Landgericht Saarbrücken Beschluss, 15. März 2013 - 5 T 415/12

bei uns veröffentlicht am15.03.2013

Tenor

1. Unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts Saarbrücken vom 08.05.2012 werden die nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 31.01.2012, Az V ZB 127/11, von der Bundesrepublik Deutschland an den Betroffenen zu erstattenden Rechtsanwaltskosten festgesetzt auf 279,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.03.2012.

2. Die sofortige Beschwerde im Übrigen und der Kostenfestsetzungsantrag des Betroffenen vom 16.03.2012 im Übrigen werden zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 528,36 EUR.

Gründe

A.

Der Betroffene begehrt die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren für die Tätigkeit seines Verfahrensbevollmächtigten in einem Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Saarbrücken (Az. 5 T 104/11) und als Korrespondenzanwalt in dem anschließenden Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof (Az V ZB 127/11).

Das Amtsgericht Saarbrücken hatte durch Beschluss vom 06.02.2011 (Az 7 XIV 13/11) gegen den Betroffenen die Zurückschiebungshaft bis zum 05.05.2011 angeordnet.

Die dagegen von dem Betroffenen durch seinen Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsanwalt ... aus ..., eingelegte sofortige Beschwerde vom 04.03.2011 hat das Landgericht Saarbrücken durch Beschluss vom 10.05.2011 - Az. 5 T 104/11 - zurückgewiesen.

Auf die dagegen von dem Betroffenen, vertreten durch den beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt ..., eingelegte Rechtsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 31.01.2012 - Az V ZB 127/11 - festgestellt, dass der Betroffene durch die Haftanordnung und durch die Aufrechterhaltung der Haft in seinen Recht verletzt worden ist und dass die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen von der Bundesrepublik Deutschland zu tragen sind.

In dem Rechtsbeschwerdeverfahren war Rechtsanwalt ... als Korrespondenzanwalt für den Betroffenen tätig.

Der Betroffene, vertreten durch Rechtsanwalt ..., hat durch Rechtsanwaltsschriftsatz vom 06.03.2012 beim Amtsgericht Saarbrücken beantragt, gegen die Bundesrepublik Deutschland vertreten durch die Antrag stellende Behörde Rechtsanwaltskosten in Höhe von 528,36 EUR festzusetzen.

In dieser Berechnung enthalten sind unter anderem eine Verfahrensgebühr für Rechtsanwalt ... in Höhe von 215,-- EUR zuzüglich Mehrwertsteuer (VV RVG Nr. 6300) sowie eine Verfahrensgebühr als Korrespondenzanwalt errechnet aus einem Geschäftswert von 3.000,-- EUR in Höhe eines Nettobetrages von 189,-- EUR (VV RVG Nr. 3400).

Das Amtsgericht Saarbrücken hat durch Beschluss vom 08.05.2012 die Kosten antragsgemäß auf 528,36 EUR nebst Zinsen festgesetzt.

Gegen diesen am 30.05.2012 zugestellten Beschluss hat die Antrag stellende Behörde am 30.05.2012 sofortige Beschwerde eingelegt.

Sie rügt, zu dem Kostenfestsetzungsantrag nicht gehört worden zu sein und ist der Auffassung, die geltend gemachte Korrespondenzanwaltsgebühr sei nicht erstattungsfähig.

Die beantragte Mittelgebühr für die Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten in dem Beschwerdeverfahren sei nicht gerechtfertigt.

Der Betroffene beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Meinung, die Tätigkeit seines Verfahrensbevollmächtigten als Korrespondenzanwalt sei erforderlich gewesen und die dadurch angefallenen Kosten seien zur erstatten.

Die festgesetzte Mittelgebühr für die Tätigkeit seines Verfahrensbevollmächtigten in dem Beschwerdeverfahren sei angemessen.

Die erkennende Kammer hat durch Beschluss vom 26.09.2012 ein Rechtsgutachten der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main eingeholt zu der Angemessenheit der für die Tätigkeit von Rechtsanwalt ... in dem Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Saarbrücken geltend gemachten Mittelgebühr.

Insoweit wird auf das schriftliche Gutachten der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main vom 26.11.2012 verwiesen.

B.

I.

Die sofortige Beschwerde der Antrag stellenden Behörde, die in Vertretung für die Bundesrepublik Deutschland tätig wird, ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 85 FamFG, 104 Abs. 3 S. 1, 567, 569 ZPO zulässig.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zum Teil begründet und führt unter Abänderung des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses insoweit zur Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrages des Betroffenen, als zugunsten des Betroffenen eine Korrespondenzanwaltsgebühr festgesetzt worden ist (vgl. dazu unter 1.). Im Übrigen ist die sofortige Beschwerde nicht begründet und war deshalb insoweit zurückzuweisen (vgl. dazu unter 2.).

Die Rüge der Gehörsverletzung ist im Ergebnis unbeachtlich, da der Beschwerdeführerin in dem Beschwerdeverfahren das rechtliche Gehör gewährt worden ist.

1.

Rechtsanwalt ... war in dem Rechtsbeschwerdeverfahren Korrespondenzanwalt des Betroffenen. Dies bedeutet, er war in diesem Verfahren nicht als Verfahrensbevollmächtigter für den Betroffenen tätig und er war auch nicht Unterbevollmächtigter des Rechtsanwaltes ..., der den Betroffenen in dem Rechtsbeschwerdeverfahren vertreten hat. Rechtsanwalt ... hat lediglich den Verkehr des Betroffenen mit dem Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt ... vermittelt (vgl. dazu BGH, NJW 1988, 1079).

Die Erstattungsfähigkeit der durch die Beauftragung eines solchen Korrespondenzanwaltes angefallenen Gebühren erscheint schon deshalb fraglich, weil gemäß § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO - dessen Rechtsgedanke auch für das vorliegende Verfahren heranzuziehen ist - die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten sind, als sie die Kosten eines Rechtsanwaltes nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwaltes ein Wechsel eintreten musste. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.

Außerdem kommt die Erstattung eines für das Rechtsbeschwerdeverfahren beauftragten Korrespondenzanwaltes deshalb grundsätzlich nicht in Betracht, weil es in dem Rechtsbeschwerdeverfahren lediglich um Rechtsfragen geht, für die eine Vermittlung des Verkehrs zwischen der Partei und ihrem Verfahrensbevollmächtigten von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2011, Az V ZA 10/11, RVGreport 2011, 438, juris Rnr. 3; BGH, Beschluss vom 04.08.2004, XII ZA 6/04, NJW-RR 2004, 1662; für das Revisionsverfahren: BGH, Beschluss vom 07.06.1982, VIII ZR 118/80, JurBüro 1982, 1335 - 1336, juris Rnr. 3).

Die Auswahl des bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Verfahrensbevollmächtigten kann auch ohne die Vermittlung durch einen Korrespondenzanwalt erfolgen (vgl. BGH RVGreport 2011, 438, juris Rnr. 3).

Deshalb kann der Betroffene nicht die Erstattung einer Korrespondenzanwaltsgebühr verlangen.

2.

Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet, soweit sie die Festsetzung einer Mittelgebühr in Höhe von 215,-- EUR gemäß VV RVG Nr. 6300 beanstandet.

Nach VV RVG Nr. 6300 beträgt die Verfahrensgebühr des Verfahrensbevollmächtigten in Freiheitsentziehungssachen gemäß § 415 FamFG zwischen 30,-- EUR und 400,-- EUR. Demgemäß beträgt die Mittelgebühr - wie vorliegend auch festgesetzt - 215,-- EUR. Da es sich dabei um eine Rahmengebühr handelt, bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auftraggebers, nach billigem Ermessen (vgl. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG). Ist - wie im vorliegenden Fall - die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die von dem Rechtsanwalt festgesetzte Gebühr unbillig ist, trägt die erstattungspflichtige Bundesrepublik Deutschland (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20.01.2011, Az V ZB 216/10, ASR 2011, 211 - 212, juris Rnr. 10 mwN).

Vorliegend kann unter Berücksichtigung der Einwendungen der Beschwerdeführerin nicht davon ausgegangen werden, dass die festgesetzte Mittelgebühr unbillig ist.

Das dazu gemäß § 14 Abs. 2 RVG eingeholte Rechtsgutachten der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main vom 16.11.2012 legt zur Überzeug der erkennenden Kammer dar, dass die beantragte und auch festgesetzte Mittelgebühr für die Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten ... im Beschwerdeverfahren gerechtfertigt war.

Unter Berücksichtigung der sogenannten Kompensationstheorie, wonach das geringere Gewicht eines der in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG aufgeführten Bemessungsmerkmale durch das höhere oder durch das überragende Gewicht eines anderen Merkmales ausgeglichen wird (vgl. dazu Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 RVG, Rnr. 11), ist davon auszugehen, dass vorliegend jedenfalls der Ansatz der Mittelgebühr gerechtfertigt ist.

Dafür spricht zum einen der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, insbesondere der zeitliche Aufwand des Rechtsanwaltes, der dadurch entstanden ist, dass er unter Hinzuziehung eines Dolmetschers Besprechungen mit dem in Haft sitzenden Mandanten durchführen musste.

Des Weiteren ist das Freiheitsentziehungsverfahren, dem die Anordnung einer Zurückschiebungs- oder Abschiebungshaft zugrunde liegt - unter Berücksichtigung der Anforderungen des Bundesgerichtshofes sowohl an die formellen (vgl. dazu § 417 Abs. 2 FamFG) als auch an die materiellen Voraussetzungen (vgl. dazu § 62 Abs. 3 AufenthG) für die richterliche Anordnung der Sicherungshaft - ein überdurchschnittlich schwieriges Rechtsgebiet.

Im vorliegenden Fall ging es um die grundgesetzlich (Artikel 1, 2 GG) geschützte persönliche Freiheit des Betroffenen, so dass auch von einer überdurchschnittlichen Bedeutung auszugehen ist.

Selbst wenn man dem Betroffenen bescheidene wirtschaftliche Verhältnisse unterstellt, führt auf jeden Fall die gebotene Gesamtschau zu dem Ergebnis, dass ohne weiteres die in Ansatz gebrachte Mittelgebühr gerechtfertigt war.

3.

Deshalb ist zu Gunsten des Betroffenen eine Verfahrensgebühr gemäß VV RVG Nr. 6300 in Höhe von 215,-- EUR, die Auslagenpauschale (VV RVG Nr. 7002) in Höhe von 20,-- EUR und die gesetzliche Umsatzsteuer (VV RVG Nr. 7008) in Höhe von 19 %, also ein Gesamtbetrag von 279,65 EUR festzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wurde gemäß § 3 ZPO in Höhe des festgesetzten und insgesamt im Streit stehenden Betrages bestimmt.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (vgl. § 574 ZPO) sind nicht erfüllt.

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 127/11
vom
31. Januar 2012
in der Zurückschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Januar 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den
Richter Dr. Czub und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 11. Mai 2011 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 6. Februar 2011 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene ist ägyptischer Staatsangehöriger. Er hielt sich zwischen 2008 und 2010 in Norwegen auf und stellte dort einen Asylantrag. Im März 2010 kehrte er nach Ägypten zurück, von wo aus er Anfang des Jahres 2011 mit Hilfe eines Schleusers wieder ausreiste. Nachdem er über verschiedene europäische Länder nach Frankreich gelangt war, reiste er von dort ohne Pass und ohne Visum nach Deutschland ein und wurde am 5. Februar 2011 in Saarbrücken von Beamten der Beteiligten zu 2 festgenommen.
2
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 6. Februar 2011 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach Norwegen bis längstens 5. Mai 2011 angeordnet. Die Beschwerde des Betroffenen, mit der er nach seiner Haftentlassung am 9. März 2011 die Feststellung beantragt hat, dass ihn die Haftanordnung und ihr Vollzug in seinen Rechten verletzt haben, hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet er sich mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Beteiligte zu 2 beantragt.

II.

3
Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene sei unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig. Der von ihm aus der Sicherungshaft heraus gestellte Asylantrag stehe der Haftanordnung nicht entgegen. Damit entfalle zwar der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG aF, nicht aber der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG aF. Aufgrund der Umstände seiner Flucht aus Ägypten bestehe bei dem Betroffenen die begründete Gefahr, dass er sich der Zurückschiebung entziehen wolle. Das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG notwendige Einvernehmen der Staatsanwaltschaft sei erteilt, da eine generelle Zustimmung vorliege. Die Beteiligte zu 2 habe auch nicht gegen das Beschleunigungsgebot verstoßen.

III.

4
Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
5
Die ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG statthafte (vgl. nur Senat, Beschluss vom 29. Juli 2010 - V ZB 29/09, InfAuslR 2011, 27 Rn. 4) und auch im Übrigen nach § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Haftanordnung und ihr Vollzug haben den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
6
1. Das Amtsgericht durfte die Sicherungshaft nicht anordnen, weil es an einem zulässigen Haftantrag nach § 417 FamFG gefehlt hat.
7
a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211, Rn. 12; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512, Rn. 7). Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen , zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211, Rn. 14; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512, Rn. 8). Die Begründung des Haftantrags muss auf den konkreten Fall zugeschnitten sein (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, Rn. 13, juris). Denn durch den Antrag soll dem Gericht eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für die Entscheidung zugänglich gemacht und dem Betroffenen eine Grundlage für seine Verteidigung gegen den Haftantrag gegeben werden (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, Rn. 13, juris). Die notwendigen Darlegungen dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 Rn. 9).
8
b) Diesen Anforderungen genügt der von der Beteiligten zu 2 gestellte Haftantrag nicht. Er enthält keine Tatsachen zu der notwendigen Dauer der beantragten Haft nach § 417 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 FamFG. Die Erklärung, die beantragte Freiheitsentziehung sei zur Sicherung der Zurückschiebung erforderlich, weil der Betroffene ohne Vollzug der Haft im Gebiet der Schengener Vertragsstaaten untertauchen werde, mag das Begründungserfordernis nach § 417 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FamFG erfüllen, weil die Beteiligte zu 2 auf diese Umstände den von ihr in dem Haftantrag genannten Haftgrund der Entziehungsabsicht nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG stützt. Sie sagen aber nichts über die Durchführbarkeit der Zurückschiebung in dem konkreten Fall innerhalb der beantragten Haftdauer aus (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, Rn. 13, juris). Damit fehlen in dem Haftantrag jegliche Tatsachen, anhand derer der Haftrichter die Prognose nach § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG hätte treffen können.
9
2. Im Übrigen hat der Haftrichter eben diese Prognose nach § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG auch nicht angestellt.
10
a) Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass die Zurückschiebung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann. Die Prognose hierzu hat sich auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Umstände zu erstrecken, die der Zurückschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 29, Rn. 22; Beschluss vom 8. Juli 2010 - V ZB 89/10, Rn. 8 juris). Diesen Anforderungen genügt die Entscheidung des Amtsgerichts nicht.
11
b) Dass die gebotene, aber unterlassene Prognose die Haft gerechtfertigt hätte (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 29, Rn. 24), kann hier im Hinblick auf die schon am 9. März 2011 erfolgte Haftentlassung nicht festgestellt werden. Zwar hat der Senat entschieden, dass bei Rückübernahmen nach der Dublin II-Verordnung [Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003, Abl. L 50/1 vom 25. Februar 2003] bei normalem Verfahrensgang davon auszugehen ist, dass die Zurückschiebung in einen Mitgliedstaat innerhalb von drei Monaten seit der Haftanordnung wird erfolgen können, wenn festgestellt ist, dass der Mitgliedsstaat zur Rückübernahme verpflichtet ist (Senat, Beschluss vom 29. September 2010 - V ZB 233/10, Rn. 13, juris; insoweit nicht abgedruckt in NVwZ 2011, 320). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Feststellungen zur Rückübernahmeverpflichtung Norwegens nach der Dublin II-Verordnung fehlen.
12
c) Die Ausführungen des Beschwerdegerichts zu den von der Behörde ergriffenen Maßnahmen sind für die Beachtung des Beschleunigungsgebots, erforderlich. Sie ersetzen jedoch nicht die Prognose zur erforderlichen Dauer der Freiheitsentziehung.

IV.

13
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO. Krüger Stresemann Czub Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Saarbrücken, Entscheidung vom 06.02.2011 - 7 XIV 13/11 -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 11.05.2011 - 5 T 104/11 -

(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.

(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.

(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.

(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZA 10/11
vom
29. Juni 2011
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juni 2011 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Czub und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Auf die als Gegenvorstellung zu wertende Anhörungsrüge des Betroffenen wird - unter Zurückweisung des Rechtsbehelfs im Übrigen - der Beschluss des Senats vom 24. Mai 2011 aufgehoben, soweit der zurückgewiesene Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe die mit der Rechtsbeschwerde erstrebte Feststellung betrifft, dass der Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt/Oder vom 8. März 2011 den Betroffenen durch die Haftanordnung bis zum 7. April 2011 in seinen Rechten verletzt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird dem Betroffenen ein von ihm binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses zu benennender am Bundesgerichtshof zugelassener Rechtsanwalt beigeordnet.
Der Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt Stahmann aus Berlin als Verkehrsanwalt wird zurückgewiesen.

Gründe:


1
Mithilfe einer Anhörungsrüge ist das von dem Betroffenen erstrebte Ziel der - zumindest teilweisen - Aufhebung des Senatsbeschlusses vom 24. Mai 2011 nicht zu erreichen. Der Senat hat kein Vorbringen des Betroffenen übergangen. Das Gegenteil ergibt sich aus der Bezugnahme auf den Beschluss vom 3. Mai 2011, in dem dieses Vorbringen gewürdigt worden ist.
2
Der Senat hat hieraus in dem Beschluss vom 24. Mai 2011 indes nicht die rechtlich zutreffenden Schlüsse gezogen, so dass auf eine in der Anhörungsrüge der Sache nach enthaltene Gegenvorstellung der Beschluss in dem ausgesprochenen Umfang aufzuheben und dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe stattzugeben ist. Der Betroffene hat den beizuordnenden Anwalt selbst zu benennen; eine Beiordnung durch den Senat könnte nur unter den hier nicht vorliegenden Voraussetzungen des § 78b ZPO vorgenommen werden. Im Übrigen bleibt es bei der Zurückverweisung des Verfahrenskostenhilfeantrags mangels hinreichender Erfolgsaussicht.
3
Der Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt Stahmann als Verkehrsanwalt ist nicht begründet. Eine Beiordnung des zweitinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten kommt im Rechtsbeschwerdeverfahren ebenso wenig in Betracht wie im Revisionsverfahren (dazu BGH, Beschluss vom 7. Juni 1982 - VIII ZR 118/80, WM 1982, 881), weil es lediglich um Rechtsfragen geht, für die eine Korrespondenz mit der Partei von untergeordneter Bedeutung ist (BGH, Beschluss vom 4. August 2004 - XII ZA 6/04, NJW-RR 2004, 1662). Die Auswahl des beizuordnenden am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts kann ohne weiteres aus der Ferne auch ohne persönlichen Kontakt, etwa auch unter Einschaltung des zweitinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten vorgenommen werden. Etwas anderes kommt hier ohnehin schon deswegen nicht in Betracht, weil der Betroffene unterdessen abgeschoben worden ist.
Krüger Stresemann Czub Brückner Weinland

Vorinstanzen:
AG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 08.03.2011 - 4 XIV 6/11 -
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 07.04.2011 - 15 T 28/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZA 6/04
vom
4. August 2004
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 114, 115 Abs. 1 und 2; BGB § 1360 a Abs. 2, 1603 Abs. 2 Satz 1 und 2

a) Eine zugelassene Rechtsbeschwerde hat in aller Regel dann hinreichende Aussicht
auf Erfolg i.S. von § 114 ZPO, wenn die Entscheidung von der Beantwortung
schwieriger Rechtsfragen abhängt.

b) Eltern schulden ihren minderjährigen Kindern einen Prozeßkostenvorschuß auch
dann, wenn sie ihn zwar nicht in einer Summe zahlen können, aber nach § 115
Abs. 1 und 2 ZPO, der regelmäßig auch ihren notwendigen Selbstbehalt wahrt, für
eine eigene Prozeßführung zu Ratenzahlungen in der Lage wären. Dann kann
dem vorschußberechtigten Kind Prozeßkostenhilfe auch nur gegen entsprechende
Ratenzahlung bewilligt werden.
BGH, Beschluß vom 4. August 2004 - XII ZA 6/04 - OLG Stuttgart
AG Tübingen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. August 2004 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Prof. Dr. Wagenitz, die
Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Der Klägerin wird als Rechtsbeschwerdeführerin für das Verfahren der Rechtsbeschwerde Prozeßkostenhilfe bewilligt. Die Beiordnung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts bleibt vorbehalten. Die Klägerin hat auf die Prozeßkosten monatliche Raten in Höhe von 30 € ab Wegfall der Ratenzahlungspflicht aus dem Beschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 27. Januar 2004 zu zahlen. Die Zahlungen sind an die zuständige Landeskasse zu leisten.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Kindesunterhalt ab August 2003. Die 16 Jahre alte Klägerin ist die Tochter der Beklagten. Sie ist Schülerin und wohnt beim Kindesvater. Die Ehe der Eltern ist seit Juni 2003 rechtskräftig geschieden. Mit Beschluß vom 29. August 2003 hat das Amtsgericht der Klägerin für die beabsichtigte Klage Prozeßkostenhilfe ohne Raten bewilligt. Auf die Beschwerde der Staatskasse hat das Oberlandesgericht den angefochtenen Be-
schluß abgeändert und der Klägerin aufgegeben, auf die bewilligte Prozeßkostenhilfe ab März 2004 monatliche Raten in Höhe von 175 € zu zahlen. Gegen diesen Beschluß hat es die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Klägerin begehrt für die beabsichtigte Rechtsbeschwerde ratenlose Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung ihrer zweitinstanzlichen Rechtsanwältin.

II.

Der Klägerin ist die begehrte Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO). 1. Die beabsichtigte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil das Beschwerdegericht sie gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 i.V. mit § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen hat. Daran ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Zwar kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde im Verfahren der Prozeßkostenhilfe unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) oder der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Prozeßkostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht (vgl. BGH Beschluß vom 21. November 2002 - V ZB 40/02 - FamRZ 2003, 671 m.w.N.). Um solche Fragen der persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe geht es hier allerdings.
2. Nach ständiger Rechtsprechung hat eine beabsichtigte Rechtsverfolgung in aller Regel bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Verfahren der Prozeßkostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Verfahren der Prozeßkostenhilfe bietet den nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geschützten Rechtsschutz nicht selbst, sondern will ihn erst zugänglich machen (BVerfGE 81, 347, 357 ff.; BVerfG NJW 1994, 241, 242; NJW 2000, 1936, 1937; BGH Beschlüsse vom 31. Juli 2003 - III ZB 7/03 - NJW-RR 2003, 1438; vom 12. September 2002 - III ZB 43/02 - NJW 2002, 3554; vom 9. September 1997 - IX ZB 92/97 - NJW 1998, 82 und vom 26. April 2001 - IX ZB 25/01 - MDR 2001, 1007). Hier hat das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde wegen der rechtsgrundsätzlichen Frage zugelassen, ob auf die bewilligte Prozeßkostenhilfe Ratenzahlung angeordnet werden kann, wenn der Berechtigte zwar sonst die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Bewilligung ratenloser Prozeßkostenhilfe erfüllt, ihm allerdings ein Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß in Form von Ratenzahlungen zusteht. Diese Frage ist in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte umstritten und vom Bundesgerichtshof bislang nicht entschieden. Sie ist deswegen nicht im Verfahren der Prozeßkostenhilfe, sondern der zugelassenen Rechtsbeschwerde zu klären.

III.

Eine Beiordnung der in zweiter Instanz für die Klägerin aufgetretenen Rechtsanwältin kommt für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht in Betracht. Nach § 78 Abs. 1 Satz 4 ZPO muß sich die Klägerin im Verfahren der Rechtsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Auch die Beiordnung des erst- oder zweitinstanzlich beigeordneten Rechtsanwalts als Verkehrsanwalt kommt grundsätzlich nicht in Betracht, weil allein Rechtsfragen zu klären sind, für die eine Korrespondenz mit der Prozeßpartei von untergeordneter Bedeutung ist. Besondere Umstände, die ausnahmsweise die Bestellung eines Rechtsanwalts zur Vermittlung des Verkehrs zwischen der Partei und dem am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt erforderlich machen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere reicht es nicht aus, wenn der zweitinstanzliche Rechtsanwalt den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde begründet hat (BGH Beschluß vom 7. Juni 1982 - VIII ZR 118/80 - WM 1982, 881). Die Beiordnung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts bleibt zunächst vorbehalten, weil die Klägerin noch keinen solchen Rechtsanwalt namentlich benannt hat (§ 121 Abs. 1 und 5 ZPO).

IV.

Der Klägerin kann auch für das Verfahren der Rechtsbeschwerde Prozeßkostenhilfe nur gegen Ratenzahlung bewilligt werden, weil sie im Umfang der Raten über einzusetzendes Vermögen im Sinne von § 115 ZPO verfügt. 1. Nach einhelliger Auffassung schulden Eltern ihren minderjährigen unverheirateten Kindern in entsprechender Anwendung des § 1360 a Abs. 4 BGB Prozeßkostenvorschuß für erfolgversprechende Rechtsstreitigkeiten in persönlichen Angelegenheiten (vgl. Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 4. Aufl. IV 65; Wendl/Scholz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 6 Rdn. 23; Dose Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen Rdn. 106). Die Verpflichtung hat ihren Grund in den unterhaltsrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern und ergibt sich aus einer besonderen Verantwortung des Unterhaltspflichtigen. Wie bei der im Gesetz ausdrücklich geregelten Verpflichtung zur Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses an den getrennt lebenden Ehegatten (§ 1360 a Abs. 4 BGB) schulden auch die Eltern einen solchen Vorschuss aber nur dann, wenn dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die persönlichen Beziehungen und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien zu berücksichtigen. Der materiell-rechtliche Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß setzt deswegen voraus, daß der Berechtigte nicht in der Lage ist, die Prozeßkosten selbst zu tragen. Dies folgt schon aus dem allgemeinen unterhaltsrechtlichen Grundsatz, wonach der Berechtigte zunächst selbst für seinen Bedarf aufkommen muß. Außerdem muß auch die Belastung des Unterhaltsschuldners mit den Prozeßkosten der Billigkeit entsprechen. Dies ist nicht der Fall, wenn er nicht hinreichend leistungsfähig ist. Dabei ist auf die auch sonst gültigen Selbstbehaltssätze der Leitlinien zurückzugreifen. Soweit dabei nach überwie-
gender Auffassung der angemessene Selbstbehalt nach §§ 1581 Satz 1, 1603 Abs. 1 BGB gewahrt bleiben muß (vgl. OLG Koblenz FamRZ 1986, 284; OLG Köln FamRZ 1999, 792), entspringt dieses der im Gesetz ausdrücklich geregelten Vorschusspflicht unter Ehegatten. Für die Verpflichtung zur Zahlung eines Prozesskostenvorschusses an minderjährige Kinder gilt dieses nicht in gleichem Maße. Aus der besonderen Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren minderjährigen (und den diesen gleichgestellten) Kindern nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB ergibt sich auch insoweit als unterste Grenze der Inanspruchnahme der notwendige Selbstbehalt. Nur wenn der unterhaltspflichtige Elternteil nach Abzug der vorrangigen Verpflichtungen auf Elementarunterhalt unter Wahrung des notwendigen Selbstbehalts nicht zur Leistung eines Prozeßkostenvorschusses in der Lage ist, entfällt dieser Anspruch. Gleiches gilt nach prozeßkostenhilferechtlichen Grundsätzen dann, wenn der Vorschußpflichtige selbst Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlung erhalten würde. Denn der unterhaltspflichtige Elternteil kann nicht verpflichtet sein, seinem Kind als Vorschuß die Kosten eines Prozesses zu erstatten, wenn er für die Kosten eines Prozesses in eigenen Angelegenheiten nicht aufkommen müsste, weil ihm dafür ratenlos Prozeßkostenhilfe bewilligt würde. 2. In der Rechtsprechung und der Literatur ist allerdings umstritten, ob ein Prozeßkostenvorschuß auch dann geschuldet ist, wenn der Vorschußpflichtige den gesamten Betrag zwar nicht in einer Summe zahlen kann, aber zu Ratenzahlungen in der Lage ist.
a) Teilweise wird die Verpflichtung zur Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses in Raten als unbillig angesehen (OLG Brandenburg FamRZ 2002, 1414; OLG Naumburg FamRZ 2000, 1095; OLG Oldenburg FamRZ 1999, 1148; OLG München (12. Zivilsenat) FamRZ 1993, 714; OLG Karlsruhe FamRZ 1992, 77; OLG Celle (15. Zivilsenat) NdsRpfl 1995, 47; Wendl/Scholz aaO § 6
Rdn. 27; Gerhardt/Oelkers Handbuch des Fachanwalts im Familienrecht Kap. 16 Rdn. 21 f.; Dose aaO Rdn. 114). Überwiegend wird inzwischen allerdings vertreten, daß bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Elternteils nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben zu prüfen ist, ob er den Prozeßkostenvorschuß ohne Gefährdung seines eigenen Selbstbehalts ratenweise leisten kann (OLG Dresden FamRZ 2002, 1412; OLG Köln FamRZ 2003, 102; OLG Naumburg Beschluß vom 2. Januar 2001 - 3 WF 156/00 - veröffentlicht bei Juris; OLG Nürnberg FamRZ 2001, 233; OLG München (1. Zivilsenat) OLGR München 1999, 321; OLG Zweibrücken FamRZ 1997, 757; OLG Koblenz FamRZ 1991, 346; KG FamRZ 1990, 183; OLG Bamberg JurBüro 1994, 45; OLG Celle (21. Zivilsenat) JurBüro 2002, 540; Schwab/ Borth Handbuch des Scheidungsrechts 4. Aufl. Rdn. IV 78; Johannsen/Henrich/Thalmann § 115 ZPO Rdn. 67; Kühner in Scholz/Stein Teil K Rdn. 124).
b) Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist der Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß unterhaltsrechtlicher Natur (BGHZ 56, 92, 94; Senatsurteil BGHZ 89, 33, 38 f.; Senatsurteil BGHZ 110, 247, 248). Nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen schuldet ein Elternteil jedenfalls dann keinen Prozeßkostenvorschuß an sein minderjähriges Kind, wenn dadurch sein notwendiger Selbstbehalt verletzt würde (Senatsurteil BGHZ 110, 247, 249). Ist der Elternteil hingegen in der Lage, ohne Verletzung seines Eigenbedarfs Raten auf den Prozeßkostenvorschuß zu leisten, steht eine mangelnde Fähigkeit, den Vorschuß in einer Summe zu leisten, dem Anspruch nicht entgegen. Die unterhaltsrechtliche Natur und der Vergleich mit den wiederkehrenden monatlichen Unterhaltsleistungen sprechen sogar ausdrücklich für eine Vorschußpflicht auch in Form von Ratenzahlungen.
Dem steht nicht entgegen, daß ein vorschußberechtigtes Kind seinerseits gegenüber seinem Prozeßbevollmächtigten und der Staatskasse in vollem Umfang vorschußpflichtig ist. Denn diese Vorschußpflicht entfällt, wenn ihm - sei es auch nur gegen Raten - Prozeßkostenhilfe bewilligt wird (a.A. Gerhardt/Oelkers aaO 16. Kap. Rdn. 22 m.w.N.). Maßgeblich ist vielmehr die Überlegung, daß der Prozeßkostenvorschuß unterhaltsrechtlich zu beurteilen ist und eine Form des Sonderbedarfs darstellt (vgl. dazu Kalthoener/Büttner/Worbel-Sachs, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe 2. Aufl. Rdn. 371 ff.). Wenn also der unterhaltspflichtige Elternteil für ein von ihm selbst zu führendes Gerichtsverfahren Prozeßkostenhilfe nur unter Anordnung von Raten erhalten würde und er weiterhin - wie hier der Kindesvater - über ein den notwendigen Selbstbehalt deutlich übersteigendes Einkommen verfügt, das ihn unterhaltsrechtlich in die Lage versetzt, den Sonderbedarf Prozeßkostenvorschuß zumindest in diesen Raten aufzubringen, erscheint es nicht gerechtfertigt, das prozeßführende Kind von jeder Ratenzahlungspflicht freizustellen , obwohl es unterhaltsrechtlich über Vermögen in Form eines - wenn auch ratenweise zu erfüllenden - Anspruchs auf Prozeßkostenvorschuß gegen einen Elternteil verfügt (OLG Köln FamRZ 2003, 102). Aus Gründen der Billigkeit ist lediglich eine weitergehende Ratenzahlungsbelastung, als sie nach § 115 Abs. 1 ZPO in Betracht käme, ausgeschlossen. Denn es würde dem unterhaltsrechtlichen Maßstab der Billigkeit widersprechen, wenn der Unterhaltspflichtige in stärkerem Maße in Anspruch genommen würde, als dieses bei eigener Prozeßführung der Fall wäre (OLG Dresden FamRZ 2002, 1412). 3. Mit den Raten auf seinen Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß erlangt das unterhaltsberechtigte Kind Vermögen im Sinne von § 115 ZPO, das es für die Prozeßkosten einsetzen muß. Im Umfang der Raten auf den geschuldeten
Prozeßkostenvorschuß sind der Klägerin deswegen auch für das Verfahren der Rechtsbeschwerde Ratenzahlungen aufzuerlegen. Unterhaltsrechtlich ist der Kindesvater ohne Gefährdung seines eigenen notwendigen - und hier sogar des angemessenen - Selbstbehalts in der Lage, an die Klägerin einen Prozeßkostenvorschuß in monatlichen Raten zu je 30 € zu zahlen. Diese Verpflichtung zur Ratenzahlung ist für den Vater der Klägerin auch nicht unbillig, weil er nach den nunmehr nachgewiesenen Einkommensund Vermögensverhältnissen für einen eigenen Prozeß Raten in gleicher Höhe aufbringen müßte. Aus dem nachgewiesenen Nettoeinkommen in Höhe von insgesamt 2.295 € und der Mieteinnahme in Höhe von monatlich 300 € ergeben sich Gesamteinkünfte in Höhe von monatlich 2.595 €. Davon sind im Rahmen des § 115 ZPO der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 76 Abs. 2 a BSHG mit 149 €, der Einkommensfreibetrag in Höhe von 364 € und der Unterhaltsfreibetrag für die Klägerin in Höhe von 256 € abzusetzen. Weiterhin sind die Kreditbelastungen der vom Kindesvater bewohnten Eigentumswohnung in Höhe von 1.100 € und die entsprechenden Heizkosten mit 75 € zu berücksichtigen. Abzusetzen sind zusätzlich die monatlichen Darlehensraten von 600 € für die zweite Eigentumswohnung, deren Mieteinkünfte im Gegenzug als Einkommen berücksichtigt worden sind. Das ergibt ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von monatlich 51 € und damit nach § 115 ZPO eine zu erbringende monatliche Rate in Höhe von 30 €. Jedenfalls in dieser Höhe ist die Verpflichtung zur Zahlung
eines Prozeßkostenvorschusses für den Kindesvater nicht unbillig und wahrt auch dessen notwendigen Selbstbehalt, wie es der Berechnung nach § 115 ZPO systemimmanent ist.
Hahne Sprick Wagenitz Vézina Dose

(1) Freiheitsentziehungssachen sind Verfahren, die die auf Grund von Bundesrecht angeordnete Freiheitsentziehung betreffen, soweit das Verfahren bundesrechtlich nicht abweichend geregelt ist.

(2) Eine Freiheitsentziehung liegt vor, wenn einer Person gegen ihren Willen oder im Zustand der Willenlosigkeit insbesondere in einer abgeschlossenen Einrichtung, wie einem Gewahrsamsraum oder einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses, die Freiheit entzogen wird.

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 216/10
vom
20. Januar 2011
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Januar 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke, Dr. SchmidtRäntsch
und Dr. Roth und die Richterin Dr. Brückner

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6. August 2010 aufgehoben. Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juni 2010 insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Betroffenen erkannt worden ist, und neu gefasst: Die aufgrund des vollstreckbaren Beschlusses der 29. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 3. März 2010 von der beteiligten Behörde an den Betroffenen zu erstattenden notwendigen Auslagen werden auf 1.358,98 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. April 2010 festgesetzt. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die beteiligte Behörde. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 543,83 €.

Gründe:

I.

1
Die Haftanordnung des Amtsgerichts zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen hat das Landgericht für rechtswidrig erklärt. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen hat es der beteiligten Behörde auferlegt.
2
Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 9. April 2010 beantragte der Betroffene die Festsetzung folgender Kosten gegen die beteiligte Behörde: "1. Instanz Verfahrensgebühr gem. Nr. 6300 VV RVG 400,00 € Terminsgebühr gem. Nr. 6301 VV RVG 400,00 € Postentgeltpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 € zzgl. 19 % MwSt. gem. Nr. 7008 VV RVG 155,80 € Summe 975,80 € 2. Instanz 1,6 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV RVG (Streitwert 3.000,- €) 302,00 € Postentgeltpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 € zzgl. 19 % MwSt. gem. Nr. 7008 VV RVG 61,18 € Summe 383,18 €"
3
Dem ist die beteiligte Behörde nicht entgegengetreten.
4
Das Amtsgericht hat einen Betrag von 815,15 € nebst Zinsen festgesetzt. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er die vollständige Durchsetzung seines Kostenfestsetzungsantrags.

II.

5
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts entstehen für die anwaltliche Vertretung in Freiheitsentziehungssachen Rahmengebühren von 30 € bis 400 €. Die Höhe der Gebühr bestimme der Rechtsanwalt nach billigem Ermessen. Sei die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, sei die Bestimmung dann nicht verbindlich , wenn sie unbillig sei. In Fällen, die nach Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit durchschnittlich gelagert seien, sei grundsätzlich die Mittelgebühr anzusetzen. Besondere Umstände, die ein Abweichen von der Mittelgebühr rechtfertigten, lägen nicht vor. Den Besonderheiten des Freiheitsentziehungsverfahrens, das erhöhte Anforderungen an den Rechtsanwalt stelle, habe der Gesetzgeber bereits bei der Bemessung des Gebührenrahmens Rechnung getragen. Weitere gebührenerhöhende Umstände habe die Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen nicht vorgetragen.

III.

6
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die nach § 85 FamFG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist begründet.
7
1. Zutreffend ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, dass der Rechtsanwalt bei der Vertretung eines Betroffenen in Freiheitsentziehungssachen in jeder Instanz eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr von 30 - 400 € erhält (Nr. 6300 und 6301 VV RVG) und dass der Rechtsanwalt die Höhe der jeweiligen Gebühr innerhalb des vorgegebenen Rahmens nach billigem Ermessen bestimmt (§ 14 Abs. 1 RVG).
8
2. Nicht beachtet hat das Beschwerdegericht jedoch, dass die Beurteilung , ob die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung billig oder unbillig ist, davon abhängt, ob er die Gebühr von dem Auftraggeber oder von einem erstattungspflichtigen Dritten verlangt.
9
a) Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers , nach billigem Ermessen. Die Vorschrift gilt lediglich für das Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten; dass die Bestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Rechtsanwalt darzulegen und im Streitfall zu beweisen (AG München, ZfS 1992, 310 zu der gleichlautenden Regelung in § 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO; Bischof/Jungbauer, RVG, 2. Aufl., § 14 Rn. 119; Gerold/ Schmidt-Mayer, RVG, 19. Aufl., § 14 Rn. 8; Goebel/Gottwald/Onderka, RVG, § 14 Rn. 39; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 14 Rn. 83).
10
b) In § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG heißt es, dass dann, wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich ist, wenn sie unbillig ist. Im Unterschied zu der in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG enthaltenen Regelung ist hier die Billigkeit der Bestimmung kein anspruchsbegründendes Merkmal des anwaltlichen Gebührenanspruchs, sondern die Unbilligkeit ist eine Einwendung des Dritten im Rahmen des Erstattungsverfahrens (Goebel/Gottwald/Onderka, RVG, § 14 Rn. 42). Deshalb trägt nicht der Rechtsanwalt, sondern der Dritte die Darlegungs- und Beweislast dafür , dass es an der Billigkeit fehlt (AG München, ZfS 1992, 310 zu der gleichlautenden Regelung in § 12 Abs. 1 Satz 2 BRAGO; AnwK-RVG/Rick, 4. Aufl., § 14 Rn. 80; Bischof/Jungbauer, RVG, 2. Aufl., § 114 Rn. 122; Gerold/Schmidt- Mayer, RVG, 19. Aufl., § 14 Rn. 7; Goebel/Gottwald/Onderka, RVG, § 14 Rn. 42; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 14 Rn. 84).
11
c) Das Landgericht hat die notwendigen Auslagen des Betroffenen der beteiligten Behörde auferlegt. Sie ist deshalb Dritte im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG (siehe nur Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 19. Aufl., § 14 Rn. 7). Nach dieser Vorschrift beurteilt es sich demnach, ob die von der Verfahrensbevollmächtigen des Betroffenen getroffene Bestimmung unbillig ist. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung jedoch auf die zu § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG entwickelten Grundsätze (siehe vorstehend unter a) gestützt, denn es hat die Festsetzung der geltend gemachten Höchstgebühr mit der Begründung abgelehnt , dass die Verfahrensbevollmächtigte keine weiteren gebührenerhöhenden Umstände als die von ihm gewürdigten vorgetragen hat. Das ist fehlerhaft. Die Beteiligte zu 2 ist der Höhe der geltend gemachten Gebühren nicht entgegengetreten. Die von der Verfahrensbevollmächtigten getroffene Bestimmung kann deshalb nicht von dem Gericht als unbillig bezeichnet werden.
12
3. Da die angefochtene Entscheidung somit keinen Bestand hat, ist sie aufzuheben; der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht erforderlich sind (§ 85 FamFG i.V.m. § 577 Abs. 5 ZPO). Dies führt dazu, dass dem Kostenfestsetzungsantrag in vollem Umfang stattzugeben ist.

IV.

13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 85 FamFG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO (Keidel/Zimmermann, FamFG, 16. Aufl., § 85 Rn. 17 a.E.). Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Roth Brückner
Vorinstanzen:
AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 15.06.2010 - 934 XIV 1761/09 -
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 06.08.2010 - 2-29 T 119/10 -

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.