| |
| Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Stuttgart vom 11.12.2003 ist rechtmäßig und bleibt daher aufrechterhalten. |
|
| Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zulässig. Das Landgericht Stuttgart ist das sachlich und örtlich zuständige Gericht der Hauptsache im Sinne des § 937 Absatz 1 ZPO. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts folgt aus §§ 23 Nummer 1, 71 Absatz 1 GVG. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 32 ZPO in Verbindung mit 105 Absatz 1 Urhebergesetz in Verbindung mit 13 Absatz 1 der Verordnung des Justizministeriums Baden-Württemberg über die gerichtliche Zuständigkeiten vom 20.11.1998, da die streitgegenständlichen Hörbücher der Verfügungsbeklagten bestimmungsgemäß bundesweit über das Internet vertrieben werden. |
|
| Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist auch begründet. Die Verfügungsklägerin hat die Voraussetzungen des Verfügungsanspruchs und des Verfügungsgrundes glaubhaft gemacht gemäß §§ 936, 920 Absatz 2, 294 Absatz 1 ZPO. |
|
| 1. Die Verfügungsklägerin hat die Voraussetzungen des urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs nach § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG, glaubhaft gemacht. Danach ist die Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus dem Jahr 1984 eine urheberrechtlich geschützte Bearbeitung im Sinn des § 3 UrhG (lit. a), an der ihr die ausschließlichen Nutzungsrechte zustehen (lit. b) einschließlich des Rechts zur Verbreitung auf Audio-CDs (lit. c), in welches die Verfügungsbeklagte rechtswidrig eingreift (lit. d), weshalb Wiederholungsgefahr besteht (lit. e). |
|
| a) Bei der Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus dem Jahr 1984 handelt es sich um eine nach § 3 S. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG geschützte Bearbeitung eines Werkes, die aufgrund individueller schöpferischer Leistung einen eigenständigen Urheberrechtsschutz genießt (so im Ergebnis auch Nordemann im Rechtsgutachten „Der urheberrechtliche Schutz der Revisionen der Lutherbibel 1956 – 1984“, Anl. AST 12, sowie Lührig, WRP 2003, 1269 ff., Anl. AST 13). |
|
| Nach § 3 Satz 1 Urhebergesetz stehen Übersetzungen und andere Bearbeitungen eines Werkes, die persönliche geistige Schöpfungen des Bearbeiters sind, unter originärem urheberrechtlichen Schutz. Dabei muss die Bearbeitungsfassung inhaltlich oder in der äußeren Formgestaltung eine eigene schöpferische Ausdruckskraft aufweisen und sich dadurch vom bearbeiteten Originalwerk abheben (vgl. ausführlich zum Gesamtkomplex: Schricker/Loewenheim Urheberrecht 2. Auflage 1999, § 3 Rdnr. 11 ff.; Möhring/Nicolini/Ahlberg, Urheberrechtsgesetz, 2. Auflage 2000, § 3 Rdnr. 7 ff.; Fromm/Nordemann/Vinck, Urheberrecht 9. Auflage 1998, § 3 Rdnr. 6 ff.). Maßgebend ist der Gesamteindruck des konkreten Werks unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles (BGH GRUR 1972 S. 143, 144 ff. „Biografie: Ein Spiel“; BGH GRUR 1981 S. 520, 522 „Fragensammlung“; BGH GRUR 1992 S. 382, 384 „Leitsätze“). Dabei ist bei Bearbeitungen, die sich naturgemäß eng an Vorlagen zu orientieren haben, kein zu hoher Maßstab anzulegen (BGH a.a.O. „Fragensammlung“ und „Leitsätze“). Andererseits muss die Bearbeitung über eine bloße Textrevision hinausgehen, also über rein handwerkliche Berichtigungen und sprachliche Glättungen (BGH a.a.O. „Biografie: Ein Spiel“ m.w.N. sowie BGH GRUR 1971, S. 35 ff. „Maske in Blau“). |
|
| aa) Soweit im Rahmen der Revisionsarbeit einzelne Textteile aus dem griechischen Urtext neu übersetzt werden mussten, liegt der gesetzliche Regelfall einer schutzfähigen Bearbeitung vor gemäß § 3 S. 1 UrhG. Das Erfordernis der Neuübersetzung einzelner Passagen ergibt sich aus dem Arbeitsbericht des Kommissionsvorsitzenden Ernst L. (AST 5, dort S. 237). Die Kommission beschränkte sich nicht auf den Abgleich verschiedener deutscher Textfassungen und auf Stilfragen, sondern übersetzte an solchen Stellen neu, an denen ihr gegenüber Luther bessere Urtexte zur Verfügung standen. Diese Neuübersetzungen einzupassen in den Zusammenhang der bereits vorliegenden deutschen Fassung stellt unproblematisch eine höchst individuelle und kreative, urheberrechtlich geschützte Leistung dar. Dasselbe gilt für die Textbereiche, in denen die neuen Passagen aus der frühhochdeutschen Fassung Luthers übertragen wurden. Denn Ausgangssprache einer Übersetzung im Sinn des § 3 UrhG kann auch eine ältere Sprachstufe derselben Sprache sein (Möhring/Nicolini/Ahlberg, a.a.O., § 3 Rdnr. 11). |
|
| bb) Auch ungeachtet der Neuübersetzungen weist die „Lutherbibel 1984“ im Verhältnis zum Originalwerk aus dem 16. Jahrhundert und zu den früheren Revisionsfassungen aus dem 20. Jahrhundert eine eigenschöpferische Prägung auf. Dies ergibt sich aus einer umfassenden Prüfung und Würdigung der in den Anlagenkonvoluten AST 10a und AST 10b vorgelegten Textpassagen aus den Evangelien von Matthäus und Lukas und der weiteren Passagen und Textbeispielen, die in dem Arbeitsbericht von L. (AST 5) und in den Untersuchungen von Nordemann (AST 12) und Lührig (AST 13) aufgeführt sind. In der Bearbeitung wurden zum Teil ganze Satzpassagen umgestellt und angepasst mit dem Ergebnis, dass sich der Text durch eine individuelle Ausdrucksweise und einen eigentümlichen Stil auszeichnet. |
|
| Dass insofern Gestaltungsspielräume vorhanden sind, zeigt sich schon allein daran, dass es viele verschiedene deutsche Bibelübersetzungen und mehrere „Revisionen“ der Lutherbibel gibt. Das belegen aber auch die mit der Revision 1984 verfolgten Ziele, nämlich die Texte für moderne Leser verständlich zu halten und gleichzeitig die Prägung durch die Sprache Luthers beizubehalten. Ferner sprechen dafür die Diskussionen, die im Zug der Entstehung der verschiedenen Textrevisionen auch innerhalb der Kommissionen geführt wurden. |
|
| Diese Gestaltungsspielräume wurden auch in einer eigenschöpferischen Weise genutzt. Die vorliegende Textfassung des Neuen Testaments hat einen eigenen Charakter, der sich von denen der früheren Revisionen unterscheidet. Zu verweisen ist insofern auf den besonderen Maßstab, den die Kommission bei der Überarbeitung angelegt hat, nämlich den Text in einer heute verstandenen, wenn auch nicht geschriebenen oder gesprochenen Sprache darzubieten, die dem besonderen Stellenwert und Anspruch der Bibel gerecht wird (vgl. L., Anl. AST 5, dort S. 232). Eine solche individuelle Sprache weist die „Lutherbibel 1984“ in der Tat auf. Denn interessierte Kreise des Publikums, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehören, können die verschiedenen Übersetzungen und Textfassungen an ihrem jeweiligen, individuellen Stil erkennen und unterscheiden. Dass die Eigenheiten und Unterschiede mitunter nur ganz fein sind und sich nicht jedem Leser oder Hörer sofort erschließen, ändert daran nichts, denn für das Vorliegen von urheberrechtlicher Schutzfähigkeit ist es nicht erforderlich, dass jedermann den schöpferischen Charakter eines Werkes erkennt (vgl. etwa BGH GRUR 1972, S. 143, 144 „Biografie: Ein Spiel“; BGHZ 22, 210, 218 „Morgenpost“). |
|
| cc) Nach Auffassung der Kammer darf bei der Gesamtbewertung nicht außer Acht bleiben, dass Bibeltexte wie Übersetzungen antiker Texte gegenüber allgemeinen Schriftwerken Besonderheiten aufweisen, die sich auf deren Schutzfähigkeit auswirken müssen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Beurteilung urheberrechtlicher Schutzfähigkeit stets auch auf die Besonderheiten der jeweiligen Werkgattung an (BGH a.a.O. „Biografie: Ein Spiel“). Bei Übersetzungen antiker Schriften wie der Bibel bestehen Besonderheiten insofern, als es nicht nur darauf ankommt, den Inhalt des Urtextes zu transportieren, sondern auch die jeweiligen, unausgesprochenen „Untertöne“, Anklänge und Anspielungen wiederzugeben, die aufgrund des ganz anderen kulturellen und sprachlichen Hintergrundes in heutiger Zeit nicht ohne weiteres verstanden würden. Zudem gelten besondere Anforderungen, weil die Texte so genau wiedergegeben werden müssen, dass ein Schriftstudium unter Vergleich ähnlicher oder aufeinander Bezug nehmender Textstellen ermöglicht wird, ohne die Sprache des Urtextes zu kennen. Insofern haben die Bearbeiter in besonderem Maße Einfühlungsvermögen, stilistische Fähigkeiten und individuellen Geist einzubringen (vgl. Schricker, a.a.O. § 3 Rn. 21). Schließlich hat sich eine Bibelübersetzung der besonderen Herausforderung zu stellen, dass bestimmte Bibelstellen Teilen der Bevölkerung auswendig bekannt sind und daher auch in neuer Textfassung wiederzuerkennen sein müssen. All das spricht dafür, dass bei den Bearbeitungen solcher Texte schon geringe Abweichungen Auswirkung auf das Verständnis des Lesers und damit auf den Gesamteindruck haben, so dass auch vereinzelte, verstreute, aber systematische Abweichungen für die Begründung von Urheberschutz ausreichen. |
|
| dd) Dabei verkennt die Kammer nicht, dass es sich bei der streitgegenständlichen „Revision“ an einigen Stellen um eine bloße, urheberrechtlich nicht geschützte Textrevision im eigentlichen Sinn handelt, bei der im Wege „handwerksmäßiger“ Lektorenarbeit sprachliche Anpassungen durchgeführt wurden. Insgesamt beschränkt sich die Überarbeitung aber nicht darauf. Allein die Tatsache, dass die Revisionskommission nicht nach festen Arbeitsregeln vorging, sondern in einem „freien Spiel der Argumente und Kräfte“ die Textfassung erarbeitete (L., AST 5, dort S. 235), zeigt, dass es sich bei der konkreten Fassung um das Ergebnis eines kreativen Abwägungsprozesses handelt, der über rein handwerkliche Berichtigungen und sprachliche Glättungen hinausreicht. |
|
| ee) Im Übrigen würde es im vorliegenden Fall ausreichen, wenn sich die schöpferische Eigenart der streitgegenständlichen Textfassung lediglich aus einem Vergleich mit der Lutherbibel in der Fassung von 1912 ergeben würde. Denn aus den vorgelegten Unterlagen (AST 5, AST 12, AST 13) ergibt sich, dass die Bearbeitungen von 1956 und 1975 ebenfalls im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland erfolgt sind, so dass sich an der Rechtsinhaberschaft in Bezug auf Eigenheiten, die im Zuge dieser beiden Bearbeitungen geschaffen und in die Fassung von 1984 lediglich übernommen wurden, nichts ändert (für Urheberschutz der Fassung 1956 vgl. §§ 134, 135 UrhG i.V.m. § 3 LUrhG). Jedenfalls im Verhältnis zur hiesigen Verfügungsbeklagten kommt es daher nicht darauf an, ob etwa die „Lutherbibel 1984“ gegenüber den Lutherbibeln von 1956 und 1975 solche Änderungen aufweist, die auf einen gesonderten Urheberrechtsschutz schließen lassen. |
|
| ff) Die Eigentümlichkeit und eigenschöpferische Prägung der Revisionsfassung der Lutherbibel aus dem Jahr 1984 haben die Redaktionsverantwortlichen der streitgegenständlichen CDs der Verfügungsbeklagten auch selbst erkannt. Auf der Dreifach-CD „Das Evangelium nach Matthäus“ wird zunächst der Bibeltext in der gemeinfreien Bearbeitung der Lutherbibel aus dem Jahr 1912 vorgelesen. Ab Kapital 5, Vers 19 wird dann auf die Revisionsfassung der Lutherbibel aus dem Jahr 1984 zurückgegriffen. Auf den anderen vervielfältigten und verbreiteten CDs wurden sogar alle vorgelesenen Bibeltexte aus dem Neuen Testament ausschließlich dieser Bearbeitung entnommen. Der offensichtliche Grund dafür ist, dass die „Lutherbibel 1984“ anders als die gemeinfreie Textfassung von 1912 die Inhalte der Bibel in einer eigenen, durchgängigen Form darbietet, die einerseits deutlich am modernen Schriftdeutsch orientiert und eben deswegen für moderne Käufer eines Bibel-Hörbuchs prädestiniert ist, aber andererseits ihre Herkunft von der ursprünglichen, charaktervollen Übersetzung Martin Luthers noch erkennen lässt. |
|
| b) Die Verfügungsklägerin hat schlüssig vorgetragen und durch Vorlage der Anlagen AST 6, AST 7 und AST 9 glaubhaft gemacht, dass ihr das ausschließliche Nutzungsrecht an der Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus dem Jahr 1984 zusteht. |
|
| aa) Nach § 8 Urhebergesetz erwerben die Miturheber einer gemeinsamen Werkschöpfung, deren Anteile sich nicht gesondert verwerten lassen, ein gesamthänderisch gebundenes Miturheberrecht. Dieses Miturheberrecht ist unmittelbare Folge des gemeinschaftlichen Schaffens im Wege einer geistigen und schöpferischen Arbeitsteilung. Miturheber kann aber nur derjenige sein, dessen Beitrag zu dem gemeinschaftlichen Werk eine persönliche geistige Schöpfung darstellt (BGH GRUR 1963, Seite 40, 41; BGH GRUR 1994 Seite 39, 40; Schricker/Loewenheim Urheberrecht 2. Auflage 1999, § 8 Rdnr. 4). |
|
| Die Miturheber der Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus dem Jahr 1984 sind die Mitglieder der Revisionskommission, die durch ihre gemeinsame persönliche geistige Schöpfung eine urheberrechtlich geschützte Bearbeitung geschaffen haben, deren Anteile sich nicht gesondert verwerten lassen. Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten haben die Begleiter, Berater, beteiligten Kirchen, Bibelgesellschaften, theologischen und religionspädagogischen Fakultäten sowie die kirchlichen Hochschulen kein eigenes Miturheberrecht an der Revisionsfassung erworben. Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung genügen Anregungen, Ratschläge sowie die begleitende Überwachung und Kontrolle einer Werkschöpfung nicht zur Begründung eines eigenen Miturheberrechts (OLG Hamburg Schulze Rechtsprechung OLGZ 207 S. 7 ff.; OLG München ZUM 1990 S. 186, 190; ausführlich zur Abgrenzung: Fromm/Nordemann Urheberrecht 9. Auflage 1998, § 8 Rdnr. 4 ff.). |
|
| bb) Die Verfügungsklägerin hat glaubhaft gemacht, dass die Miturheber der Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus dem Jahr 1984 der Evangelischen Kirche in Deutschland nach Fertigstellung ihres gemeinsam geschaffenen Werkes ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt haben. Zwar erfolgte diese Nutzungsrechtseinräumung unstreitig nicht durch einen schriftlichen Vertrag. Die Verfügungsklägerin hat jedoch durch Vorlage der Anlagen AST 6 und AST 7 glaubhaft gemacht, dass die Miturheber der Evangelischen Kirche in Deutschland durch ihr schlüssiges Verhalten konkludent sämtliche Nutzungsrechte an ihrem Werk eingeräumt haben. |
|
| Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalles ist von einer konkludenten Nutzungsrechtseinräumung im Zeitpunkt der Fertigstellung des urheberrechtlich geschützten Werkes auszugehen. Den Kommissionsmitgliedern wurde bereits im Berufungsschreiben vom 09.11.1981 unmissverständlich mitgeteilt, dass alle Rechte an dem Ergebnis der Kommissionsarbeit bei der Evangelischen Kirche in Deutschland liegen sollen. Bereits bei Aufnahme der Revisionsarbeiten war damit jedem der Miturheber als gemeinsame Geschäftsgrundlage klar, dass im Zeitpunkt der Fertigstellung der Arbeiten eine umfassende Rechtseinräumung zu Gunsten der Evangelischen Kirche in Deutschland erfolgen wird. Diese naheliegende und interessengerechte Rechtseinräumung entsprach auch dem Sinn und Zweck der gemeinsamen Kommissionsarbeit. Die neue Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel sollte in großem Umfang an die Kirchen, Seelsorgeeinrichtungen und Schulen verbreitet werden. Die Evangelische Kirche in Deutschland konnte dieses gemeinsam verfolgte Ziel im Gegensatz zu einer gesamthänderisch gebundenen Miturhebergemeinschaft der Kommissionsmitglieder gewährleisten. |
|
| Die erkennende Kammer berücksichtigt bei ihrer Entscheidung vor allem, dass die Miturheber allesamt der Evangelischen Kirche in Deutschland sehr nahe standen und ihre Kommissionsarbeit ehrenamtlich leisteten. Den Bearbeitern war ersichtlich nicht an einer persönlichen Verwertung ihres Miturheberrechts gelegen. So wurden weder die Evangelische Kirche in Deutschland noch die Verfügungsklägerin bislang von einem der Miturheber wegen der Vervielfältigung und Verwertung der Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus dem Jahr 1984 in Anspruch genommen. |
|
| Selbst wenn aber eine Rechtseinräumung an die Evangelische Kirche in Deutschland nicht positiv festgestellt werden könnte, wäre im vorliegenden Fall aufgrund von § 10 Abs. 2 UrhG von deren Rechtsinhaberschaft auszugehen. Sie ist auf dem Vorblatt (Anl. AST 14, Bl. 27 d.A.) als Herausgeberin der Revisionsfassung von 1984 genannt, während die Bearbeiter, also die Kommissionsmitglieder, anonym bleiben. Die Evangelische Kirche in Deutschland ist damit als ermächtigt anzusehen, die Urheberrechte an dieser Bibelfassung geltend zu machen, was nach zutreffender Ansicht wegen der Zielsetzung der Vorschrift auch die Ermächtigung zu Verfügungen über das Urheberrecht einschließt (v. Gamm Urheberrechtsgesetz , § 10 Rn. 14). Das bloße Bestreiten der Verfügungsbeklagten und der Hinweis auf die verschiedenen Beteiligten am Revisionsprozess ist nicht geeignet, diese gesetzliche Vermutung zu widerlegen. |
|
| dd) Die Evangelische Kirche in Deutschland hat der Verfügungsklägerin ein ausschließliches Nutzungsrecht an der Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus dem Jahr 1984 durch den Vertrag vom 06./19.12.1996 eingeräumt. Das ergibt sich aus der Auslegung des Vertrages nach den besonderen urheberrechtlichen Grundsätzen, die durch die allgemeinen privatrechtlichen Auslegungsregeln zu ergänzen sind (vgl. dazu ausführlich: Schricker Urheberrecht 2. Auflage 1999, §§ 31/32 Rdnr. 9 ff.; Fromm/Nordemann/Hertin 9. Auflage 1998, vor § 31 Rdnr. 13). Maßgebend sind folgende Indizien: |
|
| Allein die Verfügungsklägerin sollte gemäß Ziffer 7 des Vertrages das Copyright für die Ausgaben der Lutherbibel auch im Außenverhältnis für jedermann sichtbar führen. Aus Ziffer 8 des Vertrages folgt, dass die Evangelische Kirche in Deutschland der Verfügungsklägerin das Recht überträgt, Lizenzen auf den Text der Lutherbibel 1984 im In- und Ausland zu vergeben. Diese Berechtigung zur Einräumung weiterer Nutzungsrechte ist gemäß § 31 Absatz 3 Satz 1 Urhebergesetz grundsätzlich dem Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrechts vorbehalten. Schließlich hat die Evangelische Kirche in Deutschland der Verfügungsklägerin nach Ziffer 12 des Vertrages die Wahrnehmung ihrer Rechte am Text der Lutherbibel im Bereich des Urheberrechts und des Lizenzwesens umfassend übertragen. Die zugleich vereinbarte Abstimmung bei rechtlichen Auseinandersetzungen ist nach dem Wortlaut und der Systematik des Vertrages als interner Vorgang ohne Außenwirkung ausgestaltet. |
|
| c) Das von der Verfügungsklägerin glaubhaft gemachte ausschließliche Nutzungsrecht umfasst auch das Recht, den gesprochenen Text auf Tonträgern zu vervielfältigen und zu verbreiten. Sowohl die umfassende Rechtseinräumung der Miturheber zu Gunsten der Evangelischen Kirche in Deutschland im Jahr 1984 als auch die Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts zu Gunsten der Verfügungsklägerin durch die Evangelische Kirche in Deutschland im Jahr 1996 umschlossen das Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung des urheberrechtlich geschützten Werks auf einer Audio-CD. Die Kammer kann bei ihrer Entscheidung die umstrittene Frage, ob die CD eine eigene Nutzungsart gegenüber den älteren Tonträgern Vinyl-Schallplatte und Musikkassette ist, offen lassen (vgl. zum aktuellen Streitstand: Möhring / Nicolini / Spautz Urheberrechtsgesetz 2. Auflage 2000, § 31 Rdnr. 45; OLG Hamburg GRUR-RR 2002 S. 153, 156). Denn die CD war zum Zeitpunkt der jeweiligen Rechtseinräumung als neuer Tonträger bekannt (vgl. Fromm / Nordemann / Hertin Urheberrecht 9. Auflage 1998, §§ 31/32 Rdnr. 18; OLG Hamburg GRUR 2000 S. 45, 47). Die Rechtseinräumung in den Jahren 1984 und 1996 umfasst nach der Auslegung unter Beachtung der Besonderheiten des Urheberrechts auch die Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte an dem urheberrechtlich geschützten Werk auf den zum damaligen Zeitpunkt bereits bekannten Tonträgern. |
|
| d) Die Verfügungsbeklagte hat durch die Vervielfältigung und den Vertrieb der CDs das ausschließliche Nutzungsrecht der Verfügungsklägerin verletzt. Auf die Frage, in welchem Umfang die streitgegenständlichen CDs Textteile der Lutherbibel 1984 enthalten, die gegenüber den früheren Fassungen Abweichungen enthalten, kommt es nicht an. Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten beschränkt sich der urheberrechtliche Schutz der Bearbeitung nämlich nicht auf das geänderte Wort oder den konkret umgestellten Satzteil. Vielmehr ist die Bearbeitung bei Erreichen der erforderlichen schöpferischen Höhe in vollem Umfang als eigene schöpferische Leistung urheberrechtlich geschützt. Denn das urheberrechtliche Verbietungsrecht erstreckt sich nicht nur auf das Werk als Ganzes, sondern auch auf die schutzfähige Formgestaltung von Teilen, wobei sich die Eigenart des Werks als Ganzes in dem Teil insofern nicht zu offenbaren braucht (BGHZ 9, 262 ff. „Lied der Wildbahn I“, BGHZ 112. 264. 270 „Betriebssystem“). Dass sich die von der Verfügungsbeklagten verwendeten Teile der „Lutherbibel 1984“ nicht allein auf unverändert gebliebene Passagen gegenüber früheren Fassungen beschränken, ist unstreitig. Aus den vorgelegten Textauszügen ergibt sich weiter, dass sich die diversen Änderungen von 1984 gemäß ihrer Zielsetzung durch den ganzen Text ziehen und nicht nur bestimmte, abgrenzbare Passagen betreffen. Das hat zur Folge, dass jedenfalls die Verwendung von ganzen Kapiteln wie im vorliegenden Fall in das Urheberrecht an der Bearbeitung eingreift. Ob dies auch der Fall wäre, wenn die Verfügungsbeklagte lediglich einzelne Sätze der „Lutherbibel 1984“ benutzt hätte, braucht nicht entschieden zu werden. |
|
| Die abweichende Auffassung der Verfügungsbeklagten ist für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch im Übrigen auch deshalb nicht erheblich, weil der urheberrechtliche Unterlassungsanspruch nach § 97 Absatz 1 Satz 1 Urhebergesetz selbst bei Verletzung auch nur einer geschützten Passage des Gesamtwerkes pro CD gegeben wäre. Denn eine Audio-CD lässt sich nicht gegenständlich aufteilen in rechtmäßige und rechtswidrige Teile. |
|
| e) Dieser rechtswidrige Eingriff der Verfügungsbeklagten in das ausschließliche Nutzungsrecht der Verfügungsklägerin indiziert nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zugleich die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (BGHZ 14, S. 163, 167; BGH GRUR 1961, S. 138, 140). Über diese Indizwirkung hinaus ist die Wiederholungsgefahr im vorliegenden Fall in besonderem Maße konkret. Die Verfügungsbeklagte hat bereits angekündigt, dass sie neben den vervielfältigten und verbreiteten CDs mit den Evangelien von Lukas und Matthäus weitere Hörbücher mit den Evangelien von Markus und Johannes herstellen möchte. |
|
| 2. Die Verfügungsklägerin hat auch die Voraussetzungen des Verfügungsgrundes durch die Vorlage des Originals der eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers (Blatt 39 d.A.) glaubhaft gemacht. Zwar ist bei einer Urheberrechtsverletzung die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG nicht anwendbar (vgl. Möhring/Nicolini/Lütje Urheberrechtsgesetz 2. Auflage 2000, § 97 Rdnr. 283; KG AfP 1994 S. 314, 315). Im vorliegenden Fall sind jedoch die allgemeinen zivilprozessrechtlichen Anforderungen an den Verfügungsgrund der Dringlichkeit gegeben. |
|
| Die Verfügungsklägerin hat Ende Oktober 2003 erstmals von der Vervielfältigung und dem geplanten Vertrieb der Hörbücher der Verfügungsbeklagten erfahren. Die Kenntnis vom konkreten Umfang der Urheberrechtsverletzung konnte die Verfügungsklägerin erst im Rahmen einer Auswertung des Inhalts der CDs am 03. und 04.11.2003 erlangen. Unmittelbar im Anschluss daran hat sich die Verfügungsklägerin intensiv um eine außergerichtliche Einigung mit der Verfügungsbeklagten bemüht. Die Vergleichsbemühungen reichten bis zur Ausarbeitung eines konkreten Vergleichsvertrages. Die Verfügungsklägerin hat nach dem endgültigen Scheitern der Vergleichsbemühungen am 03.12.2003 noch innerhalb einer Woche einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht Stuttgart gestellt. |
|
| 3. Die Untersagung der Vervielfältigung und Verbreitung der Hörbücher ohne Zustimmung der Verfügungsklägerin in der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Stuttgart vom 11.12.2003 ist verhältnismäßig. Die Entscheidung ist zur Zweckerreichung geeignet, erforderlich und unter Abwägung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls verhältnismäßig. |
|
| 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war entbehrlich, weil Urteile, die einstweilige Verfügungen aufrecht erhalten, an der vorläufigen Vollstreckbarkeit der überprüften Entscheidung nichts ändern. |
|