Landgericht Stuttgart Beschluss, 25. Sept. 2009 - 10 T 344/09

bei uns veröffentlicht am25.09.2009

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird der Beschluss des Amtsgerichts Böblingen vom 7.8.2009

abgeändert.

Auf die Erinnerung des Gläubigers wird die Gerichtsvollzieherin angewiesen, die Zwangsvollstreckung aus dem vor dem Arbeitsgericht Stuttgart geschlossenen Vergleich vom 20.2.2009 (Az. 28 Ca 917/09) nach Maßgabe des Gläubigerantrags, jedoch unter Berücksichtigung der am 9.4.2009 vom Schuldner geleisteten Zahlung über 274,27 EUR, durchzuführen.

Beschwerdewert: bis 300 EUR

Gründe

 
Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem vor dem Arbeitsgericht Stuttgart am 20.2.2009 geschlossenen Bruttolohnvergleich über 550,00 EUR. Nachdem der Schuldner einen Beleg über eine am 9.4.2009 erfolgte Zahlung von 274,27 EUR zusammen mit einer von ihm gefertigten Lohnabrechnung, welche diesen Betrag als noch zu zahlenden Nettolohn ausweist, vorgelegt hatte, hat die Gerichtsvollzieherin die Vollstreckung an Ort und Stelle gemäß §§ 775, 776 ZPO eingestellt. Die hiergegen vom Gläubiger eingelegte Vollstreckungserinnerung hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 7.8.2009 zurückgewiesen. Gegen diese den Gläubigervertretern am 17.8.2009 zugestellte Entscheidung hat der Gläubiger, vertreten durch seine Verfahrensbevollmächtigten, mit Schriftsatz vom 19.8.2009, eingegangen bei dem Amtsgericht am 20.8.2009, sofortige Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 24.8.2009 nicht abgeholfen hat.
Das Rechtsmittel ist gemäß § 793 ZPO statthaft, rechtzeitig eingelegt und mithin zulässig.
Es hat auch in der Sache Erfolg. Die Gerichtsvollzieherin war auf die begründete Erinnerung des Gläubigers anzuweisen, die Vollstreckung auftragsgemäß durchzuführen.
Soll ein auf Zahlung von Bruttolohn lautender Titel vollstreckt werden, ist grundsätzlich der gesamte Betrag beizutreiben; in diesem Fall haftet der Arbeitnehmer gegenüber dem Finanzamt für die Lohnsteuer und gegenüber den Sozialversicherungsträgern für den Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherungsbeiträge (BAG Rpfleger 1964 625; BGH WM 1966, 758; LG Karlsruhe InVo 2004, 334; LG Mainz Rpfleger 1998, 530; LG Freiburg Rpfleger 1982, 347).
Der Schuldner kann aber mit den Rechtsbehelfen des Vollstreckungsrechts geltend machen, er habe steuerliche Abzüge und Sozialversicherungsbeiträge für den Gläubiger bereits ganz oder teilweise abgeführt. Weist der Schuldner durch öffentliche Urkunde die Zahlung der Abgaben an das Finanzamt und den Sozialversicherungsträger nach, ist die Zwangsvollstreckung gemäß § 775 Nr. 4 ZPO einzustellen (BAG a.a.O.; LG Karlsruhe a.a.O.; LG Berlin a.a.O.).
Einen solchen Nachweis hat der Schuldner hier aber nicht erbracht, denn die von ihm selbst gefertigte Lohnabrechnung genügt nicht den Anforderungen des § 775 Nr. 4 ZPO. Im übrigen streiten die Parteien auch über die korrekte Höhe der abzuführenden Beträge. Der Schuldner errechnet höhere Abgaben, weil er neben dem Betrag, zu dessen Zahlung er nach dem Titel verpflichtet ist, weiteren angeblich bereits ausbezahlten Lohn in seine Abrechnung mit einstellt. Ein solcher Streit kann im Vollstreckungsverfahren nicht ausgetragen werden, weil die Vollstreckungsorgane nicht in der Lage sind, die tatsächlichen Angaben, welche der Abrechnung des Schuldners zugrunde liegen, zu überprüfen.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts trifft es nicht zu, dass der titulierte Zahlungsanspruch des Gläubigers bereits mit Vorlage einer nachvollziehbaren Abrechnung des Schuldners erfüllt wäre. Der von dem Amtsgericht zum Beleg dieser Auffassung zitierten Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22.10.2008 (JurBüro 2009, 212) lag ein nach § 887 ZPO zu vollstreckender Anspruch auf Lohnabrechnung zugrunde, für dessen Erfüllung das Hessische Landesarbeitsgerichts es genügen ließ, wenn durch die Abrechnung nachvollziehbar werde, wie der Arbeitgeber den Auszahlungsbetrag errechnet habe, weil ein Streit über die materielle Richtigkeit der einzelnen ausgewiesenen Beträge und Abzüge im Klagewege durchzusetzen sei. Würde man entsprechend die Erfüllung des titulierten Bruttolohnzahlungsanspruchs bereits dann annehmen, wenn der Schuldner den aus einer von ihm gefertigten Abrechnung resultierenden Restbetrag an den Gläubiger zur Auszahlung bringt, wäre der Gläubiger im Falle einer fehlerhaften Abrechnung rechtlos gestellt, weil eine von ihm erhobene Klage auf Zahlung des offenen Werklohns wegen der entgegenstehenden Rechtskraft unzulässig wäre.
Daher ist der Schuldner auf die Vollstreckungsgegenklage zu verweisen, wenn er die Erfüllung eines titulierten Bruttolohnanspruchs behauptet und der Gläubiger die Richtigkeit der vom Schuldner erstellten Abrechnung bestreitet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Wertfestsetzung auf § 3 ZPO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) liegen nicht vor.

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 793 Sofortige Beschwerde


Gegen Entscheidungen, die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, findet sofortige Beschwerde statt.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 887 Vertretbare Handlungen


(1) Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, so ist der Gläubiger von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 775 Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung


Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:1.wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder das

Zivilprozessordnung - ZPO | § 776 Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln


In den Fällen des § 775 Nr. 1, 3 sind zugleich die bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben. In den Fällen der Nummern 4, 5 bleiben diese Maßregeln einstweilen bestehen; dasselbe gilt in den Fällen der Nummer 2, sofern nicht durch die E

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Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:

1.
wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist;
2.
wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel angeordnet ist oder dass die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf;
3.
wenn eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die zur Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist;
4.
wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte Privaturkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Gläubiger nach Erlass des zu vollstreckenden Urteils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat;
5.
wenn der Einzahlungs- oder Überweisungsnachweis einer Bank oder Sparkasse vorgelegt wird, aus dem sich ergibt, dass der zur Befriedigung des Gläubigers erforderliche Betrag zur Auszahlung an den Gläubiger oder auf dessen Konto eingezahlt oder überwiesen worden ist.

In den Fällen des § 775 Nr. 1, 3 sind zugleich die bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben. In den Fällen der Nummern 4, 5 bleiben diese Maßregeln einstweilen bestehen; dasselbe gilt in den Fällen der Nummer 2, sofern nicht durch die Entscheidung auch die Aufhebung der bisherigen Vollstreckungshandlungen angeordnet ist.

Gegen Entscheidungen, die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, findet sofortige Beschwerde statt.

Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:

1.
wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist;
2.
wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel angeordnet ist oder dass die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf;
3.
wenn eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die zur Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist;
4.
wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte Privaturkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Gläubiger nach Erlass des zu vollstreckenden Urteils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat;
5.
wenn der Einzahlungs- oder Überweisungsnachweis einer Bank oder Sparkasse vorgelegt wird, aus dem sich ergibt, dass der zur Befriedigung des Gläubigers erforderliche Betrag zur Auszahlung an den Gläubiger oder auf dessen Konto eingezahlt oder überwiesen worden ist.

(1) Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, so ist der Gläubiger von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen.

(2) Der Gläubiger kann zugleich beantragen, den Schuldner zur Vorauszahlung der Kosten zu verurteilen, die durch die Vornahme der Handlung entstehen werden, unbeschadet des Rechts auf eine Nachforderung, wenn die Vornahme der Handlung einen größeren Kostenaufwand verursacht.

(3) Auf die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe oder Leistung von Sachen sind die vorstehenden Vorschriften nicht anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.