Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 07. Feb. 2018 - L 2 SO 4444/17

bei uns veröffentlicht am07.02.2018

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7. November 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Streitig ist die Gewährung eines Mehrbedarfs gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe - (SGB XII) für den Zeitraum 1. August 2016 bis 30. Juni 2017 auf Grund rückwirkender Feststellung des Merkzeichens G durch das Versorgungsamt.
Die am ... April 1958 geborene Klägerin ist schwerbehindert. Sie bezieht Rente wegen voller Erwerbsminderung seit dem 1. August 2016; daneben bezog die Klägerin auch vom 1. August 2016 bis 30. Juni 2017 ergänzende Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherung bei Erwerbsminderung, Änderungsbescheid vom 31. August 2016, Änderungsbescheid vom 10. März 2017, Änderungsbescheid vom 10. März 2017). Dabei wurde ausgehend vom geltenden Regelbedarf und den Kosten der Unterkunft und Heizung und zu berücksichtigendem Einkommen der Klägerin (Rente wegen Erwerbsminderung) ihr Leistungsanspruch berechnet, wobei jedoch ein Mehrbedarf in Folge einer Einschränkung des Gehvermögens (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII) nicht berücksichtigt wurde. Hierzu wurde auch keine Aussage gemacht.
Im Juli 2017 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und teilte mit, dass das Sozialgericht Mannheim (SG, Aktenzeichen: S 12 SB 632/15) das Land Baden-Württemberg in einem Schwerbehindertenstreitverfahren im September 2016 verurteilt hätte, dass Merkzeichen G festzustellen. Gegen diese Entscheidung sei vom Landesversorgungsamt Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (Aktenzeichen: L 8 SB 3876/16) eingelegt worden. Mittlerweile habe das Landesversorgungsamt diese Berufung jedoch mit Schriftsatz vom 10. Juli 2017 zurückgenommen. In der diesbezüglichen versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 4. Juli 2017 habe Dr. W. die Voraussetzungen für das Merkzeichen G schon ab dem 28. Oktober 2014 bestätigt. Die Klägerin legte im Weiteren den Bescheid der Versorgungsverwaltung vom 7. August 2017 sowie den dazugehörigen Schwerbehindertenausweis vor, wonach der Grad der Behinderung (GdB) für die Zeit seit dem 28. Oktober 2014 auf 90 v.H. erhöht worden ist. Zudem stellte das Versorgungsamt hierin - ebenfalls zum 28. Oktober 2014 - eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G) förmlich fest.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2017 erhöhte die Beklagte die laufenden Sozialhilfeleistungen der Klägerin ab dem Monat August 2017 (bei unveränderten Verhältnissen befristet bis zum 31. Juli 2018) um den Mehrbedarfszuschlag bei Merkzeichen G (62,56 EUR monatlich auf 484,18 EUR). Mit einem weiteren Bescheid vom 3. August 2017 nahm die Beklagte auch für den Monat Juli 2017 eine entsprechende Leistungserhöhung vor (monatlicher Leistungsbetrag 486,52 EUR).
Gegen den Bescheid vom 27. Juli 2017 erhob die Klägerin am 2. August 2017 Widerspruch, den sie mit Schreiben vom 4. August 2017 auch auf den Bescheid vom 3. August 2017 bezog und trug zur Begründung vor, die Voraussetzungen für den Mehrbedarfszuschlag (Merkzeichen G) seien doch bereits ab dem 28. Oktober 2014 faktisch erfüllt. Zudem sei das Land Baden-Württemberg vom SG bereits am 14. September 2016 entsprechend verurteilt worden.
Mit Bescheid vom 10. August 2017 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfszuschlags im Hinblick auf das Merkzeichen G für die Zeit vor dem 1. Juli 2017 ab. Der Mehrbedarfszuschlag könne nur und erst ab dem Zeitpunkt gewährt werden, ab dem ein entsprechender Bescheid bzw. Schwerbehindertenausweis des Versorgungsamtes vorliege. Alleine der Umstand, dass der betreffende Nachteilsausgleich von der Versorgungsverwaltung rückwirkend gewährt worden sei, sei zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nicht ausreichend.
Am 16. August 2017 erhob die Klägerin auch gegen den Bescheid vom 10. August 2017 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2017 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück.
Die Klägerin hat am 29. August 2017 beim SG Klage erhoben und vorgetragen, das Land Baden-Württemberg sei schon im September 2016 verurteilt worden, das Merkzeichen G festzustellen. Nachdem das Landesversorgungsamt seine gegen das Urteil des SG gerichtete Berufung zurückgenommen habe, sei ihr rückwirkend zum 28. Oktober 2014 ein entsprechender Bescheid bzw. Schwerbehindertenausweis ausgehändigt worden. Sie sei nicht damit einverstanden, dass der gesetzliche Mehrbedarfszuschlag erst für die Zeit ab dem 1. Juli 2017 berücksichtigt worden sei. Sie gehe davon aus, dass sie ab dem Gültigkeitsdatum ihres diesbezüglichen Schwerbehindertenausweises, also 28. Oktober 2014 einen entsprechenden Leistungsanspruch habe.
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Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat die Auffassung vertreten, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Mehrbedarfszuschlag bei Merkzeichen G erst zum 1. Juli 2017 erfüllt seien. Der diesbezügliche Anspruch setze voraus, dass zum Nachweis des Merkzeichens G ein entsprechender Bescheid des Versorgungsamtes oder ein entsprechender Schwerbehindertenausweis vorgelegt werde. Dies sei hier erst zum 1. Juli 2017 möglich gewesen. Allein der Umstand, dass die Versorgungsverwaltung den betreffenden Nachteilsausgleich rückwirkend festgestellt habe, reiche nicht aus.
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Mit Urteil vom 7. November 2017 hat das SG die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 27. Juni 2017 und vom 3. August 2017 und unter Aufhebung des Bescheids vom 10. August 2017 - jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. August 2017 - verurteilt, bei den bewilligten Sozialhilfeleistungen rückwirkend ab dem 1. August 2016 den Mehrbedarfszuschlag bei Merkzeichen G zu berücksichtigen, der Klägerin deshalb höhere Leistungen zu gewähren und die dem entgegen stehenden Bescheide (Bescheide vom .31. August 2016 und vom 10. März 2017) zurückzunehmen bzw. abzuändern. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Bei sachdienlicher Auslegung des Klagebegehrens ergebe sich, dass die Klägerin der Sache nach im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Korrektur der bereits bestandskräftig gewordenen Bescheide für den Zeitraum ab Leistungsbeginn (1. August 2016) bis zum 30. Juni 2017 anstrebe, damit ihr rückwirkend der Mehrbedarfszuschlag beim Merkzeichen G gewährt werden könne. Ab 1. August 2016 habe die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung des streitigen Mehrbedarfszuschlags. Die Feststellung seitens des Versorgungsamtes über das Vorliegen des Nachteilsausgleichs G entfalte für den Sozialhilfeträger im Hinblick auf den Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII Tatbestandswirkung. Mit der Feststellung des Versorgungsamtes stehe auch fest, dass die Klägerin die materiellen Voraussetzungen dieses Mehrbedarfs bereits seit dem 28. Oktober 2014 erfülle. Nach Auffassung des Gerichts sei es daher geboten, insoweit im Rahmen des nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X beruhenden Überprüfungsverfahrens eine Korrektur der bestandskräftigen Bewilligungsbescheide vorzunehmen und der Klägerin diesen Mehrbedarf grundsätzlich rückwirkend zu gewähren. Dem stehe nicht entgegen, dass § 30 Abs. 1 SGB XII voraussetze, dass die betreffenden Sozialhilfebezieher die Voraussetzungen (Feststellung des Merkzeichen G) gegenüber dem Sozialamt durch einen Schwerbehindertenausweis oder einen entsprechenden Feststellungsbescheid des Versorgungsamts nachwiesen. Hieraus könne nicht abgeleitet werden, dass die sozialhilferechtliche Berücksichtigung dieses Mehrbedarfs erst ab dem Zeitpunkt möglich sei, ab dem die entsprechenden Nachweise dem Sozialamt vorgelegen hätten. Denn im Rahmen seiner Rechtsprechung zur Anwendung von § 44 Abs. 1 SGB XII im Rahmen der Sozialhilfe habe das Bundessozialgericht (BSG) mittlerweile mehrfach ausgesprochen, dass der Grundsatz keine Hilfe für die Vergangenheit die nachträgliche Gewährung von Sozialhilfe dann nicht ausschließe, wenn sich die (vergangene) ungedeckte Bedarfslage auf einen pauschalierten Bedarf beziehe und die Hilfebedürftigkeit bis zur Antragstellung nach § 44 Abs. 1 SGB X ohne Unterbrechungen angedauert habe. Da der Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII die Funktion einer Pauschalierung habe und vorliegend ein Bedarfswegfall nicht ersichtlich sei, sei der streitige Mehrbedarf unter Berücksichtigung von § 116 a SGB XII auch für die Vergangenheit zu berücksichtigen. Das § 30 Abs. 1 SGB XII den Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen durch die Vorlage eines Schwerbehindertenausweises bzw. eines entsprechenden Bescheides der Versorgungsverwaltung erfordere, stehe dem nicht entgegen. Hieraus könne bei strenger Betrachtung nicht abgeleitet werden, dass die rückwirkende Anerkennung dieses Mehrbedarfs ausgeschlossen sei. Vielmehr könne der entsprechende Nachweis auch nachträglich geführt werden. Im Übrigen müsse beachtet werden, dass der Kenntnisnahmegrundsatz (§ 18 Abs. 1 SGB XII) bei der hier zur Diskussion stehenden Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII schon nach dem Gesetzeswortlaut keine Anwendung finde, denn § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB XII stelle insoweit für den Leistungsbeginn auf den Antragsmonat ab. Die Antragstellung umfasse nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung auch einen etwaige Mehrbedarf. Im Übrigen ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck von § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII, dass der Besitz bzw. das Innehaben des Schwerbehindertenausweises bzw. des maßgeblichen Feststellungsbescheids ein unerlässlicher materiell-rechtlicher Teil der Tatbestandsvoraussetzungen des Mehrbedarfs sei (so aber Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18. September 2013 - L 2 SO 404/13 - ; ähnlich Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Mai 2014 - L 9 SO 55/14 B). Vielmehr fordere der Gesetzeswortlaut lediglich den Nachweis des Merkzeichens G durch einen Schwerbehindertenausweis oder einen Feststellungsbescheid des Versorgungsamts. Nach Auffassung des Gerichts erstrecke sich die Tatbestandswirkung dieser Feststellung auch auf den vom Versorgungsamt festgestellten Zeitpunkt, zu dem der Nachteilsausgleich G einsetze.
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Das SG hat die Berufung zugelassen.
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Gegen das der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 13. November 2017 zugestellte Urteil hat diese am 23. November 2017 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und hält an ihrer Auffassung fest, dass § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens G abstelle, sondern er verlange dem Wortlaut nach eindeutig den Nachweis der Feststellung und zwar durch einen Bescheid der nach § 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zuständigen Stelle oder durch einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 SGB IX. Dieser Nachweis gelinge der Klägerin keinesfalls vor dem 1. August 2017. Der Feststellungsbescheid sei am 7. August 2017 ergangen und sei mit seinem Zugang in den Besitz der Klägerin gelangt. Dem Bescheid beigefügt gewesen sei der Ausweis des Merkzeichens G, so dass von einer zeitgleichen Besitzerlangung auszugehen sei. Den Nachweis habe die Klägerin erst mit Vorlage am 10. August 2017 erbracht. Unabhängig davon, wann der Nachweis im Sinne der Norm erbracht sei, hätten alle Auffassungen gemein, dass sie an tatsächliche Umstände anknüpften, die nicht rückwirkend herbeigeführt werden könnten. Auf das bloße Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung eines entsprechenden Ausweises mit Merkzeichen G komme es hingegen gerade nicht an. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und andere Gesetze vom 2. Dezember 2006 lediglich eine weitere Nachweismöglichkeit geschaffen, um damit den Nachteil auszugleichen, der daraus entstehe, dass zwischen Erlass des Bescheides und Übermittlung des Ausweises Wochen liegen könnten. Es habe grundsätzlich keine sachliche Änderung hergeführt werden sollen. Vor Erlass eines Feststellungsbescheides sei es Hilfeempfängern bzw. Antragstellern zu dem unbenommen, einen individuellen - ggf. sogar höheren - behinderungsbedingten Mehrbedarf geltend zu machen, so dass insofern auch kein Rechtsverlust im Raum stehe, wenn man nicht von einer Rückwirkung der Feststellung des Merkzeichens G ausginge.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7. November 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und wiederholt ihr Vorbringen aus dem Widerspruchs- und Klageverfahren. Sie hält ausdrücklich daran fest, dass ihr die Gewährung des Nachteilsausgleichs/Mehrbedarfs ab August 2016 zustehe.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Der Senat konnte auf Grund der Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
22 
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
23 
Die aufgrund der Zulassung durch das SG gemäß §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 2 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften nach § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.
24 
Die Berufung ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung des Mehrbedarfs wegen der Einschränkung des Gehvermögens für den Zeitraum vom 1. August 2016 bis 30. Juni 2017 auf Grund der rückwirkenden Feststellung des Merkzeichens G durch das Versorgungsamt.
25 
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 10. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. August 2017, mit dem die Beklagte die nachträgliche Zahlung eines pauschalierten behinderungsbedingten Mehraufwands für den Zeitraum vom 1. August 2016 bis 30. Juni 2017 abgelehnt hat. Hierbei handelt es sich um einen abtrennbaren Streitgegenstand (BSG, Urteil vom 10. November 2011 - B 8 SO 12/10 R -, juris Rn. 11 m.w.N.), auf den die Klägerin ausgehend von ihren Schreiben vom 28. August 2017 und 29. August 2017 ihr Begehren ausdrücklich beschränkt hat. Streitgegenstand ist damit vorliegend nur der pauschalierte behinderungsbedingte Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zulässig.
26 
Materiell - rechtlich beurteilt sich die Begründetheit der Berufung nach § 44 Abs. 1 SGB X. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X findet keine Anwendung (BSG) B 8 SO 12/10 R aaO. - (juris Rn. 15). Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei einer Änderung in den tatsächlichen und oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorlagen, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt. Eine Änderung der Verhältnisse ist im streitigen Zeitraum vom 1. August 2016 bis 30. Juni 2017 hingegen gegenüber den maßgeblichen Bewilligungsbescheiden nicht eingetreten, sondern frühestens mit der Abgabe des Anerkenntnisses für die Zeit ab Juli 2017. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte die Klägerin durch einen Bescheid der zuständigen Behörde oder durch einen Ausweis gegenüber der Beklagten die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen. Deshalb sind auch erst ab Juli 2017 die Voraussetzungen für den Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII zu bejahen, den die Beklagte auch ab Juli 2017 gewährt.
27 
Auch die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X liegen nicht vor, weil bei Erlass der Bewilligungsbescheide vom 31. August 2016 und vom 10. März 2017 das Recht nicht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Die Dauerverwaltungsakte durften auch auf Grund der rückwirkenden Zuerkennung des Merkzeichens G ab 28. Oktober 2014 für den streitigen Zeitraum so erlassen werden.
28 
Für die streitige Zeit vom 1. August 2016 bis 30. Juni 2017 bestimmt sich der Anspruch der voll erwerbsgeminderten Klägerin auf Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach den Vorschriften der §§ 41 ff SGB XII. Diese umfassen nach § 42 Satz 1 Nr. 3 SGB XII u.a. die Mehrbedarfe nach § 30 SGB XII. Nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII wird für Personen, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben - dies ist bei der Klägerin der Fall - , voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind - dies ist die Klägerin - und durch einen Bescheid der nach § 69 Abs. 4 SGB IX zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 SGB IX die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, ein Mehrbedarf von 17 v.H. der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.
29 
Über beide Dokumente verfügte die Klägerin - unabhängig von den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem SGB XII - in dem streitbefangenen Zeitraum jedenfalls nicht.
30 
Danach knüpft der Mehrbedarfszuschlag wegen Einschränkung des Gehvermögens seither an den Nachweis der Feststellung des Merkzeichens G durch einen Bescheid oder einen entsprechenden Schwerbehindertenausweis, während die vorherige Fassung den Mehrbedarf noch ausschließlich von dem Besitz eines Ausweises nach dem SGB IX mit dem Merkzeichen G abhängig machte (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022). Die Vorgängerregelung hat das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 10.11.2011 – B 8 SO 12/10 R –, juris) in einem gleichgelagerten Fall dahingehend ausgelegt, dass der Mehrbedarf des § 30 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII a.F. tatbestandlich mit der Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises und der Zuerkennung des Merkzeichens G verbunden ist; allein der Zeitpunkt der Feststellungswirkung des Merkzeichens G ist zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nicht ausreichend. Anders als die Feststellung des Nachteilsausgleichs G selbst, die für die Zeit davor Wirkung entfaltet, wird der "Besitz" nicht rückwirkend eingeräumt. Dies wurde auch damit begründet, dass nach § 40 Abs. 1 SGB I Ansprüche auf Sozialleistungen erst mit Vorliegen der im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen entstehen, was im Umkehrschluss bedeutet, dass vor dieser Zeit kein Anspruch nach den bezeichneten Vorschriften besteht. Auch Sinn und Zweck der Regelungen - Nachweiszwecke, Verwaltungspraktikabilität und Verwaltungsvereinfachung, keine eigenen Ermittlungen des Sozialhilfeträgers für die Gewährung eines typisierten, pauschalierten Mehrbedarfs (BSG aaO Rn. 20) - rechtfertigen keine erweiternde Auslegung. Eine Anknüpfung an das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung des Schwerbehindertenausweises ist nicht gerechtfertigt, da die Gültigkeit des Ausweises in der Regel der Tag des Eingangs des Antrags auf eine entsprechende Feststellung sei. Wollte man auch bei dem typisierten Mehrbedarf nach dem SGB XII auf den Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen abstellen, führte dies bei vorangegangenem Leistungsbezug in jedem Falle zu einer rückwirkenden Leistung pauschalierter Mehrbedarfe für die Vergangenheit. Dies würde bedeuten, dass eine Korrektur praktisch in allen Fällen, in denen ein Antrag nach dem SGB IX gestellt wird, im Gesetz bereits angelegt wäre, was der Zielsetzung widerspricht (BSG aaO Rn. 21). Verfassungsrechtliche Bedenken sind verneint worden. Ob diese Auslegung auch für die Zeit ab 7. Dezember 2006 gilt, hat das BSG offen gelassen (Rn. 22).
31 
Der Senat vertritt die Auffassung, dass sich die Rechtslage durch die Änderung in § 30 Abs. 1 SGB XII durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl I 2670) nicht dahingehend geändert hat, dass nun auf die Feststellungswirkung des Nachteilsausgleichs G oder das Vorliegen seiner Voraussetzungen abzustellen ist. Die neue Rechtslage hat sich nur insoweit verändert, als nun nicht mehr nur ein Ausweis, sondern auch der Bescheid der zuständigen Behörde zum Nachweis ausreicht. Diesen Schluss zieht der Senat insbesondere aus der amtlichen Begründung (BT-Drucks 16/2711, S. 11 zu Nr. 8) zur Änderung des Abs. 1. Darin heißt es:
32 
„Nach derzeitiger Rechtslage ist der Mehrbedarf davon abhängig, dass die Leistungsberechtigten tatsächlich einen entsprechenden Schwerbehindertenausweis besitzen; der Besitz eines entsprechenden Feststellungsbescheides nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch reicht nicht aus. Dies hat zur Folge, dass der Mehrbedarf auch erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden kann (OVG Lüneburg – Beschlüsse vom 16. Juli 2001 – AZ: 12 PA 2413/01 – FEVS 2002, 445 und vom 14. Januar 2004 – AZ: 12 PA 562/03). Bescheid und Ausweis haben faktisch denselben Beweiswert. Außerdem kann ein Teil der betroffenen Leistungsberechtigten – bis auf den Mehrbedarf – keine der mit dem Ausweis verbundenen Vorteile nutzen, d. h. die Mehrzahl dieser Leistungsberechtigten würde voraussichtlich auf Grund der vorgesehenen Änderung in Zukunft auf die Ausstellung des Ausweises verzichten.
33 
Die vorgesehene Änderung erleichtert somit den Zugang der Leistungsberechtigten zu den ihnen zustehenden Leistungen, indem es sie von nicht erforderlichen Behördengängen bzw. vermeidbarem Schriftverkehr mit Behörden entlastet. Sie trägt dadurch gleichzeitig bei den für das Feststellungsverfahren zuständigen Behörden und den Trägern der Sozialhilfe zum Abbau von Verwaltungsaufwand bei.“
34 
Dadurch wird klar, dass auf Grund des Auseinanderfallens der Zeitpunkte des Erlasses des Feststellungsbescheids und der Ausstellung des Ausweises die Betroffenen bezogen darauf zum früheren Zeitpunkt den Mehrbedarf in Anspruch nehmen können sollten, nämlich bereits regelmäßig mehrere Wochen früher mit dem Feststellungsbescheid sollte dies möglich sein. Allein diese Verzögerung wollte der Gesetzgeber beseitigen. Die Möglichkeit hierzu besteht, weil Feststellungsbescheid und Ausweis den gleichen Beweiswert haben. Neben der Erleichterung für die Betroffenen wird nach wie vor der Abbau von Verwaltungsaufwand zur Begründung angeführt. Auch ist in der Begründung wie in der Vorgängerregelung „der Besitz“ des Schwerbehindertenausweises oder eines Feststellungsbescheides benannt. Von daher ist davon auszugehen, dass die Neuformulierung „die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen“ gegenüber „bei Besitz“ eines Schwerbehindertenausweises lediglich eine semantische Verfeinerung aber keine grundsätzliche sachliche Änderung herbeiführen sollte. Anhaltspunkte dafür, dass für die Inanspruchnahme des Mehrbedarfs auf einen noch früheren Zeitpunkt abzustellen sein sollte, ergeben sich hieraus gerade nicht.
35 
Daraus folgt, dass es weiterhin nicht genügt, dass lediglich die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung eines Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX mit dem Merkzeichen G vorliegen. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut muss ein entsprechender Bescheid der nach § 69 Abs. 4 SGB IX zuständigen Stelle ergangen sein oder der Ausweis vorliegen, um den Mehrbedarf zu begründen (so nun eindeutig Adolph in Linhart/Adolph , SGB II, SGB XII, AsylbLG, Stand Mai 2013, § 30 Rn. 13). Dem Ausweis steht jetzt der Feststellungsbescheid gleich, da beide denselben Beweiswert haben. Damit wird der Zugang zu den Leistungen erleichtert. Nicht ausreichend ist es also, wenn nur ein Antrag gestellt worden ist, aber noch kein Bescheid oder Ausweis vorliegt. Eine rückwirkende Gewährung kommt auch in diesen Fällen nicht in Betracht (Dauber in Mergler/Zink, SGB XII, 19. Lfg, Stand September 2011, § 30 Rn. 12; ebenso Wenzel in Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl., § 30 Rn. 7; Scheider in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl., § 30 Rn. 9; Schwengers in Kruse/Reinhard/Winkler SGB XII, 3. Aufl. 2012, § 30 Rn. 3; a.A. Grube in Grube/Wahrendorf SGB XII, 4. Aufl. § 30 Rn. 8, Münder in LPK SGB XII 9. Aufl., § 30 Rn. 6 unter Bezugnahme auf Grube/Wahrendorf).
36 
Die nach der Entscheidung des BSG (aaO) ergangenen Urteile des Hessischen Landessozialgerichts (Hess. LSG, Urteil vom 20. März 2013 – L 6 SO 73/10 –, juris Rn 51) und des Sozialgerichts Freiburg (SG Freiburg, Urteil vom 6. Dezember 2012 – S 6 SO 24/10 –, juris) lassen keine anderen Schlussfolgerungen zu, weil die dortigen Sachverhalte nicht vergleichbar sind. Im einen Fall hatte sich der Beklagte bereit erklärt einen Mehrbedarf rückwirkend ab dem Gültigkeitstag des Schwerbehindertenausweises anzuerkennen. Im anderen Fall war der Ausweis schon lange ausgestellt gewesen, nur dem Sozialhilfeträger erst Jahre später vorgelegt worden.
37 
Die vom SG angenommenen Schutzlücken für die Betroffenen liegen nicht vor. Das BSG (aaO, Rn. 28) hat in seiner Entscheidung aufgezeigt, wie bei einer längeren Wartezeit auf die Entscheidung des Versorgungsamts oder bis zum Ende eines über das Merkzeichen G geführten Rechtsstreits der erhöhte finanzielle Aufwand zum Ausgleich der Behinderung durch Nachweis des Bedarfs im einzelnen ggf. gem. § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ( in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung) bzw. § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII (in der ab 1. Januar 2011 gültigen Fassung) geltend gemacht werden kann und das Existenzminimum gesichert wird. Dies ist jedoch wie oben ausgeführt vorliegend nicht Streitgegenstand.
38 
Der Berufung des Beklagten war daher stattzugeben und das Urteil des SG aufzuheben sowie die Klage abzuweisen.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
40 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

Gründe

 
21 
Der Senat konnte auf Grund der Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
22 
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
23 
Die aufgrund der Zulassung durch das SG gemäß §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 2 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften nach § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.
24 
Die Berufung ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung des Mehrbedarfs wegen der Einschränkung des Gehvermögens für den Zeitraum vom 1. August 2016 bis 30. Juni 2017 auf Grund der rückwirkenden Feststellung des Merkzeichens G durch das Versorgungsamt.
25 
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 10. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. August 2017, mit dem die Beklagte die nachträgliche Zahlung eines pauschalierten behinderungsbedingten Mehraufwands für den Zeitraum vom 1. August 2016 bis 30. Juni 2017 abgelehnt hat. Hierbei handelt es sich um einen abtrennbaren Streitgegenstand (BSG, Urteil vom 10. November 2011 - B 8 SO 12/10 R -, juris Rn. 11 m.w.N.), auf den die Klägerin ausgehend von ihren Schreiben vom 28. August 2017 und 29. August 2017 ihr Begehren ausdrücklich beschränkt hat. Streitgegenstand ist damit vorliegend nur der pauschalierte behinderungsbedingte Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zulässig.
26 
Materiell - rechtlich beurteilt sich die Begründetheit der Berufung nach § 44 Abs. 1 SGB X. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X findet keine Anwendung (BSG) B 8 SO 12/10 R aaO. - (juris Rn. 15). Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei einer Änderung in den tatsächlichen und oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorlagen, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt. Eine Änderung der Verhältnisse ist im streitigen Zeitraum vom 1. August 2016 bis 30. Juni 2017 hingegen gegenüber den maßgeblichen Bewilligungsbescheiden nicht eingetreten, sondern frühestens mit der Abgabe des Anerkenntnisses für die Zeit ab Juli 2017. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte die Klägerin durch einen Bescheid der zuständigen Behörde oder durch einen Ausweis gegenüber der Beklagten die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen. Deshalb sind auch erst ab Juli 2017 die Voraussetzungen für den Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII zu bejahen, den die Beklagte auch ab Juli 2017 gewährt.
27 
Auch die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X liegen nicht vor, weil bei Erlass der Bewilligungsbescheide vom 31. August 2016 und vom 10. März 2017 das Recht nicht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Die Dauerverwaltungsakte durften auch auf Grund der rückwirkenden Zuerkennung des Merkzeichens G ab 28. Oktober 2014 für den streitigen Zeitraum so erlassen werden.
28 
Für die streitige Zeit vom 1. August 2016 bis 30. Juni 2017 bestimmt sich der Anspruch der voll erwerbsgeminderten Klägerin auf Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach den Vorschriften der §§ 41 ff SGB XII. Diese umfassen nach § 42 Satz 1 Nr. 3 SGB XII u.a. die Mehrbedarfe nach § 30 SGB XII. Nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII wird für Personen, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben - dies ist bei der Klägerin der Fall - , voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind - dies ist die Klägerin - und durch einen Bescheid der nach § 69 Abs. 4 SGB IX zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 SGB IX die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, ein Mehrbedarf von 17 v.H. der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.
29 
Über beide Dokumente verfügte die Klägerin - unabhängig von den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem SGB XII - in dem streitbefangenen Zeitraum jedenfalls nicht.
30 
Danach knüpft der Mehrbedarfszuschlag wegen Einschränkung des Gehvermögens seither an den Nachweis der Feststellung des Merkzeichens G durch einen Bescheid oder einen entsprechenden Schwerbehindertenausweis, während die vorherige Fassung den Mehrbedarf noch ausschließlich von dem Besitz eines Ausweises nach dem SGB IX mit dem Merkzeichen G abhängig machte (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022). Die Vorgängerregelung hat das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 10.11.2011 – B 8 SO 12/10 R –, juris) in einem gleichgelagerten Fall dahingehend ausgelegt, dass der Mehrbedarf des § 30 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII a.F. tatbestandlich mit der Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises und der Zuerkennung des Merkzeichens G verbunden ist; allein der Zeitpunkt der Feststellungswirkung des Merkzeichens G ist zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nicht ausreichend. Anders als die Feststellung des Nachteilsausgleichs G selbst, die für die Zeit davor Wirkung entfaltet, wird der "Besitz" nicht rückwirkend eingeräumt. Dies wurde auch damit begründet, dass nach § 40 Abs. 1 SGB I Ansprüche auf Sozialleistungen erst mit Vorliegen der im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen entstehen, was im Umkehrschluss bedeutet, dass vor dieser Zeit kein Anspruch nach den bezeichneten Vorschriften besteht. Auch Sinn und Zweck der Regelungen - Nachweiszwecke, Verwaltungspraktikabilität und Verwaltungsvereinfachung, keine eigenen Ermittlungen des Sozialhilfeträgers für die Gewährung eines typisierten, pauschalierten Mehrbedarfs (BSG aaO Rn. 20) - rechtfertigen keine erweiternde Auslegung. Eine Anknüpfung an das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung des Schwerbehindertenausweises ist nicht gerechtfertigt, da die Gültigkeit des Ausweises in der Regel der Tag des Eingangs des Antrags auf eine entsprechende Feststellung sei. Wollte man auch bei dem typisierten Mehrbedarf nach dem SGB XII auf den Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen abstellen, führte dies bei vorangegangenem Leistungsbezug in jedem Falle zu einer rückwirkenden Leistung pauschalierter Mehrbedarfe für die Vergangenheit. Dies würde bedeuten, dass eine Korrektur praktisch in allen Fällen, in denen ein Antrag nach dem SGB IX gestellt wird, im Gesetz bereits angelegt wäre, was der Zielsetzung widerspricht (BSG aaO Rn. 21). Verfassungsrechtliche Bedenken sind verneint worden. Ob diese Auslegung auch für die Zeit ab 7. Dezember 2006 gilt, hat das BSG offen gelassen (Rn. 22).
31 
Der Senat vertritt die Auffassung, dass sich die Rechtslage durch die Änderung in § 30 Abs. 1 SGB XII durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl I 2670) nicht dahingehend geändert hat, dass nun auf die Feststellungswirkung des Nachteilsausgleichs G oder das Vorliegen seiner Voraussetzungen abzustellen ist. Die neue Rechtslage hat sich nur insoweit verändert, als nun nicht mehr nur ein Ausweis, sondern auch der Bescheid der zuständigen Behörde zum Nachweis ausreicht. Diesen Schluss zieht der Senat insbesondere aus der amtlichen Begründung (BT-Drucks 16/2711, S. 11 zu Nr. 8) zur Änderung des Abs. 1. Darin heißt es:
32 
„Nach derzeitiger Rechtslage ist der Mehrbedarf davon abhängig, dass die Leistungsberechtigten tatsächlich einen entsprechenden Schwerbehindertenausweis besitzen; der Besitz eines entsprechenden Feststellungsbescheides nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch reicht nicht aus. Dies hat zur Folge, dass der Mehrbedarf auch erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden kann (OVG Lüneburg – Beschlüsse vom 16. Juli 2001 – AZ: 12 PA 2413/01 – FEVS 2002, 445 und vom 14. Januar 2004 – AZ: 12 PA 562/03). Bescheid und Ausweis haben faktisch denselben Beweiswert. Außerdem kann ein Teil der betroffenen Leistungsberechtigten – bis auf den Mehrbedarf – keine der mit dem Ausweis verbundenen Vorteile nutzen, d. h. die Mehrzahl dieser Leistungsberechtigten würde voraussichtlich auf Grund der vorgesehenen Änderung in Zukunft auf die Ausstellung des Ausweises verzichten.
33 
Die vorgesehene Änderung erleichtert somit den Zugang der Leistungsberechtigten zu den ihnen zustehenden Leistungen, indem es sie von nicht erforderlichen Behördengängen bzw. vermeidbarem Schriftverkehr mit Behörden entlastet. Sie trägt dadurch gleichzeitig bei den für das Feststellungsverfahren zuständigen Behörden und den Trägern der Sozialhilfe zum Abbau von Verwaltungsaufwand bei.“
34 
Dadurch wird klar, dass auf Grund des Auseinanderfallens der Zeitpunkte des Erlasses des Feststellungsbescheids und der Ausstellung des Ausweises die Betroffenen bezogen darauf zum früheren Zeitpunkt den Mehrbedarf in Anspruch nehmen können sollten, nämlich bereits regelmäßig mehrere Wochen früher mit dem Feststellungsbescheid sollte dies möglich sein. Allein diese Verzögerung wollte der Gesetzgeber beseitigen. Die Möglichkeit hierzu besteht, weil Feststellungsbescheid und Ausweis den gleichen Beweiswert haben. Neben der Erleichterung für die Betroffenen wird nach wie vor der Abbau von Verwaltungsaufwand zur Begründung angeführt. Auch ist in der Begründung wie in der Vorgängerregelung „der Besitz“ des Schwerbehindertenausweises oder eines Feststellungsbescheides benannt. Von daher ist davon auszugehen, dass die Neuformulierung „die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen“ gegenüber „bei Besitz“ eines Schwerbehindertenausweises lediglich eine semantische Verfeinerung aber keine grundsätzliche sachliche Änderung herbeiführen sollte. Anhaltspunkte dafür, dass für die Inanspruchnahme des Mehrbedarfs auf einen noch früheren Zeitpunkt abzustellen sein sollte, ergeben sich hieraus gerade nicht.
35 
Daraus folgt, dass es weiterhin nicht genügt, dass lediglich die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung eines Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX mit dem Merkzeichen G vorliegen. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut muss ein entsprechender Bescheid der nach § 69 Abs. 4 SGB IX zuständigen Stelle ergangen sein oder der Ausweis vorliegen, um den Mehrbedarf zu begründen (so nun eindeutig Adolph in Linhart/Adolph , SGB II, SGB XII, AsylbLG, Stand Mai 2013, § 30 Rn. 13). Dem Ausweis steht jetzt der Feststellungsbescheid gleich, da beide denselben Beweiswert haben. Damit wird der Zugang zu den Leistungen erleichtert. Nicht ausreichend ist es also, wenn nur ein Antrag gestellt worden ist, aber noch kein Bescheid oder Ausweis vorliegt. Eine rückwirkende Gewährung kommt auch in diesen Fällen nicht in Betracht (Dauber in Mergler/Zink, SGB XII, 19. Lfg, Stand September 2011, § 30 Rn. 12; ebenso Wenzel in Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl., § 30 Rn. 7; Scheider in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl., § 30 Rn. 9; Schwengers in Kruse/Reinhard/Winkler SGB XII, 3. Aufl. 2012, § 30 Rn. 3; a.A. Grube in Grube/Wahrendorf SGB XII, 4. Aufl. § 30 Rn. 8, Münder in LPK SGB XII 9. Aufl., § 30 Rn. 6 unter Bezugnahme auf Grube/Wahrendorf).
36 
Die nach der Entscheidung des BSG (aaO) ergangenen Urteile des Hessischen Landessozialgerichts (Hess. LSG, Urteil vom 20. März 2013 – L 6 SO 73/10 –, juris Rn 51) und des Sozialgerichts Freiburg (SG Freiburg, Urteil vom 6. Dezember 2012 – S 6 SO 24/10 –, juris) lassen keine anderen Schlussfolgerungen zu, weil die dortigen Sachverhalte nicht vergleichbar sind. Im einen Fall hatte sich der Beklagte bereit erklärt einen Mehrbedarf rückwirkend ab dem Gültigkeitstag des Schwerbehindertenausweises anzuerkennen. Im anderen Fall war der Ausweis schon lange ausgestellt gewesen, nur dem Sozialhilfeträger erst Jahre später vorgelegt worden.
37 
Die vom SG angenommenen Schutzlücken für die Betroffenen liegen nicht vor. Das BSG (aaO, Rn. 28) hat in seiner Entscheidung aufgezeigt, wie bei einer längeren Wartezeit auf die Entscheidung des Versorgungsamts oder bis zum Ende eines über das Merkzeichen G geführten Rechtsstreits der erhöhte finanzielle Aufwand zum Ausgleich der Behinderung durch Nachweis des Bedarfs im einzelnen ggf. gem. § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ( in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung) bzw. § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII (in der ab 1. Januar 2011 gültigen Fassung) geltend gemacht werden kann und das Existenzminimum gesichert wird. Dies ist jedoch wie oben ausgeführt vorliegend nicht Streitgegenstand.
38 
Der Berufung des Beklagten war daher stattzugeben und das Urteil des SG aufzuheben sowie die Klage abzuweisen.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
40 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 07. Feb. 2018 - L 2 SO 4444/17 zitiert 23 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 48 Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse


(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltun

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 143


Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 28 Ermittlung der Regelbedarfe


(1) Liegen die Ergebnisse einer bundesweiten neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vor, wird die Höhe der Regelbedarfe in einem Bundesgesetz neu ermittelt. (2) Bei der Ermittlung der bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen nach § 27a Abs

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 69 Kontinuität der Bemessungsgrundlage


Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnun

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 41 Leistungsberechtigte


(1) Leistungsberechtigt nach diesem Kapitel sind Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 bestreiten können, wenn sie die Voraussetzungen n

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 30 Mehrbedarf


(1) Für Personen, die1.die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder2.die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sindund durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunte

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 42 Bedarfe


Die Bedarfe nach diesem Kapitel umfassen: 1. die Regelsätze nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28; § 27a Absatz 3 und Absatz 4 ist anzuwenden; § 29 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Absatz 2 bis 5 ist nicht anzuwenden,2. die zusätzlichen

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 27a Notwendiger Lebensunterhalt, Regelbedarfe und Regelsätze


(1) Der für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile, persönliche Bedür

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 18 Einsetzen der Sozialhilfe


(1) Die Sozialhilfe, mit Ausnahme der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, setzt ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliege

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 40 Entstehen der Ansprüche


(1) Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. (2) Bei Ermessensleistungen ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung über die Leistung bekanntgegeben

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 44 Antragserfordernis, Erbringung von Geldleistungen, Bewilligungszeitraum


(1) Leistungen nach diesem Kapitel werden auf Antrag erbracht. Gesondert zu beantragen sind Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 42 Nummer 2 in Verbindung mit den §§ 31 und 33 sowie zur Deckung der Bedarfe nach § 42 Nummer 3 in Verbindung mit §

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 07. Feb. 2018 - L 2 SO 4444/17 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bundessozialgericht Urteil, 10. Nov. 2011 - B 8 SO 12/10 R

bei uns veröffentlicht am 10.11.2011

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. Februar 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Ge

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(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

(1) Leistungen nach diesem Kapitel werden auf Antrag erbracht. Gesondert zu beantragen sind Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 42 Nummer 2 in Verbindung mit den §§ 31 und 33 sowie zur Deckung der Bedarfe nach § 42 Nummer 3 in Verbindung mit § 34 Absatz 5 und nach § 42 Nummer 5.

(2) Ein Antrag nach Absatz 1 wirkt auf den Ersten des Kalendermonats zurück, in dem er gestellt wird, wenn die Voraussetzungen des § 41 innerhalb dieses Kalendermonats erfüllt werden. Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 42 werden vorbehaltlich Absatz 4 Satz 2 nicht für Zeiten vor dem sich nach Satz 1 ergebenden Kalendermonat erbracht.

(3) Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 42 werden in der Regel für einen Bewilligungszeitraum von zwölf Kalendermonaten bewilligt. Sofern über den Leistungsanspruch nach § 44a vorläufig entschieden wird, soll der Bewilligungszeitraum nach Satz 1 auf höchstens sechs Monate verkürzt werden. Bei einer Bewilligung nach dem Bezug von Bürgergeld nach dem Zweiten Buch, der mit Erreichen der Altersgrenze nach § 7a des Zweiten Buches endet, beginnt der Bewilligungszeitraum erst mit dem Ersten des Monats, der auf den sich nach § 7a des Zweiten Buches ergebenden Monat folgt.

(4) Leistungen zur Deckung von wiederkehrenden Bedarfen nach § 42 Nummer 1, 2 und 4 werden monatlich im Voraus erbracht. Für Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 42 Nummer 3 sind die §§ 34a und 34b anzuwenden.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

(1) Die Sozialhilfe, mit Ausnahme der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, setzt ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen.

(2) Wird einem nicht zuständigen Träger der Sozialhilfe oder einer nicht zuständigen Gemeinde im Einzelfall bekannt, dass Sozialhilfe beansprucht wird, so sind die darüber bekannten Umstände dem zuständigen Träger der Sozialhilfe oder der von ihm beauftragten Stelle unverzüglich mitzuteilen und vorhandene Unterlagen zu übersenden. Ergeben sich daraus die Voraussetzungen für die Leistung, setzt die Sozialhilfe zu dem nach Satz 1 maßgebenden Zeitpunkt ein.

(1) Leistungen nach diesem Kapitel werden auf Antrag erbracht. Gesondert zu beantragen sind Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 42 Nummer 2 in Verbindung mit den §§ 31 und 33 sowie zur Deckung der Bedarfe nach § 42 Nummer 3 in Verbindung mit § 34 Absatz 5 und nach § 42 Nummer 5.

(2) Ein Antrag nach Absatz 1 wirkt auf den Ersten des Kalendermonats zurück, in dem er gestellt wird, wenn die Voraussetzungen des § 41 innerhalb dieses Kalendermonats erfüllt werden. Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 42 werden vorbehaltlich Absatz 4 Satz 2 nicht für Zeiten vor dem sich nach Satz 1 ergebenden Kalendermonat erbracht.

(3) Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 42 werden in der Regel für einen Bewilligungszeitraum von zwölf Kalendermonaten bewilligt. Sofern über den Leistungsanspruch nach § 44a vorläufig entschieden wird, soll der Bewilligungszeitraum nach Satz 1 auf höchstens sechs Monate verkürzt werden. Bei einer Bewilligung nach dem Bezug von Bürgergeld nach dem Zweiten Buch, der mit Erreichen der Altersgrenze nach § 7a des Zweiten Buches endet, beginnt der Bewilligungszeitraum erst mit dem Ersten des Monats, der auf den sich nach § 7a des Zweiten Buches ergebenden Monat folgt.

(4) Leistungen zur Deckung von wiederkehrenden Bedarfen nach § 42 Nummer 1, 2 und 4 werden monatlich im Voraus erbracht. Für Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 42 Nummer 3 sind die §§ 34a und 34b anzuwenden.

(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 02.01.2014 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.


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(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. Februar 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind höhere Sozialhilfeleistungen bzw Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, insbesondere ein Mehrbedarf (wegen Behinderung) für den Zeitraum vom 1.2.2004 bis 30.9.2006.

2

Der 1948 geborene Kläger bezog bis Dezember 2004 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (bestandskräftiger Bescheid vom 25.4.2005), nachdem ihm zunächst Sozialhilfeleistungen gezahlt worden waren, nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG), von Januar 2005 bis Mai 2005 Arbeitslosengeld II (bestandskräftiger Bescheid vom 16.2.2005) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) und ab Juni 2005 erneut Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (bestandskräftiger Bescheid vom 23.5.2005) nach §§ 41 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

3

Mit (Ausführungs-)Bescheid vom 11.10.2006 stellte das Versorgungsamt beim Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 und die Voraussetzungen für das Vorliegen des Nachteilsausgleichs "G" fest. Dieser Entscheidung war ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Hannover vorausgegangen, das mit einem entsprechenden Anerkenntnis im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.9.2006 endete. Ein Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 50 und dem Nachteilsausgleich "G", gültig ab 1.2.2004, wurde am 23.10.2006 ausgestellt. Die Beklagte bewilligte auf Antrag des Klägers vom 31.10.2006 für die Zeit ab Oktober 2006 einen pauschalierten Mehrbedarf aufgrund der Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "G", lehnte diesen aber für den Zeitraum von Februar 2004 bis September 2006 mit der Begründung ab, ein Mehrbedarf könne erst ab Ausstellung des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" gewährt werden (Bescheid vom 22.11.2006; Widerspruchsbescheid vom 17.4.2007).

4

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Hannover vom 31.8.2007; Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 25.2.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, Streitgegenstand seien nur Mehrbedarfsleistungen wegen der Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "G". Einen solchen Anspruch habe der Kläger nach dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen erst ab Besitz des Schwerbehindertenausweises im Oktober 2006. Nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG und § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII(in der bis zum 6.12.2006 geltenden Fassung) sei der Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" für den pauschalierten Mehrbedarf Anspruchsvoraussetzung. Da nach § 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) Ansprüche auf Sozialleistungen erst entstünden, wenn ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen erfüllt seien, scheide ein pauschalierter Mehrbedarf für zurückliegende Zeiten ab Feststellung des Merkzeichens "G" aus. Von diesem Verständnis gehe auch der Gesetzgeber aus; dies zeige die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII, wonach die bis zum 6.12.2006 geltende Rechtslage zur Folge habe, dass der Mehrbedarf erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden könne.

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG und des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII. Die vom LSG vorgenommene Auslegung sei keineswegs zwingend. Die Tatbestandsvoraussetzung "Besitz" sage nichts zum Leistungsbeginn. Nach seinem Wortsinn könne dieses Tatbestandsmerkmal auch so verstanden werden, dass die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit einem Gültigkeitsdatum genüge, das den Zeitraum vor Ausstellung erfasse; der Beweiswert, der von dem Ausweis ausgehe, sei bei einer nachträglichen Vorlage derselbe. Eine solche Auslegung ermögliche eine möglichst weitgehende Verwirklichung der sozialen Rechte, wie dies § 2 Abs 2 SGB I fordere. Eine zeitliche Begrenzung, wann der Nachweis der Voraussetzungen durch den Ausweis zu erfolgen habe und dass dieser Nachweis nicht rückwirkend erbracht werden könne, sei den maßgebenden Normen nicht zu entnehmen. Ein enges Verständnis führe hingegen zu einem praktischen Rechtsverlust für die Zeiten, in denen die Gehbehinderung bereits vorgelegen und damit auch ein erhöhter Bedarf bestanden habe. Dies verstoße gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) und den substantiellen Anspruch auf eine tatsächliche wirksame gerichtliche Kontrolle. Die Effektivität des Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) sei ungenügend; der Betroffene erleide durch die Fehleinschätzung der Behörde nicht hinnehmbare finanzielle Nachteile. Der Verweis auf die Möglichkeit eines Amtshaftungsanspruchs stelle insoweit keinen adäquaten Ersatz dar. Der Anspruch auf den Mehrbedarf für den streitbefangenen Zeitraum ergebe sich (hilfsweise) aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, weil nur durch das Verschulden der Versorgungsverwaltung eine Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt gewesen sei.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 22.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2007 aufzuheben und ihm unter Abänderung entgegenstehender Bescheide für die Zeit von Februar 2004 bis September 2006 einen monatlichen Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zu zahlen bzw den Regelsatz zu erhöhen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat zwar zu Recht entschieden, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf einen pauschalierten Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII hat; ob der Kläger allerdings einen Mehrbedarf hatte, der eine vom Regelsatz abweichende Festlegung und im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) rückwirkend zu erbringende Leistungen rechtfertigt, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht entscheiden.

10

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 22.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2007 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Zahlung eines behinderungsbedingten Mehraufwands für den streitbefangenen Zeitraum abgelehnt hat. Dabei hat der Senat entgegen der Auffassung des LSG nicht allein darüber zu befinden, ob dem Kläger ein Mehrbedarf wegen rückwirkender Änderung der Verhältnisse ab Februar 2004 nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zusteht; ist der pauschalierte Mehrbedarf nachträglich nicht zu erbringen, ist auch darüber zu entscheiden, ob ein (konkret) bestehender behinderungsbedingter Mehrbedarf, der durch den Kläger tatsächlich gedeckt wurde, im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X nachträglich zu erbringen ist, weil die Beklagte zu Unrecht höhere Leistungen vorenthalten hat.

11

Zwar ist der pauschalierte Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII ein abtrennbarer Streitgegenstand, mit der Möglichkeit, die Klage entsprechend zu beschränken(vgl nur Coseriu in juris Praxiskommentar SGB XII, § 19 SGB XII RdNr 76.2 mwN zur Rechtsprechung); nach dem sog Meistbegünstigungsgrundsatz (vgl hierzu nur: BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 22; Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21 ff mwN zur Rechtsprechung) muss aber davon ausgegangen werden, dass die Klage insoweit gerade nicht beschränkt worden ist, sondern ein "Mehrbedarf" für die Vergangenheit unabhängig von der jeweiligen Anspruchsgrundlage geltend gemacht wurde. Bestätigt wird dies durch das Schreiben an die Beklagte vom 26.10.2006 mit dem Antrag, die zustehenden "zusätzlichen Leistungen seit Februar 2004" zu bewilligen, sowie durch den Klagantrag, mit dem die Zahlung eines Mehrbedarfs für die Vergangenheit verlangt worden ist. Im Streit sind somit insgesamt höhere Leistungen.

12

Unabhängig davon, ob sich die Begründetheit der Klage an § 48 SGB X oder an § 44 SGB X bzw (für die Zeit bis 31.12.2004) an den Vorschriften des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (NVwVfG) iVm dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG) misst, ist die richtige Klageart die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4, § 56 SGG. In beiden Fällen ist neben der Aufhebung der streitgegenständlichen (ablehnenden) Bescheide die Behörde zu verpflichten, die (einer nachträglichen Leistung) entgegenstehenden Bescheide (im Urteil des LSG sind nicht alle bezeichnet) aufzuheben, und zur Leistung zu verurteilen (BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1 S 2; BSGE 104, 213 ff RdNr 9 mwN = SozR 4-1300 § 44 Nr 20).

13

Mangels in Niedersachsen angeordneten Behördenprinzips (vgl § 70 Nr 3 SGG) richtet sich die Klage gemäß § 70 Nr 1 SGG gegen die Region Hannover. Hieran ändert nichts, dass die Stadt Hannover den angegriffenen Bescheid erlassen hat. Nach § 8 Abs 1 Satz 1 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum SGB XII (AG SGB XII) vom 16.12.2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt 644) kann die Region Hannover zwar zur Durchführung der ihr als örtlichem Sozialhilfeträger obliegenden Aufgabe durch Satzung oder öffentlich-rechtlichen Vertrag regionsangehörige Gemeinden heranziehen, und von dieser Möglichkeit hat sie auch Gebrauch gemacht (§ 1 der Satzung über die Heranziehung von regionsangehörigen Städten und Gemeinden zur Durchführung der von der Region Hannover als örtlichem Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben nach dem SGB XII vom 14.12.2004 in der Fassung vom 7.3.2006 - Gemeinsames Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover Nr 14 vom 6.4.2006); jedoch handelt die herangezogene kommunale Körperschaft gemäß § 9 Abs 4 AG SGB XII (nur) im Namen des örtlichen Trägers der Sozialhilfe, der damit der richtige Beteiligte bleibt(vgl hierzu Senatsurteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 1/10 R - RdNr 13 mwN).

14

Die Beklagte war der für die Entscheidung örtlich und sachlich zuständige Träger der Sozialhilfe nach § 3 Abs 2, § 97 Abs 1, § 98 Abs 1 SGB XII in Verbindung mit § 1 Satz 1 und § 6 Abs 1 AG SGB XII (und § 44 Abs 3 SGB X). Sie ist Gesamtrechtsnachfolgerin des Landkreises Hannover und nimmt dessen Aufgaben wahr (§§ 2, 3 Abs 3 Gesetz über die Region Hannover vom 5.6.2001 - GVBl 348). Die Heranziehung der Stadt Hannover nach § 99 Abs 1 SGB XII in Verbindung mit § 8 Abs 1 AG SGB XII verändert nicht die Zuständigkeit(§ 9 Abs 4 AG SGB XII). Der Senat ist nicht gehindert, die dem Grunde nach nicht revisiblen (§ 162 SGG) landesrechtlichen Vorschriften anzuwenden und auszulegen, weil das LSG diese Vorschriften bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hat (BSGE 102, 10 ff RdNr 28 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2; Senatsurteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 1/10 R - juris RdNr 14).

15

Materiellrechtlich misst sich die Begründetheit der Revision an § 44 Abs 1 SGB X. § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X findet - unabhängig von der Frage nach seiner Geltung im Rahmen des GSiG - keine Anwendung. Danach soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei einer Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorlagen, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Eine Änderung der Verhältnisse ist frühestens für die Zeit ab Oktober 2006 anzunehmen, weil der Kläger erst ab diesem Zeitpunkt im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" war und deshalb auch erst ab Oktober 2006 die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zu bejahen sind, sodass ohne Bedeutung ist, ob § 48 SGB X im Rahmen des GSiG Anwendung findet, bzw welche Regelung bei Änderung der Verhältnisse anzuwenden wäre.

16

Nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG umfasste die bedarfsorientierte Grundsicherung einen Mehrbedarf von 20 vH des für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes nach dem Zweiten Abschnitt des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) bei Besitz eines Ausweises nach § 4 Abs 5 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) mit dem Merkzeichen "G". Eine entsprechende Regelung sieht für die Zeit ab 1.1.2005 § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) vor. Danach wird ein Mehrbedarf von 17 vH des maßgebenden Regelsatzes für Personen anerkannt, die unter 65 Jahre und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) sind und einen Ausweis nach § 69 Abs 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) mit dem Merkzeichen G besitzen, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Der Kläger war - unabhängig von den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem GSiG bzw SGB XII - in dem streitbefangenen Zeitraum jedenfalls nicht im Besitz eines solchen Ausweises.

17

Diese Regelungen sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht dahin auszulegen, dass die im Oktober 2006 eingetretene Änderung der Verhältnisse auf den Zeitpunkt der Anerkennung des Nachteilsausgleichs "G" - hier also auf die Zeit ab Februar 2004 - zurückwirkt. Zwar können spätere Änderungen der Sach- und Rechtslage sogar bis auf den Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Dauerverwaltungsaktes zurückwirken, also die Sach- oder Rechtslage ex tunc ändern (vgl BSG SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 17 mwN); maßgebend hierfür ist aber eine rückwirkende Umgestaltung der Rechtslage, deretwegen der Verwaltungsakt (auch für den zurückliegenden Zeitraum) nicht mehr oder nicht mehr so erlassen werden dürfte.

18

§ 3 Abs 1 Nr 4 GSiG stellte allerdings ebenso wie § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII nicht lediglich auf die Feststellungswirkung des Nachteilsausgleichs "G" oder das Vorliegen seiner Voraussetzungen ab. Zu den im Gesetz bestimmten Voraussetzungen gehört nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Vorschriften vielmehr der "Besitz" (Simon in jurisPK-SGB XII, § 30 SGB XII RdNr 44; W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl 2002, § 23 RdNr 13). Der Senat hat deshalb bereits entschieden, dass der Mehrbedarf des § 30 Abs 1 Nr 1 SGB XII tatbestandlich mit der Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises und der Zuerkennung des Merkzeichens "G" verbunden ist(BSGE 104, 200 ff RdNr 14 = SozR 4-3500 § 30 Nr 1); allein der Zeitpunkt der Feststellungswirkung des Merkzeichens "G" ist zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen also nicht ausreichend. Anders als die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" selbst, die für die Zeit ab Februar 2004 Wirkung entfaltet, wird der "Besitz" nicht rückwirkend eingeräumt. Die Anspruchsvoraussetzungen für den pauschalierten Mehrbedarf können deshalb nicht vor Oktober 2006 eintreten. Zu Recht verweist das LSG in diesem Zusammenhang auf § 40 Abs 1 SGB I, wonach Ansprüche auf Sozialleistungen erst mit Vorliegen der im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen entstehen; im Umkehrschluss bedeutet dies, dass vor dieser Zeit kein Anspruch nach den bezeichneten Vorschriften besteht.

19

Auch Sinn und Zweck der Regelungen rechtfertigen keine erweiternde Auslegung in dem von dem Kläger gewünschten Sinn. Der jetzigen Regelung über den pauschalierten Mehrbedarf war die Regelung des § 23 Abs 1 BSHG(vom 30.6.1961 - BGBl I 815) vorausgegangen, die den Mehrbedarfszuschlag zunächst nicht an eine bestimmte Behinderung, sondern typisierend nur an Alter und geminderte Erwerbsfähigkeit knüpfte (BSG, aaO, RdNr 15). Die zusätzliche Koppelung des Anspruchs auf einen pauschalierten Mehrbedarf an den Besitz eines Ausweises nach § 4 Abs 5 SchwbG mit dem Merkzeichen "G" erfolgte durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23.7.1996 (BGBl I 1088), weil wegen veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen nicht mehr allgemeine Bedarfslagen im Zusammenhang mit Alter und Erwerbsminderung erfasst werden sollten, sondern nur die Fälle, bei denen neben Alter und Erwerbsunfähigkeit auch mittelbar oder unmittelbar mit dem eingeschränkten Gehvermögen zusammenhängende Bedarfe vorhanden waren, die zur Vermeidung einer verwaltungsaufwändigen Prüfung der konkret mit den gesundheitlichen Einschränkungen verbundenen Bedarfe pauschaliert abgedeckt werden sollten (BSG, aaO, RdNr 17 unter Hinweis auf eine Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks 13/5067, S 2 f).

20

Soweit der Gesetzgeber die Anspruchsvoraussetzungen dabei nicht allein an das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" knüpfte, sondern an den Besitz eines entsprechenden Ausweises, diente dies, wie sich auch aus der Änderung der Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2670) zeigt, Nachweiszwecken und damit der Verwaltungspraktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung. Den Sozialhilfeträgern sollte - jedenfalls für die Gewährung eines typisierten, pauschalierten Mehrbedarfs - nicht aufgebürdet werden, eigene Ermittlungen zur Feststellung einer erheblichen Einschränkung der Gehfähigkeit zu prüfen. Anders etwa als bei der Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung, die in eigener Zuständigkeit zu prüfen ist - ggf nach einem entsprechenden Ersuchen nach § 109a Abs 2 SGB VI und der Bindung des ersuchenden Sozialhilfeträgers an die Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung(vgl § 45 Abs 1 SGB XII) - hat der Gesetzgeber hier auf eine vergleichbare Regelung verzichtet. Ebenso hat er von einer (bloßen) Bindung an die Entscheidung des Versorgungsamtes - wie etwa bei der Hilfe zur Pflege in § 62 SGB XII (Bindung an die Entscheidung der Pflegekasse) - abgesehen.

21

Das gesetzgeberische Anliegen ist nachvollziehbar. Der Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen beginnen grundsätzlich mit dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, und dementsprechend ist nach § 6 Abs 1 Nr 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV)als Beginn der Gültigkeit des Ausweises in der Regel der Tag des Eingangs des Antrags auf eine entsprechende Feststellung vorgesehen. Wollte man auch bei dem typisierten Mehrbedarf nach dem GSiG bzw SGB XII auf den Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen abstellen, führte dies bei vorangegangenem Leistungsbezug in jedem Falle zu einer rückwirkenden Leistung pauschalierter Mehrbedarfe für die Vergangenheit. Dies widerspräche nicht nur den Grundsätzen der Verwaltungspraktikabilität, sondern auch der Absicht des Gesetzgebers, weil andernfalls eine Korrektur praktisch in allen Fällen, in denen ein Antrag nach dem SGB IX (früher SchwbG) gestellt wird bzw dem GSiG gestellt worden war, im Gesetz bereits angelegt wäre.

22

Dass der Gesetzgeber von einem solchen Verständnis der Norm ausgegangen ist, zeigt insbesondere die spätere Gesetzesentwicklung. Durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2670) wurde in § 30 Abs 1 SGB XII mit Wirkung vom 7.12.2006 die Angabe "einen Ausweis nach § 69 Abs 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen G besitzen" durch die Angabe "durch einen Bescheid der nach § 69 Abs 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen" ersetzt. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass der Mehrbedarf ohne die Gesetzesänderung erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden könne (BT-Drucks 16/2711, S 11 zu Nr 8). Ob die vom Senat vorgenommene Auslegung nach der Änderung des § 30 Abs 1 SGB XII auch für die Zeit ab 7.12.2006 gilt, bedarf hier keiner Entscheidung (verneinend: Simon in jurisPK-SGB XII, § 30 SGB XII RdNr 44; Münder in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII, 8. Aufl 2008, § 30 SGB XII RdNr 6; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 30 SGB XII RdNr 11; bejahend: Coseriu in Kommentar zum Sozialrecht , 2. Aufl 2011, § 30 SGB XII RdNr 3; nicht ganz eindeutig: Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 30 SGB XII RdNr 4, Stand Januar 2008).

23

Das in § 2 Abs 2 Halbsatz 2 SGB I enthaltene Gebot, bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuches sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die ihrer dogmatischen Natur und ihrem Inhalt nach umstrittene Vorschrift (vgl nur: Bürck, SGb 1984, 7 ff; ders, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 139 ff; Eichenhofer, SGb 2011, 301 ff und 511 ff) besagt allerdings nicht mehr, als dass Auslegungsspielräume bei den einzelnen Anspruchsgrundlagen, die die in §§ 3 bis 10 SGB I genannten sozialen Rechte umsetzen sollen - §§ 3 bis 10 SGB I bilden, wie aus § 2 Abs 1 Satz 2 SGB I folgt, selbst keine Anspruchsgrundlagen -, mit dem normativen Gehalt des jeweils betroffenen sozialen Rechts gefüllt und dadurch möglichst weitgehend zur Geltung gebracht werden sollen(BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 9 S 34 f). Die Vorschrift ist aber keine Korrekturvorschrift, die es erlauben würde, einen entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers zu überspielen (Voelzke in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 2 RdNr 25). Selbst wenn danach ein Auslegungs- oder Entscheidungsresultat anzustreben ist, das die sozialen Rechte zur Geltung bringt und optimiert (vgl Eichenhofer, SGb 2011, 301, 302; Voelzke, aaO, § 2 RdNr 24), setzt eine Konkretisierung der maßgeblichen Normen voraus, dass das bei der Auslegung nach den anerkannten Methoden (Wortlaut, Teleologie, Entstehungsgeschichte und Systematik) zu berücksichtigende Optimierungsgebot einen entsprechenden Interpretationsspielraum zulässt. Dies ist aber gerade nicht der Fall.

24

Die auf die Tatbestandswirkung des Besitzes abstellende gesetzliche Regelung ist nicht verfassungswidrig. Insbesondere verstößt sie nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG). Art 3 Abs 1 GG ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; BVerfGE 117, 272, 300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 70; BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 84, 348, 359 mwN; 110, 412, 436). Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfGE 21, 12, 26; 23, 242, 252). Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen (BVerfGE 17, 319, 330; 53, 313, 329; 67, 70, 85 f). Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt insoweit eine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (vgl BVerfGE 75, 108, 157 = SozR 5425 § 1 Nr 1 S 11). Das Bundesverfassungsgericht legt je nach dem Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlichen Prüfungsmaßstab an (vgl zusammenfassend: BVerfGE 88, 87, 96 f; 105, 73, 110 f = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176 S 173).

25

Legt man diese Maßstäbe zugrunde, so besteht nur zwischen der Personengruppe, die im Besitz eines Ausweises ist, und der Personengruppe ohne einen entsprechenden Ausweis ein Unterschied. Innerhalb der Personengruppen werden hingegen alle Betroffenen gleich behandelt. Die Dauer bis zur Erteilung eines Schwerbehindertenausweises mag zwar unterschiedlich sein, hieran knüpft der Gesetzgeber aber nicht die von ihm gewählten Rechtsfolgen. Eine vermeintliche Ungleichbehandlung erfolgt allenfalls durch die Verwaltungspraxis, sie ist aber nicht schon in der Norm angelegt, die ohne Unterschied den Besitz des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" fordert.

26

Soweit es die unterschiedliche Behandlung von Schwerbehinderten mit und ohne Schwerbehindertenausweis betrifft, hat der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nach oben Gesagtem eingehalten. Der der Regelung innewohnende Nachweiszweck mag es zwar auch zulassen, auf einen früheren Zeitpunkt als den des Besitzes des Schwerbehindertenausweises abzustellen; verfassungsrechtlich geboten war dies jedoch nicht. Der Gesetzgeber war auch nicht verfassungsrechtlich gehalten, eine rückwirkende Bewilligung eines pauschalierten Mehrbedarfs vorzusehen, zumal eine solche Leistung dem Zweck der Sozialhilfe widerspräche. Im Bereich der Sozialhilfe ist insoweit zu berücksichtigen, dass sie grundsätzlich nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dient (sog Gegenwärtigkeitsprinzip) und grundsätzlich nicht als nachträgliche (pauschale) Geldleistung ausgestaltet ist, sondern an einen aktuellen Hilfebedarf anknüpft (BSGE 104, 213 ff RdNr 13 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20 mwN). Zwar hat der Senat im Rahmen seiner Entscheidung zu § 44 SGB X ausgeführt(BSG aaO), dass ggf auch pauschalierte Leistungen bei fortdauernder Bedürftigkeit nachzuzahlen sind; diese Rechtsprechung ist allerdings im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Vorenthaltung von Leistungen zu sehen. Sie rechtfertigt nicht die Annahme, es sei generell verfassungsrechtlich geboten, unabhängig von einem konkreten Bedarf rückwirkend typisierte, pauschalierte Leistungen zu erbringen.

27

Die gesetzliche Regelung ist auch nicht unverhältnismäßig und verstößt deshalb nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Sie macht zwar den Anspruch auf den pauschalierten Mehrbedarf wegen der Tatbestandswirkung der anderweitig zu treffenden Entscheidung auch von Zufälligkeiten im Verfahrensablauf abhängig. Es ist aber nicht ungewöhnlich, dass ein Sozialleistungsanspruch von einer anderen Entscheidung abhängt. Die Rechtsprechung hat dies unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Beteiligten, eine solche Entscheidung zu verzögern, im Grundsatz als verfassungsgemäß angesehen (vgl zB zur Rentenerhöhung erst nach Rechtskraft des Versorgungsausgleichs BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1; zum Besitz einer Aufenthaltserlaubnis als Voraussetzung für Leistungen nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz BSGE 70, 197 ff = SozR 3-7833 § 1 Nr 7).

28

Der Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Verzögerung kann ausreichend begegnet werden. Bis zum formalen Feststellungsakt durch das Versorgungsamt (bzw früher bis zur Ausstellung eines entsprechenden Ausweises) ist den Betroffenen bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" nämlich nur die Möglichkeit genommen, einen behinderungsbedingten Mehrbedarf pauschal (also ohne Nachweis) geltend zu machen; soweit die Voraussetzungen des § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG bzw des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII vorliegen, hat er gleichwohl generell einen Anspruch auf Ausgleich eines abweichenden Bedarfs(Münder in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 30 SGB XII RdNr 8; Coseriu in KSW, 2. Aufl 2011, § 30 SGB XII RdNr 3; ähnlich auch Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 30 SGB XII RdNr 19), weil sein Existenzminimum aus verfassungsrechtlichen Gründen gesichert werden muss; ein unabweisbarer, laufender besonderer Bedarf kann dem Hilfebedürftigen nicht vorenthalten werden (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12).

29

§ 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII ist im Rahmen der Grundsicherung der §§ 41 ff SGB XII anzuwenden; denn § 42 SGB XII verweist durch die Bezugnahme auf § 28 SGB XII auf dessen gesamtes Leistungsspektrum(Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, aaO, § 42 SGB XII RdNr 2), wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 99, 252 ff RdNr 20 f = SozR 4-3500 § 28 Nr 3 mwN). Höhere Leistungen als der Regelsatz können aber auch im Rahmen der Leistungen nach dem GSiG erbracht werden. Nach § 3 Abs 1 Nr 1 GSiG wird zwar zur Bemessung der Grundsicherungsleistung nach dem GSiG allein auf den Regelsatz des § 22 Abs 1 Satz 1 BSHG abgestellt, weil der Gesetzgeber den Bedarf unabhängig von individuellen Bedürfnissen pauschaliert und unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung eine nur beschränkt individuelle Bedarfsermittlung vorgesehen hat (BT-Drucks 14/5150, S 49). Allerdings muss die Sozialhilfe als gegenüber Leistungen nach dem GSiG nachrangige Leistung (BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1; vgl heute § 19 Abs 2 Satz 2 SGB XII) den nach den Vorschriften des GSiG ermittelten Lebensunterhalt aufstocken, soweit das BSHG den nach den Besonderheiten des Einzelfalls bemessenen Lebensunterhalt in größerem Umfang deckt (Schoch in LPK-GSiG, § 3 RdNr 11; zum SGB XII BSG, Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R -, sowie Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 19 SGB XII RdNr 43 ff; zu der im GSiG nicht vorgesehenen Übergangsregelung des § 23 Abs 1 Satz 2 BSHG BSG SozR 4-3500 § 30 Nr 2 RdNr 18). Das GSiG beabsichtigte keine Bedarfsdeckung für jeden individuellen Einzelfall, sondern eine eigenständige Sozialleistung, die eine Inanspruchnahme von Sozialhilfe typischerweise entbehrlich machen sollte. Demzufolge konnte und musste ein atypischer Mehrbedarf mittels der Hilfe zum Lebensunterhalt abgedeckt werden (Fichtner/Wenzel, BSHG, 2. Aufl 2003, RdNr 4 f Vor GSiG).

30

Vor diesem Hintergrund scheidet ein Verstoß gegen Art 19 Abs 4 GG aus. Zwar garantiert das Verfahrensgrundrecht des Art 19 Abs 4 GG nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes (BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 29 mwN); dies erfordert, dass irreparable Entscheidungen soweit wie möglich ausgeschlossen werden (BSG, aaO, mwN). Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass es der Betroffene selbst in der Hand hat, durch Substantiierung eines Mehrbedarfs über § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII bzw § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG drohende Nachteile zu verhindern. Bei einer ablehnenden Entscheidung durch den Sozialhilfeträger steht ihm darüber hinaus der Weg über den einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs 2 SGG zur Seite. Selbst bei Bestandskraft eines einen individuellen Mehrbedarf ablehnenden Bescheids steht dem Betroffenen der Weg über § 44 SGB X(dazu unten) offen.

31

Da eine etwaige Verzögerung in dem Anerkennungsverfahren nach dem SGB IX nicht dem Beklagten zuzurechnen ist, kann ein etwa eingetretener Rechtsnachteil auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ausgeglichen werden. Nach Sinn und Zweck des § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII muss sich der Beklagte ein etwaiges Fehlverhalten des Versorgungsamtes im Rahmen eines Herstellungsanspruches nicht zurechnen lassen, weil das Versorgungsamt nicht in das Sozialleistungsverfahren nach dem SGB XII funktional einbezogen ist(vgl dazu BSGE 71, 217 f mwN = SozR 3-1200 § 14 Nr 8 S 19). Insoweit verbleibt ggf der Amtshaftungsanspruch nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch iVm Art 34 GG, der sich allerdings nicht gegen den Sozialhilfeträger selbst richtet.

32

Vorliegend verbleibt eine Prüfung des geltend gemachten Anspruchs in Anwendung des § 44 Abs 1 SGB X. Ob für das GSiG § 44 SGB X - was nahe liegt - Anwendung findet oder ob insoweit auf § 48 Abs 1 Satz 1 VwVfG iVm § 1 NVwVfG zu rekurrieren ist(offen gelassen BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15 RdNr 14 ff), der die Rücknahme bestandskräftiger Verwaltungsakte und damit die nachträgliche Zahlung von Leistungen grundsätzlich ins Ermessen der Beklagten stellt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, weil die Beklagte Leistungen bis 31.12.2004 (zunächst) nach dem BSHG gewährt hat und erst durch Bescheid vom 23.5.2005 (im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X) Leistungen nach dem GSiG unter Berücksichtigung bereits nach dem BSHG erbrachter Leistungen bewilligt hat. Mit diesem Bescheid hat sie die früheren Sozialhilfebescheide ersetzt und gleichzeitig, ohne dass dies einer ausdrücklichen Verfügung bedurft hätte, zusätzliche Sozialhilfeleistungen abgelehnt. Das Verfahren nach § 44 SGB X, mit dem höhere Leistungen begehrt werden, betrifft mithin Leistungen des BSHG, für das der Senat die Anwendung des § 44 SGB X bereits angenommen hat(BSG, aaO, RdNr 19).

33

Nach § 44 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ob dies der Fall ist, vermag der Senat angesichts fehlender Feststellungen des LSG zu den Anspruchsvoraussetzungen allgemein und zur Höhe des Anspruchs, insbesondere zu einem etwa bestehenden Mehrbedarf nicht zu beurteilen. Entsprechende Feststellungen wird das LSG nachzuholen und dabei zu berücksichtigen haben, dass es insoweit nicht auf eine Kenntnis des Sozialhilfeträgers bezüglich des Mehrbedarfs, der ergänzende bzw höhere Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG bzw § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII zulässt, ankommt. Die für die Erbringung von Leistungen notwendige Kenntnis (§ 5 BSHG; § 18 SGB XII) wird schon durch die der Beklagten bekannte Hilfebedürftigkeit vermittelt (vgl BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1). § 18 SGB XII bzw § 5 BSHG sollen zum Schutz des Hilfebedürftigen einen niedrigschwelligen Zugang zum Sozialhilfesystem sicherstellen, sodass es für die Annahme einer Kenntnis ausreichend ist, dass die Notwendigkeit der Hilfe dargetan oder sonst erkennbar ist(BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 23). Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, dass dem Kläger zu Unrecht Leistungen vorenthalten wurden, wird es die von dem Senat in seinem Urteil vom 29.9.2009 (BSGE 104, 213 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20) aufgestellten Grundsätze beachten müssen.

34

Für den Zeitraum von Januar bis Mai 2005, in dem der Kläger Leistungen nach dem SGB II bezogen hat, wird das LSG zu prüfen haben, ob er (der Kläger) als Erwerbsfähiger oder als Angehöriger dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II war. Dann scheiden nach § 21 SGB XII Leistungen der Beklagten für die Vergangenheit auch in Anwendung des § 44 SGB X für den genannten Zeitraum aus. War der Kläger aber auf nicht absehbare Zeit nicht in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 SGB II), und sind ihm deshalb (bei Vorliegen der übrigen Leistungsvoraussetzungen) statt der Leistungen nach dem SGB XII zu Unrecht (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II)Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden, ist dem Bewilligungsbescheid vom 23.5.2005 gleichzeitig die konkludente Ablehnung von Leistungen (auch eines Mehrbedarfs) für die Zeit vom 1.1. bis 31.5.2005 zu entnehmen, die einer Korrektur nach § 44 Abs 1 SGB X zugänglich ist.

35

Das LSG wird schließlich auch prüfen müssen, ob wegen einer etwaigen Nichtbeteiligung sozial erfahrener Personen im Widerspruchsverfahren (§ 116 Abs 2 SGB XII) ein von Amts wegen zu berücksichtigender Mangel des Vorverfahrens vorliegt (dazu BSGE 106, 62 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6), und ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. Februar 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind höhere Sozialhilfeleistungen bzw Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, insbesondere ein Mehrbedarf (wegen Behinderung) für den Zeitraum vom 1.2.2004 bis 30.9.2006.

2

Der 1948 geborene Kläger bezog bis Dezember 2004 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (bestandskräftiger Bescheid vom 25.4.2005), nachdem ihm zunächst Sozialhilfeleistungen gezahlt worden waren, nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG), von Januar 2005 bis Mai 2005 Arbeitslosengeld II (bestandskräftiger Bescheid vom 16.2.2005) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) und ab Juni 2005 erneut Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (bestandskräftiger Bescheid vom 23.5.2005) nach §§ 41 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

3

Mit (Ausführungs-)Bescheid vom 11.10.2006 stellte das Versorgungsamt beim Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 und die Voraussetzungen für das Vorliegen des Nachteilsausgleichs "G" fest. Dieser Entscheidung war ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Hannover vorausgegangen, das mit einem entsprechenden Anerkenntnis im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.9.2006 endete. Ein Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 50 und dem Nachteilsausgleich "G", gültig ab 1.2.2004, wurde am 23.10.2006 ausgestellt. Die Beklagte bewilligte auf Antrag des Klägers vom 31.10.2006 für die Zeit ab Oktober 2006 einen pauschalierten Mehrbedarf aufgrund der Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "G", lehnte diesen aber für den Zeitraum von Februar 2004 bis September 2006 mit der Begründung ab, ein Mehrbedarf könne erst ab Ausstellung des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" gewährt werden (Bescheid vom 22.11.2006; Widerspruchsbescheid vom 17.4.2007).

4

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Hannover vom 31.8.2007; Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 25.2.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, Streitgegenstand seien nur Mehrbedarfsleistungen wegen der Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "G". Einen solchen Anspruch habe der Kläger nach dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen erst ab Besitz des Schwerbehindertenausweises im Oktober 2006. Nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG und § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII(in der bis zum 6.12.2006 geltenden Fassung) sei der Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" für den pauschalierten Mehrbedarf Anspruchsvoraussetzung. Da nach § 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) Ansprüche auf Sozialleistungen erst entstünden, wenn ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen erfüllt seien, scheide ein pauschalierter Mehrbedarf für zurückliegende Zeiten ab Feststellung des Merkzeichens "G" aus. Von diesem Verständnis gehe auch der Gesetzgeber aus; dies zeige die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII, wonach die bis zum 6.12.2006 geltende Rechtslage zur Folge habe, dass der Mehrbedarf erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden könne.

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG und des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII. Die vom LSG vorgenommene Auslegung sei keineswegs zwingend. Die Tatbestandsvoraussetzung "Besitz" sage nichts zum Leistungsbeginn. Nach seinem Wortsinn könne dieses Tatbestandsmerkmal auch so verstanden werden, dass die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit einem Gültigkeitsdatum genüge, das den Zeitraum vor Ausstellung erfasse; der Beweiswert, der von dem Ausweis ausgehe, sei bei einer nachträglichen Vorlage derselbe. Eine solche Auslegung ermögliche eine möglichst weitgehende Verwirklichung der sozialen Rechte, wie dies § 2 Abs 2 SGB I fordere. Eine zeitliche Begrenzung, wann der Nachweis der Voraussetzungen durch den Ausweis zu erfolgen habe und dass dieser Nachweis nicht rückwirkend erbracht werden könne, sei den maßgebenden Normen nicht zu entnehmen. Ein enges Verständnis führe hingegen zu einem praktischen Rechtsverlust für die Zeiten, in denen die Gehbehinderung bereits vorgelegen und damit auch ein erhöhter Bedarf bestanden habe. Dies verstoße gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) und den substantiellen Anspruch auf eine tatsächliche wirksame gerichtliche Kontrolle. Die Effektivität des Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) sei ungenügend; der Betroffene erleide durch die Fehleinschätzung der Behörde nicht hinnehmbare finanzielle Nachteile. Der Verweis auf die Möglichkeit eines Amtshaftungsanspruchs stelle insoweit keinen adäquaten Ersatz dar. Der Anspruch auf den Mehrbedarf für den streitbefangenen Zeitraum ergebe sich (hilfsweise) aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, weil nur durch das Verschulden der Versorgungsverwaltung eine Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt gewesen sei.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 22.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2007 aufzuheben und ihm unter Abänderung entgegenstehender Bescheide für die Zeit von Februar 2004 bis September 2006 einen monatlichen Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zu zahlen bzw den Regelsatz zu erhöhen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat zwar zu Recht entschieden, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf einen pauschalierten Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII hat; ob der Kläger allerdings einen Mehrbedarf hatte, der eine vom Regelsatz abweichende Festlegung und im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) rückwirkend zu erbringende Leistungen rechtfertigt, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht entscheiden.

10

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 22.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2007 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Zahlung eines behinderungsbedingten Mehraufwands für den streitbefangenen Zeitraum abgelehnt hat. Dabei hat der Senat entgegen der Auffassung des LSG nicht allein darüber zu befinden, ob dem Kläger ein Mehrbedarf wegen rückwirkender Änderung der Verhältnisse ab Februar 2004 nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zusteht; ist der pauschalierte Mehrbedarf nachträglich nicht zu erbringen, ist auch darüber zu entscheiden, ob ein (konkret) bestehender behinderungsbedingter Mehrbedarf, der durch den Kläger tatsächlich gedeckt wurde, im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X nachträglich zu erbringen ist, weil die Beklagte zu Unrecht höhere Leistungen vorenthalten hat.

11

Zwar ist der pauschalierte Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII ein abtrennbarer Streitgegenstand, mit der Möglichkeit, die Klage entsprechend zu beschränken(vgl nur Coseriu in juris Praxiskommentar SGB XII, § 19 SGB XII RdNr 76.2 mwN zur Rechtsprechung); nach dem sog Meistbegünstigungsgrundsatz (vgl hierzu nur: BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 22; Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21 ff mwN zur Rechtsprechung) muss aber davon ausgegangen werden, dass die Klage insoweit gerade nicht beschränkt worden ist, sondern ein "Mehrbedarf" für die Vergangenheit unabhängig von der jeweiligen Anspruchsgrundlage geltend gemacht wurde. Bestätigt wird dies durch das Schreiben an die Beklagte vom 26.10.2006 mit dem Antrag, die zustehenden "zusätzlichen Leistungen seit Februar 2004" zu bewilligen, sowie durch den Klagantrag, mit dem die Zahlung eines Mehrbedarfs für die Vergangenheit verlangt worden ist. Im Streit sind somit insgesamt höhere Leistungen.

12

Unabhängig davon, ob sich die Begründetheit der Klage an § 48 SGB X oder an § 44 SGB X bzw (für die Zeit bis 31.12.2004) an den Vorschriften des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (NVwVfG) iVm dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG) misst, ist die richtige Klageart die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4, § 56 SGG. In beiden Fällen ist neben der Aufhebung der streitgegenständlichen (ablehnenden) Bescheide die Behörde zu verpflichten, die (einer nachträglichen Leistung) entgegenstehenden Bescheide (im Urteil des LSG sind nicht alle bezeichnet) aufzuheben, und zur Leistung zu verurteilen (BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1 S 2; BSGE 104, 213 ff RdNr 9 mwN = SozR 4-1300 § 44 Nr 20).

13

Mangels in Niedersachsen angeordneten Behördenprinzips (vgl § 70 Nr 3 SGG) richtet sich die Klage gemäß § 70 Nr 1 SGG gegen die Region Hannover. Hieran ändert nichts, dass die Stadt Hannover den angegriffenen Bescheid erlassen hat. Nach § 8 Abs 1 Satz 1 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum SGB XII (AG SGB XII) vom 16.12.2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt 644) kann die Region Hannover zwar zur Durchführung der ihr als örtlichem Sozialhilfeträger obliegenden Aufgabe durch Satzung oder öffentlich-rechtlichen Vertrag regionsangehörige Gemeinden heranziehen, und von dieser Möglichkeit hat sie auch Gebrauch gemacht (§ 1 der Satzung über die Heranziehung von regionsangehörigen Städten und Gemeinden zur Durchführung der von der Region Hannover als örtlichem Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben nach dem SGB XII vom 14.12.2004 in der Fassung vom 7.3.2006 - Gemeinsames Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover Nr 14 vom 6.4.2006); jedoch handelt die herangezogene kommunale Körperschaft gemäß § 9 Abs 4 AG SGB XII (nur) im Namen des örtlichen Trägers der Sozialhilfe, der damit der richtige Beteiligte bleibt(vgl hierzu Senatsurteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 1/10 R - RdNr 13 mwN).

14

Die Beklagte war der für die Entscheidung örtlich und sachlich zuständige Träger der Sozialhilfe nach § 3 Abs 2, § 97 Abs 1, § 98 Abs 1 SGB XII in Verbindung mit § 1 Satz 1 und § 6 Abs 1 AG SGB XII (und § 44 Abs 3 SGB X). Sie ist Gesamtrechtsnachfolgerin des Landkreises Hannover und nimmt dessen Aufgaben wahr (§§ 2, 3 Abs 3 Gesetz über die Region Hannover vom 5.6.2001 - GVBl 348). Die Heranziehung der Stadt Hannover nach § 99 Abs 1 SGB XII in Verbindung mit § 8 Abs 1 AG SGB XII verändert nicht die Zuständigkeit(§ 9 Abs 4 AG SGB XII). Der Senat ist nicht gehindert, die dem Grunde nach nicht revisiblen (§ 162 SGG) landesrechtlichen Vorschriften anzuwenden und auszulegen, weil das LSG diese Vorschriften bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hat (BSGE 102, 10 ff RdNr 28 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2; Senatsurteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 1/10 R - juris RdNr 14).

15

Materiellrechtlich misst sich die Begründetheit der Revision an § 44 Abs 1 SGB X. § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X findet - unabhängig von der Frage nach seiner Geltung im Rahmen des GSiG - keine Anwendung. Danach soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei einer Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorlagen, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Eine Änderung der Verhältnisse ist frühestens für die Zeit ab Oktober 2006 anzunehmen, weil der Kläger erst ab diesem Zeitpunkt im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" war und deshalb auch erst ab Oktober 2006 die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zu bejahen sind, sodass ohne Bedeutung ist, ob § 48 SGB X im Rahmen des GSiG Anwendung findet, bzw welche Regelung bei Änderung der Verhältnisse anzuwenden wäre.

16

Nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG umfasste die bedarfsorientierte Grundsicherung einen Mehrbedarf von 20 vH des für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes nach dem Zweiten Abschnitt des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) bei Besitz eines Ausweises nach § 4 Abs 5 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) mit dem Merkzeichen "G". Eine entsprechende Regelung sieht für die Zeit ab 1.1.2005 § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) vor. Danach wird ein Mehrbedarf von 17 vH des maßgebenden Regelsatzes für Personen anerkannt, die unter 65 Jahre und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) sind und einen Ausweis nach § 69 Abs 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) mit dem Merkzeichen G besitzen, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Der Kläger war - unabhängig von den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem GSiG bzw SGB XII - in dem streitbefangenen Zeitraum jedenfalls nicht im Besitz eines solchen Ausweises.

17

Diese Regelungen sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht dahin auszulegen, dass die im Oktober 2006 eingetretene Änderung der Verhältnisse auf den Zeitpunkt der Anerkennung des Nachteilsausgleichs "G" - hier also auf die Zeit ab Februar 2004 - zurückwirkt. Zwar können spätere Änderungen der Sach- und Rechtslage sogar bis auf den Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Dauerverwaltungsaktes zurückwirken, also die Sach- oder Rechtslage ex tunc ändern (vgl BSG SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 17 mwN); maßgebend hierfür ist aber eine rückwirkende Umgestaltung der Rechtslage, deretwegen der Verwaltungsakt (auch für den zurückliegenden Zeitraum) nicht mehr oder nicht mehr so erlassen werden dürfte.

18

§ 3 Abs 1 Nr 4 GSiG stellte allerdings ebenso wie § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII nicht lediglich auf die Feststellungswirkung des Nachteilsausgleichs "G" oder das Vorliegen seiner Voraussetzungen ab. Zu den im Gesetz bestimmten Voraussetzungen gehört nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Vorschriften vielmehr der "Besitz" (Simon in jurisPK-SGB XII, § 30 SGB XII RdNr 44; W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl 2002, § 23 RdNr 13). Der Senat hat deshalb bereits entschieden, dass der Mehrbedarf des § 30 Abs 1 Nr 1 SGB XII tatbestandlich mit der Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises und der Zuerkennung des Merkzeichens "G" verbunden ist(BSGE 104, 200 ff RdNr 14 = SozR 4-3500 § 30 Nr 1); allein der Zeitpunkt der Feststellungswirkung des Merkzeichens "G" ist zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen also nicht ausreichend. Anders als die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" selbst, die für die Zeit ab Februar 2004 Wirkung entfaltet, wird der "Besitz" nicht rückwirkend eingeräumt. Die Anspruchsvoraussetzungen für den pauschalierten Mehrbedarf können deshalb nicht vor Oktober 2006 eintreten. Zu Recht verweist das LSG in diesem Zusammenhang auf § 40 Abs 1 SGB I, wonach Ansprüche auf Sozialleistungen erst mit Vorliegen der im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen entstehen; im Umkehrschluss bedeutet dies, dass vor dieser Zeit kein Anspruch nach den bezeichneten Vorschriften besteht.

19

Auch Sinn und Zweck der Regelungen rechtfertigen keine erweiternde Auslegung in dem von dem Kläger gewünschten Sinn. Der jetzigen Regelung über den pauschalierten Mehrbedarf war die Regelung des § 23 Abs 1 BSHG(vom 30.6.1961 - BGBl I 815) vorausgegangen, die den Mehrbedarfszuschlag zunächst nicht an eine bestimmte Behinderung, sondern typisierend nur an Alter und geminderte Erwerbsfähigkeit knüpfte (BSG, aaO, RdNr 15). Die zusätzliche Koppelung des Anspruchs auf einen pauschalierten Mehrbedarf an den Besitz eines Ausweises nach § 4 Abs 5 SchwbG mit dem Merkzeichen "G" erfolgte durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23.7.1996 (BGBl I 1088), weil wegen veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen nicht mehr allgemeine Bedarfslagen im Zusammenhang mit Alter und Erwerbsminderung erfasst werden sollten, sondern nur die Fälle, bei denen neben Alter und Erwerbsunfähigkeit auch mittelbar oder unmittelbar mit dem eingeschränkten Gehvermögen zusammenhängende Bedarfe vorhanden waren, die zur Vermeidung einer verwaltungsaufwändigen Prüfung der konkret mit den gesundheitlichen Einschränkungen verbundenen Bedarfe pauschaliert abgedeckt werden sollten (BSG, aaO, RdNr 17 unter Hinweis auf eine Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks 13/5067, S 2 f).

20

Soweit der Gesetzgeber die Anspruchsvoraussetzungen dabei nicht allein an das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" knüpfte, sondern an den Besitz eines entsprechenden Ausweises, diente dies, wie sich auch aus der Änderung der Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2670) zeigt, Nachweiszwecken und damit der Verwaltungspraktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung. Den Sozialhilfeträgern sollte - jedenfalls für die Gewährung eines typisierten, pauschalierten Mehrbedarfs - nicht aufgebürdet werden, eigene Ermittlungen zur Feststellung einer erheblichen Einschränkung der Gehfähigkeit zu prüfen. Anders etwa als bei der Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung, die in eigener Zuständigkeit zu prüfen ist - ggf nach einem entsprechenden Ersuchen nach § 109a Abs 2 SGB VI und der Bindung des ersuchenden Sozialhilfeträgers an die Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung(vgl § 45 Abs 1 SGB XII) - hat der Gesetzgeber hier auf eine vergleichbare Regelung verzichtet. Ebenso hat er von einer (bloßen) Bindung an die Entscheidung des Versorgungsamtes - wie etwa bei der Hilfe zur Pflege in § 62 SGB XII (Bindung an die Entscheidung der Pflegekasse) - abgesehen.

21

Das gesetzgeberische Anliegen ist nachvollziehbar. Der Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen beginnen grundsätzlich mit dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, und dementsprechend ist nach § 6 Abs 1 Nr 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV)als Beginn der Gültigkeit des Ausweises in der Regel der Tag des Eingangs des Antrags auf eine entsprechende Feststellung vorgesehen. Wollte man auch bei dem typisierten Mehrbedarf nach dem GSiG bzw SGB XII auf den Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen abstellen, führte dies bei vorangegangenem Leistungsbezug in jedem Falle zu einer rückwirkenden Leistung pauschalierter Mehrbedarfe für die Vergangenheit. Dies widerspräche nicht nur den Grundsätzen der Verwaltungspraktikabilität, sondern auch der Absicht des Gesetzgebers, weil andernfalls eine Korrektur praktisch in allen Fällen, in denen ein Antrag nach dem SGB IX (früher SchwbG) gestellt wird bzw dem GSiG gestellt worden war, im Gesetz bereits angelegt wäre.

22

Dass der Gesetzgeber von einem solchen Verständnis der Norm ausgegangen ist, zeigt insbesondere die spätere Gesetzesentwicklung. Durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2670) wurde in § 30 Abs 1 SGB XII mit Wirkung vom 7.12.2006 die Angabe "einen Ausweis nach § 69 Abs 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen G besitzen" durch die Angabe "durch einen Bescheid der nach § 69 Abs 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen" ersetzt. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass der Mehrbedarf ohne die Gesetzesänderung erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden könne (BT-Drucks 16/2711, S 11 zu Nr 8). Ob die vom Senat vorgenommene Auslegung nach der Änderung des § 30 Abs 1 SGB XII auch für die Zeit ab 7.12.2006 gilt, bedarf hier keiner Entscheidung (verneinend: Simon in jurisPK-SGB XII, § 30 SGB XII RdNr 44; Münder in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII, 8. Aufl 2008, § 30 SGB XII RdNr 6; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 30 SGB XII RdNr 11; bejahend: Coseriu in Kommentar zum Sozialrecht , 2. Aufl 2011, § 30 SGB XII RdNr 3; nicht ganz eindeutig: Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 30 SGB XII RdNr 4, Stand Januar 2008).

23

Das in § 2 Abs 2 Halbsatz 2 SGB I enthaltene Gebot, bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuches sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die ihrer dogmatischen Natur und ihrem Inhalt nach umstrittene Vorschrift (vgl nur: Bürck, SGb 1984, 7 ff; ders, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 139 ff; Eichenhofer, SGb 2011, 301 ff und 511 ff) besagt allerdings nicht mehr, als dass Auslegungsspielräume bei den einzelnen Anspruchsgrundlagen, die die in §§ 3 bis 10 SGB I genannten sozialen Rechte umsetzen sollen - §§ 3 bis 10 SGB I bilden, wie aus § 2 Abs 1 Satz 2 SGB I folgt, selbst keine Anspruchsgrundlagen -, mit dem normativen Gehalt des jeweils betroffenen sozialen Rechts gefüllt und dadurch möglichst weitgehend zur Geltung gebracht werden sollen(BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 9 S 34 f). Die Vorschrift ist aber keine Korrekturvorschrift, die es erlauben würde, einen entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers zu überspielen (Voelzke in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 2 RdNr 25). Selbst wenn danach ein Auslegungs- oder Entscheidungsresultat anzustreben ist, das die sozialen Rechte zur Geltung bringt und optimiert (vgl Eichenhofer, SGb 2011, 301, 302; Voelzke, aaO, § 2 RdNr 24), setzt eine Konkretisierung der maßgeblichen Normen voraus, dass das bei der Auslegung nach den anerkannten Methoden (Wortlaut, Teleologie, Entstehungsgeschichte und Systematik) zu berücksichtigende Optimierungsgebot einen entsprechenden Interpretationsspielraum zulässt. Dies ist aber gerade nicht der Fall.

24

Die auf die Tatbestandswirkung des Besitzes abstellende gesetzliche Regelung ist nicht verfassungswidrig. Insbesondere verstößt sie nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG). Art 3 Abs 1 GG ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; BVerfGE 117, 272, 300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 70; BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 84, 348, 359 mwN; 110, 412, 436). Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfGE 21, 12, 26; 23, 242, 252). Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen (BVerfGE 17, 319, 330; 53, 313, 329; 67, 70, 85 f). Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt insoweit eine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (vgl BVerfGE 75, 108, 157 = SozR 5425 § 1 Nr 1 S 11). Das Bundesverfassungsgericht legt je nach dem Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlichen Prüfungsmaßstab an (vgl zusammenfassend: BVerfGE 88, 87, 96 f; 105, 73, 110 f = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176 S 173).

25

Legt man diese Maßstäbe zugrunde, so besteht nur zwischen der Personengruppe, die im Besitz eines Ausweises ist, und der Personengruppe ohne einen entsprechenden Ausweis ein Unterschied. Innerhalb der Personengruppen werden hingegen alle Betroffenen gleich behandelt. Die Dauer bis zur Erteilung eines Schwerbehindertenausweises mag zwar unterschiedlich sein, hieran knüpft der Gesetzgeber aber nicht die von ihm gewählten Rechtsfolgen. Eine vermeintliche Ungleichbehandlung erfolgt allenfalls durch die Verwaltungspraxis, sie ist aber nicht schon in der Norm angelegt, die ohne Unterschied den Besitz des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" fordert.

26

Soweit es die unterschiedliche Behandlung von Schwerbehinderten mit und ohne Schwerbehindertenausweis betrifft, hat der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nach oben Gesagtem eingehalten. Der der Regelung innewohnende Nachweiszweck mag es zwar auch zulassen, auf einen früheren Zeitpunkt als den des Besitzes des Schwerbehindertenausweises abzustellen; verfassungsrechtlich geboten war dies jedoch nicht. Der Gesetzgeber war auch nicht verfassungsrechtlich gehalten, eine rückwirkende Bewilligung eines pauschalierten Mehrbedarfs vorzusehen, zumal eine solche Leistung dem Zweck der Sozialhilfe widerspräche. Im Bereich der Sozialhilfe ist insoweit zu berücksichtigen, dass sie grundsätzlich nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dient (sog Gegenwärtigkeitsprinzip) und grundsätzlich nicht als nachträgliche (pauschale) Geldleistung ausgestaltet ist, sondern an einen aktuellen Hilfebedarf anknüpft (BSGE 104, 213 ff RdNr 13 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20 mwN). Zwar hat der Senat im Rahmen seiner Entscheidung zu § 44 SGB X ausgeführt(BSG aaO), dass ggf auch pauschalierte Leistungen bei fortdauernder Bedürftigkeit nachzuzahlen sind; diese Rechtsprechung ist allerdings im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Vorenthaltung von Leistungen zu sehen. Sie rechtfertigt nicht die Annahme, es sei generell verfassungsrechtlich geboten, unabhängig von einem konkreten Bedarf rückwirkend typisierte, pauschalierte Leistungen zu erbringen.

27

Die gesetzliche Regelung ist auch nicht unverhältnismäßig und verstößt deshalb nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Sie macht zwar den Anspruch auf den pauschalierten Mehrbedarf wegen der Tatbestandswirkung der anderweitig zu treffenden Entscheidung auch von Zufälligkeiten im Verfahrensablauf abhängig. Es ist aber nicht ungewöhnlich, dass ein Sozialleistungsanspruch von einer anderen Entscheidung abhängt. Die Rechtsprechung hat dies unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Beteiligten, eine solche Entscheidung zu verzögern, im Grundsatz als verfassungsgemäß angesehen (vgl zB zur Rentenerhöhung erst nach Rechtskraft des Versorgungsausgleichs BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1; zum Besitz einer Aufenthaltserlaubnis als Voraussetzung für Leistungen nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz BSGE 70, 197 ff = SozR 3-7833 § 1 Nr 7).

28

Der Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Verzögerung kann ausreichend begegnet werden. Bis zum formalen Feststellungsakt durch das Versorgungsamt (bzw früher bis zur Ausstellung eines entsprechenden Ausweises) ist den Betroffenen bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" nämlich nur die Möglichkeit genommen, einen behinderungsbedingten Mehrbedarf pauschal (also ohne Nachweis) geltend zu machen; soweit die Voraussetzungen des § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG bzw des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII vorliegen, hat er gleichwohl generell einen Anspruch auf Ausgleich eines abweichenden Bedarfs(Münder in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 30 SGB XII RdNr 8; Coseriu in KSW, 2. Aufl 2011, § 30 SGB XII RdNr 3; ähnlich auch Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 30 SGB XII RdNr 19), weil sein Existenzminimum aus verfassungsrechtlichen Gründen gesichert werden muss; ein unabweisbarer, laufender besonderer Bedarf kann dem Hilfebedürftigen nicht vorenthalten werden (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12).

29

§ 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII ist im Rahmen der Grundsicherung der §§ 41 ff SGB XII anzuwenden; denn § 42 SGB XII verweist durch die Bezugnahme auf § 28 SGB XII auf dessen gesamtes Leistungsspektrum(Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, aaO, § 42 SGB XII RdNr 2), wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 99, 252 ff RdNr 20 f = SozR 4-3500 § 28 Nr 3 mwN). Höhere Leistungen als der Regelsatz können aber auch im Rahmen der Leistungen nach dem GSiG erbracht werden. Nach § 3 Abs 1 Nr 1 GSiG wird zwar zur Bemessung der Grundsicherungsleistung nach dem GSiG allein auf den Regelsatz des § 22 Abs 1 Satz 1 BSHG abgestellt, weil der Gesetzgeber den Bedarf unabhängig von individuellen Bedürfnissen pauschaliert und unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung eine nur beschränkt individuelle Bedarfsermittlung vorgesehen hat (BT-Drucks 14/5150, S 49). Allerdings muss die Sozialhilfe als gegenüber Leistungen nach dem GSiG nachrangige Leistung (BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1; vgl heute § 19 Abs 2 Satz 2 SGB XII) den nach den Vorschriften des GSiG ermittelten Lebensunterhalt aufstocken, soweit das BSHG den nach den Besonderheiten des Einzelfalls bemessenen Lebensunterhalt in größerem Umfang deckt (Schoch in LPK-GSiG, § 3 RdNr 11; zum SGB XII BSG, Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R -, sowie Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 19 SGB XII RdNr 43 ff; zu der im GSiG nicht vorgesehenen Übergangsregelung des § 23 Abs 1 Satz 2 BSHG BSG SozR 4-3500 § 30 Nr 2 RdNr 18). Das GSiG beabsichtigte keine Bedarfsdeckung für jeden individuellen Einzelfall, sondern eine eigenständige Sozialleistung, die eine Inanspruchnahme von Sozialhilfe typischerweise entbehrlich machen sollte. Demzufolge konnte und musste ein atypischer Mehrbedarf mittels der Hilfe zum Lebensunterhalt abgedeckt werden (Fichtner/Wenzel, BSHG, 2. Aufl 2003, RdNr 4 f Vor GSiG).

30

Vor diesem Hintergrund scheidet ein Verstoß gegen Art 19 Abs 4 GG aus. Zwar garantiert das Verfahrensgrundrecht des Art 19 Abs 4 GG nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes (BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 29 mwN); dies erfordert, dass irreparable Entscheidungen soweit wie möglich ausgeschlossen werden (BSG, aaO, mwN). Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass es der Betroffene selbst in der Hand hat, durch Substantiierung eines Mehrbedarfs über § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII bzw § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG drohende Nachteile zu verhindern. Bei einer ablehnenden Entscheidung durch den Sozialhilfeträger steht ihm darüber hinaus der Weg über den einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs 2 SGG zur Seite. Selbst bei Bestandskraft eines einen individuellen Mehrbedarf ablehnenden Bescheids steht dem Betroffenen der Weg über § 44 SGB X(dazu unten) offen.

31

Da eine etwaige Verzögerung in dem Anerkennungsverfahren nach dem SGB IX nicht dem Beklagten zuzurechnen ist, kann ein etwa eingetretener Rechtsnachteil auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ausgeglichen werden. Nach Sinn und Zweck des § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII muss sich der Beklagte ein etwaiges Fehlverhalten des Versorgungsamtes im Rahmen eines Herstellungsanspruches nicht zurechnen lassen, weil das Versorgungsamt nicht in das Sozialleistungsverfahren nach dem SGB XII funktional einbezogen ist(vgl dazu BSGE 71, 217 f mwN = SozR 3-1200 § 14 Nr 8 S 19). Insoweit verbleibt ggf der Amtshaftungsanspruch nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch iVm Art 34 GG, der sich allerdings nicht gegen den Sozialhilfeträger selbst richtet.

32

Vorliegend verbleibt eine Prüfung des geltend gemachten Anspruchs in Anwendung des § 44 Abs 1 SGB X. Ob für das GSiG § 44 SGB X - was nahe liegt - Anwendung findet oder ob insoweit auf § 48 Abs 1 Satz 1 VwVfG iVm § 1 NVwVfG zu rekurrieren ist(offen gelassen BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15 RdNr 14 ff), der die Rücknahme bestandskräftiger Verwaltungsakte und damit die nachträgliche Zahlung von Leistungen grundsätzlich ins Ermessen der Beklagten stellt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, weil die Beklagte Leistungen bis 31.12.2004 (zunächst) nach dem BSHG gewährt hat und erst durch Bescheid vom 23.5.2005 (im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X) Leistungen nach dem GSiG unter Berücksichtigung bereits nach dem BSHG erbrachter Leistungen bewilligt hat. Mit diesem Bescheid hat sie die früheren Sozialhilfebescheide ersetzt und gleichzeitig, ohne dass dies einer ausdrücklichen Verfügung bedurft hätte, zusätzliche Sozialhilfeleistungen abgelehnt. Das Verfahren nach § 44 SGB X, mit dem höhere Leistungen begehrt werden, betrifft mithin Leistungen des BSHG, für das der Senat die Anwendung des § 44 SGB X bereits angenommen hat(BSG, aaO, RdNr 19).

33

Nach § 44 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ob dies der Fall ist, vermag der Senat angesichts fehlender Feststellungen des LSG zu den Anspruchsvoraussetzungen allgemein und zur Höhe des Anspruchs, insbesondere zu einem etwa bestehenden Mehrbedarf nicht zu beurteilen. Entsprechende Feststellungen wird das LSG nachzuholen und dabei zu berücksichtigen haben, dass es insoweit nicht auf eine Kenntnis des Sozialhilfeträgers bezüglich des Mehrbedarfs, der ergänzende bzw höhere Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG bzw § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII zulässt, ankommt. Die für die Erbringung von Leistungen notwendige Kenntnis (§ 5 BSHG; § 18 SGB XII) wird schon durch die der Beklagten bekannte Hilfebedürftigkeit vermittelt (vgl BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1). § 18 SGB XII bzw § 5 BSHG sollen zum Schutz des Hilfebedürftigen einen niedrigschwelligen Zugang zum Sozialhilfesystem sicherstellen, sodass es für die Annahme einer Kenntnis ausreichend ist, dass die Notwendigkeit der Hilfe dargetan oder sonst erkennbar ist(BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 23). Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, dass dem Kläger zu Unrecht Leistungen vorenthalten wurden, wird es die von dem Senat in seinem Urteil vom 29.9.2009 (BSGE 104, 213 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20) aufgestellten Grundsätze beachten müssen.

34

Für den Zeitraum von Januar bis Mai 2005, in dem der Kläger Leistungen nach dem SGB II bezogen hat, wird das LSG zu prüfen haben, ob er (der Kläger) als Erwerbsfähiger oder als Angehöriger dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II war. Dann scheiden nach § 21 SGB XII Leistungen der Beklagten für die Vergangenheit auch in Anwendung des § 44 SGB X für den genannten Zeitraum aus. War der Kläger aber auf nicht absehbare Zeit nicht in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 SGB II), und sind ihm deshalb (bei Vorliegen der übrigen Leistungsvoraussetzungen) statt der Leistungen nach dem SGB XII zu Unrecht (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II)Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden, ist dem Bewilligungsbescheid vom 23.5.2005 gleichzeitig die konkludente Ablehnung von Leistungen (auch eines Mehrbedarfs) für die Zeit vom 1.1. bis 31.5.2005 zu entnehmen, die einer Korrektur nach § 44 Abs 1 SGB X zugänglich ist.

35

Das LSG wird schließlich auch prüfen müssen, ob wegen einer etwaigen Nichtbeteiligung sozial erfahrener Personen im Widerspruchsverfahren (§ 116 Abs 2 SGB XII) ein von Amts wegen zu berücksichtigender Mangel des Vorverfahrens vorliegt (dazu BSGE 106, 62 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6), und ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Die Bedarfe nach diesem Kapitel umfassen:

1.
die Regelsätze nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28; § 27a Absatz 3 und Absatz 4 ist anzuwenden; § 29 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Absatz 2 bis 5 ist nicht anzuwenden,
2.
die zusätzlichen Bedarfe nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels sowie Bedarfe nach § 42b,
3.
die Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach dem Dritten Abschnitt des Dritten Kapitels, ausgenommen die Bedarfe nach § 34 Absatz 7,
4.
Bedarfe für Unterkunft und Heizung
a)
bei Leistungsberechtigten außerhalb von Einrichtungen nach § 42a,
b)
bei Leistungsberechtigten, deren notwendiger Lebensunterhalt sich nach § 27b Absatz 1 Satz 2 oder nach § 27c Absatz 1 Nummer 2 ergibt, in Höhe der nach § 45a ermittelten durchschnittlichen Warmmiete von Einpersonenhaushalten,
5.
ergänzende Darlehen nach § 37 Absatz 1 und Darlehen bei am Monatsende fälligen Einkommen nach § 37a.

(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. Februar 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind höhere Sozialhilfeleistungen bzw Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, insbesondere ein Mehrbedarf (wegen Behinderung) für den Zeitraum vom 1.2.2004 bis 30.9.2006.

2

Der 1948 geborene Kläger bezog bis Dezember 2004 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (bestandskräftiger Bescheid vom 25.4.2005), nachdem ihm zunächst Sozialhilfeleistungen gezahlt worden waren, nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG), von Januar 2005 bis Mai 2005 Arbeitslosengeld II (bestandskräftiger Bescheid vom 16.2.2005) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) und ab Juni 2005 erneut Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (bestandskräftiger Bescheid vom 23.5.2005) nach §§ 41 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

3

Mit (Ausführungs-)Bescheid vom 11.10.2006 stellte das Versorgungsamt beim Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 und die Voraussetzungen für das Vorliegen des Nachteilsausgleichs "G" fest. Dieser Entscheidung war ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Hannover vorausgegangen, das mit einem entsprechenden Anerkenntnis im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.9.2006 endete. Ein Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 50 und dem Nachteilsausgleich "G", gültig ab 1.2.2004, wurde am 23.10.2006 ausgestellt. Die Beklagte bewilligte auf Antrag des Klägers vom 31.10.2006 für die Zeit ab Oktober 2006 einen pauschalierten Mehrbedarf aufgrund der Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "G", lehnte diesen aber für den Zeitraum von Februar 2004 bis September 2006 mit der Begründung ab, ein Mehrbedarf könne erst ab Ausstellung des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" gewährt werden (Bescheid vom 22.11.2006; Widerspruchsbescheid vom 17.4.2007).

4

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Hannover vom 31.8.2007; Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 25.2.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, Streitgegenstand seien nur Mehrbedarfsleistungen wegen der Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "G". Einen solchen Anspruch habe der Kläger nach dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen erst ab Besitz des Schwerbehindertenausweises im Oktober 2006. Nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG und § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII(in der bis zum 6.12.2006 geltenden Fassung) sei der Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" für den pauschalierten Mehrbedarf Anspruchsvoraussetzung. Da nach § 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) Ansprüche auf Sozialleistungen erst entstünden, wenn ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen erfüllt seien, scheide ein pauschalierter Mehrbedarf für zurückliegende Zeiten ab Feststellung des Merkzeichens "G" aus. Von diesem Verständnis gehe auch der Gesetzgeber aus; dies zeige die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII, wonach die bis zum 6.12.2006 geltende Rechtslage zur Folge habe, dass der Mehrbedarf erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden könne.

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG und des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII. Die vom LSG vorgenommene Auslegung sei keineswegs zwingend. Die Tatbestandsvoraussetzung "Besitz" sage nichts zum Leistungsbeginn. Nach seinem Wortsinn könne dieses Tatbestandsmerkmal auch so verstanden werden, dass die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit einem Gültigkeitsdatum genüge, das den Zeitraum vor Ausstellung erfasse; der Beweiswert, der von dem Ausweis ausgehe, sei bei einer nachträglichen Vorlage derselbe. Eine solche Auslegung ermögliche eine möglichst weitgehende Verwirklichung der sozialen Rechte, wie dies § 2 Abs 2 SGB I fordere. Eine zeitliche Begrenzung, wann der Nachweis der Voraussetzungen durch den Ausweis zu erfolgen habe und dass dieser Nachweis nicht rückwirkend erbracht werden könne, sei den maßgebenden Normen nicht zu entnehmen. Ein enges Verständnis führe hingegen zu einem praktischen Rechtsverlust für die Zeiten, in denen die Gehbehinderung bereits vorgelegen und damit auch ein erhöhter Bedarf bestanden habe. Dies verstoße gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) und den substantiellen Anspruch auf eine tatsächliche wirksame gerichtliche Kontrolle. Die Effektivität des Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) sei ungenügend; der Betroffene erleide durch die Fehleinschätzung der Behörde nicht hinnehmbare finanzielle Nachteile. Der Verweis auf die Möglichkeit eines Amtshaftungsanspruchs stelle insoweit keinen adäquaten Ersatz dar. Der Anspruch auf den Mehrbedarf für den streitbefangenen Zeitraum ergebe sich (hilfsweise) aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, weil nur durch das Verschulden der Versorgungsverwaltung eine Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt gewesen sei.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 22.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2007 aufzuheben und ihm unter Abänderung entgegenstehender Bescheide für die Zeit von Februar 2004 bis September 2006 einen monatlichen Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zu zahlen bzw den Regelsatz zu erhöhen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat zwar zu Recht entschieden, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf einen pauschalierten Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII hat; ob der Kläger allerdings einen Mehrbedarf hatte, der eine vom Regelsatz abweichende Festlegung und im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) rückwirkend zu erbringende Leistungen rechtfertigt, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht entscheiden.

10

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 22.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2007 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Zahlung eines behinderungsbedingten Mehraufwands für den streitbefangenen Zeitraum abgelehnt hat. Dabei hat der Senat entgegen der Auffassung des LSG nicht allein darüber zu befinden, ob dem Kläger ein Mehrbedarf wegen rückwirkender Änderung der Verhältnisse ab Februar 2004 nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zusteht; ist der pauschalierte Mehrbedarf nachträglich nicht zu erbringen, ist auch darüber zu entscheiden, ob ein (konkret) bestehender behinderungsbedingter Mehrbedarf, der durch den Kläger tatsächlich gedeckt wurde, im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X nachträglich zu erbringen ist, weil die Beklagte zu Unrecht höhere Leistungen vorenthalten hat.

11

Zwar ist der pauschalierte Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII ein abtrennbarer Streitgegenstand, mit der Möglichkeit, die Klage entsprechend zu beschränken(vgl nur Coseriu in juris Praxiskommentar SGB XII, § 19 SGB XII RdNr 76.2 mwN zur Rechtsprechung); nach dem sog Meistbegünstigungsgrundsatz (vgl hierzu nur: BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 22; Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21 ff mwN zur Rechtsprechung) muss aber davon ausgegangen werden, dass die Klage insoweit gerade nicht beschränkt worden ist, sondern ein "Mehrbedarf" für die Vergangenheit unabhängig von der jeweiligen Anspruchsgrundlage geltend gemacht wurde. Bestätigt wird dies durch das Schreiben an die Beklagte vom 26.10.2006 mit dem Antrag, die zustehenden "zusätzlichen Leistungen seit Februar 2004" zu bewilligen, sowie durch den Klagantrag, mit dem die Zahlung eines Mehrbedarfs für die Vergangenheit verlangt worden ist. Im Streit sind somit insgesamt höhere Leistungen.

12

Unabhängig davon, ob sich die Begründetheit der Klage an § 48 SGB X oder an § 44 SGB X bzw (für die Zeit bis 31.12.2004) an den Vorschriften des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (NVwVfG) iVm dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG) misst, ist die richtige Klageart die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4, § 56 SGG. In beiden Fällen ist neben der Aufhebung der streitgegenständlichen (ablehnenden) Bescheide die Behörde zu verpflichten, die (einer nachträglichen Leistung) entgegenstehenden Bescheide (im Urteil des LSG sind nicht alle bezeichnet) aufzuheben, und zur Leistung zu verurteilen (BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1 S 2; BSGE 104, 213 ff RdNr 9 mwN = SozR 4-1300 § 44 Nr 20).

13

Mangels in Niedersachsen angeordneten Behördenprinzips (vgl § 70 Nr 3 SGG) richtet sich die Klage gemäß § 70 Nr 1 SGG gegen die Region Hannover. Hieran ändert nichts, dass die Stadt Hannover den angegriffenen Bescheid erlassen hat. Nach § 8 Abs 1 Satz 1 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum SGB XII (AG SGB XII) vom 16.12.2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt 644) kann die Region Hannover zwar zur Durchführung der ihr als örtlichem Sozialhilfeträger obliegenden Aufgabe durch Satzung oder öffentlich-rechtlichen Vertrag regionsangehörige Gemeinden heranziehen, und von dieser Möglichkeit hat sie auch Gebrauch gemacht (§ 1 der Satzung über die Heranziehung von regionsangehörigen Städten und Gemeinden zur Durchführung der von der Region Hannover als örtlichem Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben nach dem SGB XII vom 14.12.2004 in der Fassung vom 7.3.2006 - Gemeinsames Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover Nr 14 vom 6.4.2006); jedoch handelt die herangezogene kommunale Körperschaft gemäß § 9 Abs 4 AG SGB XII (nur) im Namen des örtlichen Trägers der Sozialhilfe, der damit der richtige Beteiligte bleibt(vgl hierzu Senatsurteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 1/10 R - RdNr 13 mwN).

14

Die Beklagte war der für die Entscheidung örtlich und sachlich zuständige Träger der Sozialhilfe nach § 3 Abs 2, § 97 Abs 1, § 98 Abs 1 SGB XII in Verbindung mit § 1 Satz 1 und § 6 Abs 1 AG SGB XII (und § 44 Abs 3 SGB X). Sie ist Gesamtrechtsnachfolgerin des Landkreises Hannover und nimmt dessen Aufgaben wahr (§§ 2, 3 Abs 3 Gesetz über die Region Hannover vom 5.6.2001 - GVBl 348). Die Heranziehung der Stadt Hannover nach § 99 Abs 1 SGB XII in Verbindung mit § 8 Abs 1 AG SGB XII verändert nicht die Zuständigkeit(§ 9 Abs 4 AG SGB XII). Der Senat ist nicht gehindert, die dem Grunde nach nicht revisiblen (§ 162 SGG) landesrechtlichen Vorschriften anzuwenden und auszulegen, weil das LSG diese Vorschriften bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hat (BSGE 102, 10 ff RdNr 28 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2; Senatsurteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 1/10 R - juris RdNr 14).

15

Materiellrechtlich misst sich die Begründetheit der Revision an § 44 Abs 1 SGB X. § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X findet - unabhängig von der Frage nach seiner Geltung im Rahmen des GSiG - keine Anwendung. Danach soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei einer Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorlagen, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Eine Änderung der Verhältnisse ist frühestens für die Zeit ab Oktober 2006 anzunehmen, weil der Kläger erst ab diesem Zeitpunkt im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" war und deshalb auch erst ab Oktober 2006 die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zu bejahen sind, sodass ohne Bedeutung ist, ob § 48 SGB X im Rahmen des GSiG Anwendung findet, bzw welche Regelung bei Änderung der Verhältnisse anzuwenden wäre.

16

Nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG umfasste die bedarfsorientierte Grundsicherung einen Mehrbedarf von 20 vH des für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes nach dem Zweiten Abschnitt des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) bei Besitz eines Ausweises nach § 4 Abs 5 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) mit dem Merkzeichen "G". Eine entsprechende Regelung sieht für die Zeit ab 1.1.2005 § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) vor. Danach wird ein Mehrbedarf von 17 vH des maßgebenden Regelsatzes für Personen anerkannt, die unter 65 Jahre und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) sind und einen Ausweis nach § 69 Abs 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) mit dem Merkzeichen G besitzen, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Der Kläger war - unabhängig von den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem GSiG bzw SGB XII - in dem streitbefangenen Zeitraum jedenfalls nicht im Besitz eines solchen Ausweises.

17

Diese Regelungen sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht dahin auszulegen, dass die im Oktober 2006 eingetretene Änderung der Verhältnisse auf den Zeitpunkt der Anerkennung des Nachteilsausgleichs "G" - hier also auf die Zeit ab Februar 2004 - zurückwirkt. Zwar können spätere Änderungen der Sach- und Rechtslage sogar bis auf den Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Dauerverwaltungsaktes zurückwirken, also die Sach- oder Rechtslage ex tunc ändern (vgl BSG SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 17 mwN); maßgebend hierfür ist aber eine rückwirkende Umgestaltung der Rechtslage, deretwegen der Verwaltungsakt (auch für den zurückliegenden Zeitraum) nicht mehr oder nicht mehr so erlassen werden dürfte.

18

§ 3 Abs 1 Nr 4 GSiG stellte allerdings ebenso wie § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII nicht lediglich auf die Feststellungswirkung des Nachteilsausgleichs "G" oder das Vorliegen seiner Voraussetzungen ab. Zu den im Gesetz bestimmten Voraussetzungen gehört nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Vorschriften vielmehr der "Besitz" (Simon in jurisPK-SGB XII, § 30 SGB XII RdNr 44; W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl 2002, § 23 RdNr 13). Der Senat hat deshalb bereits entschieden, dass der Mehrbedarf des § 30 Abs 1 Nr 1 SGB XII tatbestandlich mit der Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises und der Zuerkennung des Merkzeichens "G" verbunden ist(BSGE 104, 200 ff RdNr 14 = SozR 4-3500 § 30 Nr 1); allein der Zeitpunkt der Feststellungswirkung des Merkzeichens "G" ist zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen also nicht ausreichend. Anders als die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" selbst, die für die Zeit ab Februar 2004 Wirkung entfaltet, wird der "Besitz" nicht rückwirkend eingeräumt. Die Anspruchsvoraussetzungen für den pauschalierten Mehrbedarf können deshalb nicht vor Oktober 2006 eintreten. Zu Recht verweist das LSG in diesem Zusammenhang auf § 40 Abs 1 SGB I, wonach Ansprüche auf Sozialleistungen erst mit Vorliegen der im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen entstehen; im Umkehrschluss bedeutet dies, dass vor dieser Zeit kein Anspruch nach den bezeichneten Vorschriften besteht.

19

Auch Sinn und Zweck der Regelungen rechtfertigen keine erweiternde Auslegung in dem von dem Kläger gewünschten Sinn. Der jetzigen Regelung über den pauschalierten Mehrbedarf war die Regelung des § 23 Abs 1 BSHG(vom 30.6.1961 - BGBl I 815) vorausgegangen, die den Mehrbedarfszuschlag zunächst nicht an eine bestimmte Behinderung, sondern typisierend nur an Alter und geminderte Erwerbsfähigkeit knüpfte (BSG, aaO, RdNr 15). Die zusätzliche Koppelung des Anspruchs auf einen pauschalierten Mehrbedarf an den Besitz eines Ausweises nach § 4 Abs 5 SchwbG mit dem Merkzeichen "G" erfolgte durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23.7.1996 (BGBl I 1088), weil wegen veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen nicht mehr allgemeine Bedarfslagen im Zusammenhang mit Alter und Erwerbsminderung erfasst werden sollten, sondern nur die Fälle, bei denen neben Alter und Erwerbsunfähigkeit auch mittelbar oder unmittelbar mit dem eingeschränkten Gehvermögen zusammenhängende Bedarfe vorhanden waren, die zur Vermeidung einer verwaltungsaufwändigen Prüfung der konkret mit den gesundheitlichen Einschränkungen verbundenen Bedarfe pauschaliert abgedeckt werden sollten (BSG, aaO, RdNr 17 unter Hinweis auf eine Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks 13/5067, S 2 f).

20

Soweit der Gesetzgeber die Anspruchsvoraussetzungen dabei nicht allein an das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" knüpfte, sondern an den Besitz eines entsprechenden Ausweises, diente dies, wie sich auch aus der Änderung der Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2670) zeigt, Nachweiszwecken und damit der Verwaltungspraktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung. Den Sozialhilfeträgern sollte - jedenfalls für die Gewährung eines typisierten, pauschalierten Mehrbedarfs - nicht aufgebürdet werden, eigene Ermittlungen zur Feststellung einer erheblichen Einschränkung der Gehfähigkeit zu prüfen. Anders etwa als bei der Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung, die in eigener Zuständigkeit zu prüfen ist - ggf nach einem entsprechenden Ersuchen nach § 109a Abs 2 SGB VI und der Bindung des ersuchenden Sozialhilfeträgers an die Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung(vgl § 45 Abs 1 SGB XII) - hat der Gesetzgeber hier auf eine vergleichbare Regelung verzichtet. Ebenso hat er von einer (bloßen) Bindung an die Entscheidung des Versorgungsamtes - wie etwa bei der Hilfe zur Pflege in § 62 SGB XII (Bindung an die Entscheidung der Pflegekasse) - abgesehen.

21

Das gesetzgeberische Anliegen ist nachvollziehbar. Der Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen beginnen grundsätzlich mit dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, und dementsprechend ist nach § 6 Abs 1 Nr 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV)als Beginn der Gültigkeit des Ausweises in der Regel der Tag des Eingangs des Antrags auf eine entsprechende Feststellung vorgesehen. Wollte man auch bei dem typisierten Mehrbedarf nach dem GSiG bzw SGB XII auf den Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen abstellen, führte dies bei vorangegangenem Leistungsbezug in jedem Falle zu einer rückwirkenden Leistung pauschalierter Mehrbedarfe für die Vergangenheit. Dies widerspräche nicht nur den Grundsätzen der Verwaltungspraktikabilität, sondern auch der Absicht des Gesetzgebers, weil andernfalls eine Korrektur praktisch in allen Fällen, in denen ein Antrag nach dem SGB IX (früher SchwbG) gestellt wird bzw dem GSiG gestellt worden war, im Gesetz bereits angelegt wäre.

22

Dass der Gesetzgeber von einem solchen Verständnis der Norm ausgegangen ist, zeigt insbesondere die spätere Gesetzesentwicklung. Durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2670) wurde in § 30 Abs 1 SGB XII mit Wirkung vom 7.12.2006 die Angabe "einen Ausweis nach § 69 Abs 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen G besitzen" durch die Angabe "durch einen Bescheid der nach § 69 Abs 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen" ersetzt. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass der Mehrbedarf ohne die Gesetzesänderung erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden könne (BT-Drucks 16/2711, S 11 zu Nr 8). Ob die vom Senat vorgenommene Auslegung nach der Änderung des § 30 Abs 1 SGB XII auch für die Zeit ab 7.12.2006 gilt, bedarf hier keiner Entscheidung (verneinend: Simon in jurisPK-SGB XII, § 30 SGB XII RdNr 44; Münder in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII, 8. Aufl 2008, § 30 SGB XII RdNr 6; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 30 SGB XII RdNr 11; bejahend: Coseriu in Kommentar zum Sozialrecht , 2. Aufl 2011, § 30 SGB XII RdNr 3; nicht ganz eindeutig: Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 30 SGB XII RdNr 4, Stand Januar 2008).

23

Das in § 2 Abs 2 Halbsatz 2 SGB I enthaltene Gebot, bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuches sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die ihrer dogmatischen Natur und ihrem Inhalt nach umstrittene Vorschrift (vgl nur: Bürck, SGb 1984, 7 ff; ders, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 139 ff; Eichenhofer, SGb 2011, 301 ff und 511 ff) besagt allerdings nicht mehr, als dass Auslegungsspielräume bei den einzelnen Anspruchsgrundlagen, die die in §§ 3 bis 10 SGB I genannten sozialen Rechte umsetzen sollen - §§ 3 bis 10 SGB I bilden, wie aus § 2 Abs 1 Satz 2 SGB I folgt, selbst keine Anspruchsgrundlagen -, mit dem normativen Gehalt des jeweils betroffenen sozialen Rechts gefüllt und dadurch möglichst weitgehend zur Geltung gebracht werden sollen(BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 9 S 34 f). Die Vorschrift ist aber keine Korrekturvorschrift, die es erlauben würde, einen entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers zu überspielen (Voelzke in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 2 RdNr 25). Selbst wenn danach ein Auslegungs- oder Entscheidungsresultat anzustreben ist, das die sozialen Rechte zur Geltung bringt und optimiert (vgl Eichenhofer, SGb 2011, 301, 302; Voelzke, aaO, § 2 RdNr 24), setzt eine Konkretisierung der maßgeblichen Normen voraus, dass das bei der Auslegung nach den anerkannten Methoden (Wortlaut, Teleologie, Entstehungsgeschichte und Systematik) zu berücksichtigende Optimierungsgebot einen entsprechenden Interpretationsspielraum zulässt. Dies ist aber gerade nicht der Fall.

24

Die auf die Tatbestandswirkung des Besitzes abstellende gesetzliche Regelung ist nicht verfassungswidrig. Insbesondere verstößt sie nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG). Art 3 Abs 1 GG ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; BVerfGE 117, 272, 300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 70; BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 84, 348, 359 mwN; 110, 412, 436). Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfGE 21, 12, 26; 23, 242, 252). Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen (BVerfGE 17, 319, 330; 53, 313, 329; 67, 70, 85 f). Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt insoweit eine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (vgl BVerfGE 75, 108, 157 = SozR 5425 § 1 Nr 1 S 11). Das Bundesverfassungsgericht legt je nach dem Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlichen Prüfungsmaßstab an (vgl zusammenfassend: BVerfGE 88, 87, 96 f; 105, 73, 110 f = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176 S 173).

25

Legt man diese Maßstäbe zugrunde, so besteht nur zwischen der Personengruppe, die im Besitz eines Ausweises ist, und der Personengruppe ohne einen entsprechenden Ausweis ein Unterschied. Innerhalb der Personengruppen werden hingegen alle Betroffenen gleich behandelt. Die Dauer bis zur Erteilung eines Schwerbehindertenausweises mag zwar unterschiedlich sein, hieran knüpft der Gesetzgeber aber nicht die von ihm gewählten Rechtsfolgen. Eine vermeintliche Ungleichbehandlung erfolgt allenfalls durch die Verwaltungspraxis, sie ist aber nicht schon in der Norm angelegt, die ohne Unterschied den Besitz des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" fordert.

26

Soweit es die unterschiedliche Behandlung von Schwerbehinderten mit und ohne Schwerbehindertenausweis betrifft, hat der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nach oben Gesagtem eingehalten. Der der Regelung innewohnende Nachweiszweck mag es zwar auch zulassen, auf einen früheren Zeitpunkt als den des Besitzes des Schwerbehindertenausweises abzustellen; verfassungsrechtlich geboten war dies jedoch nicht. Der Gesetzgeber war auch nicht verfassungsrechtlich gehalten, eine rückwirkende Bewilligung eines pauschalierten Mehrbedarfs vorzusehen, zumal eine solche Leistung dem Zweck der Sozialhilfe widerspräche. Im Bereich der Sozialhilfe ist insoweit zu berücksichtigen, dass sie grundsätzlich nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dient (sog Gegenwärtigkeitsprinzip) und grundsätzlich nicht als nachträgliche (pauschale) Geldleistung ausgestaltet ist, sondern an einen aktuellen Hilfebedarf anknüpft (BSGE 104, 213 ff RdNr 13 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20 mwN). Zwar hat der Senat im Rahmen seiner Entscheidung zu § 44 SGB X ausgeführt(BSG aaO), dass ggf auch pauschalierte Leistungen bei fortdauernder Bedürftigkeit nachzuzahlen sind; diese Rechtsprechung ist allerdings im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Vorenthaltung von Leistungen zu sehen. Sie rechtfertigt nicht die Annahme, es sei generell verfassungsrechtlich geboten, unabhängig von einem konkreten Bedarf rückwirkend typisierte, pauschalierte Leistungen zu erbringen.

27

Die gesetzliche Regelung ist auch nicht unverhältnismäßig und verstößt deshalb nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Sie macht zwar den Anspruch auf den pauschalierten Mehrbedarf wegen der Tatbestandswirkung der anderweitig zu treffenden Entscheidung auch von Zufälligkeiten im Verfahrensablauf abhängig. Es ist aber nicht ungewöhnlich, dass ein Sozialleistungsanspruch von einer anderen Entscheidung abhängt. Die Rechtsprechung hat dies unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Beteiligten, eine solche Entscheidung zu verzögern, im Grundsatz als verfassungsgemäß angesehen (vgl zB zur Rentenerhöhung erst nach Rechtskraft des Versorgungsausgleichs BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1; zum Besitz einer Aufenthaltserlaubnis als Voraussetzung für Leistungen nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz BSGE 70, 197 ff = SozR 3-7833 § 1 Nr 7).

28

Der Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Verzögerung kann ausreichend begegnet werden. Bis zum formalen Feststellungsakt durch das Versorgungsamt (bzw früher bis zur Ausstellung eines entsprechenden Ausweises) ist den Betroffenen bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" nämlich nur die Möglichkeit genommen, einen behinderungsbedingten Mehrbedarf pauschal (also ohne Nachweis) geltend zu machen; soweit die Voraussetzungen des § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG bzw des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII vorliegen, hat er gleichwohl generell einen Anspruch auf Ausgleich eines abweichenden Bedarfs(Münder in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 30 SGB XII RdNr 8; Coseriu in KSW, 2. Aufl 2011, § 30 SGB XII RdNr 3; ähnlich auch Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 30 SGB XII RdNr 19), weil sein Existenzminimum aus verfassungsrechtlichen Gründen gesichert werden muss; ein unabweisbarer, laufender besonderer Bedarf kann dem Hilfebedürftigen nicht vorenthalten werden (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12).

29

§ 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII ist im Rahmen der Grundsicherung der §§ 41 ff SGB XII anzuwenden; denn § 42 SGB XII verweist durch die Bezugnahme auf § 28 SGB XII auf dessen gesamtes Leistungsspektrum(Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, aaO, § 42 SGB XII RdNr 2), wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 99, 252 ff RdNr 20 f = SozR 4-3500 § 28 Nr 3 mwN). Höhere Leistungen als der Regelsatz können aber auch im Rahmen der Leistungen nach dem GSiG erbracht werden. Nach § 3 Abs 1 Nr 1 GSiG wird zwar zur Bemessung der Grundsicherungsleistung nach dem GSiG allein auf den Regelsatz des § 22 Abs 1 Satz 1 BSHG abgestellt, weil der Gesetzgeber den Bedarf unabhängig von individuellen Bedürfnissen pauschaliert und unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung eine nur beschränkt individuelle Bedarfsermittlung vorgesehen hat (BT-Drucks 14/5150, S 49). Allerdings muss die Sozialhilfe als gegenüber Leistungen nach dem GSiG nachrangige Leistung (BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1; vgl heute § 19 Abs 2 Satz 2 SGB XII) den nach den Vorschriften des GSiG ermittelten Lebensunterhalt aufstocken, soweit das BSHG den nach den Besonderheiten des Einzelfalls bemessenen Lebensunterhalt in größerem Umfang deckt (Schoch in LPK-GSiG, § 3 RdNr 11; zum SGB XII BSG, Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R -, sowie Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 19 SGB XII RdNr 43 ff; zu der im GSiG nicht vorgesehenen Übergangsregelung des § 23 Abs 1 Satz 2 BSHG BSG SozR 4-3500 § 30 Nr 2 RdNr 18). Das GSiG beabsichtigte keine Bedarfsdeckung für jeden individuellen Einzelfall, sondern eine eigenständige Sozialleistung, die eine Inanspruchnahme von Sozialhilfe typischerweise entbehrlich machen sollte. Demzufolge konnte und musste ein atypischer Mehrbedarf mittels der Hilfe zum Lebensunterhalt abgedeckt werden (Fichtner/Wenzel, BSHG, 2. Aufl 2003, RdNr 4 f Vor GSiG).

30

Vor diesem Hintergrund scheidet ein Verstoß gegen Art 19 Abs 4 GG aus. Zwar garantiert das Verfahrensgrundrecht des Art 19 Abs 4 GG nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes (BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 29 mwN); dies erfordert, dass irreparable Entscheidungen soweit wie möglich ausgeschlossen werden (BSG, aaO, mwN). Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass es der Betroffene selbst in der Hand hat, durch Substantiierung eines Mehrbedarfs über § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII bzw § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG drohende Nachteile zu verhindern. Bei einer ablehnenden Entscheidung durch den Sozialhilfeträger steht ihm darüber hinaus der Weg über den einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs 2 SGG zur Seite. Selbst bei Bestandskraft eines einen individuellen Mehrbedarf ablehnenden Bescheids steht dem Betroffenen der Weg über § 44 SGB X(dazu unten) offen.

31

Da eine etwaige Verzögerung in dem Anerkennungsverfahren nach dem SGB IX nicht dem Beklagten zuzurechnen ist, kann ein etwa eingetretener Rechtsnachteil auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ausgeglichen werden. Nach Sinn und Zweck des § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII muss sich der Beklagte ein etwaiges Fehlverhalten des Versorgungsamtes im Rahmen eines Herstellungsanspruches nicht zurechnen lassen, weil das Versorgungsamt nicht in das Sozialleistungsverfahren nach dem SGB XII funktional einbezogen ist(vgl dazu BSGE 71, 217 f mwN = SozR 3-1200 § 14 Nr 8 S 19). Insoweit verbleibt ggf der Amtshaftungsanspruch nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch iVm Art 34 GG, der sich allerdings nicht gegen den Sozialhilfeträger selbst richtet.

32

Vorliegend verbleibt eine Prüfung des geltend gemachten Anspruchs in Anwendung des § 44 Abs 1 SGB X. Ob für das GSiG § 44 SGB X - was nahe liegt - Anwendung findet oder ob insoweit auf § 48 Abs 1 Satz 1 VwVfG iVm § 1 NVwVfG zu rekurrieren ist(offen gelassen BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15 RdNr 14 ff), der die Rücknahme bestandskräftiger Verwaltungsakte und damit die nachträgliche Zahlung von Leistungen grundsätzlich ins Ermessen der Beklagten stellt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, weil die Beklagte Leistungen bis 31.12.2004 (zunächst) nach dem BSHG gewährt hat und erst durch Bescheid vom 23.5.2005 (im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X) Leistungen nach dem GSiG unter Berücksichtigung bereits nach dem BSHG erbrachter Leistungen bewilligt hat. Mit diesem Bescheid hat sie die früheren Sozialhilfebescheide ersetzt und gleichzeitig, ohne dass dies einer ausdrücklichen Verfügung bedurft hätte, zusätzliche Sozialhilfeleistungen abgelehnt. Das Verfahren nach § 44 SGB X, mit dem höhere Leistungen begehrt werden, betrifft mithin Leistungen des BSHG, für das der Senat die Anwendung des § 44 SGB X bereits angenommen hat(BSG, aaO, RdNr 19).

33

Nach § 44 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ob dies der Fall ist, vermag der Senat angesichts fehlender Feststellungen des LSG zu den Anspruchsvoraussetzungen allgemein und zur Höhe des Anspruchs, insbesondere zu einem etwa bestehenden Mehrbedarf nicht zu beurteilen. Entsprechende Feststellungen wird das LSG nachzuholen und dabei zu berücksichtigen haben, dass es insoweit nicht auf eine Kenntnis des Sozialhilfeträgers bezüglich des Mehrbedarfs, der ergänzende bzw höhere Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG bzw § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII zulässt, ankommt. Die für die Erbringung von Leistungen notwendige Kenntnis (§ 5 BSHG; § 18 SGB XII) wird schon durch die der Beklagten bekannte Hilfebedürftigkeit vermittelt (vgl BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1). § 18 SGB XII bzw § 5 BSHG sollen zum Schutz des Hilfebedürftigen einen niedrigschwelligen Zugang zum Sozialhilfesystem sicherstellen, sodass es für die Annahme einer Kenntnis ausreichend ist, dass die Notwendigkeit der Hilfe dargetan oder sonst erkennbar ist(BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 23). Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, dass dem Kläger zu Unrecht Leistungen vorenthalten wurden, wird es die von dem Senat in seinem Urteil vom 29.9.2009 (BSGE 104, 213 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20) aufgestellten Grundsätze beachten müssen.

34

Für den Zeitraum von Januar bis Mai 2005, in dem der Kläger Leistungen nach dem SGB II bezogen hat, wird das LSG zu prüfen haben, ob er (der Kläger) als Erwerbsfähiger oder als Angehöriger dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II war. Dann scheiden nach § 21 SGB XII Leistungen der Beklagten für die Vergangenheit auch in Anwendung des § 44 SGB X für den genannten Zeitraum aus. War der Kläger aber auf nicht absehbare Zeit nicht in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 SGB II), und sind ihm deshalb (bei Vorliegen der übrigen Leistungsvoraussetzungen) statt der Leistungen nach dem SGB XII zu Unrecht (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II)Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden, ist dem Bewilligungsbescheid vom 23.5.2005 gleichzeitig die konkludente Ablehnung von Leistungen (auch eines Mehrbedarfs) für die Zeit vom 1.1. bis 31.5.2005 zu entnehmen, die einer Korrektur nach § 44 Abs 1 SGB X zugänglich ist.

35

Das LSG wird schließlich auch prüfen müssen, ob wegen einer etwaigen Nichtbeteiligung sozial erfahrener Personen im Widerspruchsverfahren (§ 116 Abs 2 SGB XII) ein von Amts wegen zu berücksichtigender Mangel des Vorverfahrens vorliegt (dazu BSGE 106, 62 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6), und ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

(1) Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen.

(2) Bei Ermessensleistungen ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung über die Leistung bekanntgegeben wird, es sei denn, daß in der Entscheidung ein anderer Zeitpunkt bestimmt ist.

(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Liegen die Ergebnisse einer bundesweiten neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vor, wird die Höhe der Regelbedarfe in einem Bundesgesetz neu ermittelt.

(2) Bei der Ermittlung der bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen nach § 27a Absatz 2 sind Stand und Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen. Grundlage hierfür sind die durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe nachgewiesenen tatsächlichen Verbrauchsausgaben unterer Einkommensgruppen.

(3) Für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen beauftragt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Statistische Bundesamt mit Sonderauswertungen, die auf der Grundlage einer neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vorzunehmen sind. Sonderauswertungen zu den Verbrauchsausgaben von Haushalten unterer Einkommensgruppen sind zumindest für Haushalte (Referenzhaushalte) vorzunehmen, in denen nur eine erwachsene Person lebt (Einpersonenhaushalte), sowie für Haushalte, in denen Paare mit einem Kind leben (Familienhaushalte). Dabei ist festzulegen, welche Haushalte, die Leistungen nach diesem Buch und dem Zweiten Buch beziehen, nicht als Referenzhaushalte zu berücksichtigen sind. Für die Bestimmung des Anteils der Referenzhaushalte an den jeweiligen Haushalten der Sonderauswertungen ist ein für statistische Zwecke hinreichend großer Stichprobenumfang zu gewährleisten.

(4) Die in Sonderauswertungen nach Absatz 3 ausgewiesenen Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte sind für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen als regelbedarfsrelevant zu berücksichtigen, soweit sie zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind und eine einfache Lebensweise ermöglichen, wie sie einkommensschwache Haushalte aufweisen, die ihren Lebensunterhalt nicht ausschließlich aus Leistungen nach diesem oder dem Zweiten Buch bestreiten. Nicht als regelbedarfsrelevant zu berücksichtigen sind Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte, wenn sie bei Leistungsberechtigten nach diesem Buch oder dem Zweiten Buch

1.
durch bundes- oder landesgesetzliche Leistungsansprüche, die der Finanzierung einzelner Verbrauchspositionen der Sonderauswertungen dienen, abgedeckt sind und diese Leistungsansprüche kein anrechenbares Einkommen nach § 82 oder § 11 des Zweiten Buches darstellen oder
2.
nicht anfallen, weil bundesweit in einheitlicher Höhe Vergünstigungen gelten.

(5) Die Summen der sich nach Absatz 4 ergebenden regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte sind Grundlage für die Prüfung der Regelbedarfsstufen, insbesondere für die Altersabgrenzungen bei Kindern und Jugendlichen. Die nach Satz 1 für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen zugrunde zu legenden Summen der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben aus den Sonderauswertungen sind jeweils mit der sich nach § 28a Absatz 2 ergebenden Veränderungsrate entsprechend fortzuschreiben. Die sich durch die Fortschreibung nach Satz 2 ergebenden Summenbeträge sind jeweils bis unter 0,50 Euro abzurunden sowie von 0,50 Euro an aufzurunden und ergeben die Regelbedarfsstufen (Anlage).

(1) Der für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile, persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie Unterkunft und Heizung. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft; dies gilt in besonderem Maß für Kinder und Jugendliche. Für Schülerinnen und Schüler umfasst der notwendige Lebensunterhalt auch die erforderlichen Hilfen für den Schulbesuch.

(2) Der gesamte notwendige Lebensunterhalt nach Absatz 1 mit Ausnahme der Bedarfe nach dem Zweiten bis Vierten Abschnitt ergibt den monatlichen Regelbedarf. Dieser ist in Regelbedarfsstufen unterteilt; für Abgrenzung und Höhe der Regelbedarfsstufen sind zu berücksichtigen:

1.
bei Kindern und Jugendlichen altersbedingte Unterschiede,
2.
bei Erwachsenen die Art der Unterkunft, in der sie leben, und zusätzlich bei in Wohnungen oder sonstigen Unterkünften nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 3 lebenden Erwachsenen, ob sie in einer Paarbeziehung oder ohne Paarbeziehung zusammenleben.

(3) Für Leistungsberechtigte nach diesem Kapitel sind zur Deckung der Regelbedarfe, die sich nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 ergeben, monatliche Regelsätze als Bedarf anzuerkennen; dies gilt nicht für Leistungsberechtigte, deren notwendiger Lebensunterhalt sich nach § 27b bestimmt. Der Regelsatz stellt einen monatlichen Pauschalbetrag zur Bestreitung des Regelbedarfs dar, über dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen. Besteht die Leistungsberechtigung für weniger als einen Monat, ist der Regelsatz anteilig als Bedarf anzuerkennen. Zur Deckung der Regelbedarfe von Personen, die in einer sonstigen Unterkunft oder vorübergehend nicht in einer Unterkunft untergebracht sind, sind als Bedarfe monatliche Regelsätze anzuerkennen, die sich in entsprechender Anwendung der Regelbedarfsstufen nach der Anlage zu § 28 ergeben.

(4) Im Einzelfall wird der Regelsatz abweichend von der maßgebenden Regelbedarfsstufe festgesetzt (abweichende Regelsatzfestsetzung), wenn ein durch die Regelbedarfe abgedeckter Bedarf nicht nur einmalig, sondern für eine Dauer von voraussichtlich mehr als einem Monat

1.
nachweisbar vollständig oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder
2.
unausweichlich in mehr als geringem Umfang oberhalb durchschnittlicher Bedarfe liegt, wie sie sich nach den bei der Ermittlung der Regelbedarfe zugrundeliegenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben ergeben, und die dadurch bedingten Mehraufwendungen begründbar nicht anderweitig ausgeglichen werden können.
Bei einer abweichenden Regelsatzfestsetzung nach Satz 1 Nummer 1 sind für die monatlich ersparten Verbrauchsausgaben die sich nach § 5 Absatz 1 oder nach § 6 Absatz 1 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes für die jeweilige Abteilung ergebenden Beträge zugrunde zu legen. Beschränkt sich die anderweitige Bedarfsdeckung auf einzelne in die regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben je Abteilung eingegangenen Verbrauchspositionen, sind die regelbedarfsrelevanten Beträge zugrunde zu legen, auf denen die in § 5 Absatz 1 und § 6 Absatz 1 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes genannten Beträge für die einzelnen Abteilungen beruhen. Für Leistungsberechtigte, denen Bedarfe nach § 34 Absatz 4 Satz 1 und Absatz 6 Satz 1 anzuerkennen sind, ist Satz 1 Nummer 1 nicht anwendbar. Für Leistungsberechtigte, die in einer Unterkunft nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 leben und denen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 42a Absatz 5 und 6 anzuerkennen sind, ist Satz 1 Nummer 1 nicht anwendbar für Bedarfe, die durch einen Vertrag über die Überlassung von Wohnraum nach § 42a Absatz 5 Satz 6 Nummer 1, 3 und 4 gedeckt werden. Für Leistungsberechtigte, denen ein Mehrbedarf nach § 42b Absatz 2 anzuerkennen ist, ist Satz 1 für die dadurch abgedeckten Aufwendungen nicht anwendbar.

(5) Sind minderjährige Leistungsberechtigte in einer anderen Familie, insbesondere in einer Pflegefamilie, oder bei anderen Personen als bei ihren Eltern oder einem Elternteil untergebracht, so wird in der Regel der individuelle Bedarf abweichend von den Regelsätzen in Höhe der tatsächlichen Kosten der Unterbringung festgesetzt, sofern die Kosten einen angemessenen Umfang nicht übersteigen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. Februar 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind höhere Sozialhilfeleistungen bzw Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, insbesondere ein Mehrbedarf (wegen Behinderung) für den Zeitraum vom 1.2.2004 bis 30.9.2006.

2

Der 1948 geborene Kläger bezog bis Dezember 2004 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (bestandskräftiger Bescheid vom 25.4.2005), nachdem ihm zunächst Sozialhilfeleistungen gezahlt worden waren, nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG), von Januar 2005 bis Mai 2005 Arbeitslosengeld II (bestandskräftiger Bescheid vom 16.2.2005) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) und ab Juni 2005 erneut Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (bestandskräftiger Bescheid vom 23.5.2005) nach §§ 41 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

3

Mit (Ausführungs-)Bescheid vom 11.10.2006 stellte das Versorgungsamt beim Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 und die Voraussetzungen für das Vorliegen des Nachteilsausgleichs "G" fest. Dieser Entscheidung war ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Hannover vorausgegangen, das mit einem entsprechenden Anerkenntnis im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.9.2006 endete. Ein Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 50 und dem Nachteilsausgleich "G", gültig ab 1.2.2004, wurde am 23.10.2006 ausgestellt. Die Beklagte bewilligte auf Antrag des Klägers vom 31.10.2006 für die Zeit ab Oktober 2006 einen pauschalierten Mehrbedarf aufgrund der Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "G", lehnte diesen aber für den Zeitraum von Februar 2004 bis September 2006 mit der Begründung ab, ein Mehrbedarf könne erst ab Ausstellung des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" gewährt werden (Bescheid vom 22.11.2006; Widerspruchsbescheid vom 17.4.2007).

4

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Hannover vom 31.8.2007; Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 25.2.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, Streitgegenstand seien nur Mehrbedarfsleistungen wegen der Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "G". Einen solchen Anspruch habe der Kläger nach dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen erst ab Besitz des Schwerbehindertenausweises im Oktober 2006. Nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG und § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII(in der bis zum 6.12.2006 geltenden Fassung) sei der Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" für den pauschalierten Mehrbedarf Anspruchsvoraussetzung. Da nach § 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) Ansprüche auf Sozialleistungen erst entstünden, wenn ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen erfüllt seien, scheide ein pauschalierter Mehrbedarf für zurückliegende Zeiten ab Feststellung des Merkzeichens "G" aus. Von diesem Verständnis gehe auch der Gesetzgeber aus; dies zeige die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII, wonach die bis zum 6.12.2006 geltende Rechtslage zur Folge habe, dass der Mehrbedarf erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden könne.

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG und des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII. Die vom LSG vorgenommene Auslegung sei keineswegs zwingend. Die Tatbestandsvoraussetzung "Besitz" sage nichts zum Leistungsbeginn. Nach seinem Wortsinn könne dieses Tatbestandsmerkmal auch so verstanden werden, dass die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit einem Gültigkeitsdatum genüge, das den Zeitraum vor Ausstellung erfasse; der Beweiswert, der von dem Ausweis ausgehe, sei bei einer nachträglichen Vorlage derselbe. Eine solche Auslegung ermögliche eine möglichst weitgehende Verwirklichung der sozialen Rechte, wie dies § 2 Abs 2 SGB I fordere. Eine zeitliche Begrenzung, wann der Nachweis der Voraussetzungen durch den Ausweis zu erfolgen habe und dass dieser Nachweis nicht rückwirkend erbracht werden könne, sei den maßgebenden Normen nicht zu entnehmen. Ein enges Verständnis führe hingegen zu einem praktischen Rechtsverlust für die Zeiten, in denen die Gehbehinderung bereits vorgelegen und damit auch ein erhöhter Bedarf bestanden habe. Dies verstoße gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) und den substantiellen Anspruch auf eine tatsächliche wirksame gerichtliche Kontrolle. Die Effektivität des Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) sei ungenügend; der Betroffene erleide durch die Fehleinschätzung der Behörde nicht hinnehmbare finanzielle Nachteile. Der Verweis auf die Möglichkeit eines Amtshaftungsanspruchs stelle insoweit keinen adäquaten Ersatz dar. Der Anspruch auf den Mehrbedarf für den streitbefangenen Zeitraum ergebe sich (hilfsweise) aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, weil nur durch das Verschulden der Versorgungsverwaltung eine Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt gewesen sei.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 22.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2007 aufzuheben und ihm unter Abänderung entgegenstehender Bescheide für die Zeit von Februar 2004 bis September 2006 einen monatlichen Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zu zahlen bzw den Regelsatz zu erhöhen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat zwar zu Recht entschieden, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf einen pauschalierten Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII hat; ob der Kläger allerdings einen Mehrbedarf hatte, der eine vom Regelsatz abweichende Festlegung und im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) rückwirkend zu erbringende Leistungen rechtfertigt, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht entscheiden.

10

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 22.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2007 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Zahlung eines behinderungsbedingten Mehraufwands für den streitbefangenen Zeitraum abgelehnt hat. Dabei hat der Senat entgegen der Auffassung des LSG nicht allein darüber zu befinden, ob dem Kläger ein Mehrbedarf wegen rückwirkender Änderung der Verhältnisse ab Februar 2004 nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zusteht; ist der pauschalierte Mehrbedarf nachträglich nicht zu erbringen, ist auch darüber zu entscheiden, ob ein (konkret) bestehender behinderungsbedingter Mehrbedarf, der durch den Kläger tatsächlich gedeckt wurde, im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X nachträglich zu erbringen ist, weil die Beklagte zu Unrecht höhere Leistungen vorenthalten hat.

11

Zwar ist der pauschalierte Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII ein abtrennbarer Streitgegenstand, mit der Möglichkeit, die Klage entsprechend zu beschränken(vgl nur Coseriu in juris Praxiskommentar SGB XII, § 19 SGB XII RdNr 76.2 mwN zur Rechtsprechung); nach dem sog Meistbegünstigungsgrundsatz (vgl hierzu nur: BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 22; Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21 ff mwN zur Rechtsprechung) muss aber davon ausgegangen werden, dass die Klage insoweit gerade nicht beschränkt worden ist, sondern ein "Mehrbedarf" für die Vergangenheit unabhängig von der jeweiligen Anspruchsgrundlage geltend gemacht wurde. Bestätigt wird dies durch das Schreiben an die Beklagte vom 26.10.2006 mit dem Antrag, die zustehenden "zusätzlichen Leistungen seit Februar 2004" zu bewilligen, sowie durch den Klagantrag, mit dem die Zahlung eines Mehrbedarfs für die Vergangenheit verlangt worden ist. Im Streit sind somit insgesamt höhere Leistungen.

12

Unabhängig davon, ob sich die Begründetheit der Klage an § 48 SGB X oder an § 44 SGB X bzw (für die Zeit bis 31.12.2004) an den Vorschriften des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (NVwVfG) iVm dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG) misst, ist die richtige Klageart die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4, § 56 SGG. In beiden Fällen ist neben der Aufhebung der streitgegenständlichen (ablehnenden) Bescheide die Behörde zu verpflichten, die (einer nachträglichen Leistung) entgegenstehenden Bescheide (im Urteil des LSG sind nicht alle bezeichnet) aufzuheben, und zur Leistung zu verurteilen (BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1 S 2; BSGE 104, 213 ff RdNr 9 mwN = SozR 4-1300 § 44 Nr 20).

13

Mangels in Niedersachsen angeordneten Behördenprinzips (vgl § 70 Nr 3 SGG) richtet sich die Klage gemäß § 70 Nr 1 SGG gegen die Region Hannover. Hieran ändert nichts, dass die Stadt Hannover den angegriffenen Bescheid erlassen hat. Nach § 8 Abs 1 Satz 1 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum SGB XII (AG SGB XII) vom 16.12.2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt 644) kann die Region Hannover zwar zur Durchführung der ihr als örtlichem Sozialhilfeträger obliegenden Aufgabe durch Satzung oder öffentlich-rechtlichen Vertrag regionsangehörige Gemeinden heranziehen, und von dieser Möglichkeit hat sie auch Gebrauch gemacht (§ 1 der Satzung über die Heranziehung von regionsangehörigen Städten und Gemeinden zur Durchführung der von der Region Hannover als örtlichem Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben nach dem SGB XII vom 14.12.2004 in der Fassung vom 7.3.2006 - Gemeinsames Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover Nr 14 vom 6.4.2006); jedoch handelt die herangezogene kommunale Körperschaft gemäß § 9 Abs 4 AG SGB XII (nur) im Namen des örtlichen Trägers der Sozialhilfe, der damit der richtige Beteiligte bleibt(vgl hierzu Senatsurteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 1/10 R - RdNr 13 mwN).

14

Die Beklagte war der für die Entscheidung örtlich und sachlich zuständige Träger der Sozialhilfe nach § 3 Abs 2, § 97 Abs 1, § 98 Abs 1 SGB XII in Verbindung mit § 1 Satz 1 und § 6 Abs 1 AG SGB XII (und § 44 Abs 3 SGB X). Sie ist Gesamtrechtsnachfolgerin des Landkreises Hannover und nimmt dessen Aufgaben wahr (§§ 2, 3 Abs 3 Gesetz über die Region Hannover vom 5.6.2001 - GVBl 348). Die Heranziehung der Stadt Hannover nach § 99 Abs 1 SGB XII in Verbindung mit § 8 Abs 1 AG SGB XII verändert nicht die Zuständigkeit(§ 9 Abs 4 AG SGB XII). Der Senat ist nicht gehindert, die dem Grunde nach nicht revisiblen (§ 162 SGG) landesrechtlichen Vorschriften anzuwenden und auszulegen, weil das LSG diese Vorschriften bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hat (BSGE 102, 10 ff RdNr 28 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2; Senatsurteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 1/10 R - juris RdNr 14).

15

Materiellrechtlich misst sich die Begründetheit der Revision an § 44 Abs 1 SGB X. § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X findet - unabhängig von der Frage nach seiner Geltung im Rahmen des GSiG - keine Anwendung. Danach soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei einer Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorlagen, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Eine Änderung der Verhältnisse ist frühestens für die Zeit ab Oktober 2006 anzunehmen, weil der Kläger erst ab diesem Zeitpunkt im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" war und deshalb auch erst ab Oktober 2006 die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zu bejahen sind, sodass ohne Bedeutung ist, ob § 48 SGB X im Rahmen des GSiG Anwendung findet, bzw welche Regelung bei Änderung der Verhältnisse anzuwenden wäre.

16

Nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG umfasste die bedarfsorientierte Grundsicherung einen Mehrbedarf von 20 vH des für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes nach dem Zweiten Abschnitt des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) bei Besitz eines Ausweises nach § 4 Abs 5 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) mit dem Merkzeichen "G". Eine entsprechende Regelung sieht für die Zeit ab 1.1.2005 § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) vor. Danach wird ein Mehrbedarf von 17 vH des maßgebenden Regelsatzes für Personen anerkannt, die unter 65 Jahre und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) sind und einen Ausweis nach § 69 Abs 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) mit dem Merkzeichen G besitzen, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Der Kläger war - unabhängig von den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem GSiG bzw SGB XII - in dem streitbefangenen Zeitraum jedenfalls nicht im Besitz eines solchen Ausweises.

17

Diese Regelungen sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht dahin auszulegen, dass die im Oktober 2006 eingetretene Änderung der Verhältnisse auf den Zeitpunkt der Anerkennung des Nachteilsausgleichs "G" - hier also auf die Zeit ab Februar 2004 - zurückwirkt. Zwar können spätere Änderungen der Sach- und Rechtslage sogar bis auf den Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Dauerverwaltungsaktes zurückwirken, also die Sach- oder Rechtslage ex tunc ändern (vgl BSG SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 17 mwN); maßgebend hierfür ist aber eine rückwirkende Umgestaltung der Rechtslage, deretwegen der Verwaltungsakt (auch für den zurückliegenden Zeitraum) nicht mehr oder nicht mehr so erlassen werden dürfte.

18

§ 3 Abs 1 Nr 4 GSiG stellte allerdings ebenso wie § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII nicht lediglich auf die Feststellungswirkung des Nachteilsausgleichs "G" oder das Vorliegen seiner Voraussetzungen ab. Zu den im Gesetz bestimmten Voraussetzungen gehört nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Vorschriften vielmehr der "Besitz" (Simon in jurisPK-SGB XII, § 30 SGB XII RdNr 44; W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl 2002, § 23 RdNr 13). Der Senat hat deshalb bereits entschieden, dass der Mehrbedarf des § 30 Abs 1 Nr 1 SGB XII tatbestandlich mit der Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises und der Zuerkennung des Merkzeichens "G" verbunden ist(BSGE 104, 200 ff RdNr 14 = SozR 4-3500 § 30 Nr 1); allein der Zeitpunkt der Feststellungswirkung des Merkzeichens "G" ist zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen also nicht ausreichend. Anders als die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" selbst, die für die Zeit ab Februar 2004 Wirkung entfaltet, wird der "Besitz" nicht rückwirkend eingeräumt. Die Anspruchsvoraussetzungen für den pauschalierten Mehrbedarf können deshalb nicht vor Oktober 2006 eintreten. Zu Recht verweist das LSG in diesem Zusammenhang auf § 40 Abs 1 SGB I, wonach Ansprüche auf Sozialleistungen erst mit Vorliegen der im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen entstehen; im Umkehrschluss bedeutet dies, dass vor dieser Zeit kein Anspruch nach den bezeichneten Vorschriften besteht.

19

Auch Sinn und Zweck der Regelungen rechtfertigen keine erweiternde Auslegung in dem von dem Kläger gewünschten Sinn. Der jetzigen Regelung über den pauschalierten Mehrbedarf war die Regelung des § 23 Abs 1 BSHG(vom 30.6.1961 - BGBl I 815) vorausgegangen, die den Mehrbedarfszuschlag zunächst nicht an eine bestimmte Behinderung, sondern typisierend nur an Alter und geminderte Erwerbsfähigkeit knüpfte (BSG, aaO, RdNr 15). Die zusätzliche Koppelung des Anspruchs auf einen pauschalierten Mehrbedarf an den Besitz eines Ausweises nach § 4 Abs 5 SchwbG mit dem Merkzeichen "G" erfolgte durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23.7.1996 (BGBl I 1088), weil wegen veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen nicht mehr allgemeine Bedarfslagen im Zusammenhang mit Alter und Erwerbsminderung erfasst werden sollten, sondern nur die Fälle, bei denen neben Alter und Erwerbsunfähigkeit auch mittelbar oder unmittelbar mit dem eingeschränkten Gehvermögen zusammenhängende Bedarfe vorhanden waren, die zur Vermeidung einer verwaltungsaufwändigen Prüfung der konkret mit den gesundheitlichen Einschränkungen verbundenen Bedarfe pauschaliert abgedeckt werden sollten (BSG, aaO, RdNr 17 unter Hinweis auf eine Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks 13/5067, S 2 f).

20

Soweit der Gesetzgeber die Anspruchsvoraussetzungen dabei nicht allein an das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" knüpfte, sondern an den Besitz eines entsprechenden Ausweises, diente dies, wie sich auch aus der Änderung der Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2670) zeigt, Nachweiszwecken und damit der Verwaltungspraktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung. Den Sozialhilfeträgern sollte - jedenfalls für die Gewährung eines typisierten, pauschalierten Mehrbedarfs - nicht aufgebürdet werden, eigene Ermittlungen zur Feststellung einer erheblichen Einschränkung der Gehfähigkeit zu prüfen. Anders etwa als bei der Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung, die in eigener Zuständigkeit zu prüfen ist - ggf nach einem entsprechenden Ersuchen nach § 109a Abs 2 SGB VI und der Bindung des ersuchenden Sozialhilfeträgers an die Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung(vgl § 45 Abs 1 SGB XII) - hat der Gesetzgeber hier auf eine vergleichbare Regelung verzichtet. Ebenso hat er von einer (bloßen) Bindung an die Entscheidung des Versorgungsamtes - wie etwa bei der Hilfe zur Pflege in § 62 SGB XII (Bindung an die Entscheidung der Pflegekasse) - abgesehen.

21

Das gesetzgeberische Anliegen ist nachvollziehbar. Der Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen beginnen grundsätzlich mit dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, und dementsprechend ist nach § 6 Abs 1 Nr 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV)als Beginn der Gültigkeit des Ausweises in der Regel der Tag des Eingangs des Antrags auf eine entsprechende Feststellung vorgesehen. Wollte man auch bei dem typisierten Mehrbedarf nach dem GSiG bzw SGB XII auf den Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen abstellen, führte dies bei vorangegangenem Leistungsbezug in jedem Falle zu einer rückwirkenden Leistung pauschalierter Mehrbedarfe für die Vergangenheit. Dies widerspräche nicht nur den Grundsätzen der Verwaltungspraktikabilität, sondern auch der Absicht des Gesetzgebers, weil andernfalls eine Korrektur praktisch in allen Fällen, in denen ein Antrag nach dem SGB IX (früher SchwbG) gestellt wird bzw dem GSiG gestellt worden war, im Gesetz bereits angelegt wäre.

22

Dass der Gesetzgeber von einem solchen Verständnis der Norm ausgegangen ist, zeigt insbesondere die spätere Gesetzesentwicklung. Durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2670) wurde in § 30 Abs 1 SGB XII mit Wirkung vom 7.12.2006 die Angabe "einen Ausweis nach § 69 Abs 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen G besitzen" durch die Angabe "durch einen Bescheid der nach § 69 Abs 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen" ersetzt. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass der Mehrbedarf ohne die Gesetzesänderung erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden könne (BT-Drucks 16/2711, S 11 zu Nr 8). Ob die vom Senat vorgenommene Auslegung nach der Änderung des § 30 Abs 1 SGB XII auch für die Zeit ab 7.12.2006 gilt, bedarf hier keiner Entscheidung (verneinend: Simon in jurisPK-SGB XII, § 30 SGB XII RdNr 44; Münder in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII, 8. Aufl 2008, § 30 SGB XII RdNr 6; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 30 SGB XII RdNr 11; bejahend: Coseriu in Kommentar zum Sozialrecht , 2. Aufl 2011, § 30 SGB XII RdNr 3; nicht ganz eindeutig: Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 30 SGB XII RdNr 4, Stand Januar 2008).

23

Das in § 2 Abs 2 Halbsatz 2 SGB I enthaltene Gebot, bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuches sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die ihrer dogmatischen Natur und ihrem Inhalt nach umstrittene Vorschrift (vgl nur: Bürck, SGb 1984, 7 ff; ders, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 139 ff; Eichenhofer, SGb 2011, 301 ff und 511 ff) besagt allerdings nicht mehr, als dass Auslegungsspielräume bei den einzelnen Anspruchsgrundlagen, die die in §§ 3 bis 10 SGB I genannten sozialen Rechte umsetzen sollen - §§ 3 bis 10 SGB I bilden, wie aus § 2 Abs 1 Satz 2 SGB I folgt, selbst keine Anspruchsgrundlagen -, mit dem normativen Gehalt des jeweils betroffenen sozialen Rechts gefüllt und dadurch möglichst weitgehend zur Geltung gebracht werden sollen(BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 9 S 34 f). Die Vorschrift ist aber keine Korrekturvorschrift, die es erlauben würde, einen entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers zu überspielen (Voelzke in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 2 RdNr 25). Selbst wenn danach ein Auslegungs- oder Entscheidungsresultat anzustreben ist, das die sozialen Rechte zur Geltung bringt und optimiert (vgl Eichenhofer, SGb 2011, 301, 302; Voelzke, aaO, § 2 RdNr 24), setzt eine Konkretisierung der maßgeblichen Normen voraus, dass das bei der Auslegung nach den anerkannten Methoden (Wortlaut, Teleologie, Entstehungsgeschichte und Systematik) zu berücksichtigende Optimierungsgebot einen entsprechenden Interpretationsspielraum zulässt. Dies ist aber gerade nicht der Fall.

24

Die auf die Tatbestandswirkung des Besitzes abstellende gesetzliche Regelung ist nicht verfassungswidrig. Insbesondere verstößt sie nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG). Art 3 Abs 1 GG ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; BVerfGE 117, 272, 300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 70; BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 84, 348, 359 mwN; 110, 412, 436). Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfGE 21, 12, 26; 23, 242, 252). Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen (BVerfGE 17, 319, 330; 53, 313, 329; 67, 70, 85 f). Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt insoweit eine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (vgl BVerfGE 75, 108, 157 = SozR 5425 § 1 Nr 1 S 11). Das Bundesverfassungsgericht legt je nach dem Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlichen Prüfungsmaßstab an (vgl zusammenfassend: BVerfGE 88, 87, 96 f; 105, 73, 110 f = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176 S 173).

25

Legt man diese Maßstäbe zugrunde, so besteht nur zwischen der Personengruppe, die im Besitz eines Ausweises ist, und der Personengruppe ohne einen entsprechenden Ausweis ein Unterschied. Innerhalb der Personengruppen werden hingegen alle Betroffenen gleich behandelt. Die Dauer bis zur Erteilung eines Schwerbehindertenausweises mag zwar unterschiedlich sein, hieran knüpft der Gesetzgeber aber nicht die von ihm gewählten Rechtsfolgen. Eine vermeintliche Ungleichbehandlung erfolgt allenfalls durch die Verwaltungspraxis, sie ist aber nicht schon in der Norm angelegt, die ohne Unterschied den Besitz des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" fordert.

26

Soweit es die unterschiedliche Behandlung von Schwerbehinderten mit und ohne Schwerbehindertenausweis betrifft, hat der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nach oben Gesagtem eingehalten. Der der Regelung innewohnende Nachweiszweck mag es zwar auch zulassen, auf einen früheren Zeitpunkt als den des Besitzes des Schwerbehindertenausweises abzustellen; verfassungsrechtlich geboten war dies jedoch nicht. Der Gesetzgeber war auch nicht verfassungsrechtlich gehalten, eine rückwirkende Bewilligung eines pauschalierten Mehrbedarfs vorzusehen, zumal eine solche Leistung dem Zweck der Sozialhilfe widerspräche. Im Bereich der Sozialhilfe ist insoweit zu berücksichtigen, dass sie grundsätzlich nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dient (sog Gegenwärtigkeitsprinzip) und grundsätzlich nicht als nachträgliche (pauschale) Geldleistung ausgestaltet ist, sondern an einen aktuellen Hilfebedarf anknüpft (BSGE 104, 213 ff RdNr 13 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20 mwN). Zwar hat der Senat im Rahmen seiner Entscheidung zu § 44 SGB X ausgeführt(BSG aaO), dass ggf auch pauschalierte Leistungen bei fortdauernder Bedürftigkeit nachzuzahlen sind; diese Rechtsprechung ist allerdings im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Vorenthaltung von Leistungen zu sehen. Sie rechtfertigt nicht die Annahme, es sei generell verfassungsrechtlich geboten, unabhängig von einem konkreten Bedarf rückwirkend typisierte, pauschalierte Leistungen zu erbringen.

27

Die gesetzliche Regelung ist auch nicht unverhältnismäßig und verstößt deshalb nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Sie macht zwar den Anspruch auf den pauschalierten Mehrbedarf wegen der Tatbestandswirkung der anderweitig zu treffenden Entscheidung auch von Zufälligkeiten im Verfahrensablauf abhängig. Es ist aber nicht ungewöhnlich, dass ein Sozialleistungsanspruch von einer anderen Entscheidung abhängt. Die Rechtsprechung hat dies unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Beteiligten, eine solche Entscheidung zu verzögern, im Grundsatz als verfassungsgemäß angesehen (vgl zB zur Rentenerhöhung erst nach Rechtskraft des Versorgungsausgleichs BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1; zum Besitz einer Aufenthaltserlaubnis als Voraussetzung für Leistungen nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz BSGE 70, 197 ff = SozR 3-7833 § 1 Nr 7).

28

Der Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Verzögerung kann ausreichend begegnet werden. Bis zum formalen Feststellungsakt durch das Versorgungsamt (bzw früher bis zur Ausstellung eines entsprechenden Ausweises) ist den Betroffenen bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" nämlich nur die Möglichkeit genommen, einen behinderungsbedingten Mehrbedarf pauschal (also ohne Nachweis) geltend zu machen; soweit die Voraussetzungen des § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG bzw des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII vorliegen, hat er gleichwohl generell einen Anspruch auf Ausgleich eines abweichenden Bedarfs(Münder in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 30 SGB XII RdNr 8; Coseriu in KSW, 2. Aufl 2011, § 30 SGB XII RdNr 3; ähnlich auch Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 30 SGB XII RdNr 19), weil sein Existenzminimum aus verfassungsrechtlichen Gründen gesichert werden muss; ein unabweisbarer, laufender besonderer Bedarf kann dem Hilfebedürftigen nicht vorenthalten werden (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12).

29

§ 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII ist im Rahmen der Grundsicherung der §§ 41 ff SGB XII anzuwenden; denn § 42 SGB XII verweist durch die Bezugnahme auf § 28 SGB XII auf dessen gesamtes Leistungsspektrum(Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, aaO, § 42 SGB XII RdNr 2), wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 99, 252 ff RdNr 20 f = SozR 4-3500 § 28 Nr 3 mwN). Höhere Leistungen als der Regelsatz können aber auch im Rahmen der Leistungen nach dem GSiG erbracht werden. Nach § 3 Abs 1 Nr 1 GSiG wird zwar zur Bemessung der Grundsicherungsleistung nach dem GSiG allein auf den Regelsatz des § 22 Abs 1 Satz 1 BSHG abgestellt, weil der Gesetzgeber den Bedarf unabhängig von individuellen Bedürfnissen pauschaliert und unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung eine nur beschränkt individuelle Bedarfsermittlung vorgesehen hat (BT-Drucks 14/5150, S 49). Allerdings muss die Sozialhilfe als gegenüber Leistungen nach dem GSiG nachrangige Leistung (BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1; vgl heute § 19 Abs 2 Satz 2 SGB XII) den nach den Vorschriften des GSiG ermittelten Lebensunterhalt aufstocken, soweit das BSHG den nach den Besonderheiten des Einzelfalls bemessenen Lebensunterhalt in größerem Umfang deckt (Schoch in LPK-GSiG, § 3 RdNr 11; zum SGB XII BSG, Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R -, sowie Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 19 SGB XII RdNr 43 ff; zu der im GSiG nicht vorgesehenen Übergangsregelung des § 23 Abs 1 Satz 2 BSHG BSG SozR 4-3500 § 30 Nr 2 RdNr 18). Das GSiG beabsichtigte keine Bedarfsdeckung für jeden individuellen Einzelfall, sondern eine eigenständige Sozialleistung, die eine Inanspruchnahme von Sozialhilfe typischerweise entbehrlich machen sollte. Demzufolge konnte und musste ein atypischer Mehrbedarf mittels der Hilfe zum Lebensunterhalt abgedeckt werden (Fichtner/Wenzel, BSHG, 2. Aufl 2003, RdNr 4 f Vor GSiG).

30

Vor diesem Hintergrund scheidet ein Verstoß gegen Art 19 Abs 4 GG aus. Zwar garantiert das Verfahrensgrundrecht des Art 19 Abs 4 GG nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes (BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 29 mwN); dies erfordert, dass irreparable Entscheidungen soweit wie möglich ausgeschlossen werden (BSG, aaO, mwN). Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass es der Betroffene selbst in der Hand hat, durch Substantiierung eines Mehrbedarfs über § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII bzw § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG drohende Nachteile zu verhindern. Bei einer ablehnenden Entscheidung durch den Sozialhilfeträger steht ihm darüber hinaus der Weg über den einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs 2 SGG zur Seite. Selbst bei Bestandskraft eines einen individuellen Mehrbedarf ablehnenden Bescheids steht dem Betroffenen der Weg über § 44 SGB X(dazu unten) offen.

31

Da eine etwaige Verzögerung in dem Anerkennungsverfahren nach dem SGB IX nicht dem Beklagten zuzurechnen ist, kann ein etwa eingetretener Rechtsnachteil auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ausgeglichen werden. Nach Sinn und Zweck des § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII muss sich der Beklagte ein etwaiges Fehlverhalten des Versorgungsamtes im Rahmen eines Herstellungsanspruches nicht zurechnen lassen, weil das Versorgungsamt nicht in das Sozialleistungsverfahren nach dem SGB XII funktional einbezogen ist(vgl dazu BSGE 71, 217 f mwN = SozR 3-1200 § 14 Nr 8 S 19). Insoweit verbleibt ggf der Amtshaftungsanspruch nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch iVm Art 34 GG, der sich allerdings nicht gegen den Sozialhilfeträger selbst richtet.

32

Vorliegend verbleibt eine Prüfung des geltend gemachten Anspruchs in Anwendung des § 44 Abs 1 SGB X. Ob für das GSiG § 44 SGB X - was nahe liegt - Anwendung findet oder ob insoweit auf § 48 Abs 1 Satz 1 VwVfG iVm § 1 NVwVfG zu rekurrieren ist(offen gelassen BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15 RdNr 14 ff), der die Rücknahme bestandskräftiger Verwaltungsakte und damit die nachträgliche Zahlung von Leistungen grundsätzlich ins Ermessen der Beklagten stellt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, weil die Beklagte Leistungen bis 31.12.2004 (zunächst) nach dem BSHG gewährt hat und erst durch Bescheid vom 23.5.2005 (im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X) Leistungen nach dem GSiG unter Berücksichtigung bereits nach dem BSHG erbrachter Leistungen bewilligt hat. Mit diesem Bescheid hat sie die früheren Sozialhilfebescheide ersetzt und gleichzeitig, ohne dass dies einer ausdrücklichen Verfügung bedurft hätte, zusätzliche Sozialhilfeleistungen abgelehnt. Das Verfahren nach § 44 SGB X, mit dem höhere Leistungen begehrt werden, betrifft mithin Leistungen des BSHG, für das der Senat die Anwendung des § 44 SGB X bereits angenommen hat(BSG, aaO, RdNr 19).

33

Nach § 44 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ob dies der Fall ist, vermag der Senat angesichts fehlender Feststellungen des LSG zu den Anspruchsvoraussetzungen allgemein und zur Höhe des Anspruchs, insbesondere zu einem etwa bestehenden Mehrbedarf nicht zu beurteilen. Entsprechende Feststellungen wird das LSG nachzuholen und dabei zu berücksichtigen haben, dass es insoweit nicht auf eine Kenntnis des Sozialhilfeträgers bezüglich des Mehrbedarfs, der ergänzende bzw höhere Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG bzw § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII zulässt, ankommt. Die für die Erbringung von Leistungen notwendige Kenntnis (§ 5 BSHG; § 18 SGB XII) wird schon durch die der Beklagten bekannte Hilfebedürftigkeit vermittelt (vgl BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1). § 18 SGB XII bzw § 5 BSHG sollen zum Schutz des Hilfebedürftigen einen niedrigschwelligen Zugang zum Sozialhilfesystem sicherstellen, sodass es für die Annahme einer Kenntnis ausreichend ist, dass die Notwendigkeit der Hilfe dargetan oder sonst erkennbar ist(BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 23). Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, dass dem Kläger zu Unrecht Leistungen vorenthalten wurden, wird es die von dem Senat in seinem Urteil vom 29.9.2009 (BSGE 104, 213 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20) aufgestellten Grundsätze beachten müssen.

34

Für den Zeitraum von Januar bis Mai 2005, in dem der Kläger Leistungen nach dem SGB II bezogen hat, wird das LSG zu prüfen haben, ob er (der Kläger) als Erwerbsfähiger oder als Angehöriger dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II war. Dann scheiden nach § 21 SGB XII Leistungen der Beklagten für die Vergangenheit auch in Anwendung des § 44 SGB X für den genannten Zeitraum aus. War der Kläger aber auf nicht absehbare Zeit nicht in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 SGB II), und sind ihm deshalb (bei Vorliegen der übrigen Leistungsvoraussetzungen) statt der Leistungen nach dem SGB XII zu Unrecht (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II)Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden, ist dem Bewilligungsbescheid vom 23.5.2005 gleichzeitig die konkludente Ablehnung von Leistungen (auch eines Mehrbedarfs) für die Zeit vom 1.1. bis 31.5.2005 zu entnehmen, die einer Korrektur nach § 44 Abs 1 SGB X zugänglich ist.

35

Das LSG wird schließlich auch prüfen müssen, ob wegen einer etwaigen Nichtbeteiligung sozial erfahrener Personen im Widerspruchsverfahren (§ 116 Abs 2 SGB XII) ein von Amts wegen zu berücksichtigender Mangel des Vorverfahrens vorliegt (dazu BSGE 106, 62 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6), und ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. Februar 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind höhere Sozialhilfeleistungen bzw Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, insbesondere ein Mehrbedarf (wegen Behinderung) für den Zeitraum vom 1.2.2004 bis 30.9.2006.

2

Der 1948 geborene Kläger bezog bis Dezember 2004 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (bestandskräftiger Bescheid vom 25.4.2005), nachdem ihm zunächst Sozialhilfeleistungen gezahlt worden waren, nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG), von Januar 2005 bis Mai 2005 Arbeitslosengeld II (bestandskräftiger Bescheid vom 16.2.2005) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) und ab Juni 2005 erneut Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (bestandskräftiger Bescheid vom 23.5.2005) nach §§ 41 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

3

Mit (Ausführungs-)Bescheid vom 11.10.2006 stellte das Versorgungsamt beim Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 und die Voraussetzungen für das Vorliegen des Nachteilsausgleichs "G" fest. Dieser Entscheidung war ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Hannover vorausgegangen, das mit einem entsprechenden Anerkenntnis im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.9.2006 endete. Ein Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 50 und dem Nachteilsausgleich "G", gültig ab 1.2.2004, wurde am 23.10.2006 ausgestellt. Die Beklagte bewilligte auf Antrag des Klägers vom 31.10.2006 für die Zeit ab Oktober 2006 einen pauschalierten Mehrbedarf aufgrund der Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "G", lehnte diesen aber für den Zeitraum von Februar 2004 bis September 2006 mit der Begründung ab, ein Mehrbedarf könne erst ab Ausstellung des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" gewährt werden (Bescheid vom 22.11.2006; Widerspruchsbescheid vom 17.4.2007).

4

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Hannover vom 31.8.2007; Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 25.2.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, Streitgegenstand seien nur Mehrbedarfsleistungen wegen der Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "G". Einen solchen Anspruch habe der Kläger nach dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen erst ab Besitz des Schwerbehindertenausweises im Oktober 2006. Nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG und § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII(in der bis zum 6.12.2006 geltenden Fassung) sei der Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" für den pauschalierten Mehrbedarf Anspruchsvoraussetzung. Da nach § 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) Ansprüche auf Sozialleistungen erst entstünden, wenn ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen erfüllt seien, scheide ein pauschalierter Mehrbedarf für zurückliegende Zeiten ab Feststellung des Merkzeichens "G" aus. Von diesem Verständnis gehe auch der Gesetzgeber aus; dies zeige die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII, wonach die bis zum 6.12.2006 geltende Rechtslage zur Folge habe, dass der Mehrbedarf erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden könne.

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG und des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII. Die vom LSG vorgenommene Auslegung sei keineswegs zwingend. Die Tatbestandsvoraussetzung "Besitz" sage nichts zum Leistungsbeginn. Nach seinem Wortsinn könne dieses Tatbestandsmerkmal auch so verstanden werden, dass die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit einem Gültigkeitsdatum genüge, das den Zeitraum vor Ausstellung erfasse; der Beweiswert, der von dem Ausweis ausgehe, sei bei einer nachträglichen Vorlage derselbe. Eine solche Auslegung ermögliche eine möglichst weitgehende Verwirklichung der sozialen Rechte, wie dies § 2 Abs 2 SGB I fordere. Eine zeitliche Begrenzung, wann der Nachweis der Voraussetzungen durch den Ausweis zu erfolgen habe und dass dieser Nachweis nicht rückwirkend erbracht werden könne, sei den maßgebenden Normen nicht zu entnehmen. Ein enges Verständnis führe hingegen zu einem praktischen Rechtsverlust für die Zeiten, in denen die Gehbehinderung bereits vorgelegen und damit auch ein erhöhter Bedarf bestanden habe. Dies verstoße gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) und den substantiellen Anspruch auf eine tatsächliche wirksame gerichtliche Kontrolle. Die Effektivität des Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) sei ungenügend; der Betroffene erleide durch die Fehleinschätzung der Behörde nicht hinnehmbare finanzielle Nachteile. Der Verweis auf die Möglichkeit eines Amtshaftungsanspruchs stelle insoweit keinen adäquaten Ersatz dar. Der Anspruch auf den Mehrbedarf für den streitbefangenen Zeitraum ergebe sich (hilfsweise) aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, weil nur durch das Verschulden der Versorgungsverwaltung eine Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt gewesen sei.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 22.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2007 aufzuheben und ihm unter Abänderung entgegenstehender Bescheide für die Zeit von Februar 2004 bis September 2006 einen monatlichen Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zu zahlen bzw den Regelsatz zu erhöhen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat zwar zu Recht entschieden, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf einen pauschalierten Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII hat; ob der Kläger allerdings einen Mehrbedarf hatte, der eine vom Regelsatz abweichende Festlegung und im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) rückwirkend zu erbringende Leistungen rechtfertigt, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht entscheiden.

10

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 22.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2007 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Zahlung eines behinderungsbedingten Mehraufwands für den streitbefangenen Zeitraum abgelehnt hat. Dabei hat der Senat entgegen der Auffassung des LSG nicht allein darüber zu befinden, ob dem Kläger ein Mehrbedarf wegen rückwirkender Änderung der Verhältnisse ab Februar 2004 nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zusteht; ist der pauschalierte Mehrbedarf nachträglich nicht zu erbringen, ist auch darüber zu entscheiden, ob ein (konkret) bestehender behinderungsbedingter Mehrbedarf, der durch den Kläger tatsächlich gedeckt wurde, im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X nachträglich zu erbringen ist, weil die Beklagte zu Unrecht höhere Leistungen vorenthalten hat.

11

Zwar ist der pauschalierte Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII ein abtrennbarer Streitgegenstand, mit der Möglichkeit, die Klage entsprechend zu beschränken(vgl nur Coseriu in juris Praxiskommentar SGB XII, § 19 SGB XII RdNr 76.2 mwN zur Rechtsprechung); nach dem sog Meistbegünstigungsgrundsatz (vgl hierzu nur: BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 22; Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21 ff mwN zur Rechtsprechung) muss aber davon ausgegangen werden, dass die Klage insoweit gerade nicht beschränkt worden ist, sondern ein "Mehrbedarf" für die Vergangenheit unabhängig von der jeweiligen Anspruchsgrundlage geltend gemacht wurde. Bestätigt wird dies durch das Schreiben an die Beklagte vom 26.10.2006 mit dem Antrag, die zustehenden "zusätzlichen Leistungen seit Februar 2004" zu bewilligen, sowie durch den Klagantrag, mit dem die Zahlung eines Mehrbedarfs für die Vergangenheit verlangt worden ist. Im Streit sind somit insgesamt höhere Leistungen.

12

Unabhängig davon, ob sich die Begründetheit der Klage an § 48 SGB X oder an § 44 SGB X bzw (für die Zeit bis 31.12.2004) an den Vorschriften des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (NVwVfG) iVm dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG) misst, ist die richtige Klageart die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4, § 56 SGG. In beiden Fällen ist neben der Aufhebung der streitgegenständlichen (ablehnenden) Bescheide die Behörde zu verpflichten, die (einer nachträglichen Leistung) entgegenstehenden Bescheide (im Urteil des LSG sind nicht alle bezeichnet) aufzuheben, und zur Leistung zu verurteilen (BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1 S 2; BSGE 104, 213 ff RdNr 9 mwN = SozR 4-1300 § 44 Nr 20).

13

Mangels in Niedersachsen angeordneten Behördenprinzips (vgl § 70 Nr 3 SGG) richtet sich die Klage gemäß § 70 Nr 1 SGG gegen die Region Hannover. Hieran ändert nichts, dass die Stadt Hannover den angegriffenen Bescheid erlassen hat. Nach § 8 Abs 1 Satz 1 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum SGB XII (AG SGB XII) vom 16.12.2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt 644) kann die Region Hannover zwar zur Durchführung der ihr als örtlichem Sozialhilfeträger obliegenden Aufgabe durch Satzung oder öffentlich-rechtlichen Vertrag regionsangehörige Gemeinden heranziehen, und von dieser Möglichkeit hat sie auch Gebrauch gemacht (§ 1 der Satzung über die Heranziehung von regionsangehörigen Städten und Gemeinden zur Durchführung der von der Region Hannover als örtlichem Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben nach dem SGB XII vom 14.12.2004 in der Fassung vom 7.3.2006 - Gemeinsames Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover Nr 14 vom 6.4.2006); jedoch handelt die herangezogene kommunale Körperschaft gemäß § 9 Abs 4 AG SGB XII (nur) im Namen des örtlichen Trägers der Sozialhilfe, der damit der richtige Beteiligte bleibt(vgl hierzu Senatsurteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 1/10 R - RdNr 13 mwN).

14

Die Beklagte war der für die Entscheidung örtlich und sachlich zuständige Träger der Sozialhilfe nach § 3 Abs 2, § 97 Abs 1, § 98 Abs 1 SGB XII in Verbindung mit § 1 Satz 1 und § 6 Abs 1 AG SGB XII (und § 44 Abs 3 SGB X). Sie ist Gesamtrechtsnachfolgerin des Landkreises Hannover und nimmt dessen Aufgaben wahr (§§ 2, 3 Abs 3 Gesetz über die Region Hannover vom 5.6.2001 - GVBl 348). Die Heranziehung der Stadt Hannover nach § 99 Abs 1 SGB XII in Verbindung mit § 8 Abs 1 AG SGB XII verändert nicht die Zuständigkeit(§ 9 Abs 4 AG SGB XII). Der Senat ist nicht gehindert, die dem Grunde nach nicht revisiblen (§ 162 SGG) landesrechtlichen Vorschriften anzuwenden und auszulegen, weil das LSG diese Vorschriften bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hat (BSGE 102, 10 ff RdNr 28 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2; Senatsurteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 1/10 R - juris RdNr 14).

15

Materiellrechtlich misst sich die Begründetheit der Revision an § 44 Abs 1 SGB X. § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X findet - unabhängig von der Frage nach seiner Geltung im Rahmen des GSiG - keine Anwendung. Danach soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei einer Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorlagen, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Eine Änderung der Verhältnisse ist frühestens für die Zeit ab Oktober 2006 anzunehmen, weil der Kläger erst ab diesem Zeitpunkt im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" war und deshalb auch erst ab Oktober 2006 die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zu bejahen sind, sodass ohne Bedeutung ist, ob § 48 SGB X im Rahmen des GSiG Anwendung findet, bzw welche Regelung bei Änderung der Verhältnisse anzuwenden wäre.

16

Nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG umfasste die bedarfsorientierte Grundsicherung einen Mehrbedarf von 20 vH des für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes nach dem Zweiten Abschnitt des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) bei Besitz eines Ausweises nach § 4 Abs 5 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) mit dem Merkzeichen "G". Eine entsprechende Regelung sieht für die Zeit ab 1.1.2005 § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) vor. Danach wird ein Mehrbedarf von 17 vH des maßgebenden Regelsatzes für Personen anerkannt, die unter 65 Jahre und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) sind und einen Ausweis nach § 69 Abs 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) mit dem Merkzeichen G besitzen, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Der Kläger war - unabhängig von den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem GSiG bzw SGB XII - in dem streitbefangenen Zeitraum jedenfalls nicht im Besitz eines solchen Ausweises.

17

Diese Regelungen sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht dahin auszulegen, dass die im Oktober 2006 eingetretene Änderung der Verhältnisse auf den Zeitpunkt der Anerkennung des Nachteilsausgleichs "G" - hier also auf die Zeit ab Februar 2004 - zurückwirkt. Zwar können spätere Änderungen der Sach- und Rechtslage sogar bis auf den Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Dauerverwaltungsaktes zurückwirken, also die Sach- oder Rechtslage ex tunc ändern (vgl BSG SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 17 mwN); maßgebend hierfür ist aber eine rückwirkende Umgestaltung der Rechtslage, deretwegen der Verwaltungsakt (auch für den zurückliegenden Zeitraum) nicht mehr oder nicht mehr so erlassen werden dürfte.

18

§ 3 Abs 1 Nr 4 GSiG stellte allerdings ebenso wie § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII nicht lediglich auf die Feststellungswirkung des Nachteilsausgleichs "G" oder das Vorliegen seiner Voraussetzungen ab. Zu den im Gesetz bestimmten Voraussetzungen gehört nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Vorschriften vielmehr der "Besitz" (Simon in jurisPK-SGB XII, § 30 SGB XII RdNr 44; W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl 2002, § 23 RdNr 13). Der Senat hat deshalb bereits entschieden, dass der Mehrbedarf des § 30 Abs 1 Nr 1 SGB XII tatbestandlich mit der Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises und der Zuerkennung des Merkzeichens "G" verbunden ist(BSGE 104, 200 ff RdNr 14 = SozR 4-3500 § 30 Nr 1); allein der Zeitpunkt der Feststellungswirkung des Merkzeichens "G" ist zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen also nicht ausreichend. Anders als die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" selbst, die für die Zeit ab Februar 2004 Wirkung entfaltet, wird der "Besitz" nicht rückwirkend eingeräumt. Die Anspruchsvoraussetzungen für den pauschalierten Mehrbedarf können deshalb nicht vor Oktober 2006 eintreten. Zu Recht verweist das LSG in diesem Zusammenhang auf § 40 Abs 1 SGB I, wonach Ansprüche auf Sozialleistungen erst mit Vorliegen der im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen entstehen; im Umkehrschluss bedeutet dies, dass vor dieser Zeit kein Anspruch nach den bezeichneten Vorschriften besteht.

19

Auch Sinn und Zweck der Regelungen rechtfertigen keine erweiternde Auslegung in dem von dem Kläger gewünschten Sinn. Der jetzigen Regelung über den pauschalierten Mehrbedarf war die Regelung des § 23 Abs 1 BSHG(vom 30.6.1961 - BGBl I 815) vorausgegangen, die den Mehrbedarfszuschlag zunächst nicht an eine bestimmte Behinderung, sondern typisierend nur an Alter und geminderte Erwerbsfähigkeit knüpfte (BSG, aaO, RdNr 15). Die zusätzliche Koppelung des Anspruchs auf einen pauschalierten Mehrbedarf an den Besitz eines Ausweises nach § 4 Abs 5 SchwbG mit dem Merkzeichen "G" erfolgte durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23.7.1996 (BGBl I 1088), weil wegen veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen nicht mehr allgemeine Bedarfslagen im Zusammenhang mit Alter und Erwerbsminderung erfasst werden sollten, sondern nur die Fälle, bei denen neben Alter und Erwerbsunfähigkeit auch mittelbar oder unmittelbar mit dem eingeschränkten Gehvermögen zusammenhängende Bedarfe vorhanden waren, die zur Vermeidung einer verwaltungsaufwändigen Prüfung der konkret mit den gesundheitlichen Einschränkungen verbundenen Bedarfe pauschaliert abgedeckt werden sollten (BSG, aaO, RdNr 17 unter Hinweis auf eine Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks 13/5067, S 2 f).

20

Soweit der Gesetzgeber die Anspruchsvoraussetzungen dabei nicht allein an das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" knüpfte, sondern an den Besitz eines entsprechenden Ausweises, diente dies, wie sich auch aus der Änderung der Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2670) zeigt, Nachweiszwecken und damit der Verwaltungspraktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung. Den Sozialhilfeträgern sollte - jedenfalls für die Gewährung eines typisierten, pauschalierten Mehrbedarfs - nicht aufgebürdet werden, eigene Ermittlungen zur Feststellung einer erheblichen Einschränkung der Gehfähigkeit zu prüfen. Anders etwa als bei der Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung, die in eigener Zuständigkeit zu prüfen ist - ggf nach einem entsprechenden Ersuchen nach § 109a Abs 2 SGB VI und der Bindung des ersuchenden Sozialhilfeträgers an die Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung(vgl § 45 Abs 1 SGB XII) - hat der Gesetzgeber hier auf eine vergleichbare Regelung verzichtet. Ebenso hat er von einer (bloßen) Bindung an die Entscheidung des Versorgungsamtes - wie etwa bei der Hilfe zur Pflege in § 62 SGB XII (Bindung an die Entscheidung der Pflegekasse) - abgesehen.

21

Das gesetzgeberische Anliegen ist nachvollziehbar. Der Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen beginnen grundsätzlich mit dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, und dementsprechend ist nach § 6 Abs 1 Nr 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV)als Beginn der Gültigkeit des Ausweises in der Regel der Tag des Eingangs des Antrags auf eine entsprechende Feststellung vorgesehen. Wollte man auch bei dem typisierten Mehrbedarf nach dem GSiG bzw SGB XII auf den Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen abstellen, führte dies bei vorangegangenem Leistungsbezug in jedem Falle zu einer rückwirkenden Leistung pauschalierter Mehrbedarfe für die Vergangenheit. Dies widerspräche nicht nur den Grundsätzen der Verwaltungspraktikabilität, sondern auch der Absicht des Gesetzgebers, weil andernfalls eine Korrektur praktisch in allen Fällen, in denen ein Antrag nach dem SGB IX (früher SchwbG) gestellt wird bzw dem GSiG gestellt worden war, im Gesetz bereits angelegt wäre.

22

Dass der Gesetzgeber von einem solchen Verständnis der Norm ausgegangen ist, zeigt insbesondere die spätere Gesetzesentwicklung. Durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2670) wurde in § 30 Abs 1 SGB XII mit Wirkung vom 7.12.2006 die Angabe "einen Ausweis nach § 69 Abs 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen G besitzen" durch die Angabe "durch einen Bescheid der nach § 69 Abs 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen" ersetzt. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass der Mehrbedarf ohne die Gesetzesänderung erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden könne (BT-Drucks 16/2711, S 11 zu Nr 8). Ob die vom Senat vorgenommene Auslegung nach der Änderung des § 30 Abs 1 SGB XII auch für die Zeit ab 7.12.2006 gilt, bedarf hier keiner Entscheidung (verneinend: Simon in jurisPK-SGB XII, § 30 SGB XII RdNr 44; Münder in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII, 8. Aufl 2008, § 30 SGB XII RdNr 6; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 30 SGB XII RdNr 11; bejahend: Coseriu in Kommentar zum Sozialrecht , 2. Aufl 2011, § 30 SGB XII RdNr 3; nicht ganz eindeutig: Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 30 SGB XII RdNr 4, Stand Januar 2008).

23

Das in § 2 Abs 2 Halbsatz 2 SGB I enthaltene Gebot, bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuches sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die ihrer dogmatischen Natur und ihrem Inhalt nach umstrittene Vorschrift (vgl nur: Bürck, SGb 1984, 7 ff; ders, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 139 ff; Eichenhofer, SGb 2011, 301 ff und 511 ff) besagt allerdings nicht mehr, als dass Auslegungsspielräume bei den einzelnen Anspruchsgrundlagen, die die in §§ 3 bis 10 SGB I genannten sozialen Rechte umsetzen sollen - §§ 3 bis 10 SGB I bilden, wie aus § 2 Abs 1 Satz 2 SGB I folgt, selbst keine Anspruchsgrundlagen -, mit dem normativen Gehalt des jeweils betroffenen sozialen Rechts gefüllt und dadurch möglichst weitgehend zur Geltung gebracht werden sollen(BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 9 S 34 f). Die Vorschrift ist aber keine Korrekturvorschrift, die es erlauben würde, einen entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers zu überspielen (Voelzke in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 2 RdNr 25). Selbst wenn danach ein Auslegungs- oder Entscheidungsresultat anzustreben ist, das die sozialen Rechte zur Geltung bringt und optimiert (vgl Eichenhofer, SGb 2011, 301, 302; Voelzke, aaO, § 2 RdNr 24), setzt eine Konkretisierung der maßgeblichen Normen voraus, dass das bei der Auslegung nach den anerkannten Methoden (Wortlaut, Teleologie, Entstehungsgeschichte und Systematik) zu berücksichtigende Optimierungsgebot einen entsprechenden Interpretationsspielraum zulässt. Dies ist aber gerade nicht der Fall.

24

Die auf die Tatbestandswirkung des Besitzes abstellende gesetzliche Regelung ist nicht verfassungswidrig. Insbesondere verstößt sie nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG). Art 3 Abs 1 GG ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; BVerfGE 117, 272, 300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 70; BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 84, 348, 359 mwN; 110, 412, 436). Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfGE 21, 12, 26; 23, 242, 252). Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen (BVerfGE 17, 319, 330; 53, 313, 329; 67, 70, 85 f). Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt insoweit eine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (vgl BVerfGE 75, 108, 157 = SozR 5425 § 1 Nr 1 S 11). Das Bundesverfassungsgericht legt je nach dem Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlichen Prüfungsmaßstab an (vgl zusammenfassend: BVerfGE 88, 87, 96 f; 105, 73, 110 f = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176 S 173).

25

Legt man diese Maßstäbe zugrunde, so besteht nur zwischen der Personengruppe, die im Besitz eines Ausweises ist, und der Personengruppe ohne einen entsprechenden Ausweis ein Unterschied. Innerhalb der Personengruppen werden hingegen alle Betroffenen gleich behandelt. Die Dauer bis zur Erteilung eines Schwerbehindertenausweises mag zwar unterschiedlich sein, hieran knüpft der Gesetzgeber aber nicht die von ihm gewählten Rechtsfolgen. Eine vermeintliche Ungleichbehandlung erfolgt allenfalls durch die Verwaltungspraxis, sie ist aber nicht schon in der Norm angelegt, die ohne Unterschied den Besitz des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" fordert.

26

Soweit es die unterschiedliche Behandlung von Schwerbehinderten mit und ohne Schwerbehindertenausweis betrifft, hat der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nach oben Gesagtem eingehalten. Der der Regelung innewohnende Nachweiszweck mag es zwar auch zulassen, auf einen früheren Zeitpunkt als den des Besitzes des Schwerbehindertenausweises abzustellen; verfassungsrechtlich geboten war dies jedoch nicht. Der Gesetzgeber war auch nicht verfassungsrechtlich gehalten, eine rückwirkende Bewilligung eines pauschalierten Mehrbedarfs vorzusehen, zumal eine solche Leistung dem Zweck der Sozialhilfe widerspräche. Im Bereich der Sozialhilfe ist insoweit zu berücksichtigen, dass sie grundsätzlich nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dient (sog Gegenwärtigkeitsprinzip) und grundsätzlich nicht als nachträgliche (pauschale) Geldleistung ausgestaltet ist, sondern an einen aktuellen Hilfebedarf anknüpft (BSGE 104, 213 ff RdNr 13 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20 mwN). Zwar hat der Senat im Rahmen seiner Entscheidung zu § 44 SGB X ausgeführt(BSG aaO), dass ggf auch pauschalierte Leistungen bei fortdauernder Bedürftigkeit nachzuzahlen sind; diese Rechtsprechung ist allerdings im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Vorenthaltung von Leistungen zu sehen. Sie rechtfertigt nicht die Annahme, es sei generell verfassungsrechtlich geboten, unabhängig von einem konkreten Bedarf rückwirkend typisierte, pauschalierte Leistungen zu erbringen.

27

Die gesetzliche Regelung ist auch nicht unverhältnismäßig und verstößt deshalb nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Sie macht zwar den Anspruch auf den pauschalierten Mehrbedarf wegen der Tatbestandswirkung der anderweitig zu treffenden Entscheidung auch von Zufälligkeiten im Verfahrensablauf abhängig. Es ist aber nicht ungewöhnlich, dass ein Sozialleistungsanspruch von einer anderen Entscheidung abhängt. Die Rechtsprechung hat dies unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Beteiligten, eine solche Entscheidung zu verzögern, im Grundsatz als verfassungsgemäß angesehen (vgl zB zur Rentenerhöhung erst nach Rechtskraft des Versorgungsausgleichs BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1; zum Besitz einer Aufenthaltserlaubnis als Voraussetzung für Leistungen nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz BSGE 70, 197 ff = SozR 3-7833 § 1 Nr 7).

28

Der Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Verzögerung kann ausreichend begegnet werden. Bis zum formalen Feststellungsakt durch das Versorgungsamt (bzw früher bis zur Ausstellung eines entsprechenden Ausweises) ist den Betroffenen bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" nämlich nur die Möglichkeit genommen, einen behinderungsbedingten Mehrbedarf pauschal (also ohne Nachweis) geltend zu machen; soweit die Voraussetzungen des § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG bzw des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII vorliegen, hat er gleichwohl generell einen Anspruch auf Ausgleich eines abweichenden Bedarfs(Münder in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 30 SGB XII RdNr 8; Coseriu in KSW, 2. Aufl 2011, § 30 SGB XII RdNr 3; ähnlich auch Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 30 SGB XII RdNr 19), weil sein Existenzminimum aus verfassungsrechtlichen Gründen gesichert werden muss; ein unabweisbarer, laufender besonderer Bedarf kann dem Hilfebedürftigen nicht vorenthalten werden (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12).

29

§ 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII ist im Rahmen der Grundsicherung der §§ 41 ff SGB XII anzuwenden; denn § 42 SGB XII verweist durch die Bezugnahme auf § 28 SGB XII auf dessen gesamtes Leistungsspektrum(Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, aaO, § 42 SGB XII RdNr 2), wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 99, 252 ff RdNr 20 f = SozR 4-3500 § 28 Nr 3 mwN). Höhere Leistungen als der Regelsatz können aber auch im Rahmen der Leistungen nach dem GSiG erbracht werden. Nach § 3 Abs 1 Nr 1 GSiG wird zwar zur Bemessung der Grundsicherungsleistung nach dem GSiG allein auf den Regelsatz des § 22 Abs 1 Satz 1 BSHG abgestellt, weil der Gesetzgeber den Bedarf unabhängig von individuellen Bedürfnissen pauschaliert und unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung eine nur beschränkt individuelle Bedarfsermittlung vorgesehen hat (BT-Drucks 14/5150, S 49). Allerdings muss die Sozialhilfe als gegenüber Leistungen nach dem GSiG nachrangige Leistung (BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1; vgl heute § 19 Abs 2 Satz 2 SGB XII) den nach den Vorschriften des GSiG ermittelten Lebensunterhalt aufstocken, soweit das BSHG den nach den Besonderheiten des Einzelfalls bemessenen Lebensunterhalt in größerem Umfang deckt (Schoch in LPK-GSiG, § 3 RdNr 11; zum SGB XII BSG, Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R -, sowie Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 19 SGB XII RdNr 43 ff; zu der im GSiG nicht vorgesehenen Übergangsregelung des § 23 Abs 1 Satz 2 BSHG BSG SozR 4-3500 § 30 Nr 2 RdNr 18). Das GSiG beabsichtigte keine Bedarfsdeckung für jeden individuellen Einzelfall, sondern eine eigenständige Sozialleistung, die eine Inanspruchnahme von Sozialhilfe typischerweise entbehrlich machen sollte. Demzufolge konnte und musste ein atypischer Mehrbedarf mittels der Hilfe zum Lebensunterhalt abgedeckt werden (Fichtner/Wenzel, BSHG, 2. Aufl 2003, RdNr 4 f Vor GSiG).

30

Vor diesem Hintergrund scheidet ein Verstoß gegen Art 19 Abs 4 GG aus. Zwar garantiert das Verfahrensgrundrecht des Art 19 Abs 4 GG nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes (BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 29 mwN); dies erfordert, dass irreparable Entscheidungen soweit wie möglich ausgeschlossen werden (BSG, aaO, mwN). Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass es der Betroffene selbst in der Hand hat, durch Substantiierung eines Mehrbedarfs über § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII bzw § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG drohende Nachteile zu verhindern. Bei einer ablehnenden Entscheidung durch den Sozialhilfeträger steht ihm darüber hinaus der Weg über den einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs 2 SGG zur Seite. Selbst bei Bestandskraft eines einen individuellen Mehrbedarf ablehnenden Bescheids steht dem Betroffenen der Weg über § 44 SGB X(dazu unten) offen.

31

Da eine etwaige Verzögerung in dem Anerkennungsverfahren nach dem SGB IX nicht dem Beklagten zuzurechnen ist, kann ein etwa eingetretener Rechtsnachteil auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ausgeglichen werden. Nach Sinn und Zweck des § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII muss sich der Beklagte ein etwaiges Fehlverhalten des Versorgungsamtes im Rahmen eines Herstellungsanspruches nicht zurechnen lassen, weil das Versorgungsamt nicht in das Sozialleistungsverfahren nach dem SGB XII funktional einbezogen ist(vgl dazu BSGE 71, 217 f mwN = SozR 3-1200 § 14 Nr 8 S 19). Insoweit verbleibt ggf der Amtshaftungsanspruch nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch iVm Art 34 GG, der sich allerdings nicht gegen den Sozialhilfeträger selbst richtet.

32

Vorliegend verbleibt eine Prüfung des geltend gemachten Anspruchs in Anwendung des § 44 Abs 1 SGB X. Ob für das GSiG § 44 SGB X - was nahe liegt - Anwendung findet oder ob insoweit auf § 48 Abs 1 Satz 1 VwVfG iVm § 1 NVwVfG zu rekurrieren ist(offen gelassen BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15 RdNr 14 ff), der die Rücknahme bestandskräftiger Verwaltungsakte und damit die nachträgliche Zahlung von Leistungen grundsätzlich ins Ermessen der Beklagten stellt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, weil die Beklagte Leistungen bis 31.12.2004 (zunächst) nach dem BSHG gewährt hat und erst durch Bescheid vom 23.5.2005 (im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X) Leistungen nach dem GSiG unter Berücksichtigung bereits nach dem BSHG erbrachter Leistungen bewilligt hat. Mit diesem Bescheid hat sie die früheren Sozialhilfebescheide ersetzt und gleichzeitig, ohne dass dies einer ausdrücklichen Verfügung bedurft hätte, zusätzliche Sozialhilfeleistungen abgelehnt. Das Verfahren nach § 44 SGB X, mit dem höhere Leistungen begehrt werden, betrifft mithin Leistungen des BSHG, für das der Senat die Anwendung des § 44 SGB X bereits angenommen hat(BSG, aaO, RdNr 19).

33

Nach § 44 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ob dies der Fall ist, vermag der Senat angesichts fehlender Feststellungen des LSG zu den Anspruchsvoraussetzungen allgemein und zur Höhe des Anspruchs, insbesondere zu einem etwa bestehenden Mehrbedarf nicht zu beurteilen. Entsprechende Feststellungen wird das LSG nachzuholen und dabei zu berücksichtigen haben, dass es insoweit nicht auf eine Kenntnis des Sozialhilfeträgers bezüglich des Mehrbedarfs, der ergänzende bzw höhere Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG bzw § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII zulässt, ankommt. Die für die Erbringung von Leistungen notwendige Kenntnis (§ 5 BSHG; § 18 SGB XII) wird schon durch die der Beklagten bekannte Hilfebedürftigkeit vermittelt (vgl BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1). § 18 SGB XII bzw § 5 BSHG sollen zum Schutz des Hilfebedürftigen einen niedrigschwelligen Zugang zum Sozialhilfesystem sicherstellen, sodass es für die Annahme einer Kenntnis ausreichend ist, dass die Notwendigkeit der Hilfe dargetan oder sonst erkennbar ist(BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 23). Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, dass dem Kläger zu Unrecht Leistungen vorenthalten wurden, wird es die von dem Senat in seinem Urteil vom 29.9.2009 (BSGE 104, 213 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20) aufgestellten Grundsätze beachten müssen.

34

Für den Zeitraum von Januar bis Mai 2005, in dem der Kläger Leistungen nach dem SGB II bezogen hat, wird das LSG zu prüfen haben, ob er (der Kläger) als Erwerbsfähiger oder als Angehöriger dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II war. Dann scheiden nach § 21 SGB XII Leistungen der Beklagten für die Vergangenheit auch in Anwendung des § 44 SGB X für den genannten Zeitraum aus. War der Kläger aber auf nicht absehbare Zeit nicht in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 SGB II), und sind ihm deshalb (bei Vorliegen der übrigen Leistungsvoraussetzungen) statt der Leistungen nach dem SGB XII zu Unrecht (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II)Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden, ist dem Bewilligungsbescheid vom 23.5.2005 gleichzeitig die konkludente Ablehnung von Leistungen (auch eines Mehrbedarfs) für die Zeit vom 1.1. bis 31.5.2005 zu entnehmen, die einer Korrektur nach § 44 Abs 1 SGB X zugänglich ist.

35

Das LSG wird schließlich auch prüfen müssen, ob wegen einer etwaigen Nichtbeteiligung sozial erfahrener Personen im Widerspruchsverfahren (§ 116 Abs 2 SGB XII) ein von Amts wegen zu berücksichtigender Mangel des Vorverfahrens vorliegt (dazu BSGE 106, 62 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6), und ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Die Bedarfe nach diesem Kapitel umfassen:

1.
die Regelsätze nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28; § 27a Absatz 3 und Absatz 4 ist anzuwenden; § 29 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Absatz 2 bis 5 ist nicht anzuwenden,
2.
die zusätzlichen Bedarfe nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels sowie Bedarfe nach § 42b,
3.
die Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach dem Dritten Abschnitt des Dritten Kapitels, ausgenommen die Bedarfe nach § 34 Absatz 7,
4.
Bedarfe für Unterkunft und Heizung
a)
bei Leistungsberechtigten außerhalb von Einrichtungen nach § 42a,
b)
bei Leistungsberechtigten, deren notwendiger Lebensunterhalt sich nach § 27b Absatz 1 Satz 2 oder nach § 27c Absatz 1 Nummer 2 ergibt, in Höhe der nach § 45a ermittelten durchschnittlichen Warmmiete von Einpersonenhaushalten,
5.
ergänzende Darlehen nach § 37 Absatz 1 und Darlehen bei am Monatsende fälligen Einkommen nach § 37a.

(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. Februar 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind höhere Sozialhilfeleistungen bzw Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, insbesondere ein Mehrbedarf (wegen Behinderung) für den Zeitraum vom 1.2.2004 bis 30.9.2006.

2

Der 1948 geborene Kläger bezog bis Dezember 2004 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (bestandskräftiger Bescheid vom 25.4.2005), nachdem ihm zunächst Sozialhilfeleistungen gezahlt worden waren, nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG), von Januar 2005 bis Mai 2005 Arbeitslosengeld II (bestandskräftiger Bescheid vom 16.2.2005) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) und ab Juni 2005 erneut Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (bestandskräftiger Bescheid vom 23.5.2005) nach §§ 41 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

3

Mit (Ausführungs-)Bescheid vom 11.10.2006 stellte das Versorgungsamt beim Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 und die Voraussetzungen für das Vorliegen des Nachteilsausgleichs "G" fest. Dieser Entscheidung war ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Hannover vorausgegangen, das mit einem entsprechenden Anerkenntnis im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.9.2006 endete. Ein Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 50 und dem Nachteilsausgleich "G", gültig ab 1.2.2004, wurde am 23.10.2006 ausgestellt. Die Beklagte bewilligte auf Antrag des Klägers vom 31.10.2006 für die Zeit ab Oktober 2006 einen pauschalierten Mehrbedarf aufgrund der Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "G", lehnte diesen aber für den Zeitraum von Februar 2004 bis September 2006 mit der Begründung ab, ein Mehrbedarf könne erst ab Ausstellung des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" gewährt werden (Bescheid vom 22.11.2006; Widerspruchsbescheid vom 17.4.2007).

4

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Hannover vom 31.8.2007; Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 25.2.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, Streitgegenstand seien nur Mehrbedarfsleistungen wegen der Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "G". Einen solchen Anspruch habe der Kläger nach dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen erst ab Besitz des Schwerbehindertenausweises im Oktober 2006. Nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG und § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII(in der bis zum 6.12.2006 geltenden Fassung) sei der Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" für den pauschalierten Mehrbedarf Anspruchsvoraussetzung. Da nach § 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) Ansprüche auf Sozialleistungen erst entstünden, wenn ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen erfüllt seien, scheide ein pauschalierter Mehrbedarf für zurückliegende Zeiten ab Feststellung des Merkzeichens "G" aus. Von diesem Verständnis gehe auch der Gesetzgeber aus; dies zeige die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII, wonach die bis zum 6.12.2006 geltende Rechtslage zur Folge habe, dass der Mehrbedarf erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden könne.

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG und des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII. Die vom LSG vorgenommene Auslegung sei keineswegs zwingend. Die Tatbestandsvoraussetzung "Besitz" sage nichts zum Leistungsbeginn. Nach seinem Wortsinn könne dieses Tatbestandsmerkmal auch so verstanden werden, dass die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit einem Gültigkeitsdatum genüge, das den Zeitraum vor Ausstellung erfasse; der Beweiswert, der von dem Ausweis ausgehe, sei bei einer nachträglichen Vorlage derselbe. Eine solche Auslegung ermögliche eine möglichst weitgehende Verwirklichung der sozialen Rechte, wie dies § 2 Abs 2 SGB I fordere. Eine zeitliche Begrenzung, wann der Nachweis der Voraussetzungen durch den Ausweis zu erfolgen habe und dass dieser Nachweis nicht rückwirkend erbracht werden könne, sei den maßgebenden Normen nicht zu entnehmen. Ein enges Verständnis führe hingegen zu einem praktischen Rechtsverlust für die Zeiten, in denen die Gehbehinderung bereits vorgelegen und damit auch ein erhöhter Bedarf bestanden habe. Dies verstoße gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) und den substantiellen Anspruch auf eine tatsächliche wirksame gerichtliche Kontrolle. Die Effektivität des Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) sei ungenügend; der Betroffene erleide durch die Fehleinschätzung der Behörde nicht hinnehmbare finanzielle Nachteile. Der Verweis auf die Möglichkeit eines Amtshaftungsanspruchs stelle insoweit keinen adäquaten Ersatz dar. Der Anspruch auf den Mehrbedarf für den streitbefangenen Zeitraum ergebe sich (hilfsweise) aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, weil nur durch das Verschulden der Versorgungsverwaltung eine Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt gewesen sei.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 22.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2007 aufzuheben und ihm unter Abänderung entgegenstehender Bescheide für die Zeit von Februar 2004 bis September 2006 einen monatlichen Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zu zahlen bzw den Regelsatz zu erhöhen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat zwar zu Recht entschieden, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf einen pauschalierten Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII hat; ob der Kläger allerdings einen Mehrbedarf hatte, der eine vom Regelsatz abweichende Festlegung und im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) rückwirkend zu erbringende Leistungen rechtfertigt, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht entscheiden.

10

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 22.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2007 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Zahlung eines behinderungsbedingten Mehraufwands für den streitbefangenen Zeitraum abgelehnt hat. Dabei hat der Senat entgegen der Auffassung des LSG nicht allein darüber zu befinden, ob dem Kläger ein Mehrbedarf wegen rückwirkender Änderung der Verhältnisse ab Februar 2004 nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zusteht; ist der pauschalierte Mehrbedarf nachträglich nicht zu erbringen, ist auch darüber zu entscheiden, ob ein (konkret) bestehender behinderungsbedingter Mehrbedarf, der durch den Kläger tatsächlich gedeckt wurde, im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X nachträglich zu erbringen ist, weil die Beklagte zu Unrecht höhere Leistungen vorenthalten hat.

11

Zwar ist der pauschalierte Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII ein abtrennbarer Streitgegenstand, mit der Möglichkeit, die Klage entsprechend zu beschränken(vgl nur Coseriu in juris Praxiskommentar SGB XII, § 19 SGB XII RdNr 76.2 mwN zur Rechtsprechung); nach dem sog Meistbegünstigungsgrundsatz (vgl hierzu nur: BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 22; Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21 ff mwN zur Rechtsprechung) muss aber davon ausgegangen werden, dass die Klage insoweit gerade nicht beschränkt worden ist, sondern ein "Mehrbedarf" für die Vergangenheit unabhängig von der jeweiligen Anspruchsgrundlage geltend gemacht wurde. Bestätigt wird dies durch das Schreiben an die Beklagte vom 26.10.2006 mit dem Antrag, die zustehenden "zusätzlichen Leistungen seit Februar 2004" zu bewilligen, sowie durch den Klagantrag, mit dem die Zahlung eines Mehrbedarfs für die Vergangenheit verlangt worden ist. Im Streit sind somit insgesamt höhere Leistungen.

12

Unabhängig davon, ob sich die Begründetheit der Klage an § 48 SGB X oder an § 44 SGB X bzw (für die Zeit bis 31.12.2004) an den Vorschriften des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (NVwVfG) iVm dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG) misst, ist die richtige Klageart die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4, § 56 SGG. In beiden Fällen ist neben der Aufhebung der streitgegenständlichen (ablehnenden) Bescheide die Behörde zu verpflichten, die (einer nachträglichen Leistung) entgegenstehenden Bescheide (im Urteil des LSG sind nicht alle bezeichnet) aufzuheben, und zur Leistung zu verurteilen (BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1 S 2; BSGE 104, 213 ff RdNr 9 mwN = SozR 4-1300 § 44 Nr 20).

13

Mangels in Niedersachsen angeordneten Behördenprinzips (vgl § 70 Nr 3 SGG) richtet sich die Klage gemäß § 70 Nr 1 SGG gegen die Region Hannover. Hieran ändert nichts, dass die Stadt Hannover den angegriffenen Bescheid erlassen hat. Nach § 8 Abs 1 Satz 1 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum SGB XII (AG SGB XII) vom 16.12.2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt 644) kann die Region Hannover zwar zur Durchführung der ihr als örtlichem Sozialhilfeträger obliegenden Aufgabe durch Satzung oder öffentlich-rechtlichen Vertrag regionsangehörige Gemeinden heranziehen, und von dieser Möglichkeit hat sie auch Gebrauch gemacht (§ 1 der Satzung über die Heranziehung von regionsangehörigen Städten und Gemeinden zur Durchführung der von der Region Hannover als örtlichem Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben nach dem SGB XII vom 14.12.2004 in der Fassung vom 7.3.2006 - Gemeinsames Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover Nr 14 vom 6.4.2006); jedoch handelt die herangezogene kommunale Körperschaft gemäß § 9 Abs 4 AG SGB XII (nur) im Namen des örtlichen Trägers der Sozialhilfe, der damit der richtige Beteiligte bleibt(vgl hierzu Senatsurteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 1/10 R - RdNr 13 mwN).

14

Die Beklagte war der für die Entscheidung örtlich und sachlich zuständige Träger der Sozialhilfe nach § 3 Abs 2, § 97 Abs 1, § 98 Abs 1 SGB XII in Verbindung mit § 1 Satz 1 und § 6 Abs 1 AG SGB XII (und § 44 Abs 3 SGB X). Sie ist Gesamtrechtsnachfolgerin des Landkreises Hannover und nimmt dessen Aufgaben wahr (§§ 2, 3 Abs 3 Gesetz über die Region Hannover vom 5.6.2001 - GVBl 348). Die Heranziehung der Stadt Hannover nach § 99 Abs 1 SGB XII in Verbindung mit § 8 Abs 1 AG SGB XII verändert nicht die Zuständigkeit(§ 9 Abs 4 AG SGB XII). Der Senat ist nicht gehindert, die dem Grunde nach nicht revisiblen (§ 162 SGG) landesrechtlichen Vorschriften anzuwenden und auszulegen, weil das LSG diese Vorschriften bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hat (BSGE 102, 10 ff RdNr 28 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2; Senatsurteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 1/10 R - juris RdNr 14).

15

Materiellrechtlich misst sich die Begründetheit der Revision an § 44 Abs 1 SGB X. § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X findet - unabhängig von der Frage nach seiner Geltung im Rahmen des GSiG - keine Anwendung. Danach soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei einer Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorlagen, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Eine Änderung der Verhältnisse ist frühestens für die Zeit ab Oktober 2006 anzunehmen, weil der Kläger erst ab diesem Zeitpunkt im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" war und deshalb auch erst ab Oktober 2006 die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zu bejahen sind, sodass ohne Bedeutung ist, ob § 48 SGB X im Rahmen des GSiG Anwendung findet, bzw welche Regelung bei Änderung der Verhältnisse anzuwenden wäre.

16

Nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG umfasste die bedarfsorientierte Grundsicherung einen Mehrbedarf von 20 vH des für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes nach dem Zweiten Abschnitt des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) bei Besitz eines Ausweises nach § 4 Abs 5 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) mit dem Merkzeichen "G". Eine entsprechende Regelung sieht für die Zeit ab 1.1.2005 § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) vor. Danach wird ein Mehrbedarf von 17 vH des maßgebenden Regelsatzes für Personen anerkannt, die unter 65 Jahre und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) sind und einen Ausweis nach § 69 Abs 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) mit dem Merkzeichen G besitzen, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Der Kläger war - unabhängig von den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem GSiG bzw SGB XII - in dem streitbefangenen Zeitraum jedenfalls nicht im Besitz eines solchen Ausweises.

17

Diese Regelungen sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht dahin auszulegen, dass die im Oktober 2006 eingetretene Änderung der Verhältnisse auf den Zeitpunkt der Anerkennung des Nachteilsausgleichs "G" - hier also auf die Zeit ab Februar 2004 - zurückwirkt. Zwar können spätere Änderungen der Sach- und Rechtslage sogar bis auf den Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Dauerverwaltungsaktes zurückwirken, also die Sach- oder Rechtslage ex tunc ändern (vgl BSG SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 17 mwN); maßgebend hierfür ist aber eine rückwirkende Umgestaltung der Rechtslage, deretwegen der Verwaltungsakt (auch für den zurückliegenden Zeitraum) nicht mehr oder nicht mehr so erlassen werden dürfte.

18

§ 3 Abs 1 Nr 4 GSiG stellte allerdings ebenso wie § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII nicht lediglich auf die Feststellungswirkung des Nachteilsausgleichs "G" oder das Vorliegen seiner Voraussetzungen ab. Zu den im Gesetz bestimmten Voraussetzungen gehört nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Vorschriften vielmehr der "Besitz" (Simon in jurisPK-SGB XII, § 30 SGB XII RdNr 44; W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl 2002, § 23 RdNr 13). Der Senat hat deshalb bereits entschieden, dass der Mehrbedarf des § 30 Abs 1 Nr 1 SGB XII tatbestandlich mit der Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises und der Zuerkennung des Merkzeichens "G" verbunden ist(BSGE 104, 200 ff RdNr 14 = SozR 4-3500 § 30 Nr 1); allein der Zeitpunkt der Feststellungswirkung des Merkzeichens "G" ist zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen also nicht ausreichend. Anders als die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" selbst, die für die Zeit ab Februar 2004 Wirkung entfaltet, wird der "Besitz" nicht rückwirkend eingeräumt. Die Anspruchsvoraussetzungen für den pauschalierten Mehrbedarf können deshalb nicht vor Oktober 2006 eintreten. Zu Recht verweist das LSG in diesem Zusammenhang auf § 40 Abs 1 SGB I, wonach Ansprüche auf Sozialleistungen erst mit Vorliegen der im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen entstehen; im Umkehrschluss bedeutet dies, dass vor dieser Zeit kein Anspruch nach den bezeichneten Vorschriften besteht.

19

Auch Sinn und Zweck der Regelungen rechtfertigen keine erweiternde Auslegung in dem von dem Kläger gewünschten Sinn. Der jetzigen Regelung über den pauschalierten Mehrbedarf war die Regelung des § 23 Abs 1 BSHG(vom 30.6.1961 - BGBl I 815) vorausgegangen, die den Mehrbedarfszuschlag zunächst nicht an eine bestimmte Behinderung, sondern typisierend nur an Alter und geminderte Erwerbsfähigkeit knüpfte (BSG, aaO, RdNr 15). Die zusätzliche Koppelung des Anspruchs auf einen pauschalierten Mehrbedarf an den Besitz eines Ausweises nach § 4 Abs 5 SchwbG mit dem Merkzeichen "G" erfolgte durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23.7.1996 (BGBl I 1088), weil wegen veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen nicht mehr allgemeine Bedarfslagen im Zusammenhang mit Alter und Erwerbsminderung erfasst werden sollten, sondern nur die Fälle, bei denen neben Alter und Erwerbsunfähigkeit auch mittelbar oder unmittelbar mit dem eingeschränkten Gehvermögen zusammenhängende Bedarfe vorhanden waren, die zur Vermeidung einer verwaltungsaufwändigen Prüfung der konkret mit den gesundheitlichen Einschränkungen verbundenen Bedarfe pauschaliert abgedeckt werden sollten (BSG, aaO, RdNr 17 unter Hinweis auf eine Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks 13/5067, S 2 f).

20

Soweit der Gesetzgeber die Anspruchsvoraussetzungen dabei nicht allein an das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" knüpfte, sondern an den Besitz eines entsprechenden Ausweises, diente dies, wie sich auch aus der Änderung der Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2670) zeigt, Nachweiszwecken und damit der Verwaltungspraktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung. Den Sozialhilfeträgern sollte - jedenfalls für die Gewährung eines typisierten, pauschalierten Mehrbedarfs - nicht aufgebürdet werden, eigene Ermittlungen zur Feststellung einer erheblichen Einschränkung der Gehfähigkeit zu prüfen. Anders etwa als bei der Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung, die in eigener Zuständigkeit zu prüfen ist - ggf nach einem entsprechenden Ersuchen nach § 109a Abs 2 SGB VI und der Bindung des ersuchenden Sozialhilfeträgers an die Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung(vgl § 45 Abs 1 SGB XII) - hat der Gesetzgeber hier auf eine vergleichbare Regelung verzichtet. Ebenso hat er von einer (bloßen) Bindung an die Entscheidung des Versorgungsamtes - wie etwa bei der Hilfe zur Pflege in § 62 SGB XII (Bindung an die Entscheidung der Pflegekasse) - abgesehen.

21

Das gesetzgeberische Anliegen ist nachvollziehbar. Der Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen beginnen grundsätzlich mit dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, und dementsprechend ist nach § 6 Abs 1 Nr 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV)als Beginn der Gültigkeit des Ausweises in der Regel der Tag des Eingangs des Antrags auf eine entsprechende Feststellung vorgesehen. Wollte man auch bei dem typisierten Mehrbedarf nach dem GSiG bzw SGB XII auf den Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen abstellen, führte dies bei vorangegangenem Leistungsbezug in jedem Falle zu einer rückwirkenden Leistung pauschalierter Mehrbedarfe für die Vergangenheit. Dies widerspräche nicht nur den Grundsätzen der Verwaltungspraktikabilität, sondern auch der Absicht des Gesetzgebers, weil andernfalls eine Korrektur praktisch in allen Fällen, in denen ein Antrag nach dem SGB IX (früher SchwbG) gestellt wird bzw dem GSiG gestellt worden war, im Gesetz bereits angelegt wäre.

22

Dass der Gesetzgeber von einem solchen Verständnis der Norm ausgegangen ist, zeigt insbesondere die spätere Gesetzesentwicklung. Durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2670) wurde in § 30 Abs 1 SGB XII mit Wirkung vom 7.12.2006 die Angabe "einen Ausweis nach § 69 Abs 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen G besitzen" durch die Angabe "durch einen Bescheid der nach § 69 Abs 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen" ersetzt. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass der Mehrbedarf ohne die Gesetzesänderung erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden könne (BT-Drucks 16/2711, S 11 zu Nr 8). Ob die vom Senat vorgenommene Auslegung nach der Änderung des § 30 Abs 1 SGB XII auch für die Zeit ab 7.12.2006 gilt, bedarf hier keiner Entscheidung (verneinend: Simon in jurisPK-SGB XII, § 30 SGB XII RdNr 44; Münder in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII, 8. Aufl 2008, § 30 SGB XII RdNr 6; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 30 SGB XII RdNr 11; bejahend: Coseriu in Kommentar zum Sozialrecht , 2. Aufl 2011, § 30 SGB XII RdNr 3; nicht ganz eindeutig: Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 30 SGB XII RdNr 4, Stand Januar 2008).

23

Das in § 2 Abs 2 Halbsatz 2 SGB I enthaltene Gebot, bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuches sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die ihrer dogmatischen Natur und ihrem Inhalt nach umstrittene Vorschrift (vgl nur: Bürck, SGb 1984, 7 ff; ders, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 139 ff; Eichenhofer, SGb 2011, 301 ff und 511 ff) besagt allerdings nicht mehr, als dass Auslegungsspielräume bei den einzelnen Anspruchsgrundlagen, die die in §§ 3 bis 10 SGB I genannten sozialen Rechte umsetzen sollen - §§ 3 bis 10 SGB I bilden, wie aus § 2 Abs 1 Satz 2 SGB I folgt, selbst keine Anspruchsgrundlagen -, mit dem normativen Gehalt des jeweils betroffenen sozialen Rechts gefüllt und dadurch möglichst weitgehend zur Geltung gebracht werden sollen(BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 9 S 34 f). Die Vorschrift ist aber keine Korrekturvorschrift, die es erlauben würde, einen entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers zu überspielen (Voelzke in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 2 RdNr 25). Selbst wenn danach ein Auslegungs- oder Entscheidungsresultat anzustreben ist, das die sozialen Rechte zur Geltung bringt und optimiert (vgl Eichenhofer, SGb 2011, 301, 302; Voelzke, aaO, § 2 RdNr 24), setzt eine Konkretisierung der maßgeblichen Normen voraus, dass das bei der Auslegung nach den anerkannten Methoden (Wortlaut, Teleologie, Entstehungsgeschichte und Systematik) zu berücksichtigende Optimierungsgebot einen entsprechenden Interpretationsspielraum zulässt. Dies ist aber gerade nicht der Fall.

24

Die auf die Tatbestandswirkung des Besitzes abstellende gesetzliche Regelung ist nicht verfassungswidrig. Insbesondere verstößt sie nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG). Art 3 Abs 1 GG ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; BVerfGE 117, 272, 300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 70; BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 84, 348, 359 mwN; 110, 412, 436). Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfGE 21, 12, 26; 23, 242, 252). Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen (BVerfGE 17, 319, 330; 53, 313, 329; 67, 70, 85 f). Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt insoweit eine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (vgl BVerfGE 75, 108, 157 = SozR 5425 § 1 Nr 1 S 11). Das Bundesverfassungsgericht legt je nach dem Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlichen Prüfungsmaßstab an (vgl zusammenfassend: BVerfGE 88, 87, 96 f; 105, 73, 110 f = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176 S 173).

25

Legt man diese Maßstäbe zugrunde, so besteht nur zwischen der Personengruppe, die im Besitz eines Ausweises ist, und der Personengruppe ohne einen entsprechenden Ausweis ein Unterschied. Innerhalb der Personengruppen werden hingegen alle Betroffenen gleich behandelt. Die Dauer bis zur Erteilung eines Schwerbehindertenausweises mag zwar unterschiedlich sein, hieran knüpft der Gesetzgeber aber nicht die von ihm gewählten Rechtsfolgen. Eine vermeintliche Ungleichbehandlung erfolgt allenfalls durch die Verwaltungspraxis, sie ist aber nicht schon in der Norm angelegt, die ohne Unterschied den Besitz des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" fordert.

26

Soweit es die unterschiedliche Behandlung von Schwerbehinderten mit und ohne Schwerbehindertenausweis betrifft, hat der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nach oben Gesagtem eingehalten. Der der Regelung innewohnende Nachweiszweck mag es zwar auch zulassen, auf einen früheren Zeitpunkt als den des Besitzes des Schwerbehindertenausweises abzustellen; verfassungsrechtlich geboten war dies jedoch nicht. Der Gesetzgeber war auch nicht verfassungsrechtlich gehalten, eine rückwirkende Bewilligung eines pauschalierten Mehrbedarfs vorzusehen, zumal eine solche Leistung dem Zweck der Sozialhilfe widerspräche. Im Bereich der Sozialhilfe ist insoweit zu berücksichtigen, dass sie grundsätzlich nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dient (sog Gegenwärtigkeitsprinzip) und grundsätzlich nicht als nachträgliche (pauschale) Geldleistung ausgestaltet ist, sondern an einen aktuellen Hilfebedarf anknüpft (BSGE 104, 213 ff RdNr 13 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20 mwN). Zwar hat der Senat im Rahmen seiner Entscheidung zu § 44 SGB X ausgeführt(BSG aaO), dass ggf auch pauschalierte Leistungen bei fortdauernder Bedürftigkeit nachzuzahlen sind; diese Rechtsprechung ist allerdings im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Vorenthaltung von Leistungen zu sehen. Sie rechtfertigt nicht die Annahme, es sei generell verfassungsrechtlich geboten, unabhängig von einem konkreten Bedarf rückwirkend typisierte, pauschalierte Leistungen zu erbringen.

27

Die gesetzliche Regelung ist auch nicht unverhältnismäßig und verstößt deshalb nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Sie macht zwar den Anspruch auf den pauschalierten Mehrbedarf wegen der Tatbestandswirkung der anderweitig zu treffenden Entscheidung auch von Zufälligkeiten im Verfahrensablauf abhängig. Es ist aber nicht ungewöhnlich, dass ein Sozialleistungsanspruch von einer anderen Entscheidung abhängt. Die Rechtsprechung hat dies unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Beteiligten, eine solche Entscheidung zu verzögern, im Grundsatz als verfassungsgemäß angesehen (vgl zB zur Rentenerhöhung erst nach Rechtskraft des Versorgungsausgleichs BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1; zum Besitz einer Aufenthaltserlaubnis als Voraussetzung für Leistungen nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz BSGE 70, 197 ff = SozR 3-7833 § 1 Nr 7).

28

Der Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Verzögerung kann ausreichend begegnet werden. Bis zum formalen Feststellungsakt durch das Versorgungsamt (bzw früher bis zur Ausstellung eines entsprechenden Ausweises) ist den Betroffenen bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" nämlich nur die Möglichkeit genommen, einen behinderungsbedingten Mehrbedarf pauschal (also ohne Nachweis) geltend zu machen; soweit die Voraussetzungen des § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG bzw des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII vorliegen, hat er gleichwohl generell einen Anspruch auf Ausgleich eines abweichenden Bedarfs(Münder in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 30 SGB XII RdNr 8; Coseriu in KSW, 2. Aufl 2011, § 30 SGB XII RdNr 3; ähnlich auch Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 30 SGB XII RdNr 19), weil sein Existenzminimum aus verfassungsrechtlichen Gründen gesichert werden muss; ein unabweisbarer, laufender besonderer Bedarf kann dem Hilfebedürftigen nicht vorenthalten werden (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12).

29

§ 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII ist im Rahmen der Grundsicherung der §§ 41 ff SGB XII anzuwenden; denn § 42 SGB XII verweist durch die Bezugnahme auf § 28 SGB XII auf dessen gesamtes Leistungsspektrum(Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, aaO, § 42 SGB XII RdNr 2), wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 99, 252 ff RdNr 20 f = SozR 4-3500 § 28 Nr 3 mwN). Höhere Leistungen als der Regelsatz können aber auch im Rahmen der Leistungen nach dem GSiG erbracht werden. Nach § 3 Abs 1 Nr 1 GSiG wird zwar zur Bemessung der Grundsicherungsleistung nach dem GSiG allein auf den Regelsatz des § 22 Abs 1 Satz 1 BSHG abgestellt, weil der Gesetzgeber den Bedarf unabhängig von individuellen Bedürfnissen pauschaliert und unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung eine nur beschränkt individuelle Bedarfsermittlung vorgesehen hat (BT-Drucks 14/5150, S 49). Allerdings muss die Sozialhilfe als gegenüber Leistungen nach dem GSiG nachrangige Leistung (BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1; vgl heute § 19 Abs 2 Satz 2 SGB XII) den nach den Vorschriften des GSiG ermittelten Lebensunterhalt aufstocken, soweit das BSHG den nach den Besonderheiten des Einzelfalls bemessenen Lebensunterhalt in größerem Umfang deckt (Schoch in LPK-GSiG, § 3 RdNr 11; zum SGB XII BSG, Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R -, sowie Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 19 SGB XII RdNr 43 ff; zu der im GSiG nicht vorgesehenen Übergangsregelung des § 23 Abs 1 Satz 2 BSHG BSG SozR 4-3500 § 30 Nr 2 RdNr 18). Das GSiG beabsichtigte keine Bedarfsdeckung für jeden individuellen Einzelfall, sondern eine eigenständige Sozialleistung, die eine Inanspruchnahme von Sozialhilfe typischerweise entbehrlich machen sollte. Demzufolge konnte und musste ein atypischer Mehrbedarf mittels der Hilfe zum Lebensunterhalt abgedeckt werden (Fichtner/Wenzel, BSHG, 2. Aufl 2003, RdNr 4 f Vor GSiG).

30

Vor diesem Hintergrund scheidet ein Verstoß gegen Art 19 Abs 4 GG aus. Zwar garantiert das Verfahrensgrundrecht des Art 19 Abs 4 GG nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes (BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 29 mwN); dies erfordert, dass irreparable Entscheidungen soweit wie möglich ausgeschlossen werden (BSG, aaO, mwN). Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass es der Betroffene selbst in der Hand hat, durch Substantiierung eines Mehrbedarfs über § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII bzw § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG drohende Nachteile zu verhindern. Bei einer ablehnenden Entscheidung durch den Sozialhilfeträger steht ihm darüber hinaus der Weg über den einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs 2 SGG zur Seite. Selbst bei Bestandskraft eines einen individuellen Mehrbedarf ablehnenden Bescheids steht dem Betroffenen der Weg über § 44 SGB X(dazu unten) offen.

31

Da eine etwaige Verzögerung in dem Anerkennungsverfahren nach dem SGB IX nicht dem Beklagten zuzurechnen ist, kann ein etwa eingetretener Rechtsnachteil auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ausgeglichen werden. Nach Sinn und Zweck des § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII muss sich der Beklagte ein etwaiges Fehlverhalten des Versorgungsamtes im Rahmen eines Herstellungsanspruches nicht zurechnen lassen, weil das Versorgungsamt nicht in das Sozialleistungsverfahren nach dem SGB XII funktional einbezogen ist(vgl dazu BSGE 71, 217 f mwN = SozR 3-1200 § 14 Nr 8 S 19). Insoweit verbleibt ggf der Amtshaftungsanspruch nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch iVm Art 34 GG, der sich allerdings nicht gegen den Sozialhilfeträger selbst richtet.

32

Vorliegend verbleibt eine Prüfung des geltend gemachten Anspruchs in Anwendung des § 44 Abs 1 SGB X. Ob für das GSiG § 44 SGB X - was nahe liegt - Anwendung findet oder ob insoweit auf § 48 Abs 1 Satz 1 VwVfG iVm § 1 NVwVfG zu rekurrieren ist(offen gelassen BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15 RdNr 14 ff), der die Rücknahme bestandskräftiger Verwaltungsakte und damit die nachträgliche Zahlung von Leistungen grundsätzlich ins Ermessen der Beklagten stellt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, weil die Beklagte Leistungen bis 31.12.2004 (zunächst) nach dem BSHG gewährt hat und erst durch Bescheid vom 23.5.2005 (im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X) Leistungen nach dem GSiG unter Berücksichtigung bereits nach dem BSHG erbrachter Leistungen bewilligt hat. Mit diesem Bescheid hat sie die früheren Sozialhilfebescheide ersetzt und gleichzeitig, ohne dass dies einer ausdrücklichen Verfügung bedurft hätte, zusätzliche Sozialhilfeleistungen abgelehnt. Das Verfahren nach § 44 SGB X, mit dem höhere Leistungen begehrt werden, betrifft mithin Leistungen des BSHG, für das der Senat die Anwendung des § 44 SGB X bereits angenommen hat(BSG, aaO, RdNr 19).

33

Nach § 44 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ob dies der Fall ist, vermag der Senat angesichts fehlender Feststellungen des LSG zu den Anspruchsvoraussetzungen allgemein und zur Höhe des Anspruchs, insbesondere zu einem etwa bestehenden Mehrbedarf nicht zu beurteilen. Entsprechende Feststellungen wird das LSG nachzuholen und dabei zu berücksichtigen haben, dass es insoweit nicht auf eine Kenntnis des Sozialhilfeträgers bezüglich des Mehrbedarfs, der ergänzende bzw höhere Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG bzw § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII zulässt, ankommt. Die für die Erbringung von Leistungen notwendige Kenntnis (§ 5 BSHG; § 18 SGB XII) wird schon durch die der Beklagten bekannte Hilfebedürftigkeit vermittelt (vgl BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1). § 18 SGB XII bzw § 5 BSHG sollen zum Schutz des Hilfebedürftigen einen niedrigschwelligen Zugang zum Sozialhilfesystem sicherstellen, sodass es für die Annahme einer Kenntnis ausreichend ist, dass die Notwendigkeit der Hilfe dargetan oder sonst erkennbar ist(BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 23). Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, dass dem Kläger zu Unrecht Leistungen vorenthalten wurden, wird es die von dem Senat in seinem Urteil vom 29.9.2009 (BSGE 104, 213 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20) aufgestellten Grundsätze beachten müssen.

34

Für den Zeitraum von Januar bis Mai 2005, in dem der Kläger Leistungen nach dem SGB II bezogen hat, wird das LSG zu prüfen haben, ob er (der Kläger) als Erwerbsfähiger oder als Angehöriger dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II war. Dann scheiden nach § 21 SGB XII Leistungen der Beklagten für die Vergangenheit auch in Anwendung des § 44 SGB X für den genannten Zeitraum aus. War der Kläger aber auf nicht absehbare Zeit nicht in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 SGB II), und sind ihm deshalb (bei Vorliegen der übrigen Leistungsvoraussetzungen) statt der Leistungen nach dem SGB XII zu Unrecht (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II)Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden, ist dem Bewilligungsbescheid vom 23.5.2005 gleichzeitig die konkludente Ablehnung von Leistungen (auch eines Mehrbedarfs) für die Zeit vom 1.1. bis 31.5.2005 zu entnehmen, die einer Korrektur nach § 44 Abs 1 SGB X zugänglich ist.

35

Das LSG wird schließlich auch prüfen müssen, ob wegen einer etwaigen Nichtbeteiligung sozial erfahrener Personen im Widerspruchsverfahren (§ 116 Abs 2 SGB XII) ein von Amts wegen zu berücksichtigender Mangel des Vorverfahrens vorliegt (dazu BSGE 106, 62 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6), und ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

(1) Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen.

(2) Bei Ermessensleistungen ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung über die Leistung bekanntgegeben wird, es sei denn, daß in der Entscheidung ein anderer Zeitpunkt bestimmt ist.

(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Liegen die Ergebnisse einer bundesweiten neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vor, wird die Höhe der Regelbedarfe in einem Bundesgesetz neu ermittelt.

(2) Bei der Ermittlung der bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen nach § 27a Absatz 2 sind Stand und Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen. Grundlage hierfür sind die durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe nachgewiesenen tatsächlichen Verbrauchsausgaben unterer Einkommensgruppen.

(3) Für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen beauftragt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Statistische Bundesamt mit Sonderauswertungen, die auf der Grundlage einer neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vorzunehmen sind. Sonderauswertungen zu den Verbrauchsausgaben von Haushalten unterer Einkommensgruppen sind zumindest für Haushalte (Referenzhaushalte) vorzunehmen, in denen nur eine erwachsene Person lebt (Einpersonenhaushalte), sowie für Haushalte, in denen Paare mit einem Kind leben (Familienhaushalte). Dabei ist festzulegen, welche Haushalte, die Leistungen nach diesem Buch und dem Zweiten Buch beziehen, nicht als Referenzhaushalte zu berücksichtigen sind. Für die Bestimmung des Anteils der Referenzhaushalte an den jeweiligen Haushalten der Sonderauswertungen ist ein für statistische Zwecke hinreichend großer Stichprobenumfang zu gewährleisten.

(4) Die in Sonderauswertungen nach Absatz 3 ausgewiesenen Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte sind für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen als regelbedarfsrelevant zu berücksichtigen, soweit sie zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind und eine einfache Lebensweise ermöglichen, wie sie einkommensschwache Haushalte aufweisen, die ihren Lebensunterhalt nicht ausschließlich aus Leistungen nach diesem oder dem Zweiten Buch bestreiten. Nicht als regelbedarfsrelevant zu berücksichtigen sind Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte, wenn sie bei Leistungsberechtigten nach diesem Buch oder dem Zweiten Buch

1.
durch bundes- oder landesgesetzliche Leistungsansprüche, die der Finanzierung einzelner Verbrauchspositionen der Sonderauswertungen dienen, abgedeckt sind und diese Leistungsansprüche kein anrechenbares Einkommen nach § 82 oder § 11 des Zweiten Buches darstellen oder
2.
nicht anfallen, weil bundesweit in einheitlicher Höhe Vergünstigungen gelten.

(5) Die Summen der sich nach Absatz 4 ergebenden regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte sind Grundlage für die Prüfung der Regelbedarfsstufen, insbesondere für die Altersabgrenzungen bei Kindern und Jugendlichen. Die nach Satz 1 für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen zugrunde zu legenden Summen der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben aus den Sonderauswertungen sind jeweils mit der sich nach § 28a Absatz 2 ergebenden Veränderungsrate entsprechend fortzuschreiben. Die sich durch die Fortschreibung nach Satz 2 ergebenden Summenbeträge sind jeweils bis unter 0,50 Euro abzurunden sowie von 0,50 Euro an aufzurunden und ergeben die Regelbedarfsstufen (Anlage).

(1) Der für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile, persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie Unterkunft und Heizung. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft; dies gilt in besonderem Maß für Kinder und Jugendliche. Für Schülerinnen und Schüler umfasst der notwendige Lebensunterhalt auch die erforderlichen Hilfen für den Schulbesuch.

(2) Der gesamte notwendige Lebensunterhalt nach Absatz 1 mit Ausnahme der Bedarfe nach dem Zweiten bis Vierten Abschnitt ergibt den monatlichen Regelbedarf. Dieser ist in Regelbedarfsstufen unterteilt; für Abgrenzung und Höhe der Regelbedarfsstufen sind zu berücksichtigen:

1.
bei Kindern und Jugendlichen altersbedingte Unterschiede,
2.
bei Erwachsenen die Art der Unterkunft, in der sie leben, und zusätzlich bei in Wohnungen oder sonstigen Unterkünften nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 3 lebenden Erwachsenen, ob sie in einer Paarbeziehung oder ohne Paarbeziehung zusammenleben.

(3) Für Leistungsberechtigte nach diesem Kapitel sind zur Deckung der Regelbedarfe, die sich nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 ergeben, monatliche Regelsätze als Bedarf anzuerkennen; dies gilt nicht für Leistungsberechtigte, deren notwendiger Lebensunterhalt sich nach § 27b bestimmt. Der Regelsatz stellt einen monatlichen Pauschalbetrag zur Bestreitung des Regelbedarfs dar, über dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen. Besteht die Leistungsberechtigung für weniger als einen Monat, ist der Regelsatz anteilig als Bedarf anzuerkennen. Zur Deckung der Regelbedarfe von Personen, die in einer sonstigen Unterkunft oder vorübergehend nicht in einer Unterkunft untergebracht sind, sind als Bedarfe monatliche Regelsätze anzuerkennen, die sich in entsprechender Anwendung der Regelbedarfsstufen nach der Anlage zu § 28 ergeben.

(4) Im Einzelfall wird der Regelsatz abweichend von der maßgebenden Regelbedarfsstufe festgesetzt (abweichende Regelsatzfestsetzung), wenn ein durch die Regelbedarfe abgedeckter Bedarf nicht nur einmalig, sondern für eine Dauer von voraussichtlich mehr als einem Monat

1.
nachweisbar vollständig oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder
2.
unausweichlich in mehr als geringem Umfang oberhalb durchschnittlicher Bedarfe liegt, wie sie sich nach den bei der Ermittlung der Regelbedarfe zugrundeliegenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben ergeben, und die dadurch bedingten Mehraufwendungen begründbar nicht anderweitig ausgeglichen werden können.
Bei einer abweichenden Regelsatzfestsetzung nach Satz 1 Nummer 1 sind für die monatlich ersparten Verbrauchsausgaben die sich nach § 5 Absatz 1 oder nach § 6 Absatz 1 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes für die jeweilige Abteilung ergebenden Beträge zugrunde zu legen. Beschränkt sich die anderweitige Bedarfsdeckung auf einzelne in die regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben je Abteilung eingegangenen Verbrauchspositionen, sind die regelbedarfsrelevanten Beträge zugrunde zu legen, auf denen die in § 5 Absatz 1 und § 6 Absatz 1 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes genannten Beträge für die einzelnen Abteilungen beruhen. Für Leistungsberechtigte, denen Bedarfe nach § 34 Absatz 4 Satz 1 und Absatz 6 Satz 1 anzuerkennen sind, ist Satz 1 Nummer 1 nicht anwendbar. Für Leistungsberechtigte, die in einer Unterkunft nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 leben und denen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 42a Absatz 5 und 6 anzuerkennen sind, ist Satz 1 Nummer 1 nicht anwendbar für Bedarfe, die durch einen Vertrag über die Überlassung von Wohnraum nach § 42a Absatz 5 Satz 6 Nummer 1, 3 und 4 gedeckt werden. Für Leistungsberechtigte, denen ein Mehrbedarf nach § 42b Absatz 2 anzuerkennen ist, ist Satz 1 für die dadurch abgedeckten Aufwendungen nicht anwendbar.

(5) Sind minderjährige Leistungsberechtigte in einer anderen Familie, insbesondere in einer Pflegefamilie, oder bei anderen Personen als bei ihren Eltern oder einem Elternteil untergebracht, so wird in der Regel der individuelle Bedarf abweichend von den Regelsätzen in Höhe der tatsächlichen Kosten der Unterbringung festgesetzt, sofern die Kosten einen angemessenen Umfang nicht übersteigen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.