5. Aufl. § 322 Rdn. 46; Hk-ZPO/Saenger 2. Aufl. § 322 Rdn. 36).
17
Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Denn unzweifelhaft erwächst eine Sachabweisung auch dann in Rechtskraft, wenn das Gericht das Fehlen einer Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage übersehen oder die Zulässigkeit grob fehlerhaft bejaht hat. Darüber hinaus erwächst auch ein Urteil in Rechtskraft, das unter Verstoß gegen § 308 ZPO mehr als beantragt zuspricht; insoweit fehlt es aber nicht nur an der Zulässigkeit einer Klage, sondern an einer Klageerhebung überhaupt. Demgegenüber erscheint eine Entscheidung , die zwar Zweifel an der Zulässigkeit anspricht, es aber verfahrenswidrig unterlässt, ihnen weiter nachzugehen, weniger fehlerhaft, so dass für den Senat kein Grund ersichtlich ist, ihr wegen eines minder schweren Fehlers die Rechtskraft abzusprechen.
18
Im vorliegenden Fall hat das Landgericht im Vorprozess jedenfalls seine nicht näher bezeichneten Bedenken gegen die Zulässigkeit der Feststellungs- klage ersichtlich nicht zum Anlass einer Prozessabweisung genommen. Vielmehr hat es davon abgesehen, diesen Bedenken weiter nachzugehen, und sich nicht gehindert gesehen, sämtliche Klageanträge mit ausführlicher und einheitlicher Begründung, nämlich wegen fehlender Sachbefugnis des Klägers, in der Sache abzuweisen. Abgesehen davon vermag der Senat nicht zu erkennen, was der Zulässigkeit der Klage auf Feststellung einer fortdauernden Ersatzpflicht für einen hinreichend genau bezeichneten und noch nicht endgültig zu beziffernden Kündigungsfolgeschaden hier hätte entgegenstehen können.
19
b) Damit steht zwischen den Parteien rechtskräftig fest, dass das behauptete Rechtsverhältnis, nämlich eine Schadensersatzpflicht des Beklagten dem Kläger gegenüber auch für die Zeit nach dem 1. März 1998, nicht besteht (vgl. MünchKomm-ZPO/Gottwald aaO § 322 Rdn. 183).
20
Im Verhältnis eines vorausgegangenen Feststellungsurteils zu einer nachfolgenden Leistungsklage bedeutet dies, dass die Abweisung der auf Feststellung einer Forderung erhobenen Klage in der Sache insoweit Rechtskraft für eine später auf dieselbe Forderung gestützte Leistungsklage schafft, als das mit ihr erstrebte Prozessziel unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr aus demselben Lebenssachverhalt hergeleitet werden kann, der der Feststellungsklage zugrunde gelegen hat (BGH, Urteil vom 14. Februar 2006 - VI ZR 322/04 - NJW-RR 2006, 712, 714 Rz. 15 m.N.).
21
c) Dem sachlichen Erfolg der vorliegenden Klage hätte die rechtskräftige Abweisung der Feststellungsklage im Vorprozess daher nur dann nicht von vornherein entgegen gestanden, wenn der Kläger nunmehr geltend gemacht hätte, die ihm im Vorprozess abgesprochene Sachbefugnis zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche im eigenen Namen inzwischen nachträglich, das heißt nach der letzten Tatsachenverhandlung im Vorprozess (18. August 1998), erworben zu haben, sei es durch Abtretung oder im Rahmen der Auseinandersetzung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, von der der Beklagte die Mietobjekte gemietet hatte (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2006 - VI ZR 322/04 - NJW-RR 2006, 712, 714 Rz. 16 m.N.). Hierfür ist dem Vorbringen des Klägers aber nichts zu entnehmen.
22
3. Dies macht die vorliegende Klage zwar nicht unzulässig. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt die materielle Rechtskraft eines Urteils in einem späteren Rechtsstreit nur dann zur Unzulässigkeit der neuen Klage und deshalb zur Prozessabweisung, wenn die Streitgegenstände beider Prozesse identisch sind oder im zweiten Prozess das kontradiktorische Gegenteil der im ersten Prozess ausgesprochenen Rechtsfolge begehrt wird. Das ist hier nicht der Fall. Da das Urteil im Vorprozess einen Feststellungsanspruch betrifft, während hier ein Leistungsanspruch geltend gemacht wird, liegen unterschiedliche Streitgegenstände vor (vgl. BGH, Urteile vom 22. November 1988 - VI ZR 341/87 - NJW 1989, 393 f. und vom 17. Februar 1983 - III ZR 184/81 - NJW 1983, 2032 f.).
23
b) Die Klage ist aber unbegründet. Für den im vorliegenden Rechtsstreit vom Kläger geltend gemachten Zahlungsanspruch (Ersatz des durch die fristlose Kündigung der Mietverträge in der Zeit von Juni 1999 bis Dezember 2000 entstandenen Mietausfallschadens) ist die im Vorprozess entschiedene Frage nach dem Bestehen oder Nichtbestehen der streitigen Schadensersatzverpflichtung des Beklagten dem Kläger gegenüber für die Zeit nach dem 1. März 1998 entscheidend. Steht - wie hier - infolge rechtskräftiger Abweisung der positiven Feststellungsklage fest, dass der Beklagte dem Kläger wegen der vorzeitigen Beendigung der drei Mietverträge für die Zeit nach dem 1. März 1998 nicht schadensersatzpflichtig ist, kann eine auf Ersatz eines solchen Schadens gerichtete Leistungsklage keinen Erfolg haben, weil das nachentscheidende Ge- richt an einer abweichenden Beurteilung der rechtskräftig entschiedenen (Vor-)Frage gehindert ist (BGH, Urteil vom 17. Februar 1983 - III ZR 184/81 - NJW 1983, 2032 f. m.w.N.).
24
Dies gilt hier auch, soweit der Kläger einen Betrag von 4.627,39 € als verbrauchsunabhängige Nebenkosten für die Monate Oktober 1999 bis Dezember 2000 verlangt. Denn hierbei handelt es sich nicht um die Nachzahlung vertraglich geschuldeter Nebenkosten für einen Zeitraum, in dem die Mietverhältnisse noch bestanden, sondern, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, um verbrauchsunabhängige Nebenkosten aus der Zeit nach vorzeitiger Beendigung der Mietverhältnisse und damit ebenfalls um einen Kündigungsfolgeschaden , der in gleicher Weise wie der sonstige ab 1. März 1998 verlangte Mietausfallschaden von der Rechtskraft der im Vorprozess ergangenen Entscheidung erfasst wird.
25
4. Da die Klage somit insgesamt unbegründet ist, kommt es auf die von der Anschlussrevision angenommene Verjährung des Anspruchs auf Mietausfall für 1999 nicht mehr an.
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina

Vorinstanzen:
LG Halle, Entscheidung vom 27.04.2005 - 3 O 270/04 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 06.12.2005 - 9 U 53/05 -

Gründe

1

Die auf sämtliche Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

2

1. Der Kläger stand bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand Ende Dezember 2006 als Oberstleutnant (Besoldungsgruppe A 14 BBesO) im Dienst der Beklagten. Seit dem 4. August 1997 war er für die Wahrnehmung von Personalratsaufgaben freigestellt. Als freigestelltes Mitglied des Personalrats wurde er im Mai 1998 auf eine nach Besoldungsgruppe A 14 BBesO dotierte Planstelle z.b.V. versetzt. Im November 2000 beantragte er, ihn rückwirkend zum 1. Oktober 2000 in die Besoldungsgruppe A 15 BBesO einzuweisen und ihn für den Fall einer ablehnenden Entscheidung so zu stellen, wie er bei antragsgemäßer Entscheidung gestanden hätte. Antrag und Beschwerde blieben ohne Erfolg. Vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide zu verpflichten, ihn in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 BBesO einzuweisen, festzustellen, dass es rechtswidrig gewesen ist, ihn nicht spätestens zum 1. Oktober 2000 in eine solche Planstelle einzuweisen, und die Beklagte zu verpflichten, ihn dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, wie er im Falle einer Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 BBesO zum 1. Oktober 2000 stünde. Das Verwaltungsgericht hat der Klage hinsichtlich des begehrten Schadensersatzes stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil die Beklagte seine Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 BBesO zum 1. Oktober 2000 zu Recht abgelehnt habe. Der Kläger habe zu diesem Zeitpunkt lediglich einen nach der Besoldungsgruppe A 14 BBesO bewerteten Dienstposten inne gehabt. Nach dem Bundesbesoldungsgesetz komme eine Einweisung eines Oberstleutnants in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 BBesO nur in Betracht, wenn er Inhaber eines herausgehobenen und somit mindestens mit der Besoldungsgruppe A 15 BBesO bewerteten Dienstpostens sei. Auch aus prozessualen Gründen könne sich der Kläger nicht auf ein rechtswidriges Handeln der Beklagten berufen. Denn die inzidente Feststellung des Verwaltungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Antrags des Klägers, ihn zum 1. Oktober 2000 in die Besoldungsgruppe A 15 BBesO einzuweisen, sei in Rechtskraft erwachsen. Auch habe die Beklagte bei der Entscheidung über die Vergabe von zwölf Planstellen der Besoldungsgruppe A 15 BBesO an Offiziere des Dienstgrads Oberstleutnant nicht zu Lasten des Klägers gegen den Grundsatz der Bestenauslese verstoßen. Schließlich fehle es an dem für den Schadensersatzanspruch erforderlichen Verschulden der Beklagten.

3

2. Ist eine Berufungsentscheidung - wie hier - auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Revision nur zugelassen werden, wenn gegenüber jeder der Begründungen ein durchgreifender Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. Juni 1990 - BVerwG 1 B 92.90 - Buchholz 11 Art. 116 GG Nr. 20, vom 20. August 1993 - BVerwG 9 B 512.93 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 320 S. 51 und vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4). Daran fehlt es hier.

4

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz setzt voraus, dass der Dienstherr schuldhaft eine eigene, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis wurzelnde (quasi-vertragliche) Verbindlichkeit verletzt hat, dieser Rechtsverstoß adäquat kausal für den eingetretenen Schaden gewesen ist und der Betroffene es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (Urteile vom 25. August 1988 - BVerwG 2 C 51.86 - BVerwGE 80, 123 <124> = Buchholz 237.7 § 7 NWLBG Nr. 5, vom 28. Mai 1998 - BVerwG 2 C 29.97 - BVerwGE 107, 29 <31> = Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 40, vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <101 ff.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32 S. 28 und vom 25. Februar 2010 - BVerwG 2 C 22.09 - BVerwGE 136, 140 <143> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 45 S. 26). Diese für das Beamtenverhältnis entwickelten Grundsätze gelten auch für das Soldatenverhältnis.

5

Die Ablehnung des Antrags auf Schadensersatz in Bezug auf die unterbliebene Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 BBesO zum 1. Oktober 2000 hat das Berufungsgericht auch darauf gestützt, das Verwaltungsgericht habe den entsprechenden Feststellungsantrag rechtskräftig abgewiesen. Diese Begründung trägt die Abweisung der Klage hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs selbstständig. Hinsichtlich dieser Begründung macht die Beschwerde keinen Zulassungsgrund geltend.

6

Die Rechtskraft eines Urteils, durch das eine Feststellungsklage abgewiesen wird, ist identisch mit einer rechtskräftig gewordenen gegenteiligen Feststellung (Urteile vom 29. August 1966 - BVerwG 8 C 353.63 - BVerwGE 25, 7 <9> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 22 und vom 23. Februar 1993 - BVerwG 1 C 16.87 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 64 = NVwZ 1993, 781). Damit ist rechtskräftig entschieden, dass das Unterlassen der Beklagten, den Kläger zum 1. Oktober 2000 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 BBesO einzuweisen, rechtmäßig war. Die Beurteilung dieses Unterlassens als rechtmäßig ist nach § 121 Nr. 1 VwGO auch für die Klage auf Schadensersatz bindend. Die Rechtskraft eines Urteils soll gerade verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird (Urteile vom 8. Dezember 1992 - BVerwG 1 C 12.92 - BVerwGE 91, 256 <258> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 63 und vom 10. Mai 1994 - BVerwG 9 C 501.93 - BVerwGE 96, 24 <25> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 68 m.w.N.; BGH, Urteil vom 17. Februar 1983 - III ZR 184/81 - NJW 1983, 2032). Danach ist bei einer rechtskräftig als rechtmäßig bewerteten Amtshandlung oder entsprechendem behördlichen Unterlassen ein Schadensersatzanspruch, der die schuldhafte Verletzung einer Verbindlichkeit der Behörde voraussetzt, ausgeschlossen.

7

Die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Abweisung des Feststellungsantrags durch das Verwaltungsgericht als unbegründet rechtskräftig geworden ist, wird, ohne dass hiergegen eine zulässige und begründete Verfahrensrüge erhoben oder ein anderer Zulassungsgrund geltend gemacht wurde, nach Art einer Berufungsbegründung im Zusammenhang mit dem angeblichen Verfahrensmangel der unvorschriftsmäßigen Besetzung des Oberverwaltungsgerichts wegen Voreingenommenheit des Einzelrichters angegriffen. Der hier gerügte Verfahrensmangel ist nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise dargelegt.

8

Ein Gericht ist nur dann nicht vorschriftsmäßig besetzt, wenn willkürliche oder manipulative Erwägungen für die Fehlerhaftigkeit des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind (Beschluss vom 25. September 1987 - BVerwG 9 CB 59.87 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 72 und vom 13. Juni 1991 - BVerwG 5 ER 614.90 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 28 m.w.N.). Die Beschwerde muss die Tatsachen, aus denen sie den Mangel herleitet, in einer substantiierten Weise vortragen, die dem Revisionsgericht ohne Weiteres die Beurteilung ermöglicht (vgl. Beschlüsse vom 17. Dezember 1982 - BVerwG 8 CB 83.80 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 24 S. 3 f. m.w.N. und vom 27. Juni 1995 - BVerwG 5 B 53.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 9 S. 7). Diese Voraussetzungen sind hier durch die Ausführungen unter VI. 5 und 6 der Beschwerdebegründung nicht erfüllt.

9

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.

(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger,
2.
im Falle des § 75 Absatz 2a die Personen und im Falle des § 75 Absatz 2b die Versicherungsträger, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, daß die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrags der Rechtskraft fähig, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.07.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Feststellung seiner Lebererkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1101, 1302, 1306 oder 1316 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), hilfsweise die Feststellung als Wie-BK.
Der am 1960 geborene Kläger leidet an einer Fettleber (Steatosis hepatis). Er führt diese Erkrankung auf die Belastungen im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeiten in den Jahren 1977 bis ca. 1997 zurück. Vor allem geht es um Tätigkeiten als Maler und Lackierer (mit Unterbrechungen von 1977 bis 1991) und eine abhängige Beschäftigung, nachfolgend auch selbstständige Tätigkeit, in der Leuchtmittelwerbung für Tankstellen (1992 bis 1997 - so die Angaben des Klägers Bl. 226 f. VA).
Erste Beschwerden bemerkte der Kläger im Jahr 1983. Im Jahr 1986 wurden erhöhte Leberwerte festgestellt. Seither schreitet die Erkrankung fort. Aktuell ist bei zwischenzeitlich diagnostizierter Leberzirrhose und Ösophagusvarizen mit mehrmaligen Varizenblutungen eine Lebertransplantation geplant. Dem Kläger, der einen übermäßigen Alkoholkonsum stets verneinte und dessen CDT-Wert als Hinweis auf eine äthyltoxische Genese wegen einer selten vorkommenden Transferrinvariante nicht sicher bestimmbar ist (Gutachten Dr. B. , Bl. 415f. VA), wurde wiederholt eine Alkoholkarenz empfohlen (zuletzt Arztbrief Prof. Dr. Sch. , Medizinische Klinik und Poliklinik der Technischen Universität M. vom 22.01.2010, Bl. 25 LSG-Akte).
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2005 die Anerkennung einer BK oder Wie-BK ab. Sie stützte sich dabei u.a. auf das Gutachten des Direktors des Instituts und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin des Universitätsklinikums H. Prof. Dr. T. vom Juni 2004, der eine berufliche Verursachung der Lebererkrankung zwar für möglich, jedoch insbesondere auf Grund des Verlaufs der Erkrankung nach Ende der Exposition - in der Regel könne man davon ausgehen, dass sich eine toxische Leberschädigung bessere oder sich sogar vollständig zurückbilde, wenn die verursachende Noxe nicht mehr einwirke oder nicht mehr im Körper vorhanden sei - nicht für wahrscheinlich erachtete.
Die vom Kläger beim Sozialgericht Freiburg erhobene Anfechtungs- und Feststellungsklage (S 9 U 4846/05) wies das Sozialgericht mit Urteil vom 24.03.2009 ab. Es sah sich nicht in der Lage, eine der vom Kläger zur Feststellung beantragten BKen (BK 1101 Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen, 1302 Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe, 1306 Erkrankungen durch Methylalkohol (Methanol) und 1316 Erkrankungen der Leber durch die Dimethylformamid (DMF) oder - wie hilfsweise beantragt - eine Wie-BK festzustellen. Es stützte sich dabei auf das im Jahr 2008 im gerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin und Allgemeinmedizin Dr. B. . Dieser ging, gestützt auf die Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten (Stellungnahmen der Mitarbeiterin Z. vom 18.01.2005 Bl. 191 VA und des Dipl.-Ing. K. vom 21.02.2005 Bl. 198 VA), selbst unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers hinsichtlich der gesundheitsgefährdenden Expositionen mit den oben genannten Stoffen nicht vom Nachweis der arbeitstechnischen Voraussetzungen aus und sah auch in medizinischer Hinsicht keine Wahrscheinlichkeit für einen beruflichen Zusammenhang. Er bestätigte die zuvor schon von den behandelnden Ärzten gestellte Diagnose einer nicht-alkoholischen Steatosis hepatitis (NASH) unklarer Ätiologie. Neue Erkenntnisse in der medizinischen Wissenschaft darüber, dass Maler und Lackierer ein erhöhtes Risiko gegenüber der übrigen Bevölkerung für die Entwicklung der beim Kläger vorliegenden Erkrankungen haben, lägen nicht vor. Das Urteil des Sozialgerichts wurde - nach Rücknahme der vom Kläger erhobenen Berufung (L 2 U 2878/09) - rechtskräftig.
Im November 2009 beantragte der Kläger unter Hinweis auf eine Verschlimmerung seines Zustandes die Überprüfung des Bescheids vom 23.08.2005. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2010 ab. Die Verschlimmerung habe keinen Einfluss auf die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs.
Deswegen hat der Kläger am 11.02.2010 beim Sozialgericht Freiburg Klage erhoben. Im Wesentlichen hat er sich auf den Arztbrief des Prof. Dr. Sch. vom 22.01.2010 (s.o.) gestützt, wonach die Leberzirrhose am ehesten äthyltoxischer Genes sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.07.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Für die Anerkennung der verfahrensgegenständlichen BKen bzw. einer Wie-BK fehle es an den arbeitstechnischen Voraussetzungen. Selbst wenn man diese unterstelle, lasse sich nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. B. nicht feststellen, dass die Erkrankung des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf einer beruflich bedingten Exposition beruhe. Dem neu gestellten Antrag des Klägers lasse sich nichts entnehmen, was dies zweifelhaft erscheinen lasse. Vom Kläger jetzt geltend gemachte Beschwerden (Übelkeit/Bewusstlosigkeit bei verschiedenen Gerüchen, gelegentliches Blut-Erbrechen) habe er bereits Dr. B. mitgeteilt. Die nun von Prof. Dr. Sch. angenommene äthyltoxische Genese, das heiße eines Zusammenhangs mit einem Alkoholkonsum, spreche eher gegen eine berufliche Ursache.
Gegen den ihm am 16.07.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.08.2010 Berufung eingelegt. Er trägt vor, das Sozialgericht habe nicht ausreichend gewürdigt, dass zwischenzeitlich Situationen mit akuter Lebensgefahr eingetreten seien. Die von Prof. Dr. Sch. genannte äthyltoxische Genese bedeute, dass Ursache für die Lebererkrankung unter Ausschluss von sonstigen unbewiesenen und bestrittenen Vermutungen wie Alkoholkonsum ausschließlich eine Vergiftung durch äthylenhaltige Stoffe sei. Mit diesen habe er während seiner beruflichen Tätigkeit als Maler/Lackierer Kontakt gehabt.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.07.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2010 zu verpflichten, den Bescheid vom 23.08.2005 zurückzunehmen.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Die Beklagte verweist zur Erwiderung auf die vorangegangenen Gerichtsentscheidungen.
15 
Der Senat hat Prof. Dr. Sch. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat seine Arztbriefe vom Januar und September 2010 vorgelegt. Im Arztbrief vom Januar 2010 hat er erwähnt, es bestehe eine Leberzirrhose am ehesten äthyltoxischer Genese. Im Arztbrief vom September 2010 (Bl. 28 LSG-Akte) hat er eine noch kompensierte Leberzirrhose am ehesten auf dem Boden einer NASH im Rahmen eines metabolischen Syndroms beschrieben. Eine begleitende äthyltoxische Komponente bei zwar geringem, aber regelmäßigem Genuss von Alkohol hat er nicht ausgeschlossen, insbesondere da der Alkoholkonsum bei bereits bekannter Fettlebererkrankung nicht vollständig eingestellt worden sei.
16 
Als sachverständiger Zeuge hat Prof. Dr. Sch. angegeben, die Einschätzung einer durch Alkohol verursachten Leberzirrhose beruhe auf dem klinischen Verlauf sowie den Vorunterlagen. Im Krankenhaus O. sei im Dezember 2009 ein Blutalkoholwert von 2 ‰ gemessen worden. Der Kläger selbst habe im September 2010 einen regelmäßig geringen bis mäßiggradigen Alkoholkonsum angegeben. Somit könne eine alkoholtoxische Ursache, eine solche sei im Arztbrief vom Januar 2010 gemeint gewesen, als wahrscheinlich angesehen werden. Eine berufsbedingte Ursache der Lebererkrankung sei eher nicht wahrscheinlich, da die Erkrankung seit dem Ende jeglicher beruflicher Schadstoffexposition weiter fortschreitend sei.
17 
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin G. eingeholt. Dieser hat darauf hingewiesen, es sei ihm als Allgemein- und Hausarzt des Klägers nicht möglich, wie die Vorgutachter ein arbeitsmedizinisches Gutachten zu erstellen. Dies sei auch nicht notwendig, da bereits hinreichend belegt worden sei, dass nach den strengen Kriterien der Arbeitsmedizin nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu belegen sei, dass die Lebererkrankung ausschließlich berufsbedingt verursacht wurde. Die medizinischen und arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitgegenständlichen BKen seien nicht erfüllt. Aus hausärztlicher Sicht sei die Anerkennung als beruflich bedingte Schädigung gerechtfertigt.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
20 
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 22.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2010. Darin entschied die Beklagte ausschließlich über die Frage, ob sie bei Erlass des Bescheids vom 23.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2005 von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen war und deswegen zu Unrecht die Anerkennung einer BK oder Wie-BK abgelehnt hatte. Die Beklagte nahm diese Prüfung auf der rechtlichen Grundlage des § 44 SGB X vor. Dies zeigt nicht nur die von der Beklagten im Tenor des Bescheids vom 22.12.2009 verwandte Formulierung „ihr Antrag auf Neufeststellung bzw. Rücknahme (…) wird abgelehnt“, sondern folgt auch aus der Begründung dieses Bescheids sowie aus den Ausführungen des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2010. Damit prüfte die Beklagte neben § 44 SGB X nicht zusätzlich, unabhängig vom bestandskräftigen Bescheid im Sinne einer neuen originären Entscheidung, ob zwischenzeitlich eine BK oder Wie-BK - z.B. wegen späterer weiterer Expositionen oder wegen anderer Gesundheitsstörungen - eingetreten war. Zwar hatte der Kläger auf eine Veränderung seines Gesundheitszustands hingewiesen. Dies aber nur in Form einer Verschlimmerung des schon zuvor bekannten Leidens und nicht etwa im Hinblick auf den Hinzutritt einer neuen Erkrankung. Er selbst hatte ausdrücklich einen Antrag „auf der Grundlage von § 44 SGB X“ gestellt (Bl. 506 VA). In der Begründung des angefochtenen Bescheids vom 22.12.2009 brachte die Beklagte zum Ausdruck, dass die geltend gemachte Verschlimmerung der Erkrankung keinen Einfluss auf die hier allein streitige, schon im Bescheid vom 23.08.2005 vorgenommene Beurteilung des Ursachenzusammenhangs habe, traf also keine originäre neue Entscheidung.
21 
Grundsätzlich kann bei der Ablehnung der Feststellung einer BK ein Versicherter sein Begehren auf Feststellung einer BK - wie es der Kläger ausweislich des schriftsätzlich gestellten Antrages verfolgt - zwar im Wege einer Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG verfolgen (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2). Dies ist indessen im Rahmen eines so genannten Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X nicht möglich. Denn dieses Verfahren hat das Ziel, den bestandskräftigen, eine BK verneinenden Verwaltungsakt zu beseitigen, im Falle des entsprechenden Klageverfahrens die Beklagte zur Rücknahme dieses Verwaltungsaktes zu verurteilen. Bevor der bestandskräftige Ablehnungsbescheid aber nicht beseitigt ist, steht dieser - eben wegen seiner Bestandskraft - einer vom Kläger nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen eigentlich begehrten gegenteiligen Feststellung durch das Gericht entgegen. Damit beschränkt sich das Klagebegehren sachgerechterweise auf die Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides (ständige Rechtsprechung des Senats seit Urteil vom 27.04.2006, L 10 U 5290/03); diesen Antrag hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch gestellt.
22 
Die Beklagte hat zu Recht die Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Ablehnung der Feststellung der hier streitgegenständlichen BKen 1101, 1302, 1306 oder 1316 oder einer Wie-BK abgelehnt. Die folgt bereits aus der Tatsache, dass auf Grund des rechtskräftig gewordenen Urteils des Sozialgerichts Freiburg vom 24.03.2009 nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG zwischen den Beteiligten bindend feststeht, dass keine der eben genannten BKen und auch keine Wie-BK vorliegt. Im Übrigen kann sich auch der Senat - wie zuvor schon das SG - nicht davon überzeugen, dass bei Erlass des Bescheids vom 23.08.2005 das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde.
23 
Zunächst kann dahingestellt bleiben, ob sich die Prüfung des Anspruchs des Klägers auf eine Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Ablehnung nach § 44 Abs. 1 oder nach § 44 Abs. 2 SGB X zu richten hat. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass vom einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Da im bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 23.08.2005 hinsichtlich der jetzt vom Kläger zur Überprüfung gestellten Frage des Vorliegens einer BK an sich nicht über Leistungen entschieden wurde, könnten Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gesehen werden. Für die Anwendung dieser Regelung (so auch ohne weitere Problematisierung für die streitige Feststellung eines Arbeitsunfalls: BSG, Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 24/05 R in SozR 4 - 2700 § 8 Nr. 18) spricht jedoch, dass es bei der Feststellung einer BK letztendlich in der Regel doch (indirekt) um Leistungsansprüche geht. Zudem erscheint der die Feststellung einer BK begehrende potentielle Leistungsempfänger insoweit, als ihn § 44 Abs. 1 SGB X gegenüber dem alternativ in Betracht kommenden § 44 Abs. 2 SGB X privilegiert, schutzwürdig. Denn im Anwendungsbereich des Abs. 1 ist eine gebundene Entscheidung über die Korrektur mit Wirkung für die Vergangenheit zu treffen, während der Behörde im Anwendungsbereich des Abs. 2 ein Ermessensspielraum gewährt wird. Letztlich kann die Frage, ob Abs. 1 oder Abs. 2 des § 44 SGB X anzuwenden ist, offen bleiben, da auch nach § 44 Abs. 2 SGB X Voraussetzung wäre, dass der Bescheid vom 23.08.2005 rechtswidrig ist. Dies ist nicht der Fall.
24 
Regelungsgegenstand des Bescheides vom 23.08.2005 war die Ablehnung der Anerkennung der Lebererkrankung als BK 1101, 1302, 1306, 1316 bzw. als Wie-BK, also gerade jener BK, deren Anerkennung der Kläger über § 44 SGB X auch im vorliegenden Rechtsstreit erstrebt.
25 
Allerdings steht zwischen den Beteiligten rechtskräftig fest, dass keine der streitigen BKen beim Kläger vorliegt. Denn dasselbe Ziel - Feststellung, dass die Lebererkrankung eine BK 1101, 1302, 1306, 1316 hilfsweise eine Wie-BK ist - verfolgte der Kläger bereits im früheren Klageverfahren S 9 U 4946/05 mit der Feststellungsklage (so der damals in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht gestellte und im Urteil wiedergegebene Antrag). Diese Klage wurde vom Sozialgericht mit Urteil vom 24.03.2009 abgewiesen. Mit der Rücknahme der hiergegen eingelegten Berufung wurde dieses Urteil rechtskräftig.
26 
Mit der Abweisung einer auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichteten Klage steht das Gegenteil der begehrten Feststellung, nämlich das Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses fest (BGH, Urteil vom 16.01.2008, XII ZR 216/05 u.a. in juris). Auf Grund der Rechtskraftwirkung (vgl. § 322 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO -: Urteile sind der Rechtskraft... fähig, als ... über den Anspruch entschieden ist) ist dies - das Nichtbestehen des zur Feststellung begehrten Rechtsverhältnisses - auch für spätere Auseinandersetzungen zu berücksichtigen. Denn aus dem Lebenssachverhalt, der der (abgewiesenen) Feststellungsklage zu Grunde lag, kann wegen der Rechtskraftwirkung auch künftig nichts hergeleitet werden (BGH, a.a.O. für eine Leistungsklage nach rechtskräftig abgewiesener Feststellungklage).
27 
Im sozialgerichtlichen Verfahren gilt Gleiches. Denn auch hier binden gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG rechtskräftige Urteile die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Ein sozialgerichtliches Urteil über eine Klage auf Feststellung eines Versicherungsfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung (Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII) ist ebenfalls nicht nur der formellen, sondern auch der materiellen Rechtskraft fähig (BSG, Urteil vom 28.06.1984, 2 RU 64/83, u.a. in juris). Mit der rechtskräftigen Abweisung einer auf Feststellung gerichteten Klage ist somit auch im sozialgerichtlichen Verfahren das Gegenteil der begehrten Feststellung festgestellt (BSG a.a.O.: mit der Abweisung einer Klage auf Anerkennung von Wirbelsäulenbeschwerden als Folgen eines Arbeitsunfalles steht fest, dass die Wirbelsäulenbeschwerden keine Unfallfolgen sind). Dies bedeutet, dass mit Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts vom 24.03.2009, S 9 U 4846/05 über die Abweisung der Klage auf Feststellung der Lebererkrankung als BK Nr. 1101, 1302, 1306, 1316, hilfsweise als Wie-BK rechtskräftig und damit für die Beteiligten und den Senat verbindlich fest steht, dass es sich bei der Lebererkrankung des Klägers um weder eine BK Nr. 1101, 1302, 1306, 1316 noch um eine Wie-BK handelt.
28 
Diese Rechtskraftwirkung ist - anders als bei kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw. Leistungsklagen (s. hierzu Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 141 Rdnrn. 11 ff.) - nicht durch §§ 44 ff. SGB X „eingeschränkt“. Denn mit der Feststellungklage wird nicht über den Regelungsgegenstand eines (mit Verpflichtungs- bzw. Leistungsklage zum Erlass begehrten) Verwaltungsaktes über Ansprüche (z.B. auf bestimmte Leistungen, aber auch allgemein auf Anerkennung eines Versicherungsfalles oder von gesundheitlichen Folgen eines Versicherungsfalles, zum subjektiv öffentlichen Recht auf „Anerkennung“ s. BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, u.a. in juris), dessen Bestandkraft nach den §§ 44 ff. SGB X durchbrochen werden kann, sondern über das Rechtsverhältnis als solches entschieden. Dem entsprechend stellt sich die Rechtsposition der Beteiligten wegen der Rechtskraftwirkung gerichtlicher Feststellungsurteile im Gegensatz zur durchbrechungsfähigen Bindungswirkung feststellender oder eine Feststellung ablehnender Verwaltungsakte - was die Durchbrechungsfähigkeit anbelangt - anders dar (BSG, Urteil vom 27.04.2010, B 2 U 23/09 R und Urteile vom 09.11.2010, B 2 U 6/10 R und B 2 U 14/10 R, alle u.a. in juris, für Falle der Stattgabe der Feststellungsklage).
29 
Steht aber somit für die Beteiligten und den Senat verbindlich fest, dass es sich bei der Lebererkrankung des Klägers weder um eine BK Nr. 1101, 1302, 1306, 1316 noch um eine Wie-BK handelt, erweist sich der Bescheid vom 23.08.2005 über die Ablehnung einer Anerkennung der Lebererkrankung als eine solche BK als rechtmäßig. Folglich kann der Kläger auch nicht die Rücknahme dieses Bescheides nach § 44 SGB X verlangen.
30 
Im Übrigen geht der Senat wie die Beklagte und das Sozialgericht davon aus, dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Beklagte bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung vom 23.08.2005 das Recht unrichtig angewandt hatte - dies wird auch vom Kläger nicht behauptet - oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen war. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst Bezug auf die umfassenden und überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts im Urteil vom 24.03.2009, denen im Wesentlichen die auch aus Sicht des Senats schlüssigen Gutachten von Prof. Dr. T. und Dr. B. zu Grunde lagen. Neue Erkenntnisse, die die Gutachten der eben Genannten in Frage stellen würden, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nach der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme nicht ersichtlich.
31 
Es steht daher nach wie vor fest, dass der Kläger - so Dr. B. - an einer NASH bzw. - so der Sachverständige G. - an einer auf Grund der NASH zwischenzeitlich aufgetretenen Leberzirrhose leidet, wobei die Ätiologie (Ursache) der NASH unklar bleibt. U.a. Dr. B. legte insbesondere unter Hinweis auf den Verlauf der Erkrankung nachvollziehbar dar, dass die Erkrankung nicht hinreichend wahrscheinlich auf berufsbedingte Schadstoffexpositionen, die im Übrigen - was Dr. B. ebenfalls zutreffend darlegte und was er im Einzelnen begründete - nicht hinreichend nachgewiesen sind, zurückgeführt werden kann.
32 
Soweit der Kläger davon ausgegangen ist, Prof. Dr. Sch. habe im Arztbrief vom 22.01.2010 eine „Vergiftung durch äthylenhaltige Stoffe“, denen er beruflich ausgesetzt gewesen sei, beschrieben, hat sich diese Annahme als unzutreffend erwiesen. In seiner sachverständigen Zeugenaussage hat Prof. Dr. Sch. eindeutig klargestellt, dass in seinem Arztbrief vom Januar 2010 eine alkoholtoxische Verursachung gemeint war, die er im Arztbrief vom September 2010 zumindest noch als begleitende Komponente angesehen hat. In seiner Zeugenaussage vom November 2010 hat er unter Hinweis auf einen im Dezember 2009 gemessenen Blutalkoholwert von 2 ‰ sowie unter Bezugnahme auf eigene Angaben des Klägers eine alkoholtoxische - mithin nicht beruflich bedingte - Ursache der Leberzirrhose als wahrscheinlich angesehen. Die Untersuchungen durch Prof. Dr. Sch. habe somit keine neuen Erkenntnisse gebracht, die den von Prof. Dr. T. und Dr. B. nicht für ausreichend wahrscheinlich erachteten beruflichen Zusammenhang wahrscheinlicher machen würden. Wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt, ist vielmehr das Gegenteil der Fall. Die Ausführungen von Prof. Dr. Sch. zum schädlichen, bis zuletzt nicht eingestellten Alkoholkonsum lassen einen - so Dr. B. - möglichen aber nicht wahrscheinlichen beruflichen Zusammenhang sogar weiter in den Hintergrund rücken.
33 
Ähnliches gilt im Hinblick auf den vom Kläger beschriebenen und von Prof. Dr. Sch. und dem Sachverständigen G. bestätigten fortschreitenden Verlauf der Erkrankung mit einer inzwischen drastischen Verschlechterung des Allgemeinzustands. Gerade dieser Verlauf spricht - so Prof. Dr. Sch. und der Sachverständige G. ebenso wie Prof. Dr. T. und Dr. B. - gegen einen beruflichen Zusammenhang.
34 
Der auf Antrag des Klägers gehörte Sachverständige G. - gleichzeitig der Hausarzt des Klägers - hat im Ergebnis die Gutachten von Prof. Dr. T. und Dr. B. bestätigt. Er hat Kriterien aufgezeigt, die für einen beruflichen Zusammenhang sprechen (Schadstoffbelastung; erhöhte Leberwerte seit 1985, nachgewiesen seit 1995; schon früh Schwindel und dgl.; mit Ausnahme eines „mäßigen“ Alkoholkonsums keine anderen erkennbaren Ursachen), jedoch auch gegenteilige Kriterien (keine genaueren Nachweise zu den Schadstoffexpositionen; herrschende medizinische Lehrmeinung; Verlauf der Erkrankung) erwähnt. In der Zusammenschau hat auch er die genaue Ursache der Erkrankung für unklar gehalten. Soweit er „aus hausärztlicher Sicht“ die Anerkennung einer beruflich bedingten Schädigung für gerechtfertigt erachtet hat, hat er doch gleichzeitig klar bestätigt, dass die medizinischen und arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitgegenständlichen BKen nicht erfüllt sind. Auch das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung einer Wie-BK hat er verneint. Damit trägt auch sein Gutachten das Begehren des Klägers nicht, insbesondere belegt es in keiner Weise, dass die Beklage im Bescheid vom 23.08.2005 von einem unrichtigen Sachverhalt ausging.
35 
Im Hinblick auf die zuletzt vom Kläger als weiter klärungsbedürftig angesprochenen „Themenbereiche“ genetische Disposition, medizinischer Nachweis für den Ausschluss eines übermäßigen Alkoholkonsums sowie Nachweise und Bewertung für den Ausschluss anderer Ursachen als der Exposition von Lösemittelgemischen für seine Erkrankung ist zu ergänzen:
36 
Eine etwaige genetische Disposition würde eine berufliche Verursachung, bei ohnehin nicht nachgewiesenen arbeitstechnischen Voraussetzungen, nicht wahrscheinlicher machen.
37 
Dem Ausmaß des Alkoholkonsums ist nicht weiter nachzugehen. Dr. B. verneinte einen wahrscheinlichen beruflichen Zusammenhang, obwohl er eine NASH, das bedeutet gerade eine nicht-alkoholische Fettleber, diagnostizierte. Er maß dem vom Kläger eingeräumten Alkoholkonsum damit keine wesentliche Bedeutung bei. Auch der Sachverständige G. hat unter der Annahme eines nur mäßigen Alkoholkonsums das Vorliegen einer BK oder Wie-BK verneint. Somit würde ein nachgewiesener Ausschluss eines „übermäßigen“ Alkoholkonsums keinen Erkenntnisgewinn bringen.
38 
Dies gilt auch für den Ausschluss anderer, neben einer beruflichen Belastung, in Betracht kommender Ursachen der NASH. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen beruflicher Exposition und Erkrankung positiv festgestellt werden muss (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Insbesondere gibt es keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache und einem rein zeitlichen Zusammenhang die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O.).
39 
Weitere Ermittlungen sind damit nicht veranlasst.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
41 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
19 
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
20 
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 22.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2010. Darin entschied die Beklagte ausschließlich über die Frage, ob sie bei Erlass des Bescheids vom 23.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2005 von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen war und deswegen zu Unrecht die Anerkennung einer BK oder Wie-BK abgelehnt hatte. Die Beklagte nahm diese Prüfung auf der rechtlichen Grundlage des § 44 SGB X vor. Dies zeigt nicht nur die von der Beklagten im Tenor des Bescheids vom 22.12.2009 verwandte Formulierung „ihr Antrag auf Neufeststellung bzw. Rücknahme (…) wird abgelehnt“, sondern folgt auch aus der Begründung dieses Bescheids sowie aus den Ausführungen des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2010. Damit prüfte die Beklagte neben § 44 SGB X nicht zusätzlich, unabhängig vom bestandskräftigen Bescheid im Sinne einer neuen originären Entscheidung, ob zwischenzeitlich eine BK oder Wie-BK - z.B. wegen späterer weiterer Expositionen oder wegen anderer Gesundheitsstörungen - eingetreten war. Zwar hatte der Kläger auf eine Veränderung seines Gesundheitszustands hingewiesen. Dies aber nur in Form einer Verschlimmerung des schon zuvor bekannten Leidens und nicht etwa im Hinblick auf den Hinzutritt einer neuen Erkrankung. Er selbst hatte ausdrücklich einen Antrag „auf der Grundlage von § 44 SGB X“ gestellt (Bl. 506 VA). In der Begründung des angefochtenen Bescheids vom 22.12.2009 brachte die Beklagte zum Ausdruck, dass die geltend gemachte Verschlimmerung der Erkrankung keinen Einfluss auf die hier allein streitige, schon im Bescheid vom 23.08.2005 vorgenommene Beurteilung des Ursachenzusammenhangs habe, traf also keine originäre neue Entscheidung.
21 
Grundsätzlich kann bei der Ablehnung der Feststellung einer BK ein Versicherter sein Begehren auf Feststellung einer BK - wie es der Kläger ausweislich des schriftsätzlich gestellten Antrages verfolgt - zwar im Wege einer Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG verfolgen (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2). Dies ist indessen im Rahmen eines so genannten Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X nicht möglich. Denn dieses Verfahren hat das Ziel, den bestandskräftigen, eine BK verneinenden Verwaltungsakt zu beseitigen, im Falle des entsprechenden Klageverfahrens die Beklagte zur Rücknahme dieses Verwaltungsaktes zu verurteilen. Bevor der bestandskräftige Ablehnungsbescheid aber nicht beseitigt ist, steht dieser - eben wegen seiner Bestandskraft - einer vom Kläger nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen eigentlich begehrten gegenteiligen Feststellung durch das Gericht entgegen. Damit beschränkt sich das Klagebegehren sachgerechterweise auf die Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides (ständige Rechtsprechung des Senats seit Urteil vom 27.04.2006, L 10 U 5290/03); diesen Antrag hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch gestellt.
22 
Die Beklagte hat zu Recht die Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Ablehnung der Feststellung der hier streitgegenständlichen BKen 1101, 1302, 1306 oder 1316 oder einer Wie-BK abgelehnt. Die folgt bereits aus der Tatsache, dass auf Grund des rechtskräftig gewordenen Urteils des Sozialgerichts Freiburg vom 24.03.2009 nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG zwischen den Beteiligten bindend feststeht, dass keine der eben genannten BKen und auch keine Wie-BK vorliegt. Im Übrigen kann sich auch der Senat - wie zuvor schon das SG - nicht davon überzeugen, dass bei Erlass des Bescheids vom 23.08.2005 das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde.
23 
Zunächst kann dahingestellt bleiben, ob sich die Prüfung des Anspruchs des Klägers auf eine Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Ablehnung nach § 44 Abs. 1 oder nach § 44 Abs. 2 SGB X zu richten hat. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass vom einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Da im bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 23.08.2005 hinsichtlich der jetzt vom Kläger zur Überprüfung gestellten Frage des Vorliegens einer BK an sich nicht über Leistungen entschieden wurde, könnten Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gesehen werden. Für die Anwendung dieser Regelung (so auch ohne weitere Problematisierung für die streitige Feststellung eines Arbeitsunfalls: BSG, Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 24/05 R in SozR 4 - 2700 § 8 Nr. 18) spricht jedoch, dass es bei der Feststellung einer BK letztendlich in der Regel doch (indirekt) um Leistungsansprüche geht. Zudem erscheint der die Feststellung einer BK begehrende potentielle Leistungsempfänger insoweit, als ihn § 44 Abs. 1 SGB X gegenüber dem alternativ in Betracht kommenden § 44 Abs. 2 SGB X privilegiert, schutzwürdig. Denn im Anwendungsbereich des Abs. 1 ist eine gebundene Entscheidung über die Korrektur mit Wirkung für die Vergangenheit zu treffen, während der Behörde im Anwendungsbereich des Abs. 2 ein Ermessensspielraum gewährt wird. Letztlich kann die Frage, ob Abs. 1 oder Abs. 2 des § 44 SGB X anzuwenden ist, offen bleiben, da auch nach § 44 Abs. 2 SGB X Voraussetzung wäre, dass der Bescheid vom 23.08.2005 rechtswidrig ist. Dies ist nicht der Fall.
24 
Regelungsgegenstand des Bescheides vom 23.08.2005 war die Ablehnung der Anerkennung der Lebererkrankung als BK 1101, 1302, 1306, 1316 bzw. als Wie-BK, also gerade jener BK, deren Anerkennung der Kläger über § 44 SGB X auch im vorliegenden Rechtsstreit erstrebt.
25 
Allerdings steht zwischen den Beteiligten rechtskräftig fest, dass keine der streitigen BKen beim Kläger vorliegt. Denn dasselbe Ziel - Feststellung, dass die Lebererkrankung eine BK 1101, 1302, 1306, 1316 hilfsweise eine Wie-BK ist - verfolgte der Kläger bereits im früheren Klageverfahren S 9 U 4946/05 mit der Feststellungsklage (so der damals in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht gestellte und im Urteil wiedergegebene Antrag). Diese Klage wurde vom Sozialgericht mit Urteil vom 24.03.2009 abgewiesen. Mit der Rücknahme der hiergegen eingelegten Berufung wurde dieses Urteil rechtskräftig.
26 
Mit der Abweisung einer auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichteten Klage steht das Gegenteil der begehrten Feststellung, nämlich das Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses fest (BGH, Urteil vom 16.01.2008, XII ZR 216/05 u.a. in juris). Auf Grund der Rechtskraftwirkung (vgl. § 322 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO -: Urteile sind der Rechtskraft... fähig, als ... über den Anspruch entschieden ist) ist dies - das Nichtbestehen des zur Feststellung begehrten Rechtsverhältnisses - auch für spätere Auseinandersetzungen zu berücksichtigen. Denn aus dem Lebenssachverhalt, der der (abgewiesenen) Feststellungsklage zu Grunde lag, kann wegen der Rechtskraftwirkung auch künftig nichts hergeleitet werden (BGH, a.a.O. für eine Leistungsklage nach rechtskräftig abgewiesener Feststellungklage).
27 
Im sozialgerichtlichen Verfahren gilt Gleiches. Denn auch hier binden gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG rechtskräftige Urteile die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Ein sozialgerichtliches Urteil über eine Klage auf Feststellung eines Versicherungsfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung (Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII) ist ebenfalls nicht nur der formellen, sondern auch der materiellen Rechtskraft fähig (BSG, Urteil vom 28.06.1984, 2 RU 64/83, u.a. in juris). Mit der rechtskräftigen Abweisung einer auf Feststellung gerichteten Klage ist somit auch im sozialgerichtlichen Verfahren das Gegenteil der begehrten Feststellung festgestellt (BSG a.a.O.: mit der Abweisung einer Klage auf Anerkennung von Wirbelsäulenbeschwerden als Folgen eines Arbeitsunfalles steht fest, dass die Wirbelsäulenbeschwerden keine Unfallfolgen sind). Dies bedeutet, dass mit Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts vom 24.03.2009, S 9 U 4846/05 über die Abweisung der Klage auf Feststellung der Lebererkrankung als BK Nr. 1101, 1302, 1306, 1316, hilfsweise als Wie-BK rechtskräftig und damit für die Beteiligten und den Senat verbindlich fest steht, dass es sich bei der Lebererkrankung des Klägers um weder eine BK Nr. 1101, 1302, 1306, 1316 noch um eine Wie-BK handelt.
28 
Diese Rechtskraftwirkung ist - anders als bei kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw. Leistungsklagen (s. hierzu Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 141 Rdnrn. 11 ff.) - nicht durch §§ 44 ff. SGB X „eingeschränkt“. Denn mit der Feststellungklage wird nicht über den Regelungsgegenstand eines (mit Verpflichtungs- bzw. Leistungsklage zum Erlass begehrten) Verwaltungsaktes über Ansprüche (z.B. auf bestimmte Leistungen, aber auch allgemein auf Anerkennung eines Versicherungsfalles oder von gesundheitlichen Folgen eines Versicherungsfalles, zum subjektiv öffentlichen Recht auf „Anerkennung“ s. BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, u.a. in juris), dessen Bestandkraft nach den §§ 44 ff. SGB X durchbrochen werden kann, sondern über das Rechtsverhältnis als solches entschieden. Dem entsprechend stellt sich die Rechtsposition der Beteiligten wegen der Rechtskraftwirkung gerichtlicher Feststellungsurteile im Gegensatz zur durchbrechungsfähigen Bindungswirkung feststellender oder eine Feststellung ablehnender Verwaltungsakte - was die Durchbrechungsfähigkeit anbelangt - anders dar (BSG, Urteil vom 27.04.2010, B 2 U 23/09 R und Urteile vom 09.11.2010, B 2 U 6/10 R und B 2 U 14/10 R, alle u.a. in juris, für Falle der Stattgabe der Feststellungsklage).
29 
Steht aber somit für die Beteiligten und den Senat verbindlich fest, dass es sich bei der Lebererkrankung des Klägers weder um eine BK Nr. 1101, 1302, 1306, 1316 noch um eine Wie-BK handelt, erweist sich der Bescheid vom 23.08.2005 über die Ablehnung einer Anerkennung der Lebererkrankung als eine solche BK als rechtmäßig. Folglich kann der Kläger auch nicht die Rücknahme dieses Bescheides nach § 44 SGB X verlangen.
30 
Im Übrigen geht der Senat wie die Beklagte und das Sozialgericht davon aus, dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Beklagte bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung vom 23.08.2005 das Recht unrichtig angewandt hatte - dies wird auch vom Kläger nicht behauptet - oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen war. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst Bezug auf die umfassenden und überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts im Urteil vom 24.03.2009, denen im Wesentlichen die auch aus Sicht des Senats schlüssigen Gutachten von Prof. Dr. T. und Dr. B. zu Grunde lagen. Neue Erkenntnisse, die die Gutachten der eben Genannten in Frage stellen würden, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nach der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme nicht ersichtlich.
31 
Es steht daher nach wie vor fest, dass der Kläger - so Dr. B. - an einer NASH bzw. - so der Sachverständige G. - an einer auf Grund der NASH zwischenzeitlich aufgetretenen Leberzirrhose leidet, wobei die Ätiologie (Ursache) der NASH unklar bleibt. U.a. Dr. B. legte insbesondere unter Hinweis auf den Verlauf der Erkrankung nachvollziehbar dar, dass die Erkrankung nicht hinreichend wahrscheinlich auf berufsbedingte Schadstoffexpositionen, die im Übrigen - was Dr. B. ebenfalls zutreffend darlegte und was er im Einzelnen begründete - nicht hinreichend nachgewiesen sind, zurückgeführt werden kann.
32 
Soweit der Kläger davon ausgegangen ist, Prof. Dr. Sch. habe im Arztbrief vom 22.01.2010 eine „Vergiftung durch äthylenhaltige Stoffe“, denen er beruflich ausgesetzt gewesen sei, beschrieben, hat sich diese Annahme als unzutreffend erwiesen. In seiner sachverständigen Zeugenaussage hat Prof. Dr. Sch. eindeutig klargestellt, dass in seinem Arztbrief vom Januar 2010 eine alkoholtoxische Verursachung gemeint war, die er im Arztbrief vom September 2010 zumindest noch als begleitende Komponente angesehen hat. In seiner Zeugenaussage vom November 2010 hat er unter Hinweis auf einen im Dezember 2009 gemessenen Blutalkoholwert von 2 ‰ sowie unter Bezugnahme auf eigene Angaben des Klägers eine alkoholtoxische - mithin nicht beruflich bedingte - Ursache der Leberzirrhose als wahrscheinlich angesehen. Die Untersuchungen durch Prof. Dr. Sch. habe somit keine neuen Erkenntnisse gebracht, die den von Prof. Dr. T. und Dr. B. nicht für ausreichend wahrscheinlich erachteten beruflichen Zusammenhang wahrscheinlicher machen würden. Wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt, ist vielmehr das Gegenteil der Fall. Die Ausführungen von Prof. Dr. Sch. zum schädlichen, bis zuletzt nicht eingestellten Alkoholkonsum lassen einen - so Dr. B. - möglichen aber nicht wahrscheinlichen beruflichen Zusammenhang sogar weiter in den Hintergrund rücken.
33 
Ähnliches gilt im Hinblick auf den vom Kläger beschriebenen und von Prof. Dr. Sch. und dem Sachverständigen G. bestätigten fortschreitenden Verlauf der Erkrankung mit einer inzwischen drastischen Verschlechterung des Allgemeinzustands. Gerade dieser Verlauf spricht - so Prof. Dr. Sch. und der Sachverständige G. ebenso wie Prof. Dr. T. und Dr. B. - gegen einen beruflichen Zusammenhang.
34 
Der auf Antrag des Klägers gehörte Sachverständige G. - gleichzeitig der Hausarzt des Klägers - hat im Ergebnis die Gutachten von Prof. Dr. T. und Dr. B. bestätigt. Er hat Kriterien aufgezeigt, die für einen beruflichen Zusammenhang sprechen (Schadstoffbelastung; erhöhte Leberwerte seit 1985, nachgewiesen seit 1995; schon früh Schwindel und dgl.; mit Ausnahme eines „mäßigen“ Alkoholkonsums keine anderen erkennbaren Ursachen), jedoch auch gegenteilige Kriterien (keine genaueren Nachweise zu den Schadstoffexpositionen; herrschende medizinische Lehrmeinung; Verlauf der Erkrankung) erwähnt. In der Zusammenschau hat auch er die genaue Ursache der Erkrankung für unklar gehalten. Soweit er „aus hausärztlicher Sicht“ die Anerkennung einer beruflich bedingten Schädigung für gerechtfertigt erachtet hat, hat er doch gleichzeitig klar bestätigt, dass die medizinischen und arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitgegenständlichen BKen nicht erfüllt sind. Auch das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung einer Wie-BK hat er verneint. Damit trägt auch sein Gutachten das Begehren des Klägers nicht, insbesondere belegt es in keiner Weise, dass die Beklage im Bescheid vom 23.08.2005 von einem unrichtigen Sachverhalt ausging.
35 
Im Hinblick auf die zuletzt vom Kläger als weiter klärungsbedürftig angesprochenen „Themenbereiche“ genetische Disposition, medizinischer Nachweis für den Ausschluss eines übermäßigen Alkoholkonsums sowie Nachweise und Bewertung für den Ausschluss anderer Ursachen als der Exposition von Lösemittelgemischen für seine Erkrankung ist zu ergänzen:
36 
Eine etwaige genetische Disposition würde eine berufliche Verursachung, bei ohnehin nicht nachgewiesenen arbeitstechnischen Voraussetzungen, nicht wahrscheinlicher machen.
37 
Dem Ausmaß des Alkoholkonsums ist nicht weiter nachzugehen. Dr. B. verneinte einen wahrscheinlichen beruflichen Zusammenhang, obwohl er eine NASH, das bedeutet gerade eine nicht-alkoholische Fettleber, diagnostizierte. Er maß dem vom Kläger eingeräumten Alkoholkonsum damit keine wesentliche Bedeutung bei. Auch der Sachverständige G. hat unter der Annahme eines nur mäßigen Alkoholkonsums das Vorliegen einer BK oder Wie-BK verneint. Somit würde ein nachgewiesener Ausschluss eines „übermäßigen“ Alkoholkonsums keinen Erkenntnisgewinn bringen.
38 
Dies gilt auch für den Ausschluss anderer, neben einer beruflichen Belastung, in Betracht kommender Ursachen der NASH. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen beruflicher Exposition und Erkrankung positiv festgestellt werden muss (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Insbesondere gibt es keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache und einem rein zeitlichen Zusammenhang die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O.).
39 
Weitere Ermittlungen sind damit nicht veranlasst.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
41 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Arbeitsunfalls streitig.

2

Die Klägerin pflegt ihre Mutter, K. N. (im Folgenden: K. N.), die seit 1.3.2005 Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I bezieht. Wegen Mobilitätseinschränkungen im Bereich des rechten Hüftgelenks sowie der Knie ist K. N. nach einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) das Gehen nur mit einer Gehstütze und das Treppensteigen nur mit Hilfe möglich. Praxisbesuche beim Arzt sind in Begleitung ca einmal monatlich notwendig. Der Hilfebedarf in der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung erfordert insgesamt 106 Minuten täglich. Ein Zeitaufwand für die Hilfe beim Treppensteigen sowie beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung wurde nicht berücksichtigt.

3

Nach der Rückkehr von einem Arztbesuch am 25.1.2007 in Begleitung der Klägerin verlor K. N. auf der Treppe zu ihrer Wohnungstür das Gleichgewicht. Sie stürzte die Treppe hinab und riss ihre Tochter mit sich. Dabei zog sich die Klägerin eine Fraktur des linken Knies zu. Der Beklagte lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall und eine Entschädigung ab, weil sich der Unfall nicht während einer versicherten Pflegetätigkeit ereignet habe (Bescheid vom 9.5.2007; Widerspruchsbescheid vom 14.9.2007).

4

Das SG Regensburg hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, den Unfall vom 25.1.2007 als Arbeitsunfall anzuerkennen und der Klägerin Leistungen zu gewähren (Urteil vom 27.4.2009). Das Bayerische LSG hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Unfall als Arbeitsunfall festgestellt wird (Urteil vom 8.12.2009). Die Klägerin sei nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII versichert gewesen. Sie habe den Unfall als Pflegeperson während der versicherten Pflegetätigkeit des Begleitens der Mutter nach einem für diese erforderlichen Arztbesuch erlitten. Es komme nicht darauf an, dass K. N. weniger als einmal wöchentlich einen Arzt aufsuchen müsse und der MDK einen Hilfebedarf beim Treppensteigen, beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung oder beim Begleiten zum Arzt nicht festgestellt habe. Das Begleiten zum Arzt habe überwiegend der Pflege gedient und sei damit unabhängig von den Voraussetzungen für die Zuordnung zu einer Pflegestufe unfallversicherungsrechtlich geschützt.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII. Die Vorschrift erfasse nur Pflegepersonen, die bei Pflegetätigkeiten im Rahmen der Pflegeversicherung handelten. Der als flankierende Maßnahme zur Pflegeversicherung eingeräumte Unfallversicherungsschutz erstrecke sich nicht auf Tätigkeiten außerhalb des nach der Pflegeversicherung berücksichtigungsfähigen Hilfebedarfs. Der in § 14 Abs 4 SGB XI aufgeführte Bereich der Mobilität umfasse nur Arztbesuche, die mindestens einmal wöchentlich anfielen. Unregelmäßige Hilfestellungen beim Arztbesuch seien für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit nicht relevant und damit unfallversicherungsrechtlich nicht geschützt.

6

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2009 und des Sozialgerichts Regensburg vom 27. April 2009 aufzuheben und die Klagen abzuweisen, soweit ein Arbeitsunfall festgestellt worden ist.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Versichert seien Tätigkeiten, die im wesentlichen Zusammenhang mit der Pflege ständen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Ablehnung des allein noch streitigen Anspruchs auf Feststellung eines Arbeitsunfalls im Bescheid des Beklagten vom 9.5.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.9.2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat am 25.1.2007 einen Arbeitsunfall erlitten.

10

Einer Sachentscheidung steht nicht entgegen, dass das LSG den erstinstanzlich zulässig gestellten Klageantrag der Klägerin ohne deren Anhörung unzulässig von Amts wegen eingeschränkt und den auf die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines Arbeitsunfalls gerichteten Urteilsausspruch des SG durch eine gerichtliche Feststellung dieses Arbeitsunfalls ersetzt hat. Dadurch ist wegen der Rechtskraftwirkung gerichtlicher Feststellungsurteile im Gegensatz zur durchbrechungsfähigen Bindungswirkung feststellender Verwaltungsakte auch die Rechtsposition des Beklagten verschlechtert worden. Da der Beklagte mit seiner Revision hierzu keine Rüge erhoben und die Klägerin keine Revision eingelegt hat, hatte das BSG gleichwohl nur über den Urteilsausspruch des LSG zu entscheiden.

11

Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall eines Versicherten ist danach im Regelfall erforderlich, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Tatbestandsvoraussetzung eines Arbeitsunfalls (vgl BSG vom 4.9.2007 - B 2 U 24/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 24 RdNr 9 mwN).

12

Die Tatbestandsmerkmale eines Arbeitsunfalls sind hier erfüllt. Die Klägerin hat durch den Sturz einen Unfall und infolgedessen eine Knieverletzung und damit einen Gesundheitsschaden erlitten. Sie war als Pflegeperson für K. N. nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII versichert. Die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses - das Begleiten ihrer Mutter nach deren Arztbesuch - gehörte zur versicherten Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift und stand daher mit ihr in einem sachlichen Zusammenhang.

13

Nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII sind Pflegepersonen iS des § 19 SGB XI bei der Pflege eines Pflegebedürftigen iS des § 14 SGB XI kraft Gesetzes versichert. Die danach versicherte Tätigkeit umfasst Pflegetätigkeiten im Bereich der Körperpflege und - soweit diese Tätigkeiten überwiegend Pflegebedürftigen zu Gute kommen - Pflegetätigkeiten in den Bereichen der Ernährung, der Mobilität sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die der Pflegestufe I zugeordnete K. N. ist pflegebedürftig iS des § 14 SGB XI. Die Klägerin ist Pflegeperson iS des § 19 SGB XI, denn sie pflegt ihre Mutter nicht erwerbsmäßig in deren häuslichen Umgebung. Dass der Umfang der Pflegetätigkeit 14 Wochenstunden nicht erreicht, ist insoweit unerheblich (BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 46/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 15 ff). Dem Status einer Pflegeperson steht auch nicht entgegen, dass die hier zu beurteilende Tätigkeit des Begleitens nach einem Arztbesuch außerhalb des häuslichen Bereichs der K. N. erbracht wurde (vgl BSG vom 22.8.2000 - B 2 U 15/99 R - SozR 3-2200 § 539 Nr 52 S 220 f).

14

Zur Zeit des Unfallereignisses ist die Klägerin auch einer der pflegebedürftigen Mutter überwiegend zu Gute gekommenen versicherten Pflegetätigkeit nachgegangen, indem sie K. N. auf dem Weg vom Arztbesuch zurück in deren Wohnung begleitet hat.

15

Versichert sind nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII ua Pflegetätigkeiten im Bereich der Mobilität. Insoweit ist der berücksichtigungsfähige Pflegebedarf auf die Verrichtungen des selbstständigen Aufstehens und Zu-Bett-Gehens, des An- und Auskleidens, des Gehens, Stehens, Treppensteigens oder des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung begrenzt (§ 14 Abs 4 Nr 3 SGB XI). Arztbesuche sind Verrichtungen, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig machen und deshalb bei der Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung grundsätzlich zu berücksichtigen sind (BSG vom 29.4.1999 - B 3 P 7/98 R - SozR 3-3300 § 14 Nr 10 S 74). Dass K. N. nicht wöchentlich einen Arzt aufsuchen muss und bei der Feststellung der Pflegestufe ein Hilfebedarf beim Treppensteigen sowie beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung nicht berücksichtigt worden ist, steht der Annahme einer versicherten Pflegetätigkeit nicht entgegen.

16

Es ist zutreffend, dass Verrichtungen, die seltener als zumindest einmal pro Woche anfallen, nicht zum berücksichtigungsfähigen Pflegeaufwand iS von § 15 SGB XI zählen(BSG vom 29.4.1999 - B 3 P 13/98 R - SozR 3-3300 § 14 Nr 11 S 84 mwN). Der Versicherungstatbestand des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII erstreckt sich indes nicht nur auf Pflegeleistungen bei Verrichtungen, für die im konkreten Einzelfall ein die Pflegestufe prägender Hilfebedarf angenommen worden ist. Eine solche Einschränkung ist weder aufgrund des Wortlauts noch des Zwecks des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII geboten. Versicherte Pflegetätigkeiten sind vielmehr Tätigkeiten, die unabhängig von der jeweiligen Pflegestufe als Pflegeleistungen zu qualifizieren sind, weil sie wegen eines Hilfebedarfs des Pflegebedürftigen bei einer der in § 14 Abs 4 SGB XI bezeichneten Verrichtungen erbracht werden. Diese Voraussetzungen lagen hier wegen der zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe erforderlichen Begleitung der Mutter der Klägerin vor.

17

Die Ansicht des Beklagten, nur solche Pflegeleistungen seien versichert, die bei der Zuordnung einer Pflegestufe angerechnet worden seien, findet im Gesetz keine Stütze.

18

Nach dem Gesetzestext des § 2 Abs 1 Nr 17 Halbs 1 SGB VII sind kraft Gesetzes Pflegepersonen bei der "Pflege" eines Pflegebedürftigen versichert. Der Begriff der "Pflege" wird weder durch das SGB VII noch das SGB XI legaldefiniert. Er wird durch § 2 Abs 1 Nr 17 Halbs 2 SGB VII in zweierlei Hinsicht einschränkend konkretisiert. Zum einen sind nur Pflegetätigkeiten iS des § 14 Abs 4 SGB XI, also in den Bereichen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung versichert. Zum anderen gilt dies ohne weitere Voraussetzungen lediglich für den Bereich der Körperpflege (§ 14 Abs 4 Nr 1 SGB XI). Die Tätigkeit einer Pflegeperson in den anderen in § 14 Abs 4 Nr 2 bis 4 SGB XI genannten Bereichen der Ernährung, der Mobilität sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung ist durch die gesetzliche Unfallversicherung hingegen nur geschützt, soweit sie überwiegend der pflegebedürftigen Person zu Gute kommt. Eine Akzessorietät zwischen den Voraussetzungen der Unfallversicherungspflicht auf der einen und den Voraussetzungen für die Zuordnung zu einer den Umfang der Pflegeversicherungsleistungen bestimmenden Pflegestufe ist dem Wortlaut des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII nicht zu entnehmen. Eine Einschränkung regelt die Vorschrift nur insoweit, als Pflegeleistungen außerhalb der bezeichneten Bedarfsbereiche überhaupt nicht und außerhalb des Bereichs der Körperpflege nur solche Verrichtungen versichert sind, die überwiegend dem insoweit hilfebedürftigen Pflegebedürftigen zu Gute kommen.

19

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Bezugnahme in § 2 Abs 1 Nr 17 Halbs 2 SGB VII auf § 14 Abs 4 SGB XI. Nach der zuletzt genannten Vorschrift zählen zu den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen iS des § 14 Abs 1 SGB XI im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung (Nr 1), im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung (Nr 2), im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen oder Wiederaufsuchen der Wohnung (Nr 3) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen (Nr 4). Sie bezeichnet lediglich diejenigen Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, die bei der Begutachtung und Abstufung der Pflegebedürftigkeit zu berücksichtigen sind und schließt damit die Heranziehung anderer Bedarfsbereiche bei der Feststellung von Pflegebedürftigkeit aus (vgl BT-Drucks 12/5262 S 96 zu § 12 Abs 4). Eine Regelung, dass diese berücksichtigungsfähigen Verrichtungen nur dann bei der Bemessung des Pflegebedarfs heranzuziehen sind, wenn sie mindestens einmal wöchentlich anfallen, enthält sie nicht.

20

§ 14 Abs 4 SGB XI stellt einen Katalog derjenigen Verrichtungen auf, die der Gesetzgeber als regelmäßig wiederkehrend ansieht, ohne zugleich an das Erfordernis eines bestimmten Zeitabstands anzuknüpfen. Dass nur solche Verrichtungen bei der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit zu berücksichtigen sind, bei denen zumindest einmal pro Woche ein Hilfebedarf entsteht, ist vielmehr in § 15 Abs 3 SGB XI geregelt. Nach dieser Bestimmung ist aus dem für die erforderliche Pflege in der Woche entstehenden Zeitaufwand der Tagesdurchschnitt zu ermitteln. Nur diese Bestimmung schließt es aus, bei der Feststellung des zeitlichen Pflegebedarfs auch Verrichtungen einzubeziehen, die seltener als zumindest einmal wöchentlich anfallen (vgl BSG vom 29.4.1999 - B 3 P 13/98 R - SozR 3-3300 § 14 Nr 11 S 84 mwN). Sie legt fest, welche Pflegeleistung bei der Bemessung des nach § 14 Abs 1 SGB XI erforderlichen Hilfebedarfs "in erheblichem oder höherem Maße" und bei der Zuordnung zu einer Pflegestufe zu berücksichtigen ist. Auf sie nimmt § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII deshalb sachlich begründet keinen Bezug.

21

Eine Kongruenz zwischen den Voraussetzungen für die Zuordnung zu einer Pflegestufe und denjenigen einer unfallversicherten Pflegetätigkeit ist auch nicht aus dem Zweck des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII abzuleiten. Die nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen sind zwar im Zusammenhang mit der Einführung der Sozialen Pflegeversicherung mit Wirkung vom 1.4.1995 durch das Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz - PflegeVG) vom 26.5.1994 (BGBl I 1014) in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen worden. Die Begründung zum Entwurf dieses Gesetzes der Fraktionen der CDU/CSU und FDP enthält aber keinen Hinweis darauf, dass im Rahmen des durch Art 7 Nr 1 PflegeVG neu geschaffenen § 539 Abs 1 Nr 19 RVO, der inhaltlich § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII entspricht, nur Pflegetätigkeiten geschützt sein sollten, die mindestens einmal wöchentlich anfallen und daher bei der Bemessung des Hilfebedarfs Berücksichtigung finden. Nach den Gesetzesmaterialien sollen Pflegepersonen zur Verbesserung ihrer sozialen Sicherung "bei der Pflege" von Pflegebedürftigen vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst werden und dient der Hinweis auf die in § 14 Abs 4 SGB XI genannten Verrichtungen der Abgrenzung der Pflegetätigkeiten in häuslicher Umgebung von allgemeinen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten(vgl BT-Drucks 12/5262 S 161 zu Art 6). Dass nur Pflegetätigkeiten wegen eines mindestens wöchentlich auftretenden Hilfebedarfs versichert sein sollen, bringt auch der Gesetzesentwurf nicht zum Ausdruck.

22

Eine solche Einschränkung wird auch nicht in der Begründung des Entwurfs zum PflegeVG der Fraktion der SPD deutlich. Danach erstreckt sich der Unfallversicherungsschutz vielmehr auf alle Tätigkeiten, die im wesentlichen Zusammenhang mit der Pflege stehen (vgl BT-Drucks 12/1156 S 41 zu Art 6). Etwas anderes ergibt sich nicht aus der vom Beklagten angeführten Begründung der Bundesregierung im Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das SGB, wonach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII Pflegepersonen bei Pflegetätigkeiten im Rahmen der Pflegeversicherung erfasst(vgl BT-Drucks 13/2204 S 75). Sie lässt ebenfalls nicht erkennen, dass es für den Versicherungsschutz von Pflegepersonen nicht nur auf das Erbringen einer vom Pflegebedürftigen benötigten Pflegeleistung, sondern auch auf deren Häufigkeit ankommen soll.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. April 2010 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 2. Dezember 2008 zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist zwischen den Beteiligten die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

2

Der 1976 geborene Kläger war als Verwaltungsangestellter im Außendienst bei der Stadt L. beschäftigt, um den ruhenden Verkehr zu überwachen, und wohnte in der sog H.-Siedlung in L.-A.

3

Am Nachmittag des 31.3.2006 erhielt der Kläger, der seinen Dienst um 12.00 Uhr angetreten hatte, an seinem Einsatzort in L.-Süd die telefonische Nachricht, dass er auf dienstliche Anweisung zusammen mit seinem Kollegen L. zunächst den Theaterparkplatz in L.-Mitte überwachen und anschließend in der H.-Siedlung in L.-A. parkende Lastkraftwagen kontrollieren sollte. Der Kläger fuhr mit seinem privaten Pkw zum T.-Parkplatz in L.-Mitte, stellte sein Fahrzeug ab und nahm die Überwachungstätigkeit auf. Er vereinbarte mit seinem Kollegen, dass er seine Pause, die 30 Minuten betrug, dafür nutzen wolle, zu der in der Innenstadt gelegenen Werkstatt zu fahren, in der sich sein Motorrad zur Wartung befand. Der Kläger wollte dort nachfragen, ob die Wartung abgeschlossen sei.

4

Nachdem er und sein Kollege die Überwachungstätigkeit auf dem T.-Parkplatz gegen 16.30 Uhr beendet hatten, fuhren sie im Pkw des Kollegen zur Werkstatt. Die Wartung des Motorrads war abgeschlossen. Der Kläger vereinbarte mit seinem Kollegen, dass er mit dem Motorrad zu der in der H.-Siedlung gelegenen Wohnung des Klägers fahren sollte, damit der Kläger sein Motorrad dort abstellen konnte und um von dort aus die Ermittlungen aufzunehmen. Der Kollege sollte mit seinem Pkw dorthin kommen.

5

Gegen 16.40 Uhr trat der Kläger mit dem Motorrad die Fahrt von der Werkstatt in Richtung L.-A. an. Er befuhr die A. Straße in Richtung L.-A., als er gegen 16.48 Uhr mit einem in diese Straße einbiegenden Fahrzeug kollidierte. Dabei zog er sich eine Beckenring- und Oberschenkelfraktur zu.

6

Die Stadt L. meldete den Unfall dem Rechtsvorgänger der Beklagten, dem Gemeindeunfallversicherungsverband Westfalen-Lippe. Mit Bescheid vom 26.6.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2007 wurde die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe sein Motorrad in der Arbeitspause von der Werkstatt zu seiner Wohnung bringen wollen. Diese private Tätigkeit sei unversichert. Dass der sich anschließende Weg zum nächsten Einsatzort nicht mehr so weit gewesen sei, begründe keinen Versicherungsschutz.

7

Das SG hat die Klage, die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Arbeitsunfalls gerichtet war, mit Urteil vom 2.12.2008 abgewiesen.

8

Das LSG Nordrhein-Westfalen hat das Urteil des SG geändert und entsprechend dem im Berufungsverfahren geänderten Antrag des Klägers unter Aufhebung der angefochtenen Ablehnungsentscheidung festgestellt, dass der Unfall vom 31.3.2006 ein Arbeitsunfall ist. Die zum Unfall führende Fahrt habe nicht trennbar sowohl unversicherten privaten als auch versicherten Zwecken gedient. Als sog gemischte Tätigkeit habe die Fahrt unter Versicherungsschutz gestanden, weil sie auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck - das Nach-Hause-Bringen des Motorrads - entfallen wäre. Wäre das Motorrad nicht in der Werkstatt gewesen, wäre der Kläger nach der Pause mit dem Kollegen in dessen Privat-Pkw zum nächsten Einsatzort gefahren. Der Kläger sei arbeitsrechtlich nicht gehalten gewesen, seine Dienstfahrten in einer bestimmten Weise - zB zusammen mit dem Kollegen oder mit einem Pkw - zurückzulegen. Er hätte vom Einsatzort in L.-Stadtmitte bei Wahl der kürzesten Wegstrecke über die A. Straße zu seinem neuen Einsatzort gelangen müssen.

9

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und die Verletzung von § 8 SGB VII gerügt. Die unfallbringende Fahrt habe nicht im erforderlichen sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Überwachungstätigkeit gestanden. Der Kläger habe die versicherte Tätigkeit vorerst beendet gehabt und sich durch das rein privatwirtschaftliche Aufsuchen der Werkstatt in seiner Pause von der betrieblichen Tätigkeit gelöst. Der Weg ab der Werkstatt sei maßgeblich von den eigenwirtschaftlichen Interessen des Klägers - Verbringung des Motorrads zur Wohnung - geprägt, denn für die Wahl des Zeitpunkts und des Verkehrsmittels seien andere Gründe maßgebend gewesen als die Absicht, den nächsten Ort der Tätigkeit zu erreichen. Aus Sicht eines unbeteiligten Dritten sei das Aufsuchen der Werkstatt, die Auslösung des Motorrads und dessen Verbringung an den Wohnort eine einheitliche, eigenwirtschaftliche Handlung. Die reine Streckenidentität mit dem Weg zwischen den Einsatzgebieten genüge nicht zur Begründung von Versicherungsschutz, der auch nicht nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII oder § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII in Betracht komme.

10

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.4.2010 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG Dortmund vom 2.12.2008 zurückzuweisen.

11

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Er sei nur mit dem Motorrad nach L.-A. gefahren, weil es sich wegen des in der Nähe seiner Wohnung gelegenen Einsatzortes angeboten habe und nicht, weil er das Motorrad "zu sich nach Hause bringen wollte". Mit Antritt der Fahrt ab der Werkstatt habe er nach außen erkennbar seinen Dienst wieder angetreten.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG begründet, denn das LSG hat zu Unrecht das klageabweisende Urteil des SG geändert und unter Aufhebung des Bescheides vom 26.6.2007 idF des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2007 einen Arbeitsunfall festgestellt.

14

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG den Antrag einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG gestellt. Das LSG hat sachlich über diesen Klageantrag entschieden und so den Übergang des Klägers von einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf eine Anfechtungs- und Feststellungsklage im Berufungsverfahren bindend zugelassen (§ 153 Abs 1 SGG iVm § 99 Abs 4 SGG; vgl BSGE 48, 159, 162; BSG vom 4.5.1999 - B 2 U 89/98 B; Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl 2008 § 99 RdNr 15). Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage erweist sich als zulässig. Denn die grundsätzliche prozessrechtliche Nachrangigkeit der Feststellungsklage steht der Zulässigkeit der mit der Anfechtungsklage verbundenen Feststellungsklage nach ständiger Rechtsprechung des Senats in Fällen der vorliegenden Art nicht entgegen (vgl BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 23/09 R - Juris RdNr 9; BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 46/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 4 f; Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25 RdNr 8). Begehrt der Versicherte allein die von dem Unfallversicherungsträger abgelehnte Feststellung des Vorliegens eines Versicherungsfalls, kann er durch die Verbindung einer Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage ggf unmittelbar eine gerichtliche, von der Verwaltung nicht mehr beeinflussbare Feststellung erlangen.

15

Entgegen der Entscheidung des LSG war der Unfall des Klägers vom 31.3.2006 kein Arbeitsunfall nach § 8 SGB VII.

16

Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl ua BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196, 198 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 10 mwN; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN).

17

Der Kläger war zwar zur Zeit des Unfallereignisses Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII und hat am 31.3.2006 einen Unfall mit der Folge eines Gesundheitsschadens erlitten.

18

Dieser Unfall ist jedoch kein Arbeitsunfall, da die vom Kläger im Zeitpunkt des Unfallereignisses ausgeübte Verrichtung - die Motorradfahrt von der Werkstatt zur eigenen Wohnung in der H.-Siedlung - nicht im inneren bzw sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden hat. Es handelt sich weder um eine versicherte Tätigkeit nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII (dazu sogleich unter 1.) noch um das Zurücklegen eines mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wegs nach oder von dem Ort der Tätigkeit nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII (dazu unter 2.) noch um ein mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängendes Verwahren, Befördern, Instandhalten oder Erneuern eines Arbeitsgeräts nach § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII (dazu unter 3.).

19

1. Mit der Motorradfahrt zum Unfallzeitpunkt erfüllte der Kläger keine arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenpflicht, die ihm als Verwaltungsangestellten zur Kontrolle des ruhenden Verkehrs oblag, insbesondere legte er keinen Betriebsweg zurück, der Teil der versicherten Tätigkeit iS von § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII wäre.

20

Ein Betriebsweg unterscheidet sich von anderen Wegen dadurch, dass er im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und nicht - wie Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit iS von § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII - der versicherten Tätigkeit lediglich vorausgeht oder sich ihr anschließt(vgl hierzu BSG Urteil vom 12.1.2010 - B 2 U 35/08 R - Juris RdNr 16). Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ist die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten, ob also der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (vgl BSG vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 19 RdNr 14). Als objektive Umstände, die Rückschlüsse auf die Handlungstendenz zulassen, ist beim Zurücklegen von Wegen insbesondere von Bedeutung, ob und inwieweit Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und ggf das gewählte Verkehrsmittel durch betriebliche Vorgaben geprägt werden.

21

Die Motorradfahrt als konkrete Verrichtung des Klägers zum Zeitpunkt des Unfallereignisses, die nach den Feststellungen des LSG zugleich betrieblichen und privaten Zwecken dienen sollte, beruhte angesichts der objektiven Umstände nicht auf der vom LSG bindend festgestellten betrieblichen Handlungstendenz.

22

Der Kläger verrichtete keine "gemischte Tätigkeit", da diese zumindest zwei gleichzeitig ausgeübte untrennbare Verrichtungen voraussetzt, von denen (wenigstens) eine im sachlichen Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit steht, während die Motorradfahrt des Klägers eine einzige Verrichtung war. Denn eine "Verrichtung" ist nur ein konkretes, also auch räumlich und zeitlich bestimmtes Verhalten, das seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist. Die Motorradfahrt ist aus Sicht eines objektiven Betrachters eine einzige einheitliche Verrichtung, selbst wenn sie unterschiedlichen Zwecken dient. Die Motorradfahrt ist die konkrete Verrichtung, durch die der Kläger von der Werkstatt aus sein Motorrad zur Wohnung fahren und selbst zum nächsten Einsatzort gelangen wollte. Deswegen kann die konkrete Verrichtung des Klägers zum Unfallzeitpunkt entgegen der Formulierung im LSG-Urteil nicht abstrakt als "Fahrt" bezeichnet werden ohne Angabe des Fortbewegungsmittels. Eine "Fahrt" ohne Verkehrsmittel ist nicht möglich, sodass schon die Definition der zum Unfallzeitpunkt vorgenommenen konkreten Verrichtung des Klägers die Angabe eines Transportmittels voraussetzt.

23

Die Motorradfahrt zur klägerischen Wohnung war eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz bzw mit gemischter Motivationslage (vgl BSG vom 12.5.2009 - B 2 U 12/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 33 RdNr 16), denn sie erfolgte sowohl mit privatwirtschaftlicher als auch mit betrieblicher Handlungstendenz. Eine betriebliche, den sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit begründende Handlungstendenz des Beschäftigten liegt vor, wenn er den Willen hat, durch die Verrichtung eine seiner Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen oder die Erfüllung von Vor- und Nachbereitungshandlungen, die das Gesetz versichert, zu ermöglichen, zu fördern oder zu sichern. Nach den Feststellungen des LSG hatte der Kläger zwei Ziele. Er wollte zwecks Wiederaufnahme seiner Beschäftigung weisungsgemäß seinen nächsten Einsatzort erreichen, also den Weg auch als "Betriebsweg" zurücklegen (betriebliche Handlungstendenz) und er wollte sein Motorrad an seiner Wohnung abstellen (privatwirtschaftliche Handlungstendenz). Bei der "Handlungstendenz" handelt es sich um eine sog innere Tatsache. Daher sind diese von der Beklagten nicht gerügten Feststellungen des LSG für den Senat bindend.

24

Eine solche Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht dann im inneren bzw sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre (vgl BSG vom 12.5.2009 - B 2 U 12/08 R - aaO), wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet. Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenzen, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt. Die Ausführungen des LSG darüber, was vermutlich geschehen wäre, wenn der Kläger zur Unfallzeit nicht mit seinem Motorrad von der Werkstatt zu seiner Wohnung gefahren wäre, enthalten keine maßgeblichen Tatsachenfeststellungen. Denn sie befassen sich mit hypothetischen Geschehensabläufen außerhalb der konkreten Verrichtung "Motorradfahrt", die als nicht erfolgte Ereignisse keine (feststellbaren) Tatsachen sind.

25

Nach den objektiven Umständen lässt die tatsächlich erfolgte Motorradfahrt des Klägers von der Werkstatt zur Wohnung einen sachlichen Zusammenhang mit der verrichteten Tätigkeit, hier zB sich zum nächsten Einsatzgebiet zu begeben, nicht deutlich werden. Der betriebliche Zweck, sich (von einem) zum nächsten Einsatzgebiet zu begeben, vermag nach den objektiven Umständen nicht zu erklären, dass die Fahrt an der Werkstatt beginnt, dass als Ziel im nächsten Einsatzgebiet gerade die Wohnung des Klägers gewählt worden ist und die Fahrt auf dem Motorrad erfolgt anstatt einer Fahrt mit dem eigenen Pkw oder einer Fahrt als Beifahrer im Pkw des Kollegen. Vorliegend wurden Ausgangsort, Ziel und das genutzte Verkehrsmittel nicht durch betriebliche Erfordernisse bestimmt, sondern finden ihren Grund in der privaten Motivation des Klägers, sein Motorrad von der Werkstatt zur eigenen Wohnung zu fahren.

26

In rechtlicher Wertung sprach nichts dafür, dass die berufliche Handlungstendenz, die private Motivation weggedacht, zu der unfallbringenden Motorradfahrt des Klägers geführt hätte. Ohne die private Motivation, das Motorrad von der Werkstatt zur Wohnung zu fahren, wäre insbesondere nicht das Motorrad als Verkehrsmittel gewählt worden und die konkrete, zum Unfallzeitpunkt ausgeübte Verrichtung - nämlich die Motorradfahrt auf der A. Straße in Richtung der Wohnung - wäre nicht erfolgt. Das Führen eines Motorrads ist objektiv eine andere Verrichtung als eine Fahrt mit dem eigenen Pkw oder als Beifahrer im Pkw des Kollegen.

27

Dass der Kläger aus arbeitsrechtlicher Sicht sein privates Motorrad für dienstliche Fahrten nutzen durfte, vermag keinen inneren bzw sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit mit solchen Motorradfahrten des Klägers zu begründen, die nach dem oben dargelegten Maßstab für die Ermittlung der objektivierten Handlungstendenz bei gemischter Motivationslage gerade nicht auf einer objektivierten betrieblichen Handlungstendenz beruhen.

28

Eine den inneren bzw sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit begründende objektivierte betriebliche Handlungstendenz des Klägers kann nicht daraus gefolgert werden, dass sich der Unfall an einer Stelle ereignet hat, die der Kläger mutmaßlich passiert hätte, wenn er eine Fahrt von einem zum anderen Einsatzgebiet zurückgelegt hätte.

29

Zutreffend hat die Revisionsklägerin darauf hingewiesen, dass reine Streckenidentität einer mit privater Handlungstendenz erfolgten Motorradfahrt mit einer möglichen, tatsächlich aber nicht erfolgten betrieblich veranlassten (Pkw-)Fahrt, die mutmaßlich (oder möglicherweise) an Stelle der Motorradfahrt getreten wäre, keinen inneren bzw sachlichen Zusammenhang der durchgeführten Motorradfahrt als konkrete Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit begründen kann (vgl auch BSG vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 19 RdNr 15).

30

2. Die Motorradfahrt des Klägers als Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses war auch keine versicherte Tätigkeit iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII.

31

Danach sind versicherte Tätigkeiten das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 und 6 SGB VII zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Begründet wird dieser Versicherungsschutz damit, dass diese Wege nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf die versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 13; BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29 RdNr 21). Sie erfolgen entweder mit der Handlungstendenz, sich aus dem privaten Bereich in den betrieblichen Bereich (Weg zu dem Ort der Tätigkeit) oder sich aus dem betrieblichen Bereich zurück in den privaten Bereich zu begeben (Weg von dem Ort der Tätigkeit). Der Kläger hat mit der Motorradfahrt keinen unmittelbaren Weg von oder zu dem Ort der Tätigkeit zurückgelegt. Wie bereits dargelegt, fehlte der Verrichtung bei gemischter Motivationslage eine objektivierte betriebliche Handlungstendenz. Außerdem war Ausgangsort der konkreten Motorradfahrt kein Ort der Tätigkeit als Angestellter der Verkehrsüberwachung, sondern die aus privaten Gründen aufgesuchte Werkstatt, und deren Endpunkt die private Wohnung.

32

3. Das Motorrad war ferner kein Arbeitsgerät iS von § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII, denn es war nicht dazu bestimmt, hauptsächlich der Tätigkeit im Unternehmen zu dienen(vgl BSG vom 12.5.2009 - B 2 U 12/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 33 RdNr 28 mit Verweis auf BSG vom 23.2.1966 - 2 RU 45/65 - BSGE 24, 243, 246).

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.