Landgericht München I Urteil, 18. Nov. 2015 - 35 O 4819/15

bei uns veröffentlicht am18.11.2015

Gericht

Landgericht München I

Gründe

Landgericht München I

Az.: 35 O 4819/15

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am 18.11.2015

..., Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

...

- Kläger -

Prozessbevollmächtigte: ...

gegen

...

- Beklagte -

Prozessbevollmächtigte: ...

wegen Forderung

erlässt das Landgericht München I - 35. Zivilkammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.07.2015 folgendes

Endurteil

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung von Bausparverträgen.

Der Kläger und seine Ehefrau ... schlossen am 24.09.1981 mit der Beklagten einen Bausparvertrag mit einer Bausparsumme von 100.000,- DM, 3% Guthabens- und 5% Darlehenszins ab (Anlage K 1). Mit Wirkung zum 24.03.1982 teilten die Parteien den Vertrag in 5 Verträge über jeweils 20.000,- DM auf (Anlage K 3). Bei einem der 5 Verträge zahlte die Beklagte das Bauspardarlehen nach Eintritt der Zuteilungsreife an den Kläger aus. Am 28.03.1991 schloss der Kläger daraufhin einen neuen Bausparvertrag mit der Klägerin über 20.000,- DM ab. Im Zuge der Umstellung auf € rundete die Beklagte die Vertragssummen auf jeweils 11.000,- € auf (Anlage K 4); die 5 Verträge erhielten dabei die Nummern ... und ...

Nach § 9 Abs. 1 der die Verträge einbezogenen Allgemeinen Bausparbedingungen ist bestimmt:

„Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. (...)“.

Der Kläger leistete auf die Verträge bis zum Jahr 2002 die vereinbarten monatlichen Sparraten.

Die Zuteilungsreife der Verträge trat im Jahr 2003 ein, nachdem mindestens 40% der jeweiligen Bausparsumme angespart waren. Die vertragsgemäß möglichen Bauspardarlehen nahm der Kläger in der Folge nicht in Anspruch.

Mit gleichlautenden Schreiben vom 27.10.2014 (Anlagen K 5-K 9) kündigte die Beklagte die Verträge zum 29.05.2015, weil sie seit mehr als 10 Jahren zuteilungsreif seien, ohne dass der Kläger Bausparmittel abgerufen habe. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20.11.2014 (Anlage K 10) verwahrte sich der Kläger gegen die Kündigungen; die Beklagte reagierte darauf nicht.

Der Kläger meint, die Kündigungen seien unwirksam. Eine vollständige Valutierung der von dem Kläger an die Beklagte gewährten Darlehen läge nicht vor, weil der Kläger noch nicht jeweils 11.000,- € angespart habe. Der vollständige Empfang des Darlehens könne bei einem Bausparvertrag nicht mit der Zuteilungsreife gleichgesetzt werden. Außerdem sei die Kündigung nach den Allgemeinen Bausparbedingungen ausgeschlossen. Schließlich verstießen die Kündigungen der Beklagten gegen Treu und Glauben.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte müsse ihm auch unter dem Gesichtspunkt des Verzugs auch die Anwaltskosten für das Schreiben vom 20.11.2014 i. H. v. 2.994,04 € ersetzen bzw. ihn davon freistellen.

Der Kläger beantragt,

I.

Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten gegenüber dem Kläger erteilten Kündigungen der Bausparverträge mit den Nummern ... und ... vom 27.10.2014 zum 29.05.2015 unwirksam sind.

II.

Es wird festgestellt, dass die Bausparverträge mit den Nummern ... und ... des Klägers bei der Beklagten über den 29.05.2015 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbestehen.

III.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den vorgerichtlichen entstandenen Rechtsanwaltskosten i. H. v. 2.994,04 € nebst Zinsen i. H. v. 5%-Punkten seit Klagezustellung freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

Klageabweisung.

Die Beklagte trägt vor, der Kläger habe die Bausparverträge seit langem nur noch als Möglichkeit der Geldanlage genutzt, nicht aber entsprechend dem spezifischen Vertragszweck, um günstige Bauspardarlehen zu erlangen. Die Kündigungen seien wirksam; ein Ausschluss des gesetzlichen Kündigungsrechts der Beklagten durch Bausparbedingungen sei unwirksam.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Rechtsstreit ist durch Beschluss vom 02.06.2015 zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen worden.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die streitgegenständlichen Bausparverträge wurden jeweils durch die Kündigung der Beklagten nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB unter Einhaltung der Frist von 6 Monaten zum 29.05.2015 beendet.

1. Die Beklagte war nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt.

a) Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang - oder nach der letzten Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz, falls diese nach dem vollständigen Empfang erfolgte - unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen.

Die Vorschrift gilt auch für Bausparverträge. Ein Bausparvertrag ist ein einheitlicher Darlehensvertrag, bei dem zunächst der Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist und die Parteien sodann mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2011, 9 U 151/11 LG Aachen, Urteil vom 19.05.2015, 10 O 404/14, LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15). Es handelt sich daher um einen einheitlichen Vertrag mit zwei Stufen. Der Bausparer spart bis zur Zuteilungsreife ein Guthaben an. Hierfür erhält er die vereinbarte Guthabenverzinsung. Nach Zuteilung kann der Bausparer bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.11.2011, 9 U 151/11, LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15). Damit ist der Bausparvertrag auch bereits in der Ansparphase als Darlehensvertrag zu qualifizieren (LG Mainz, Urteil vom 28.07.2014, 5 O 1/14, LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15).

b) Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt auch zugunsten eines Darlehensnehmers, der kein Verbraucher ist, insbesondere auch für Banken und Bausparkassen (vgl. auch LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.08.2015, Az. 6 O 1708/15). Eine Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. Staudinger/Mülbert, BGB [2010], § 488, Rn. 549). Die Formulierung „Darlehensnehmer“ enthält zunächst in personeller Hinsicht keinerlei Einschränkung. Zudem ergibt sich aus einem Vergleich von § 489 Abs. 1 Nr. 2 (nunmehr aufgehoben) und § 489 Abs. 1 Nr. 3 (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.), dass der Gesetzgeber zwar für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. die Verbrauchereigenschaft des Darlehensnehmers vorausgesetzt hat („wenn das Darlehen einem Verbraucher gewährt und nicht durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist ...“), für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 a. F. (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) hingegen gerade nicht („in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang“).

Auch befindet sich § 489 BGB nach der Gesetzessystematik im für Darlehensnehmer und Darlehensverträge aller Art geltenden Abschnitt „Kapitel 1 Allgemeine Vorschriften“. Das folgende „Kapitel 2 Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge“ beinhaltet die §§ 491 BGB. Bereits aus den Überschriften ergibt sich, dass die §§ 488 bis 490 als allgemeine Vorschriften auf sämtliche Darlehensverträge Anwendung finden. Im Kapitel 2 befindet sich in § 500 BGB ein spezielles Kündigungsrecht für bestimmte Verbraucherdarlehensverträge. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass § 489 Abs. 1 Nr. 2, der nicht an die Verbrauchereigenschaft anknüpft, auch für andere Darlehensnehmer anwendbar sein soll. Zudem hat der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass § 489 für alle Darlehensnehmer anwendbar ist, lediglich § 500 BGB ausschließlich für Verbraucher (vgl. BT-Drucksache 16/11642, S. 74 f.). Dass Darlehensnehmer nicht nur ein Verbraucher sein kann, ergibt sich auch im Umkehrschluss aus § 489 Abs. 4 S. 2 BGB, wonach das Kündigungsrecht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, usw. abweichend von S. 1 durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden kann.

Der Verweis auf § 609 a BGB a. F. führt vorliegend auch nicht weiter, da zum Einen der jetzige Wortlaut in § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB („in jedem Fall“) keine Einschränkung vornimmt und eine solche auch nicht unter Verweis auf § 609 a BGB a. F. unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialen vorgenommen werden kann. So lässt sich der BT-Ds 10/4741 entnehmen, dass im Falle eines einseitigen Zinsbestimmungsrechts bzw. einem Darlehen mit variablem Zinssatz das Kündigungsrecht als Gegengewicht ausgestaltet werden sollte, was gerade im vorliegenden Fall, mit festem Zinssatz und der Regelung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, nicht gegeben ist.

Schließlich spricht auch die teleologische Auslegung dafür, den Anwendungsbereich nicht auf Verbraucher zu beschränken. Sinn und Zweck des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist, den Darlehensnehmer bei einem festverzinslichen Darlehen vor einer mehr als zehn Jahre andauernden vertraglichen Bindung an einen nicht mehr zeitgemäßen Zinssatz zu bewahren (LG Aachen, Urteil vom 15.05.2015, 10 O 404/14 LG Hannover, Urteil vom 13.07.2015, 14 O 93/15 LG Hannover, Urteil vom 30.06.2015, 14 O 55/15, LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15). Dieser Schutzzweck gilt für jeden Darlehensnehmer, nicht nur für einen Verbraucher. Selbst wenn der Gesetzgeber nicht ausdrücklich die vorliegende Konstellation im Auge hatte, wonach beim Bausparvertrag zunächst der Bausparer in der Ansparphase der Darlehensgeber und die Bausparkasse die Darlehensnehmerin ist, ist die Vorschrift nach ihrem Schutzzweck auch hierauf anwendbar. Der Schutzzweck des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt in besonderem Maße für Bausparkassen, weil ihre Guthabenszinssätze noch unter den marktgerechten Zinssätzen liegen (müssen), um das Ziel zinsgünstiger Bauspardarlehen erreichen zu können (LG Hannover, Urteil vom 13.07.2015, 14 O 93/15, LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15). Gerade bei Bausparverträgen, die oft mehrere Jahrzehnte bespart werden, kommt es bei einer wirtschaftlichen Veränderung, wie sie eingetreten ist, wonach der Kapitalzins sehr stark fällt, zu einer langjährigen vertraglichen Bindung der Bausparkasse an einen nicht mehr zeitgemäßen Zinssatz. Das Zinsänderungsrisiko würde ohne Kündigungsmöglichkeit der Bausparkasse einseitig auf diese verlagert. Dies trifft die Bausparkassen, die nur zweckgebunden für wohnungswirtschaftliche Maßnahmen Darlehensvertragspartei sind, besonders hart (LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15).

Zudem sichert beim Bausparvertrag die Verknüpfung der Unkündbarkeit des Bausparvertrags mit der Gewährung eines Bauspardarlehens die Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2011, 9 U 151/11, LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15). So kann sich der Bausparer eine niedrige Darlehensverzinsung mit einer niedrigeren Guthabenverzinsung in der Ansparphase sichern, umgekehrt rechtfertigt eine höhere Guthabenverzinsung in der Ansparphase einen höheren Darlehenszins der Bausparkasse. Würde der Bausparvertrag auch nach Erreichen der Bausparsumme für die Bausparkasse unkündbar bleiben, könnten die Bausparer eine attraktive höhere Verzinsung erhalten, ohne dass sie in der Form von höheren Darlehenszinsen eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen hätten (OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2011, 9 U 151/11, LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15). Zweck des Bausparvertrags ist aber nicht die zinsgünstige Geldanlage, sondern die Erlangung eines Bauspardarlehens, so dass ein Bausparvertrag nach Erreichen der Bausparsumme von der Bausparkasse gemäß § 488 Abs. 3 BGB ordentlich gekündigt werden kann (OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2011, 9 U 151/11, LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15). Die eben erwähnte Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung ist auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Bausparvertrag zuteilungsreif ist, das Bauspardarlehen aber tatsächlich nicht in Anspruch genommen wird, nicht mehr gegeben. Wenn der Bausparer trotz Zuteilungsreife gar nicht beabsichtigt, ein Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen, ist das wechselseitige Verhältnis zwischen der Ansparphase und der Darlehensphase bereits zu dem Zeitpunkt de facto aufgehoben und eine Kündigungsmöglichkeit für die Bausparkasse gerechtfertigt. Zudem wird die Zeit ab Zuteilungsreife bis zum Erreichen der Bausparsumme maßgeblich vom Bausparer durch die Höhe der vorgenommenen Einzahlungen beeinflusst und kann u.U. Jahrzehnte dauern. Dies ist jedoch der Bausparkasse nicht zuzumuten und widerspricht dem der Einführung des zehnjährigen Kündigungsrechts zugrunde liegenden Gedanken, dass sich ein Vertragspartner in jedem Fall nach einer gewissen Zeit (nämlich nach 10 Jahren) von einem Darlehen soll lösen können, dessen Zinssatz nicht mehr zeitgemäß ist (vgl. BT-Drucksache 10/4741, S. 23; LG Osnabrück, Urteil vom 21.08.2015, 7 O 545/15).

c) Mit Zuteilungsreife, die unstreitig spätestens jeweils zehn Jahre vor Erklärung der Kündigung erstmalig eingetreten ist, ist von einem „vollständigen Empfang“ der Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch die Beklagte auszugehen (LG Mainz WM 2015, 181; Staudinger/Mülbert a. a. O., Rn. 549, LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.08.2015, Az. 6 O 1708/15). Bereits die Formulierung in § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.E. zeigt, dass nicht nur der Zeitpunkt der vollständigen Valutierung in Betracht kommt. Dass der Zeitpunkt der Zuteilungsreife maßgeblich ist folgt aus der Struktur des Bausparvertrags, dessen Zweck vorrangig darauf gerichtet ist, dem Bausparer nach der Erbringung ausreichender Sparleistungen den Zugriff auf ein darüber hinausgehendes, zinsgünstiges Darlehen zu ermöglichen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.08.2015, Az. 6 O 1708/15). Dieser Zugriff steht dem Bausparer ab erstmaligem Eintritt der Zuteilungsreife zu. Daher liegt es nahe, die Sparleistungen, die der Bausparer zur Erreichung der Zuteilungsreife erbringen muss, als den vollständigen Gegenstand des Darlehens anzusehen, das der Bausparer der Bausparkasse während der Ansparphase gewährt. Auch wenn der Bausparer nach Erreichen der Zuteilungsreife das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nehmen muss und weitere Sparleistungen erbringen kann, ändert dies nichts daran, dass die Bausparkasse das (mit Abschluss des Bausparvertrags ins Auge gefasste, zur planmäßigen Erreichung der Zuteilungsreife notwendige) Darlehen des Bausparers mit Zuteilungsreife erhalten hat, weshalb von einem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta auszugehen ist. Dies führt gleichermaßen dazu, dass ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB während der Ansparphase nicht entstehen kann und es daher ausgeschlossen ist, dass die Bausparkasse durch eine Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB das Recht des Bausparers zur Erlangung des Bauspardarlehens vereitelt. Wenn allerdings die Zuteilungsreife erreicht ist, muss der Bausparkasse eine Kündigung möglich sein, da ansonsten die Dauer der Ansparphase ins Belieben des Bausparers gestellt würde, was über den Zweck des Bausparens, der Erlangung eines zinsgünstigen Darlehens, hinausginge und auch die Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung nicht mehr gewährleistet würde (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15).

2. Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB war auch nicht vertraglich ausgeschlossen. Dabei kann dahinstehen, ob sich die Bestimmung in § 9 ABB auch auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB beziehen soll. Denn ein vertraglicher Ausschluss des Kündigungsrechts wäre unwirksam. Nach § 489 Abs. 4 S. 1, S. 2 BGB kann das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 nur dann durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden, wenn der Darlehensnehmer der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, ein Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften ist. Die Beklagte ist keine der in § 489 Abs. 4 S. 2 BGB genannten Gebietskörperschaften. Auch eine analoge Anwendung des § 489 Abs. 4 S. 2 BGB auf die Beklagte ist nicht geboten (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. § 489 Rn. 74; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 489 Rn. 13; BeckOK-BGB/Rohe [Stand: 01.05.2015], § 489 Rn. 19).

Nach dem Wortlaut und der systematischen Fassung des Gesetzes spricht nichts dafür, dass in § 489 Abs. 4 S. 2 BGB generell juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Darlehensnehmer erfasst sein sollten. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber erkennbar die Mühe gemacht, die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts, auf die der Ausschluss nach § 489 Abs. 4 S. 2 BGB anzuwenden sein soll, ausdrücklich aufzuzählen. Diese Aufzählung hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform ausdrücklich beibehalten und um die Europäischen Gemeinschaften sowie ausländische Gebietskörperschaften erweitert. Diese enummerative Bestimmung bestimmter juristischer Personen des öffentlichen Rechts spricht dagegen, die Regelungen auf die Beklagte zu erweitern, nur weil diese in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben wird (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.08.2015, Az. 6 O 1708/15).

Welchen Zweck der Gesetzgeber mit der Auswahl der in § 489 Abs. 4 Satz 2 genannten Gebietskörperschaften verfolgt hat, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht (vgl. BT-Drucks. 10/4741, S. 22). Nachdem der Gesetzgeber aber gerade darauf verzichtet hat, die Ausnahme des § 489 Abs. 4 S. 2 BGB auf sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechts zu erstrecken, obwohl dies unschwer möglich gewesen wäre, und diese Entscheidung auch über eine Anpassung der Vorschrift hinweg beibehalten hat, erscheint es ausgeschlossen, die Ausnahme im Wege der Analogie grundsätzlich auch auf andere öffentlich-rechtlich geprägte Erscheinungsformen der öffentlichen Hand erstrecken. Vielmehr ist verbindendes Element der Regelung in § 489 Abs. 4 S. 2 BGB die Eigenschaft als Gebietskörperschaft, die der Beklagten offensichtlich fehlt. Dies deutet darauf hin, dass sie Ausnahme gerade auf die herkömmlich von Gebietskörperschaften ausgegebenen langläufigen Anleihen beziehen soll, die durch § 489 Abs. 4 S. 1 BGB nicht ausgeschlossen werden sollen. Dieser Zweck lässt sich auf die Beklagte als ... gerade nicht übertragen (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.08.2015, Az. 6 O 1708/15).

3. Die Kündigung ist auch nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen. Ein widersprüchliches Verhalten der Beklagten liegt nicht vor. Das Kündigungsrecht, das für die Beklagte erst ab 2013 gegeben war, ist auch nicht verwirkt.

II.

Der Kostenausspruch folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

III.

Das für den Streitwert maßgebliche Interesse des Klägers an dem Fortbestand der streitgegenständlichen Bauverträge bemisst sich nicht nach den Vertragssummen (vorliegend: 5 × 11.000,- €), sondern nach seinem eigenen Vortrag nach den günstigeren Zinskonditionen gegenüber der aktuellen Marktlage bei Neuabschluss derartiger Verträge. In Ermangelung jeglicher konkreter Anhaltspunkte schätzt das Gericht die Zinsvorteile, die sich der Kläger sichern will, auf 12.500,- € (§ 3 ZPO). Unter Berücksichtigung des für den Feststellungsantrag gebotenen Abschlag von 20% gegenüber einer Leistungsklage ergibt sich daraus ein Streitwert von 10.000,- €.

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(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,

1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen;
2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.

(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.

(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.

(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.

(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger jeweils zur Hälfte

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Bestand eines Bausparvertrages. Die Beklagte betreibt eine Bausparkasse. Die Klägerin schloss am 27.02.1987 zwei Bausparverträge über jeweils DM 20.000,00 (€ 10.255,84) mit den Nummern … und … ab. Die Garantieverzinsung betrug 2,5 %. Die Zuteilungsreife beider Bausparverträge war am 31.03.1994. Zum 31.12.2012 wurden beide Bausparverträge mit einem Guthaben von jeweils € 6.993,48 geführt. Grundlage der beiden Bausparverträge waren die allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB). Die Klägerin leistet seit Jahren keine Einzahlungen mehr auf das Bausparguthaben. Die Bausparguthaben der Klägerin erhöhten sich dementsprechend in der Vergangenheit jeweils nur durch die gutgeschriebenen Zinsen. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 20.09.2013 zum 31.03.2014 beide Bausparverträge.

2

Die Klägerin ist der Ansicht,

3

der Beklagten stünde ein Kündigungsrecht nicht zu. § 489 Abs. 2 Nr. 2 BGB liege hier nicht vor, da es auf die Zuteilungsreife nicht ankomme. Es bestünde keine Pflicht zur Inanspruchnahme des Darlehens bei Zuteilungsreife.

4

Die Klägerin beantragt,

5

1. festzustellen, dass die bei der Beklagten bestehenden Bauverträge mit den Nummern … und Nummer … vom 20.09.2013 über den 31.03.2014 hinaus zu veränderten Bedingungen fortbestehen.

6

Die Beklagte beantragt,

7

die Klage abzuweisen.

8

Sie ist der Ansicht, der Klägerin gehe es nicht um die Inanspruchnahme eines zinsgünstigen Darlehens zur wohnungswirtschaftlichen Verwendung sondern, ihr Geld dauerhaft zu einem festen und günstigen Zinssatz anzulegen. Das Recht zur Kündigung ergebe sich aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB und sei weder durch die ABB noch durch Individualvereinbarung ausschließbar. Mit der Zuteilungsreife beginne die 10-jährige Frist des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

9

In Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 04.07.2014 (Bl. 48 f. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage ist zulässig, nachdem die Klägerin auf Hinweis des Gerichtes den Antrag umgestellt hat. Sie ist in der Sache unbegründet.

11

Die Beklagte hat beide Bausparverträge zum 31.03.2014 wirksam gekündigt und dadurch das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis beendet.

12

Zweck des Bausparvertrages ist nicht die zinsgünstige Geldanlage, sondern die Erlangung eines Bauspardarlehens, § 1 Abs. 1 ABB 7 bzw. Präambel zu den ABB. Es handelt sich um einen einheitlichen Vertrag mit zwei Stufen. Zunächst wird vom Bausparer bis zur Zuteilungsreife ein Guthaben angespart. Hierfür erhält er die vereinbarte Guthabenverzinsung. Nach Zuteilung kann der Bausparer bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen. Der Bausparer ist jedoch nicht verpflichtet, nach Zuteilung das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen (§ 15 Abs. 2 ABB). Während der Ansparphase handelt es sich um einen Darlehensvertrag. Es wird einhellig die Meinung vertreten, dass in dem Bausparvertrag ein einheitlicher Darlehensvertrag dahingehend zu sehen ist, dass die Bausparkasse und der Bausparer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen. Die Einlagen des Bausparers stellen daher ein Darlehen an die Beklagte dar, für dessen Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt ist. Für den Fall, dass der Bausparer nach Zuteilung das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nimmt enthalten die ABB keine Regelung. Gemäß § 1 Abs. 1 ABB 7 ist lediglich das aufgrund planmäßiger Sparleistungen zu erlangende Tilgungsdarlehen unkündbar. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass die Bausparkasse den Bausparvertrag nicht kündigen darf, wenn sie dadurch dem Bausparerden Anspruch auf das Tilgungsdarlehen entzieht. Als Ausnahme hierzu sieht § 5 Abs. 3 ABB 7 ein spezielles Kündigungsrecht der Bausparkasse im Fall des Rückstandes von Regelsparbeiträgen vor. Das bedeutet dass der Bausparvertrag solange unkündbar ist, wie die Auszahlung des Tilgungsdarlehens möglich ist und der Bausparer seine hierzu erforderlichen planmäßigen Sparpflichten erfüllt.

13

Vorliegend hat die Klägerin ihre planmäßigen Sparpflichten erfüllt. Sie hat indes seit nunmehr zehn Jahren ihre vertraglichen Rechte nicht ausgeübt. Die Ausrichtung des Bausparvertrages auf die Erlangung eines Bauspardarlehens in Höhe der Differenz zwischen Bausparguthaben und vereinbarter Bausparsumme ist jedoch der vereinbarte Vertragsgegenstand. Dass ein Darlehen über zehn Jahre hin nicht abgerufen wird ist nach Auffassung des Gerichtes kein vertragsgemäßer, dauerhaft aufrecht zu erhaltender Zustand. Da der Bausparvertrag während der Ansparphase als Darlehensvertrag zu qualifizieren ist, stellen die Einlagen des Bausparers, ein Darlehen an die Beklagte dar, für dessen Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt ist. Gemäß § 488 Abs. 3 BGB sind die Vorschriften über Darlehen grundsätzlich auch für Bauspardarlehen und Spareinlagen anzuwenden (Palandt, vor § 488 RN 17, 23).

14

Das Gericht verkennt nicht, dass der vorliegende Fall insoweit nicht mit, den Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt vom 22.02.2013 und des OLG Stuttgart vom 14.10.2011 (BeckRS 2012, 22642) übereinstimmt, weil in beiden Fällen die vertraglich vereinbarte Bausparsumme vollständig angespart worden war, so dass die Gewährung eines Bauspardarlehens nicht mehr möglich war. Insoweit hält das Gericht an seiner im Termin geäußerten Auffassung einer Kündbarkeit gem. § 488 Abs. 3 BGB zwar nicht fest. Dieser Unterschied führt vorliegend jedoch nicht zu einer anderen Einschätzung der Sachlage im Hinblick auf die grundsätzliche Kündbarkeit.

15

Selbst wenn man nicht von einem Kündigungsrecht gemäß § 488 Abs. 3 BGB ausgeht, konnte die Beklagte unter den Voraussetzungen des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zwingend ordentlich kündigen. § 489 BGB ist nicht auf Verbraucher beschränkt und steht auch der Bausparkasse zu. Für die Bausparkasse besteht damit zehn Jahre nach vollständigem Empfang der Darlehensvaluta eine Recht zur ordentlichen Kündigung mit sechsmonatiger Kündigungsfrist zu. Und zwar ist ein vollständiger Empfang im Sinne der Vorschrift aufgrund der strukturellen Eigenheiten des Bausparvertrages frühestens, aber auch schon bei Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife anzunehmen. Bereits hiermit und nicht erst mit der Zuteilung wird der für den Bausparvertrag charakteristische Zweck erreicht (Vergleiche Staudinger, BGB, 2011, § 488 RN 546, 549, 550). Die Zuteilungsreife war vorliegend unstreitig der 31.03.1994. Die Kündigung erfolgte am 20.09.2013 zum 01.04.2014. Die Zehnjahresfrist war am 31.03.2014 abgelaufen. Der Bausparer wird durch den Beginn der 10-Jahresfrist nicht für die Nichtannahme der Zuteilung sanktioniert, da diese lediglich dem Schutz der Bausparkasse vor einer überlangen Bindung dient.

16

Die Klägerin kann sich auch nicht auf den Grundsatz berufen, dass Verträge grundsätzlich einzuhalten sind, da sie selbst durch die Nichtannahme der Zuteilung über nunmehr 10 Jahre dem Vertragszweck zuwider gehandelt hat. In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, dass der Zweck des Bausparvertrages nicht die zinsgünstige Geldanlage sondern die Erlangung eines Darlehens ist. Dabei gibt die Höhe der Zinsen von 2,5 % keinen Ausschlag. Die Klägerin hat dies so gewählt, da sie sich im Zusammenhang von Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung durch einen niedrigen Guthabenzins eine niedrige Darlehensverzinsung gesichert hat.

17

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

18

Der Streitwert wird auf € 6.524,72 festgesetzt.

(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,

1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen;
2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.

(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.

(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.

(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.

(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.

Gründe

Landgericht Nürnberg-Fürth

Az.: 6 O 1708/15

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am 17.08.2015

..., Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

...

- Kläger -

Prozessbevollmächtigte: ...

gegen

...

Prozessbevollmächtigte: ...

wegen Feststellung

erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 6. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht - als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2015 folgendes

Endurteil

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 61.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass zwei zwischen den Parteien geschlossene Bausparverträge nicht durch eine Kündigung der Beklagten beendet worden sind.

Die Beklagte ist eine in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts betriebene Bausparkasse.

Am 30.12.1982 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag (Nr. ... über eine Bausparsumme in Höhe von 110.000,00 DM (entspricht 56.242,11 €).

Am 29.09.1986 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag ... über eine Bausparsumme in Höhe von 50.000,00 DM (entspricht 25.564,59 €).

Bei beiden Bausparverträgen sollte ein Guthaben des Bausparers mit 3%o p.a. zu verzinsen sein. Für beide Bausparverträge vereinbarten die Parteien die „Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge“ der Beklagten (nachfolgend: ABB). In § 9 ABB ist bestimmt:

Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.

Der Kläger erbrachte Einzahlung auf die Bausparverträge längstens bis zum Jahr 2002 (vgl. Anlagenkonvolut B3). Ein Bauspardarlehen beantragte er nicht.

Mit zwei Schreiben vom 27.10.2014 (Anlagen K5 und K6) erklärte die Beklagte jeweils die Kündigung der Bausparverträge zum 29.05.2015.

Zum Zeitpunkt der Klageerhebung wies der BSV 014 ein Guthaben von ca. 48.000,00 € (vgl. Anlage K3), der BSV 022 ein Guthaben von ca. 12.000,00 € (vgl. Anlage K4) auf.

Beide Bausparverträge waren im Zeitpunkt der Kündigung seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif.

Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigungen seien unwirksam, weil die Beklagte wegen eines vertraglichen Kündigungsverzichts und weil die angesparten Guthaben die vereinbarte Bausparsumme jeweils nicht erreichten, nicht zur Kündigung berechtigt gewesen sei.

Der Kündigungsverzicht in § 9 ABB sei wirksam, weil die Beklagte eine Anstalt des öffentlichen Rechts sei, die nach Sinn und Zweck des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB wirksam auf das Kündigungsrecht insbesondere nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB verzichten könne.

Dessen ungeachtet liege auch bei Eintritt der Zuteilungsreife noch kein vollständiger Empfang des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor.

An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten macht der Kläger eine 1,3-Geschäftsgebühr (nebst Pauschale und USt) aus einem Streitwert in Höhe von 61.000,00 €, mithin 1.954,46 € geltend.

Der Kläger beantragt - nach Klageerweiterung (Schriftsatz vom 20.05.2015, Bl. 25 ff. d. A.) - daher:

1. Es wird festgestellt, dass die Kündigungen der Beklagten im Hinblick auf die Bausparverträge des Klägers Nr. ... und vom 27.10.2014 unwirksam sind und die genannten Verträge über den von der Beklagten gewünschten Beendigungszeitpunkt 29.05.2015 hinaus fortbestehen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.954,46 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Sie meint, die Feststellungsklage sei unzulässig, da Gegenstand der Feststellung nur der Fortbestand des Vertragsverhältnisses, nicht die Unwirksamkeit einer Kündigung sein könne (vgl. BGH NJW 2000, 354, juris Tz. 44 ff.).

Jedenfalls sie sei nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt gewesen, weil diese seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif gewesen seien (vgl. LG Mainz WM 2015, 181). Das Eintreten der Zuteilungsreife sei als vollständiger Empfang des Darlehens i. S. der Vorschrift zu verstehen.

Auf dieses Kündigungsrecht habe auch die Beklagte nicht wirksam verzichtet, da sich der Kündigungsverzicht nur auf das ordentliche Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB beziehe und jedenfalls das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch für die Beklagte zwingenden Charakter habe (§ 489 Abs. 4 Satz 1 BGB). Insbesondere sei § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte nicht (analog) anwendbar.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Anlagen und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Der Feststellungsantrag ist zulässig.

Insbesondere hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Fortbestands der Bausparverträge i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 22.02.2013, Az. 2-21 O 69/12, juris Tz. 16). Dieses Feststellungsziel lässt sich bei einer interessengerechten Auslegung des Feststellungsantrags auch zweifelsfrei ermitteln.

II.

Die Klageanträge sind jedoch unbegründet, da die streitgegenständlichen Bausparverträge jeweils durch die Kündigung der Beklagten nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum 29.05.2015 beendet wurden.

1. Die Beklagte war nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt.

a) Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang - oder nach der letzten Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz, falls diese nach dem vollständigen Empfang erfolgte - unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen.

b) Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt auch zugunsten des eines Darlehensnehmers, der kein Verbraucher ist, insbesondere auch für Banken und Bausparkassen.

Eine Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. Staudinger/Mülbert, BGB [2010], § 488, Rn. 549). Vielmehr ergibt sich aus einem Vergleich von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (nunmehr aufgehoben) und § 489 Abs. 1 Nr. 3 (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2) BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.), dass der Gesetzgeber zwar für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. die Verbrauchereigenschaft des Darlehensnehmers vorausgesetzt hat („wenn das Darlehen einem Verbraucher gewährt und nicht durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist ...“), für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 a. F. (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) hingegen gerade nicht („in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang“).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Überschrift zu Titel 3 („Darlehensvertrag; Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher“), unter dem § 489 BGB aufgeführt ist. In dieser Titelüberschrift bezieht sich die Verbrauchereigenschaft nicht auf den erstgenannten Begriff des Darlehensvertrags, sondern auf die weiteren Begriffe Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge. Dementsprechend ist § 489 BGB auch nicht mit den §§ 491 ff. BGB unter der Überschrift zu Kapital 2 („Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge“) aufgeführt, sondern in Kapitel 1 („Allgemeine Vorschriften“). Auch aus dieser Systematik ergibt sich zwanglos, dass die in § 489 BGB geregelten Kündigungsrechte nicht nur für Verbraucher als Darlehensnehmer gelten sollen.

c) Zutreffender Weise gehen beide Parteien davon aus, dass die Beklagte als Bausparkasse beim Bausparvertrag in der Zeit vor der Gewährung eines Bauspardarlehens als Darlehensnehmer und der Kläger als Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 539 m. w. N.). Insoweit handelt es sich auch um einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz, nachdem die Beklagte verpflichtet sein sollte, das Bausparguthaben fest mit 3%o p.a. zu verzinsen.

d) Mit Zuteilungsreife, die unstreitig spätestens jeweils zehn Jahre vor Erklärung der Kündigung erstmalig eingetreten ist, ist von einem „vollständigen Empfang“ des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch die Beklagte auszugehen (LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 15; Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 549).

Dies folgt aus der Struktur des Bausparvertrags, dessen Zweck vorrangig darauf gerichtet ist, dem Bausparer nach der Erbringung ausreichender Sparleistungen den Zugriff auf ein darüber hinausgehendes, zinsgünstiges Darlehen zu ermöglichen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12). Dieser Zugriff steht dem Bausparer ab erstmaligem Eintritt der Zuteilungsreife zu. Daher liegt es nahe, die Sparleistungen, die der Bausparer zur Erreichung der Zuteilungsreife erbringen muss, als den vollständigen Gegenstand des Darlehens anzusehen, das der Bausparer der Bausparkasse während der Ansparphase gewährt. Auch wenn der Bausparer nach Erreichen der Zuteilungsreife das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nehmen muss und weitere Sparleistungen erbringen kann, ändert dies nichts daran, dass die Bausparkasse das (mit Abschluss des Bausparvertrags ins Auge gefasste, zur planmäßigen Erreichung der Zuteilungsreife notwendige) Darlehen des Bausparers mit Zuteilungsreife erhalten hat, weshalb von einem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta auszugehen ist. Dies führt gleichermaßen dazu, dass ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB während der Ansparphase nicht entstehen kann und es daher ausgeschlossen ist, dass die Bausparkasse durch eine Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB das Recht des Bausparers zur Erlangung des Bauspardarlehens vereitelt.

e) Die Beklagte hat die Kündigung der Verträge unstreitig mit den beiden Schreiben vom 27.10.2014 gegenüber dem Kläger erklärt. Die Kündigungsfrist von 6 Monaten (zum 29.05.2015) ist eingehalten.

2. Ein genereller Ausschluss des Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus den Besonderheiten des Bausparvertrags noch aus sonstigen Erwägungen.

a) Da der Bausparvertrag seinem Wesen nach auf die Verschaffung eines zinsgünstigen Darlehens und nicht primär auf eine dauerhafte Geldanlage gerichtet ist, spricht nichts dagegen, der Bausparkasse zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife ein Kündigungsrecht zuzugestehen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12 ff.).

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Scala-Rechtsprechung des LG Ulm (vgl. WM 2015, 826). In den dort betroffenen Fällen war nach der Konstruktion der Scala-Sparverträge im Zeitpunkt der jeweiligen Kündigung gerade noch nicht von einem vollständigen Empfang des Darlehens auszugehen, weshalb ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht bestehen konnte (vgl. a. a. O. juris Tz. 125).

3. Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB war auch nicht vertraglich ausgeschlossen.

a) Dabei kann dahinstehen, ob sich die Bestimmung in § 9 ABB auch auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB beziehen soll.

b) Denn ein vertraglicher Ausschluss des Kündigungsrechts wäre unwirksam.

aa) Nach § 489 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 BGB kann das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 nur dann durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden, wenn der Darlehensnehmer der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, ein Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften ist.

bb) Die Beklagte ist zwar als Anstalt des öffentlichen Rechts eine juristische Person des öffentlichen Rechts, jedoch keine der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB genannten Gebietskörperschaften.

cc) Auch eine analog Anwendung des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte ist nicht geboten (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. § 489 Rn. 74; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., §489 Rn. 13; BeckOK-BGB/Rohe [Stand: 01.05.2015], § 489 Rn. 19; a.A. wohl MüKoBGB/K. P. Berger, 6. Aufl., §489 Rn. 21).

Nach dem Wortlaut und der systematischen Fassung des Gesetzes spricht nichts dafür, dass in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB generell juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Darlehensnehmer erfasst sein sollten. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber erkennbar die Mühe gemacht, die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts, auf die der Ausschluss nach § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB anzuwenden sein soll, ausdrücklich aufzuzählen. Diese Aufzählung hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform ausdrücklich beibehalten und um die Europäischen Gemeinschaften sowie ausländische Gebietskörperschaften erweitert. Diese enummerative Bestimmung bestimmter juristischer Personen des öffentlichen Rechts spricht dagegen, die Regelungen auf die Beklagte zu erweitern, nur weil diese in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben wird.

Welchen Zweck der Gesetzgeber mit der Auswahl der in § 489 Abs. 4 Satz 2 genannten Gebietskörperschaften verfolgt hat, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht (vgl. BT-Drucks. 10/4741, S. 22). Nachdem der Gesetzgeber aber gerade darauf verzichtet hat, die Ausnahme des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechts zu erstrecken, obwohl dies unschwer möglich gewesen wäre, und diese Entscheidung auch über eine Anpassung der Vorschrift hinweg beibehalten hat, erscheint es ausgeschlossen, die Ausnahme im Wege der Analogie grundsätzlich auch auf andere öffentlich-rechtlich geprägte Erscheinungsformen der öffentlichen Hand erstrecken (so aber wohl MüKoBGB/K. P. Berger a. a. O.). Vielmehr ist verbindendes Element der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB die Eigenschaft als Gebietskörperschaft, die der Beklagten offensichtlich fehlt. Dies deutet darauf hin, dass sie Ausnahme gerade auf die herkömmlich von Gebietskörperschaften ausgegebenen längläufigen Anleihen beziehen soll, die durch § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht ausgeschlossen werden sollen. Dieser Zweck lässt sich auf die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Bausparkasse gerade nicht übertragen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth Fürther Str. 110 90429 Nürnberg einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,

1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen;
2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.

(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.

(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.

(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.

(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.

(1) Die Vorschriften dieses Kapitels gelten für Verbraucherdarlehensverträge, soweit nichts anderes bestimmt ist. Verbraucherdarlehensverträge sind Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge und Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge.

(2) Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge sind entgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer. Keine Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge sind Verträge,

1.
bei denen der Nettodarlehensbetrag (Artikel 247 § 3 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche) weniger als 200 Euro beträgt,
2.
bei denen sich die Haftung des Darlehensnehmers auf eine dem Darlehensgeber zum Pfand übergebene Sache beschränkt,
3.
bei denen der Darlehensnehmer das Darlehen binnen drei Monaten zurückzuzahlen hat und nur geringe Kosten vereinbart sind,
4.
die von Arbeitgebern mit ihren Arbeitnehmern als Nebenleistung zum Arbeitsvertrag zu einem niedrigeren als dem marktüblichen effektiven Jahreszins (§ 6 der Preisangabenverordnung) abgeschlossen werden und anderen Personen nicht angeboten werden,
5.
die nur mit einem begrenzten Personenkreis auf Grund von Rechtsvorschriften in öffentlichem Interesse abgeschlossen werden, wenn im Vertrag für den Darlehensnehmer günstigere als marktübliche Bedingungen und höchstens der marktübliche Sollzinssatz vereinbart sind,
6.
bei denen es sich um Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge oder Immobilienverzehrkreditverträge gemäß Absatz 3 handelt.

(3) Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge sind entgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer, die

1.
durch ein Grundpfandrecht oder eine Reallast besichert sind oder
2.
für den Erwerb oder die Erhaltung des Eigentumsrechts an Grundstücken, an bestehenden oder zu errichtenden Gebäuden oder für den Erwerb oder die Erhaltung von grundstücksgleichen Rechten bestimmt sind.
Keine Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge sind Verträge gemäß Absatz 2 Satz 2 Nummer 4. Auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge gemäß Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 ist nur § 491a Absatz 4 anwendbar. Keine Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge sind Immobilienverzehrkreditverträge, bei denen der Kreditgeber
1.
pauschale oder regelmäßige Zahlungen leistet oder andere Formen der Kreditauszahlung vornimmt und im Gegenzug nur einen Betrag aus dem künftigen Erlös des Verkaufs einer Wohnimmobilie erhält oder ein Recht an einer Wohnimmobilie erwirbt und
2.
erst nach dem Tod des Verbrauchers eine Rückzahlung fordert, außer der Verbraucher verstößt gegen die Vertragsbestimmungen, was dem Kreditgeber erlaubt, den Vertrag zu kündigen.

(4) § 358 Abs. 2 und 4 sowie die §§ 491a bis 495 und 505a bis 505e sind nicht auf Darlehensverträge anzuwenden, die in ein nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes gerichtliches Protokoll aufgenommen oder durch einen gerichtlichen Beschluss über das Zustandekommen und den Inhalt eines zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichs festgestellt sind, wenn in das Protokoll oder den Beschluss der Sollzinssatz, die bei Abschluss des Vertrags in Rechnung gestellten Kosten des Darlehens sowie die Voraussetzungen aufgenommen worden sind, unter denen der Sollzinssatz oder die Kosten angepasst werden können.

(1) Der Darlehensnehmer kann einen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag, bei dem eine Zeit für die Rückzahlung nicht bestimmt ist, ganz oder teilweise kündigen, ohne eine Frist einzuhalten. Eine Vereinbarung über eine Kündigungsfrist von mehr als einem Monat ist unwirksam.

(2) Der Darlehensnehmer kann seine Verbindlichkeiten aus einem Verbraucherdarlehensvertrag jederzeit ganz oder teilweise vorzeitig erfüllen. Abweichend von Satz 1 kann der Darlehensnehmer eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags, für den ein gebundener Sollzinssatz vereinbart wurde, seine Verbindlichkeiten im Zeitraum der Sollzinsbindung nur dann ganz oder teilweise vorzeitig erfüllen, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse des Darlehensnehmers besteht.

(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,

1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen;
2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.

(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.

(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.

(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.

(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 19. August 2011 durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

2. Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung des Beschlusses.

Gründe

 
I.
Die Kläger verlangen die Feststellung, dass die Kündigung von zwei vollständig besparten Bausparverträgen durch die beklagte Bausparkasse unwirksam sei. Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Bausparverträge wirksam zum 30.04.2011 gekündigt. Es sei Ziel des Bausparvertrages, den Anlegern maximal die vereinbarte Bausparsumme zu verschaffen. Die Verträge dienten nicht lediglich als verzinsliche Geldanlage. Wenn die Bausparsumme erreicht sei, bestehe kein Grund, der Beklagten das gesetzlich zugebilligte Kündigungsrecht zu versagen. Die vereinbarten Bausparbedingungen ABB 7 enthielten eine Lücke hinsichtlich der Frage der Kündigung in der Ansparphase. Diese sei mit den Bestimmungen des dispositiven Rechts zu füllen. Die Beklagte treffe auch keine Hinweispflicht auf dieses Kündigungsrecht.
Gegen das ihnen am 22.08.2011 zugestellte Urteil haben die Kläger am 21.09.2011 Berufung eingelegt und diese mit einer Begründung versehen. Sie rügen eine fehlerhafte Rechtsanwendung. Das Landgericht habe nicht beachtet, dass die Beklagte die Bausparbedingungen selbst formuliert habe. Sie verdiene daher keinen Schutz durch Rückgriff auf das dispositive Recht im Falle einer Regelungslücke. Die allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge ABB 7 würden für den typischen, rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden den Eindruck erwecken, dass die Rechte und Pflichten des Bausparers und der Bausparkasse abschließend geregelt seien. Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB würden die allgemeinen Geschäftsbedingungen den Geboten der Transparenz unterliegen. Die Vorschrift sei zwar nicht unmittelbar anwendbar. Sie sei jedoch analog heranzuziehen auf den Fall, dass eine Vertragslücke bestehe und der Vertragspartner nicht mit dieser rechnen müsse.
Die Kläger beantragen:
Das Urteil des Landgerichts Stuttgart, 12. Zivilkammer, vom 19.08.2011 (Az. 12 O 185/11) wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass die Kündigung des Bausparvertrages mit der Nr. 409... durch die Beklagte vom 18.01.2011 und die Kündigung des Bausparvertrages Nr. 291... durch die Beklagte vom 18.01.2011 unwirksam ist.
II.
Die gem. § 511 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung ist zulässig, aber nach übereinstimmender Auffassung des Senats unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffenden Gründen die Klage abgewiesen. Die Berufung zeigt keine Gesichtspunkte auf, die eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen.
1. Die Kündigung der beiden Bauspardarlehensverträge durch die Beklagte ist gemäß § 488 Abs. 3 BGB i.V.m. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB wirksam. Das Landgericht hat zutreffend den Bausparvertrag während der Ansparphase als Darlehensvertrag qualifiziert. Die herrschende Meinung sieht in dem Bausparvertrag einen einheitlichen Darlehensvertrag mit der Besonderheit, dass Bausparkasse und Bausparer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen (Freitag/Mülbert in: Staudinger (2011), § 488 BGB Rn. 539 m.w.N.). Die Einlagen des Bausparers stellen daher ein Darlehen an die Beklagte dar, für dessen Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt ist. Gemäß § 488 Abs. 3 BGB hängt die Fälligkeit der Rückzahlung von der Kündigung durch den Darlehensgeber oder den Darlehensnehmer ab. Die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate. Auf dieser Grundlage ist die Kündigung der Beklagten erfolgt.
2. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Kläger, wonach die Allgemeinen Bausparbedingungen (ABB 7) das gesetzliche Kündigungsrecht der Beklagten ausgeschlossen haben oder den Eindruck eines vollständig abgeschlossenen Regelwerkes erweckt haben, so dass bei Anwendung der Regeln über die allgemeinen Geschäftsbedingungen, insbesondere § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, von einem unkündbaren Bausparvertrag auszugehen wäre.
a. Weder die Erläuterungen noch die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB 7) selbst schließen ausdrücklich ein Kündigungsrecht der Beklagten bei Erreichen der Bausparsumme aus.
10 
aa. Gemäß § 1 Abs. 1 ABB 7 ist lediglich das aufgrund planmäßiger Sparleistungen zu erlangende Tilgungsdarlehen unkündbar. Aus dieser Klausel folgt, dass die Bausparkasse den Bausparvertrag nicht kündigen darf, wenn sie dadurch dem Bausparer den Anspruch auf das Tilgungsdarlehen entzieht. Als Ausnahme hierzu sieht § 5 Abs. 3 ABB 7 ein spezielles Kündigungsrecht der Bausparkasse im Falle des Rückstandes von Regelsparbeiträgen vor. Das bedeutet, dass der Bausparvertrag solange unkündbar ist, wie die Auszahlung des Tilgungsdarlehens möglich ist und der Bausparer seine hierzu erforderlichen planmäßigen Sparpflichten erfüllt.
11 
Aus dieser Vorschrift lässt sich keine Regelung entnehmen, dass das gesetzliche Kündigungsrecht der Bausparkasse auch ausgeschlossen sein soll, wenn die Bausparsumme durch die Ansparungen vollständig erreicht wurde. Eine solche Auslegung ist mit dem Sinn und Zweck des Vertrages und den wechselseitigen Pflichten und Rechten nicht zu vereinbaren.
12 
Zweck des Bausparvertrages ist nicht die zinsgünstige Geldanlage, sondern die Erlangung eines Bauspardarlehens, § 1 Abs. 1 ABB 7. Bei dem Bausparvertrag handelt es sich um einen einheitlichen Vertrag, der nach seinem Sinn und Zweck zunächst von dem Bausparer bis zur Zuteilungsreife angespart wird. Hierfür erhält er eine vereinbarte Guthabenverzinsung, deren Höhe unter Berücksichtigung eines etwaigen Zinsbonus für die Bestimmung der Höhe des Darlehenszinses maßgeblich ist. Je höher die Guthabenverzinsung, desto höher der Darlehenszins, und umgekehrt. Nach Zuteilung kann der Bausparer bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Anspruch nehmen. Es wird in der Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung während der Ansparphase angesammelten Guthaben (einschließlich unverzinslicher Einlage und Zinsbonus) gewährt. Die Gewährung eines Darlehens unabhängig von der vereinbarten Bausparsumme ist nicht vorgesehen. Das Darlehen wird bestimmungsgemäß nur zur "Überbrückung" der Lücke zwischen angespartem Bausparguthaben und vereinbarter Bausparsumme gewährt.
13 
Allerdings ist der Bausparer nicht verpflichtet, nach Zuteilung das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen, §§ 12, 14 ABB 7. Die dann geltenden Regelungen in den Allgemeinen Bedingungen sind lückenhaft. Spart der Bausparer, wie im vorliegenden Fall, die vertraglich vereinbarte Bausparsumme vollständig an, ist die Gewährung eines Bauspardarlehens nicht mehr möglich. Denn in diesem Fall besteht keine durch ein Darlehen zu überbrückende Lücke zwischen Bausparguthaben und Bausparsumme. Wer also ein Bauspardarlehen nicht in Anspruch nimmt, sondern stattdessen Sparleistungen bis zur Bausparsumme erbringt, verzichtet faktisch auf ein Bauspardarlehen. Dieser Fall ist in § 4 Abs. 3 ABB 7 ansatzweise geregelt. Wer auf sein Darlehen verzichtet, erhält die unverzinsliche Einlage sowie sein Bausparguthaben ausbezahlt.
14 
bb. Die Verknüpfung von Unkündbarkeit des Bausparvertrages mit der Gewährung eines Bauspardarlehens sichert auch die Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung. Der Bausparer kann sich eine niedrige Darlehensverzinsung mit einer niedrigeren Guthabenverzinsung in der Ansparphase sichern. Eine höhere Guthabenverzinsung, im vorliegenden Fall mit einem Zinsbonus von 80 %, rechtfertigt in der Darlehensphase einen höheren Darlehenszins der Bausparkasse. Dieses wechselseitige Verhältnis wird mit dem Erreichen der Bausparsumme aufgehoben. Der vertragliche Anspruch auf Auszahlung eines Bauspardarlehens besteht nicht mehr. Somit kann die Bausparkasse auch keine höheren Darlehenszinsen mehr einnehmen. Würde der Bausparvertrag unkündbar bleiben, könnten die Bausparer eine attraktive und höhere Verzinsung erhalten, ohne dass sie in der Form von höheren Darlehenszinsen eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen hätten.
15 
cc. § 9 ABB 7 "Kündigung des Bausparvertrages" regelt lediglich das Kündigungsrecht des Bausparers. Das in § 5 Abs. 3 ABB 7 geregelte Sonderkündigungsrecht der Bausparkasse erklärt § 9 Abs. 2 ABB 7 nur für "entsprechend" anwendbar. Auch aus dieser Vorschrift lässt sich daher kein Ausschluss des Kündigungsrechts der Bausparkasse entnehmen.
16 
dd. Die Regelung in § 2 Abs. 3 ABB 7, wonach Beträge, die die Bausparsumme übersteigen, für die Verzinsung zunächst wie das Bausparguthaben behandelt werden und auf Wunsch des Bausparers dann auf einen neu abzuschließenden Bausparvertrag umgebucht werden können, ergibt ebenfalls keinen Ausschluss des Kündigungsrechts der Bausparkasse. Die Regelung bestätigt vielmehr die enge Zweckausrichtung auf die Gewährung eines Bauspardarlehens. Die Formulierung, wonach die die Bausparsumme übersteigenden Beträge "zunächst" wie das Bausparguthaben verzinst werden, belegt, dass ein "Übersparen" des Bausparvertrages nicht gewollt ist und allenfalls als ein vorübergehender Zustand hingenommen wird. Auch räumt diese Klausel dem Bausparer lediglich die Möglichkeit der Umbuchung ein ("auf Wunsch des Bausparers"). Dies schließt andere Konsequenzen, wenn der Bausparer diesen Wunsch nicht äußert, nicht aus. Durch die Umbuchung auf einen neuen Bausparvertrag wird zugleich sichergestellt, dass die Bausparkasse weiteres Kapital nur zu den zu diesem Zeitpunkt geltenden Bedingungen aufnehmen muss, und zwar erneut zum Zwecke der Gewährung eines Bauspardarlehens. An etwaige frühere Bedingungen, die für sie inzwischen nicht mehr wirtschaftlich sind, ist sie dann nicht gebunden.
17 
b. Der Senat teilt nicht die Auffassung, die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB 7) würden dem Bausparer den Eindruck vermitteln, es handele sich um abschließende Regelungen, die gleichzeitig das gesetzliche Kündigungsrecht der Bausparkasse ausschließen. Wie bereits dargelegt, ist das Beendigungsrecht der Vertragsparteien nicht einheitlich in den Allgemeinen Bedingungen geregelt. In § 9 ABB 7 findet sich lediglich das Kündigungsrecht des Bausparers. Das Kündigungsrecht der Bausparkasse im Falle des Rückstands von Regelbeiträgen ist in § 5 Abs. 3 ABB 7 geregelt. Insbesondere liegt in der Übersparung eines Bausparvertrages eine vom Vertragszweck nicht umfasste Ausübung der vertraglichen Rechte vor. Die Ausrichtung des Bausparvertrages auf die Erlangung eines Bauspardarlehens in Höhe der Differenz zwischen Bausparguthaben und vereinbarter Bausparsumme ist der vereinbarte Vertragsgegenstand. Auch ein verständiger durchschnittlicher Kunde kann erkennen, dass die Übersparung nicht geregelt ist und, wie sich aus § 2 Abs. 3 ABB 7 ergibt, kein vertragsgemäßer, dauerhaft aufrecht zu erhaltender Zustand ist. Die Allgemeinen Bedingungen schließen daher ersichtlich nicht das gesetzliche Recht der beklagten Bausparkasse aus, bei vollständiger Ansparung der Bausparsumme und somit Wegfall des Vertragszwecks auf Gewährung eines Bauspardarlehens den Vertrag zu kündigen.
18 
3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern kein Urteil des Berufungsgerichts. Im Hinblick auf die fehlenden Erfolgsaussichten stellt der Senat unbeschadet der Möglichkeit der Stellungnahme anheim, die Berufung aus Kostengründen zurück zu nehmen. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass er eine Entscheidung auch nach der voraussichtlich zukünftigen Fassung § 522 Abs. 2 ZPO für angezeigt hält. Die Berufung ist nach übereinstimmender Auffassung des Senats offensichtlich unbegründet und eine mündliche Verhandlung angesichts der aus der Akte erkennbaren persönlichen und wirtschaftlichen Umstände nicht geboten.

(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.

(2) Die vereinbarten Zinsen sind, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nach dem Ablauf je eines Jahres und, wenn das Darlehen vor dem Ablauf eines Jahres zurückzuzahlen ist, bei der Rückzahlung zu entrichten.

(3) Ist für die Rückzahlung des Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Sind Zinsen nicht geschuldet, so ist der Darlehensnehmer auch ohne Kündigung zur Rückzahlung berechtigt.

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 19. August 2011 durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

2. Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung des Beschlusses.

Gründe

 
I.
Die Kläger verlangen die Feststellung, dass die Kündigung von zwei vollständig besparten Bausparverträgen durch die beklagte Bausparkasse unwirksam sei. Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Bausparverträge wirksam zum 30.04.2011 gekündigt. Es sei Ziel des Bausparvertrages, den Anlegern maximal die vereinbarte Bausparsumme zu verschaffen. Die Verträge dienten nicht lediglich als verzinsliche Geldanlage. Wenn die Bausparsumme erreicht sei, bestehe kein Grund, der Beklagten das gesetzlich zugebilligte Kündigungsrecht zu versagen. Die vereinbarten Bausparbedingungen ABB 7 enthielten eine Lücke hinsichtlich der Frage der Kündigung in der Ansparphase. Diese sei mit den Bestimmungen des dispositiven Rechts zu füllen. Die Beklagte treffe auch keine Hinweispflicht auf dieses Kündigungsrecht.
Gegen das ihnen am 22.08.2011 zugestellte Urteil haben die Kläger am 21.09.2011 Berufung eingelegt und diese mit einer Begründung versehen. Sie rügen eine fehlerhafte Rechtsanwendung. Das Landgericht habe nicht beachtet, dass die Beklagte die Bausparbedingungen selbst formuliert habe. Sie verdiene daher keinen Schutz durch Rückgriff auf das dispositive Recht im Falle einer Regelungslücke. Die allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge ABB 7 würden für den typischen, rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden den Eindruck erwecken, dass die Rechte und Pflichten des Bausparers und der Bausparkasse abschließend geregelt seien. Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB würden die allgemeinen Geschäftsbedingungen den Geboten der Transparenz unterliegen. Die Vorschrift sei zwar nicht unmittelbar anwendbar. Sie sei jedoch analog heranzuziehen auf den Fall, dass eine Vertragslücke bestehe und der Vertragspartner nicht mit dieser rechnen müsse.
Die Kläger beantragen:
Das Urteil des Landgerichts Stuttgart, 12. Zivilkammer, vom 19.08.2011 (Az. 12 O 185/11) wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass die Kündigung des Bausparvertrages mit der Nr. 409... durch die Beklagte vom 18.01.2011 und die Kündigung des Bausparvertrages Nr. 291... durch die Beklagte vom 18.01.2011 unwirksam ist.
II.
Die gem. § 511 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung ist zulässig, aber nach übereinstimmender Auffassung des Senats unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffenden Gründen die Klage abgewiesen. Die Berufung zeigt keine Gesichtspunkte auf, die eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen.
1. Die Kündigung der beiden Bauspardarlehensverträge durch die Beklagte ist gemäß § 488 Abs. 3 BGB i.V.m. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB wirksam. Das Landgericht hat zutreffend den Bausparvertrag während der Ansparphase als Darlehensvertrag qualifiziert. Die herrschende Meinung sieht in dem Bausparvertrag einen einheitlichen Darlehensvertrag mit der Besonderheit, dass Bausparkasse und Bausparer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen (Freitag/Mülbert in: Staudinger (2011), § 488 BGB Rn. 539 m.w.N.). Die Einlagen des Bausparers stellen daher ein Darlehen an die Beklagte dar, für dessen Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt ist. Gemäß § 488 Abs. 3 BGB hängt die Fälligkeit der Rückzahlung von der Kündigung durch den Darlehensgeber oder den Darlehensnehmer ab. Die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate. Auf dieser Grundlage ist die Kündigung der Beklagten erfolgt.
2. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Kläger, wonach die Allgemeinen Bausparbedingungen (ABB 7) das gesetzliche Kündigungsrecht der Beklagten ausgeschlossen haben oder den Eindruck eines vollständig abgeschlossenen Regelwerkes erweckt haben, so dass bei Anwendung der Regeln über die allgemeinen Geschäftsbedingungen, insbesondere § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, von einem unkündbaren Bausparvertrag auszugehen wäre.
a. Weder die Erläuterungen noch die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB 7) selbst schließen ausdrücklich ein Kündigungsrecht der Beklagten bei Erreichen der Bausparsumme aus.
10 
aa. Gemäß § 1 Abs. 1 ABB 7 ist lediglich das aufgrund planmäßiger Sparleistungen zu erlangende Tilgungsdarlehen unkündbar. Aus dieser Klausel folgt, dass die Bausparkasse den Bausparvertrag nicht kündigen darf, wenn sie dadurch dem Bausparer den Anspruch auf das Tilgungsdarlehen entzieht. Als Ausnahme hierzu sieht § 5 Abs. 3 ABB 7 ein spezielles Kündigungsrecht der Bausparkasse im Falle des Rückstandes von Regelsparbeiträgen vor. Das bedeutet, dass der Bausparvertrag solange unkündbar ist, wie die Auszahlung des Tilgungsdarlehens möglich ist und der Bausparer seine hierzu erforderlichen planmäßigen Sparpflichten erfüllt.
11 
Aus dieser Vorschrift lässt sich keine Regelung entnehmen, dass das gesetzliche Kündigungsrecht der Bausparkasse auch ausgeschlossen sein soll, wenn die Bausparsumme durch die Ansparungen vollständig erreicht wurde. Eine solche Auslegung ist mit dem Sinn und Zweck des Vertrages und den wechselseitigen Pflichten und Rechten nicht zu vereinbaren.
12 
Zweck des Bausparvertrages ist nicht die zinsgünstige Geldanlage, sondern die Erlangung eines Bauspardarlehens, § 1 Abs. 1 ABB 7. Bei dem Bausparvertrag handelt es sich um einen einheitlichen Vertrag, der nach seinem Sinn und Zweck zunächst von dem Bausparer bis zur Zuteilungsreife angespart wird. Hierfür erhält er eine vereinbarte Guthabenverzinsung, deren Höhe unter Berücksichtigung eines etwaigen Zinsbonus für die Bestimmung der Höhe des Darlehenszinses maßgeblich ist. Je höher die Guthabenverzinsung, desto höher der Darlehenszins, und umgekehrt. Nach Zuteilung kann der Bausparer bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Anspruch nehmen. Es wird in der Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung während der Ansparphase angesammelten Guthaben (einschließlich unverzinslicher Einlage und Zinsbonus) gewährt. Die Gewährung eines Darlehens unabhängig von der vereinbarten Bausparsumme ist nicht vorgesehen. Das Darlehen wird bestimmungsgemäß nur zur "Überbrückung" der Lücke zwischen angespartem Bausparguthaben und vereinbarter Bausparsumme gewährt.
13 
Allerdings ist der Bausparer nicht verpflichtet, nach Zuteilung das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen, §§ 12, 14 ABB 7. Die dann geltenden Regelungen in den Allgemeinen Bedingungen sind lückenhaft. Spart der Bausparer, wie im vorliegenden Fall, die vertraglich vereinbarte Bausparsumme vollständig an, ist die Gewährung eines Bauspardarlehens nicht mehr möglich. Denn in diesem Fall besteht keine durch ein Darlehen zu überbrückende Lücke zwischen Bausparguthaben und Bausparsumme. Wer also ein Bauspardarlehen nicht in Anspruch nimmt, sondern stattdessen Sparleistungen bis zur Bausparsumme erbringt, verzichtet faktisch auf ein Bauspardarlehen. Dieser Fall ist in § 4 Abs. 3 ABB 7 ansatzweise geregelt. Wer auf sein Darlehen verzichtet, erhält die unverzinsliche Einlage sowie sein Bausparguthaben ausbezahlt.
14 
bb. Die Verknüpfung von Unkündbarkeit des Bausparvertrages mit der Gewährung eines Bauspardarlehens sichert auch die Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung. Der Bausparer kann sich eine niedrige Darlehensverzinsung mit einer niedrigeren Guthabenverzinsung in der Ansparphase sichern. Eine höhere Guthabenverzinsung, im vorliegenden Fall mit einem Zinsbonus von 80 %, rechtfertigt in der Darlehensphase einen höheren Darlehenszins der Bausparkasse. Dieses wechselseitige Verhältnis wird mit dem Erreichen der Bausparsumme aufgehoben. Der vertragliche Anspruch auf Auszahlung eines Bauspardarlehens besteht nicht mehr. Somit kann die Bausparkasse auch keine höheren Darlehenszinsen mehr einnehmen. Würde der Bausparvertrag unkündbar bleiben, könnten die Bausparer eine attraktive und höhere Verzinsung erhalten, ohne dass sie in der Form von höheren Darlehenszinsen eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen hätten.
15 
cc. § 9 ABB 7 "Kündigung des Bausparvertrages" regelt lediglich das Kündigungsrecht des Bausparers. Das in § 5 Abs. 3 ABB 7 geregelte Sonderkündigungsrecht der Bausparkasse erklärt § 9 Abs. 2 ABB 7 nur für "entsprechend" anwendbar. Auch aus dieser Vorschrift lässt sich daher kein Ausschluss des Kündigungsrechts der Bausparkasse entnehmen.
16 
dd. Die Regelung in § 2 Abs. 3 ABB 7, wonach Beträge, die die Bausparsumme übersteigen, für die Verzinsung zunächst wie das Bausparguthaben behandelt werden und auf Wunsch des Bausparers dann auf einen neu abzuschließenden Bausparvertrag umgebucht werden können, ergibt ebenfalls keinen Ausschluss des Kündigungsrechts der Bausparkasse. Die Regelung bestätigt vielmehr die enge Zweckausrichtung auf die Gewährung eines Bauspardarlehens. Die Formulierung, wonach die die Bausparsumme übersteigenden Beträge "zunächst" wie das Bausparguthaben verzinst werden, belegt, dass ein "Übersparen" des Bausparvertrages nicht gewollt ist und allenfalls als ein vorübergehender Zustand hingenommen wird. Auch räumt diese Klausel dem Bausparer lediglich die Möglichkeit der Umbuchung ein ("auf Wunsch des Bausparers"). Dies schließt andere Konsequenzen, wenn der Bausparer diesen Wunsch nicht äußert, nicht aus. Durch die Umbuchung auf einen neuen Bausparvertrag wird zugleich sichergestellt, dass die Bausparkasse weiteres Kapital nur zu den zu diesem Zeitpunkt geltenden Bedingungen aufnehmen muss, und zwar erneut zum Zwecke der Gewährung eines Bauspardarlehens. An etwaige frühere Bedingungen, die für sie inzwischen nicht mehr wirtschaftlich sind, ist sie dann nicht gebunden.
17 
b. Der Senat teilt nicht die Auffassung, die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB 7) würden dem Bausparer den Eindruck vermitteln, es handele sich um abschließende Regelungen, die gleichzeitig das gesetzliche Kündigungsrecht der Bausparkasse ausschließen. Wie bereits dargelegt, ist das Beendigungsrecht der Vertragsparteien nicht einheitlich in den Allgemeinen Bedingungen geregelt. In § 9 ABB 7 findet sich lediglich das Kündigungsrecht des Bausparers. Das Kündigungsrecht der Bausparkasse im Falle des Rückstands von Regelbeiträgen ist in § 5 Abs. 3 ABB 7 geregelt. Insbesondere liegt in der Übersparung eines Bausparvertrages eine vom Vertragszweck nicht umfasste Ausübung der vertraglichen Rechte vor. Die Ausrichtung des Bausparvertrages auf die Erlangung eines Bauspardarlehens in Höhe der Differenz zwischen Bausparguthaben und vereinbarter Bausparsumme ist der vereinbarte Vertragsgegenstand. Auch ein verständiger durchschnittlicher Kunde kann erkennen, dass die Übersparung nicht geregelt ist und, wie sich aus § 2 Abs. 3 ABB 7 ergibt, kein vertragsgemäßer, dauerhaft aufrecht zu erhaltender Zustand ist. Die Allgemeinen Bedingungen schließen daher ersichtlich nicht das gesetzliche Recht der beklagten Bausparkasse aus, bei vollständiger Ansparung der Bausparsumme und somit Wegfall des Vertragszwecks auf Gewährung eines Bauspardarlehens den Vertrag zu kündigen.
18 
3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern kein Urteil des Berufungsgerichts. Im Hinblick auf die fehlenden Erfolgsaussichten stellt der Senat unbeschadet der Möglichkeit der Stellungnahme anheim, die Berufung aus Kostengründen zurück zu nehmen. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass er eine Entscheidung auch nach der voraussichtlich zukünftigen Fassung § 522 Abs. 2 ZPO für angezeigt hält. Die Berufung ist nach übereinstimmender Auffassung des Senats offensichtlich unbegründet und eine mündliche Verhandlung angesichts der aus der Akte erkennbaren persönlichen und wirtschaftlichen Umstände nicht geboten.

(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,

1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen;
2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.

(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.

(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.

(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.

(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.

Gründe

Landgericht Nürnberg-Fürth

Az.: 6 O 1708/15

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am 17.08.2015

..., Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

...

- Kläger -

Prozessbevollmächtigte: ...

gegen

...

Prozessbevollmächtigte: ...

wegen Feststellung

erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 6. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht - als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2015 folgendes

Endurteil

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 61.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass zwei zwischen den Parteien geschlossene Bausparverträge nicht durch eine Kündigung der Beklagten beendet worden sind.

Die Beklagte ist eine in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts betriebene Bausparkasse.

Am 30.12.1982 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag (Nr. ... über eine Bausparsumme in Höhe von 110.000,00 DM (entspricht 56.242,11 €).

Am 29.09.1986 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag ... über eine Bausparsumme in Höhe von 50.000,00 DM (entspricht 25.564,59 €).

Bei beiden Bausparverträgen sollte ein Guthaben des Bausparers mit 3%o p.a. zu verzinsen sein. Für beide Bausparverträge vereinbarten die Parteien die „Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge“ der Beklagten (nachfolgend: ABB). In § 9 ABB ist bestimmt:

Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.

Der Kläger erbrachte Einzahlung auf die Bausparverträge längstens bis zum Jahr 2002 (vgl. Anlagenkonvolut B3). Ein Bauspardarlehen beantragte er nicht.

Mit zwei Schreiben vom 27.10.2014 (Anlagen K5 und K6) erklärte die Beklagte jeweils die Kündigung der Bausparverträge zum 29.05.2015.

Zum Zeitpunkt der Klageerhebung wies der BSV 014 ein Guthaben von ca. 48.000,00 € (vgl. Anlage K3), der BSV 022 ein Guthaben von ca. 12.000,00 € (vgl. Anlage K4) auf.

Beide Bausparverträge waren im Zeitpunkt der Kündigung seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif.

Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigungen seien unwirksam, weil die Beklagte wegen eines vertraglichen Kündigungsverzichts und weil die angesparten Guthaben die vereinbarte Bausparsumme jeweils nicht erreichten, nicht zur Kündigung berechtigt gewesen sei.

Der Kündigungsverzicht in § 9 ABB sei wirksam, weil die Beklagte eine Anstalt des öffentlichen Rechts sei, die nach Sinn und Zweck des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB wirksam auf das Kündigungsrecht insbesondere nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB verzichten könne.

Dessen ungeachtet liege auch bei Eintritt der Zuteilungsreife noch kein vollständiger Empfang des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor.

An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten macht der Kläger eine 1,3-Geschäftsgebühr (nebst Pauschale und USt) aus einem Streitwert in Höhe von 61.000,00 €, mithin 1.954,46 € geltend.

Der Kläger beantragt - nach Klageerweiterung (Schriftsatz vom 20.05.2015, Bl. 25 ff. d. A.) - daher:

1. Es wird festgestellt, dass die Kündigungen der Beklagten im Hinblick auf die Bausparverträge des Klägers Nr. ... und vom 27.10.2014 unwirksam sind und die genannten Verträge über den von der Beklagten gewünschten Beendigungszeitpunkt 29.05.2015 hinaus fortbestehen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.954,46 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Sie meint, die Feststellungsklage sei unzulässig, da Gegenstand der Feststellung nur der Fortbestand des Vertragsverhältnisses, nicht die Unwirksamkeit einer Kündigung sein könne (vgl. BGH NJW 2000, 354, juris Tz. 44 ff.).

Jedenfalls sie sei nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt gewesen, weil diese seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif gewesen seien (vgl. LG Mainz WM 2015, 181). Das Eintreten der Zuteilungsreife sei als vollständiger Empfang des Darlehens i. S. der Vorschrift zu verstehen.

Auf dieses Kündigungsrecht habe auch die Beklagte nicht wirksam verzichtet, da sich der Kündigungsverzicht nur auf das ordentliche Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB beziehe und jedenfalls das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch für die Beklagte zwingenden Charakter habe (§ 489 Abs. 4 Satz 1 BGB). Insbesondere sei § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte nicht (analog) anwendbar.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Anlagen und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Der Feststellungsantrag ist zulässig.

Insbesondere hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Fortbestands der Bausparverträge i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 22.02.2013, Az. 2-21 O 69/12, juris Tz. 16). Dieses Feststellungsziel lässt sich bei einer interessengerechten Auslegung des Feststellungsantrags auch zweifelsfrei ermitteln.

II.

Die Klageanträge sind jedoch unbegründet, da die streitgegenständlichen Bausparverträge jeweils durch die Kündigung der Beklagten nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum 29.05.2015 beendet wurden.

1. Die Beklagte war nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt.

a) Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang - oder nach der letzten Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz, falls diese nach dem vollständigen Empfang erfolgte - unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen.

b) Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt auch zugunsten des eines Darlehensnehmers, der kein Verbraucher ist, insbesondere auch für Banken und Bausparkassen.

Eine Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. Staudinger/Mülbert, BGB [2010], § 488, Rn. 549). Vielmehr ergibt sich aus einem Vergleich von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (nunmehr aufgehoben) und § 489 Abs. 1 Nr. 3 (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2) BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.), dass der Gesetzgeber zwar für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. die Verbrauchereigenschaft des Darlehensnehmers vorausgesetzt hat („wenn das Darlehen einem Verbraucher gewährt und nicht durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist ...“), für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 a. F. (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) hingegen gerade nicht („in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang“).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Überschrift zu Titel 3 („Darlehensvertrag; Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher“), unter dem § 489 BGB aufgeführt ist. In dieser Titelüberschrift bezieht sich die Verbrauchereigenschaft nicht auf den erstgenannten Begriff des Darlehensvertrags, sondern auf die weiteren Begriffe Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge. Dementsprechend ist § 489 BGB auch nicht mit den §§ 491 ff. BGB unter der Überschrift zu Kapital 2 („Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge“) aufgeführt, sondern in Kapitel 1 („Allgemeine Vorschriften“). Auch aus dieser Systematik ergibt sich zwanglos, dass die in § 489 BGB geregelten Kündigungsrechte nicht nur für Verbraucher als Darlehensnehmer gelten sollen.

c) Zutreffender Weise gehen beide Parteien davon aus, dass die Beklagte als Bausparkasse beim Bausparvertrag in der Zeit vor der Gewährung eines Bauspardarlehens als Darlehensnehmer und der Kläger als Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 539 m. w. N.). Insoweit handelt es sich auch um einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz, nachdem die Beklagte verpflichtet sein sollte, das Bausparguthaben fest mit 3%o p.a. zu verzinsen.

d) Mit Zuteilungsreife, die unstreitig spätestens jeweils zehn Jahre vor Erklärung der Kündigung erstmalig eingetreten ist, ist von einem „vollständigen Empfang“ des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch die Beklagte auszugehen (LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 15; Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 549).

Dies folgt aus der Struktur des Bausparvertrags, dessen Zweck vorrangig darauf gerichtet ist, dem Bausparer nach der Erbringung ausreichender Sparleistungen den Zugriff auf ein darüber hinausgehendes, zinsgünstiges Darlehen zu ermöglichen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12). Dieser Zugriff steht dem Bausparer ab erstmaligem Eintritt der Zuteilungsreife zu. Daher liegt es nahe, die Sparleistungen, die der Bausparer zur Erreichung der Zuteilungsreife erbringen muss, als den vollständigen Gegenstand des Darlehens anzusehen, das der Bausparer der Bausparkasse während der Ansparphase gewährt. Auch wenn der Bausparer nach Erreichen der Zuteilungsreife das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nehmen muss und weitere Sparleistungen erbringen kann, ändert dies nichts daran, dass die Bausparkasse das (mit Abschluss des Bausparvertrags ins Auge gefasste, zur planmäßigen Erreichung der Zuteilungsreife notwendige) Darlehen des Bausparers mit Zuteilungsreife erhalten hat, weshalb von einem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta auszugehen ist. Dies führt gleichermaßen dazu, dass ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB während der Ansparphase nicht entstehen kann und es daher ausgeschlossen ist, dass die Bausparkasse durch eine Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB das Recht des Bausparers zur Erlangung des Bauspardarlehens vereitelt.

e) Die Beklagte hat die Kündigung der Verträge unstreitig mit den beiden Schreiben vom 27.10.2014 gegenüber dem Kläger erklärt. Die Kündigungsfrist von 6 Monaten (zum 29.05.2015) ist eingehalten.

2. Ein genereller Ausschluss des Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus den Besonderheiten des Bausparvertrags noch aus sonstigen Erwägungen.

a) Da der Bausparvertrag seinem Wesen nach auf die Verschaffung eines zinsgünstigen Darlehens und nicht primär auf eine dauerhafte Geldanlage gerichtet ist, spricht nichts dagegen, der Bausparkasse zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife ein Kündigungsrecht zuzugestehen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12 ff.).

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Scala-Rechtsprechung des LG Ulm (vgl. WM 2015, 826). In den dort betroffenen Fällen war nach der Konstruktion der Scala-Sparverträge im Zeitpunkt der jeweiligen Kündigung gerade noch nicht von einem vollständigen Empfang des Darlehens auszugehen, weshalb ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht bestehen konnte (vgl. a. a. O. juris Tz. 125).

3. Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB war auch nicht vertraglich ausgeschlossen.

a) Dabei kann dahinstehen, ob sich die Bestimmung in § 9 ABB auch auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB beziehen soll.

b) Denn ein vertraglicher Ausschluss des Kündigungsrechts wäre unwirksam.

aa) Nach § 489 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 BGB kann das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 nur dann durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden, wenn der Darlehensnehmer der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, ein Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften ist.

bb) Die Beklagte ist zwar als Anstalt des öffentlichen Rechts eine juristische Person des öffentlichen Rechts, jedoch keine der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB genannten Gebietskörperschaften.

cc) Auch eine analog Anwendung des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte ist nicht geboten (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. § 489 Rn. 74; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., §489 Rn. 13; BeckOK-BGB/Rohe [Stand: 01.05.2015], § 489 Rn. 19; a.A. wohl MüKoBGB/K. P. Berger, 6. Aufl., §489 Rn. 21).

Nach dem Wortlaut und der systematischen Fassung des Gesetzes spricht nichts dafür, dass in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB generell juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Darlehensnehmer erfasst sein sollten. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber erkennbar die Mühe gemacht, die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts, auf die der Ausschluss nach § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB anzuwenden sein soll, ausdrücklich aufzuzählen. Diese Aufzählung hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform ausdrücklich beibehalten und um die Europäischen Gemeinschaften sowie ausländische Gebietskörperschaften erweitert. Diese enummerative Bestimmung bestimmter juristischer Personen des öffentlichen Rechts spricht dagegen, die Regelungen auf die Beklagte zu erweitern, nur weil diese in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben wird.

Welchen Zweck der Gesetzgeber mit der Auswahl der in § 489 Abs. 4 Satz 2 genannten Gebietskörperschaften verfolgt hat, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht (vgl. BT-Drucks. 10/4741, S. 22). Nachdem der Gesetzgeber aber gerade darauf verzichtet hat, die Ausnahme des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechts zu erstrecken, obwohl dies unschwer möglich gewesen wäre, und diese Entscheidung auch über eine Anpassung der Vorschrift hinweg beibehalten hat, erscheint es ausgeschlossen, die Ausnahme im Wege der Analogie grundsätzlich auch auf andere öffentlich-rechtlich geprägte Erscheinungsformen der öffentlichen Hand erstrecken (so aber wohl MüKoBGB/K. P. Berger a. a. O.). Vielmehr ist verbindendes Element der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB die Eigenschaft als Gebietskörperschaft, die der Beklagten offensichtlich fehlt. Dies deutet darauf hin, dass sie Ausnahme gerade auf die herkömmlich von Gebietskörperschaften ausgegebenen längläufigen Anleihen beziehen soll, die durch § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht ausgeschlossen werden sollen. Dieser Zweck lässt sich auf die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Bausparkasse gerade nicht übertragen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth Fürther Str. 110 90429 Nürnberg einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,

1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen;
2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.

(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.

(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.

(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.

(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.

Gründe

Landgericht Nürnberg-Fürth

Az.: 6 O 1708/15

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am 17.08.2015

..., Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

...

- Kläger -

Prozessbevollmächtigte: ...

gegen

...

Prozessbevollmächtigte: ...

wegen Feststellung

erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 6. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht - als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2015 folgendes

Endurteil

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 61.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass zwei zwischen den Parteien geschlossene Bausparverträge nicht durch eine Kündigung der Beklagten beendet worden sind.

Die Beklagte ist eine in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts betriebene Bausparkasse.

Am 30.12.1982 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag (Nr. ... über eine Bausparsumme in Höhe von 110.000,00 DM (entspricht 56.242,11 €).

Am 29.09.1986 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag ... über eine Bausparsumme in Höhe von 50.000,00 DM (entspricht 25.564,59 €).

Bei beiden Bausparverträgen sollte ein Guthaben des Bausparers mit 3%o p.a. zu verzinsen sein. Für beide Bausparverträge vereinbarten die Parteien die „Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge“ der Beklagten (nachfolgend: ABB). In § 9 ABB ist bestimmt:

Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.

Der Kläger erbrachte Einzahlung auf die Bausparverträge längstens bis zum Jahr 2002 (vgl. Anlagenkonvolut B3). Ein Bauspardarlehen beantragte er nicht.

Mit zwei Schreiben vom 27.10.2014 (Anlagen K5 und K6) erklärte die Beklagte jeweils die Kündigung der Bausparverträge zum 29.05.2015.

Zum Zeitpunkt der Klageerhebung wies der BSV 014 ein Guthaben von ca. 48.000,00 € (vgl. Anlage K3), der BSV 022 ein Guthaben von ca. 12.000,00 € (vgl. Anlage K4) auf.

Beide Bausparverträge waren im Zeitpunkt der Kündigung seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif.

Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigungen seien unwirksam, weil die Beklagte wegen eines vertraglichen Kündigungsverzichts und weil die angesparten Guthaben die vereinbarte Bausparsumme jeweils nicht erreichten, nicht zur Kündigung berechtigt gewesen sei.

Der Kündigungsverzicht in § 9 ABB sei wirksam, weil die Beklagte eine Anstalt des öffentlichen Rechts sei, die nach Sinn und Zweck des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB wirksam auf das Kündigungsrecht insbesondere nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB verzichten könne.

Dessen ungeachtet liege auch bei Eintritt der Zuteilungsreife noch kein vollständiger Empfang des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor.

An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten macht der Kläger eine 1,3-Geschäftsgebühr (nebst Pauschale und USt) aus einem Streitwert in Höhe von 61.000,00 €, mithin 1.954,46 € geltend.

Der Kläger beantragt - nach Klageerweiterung (Schriftsatz vom 20.05.2015, Bl. 25 ff. d. A.) - daher:

1. Es wird festgestellt, dass die Kündigungen der Beklagten im Hinblick auf die Bausparverträge des Klägers Nr. ... und vom 27.10.2014 unwirksam sind und die genannten Verträge über den von der Beklagten gewünschten Beendigungszeitpunkt 29.05.2015 hinaus fortbestehen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.954,46 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Sie meint, die Feststellungsklage sei unzulässig, da Gegenstand der Feststellung nur der Fortbestand des Vertragsverhältnisses, nicht die Unwirksamkeit einer Kündigung sein könne (vgl. BGH NJW 2000, 354, juris Tz. 44 ff.).

Jedenfalls sie sei nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt gewesen, weil diese seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif gewesen seien (vgl. LG Mainz WM 2015, 181). Das Eintreten der Zuteilungsreife sei als vollständiger Empfang des Darlehens i. S. der Vorschrift zu verstehen.

Auf dieses Kündigungsrecht habe auch die Beklagte nicht wirksam verzichtet, da sich der Kündigungsverzicht nur auf das ordentliche Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB beziehe und jedenfalls das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch für die Beklagte zwingenden Charakter habe (§ 489 Abs. 4 Satz 1 BGB). Insbesondere sei § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte nicht (analog) anwendbar.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Anlagen und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Der Feststellungsantrag ist zulässig.

Insbesondere hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Fortbestands der Bausparverträge i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 22.02.2013, Az. 2-21 O 69/12, juris Tz. 16). Dieses Feststellungsziel lässt sich bei einer interessengerechten Auslegung des Feststellungsantrags auch zweifelsfrei ermitteln.

II.

Die Klageanträge sind jedoch unbegründet, da die streitgegenständlichen Bausparverträge jeweils durch die Kündigung der Beklagten nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum 29.05.2015 beendet wurden.

1. Die Beklagte war nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt.

a) Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang - oder nach der letzten Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz, falls diese nach dem vollständigen Empfang erfolgte - unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen.

b) Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt auch zugunsten des eines Darlehensnehmers, der kein Verbraucher ist, insbesondere auch für Banken und Bausparkassen.

Eine Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. Staudinger/Mülbert, BGB [2010], § 488, Rn. 549). Vielmehr ergibt sich aus einem Vergleich von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (nunmehr aufgehoben) und § 489 Abs. 1 Nr. 3 (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2) BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.), dass der Gesetzgeber zwar für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. die Verbrauchereigenschaft des Darlehensnehmers vorausgesetzt hat („wenn das Darlehen einem Verbraucher gewährt und nicht durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist ...“), für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 a. F. (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) hingegen gerade nicht („in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang“).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Überschrift zu Titel 3 („Darlehensvertrag; Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher“), unter dem § 489 BGB aufgeführt ist. In dieser Titelüberschrift bezieht sich die Verbrauchereigenschaft nicht auf den erstgenannten Begriff des Darlehensvertrags, sondern auf die weiteren Begriffe Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge. Dementsprechend ist § 489 BGB auch nicht mit den §§ 491 ff. BGB unter der Überschrift zu Kapital 2 („Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge“) aufgeführt, sondern in Kapitel 1 („Allgemeine Vorschriften“). Auch aus dieser Systematik ergibt sich zwanglos, dass die in § 489 BGB geregelten Kündigungsrechte nicht nur für Verbraucher als Darlehensnehmer gelten sollen.

c) Zutreffender Weise gehen beide Parteien davon aus, dass die Beklagte als Bausparkasse beim Bausparvertrag in der Zeit vor der Gewährung eines Bauspardarlehens als Darlehensnehmer und der Kläger als Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 539 m. w. N.). Insoweit handelt es sich auch um einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz, nachdem die Beklagte verpflichtet sein sollte, das Bausparguthaben fest mit 3%o p.a. zu verzinsen.

d) Mit Zuteilungsreife, die unstreitig spätestens jeweils zehn Jahre vor Erklärung der Kündigung erstmalig eingetreten ist, ist von einem „vollständigen Empfang“ des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch die Beklagte auszugehen (LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 15; Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 549).

Dies folgt aus der Struktur des Bausparvertrags, dessen Zweck vorrangig darauf gerichtet ist, dem Bausparer nach der Erbringung ausreichender Sparleistungen den Zugriff auf ein darüber hinausgehendes, zinsgünstiges Darlehen zu ermöglichen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12). Dieser Zugriff steht dem Bausparer ab erstmaligem Eintritt der Zuteilungsreife zu. Daher liegt es nahe, die Sparleistungen, die der Bausparer zur Erreichung der Zuteilungsreife erbringen muss, als den vollständigen Gegenstand des Darlehens anzusehen, das der Bausparer der Bausparkasse während der Ansparphase gewährt. Auch wenn der Bausparer nach Erreichen der Zuteilungsreife das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nehmen muss und weitere Sparleistungen erbringen kann, ändert dies nichts daran, dass die Bausparkasse das (mit Abschluss des Bausparvertrags ins Auge gefasste, zur planmäßigen Erreichung der Zuteilungsreife notwendige) Darlehen des Bausparers mit Zuteilungsreife erhalten hat, weshalb von einem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta auszugehen ist. Dies führt gleichermaßen dazu, dass ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB während der Ansparphase nicht entstehen kann und es daher ausgeschlossen ist, dass die Bausparkasse durch eine Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB das Recht des Bausparers zur Erlangung des Bauspardarlehens vereitelt.

e) Die Beklagte hat die Kündigung der Verträge unstreitig mit den beiden Schreiben vom 27.10.2014 gegenüber dem Kläger erklärt. Die Kündigungsfrist von 6 Monaten (zum 29.05.2015) ist eingehalten.

2. Ein genereller Ausschluss des Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus den Besonderheiten des Bausparvertrags noch aus sonstigen Erwägungen.

a) Da der Bausparvertrag seinem Wesen nach auf die Verschaffung eines zinsgünstigen Darlehens und nicht primär auf eine dauerhafte Geldanlage gerichtet ist, spricht nichts dagegen, der Bausparkasse zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife ein Kündigungsrecht zuzugestehen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12 ff.).

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Scala-Rechtsprechung des LG Ulm (vgl. WM 2015, 826). In den dort betroffenen Fällen war nach der Konstruktion der Scala-Sparverträge im Zeitpunkt der jeweiligen Kündigung gerade noch nicht von einem vollständigen Empfang des Darlehens auszugehen, weshalb ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht bestehen konnte (vgl. a. a. O. juris Tz. 125).

3. Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB war auch nicht vertraglich ausgeschlossen.

a) Dabei kann dahinstehen, ob sich die Bestimmung in § 9 ABB auch auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB beziehen soll.

b) Denn ein vertraglicher Ausschluss des Kündigungsrechts wäre unwirksam.

aa) Nach § 489 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 BGB kann das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 nur dann durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden, wenn der Darlehensnehmer der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, ein Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften ist.

bb) Die Beklagte ist zwar als Anstalt des öffentlichen Rechts eine juristische Person des öffentlichen Rechts, jedoch keine der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB genannten Gebietskörperschaften.

cc) Auch eine analog Anwendung des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte ist nicht geboten (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. § 489 Rn. 74; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., §489 Rn. 13; BeckOK-BGB/Rohe [Stand: 01.05.2015], § 489 Rn. 19; a.A. wohl MüKoBGB/K. P. Berger, 6. Aufl., §489 Rn. 21).

Nach dem Wortlaut und der systematischen Fassung des Gesetzes spricht nichts dafür, dass in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB generell juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Darlehensnehmer erfasst sein sollten. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber erkennbar die Mühe gemacht, die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts, auf die der Ausschluss nach § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB anzuwenden sein soll, ausdrücklich aufzuzählen. Diese Aufzählung hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform ausdrücklich beibehalten und um die Europäischen Gemeinschaften sowie ausländische Gebietskörperschaften erweitert. Diese enummerative Bestimmung bestimmter juristischer Personen des öffentlichen Rechts spricht dagegen, die Regelungen auf die Beklagte zu erweitern, nur weil diese in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben wird.

Welchen Zweck der Gesetzgeber mit der Auswahl der in § 489 Abs. 4 Satz 2 genannten Gebietskörperschaften verfolgt hat, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht (vgl. BT-Drucks. 10/4741, S. 22). Nachdem der Gesetzgeber aber gerade darauf verzichtet hat, die Ausnahme des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechts zu erstrecken, obwohl dies unschwer möglich gewesen wäre, und diese Entscheidung auch über eine Anpassung der Vorschrift hinweg beibehalten hat, erscheint es ausgeschlossen, die Ausnahme im Wege der Analogie grundsätzlich auch auf andere öffentlich-rechtlich geprägte Erscheinungsformen der öffentlichen Hand erstrecken (so aber wohl MüKoBGB/K. P. Berger a. a. O.). Vielmehr ist verbindendes Element der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB die Eigenschaft als Gebietskörperschaft, die der Beklagten offensichtlich fehlt. Dies deutet darauf hin, dass sie Ausnahme gerade auf die herkömmlich von Gebietskörperschaften ausgegebenen längläufigen Anleihen beziehen soll, die durch § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht ausgeschlossen werden sollen. Dieser Zweck lässt sich auf die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Bausparkasse gerade nicht übertragen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth Fürther Str. 110 90429 Nürnberg einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,

1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen;
2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.

(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.

(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.

(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.

(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.

Gründe

Landgericht Nürnberg-Fürth

Az.: 6 O 1708/15

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am 17.08.2015

..., Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

...

- Kläger -

Prozessbevollmächtigte: ...

gegen

...

Prozessbevollmächtigte: ...

wegen Feststellung

erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 6. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht - als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2015 folgendes

Endurteil

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 61.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass zwei zwischen den Parteien geschlossene Bausparverträge nicht durch eine Kündigung der Beklagten beendet worden sind.

Die Beklagte ist eine in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts betriebene Bausparkasse.

Am 30.12.1982 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag (Nr. ... über eine Bausparsumme in Höhe von 110.000,00 DM (entspricht 56.242,11 €).

Am 29.09.1986 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag ... über eine Bausparsumme in Höhe von 50.000,00 DM (entspricht 25.564,59 €).

Bei beiden Bausparverträgen sollte ein Guthaben des Bausparers mit 3%o p.a. zu verzinsen sein. Für beide Bausparverträge vereinbarten die Parteien die „Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge“ der Beklagten (nachfolgend: ABB). In § 9 ABB ist bestimmt:

Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.

Der Kläger erbrachte Einzahlung auf die Bausparverträge längstens bis zum Jahr 2002 (vgl. Anlagenkonvolut B3). Ein Bauspardarlehen beantragte er nicht.

Mit zwei Schreiben vom 27.10.2014 (Anlagen K5 und K6) erklärte die Beklagte jeweils die Kündigung der Bausparverträge zum 29.05.2015.

Zum Zeitpunkt der Klageerhebung wies der BSV 014 ein Guthaben von ca. 48.000,00 € (vgl. Anlage K3), der BSV 022 ein Guthaben von ca. 12.000,00 € (vgl. Anlage K4) auf.

Beide Bausparverträge waren im Zeitpunkt der Kündigung seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif.

Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigungen seien unwirksam, weil die Beklagte wegen eines vertraglichen Kündigungsverzichts und weil die angesparten Guthaben die vereinbarte Bausparsumme jeweils nicht erreichten, nicht zur Kündigung berechtigt gewesen sei.

Der Kündigungsverzicht in § 9 ABB sei wirksam, weil die Beklagte eine Anstalt des öffentlichen Rechts sei, die nach Sinn und Zweck des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB wirksam auf das Kündigungsrecht insbesondere nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB verzichten könne.

Dessen ungeachtet liege auch bei Eintritt der Zuteilungsreife noch kein vollständiger Empfang des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor.

An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten macht der Kläger eine 1,3-Geschäftsgebühr (nebst Pauschale und USt) aus einem Streitwert in Höhe von 61.000,00 €, mithin 1.954,46 € geltend.

Der Kläger beantragt - nach Klageerweiterung (Schriftsatz vom 20.05.2015, Bl. 25 ff. d. A.) - daher:

1. Es wird festgestellt, dass die Kündigungen der Beklagten im Hinblick auf die Bausparverträge des Klägers Nr. ... und vom 27.10.2014 unwirksam sind und die genannten Verträge über den von der Beklagten gewünschten Beendigungszeitpunkt 29.05.2015 hinaus fortbestehen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.954,46 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Sie meint, die Feststellungsklage sei unzulässig, da Gegenstand der Feststellung nur der Fortbestand des Vertragsverhältnisses, nicht die Unwirksamkeit einer Kündigung sein könne (vgl. BGH NJW 2000, 354, juris Tz. 44 ff.).

Jedenfalls sie sei nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt gewesen, weil diese seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif gewesen seien (vgl. LG Mainz WM 2015, 181). Das Eintreten der Zuteilungsreife sei als vollständiger Empfang des Darlehens i. S. der Vorschrift zu verstehen.

Auf dieses Kündigungsrecht habe auch die Beklagte nicht wirksam verzichtet, da sich der Kündigungsverzicht nur auf das ordentliche Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB beziehe und jedenfalls das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch für die Beklagte zwingenden Charakter habe (§ 489 Abs. 4 Satz 1 BGB). Insbesondere sei § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte nicht (analog) anwendbar.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Anlagen und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Der Feststellungsantrag ist zulässig.

Insbesondere hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Fortbestands der Bausparverträge i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 22.02.2013, Az. 2-21 O 69/12, juris Tz. 16). Dieses Feststellungsziel lässt sich bei einer interessengerechten Auslegung des Feststellungsantrags auch zweifelsfrei ermitteln.

II.

Die Klageanträge sind jedoch unbegründet, da die streitgegenständlichen Bausparverträge jeweils durch die Kündigung der Beklagten nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum 29.05.2015 beendet wurden.

1. Die Beklagte war nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt.

a) Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang - oder nach der letzten Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz, falls diese nach dem vollständigen Empfang erfolgte - unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen.

b) Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt auch zugunsten des eines Darlehensnehmers, der kein Verbraucher ist, insbesondere auch für Banken und Bausparkassen.

Eine Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. Staudinger/Mülbert, BGB [2010], § 488, Rn. 549). Vielmehr ergibt sich aus einem Vergleich von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (nunmehr aufgehoben) und § 489 Abs. 1 Nr. 3 (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2) BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.), dass der Gesetzgeber zwar für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. die Verbrauchereigenschaft des Darlehensnehmers vorausgesetzt hat („wenn das Darlehen einem Verbraucher gewährt und nicht durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist ...“), für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 a. F. (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) hingegen gerade nicht („in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang“).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Überschrift zu Titel 3 („Darlehensvertrag; Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher“), unter dem § 489 BGB aufgeführt ist. In dieser Titelüberschrift bezieht sich die Verbrauchereigenschaft nicht auf den erstgenannten Begriff des Darlehensvertrags, sondern auf die weiteren Begriffe Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge. Dementsprechend ist § 489 BGB auch nicht mit den §§ 491 ff. BGB unter der Überschrift zu Kapital 2 („Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge“) aufgeführt, sondern in Kapitel 1 („Allgemeine Vorschriften“). Auch aus dieser Systematik ergibt sich zwanglos, dass die in § 489 BGB geregelten Kündigungsrechte nicht nur für Verbraucher als Darlehensnehmer gelten sollen.

c) Zutreffender Weise gehen beide Parteien davon aus, dass die Beklagte als Bausparkasse beim Bausparvertrag in der Zeit vor der Gewährung eines Bauspardarlehens als Darlehensnehmer und der Kläger als Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 539 m. w. N.). Insoweit handelt es sich auch um einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz, nachdem die Beklagte verpflichtet sein sollte, das Bausparguthaben fest mit 3%o p.a. zu verzinsen.

d) Mit Zuteilungsreife, die unstreitig spätestens jeweils zehn Jahre vor Erklärung der Kündigung erstmalig eingetreten ist, ist von einem „vollständigen Empfang“ des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch die Beklagte auszugehen (LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 15; Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 549).

Dies folgt aus der Struktur des Bausparvertrags, dessen Zweck vorrangig darauf gerichtet ist, dem Bausparer nach der Erbringung ausreichender Sparleistungen den Zugriff auf ein darüber hinausgehendes, zinsgünstiges Darlehen zu ermöglichen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12). Dieser Zugriff steht dem Bausparer ab erstmaligem Eintritt der Zuteilungsreife zu. Daher liegt es nahe, die Sparleistungen, die der Bausparer zur Erreichung der Zuteilungsreife erbringen muss, als den vollständigen Gegenstand des Darlehens anzusehen, das der Bausparer der Bausparkasse während der Ansparphase gewährt. Auch wenn der Bausparer nach Erreichen der Zuteilungsreife das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nehmen muss und weitere Sparleistungen erbringen kann, ändert dies nichts daran, dass die Bausparkasse das (mit Abschluss des Bausparvertrags ins Auge gefasste, zur planmäßigen Erreichung der Zuteilungsreife notwendige) Darlehen des Bausparers mit Zuteilungsreife erhalten hat, weshalb von einem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta auszugehen ist. Dies führt gleichermaßen dazu, dass ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB während der Ansparphase nicht entstehen kann und es daher ausgeschlossen ist, dass die Bausparkasse durch eine Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB das Recht des Bausparers zur Erlangung des Bauspardarlehens vereitelt.

e) Die Beklagte hat die Kündigung der Verträge unstreitig mit den beiden Schreiben vom 27.10.2014 gegenüber dem Kläger erklärt. Die Kündigungsfrist von 6 Monaten (zum 29.05.2015) ist eingehalten.

2. Ein genereller Ausschluss des Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus den Besonderheiten des Bausparvertrags noch aus sonstigen Erwägungen.

a) Da der Bausparvertrag seinem Wesen nach auf die Verschaffung eines zinsgünstigen Darlehens und nicht primär auf eine dauerhafte Geldanlage gerichtet ist, spricht nichts dagegen, der Bausparkasse zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife ein Kündigungsrecht zuzugestehen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12 ff.).

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Scala-Rechtsprechung des LG Ulm (vgl. WM 2015, 826). In den dort betroffenen Fällen war nach der Konstruktion der Scala-Sparverträge im Zeitpunkt der jeweiligen Kündigung gerade noch nicht von einem vollständigen Empfang des Darlehens auszugehen, weshalb ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht bestehen konnte (vgl. a. a. O. juris Tz. 125).

3. Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB war auch nicht vertraglich ausgeschlossen.

a) Dabei kann dahinstehen, ob sich die Bestimmung in § 9 ABB auch auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB beziehen soll.

b) Denn ein vertraglicher Ausschluss des Kündigungsrechts wäre unwirksam.

aa) Nach § 489 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 BGB kann das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 nur dann durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden, wenn der Darlehensnehmer der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, ein Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften ist.

bb) Die Beklagte ist zwar als Anstalt des öffentlichen Rechts eine juristische Person des öffentlichen Rechts, jedoch keine der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB genannten Gebietskörperschaften.

cc) Auch eine analog Anwendung des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte ist nicht geboten (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. § 489 Rn. 74; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., §489 Rn. 13; BeckOK-BGB/Rohe [Stand: 01.05.2015], § 489 Rn. 19; a.A. wohl MüKoBGB/K. P. Berger, 6. Aufl., §489 Rn. 21).

Nach dem Wortlaut und der systematischen Fassung des Gesetzes spricht nichts dafür, dass in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB generell juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Darlehensnehmer erfasst sein sollten. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber erkennbar die Mühe gemacht, die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts, auf die der Ausschluss nach § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB anzuwenden sein soll, ausdrücklich aufzuzählen. Diese Aufzählung hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform ausdrücklich beibehalten und um die Europäischen Gemeinschaften sowie ausländische Gebietskörperschaften erweitert. Diese enummerative Bestimmung bestimmter juristischer Personen des öffentlichen Rechts spricht dagegen, die Regelungen auf die Beklagte zu erweitern, nur weil diese in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben wird.

Welchen Zweck der Gesetzgeber mit der Auswahl der in § 489 Abs. 4 Satz 2 genannten Gebietskörperschaften verfolgt hat, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht (vgl. BT-Drucks. 10/4741, S. 22). Nachdem der Gesetzgeber aber gerade darauf verzichtet hat, die Ausnahme des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechts zu erstrecken, obwohl dies unschwer möglich gewesen wäre, und diese Entscheidung auch über eine Anpassung der Vorschrift hinweg beibehalten hat, erscheint es ausgeschlossen, die Ausnahme im Wege der Analogie grundsätzlich auch auf andere öffentlich-rechtlich geprägte Erscheinungsformen der öffentlichen Hand erstrecken (so aber wohl MüKoBGB/K. P. Berger a. a. O.). Vielmehr ist verbindendes Element der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB die Eigenschaft als Gebietskörperschaft, die der Beklagten offensichtlich fehlt. Dies deutet darauf hin, dass sie Ausnahme gerade auf die herkömmlich von Gebietskörperschaften ausgegebenen längläufigen Anleihen beziehen soll, die durch § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht ausgeschlossen werden sollen. Dieser Zweck lässt sich auf die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Bausparkasse gerade nicht übertragen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth Fürther Str. 110 90429 Nürnberg einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,

1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen;
2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.

(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.

(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.

(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.

(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.

Gründe

Landgericht Nürnberg-Fürth

Az.: 6 O 1708/15

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am 17.08.2015

..., Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

...

- Kläger -

Prozessbevollmächtigte: ...

gegen

...

Prozessbevollmächtigte: ...

wegen Feststellung

erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 6. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht - als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2015 folgendes

Endurteil

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 61.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass zwei zwischen den Parteien geschlossene Bausparverträge nicht durch eine Kündigung der Beklagten beendet worden sind.

Die Beklagte ist eine in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts betriebene Bausparkasse.

Am 30.12.1982 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag (Nr. ... über eine Bausparsumme in Höhe von 110.000,00 DM (entspricht 56.242,11 €).

Am 29.09.1986 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag ... über eine Bausparsumme in Höhe von 50.000,00 DM (entspricht 25.564,59 €).

Bei beiden Bausparverträgen sollte ein Guthaben des Bausparers mit 3%o p.a. zu verzinsen sein. Für beide Bausparverträge vereinbarten die Parteien die „Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge“ der Beklagten (nachfolgend: ABB). In § 9 ABB ist bestimmt:

Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.

Der Kläger erbrachte Einzahlung auf die Bausparverträge längstens bis zum Jahr 2002 (vgl. Anlagenkonvolut B3). Ein Bauspardarlehen beantragte er nicht.

Mit zwei Schreiben vom 27.10.2014 (Anlagen K5 und K6) erklärte die Beklagte jeweils die Kündigung der Bausparverträge zum 29.05.2015.

Zum Zeitpunkt der Klageerhebung wies der BSV 014 ein Guthaben von ca. 48.000,00 € (vgl. Anlage K3), der BSV 022 ein Guthaben von ca. 12.000,00 € (vgl. Anlage K4) auf.

Beide Bausparverträge waren im Zeitpunkt der Kündigung seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif.

Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigungen seien unwirksam, weil die Beklagte wegen eines vertraglichen Kündigungsverzichts und weil die angesparten Guthaben die vereinbarte Bausparsumme jeweils nicht erreichten, nicht zur Kündigung berechtigt gewesen sei.

Der Kündigungsverzicht in § 9 ABB sei wirksam, weil die Beklagte eine Anstalt des öffentlichen Rechts sei, die nach Sinn und Zweck des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB wirksam auf das Kündigungsrecht insbesondere nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB verzichten könne.

Dessen ungeachtet liege auch bei Eintritt der Zuteilungsreife noch kein vollständiger Empfang des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor.

An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten macht der Kläger eine 1,3-Geschäftsgebühr (nebst Pauschale und USt) aus einem Streitwert in Höhe von 61.000,00 €, mithin 1.954,46 € geltend.

Der Kläger beantragt - nach Klageerweiterung (Schriftsatz vom 20.05.2015, Bl. 25 ff. d. A.) - daher:

1. Es wird festgestellt, dass die Kündigungen der Beklagten im Hinblick auf die Bausparverträge des Klägers Nr. ... und vom 27.10.2014 unwirksam sind und die genannten Verträge über den von der Beklagten gewünschten Beendigungszeitpunkt 29.05.2015 hinaus fortbestehen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.954,46 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Sie meint, die Feststellungsklage sei unzulässig, da Gegenstand der Feststellung nur der Fortbestand des Vertragsverhältnisses, nicht die Unwirksamkeit einer Kündigung sein könne (vgl. BGH NJW 2000, 354, juris Tz. 44 ff.).

Jedenfalls sie sei nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt gewesen, weil diese seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif gewesen seien (vgl. LG Mainz WM 2015, 181). Das Eintreten der Zuteilungsreife sei als vollständiger Empfang des Darlehens i. S. der Vorschrift zu verstehen.

Auf dieses Kündigungsrecht habe auch die Beklagte nicht wirksam verzichtet, da sich der Kündigungsverzicht nur auf das ordentliche Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB beziehe und jedenfalls das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch für die Beklagte zwingenden Charakter habe (§ 489 Abs. 4 Satz 1 BGB). Insbesondere sei § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte nicht (analog) anwendbar.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Anlagen und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Der Feststellungsantrag ist zulässig.

Insbesondere hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Fortbestands der Bausparverträge i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 22.02.2013, Az. 2-21 O 69/12, juris Tz. 16). Dieses Feststellungsziel lässt sich bei einer interessengerechten Auslegung des Feststellungsantrags auch zweifelsfrei ermitteln.

II.

Die Klageanträge sind jedoch unbegründet, da die streitgegenständlichen Bausparverträge jeweils durch die Kündigung der Beklagten nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum 29.05.2015 beendet wurden.

1. Die Beklagte war nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt.

a) Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang - oder nach der letzten Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz, falls diese nach dem vollständigen Empfang erfolgte - unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen.

b) Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt auch zugunsten des eines Darlehensnehmers, der kein Verbraucher ist, insbesondere auch für Banken und Bausparkassen.

Eine Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. Staudinger/Mülbert, BGB [2010], § 488, Rn. 549). Vielmehr ergibt sich aus einem Vergleich von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (nunmehr aufgehoben) und § 489 Abs. 1 Nr. 3 (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2) BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.), dass der Gesetzgeber zwar für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. die Verbrauchereigenschaft des Darlehensnehmers vorausgesetzt hat („wenn das Darlehen einem Verbraucher gewährt und nicht durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist ...“), für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 a. F. (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) hingegen gerade nicht („in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang“).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Überschrift zu Titel 3 („Darlehensvertrag; Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher“), unter dem § 489 BGB aufgeführt ist. In dieser Titelüberschrift bezieht sich die Verbrauchereigenschaft nicht auf den erstgenannten Begriff des Darlehensvertrags, sondern auf die weiteren Begriffe Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge. Dementsprechend ist § 489 BGB auch nicht mit den §§ 491 ff. BGB unter der Überschrift zu Kapital 2 („Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge“) aufgeführt, sondern in Kapitel 1 („Allgemeine Vorschriften“). Auch aus dieser Systematik ergibt sich zwanglos, dass die in § 489 BGB geregelten Kündigungsrechte nicht nur für Verbraucher als Darlehensnehmer gelten sollen.

c) Zutreffender Weise gehen beide Parteien davon aus, dass die Beklagte als Bausparkasse beim Bausparvertrag in der Zeit vor der Gewährung eines Bauspardarlehens als Darlehensnehmer und der Kläger als Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 539 m. w. N.). Insoweit handelt es sich auch um einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz, nachdem die Beklagte verpflichtet sein sollte, das Bausparguthaben fest mit 3%o p.a. zu verzinsen.

d) Mit Zuteilungsreife, die unstreitig spätestens jeweils zehn Jahre vor Erklärung der Kündigung erstmalig eingetreten ist, ist von einem „vollständigen Empfang“ des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch die Beklagte auszugehen (LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 15; Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 549).

Dies folgt aus der Struktur des Bausparvertrags, dessen Zweck vorrangig darauf gerichtet ist, dem Bausparer nach der Erbringung ausreichender Sparleistungen den Zugriff auf ein darüber hinausgehendes, zinsgünstiges Darlehen zu ermöglichen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12). Dieser Zugriff steht dem Bausparer ab erstmaligem Eintritt der Zuteilungsreife zu. Daher liegt es nahe, die Sparleistungen, die der Bausparer zur Erreichung der Zuteilungsreife erbringen muss, als den vollständigen Gegenstand des Darlehens anzusehen, das der Bausparer der Bausparkasse während der Ansparphase gewährt. Auch wenn der Bausparer nach Erreichen der Zuteilungsreife das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nehmen muss und weitere Sparleistungen erbringen kann, ändert dies nichts daran, dass die Bausparkasse das (mit Abschluss des Bausparvertrags ins Auge gefasste, zur planmäßigen Erreichung der Zuteilungsreife notwendige) Darlehen des Bausparers mit Zuteilungsreife erhalten hat, weshalb von einem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta auszugehen ist. Dies führt gleichermaßen dazu, dass ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB während der Ansparphase nicht entstehen kann und es daher ausgeschlossen ist, dass die Bausparkasse durch eine Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB das Recht des Bausparers zur Erlangung des Bauspardarlehens vereitelt.

e) Die Beklagte hat die Kündigung der Verträge unstreitig mit den beiden Schreiben vom 27.10.2014 gegenüber dem Kläger erklärt. Die Kündigungsfrist von 6 Monaten (zum 29.05.2015) ist eingehalten.

2. Ein genereller Ausschluss des Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus den Besonderheiten des Bausparvertrags noch aus sonstigen Erwägungen.

a) Da der Bausparvertrag seinem Wesen nach auf die Verschaffung eines zinsgünstigen Darlehens und nicht primär auf eine dauerhafte Geldanlage gerichtet ist, spricht nichts dagegen, der Bausparkasse zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife ein Kündigungsrecht zuzugestehen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12 ff.).

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Scala-Rechtsprechung des LG Ulm (vgl. WM 2015, 826). In den dort betroffenen Fällen war nach der Konstruktion der Scala-Sparverträge im Zeitpunkt der jeweiligen Kündigung gerade noch nicht von einem vollständigen Empfang des Darlehens auszugehen, weshalb ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht bestehen konnte (vgl. a. a. O. juris Tz. 125).

3. Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB war auch nicht vertraglich ausgeschlossen.

a) Dabei kann dahinstehen, ob sich die Bestimmung in § 9 ABB auch auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB beziehen soll.

b) Denn ein vertraglicher Ausschluss des Kündigungsrechts wäre unwirksam.

aa) Nach § 489 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 BGB kann das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 nur dann durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden, wenn der Darlehensnehmer der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, ein Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften ist.

bb) Die Beklagte ist zwar als Anstalt des öffentlichen Rechts eine juristische Person des öffentlichen Rechts, jedoch keine der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB genannten Gebietskörperschaften.

cc) Auch eine analog Anwendung des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte ist nicht geboten (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. § 489 Rn. 74; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., §489 Rn. 13; BeckOK-BGB/Rohe [Stand: 01.05.2015], § 489 Rn. 19; a.A. wohl MüKoBGB/K. P. Berger, 6. Aufl., §489 Rn. 21).

Nach dem Wortlaut und der systematischen Fassung des Gesetzes spricht nichts dafür, dass in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB generell juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Darlehensnehmer erfasst sein sollten. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber erkennbar die Mühe gemacht, die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts, auf die der Ausschluss nach § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB anzuwenden sein soll, ausdrücklich aufzuzählen. Diese Aufzählung hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform ausdrücklich beibehalten und um die Europäischen Gemeinschaften sowie ausländische Gebietskörperschaften erweitert. Diese enummerative Bestimmung bestimmter juristischer Personen des öffentlichen Rechts spricht dagegen, die Regelungen auf die Beklagte zu erweitern, nur weil diese in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben wird.

Welchen Zweck der Gesetzgeber mit der Auswahl der in § 489 Abs. 4 Satz 2 genannten Gebietskörperschaften verfolgt hat, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht (vgl. BT-Drucks. 10/4741, S. 22). Nachdem der Gesetzgeber aber gerade darauf verzichtet hat, die Ausnahme des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechts zu erstrecken, obwohl dies unschwer möglich gewesen wäre, und diese Entscheidung auch über eine Anpassung der Vorschrift hinweg beibehalten hat, erscheint es ausgeschlossen, die Ausnahme im Wege der Analogie grundsätzlich auch auf andere öffentlich-rechtlich geprägte Erscheinungsformen der öffentlichen Hand erstrecken (so aber wohl MüKoBGB/K. P. Berger a. a. O.). Vielmehr ist verbindendes Element der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB die Eigenschaft als Gebietskörperschaft, die der Beklagten offensichtlich fehlt. Dies deutet darauf hin, dass sie Ausnahme gerade auf die herkömmlich von Gebietskörperschaften ausgegebenen längläufigen Anleihen beziehen soll, die durch § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht ausgeschlossen werden sollen. Dieser Zweck lässt sich auf die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Bausparkasse gerade nicht übertragen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth Fürther Str. 110 90429 Nürnberg einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.