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| Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 SGG), ist begründet. Das Sozialgericht hätte der zulässigen Klage stattgeben müssen, denn sie ist begründet. |
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| Soweit es sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. |
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| Die Beklagte lehnte es zu Unrecht ab, den Bescheid vom 20. November 2002 nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückzunehmen, denn mit diesem wurde das Recht unrichtig angewandt. Der Vorfall vom 5. Juli 2002 stellt einen Arbeitsunfall dar. Dies ist auf die neben der Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage hin festzustellen, § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG (vgl. BSG SozR 4-2700 § 2 Nr. 2). |
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| Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Der Kläger war am Unfalltag als Beschäftigter (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) tätig. Er war nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherungsfrei, indem er aufgrund seiner vom Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Jagdgast jagte. |
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| Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind solche nach § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte und eigener Betriebsmittel, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (BSG, Urteil vom 19. August 2003 - B 2 U 38/02 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 1). |
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| Allein, dass der Kläger als Jagdaufseher behördlich bestätigt war, stellt ein deutliches Indiz für ein Beschäftigungsverhältnis dar. Jagdaufseher sind nach der Systematik des Jagdrechts Bedienstete des Jagdausübungsberechtigten (Lorz/Metzger/Stöckel, Jagdrecht/Fischereirecht, 3. Aufl. 1998, § 25 BJagdG Rn. 4; Mitzschke/Schäfer, Bundesjagdgesetz - BJagdG -, 4. Aufl. 1982, § 25 BJagdG Rn. 20; vgl. auch Art. 41 Abs. 1 Bayerisches Jagdgesetz: „Der Revierinhaber kann zum Schutz der Jagd volljährige, zuverlässige Personen als Jagdaufseher anstellen."; BSG, Urteil vom 30. April 1971 - 7/2 RU 268/68 - SozR Nr. 19 zu § 539 RVO: „.. dass er mangels persönlicher Abhängigkeit von den Jagdpächters - anders als z.B. Jagdgehilfen, Jagdaufseher, Jagdarbeiter oder bezahlte Treiber - in keinem abhängigen Dienst- oder Arbeitsverhältnis gestanden hat"). Sie übernehmen Aufgaben des Jagdausübungsberechtigten im Jagdbezirk neben oder an Stelle des Jagdausübungsberechtigten oder eines von ihm angestellten Berufsjägers. Im Einzelnen können ihre Aufgaben vielfältiger Art sein (vgl. etwa den Sachverhalt in LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. August 1996 - L 17 U 72/95 - AgrarR 1997, 443: die durch das Revier führenden Privatwege kontrollieren und unberechtigte Benutzer anzeigen, Hochsitze bauen, Pirschwege freifegen, Wildäcker und Wildabsperrzäune anlegen, Ablenkungsfütterung beschicken, im Winter die Fütterung vornehmen, eine Treibjagd abhalten). Sind sie bestätigte Jagdaufseher, so gehört zu ihren Aufgaben auch der Jagdschutz (vgl. §§ 23, 25 Abs. 1 Satz 1 Bundesjagdgesetz (BJagdG)). Zwar verlangen die jagdrechtlichen Regelungen nicht ausdrücklich ein Arbeits- oder sonstiges Beschäftigungsverhältnis zwischen dem bestätigten Jagdaufsehers und dem Jagdausübungsberechtigten. Sie setzen dieses aber sinngemäß voraus, denn der bestätigte Jagdaufseher kann den Jagdschutz in einem Jagdschutzbezirk nur im Einvernehmen mit dem Jagdausübungsberechtigten ausüben. So berechtigt auch § 10 Abs. 6 des (baden-württembergischen) Landesjagdgesetzes (LJagdG) angestellte Jäger und bestätigte Jagdaufseher „im Rahmen ihres Anstellungsvertrages" zur Jagdausübung innerhalb ihres Dienstbereiches. |
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| Dem gemäß wurde vom Kläger bei der Ausstellung seines Dienstausweis für den Jagdschutz im Jahr 1977 auch der Nachweis eines „Anstellungsverhältnisses" verlangt, wie aus dem von ihm im Berufungsverfahren vorgelegten Antragsformular ersichtlich ist. Der Jagdpächter F. Sch. erteilte diese Bestätigung auf dem Antragsformular auch. In dem dem Kläger ausgehändigten Merkblatt des Kreisjagdamtes des Enzkreises, ebenfalls im Berufungsverfahren vorgelegt, ist vermerkt, dass die Bestätigung als Jagdaufseher ihre Gültigkeit verliert, wenn das Anstellungsverhältnis erlischt. |
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| Zwar ist es denkbar, dass ein Jagdaufseher als solcher (noch) formal bestätigt ist, obwohl das zugrundeliegende Beschäftigungsverhältnis nie bestanden oder bereits beendet ist. Hierfür müssen aber konkrete Hinweis bestehen, die im hier zu entscheidenden Fall fehlen. Der Kläger hat im Erörterungstermin vom 2. März 2005 anschaulich seine Arbeiten als Jagdaufseher (Aufnehmen von Wildunfällen, Wildschadensbekämpfung, Einzäunen, Hochsitzbau, Anlegen von Pirschwegen, Fütterungen) geschildert. Dies entspricht den Angaben des Jagdpächters F. Sch. in seiner Zeugenaussage vom 29. Juli 2005. Für seine Dienste erhielt der Kläger wöchentlich 25 EUR, in bar oder gelegentlich in Naturalien. Außerdem war er berechtigt, zu jagen, was ebenfalls einen nicht unerheblichen geldwerten Vorteil darstellt, ohne dass ein persönliches Interesse an der Jagd („Jagdleidenschaft") dem Charakter einer abhängigen Stellung entgegensteht (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. August 1996, a.a.O.). Zwar kann der Kläger einen schriftlichen Anstellungsvertrag nicht vorweisen, obwohl er nach seinen Angaben im Erörterungstermin vorgelegen haben soll, was wiederum den Angaben des Jagdpächters F. Sch. widerspricht. Hierauf kommt es jedoch nicht an, denn ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht notwendig, um ein Beschäftigungsverhältnis annehmen zu können (Seewald in: Kasseler Kommentar, § 7 SGB IV Rn. 126). |
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| Unschädlich ist, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit - wie sich aus der Aussage des Zeugen Schuler ergibt - weitgehend selbstständig entschied, was und wann er Arbeiten im Jagdbezirk durchführt. Das Weisungsrecht kann (vornehmlich bei Diensten höherer Art) auch eingeschränkt und zur "funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG, Urteil vom 21. Februar 1990 - 12 RK 47/87 - SozR 3-2940 § 3 Nr. 1). Dies ist hier anzunehmen, denn die vom Kläger als Jagdaufseher übernommenen Aufgaben, die ansonsten vom Jagdpächter auszuführen gewesen wären, zeichnete sich gerade dadurch aus, dass für „Ordnung" im Jagdbezirk zu sorgen und dem gemäß selbstständig zu entscheiden war, was und wann konkret an Aufgaben erledigt werden musste. Im Übrigen hatte der Zeuge Schuler jederzeit die Möglichkeit, gegenüber dem Kläger konkrete Anordnungen über konkret zu verrichtende Tätigkeiten zu treffen. Dass er dieses Weisungsrecht tatsächlich nicht wahrnahm, liegt - auch dies folgt aus der Aussage des Zeugen - daran, dass der Kläger zu jeder Zeit wusste, was zu tun war. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das hier zum Unfall führende Schneiden von Schneisen auf eine Revierbesichtigung mit dem Zeugen Schuler zurückzuführen war, bei der ein schlechtes Sichtfeld festgestellt wurde. Insoweit ist sogar für die unfallbringende Tätigkeit von einer zumindest konkludenten Weisung (ggf. in Form einvernehmlicher Feststellung der Erforderlichkeit solcher Arbeiten) auszugehen. |
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| Allerdings sind nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII u. a. Personen von der Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 frei, die aufgrund einer vom Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Jagdgast jagen. Diese Vorschrift greift hier jedoch nicht ein. |
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| Zum einen bezieht sich diese Regelung ihrem eindeutigen Wortlaut nach nur auf die Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 5, nicht auf die hier vorliegende Versicherung nach Nr. 1. Dies galt auch nach dem früheren Recht, vgl. LSG NRW vom 28.08.1996, L 17 U 72/95 m.w.N. und BSG 11.11.2003, B 2 U 41/02 R = SozR 4-2700 § 4 Nr. 1, wenn dort gerade die Frage der Beschäftigung vorneweg und unabhängig von der Problematik Jagdgast geprüft wird. |
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| Zum anderen bestehen Zweifel, ob sich bestätigter Jagdaufseher und Jagdgast nicht bereits begrifflich ausschließen. Da bestätigte Jagdaufseher, wie bereits erwähnt, kraft Gesetzes jagdausübungsberechtigt sind (§ 10 Abs. 6 LJagdG), brauchen sie dieses Recht nicht als Jagdgast (§ 10 Abs. 1 Satz 1 LJagdG) zu erwerben. Dem bestätigten Jagdaufseher auch den Status als Jagdgast einzuräumen, wäre also für den Jagdausübungsberechtigten ohne Sinn; anderes gilt freilich für den nicht bestätigten Jagdaufseher (vgl. Lorz/Metzger/Stöckel, a.a.O., § 25 BJagdG Rn. 5; Mitzschke/Schäfer, a.a.O., § 25 BJagdG Rn. 30) und möglicherweise auch dann, wenn ein bestätigter Jagdaufseher gar nicht in dieser Eigenschaft, also als Beschäftigter tätig wird. |
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| Es kann deshalb offen bleiben, ob das Freischneiden der Schusslinie als Jagdausübung zu werten ist. Lediglich am Rande ist deshalb darauf hinzuweisen, dass an der vom Senat in dem von der Beklagten im Sozialgerichtsverfahren vorgelegten Urteil vom 27. März 2003 vertretenen Auffassung, die Mithilfe beim Bau von "Reviereinrichtungen" - im dort entschiedenen Fall eine Futterkrippe, auch auf die Errichtung eines Hochsitzes bezogen - sei als Hege und damit Jagdausübung anzusehen und deshalb dem Bereich des § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zugeordnet, im Lichte der Entscheidung des BSG vom 11. November 2003 - B 2 U 41/02 R - SozR 4-2700 § 4 Nr. 1 nicht mehr festgehalten werden kann. Zur Bestimmung dessen, was zur Jagdausübung gehört, ist von den einschlägigen Vorschriften des Jagdrechts auszugehen, weil es einen hiervon unterschiedlichen Begriff der Jagdausübung in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gibt. Die Jagdausübung erstreckt sich auf das Aufsuchen, Nachstellen, Erlegen und Fangen von Wild (§ 1 Abs. 4 BJagdG). Demgegenüber hat die Hege die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen zum Ziel (§ 1 Abs. 2 BJagdG). Zwischen Hege und Jagdausübung ist somit zu unterscheiden, wenngleich zur Hege auch das Jagen von Tieren gehören kann, z.B. um den Bestand bestimmter Tierarten zu verringern (BSG, Urteil vom 11. November 2003 a.a.O.). |
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| Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind. |
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