Landgericht München I Schlussurteil, 02. Juni 2014 - 1 S 3223/12

bei uns veröffentlicht am02.06.2014

Gericht

Landgericht München I

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 16.11.2011, Az. 482 C 33052/10 WEG, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs. 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 4 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 62 Rn. 6).

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht die in der Eigentümerversammlung vom 22.11.2010 zu TOP 3.1, TOP 3.2 und TOP 3.3 gefassten Beschlüsse zu den Gesamtjahresabrechnungen 2007-2009 sowie zu den Jahresgesamt- und Jahreseinzelabrechnungen 2007-2009 im Hinblick auf die Positionen Müllentsorgung, Strom sowie Gartengestaltung für ungültig erklärt. Auch die Ungültigerklärung des Beschlusses zu TOP 4.2 (Verwalterentlastung) ist nicht zu beanstanden.

1. Die Beschlüsse zu den Gesamt- und Einzelabrechnungen 2007 bis 2009 waren jeweils im tenorierten Umfang für unwirksam zu erklären.

a) Entgegen der Auffassung der Klagepartei waren die angegriffenen Beschlüsse zu TOP 3.1- 3.3 jedoch nicht bereits deshalb in den Positionen Müllentsorgung und Gartengestaltung aufzuheben, weil es sich insoweit um Kosten handeln würde, welche die Klägerin als Teileigentümerin von Tiefgaragenstellplätzen nicht betrafen. Die Auslegung der maßgeblichen Regelungen in der Gemeinschaftsordnung ergibt nicht, dass die Kosten der Müllentsorgung und Gartengestaltung nicht zu den insgesamt nach § 6 Abs. 1 der Teilungserklärung vom 16.04.1997 (TE) auf die Gesamtheit der Wohnungseigentümer bzw. Teileigentümer nach Miteigentumsanteilen umzulegenden Kosten gehören sollten. Die genannten Positionen betreffen vielmehr die Gesamtgemeinschaft, da sie nicht alleine einer Untergemeinschaft zugeordnet werden können.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es nach den Regelungen der Teilungserklärung nicht in erster Linie darauf an, ob die Untergemeinschaft, welcher sie selbst angehört, von der Angelegenheit betroffen ist.

aa) Für die Auslegung der Teilungserklärung sind wegen ihrer Bedeutung für künftige Erwerber von Wohnungseigentum die für Grundbucheintragungen anzuwenden Grundsätze maßgebend. Danach ist auf den Wortlaut und Sinn der Teilungserklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt.

Nach diesen Grundsätzen gilt hier Folgendes:

Nach § 7 Abs. 2 TE ist es zwar so, dass über Angelegenheiten, welche nur die eine oder die andere Untergemeinschaft betreffen, nur deren Mitglieder alleine entscheiden. Ferner nehmen danach an den Kosten und Lasten des Gemeinschaftseigentums in den jeweiligen Bereichen der Untergemeinschaft nur sie teil. Dies bedeutet jedoch zum einen nicht, dass eine Kostenposition bereits dann als ausscheidbar anzusehen wäre, wenn sie eine der drei Untergemeinschaften nicht betrifft. Zum anderen ist der Begriff des „Betroffenseins“ hier nicht gleichbedeutend mit tatsächlicher Nutzung etwa einer gemeinschaftlichen Einrichtung wie der Außenanlagen.

Im Rahmen der Auslegung der Regelung in § 7 Abs. 2 TE ist der Zusammenhang mit § 7 Abs. 3 der Teilungserklärung zu beachten. Hieraus ist unzweifelhaft zu entnehmen, dass ein Gleichlauf zwischen der Regelungskompetenz für eine bestimmte Angelegenheit und der Tragung der diesbezüglichen Kosten erfolgen soll. Die Teilungserklärung differenziert hierbei zwischen Angelegenheiten, welche nur eine Untergemeinschaft betreffen (§ 7 Abs. 2 TE), und solchen, welche mindestens zwei Untergemeinschaften betreffen (§ 7 Abs. 3 TE). Soweit eine Angelegenheit nicht nur eine Untergemeinschaft betrifft, besteht sowohl die Beschlusskompetenz als auch die Verpflichtung zur Kostentragung durch alle Wohnungs- und Teileigentümer.

Die an dieser Stelle in der Teilungserklärung verwendete Formulierung „nicht nur die eine oder die andere“ Untergemeinschaft betreffen, ist zwar angesichts des Umstands, dass drei Untergemeinschaften begründet werden sollen, sprachlich unglücklich.

Der Wortlaut der Vorschrift „die eine oder die andere“ spricht jedoch eindeutig dafür, dass es um Kosten geht, welche einer Untergemeinschaft positiv zugewiesen werden können (vgl. hierzu auch BGH Urteil vom 20.07.2012- V ZR 231/11 Rn. 11- zitiert nach juris).

Eine Auslegung dahingehend, dass solche Kosten, welche lediglich zwei Untergemeinschaften betreffen dergestalt als ausscheidbar anzusehen wären, dass die dritte Untergemeinschaft von diesen Kosten freizustellen wäre, wäre demgegenüber nicht sachgerecht:

Würde man die Regelung in diesem Sinne verstehen, wäre sie letztlich nicht umsetzbar, da es an einem Maßstab für die Verteilung innerhalb der beiden betroffenen Untergemeinschaften fehlen würde. In diesem Fall wären die Kosten gem. § 16 Abs. 2 WEG auf sämtliche Wohnungs- und Teileigentümer zu verteilen, da es an einer klaren und eindeutigen abweichenden Bestimmung in der Teilungserklärung fehlen würde. Es kann an dieser Stelle auch nicht einfach unterstellt werden, dass im Falle der Betroffenheit zweier Untergemeinschaften die Verteilung zwischen den betroffenen Untergemeinschaften nach Miteigentumsanteilen vorzunehmen wäre. Hierfür besteht keinerlei Anhaltspunkt, zumal durch die vorgenommenen Regelungen ja gerade eine von § 16 Abs. 2 WEG abweichende Regelung geschaffen werden sollte.

bb) Bei den Positionen Gartengestaltung und Müllentsorgung handelt es sich jeweils um solche, die nicht dergestalt ausscheidbar sind, dass sie einer einzelnen Untergemeinschaft zugewiesen werden könnten.

(1) Die Kosten für die Müllentsorgung treffen alle Wohnungs- und Teileigentümer. Es kommt dabei nicht darauf an, dass eine Müllentsorgung in der Untergemeinschaft Tiefgarage nicht stattfindet, sondern lediglich über Mülltonnenhäuschen, welche direkt in die Wohnanlage integriert sind. Maßgeblich ist auch nicht, ob die Teileigentümer, welche die Untergemeinschaft Tiefgarage bilden, oder deren Mieter ein Interesse an einer Müllentsorgung über die Mülltonnenhäuschen der Wohnungseigentümergemeinschaft haben oder diese tatsächlich nutzen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Teileigentümer der Tiefgargenstellplätze bzw. deren Mieter durch die Teilungserklärung nicht von der Benutzung der gemeinschaftlichen Mülltonnenhäuschen ausgeschlossen sind. Hierbei ist unerheblich, ob die Teileigentümer bislang tatsächlich Zugang zu den Mülltonnenhäuschen hatten oder nicht. Entscheidend ist, dass es sich insoweit um Gemeinschaftseigentum handelt und die Teileigentümer nach § 13 Abs. 2 Satz 1 WEG ein Recht zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums haben. Durch die Teilungserklärung wurde das Recht des Mitgebrauchs für die zur Untergemeinschaft Tiefgarage gehörenden Eigentümer auch nicht ausgeschlossen. Damit sind die Teileigentümer grundsätzlich auch bei der Kostentragung mit heranzuziehen.

Auch der Umstand, dass die Landeshauptstadt München bei der Berechnung der Müllgebühren nur auf die Anzahl der Wohnungen und nicht gesondert auf die Tiefgarage abstellt, ist ohne Belang. Hieraus folgt nur, dass keine ausscheidbaren Kosten für die Tiefgarage entstanden sind und die Kosten auf alle Wohnungs- und Teileigentümer umzulegen sind.

(2) Auch die Kosten der Pflege der Außenanlagen betreffen grundsätzlich alle Wohnungs- und Teileigentümer. Soweit die Klägerin einwendet, die Außenanlagen würden tatsächlich nur von den Wohnungseigentümern genutzt, nicht jedoch von den Teileigentümern oder Mietern der Tiefgaragenstellplätze, kann sie keinen Erfolg haben. Es kommt insoweit nicht auf die tatsächliche Nutzung, sondern auf die rechtliche Nutzungsmöglichkeit an. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Teileigentümer der Tiefgaragenstellplätze rechtlich von der Nutzung der Außenanlagen ausgeschlossen wären. Die Tatsache, dass die Teileigentümer der Tiefgaragenstellplätze möglicherweise kein Interesse an der Nutzung der Außenanlagen der Wohnungseigentümergemeinschaft haben, ändert hieran nichts.

b) Die Beschlüsse zu TOP 3.1, 3.2 und 3.3 waren jedoch in den angegriffenen Positionen aufzuheben, da jeweils nicht nachvollziehbar ist, wie eine Verteilung der jeweiligen Kosten auf die Untergemeinschaften erfolgte und zudem eine Beschlusskompetenz der Untergemeinschaft für die Verteilung der die Gesamtgemeinschaft betreffenden Kosten auf die einzelnen Wohnungs- und Teileigentümer nicht besteht. Die Abrechnungen entsprechen damit nicht den Vorgaben der Teilungserklärung vom 16.04.1997.

aa) Die Verteilung der Kosten auf die Untergemeinschaften in den Jahresgesamtabrechnungen 2007 bis 2009 erfolgte jeweils nicht nach den Vorgaben der Teilungserklärung. Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen.

(1) Zunächst einmal ist es unumgänglich, dass eine Jahresabrechnung der Gesamtgemeinschaft erstellt wird, die alle gemeinschaftsbezogenen Ausgaben und Einnahmen ausweist. Dies haben die Wohnungseigentümer vorliegend zutreffend erkannt.Diese müssen dann in einem zweiten Schritt, ebenfalls von der Gesamtgemeinschaft, entweder auf die einzelnen Miteigentümer verteilt werden - soweit es um Positionen geht, die nicht den Untergemeinschaften zugewiesen werden können - oder sie müssen auf die einzelnen Untergemeinschaften verteilt werden - soweit Positionen betroffen sind, die nach der Teilungserklärung den einzelnen Untergemeinschaften zugewiesen sind. Die Feststellung der gemeinschaftsbezogenen Zu- und Abflüsse im Außenverhältnis ist stets ein Belang der Gesamtgemeinschaft (vgl. BayObLG, ZUM 2001, 771; OLG Zweibrücken, ZMR 2005, 550) . Gleiches gilt für die Verteilung der nicht ausscheidbaren, die Gesamtgemeinschaft betreffenden Kosten auf die einzelnen Wohnungseigentümer.

Es ist damit nach der vorliegenden Teilungserklärung zwischen zwei verschiedenen Arten von Kosten zu differenzieren:Einmal zwischen denen, welche lediglich eine Untergemeinschaft (in den Worten der Teilungserklärung: „ die eine oder die andere Untergemeinschaft“) betreffen und ihr daher zuzuweisen sind und solchen, welche mindestens zwei Untergemeinschaften („nicht nur die eine oder die andere Untergemeinschaft“) betreffen und daher von der Gesamtgemeinschaft auf die einzelnen Wohnungs- und Teileigentümer zu verteilen sind.

Auch der nach den Vorgaben der hiesigen Teilungserklärung zusätzlich vorzunehmende Schritt Verteilung der Kosten auf die jeweiligen Untergemeinschaften muss hierbei nach den allgemeinen Maßstäben für Jahresabrechnungen nachvollziehbar und verständlich sein. Die Abrechnung muss für einen durchschnittlichen Eigentümer ohne Hinzuziehung sachverständiger Hilfe verständlich sein.

(2) Die Jahresabrechnungen 2007 bis 2009 leiden hinsichtlich der Zuweisung der Kosten zu den Untergemeinschaften jeweils unter denselben Fehlern:Hinsichtlich der Kosten für die Müllentsorgung und die Pflege der Außenanlagen handelt es sich, wie bereits ausgeführt, um Kosten welche die Gesamtgemeinschaft betreffen. Diese dürfen nicht zunächst auf die Untergemeinschaften verteilt werden. Die Verteilung der Kosten im Rahmen der Einzelabrechnung auf die einzelnen Wohnungs- und Teileigentümer steht vielmehr allein der Gesamtgemeinschaft zu.

Darüber hinaus war auch die Position Stromkosten für unwirksam zu erklären, da die Verteilung der Kosten auf die Untergemeinschaften insgesamt und im besonderen Maße bezüglich der Position Stromkosten nicht nachvollziehbar ist.

Es ist schon nicht erkennbar, ob es sich hierbei um tatsächlich ausscheidbare Kosten handeln soll oder ob eine Verteilung nach einem der in der Kopfzeile genannten Abrechnungsschlüssel erfolgen soll. Die Zuweisung der Kosten auf die Untergemeinschaften ist vor dem Hintergrund, dass ausnahmslos alle Kostenpositionen auf Untergemeinschaften verteilt werden - was wie bereits dargestellt unzulässig ist- und noch nicht einmal klar ist, nach welchem Maßstab jeweils die Verteilung erfolgt nicht mehr verständlich. An keiner Stelle wird deutlich, dass hier etwa die Stromkosten nach tatsächlichem Verbrauch zugewiesen werden sollen und nicht nach irgendeinem der genannten Kostenverteilungsschlüssel. Die Verwirrung wird hierbei noch dadurch gesteigert, dass nach der Teilungserklärung eine Zuweisung von Kosten an die Untergemeinschaft nur dann in Betracht kommt, wenn die betreffenden Kosten eindeutig einer Untergemeinschaft zugeordnet werden können. Demgemäß kommt eine Zuweisung von Kosten an die Untergemeinschaft nach Maßgabe der in der Kopfzeile aufgeführten Kostenverteilungsschlüsseln grundsätzlich nicht in Betracht.

Hinsichtlich der vorgenommenen Zuweisung von Kosten an die Untergemeinschaften ist die beschlossene Jahresabrechnung daher aus sich heraus nicht mehr nachvollziehbar und verständlich.

bb) In einem zweiten Schritt ist sodann die Verteilung der Kosten innerhalb der Untergemeinschaften vorzunehmen:

Erst wenn eine Verteilung der Kosten auf die Untergemeinschaften erfolgt ist, kann die Untergemeinschaft die ihr hierdurch zugewiesenen Zu- und Abflüsse ihrerseits auf ihre Miteigentümer umlegen. Allein dieser Schritt betrifft ausschließlich die Interessen der Miteigentümer der Untergemeinschaft: Für die anderen Eigentümer ist es ohne Bedeutung, welcher der Miteigentümer der Untergemeinschaft wie viel zahlen muss, solange die Summe der Zahlungen die auf die Untergemeinschaft entfallenden gemeinschaftsbezogenen Ausgaben deckt.

cc) Genehmigung der Jahreseinzelabrechnungen:

Nach den dargestellten Grundsätzen fehlte den jeweiligen Untergemeinschaften hier die Beschlusskompetenz, über die Jahreseinzelabrechnungen insgesamt Beschluss zu fassen. Der Untergemeinschaft steht nach den Regelungen der vorliegenden Teilungserklärung nur die Entscheidungsmacht hinsichtlich der Verteilung der ihr zugewiesenen, nur sie betreffenden Kostenpositionen zu. Die Mitglieder der Untergemeinschaft durften daher nicht über die Verteilung der die Gesamtgemeinschaft betreffenden Kosten auf die jeweiligen Wohnungs- und Teileigentümer entscheiden.

Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:

(1) Grundsätzlich sind gemäß § 25 Abs. 1, 2 WEG sämtliche Miteigentümer der WEG zur Beschlussfassung berufen (Kümmel, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG,10. Aufl., § 25 Rn. 26). Soweit keine besonderen Regelungen in der Gemeinschaftsordnung vorhanden sind, sind auch in Mehrhausanlagen sämtliche Wohnungseigentümer stimmberechtigt, auch wenn sie von einem Beschluss faktisch nicht betroffen sind, weil er etwa nur die Belange eines anderen Hauses berührt.

Nachdem eine Jahresabrechnung notwendigerweise Kosten enthält, die das Gemeinschaftseigentum insgesamt betreffen, ist grundsätzlich auch in Mehrhausanlagen eine einheitliche Jahresabrechnung aufzustellen, über die alle Wohnungs- und Teileigentümer abzustimmen haben (vgl. Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 28 Rn. 43).

Nachdem die Vorschrift des § 28 WEG jedoch weitgehend abdingbar ist, bestehen hier jedoch vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten durch entsprechende Regelungen in der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung (vgl. Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 28 Rn. 2). Es ist daher anhand der jeweiligen Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung für jede Mehrhausanlage individuell zu prüfen, ob und inwieweit die gesetzlichen Regelungen durch hinreichend klare Regelungen abbedungen worden sind. Aus der Gemeinschaftsordnung/Teilungserklärung kann sich auch die Verpflichtung des Verwalters ergeben, für gebildete Untergemeinschaften eigene Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen aufzustellen, über die in der Gesamtgemeinschaft oder der Untergemeinschaft abzustimmen ist (vgl. BayObLG ZMR 2004, 598; KG, ZMR 2008, 67).

Der Grundsatz der einheitlichen Jahresabrechnung ist jedoch durch die vorliegende Teilungserklärung gerade nicht dergestalt abbedungen worden, dass die gemäß § 7 TE gebildeten drei Untergemeinschaften selbstständige Jahresabrechnungen aufzustellen haben bzw. aufstellen dürfen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass hier lediglich verschiedene Abrechnungskreise geschaffen wurden. Insoweit nimmt die Kammer zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen der 36. Zivilkammer des Landgerichts München I im Verfahren 36 S 6946/09, denen sich die Kammer vollumfänglich anschließt.

Zunächst ist festzustellen, dass die Teilungserklärung vom 16.04.1997 nicht ausdrücklich die Aufstellung eigener Jahresabrechnungen oder Wirtschaftspläne vorsieht. In § 8 TE, welcher die Überschrift „ Wirtschaftsplan und Abrechnung“ trägt, ist stets nur von einer Abrechnung bzw. einem Wirtschaftsplan die Rede, welcher von der Eigentümerversammlung beschlossen wird. Hier finden sich keine Anhaltspunkte für die Aufstellung eigenständiger Jahresabrechnungen der Untergemeinschaften. Auch aus der bloßen Bezeichnung der Untergemeinschaften als sog. „Wirtschafts- und Verwaltungseinheiten“ kann nicht abgeleitet werden, dass eigenständige Jahresabrechnungen der Untergemeinschaft zu erstellen wären. An mehreren Stellen der vorliegenden TE wird der Grundgedanke betont, dass eine Beschlusskompetenz der Untergemeinschaften nur in soweit bestehen soll als Angelegenheiten zweifelsfrei einer Untergemeinschaft zugeordnet werden können. Im Zweifelsfalle soll es mithin bei der gesetzlichen Zuständigkeit der Gesamtgemeinschaft verbleiben (vgl. etwa § 2 Abs. 4.5, § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 4 S. 3 TE).

Anhaltpunkte dafür, dass den jeweiligen Untergemeinschaften über die Verteilung bestimmter Kosten und Lasten, insbesondere der Kosten von Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, welche nur die jeweilige Untergemeinschaft betreffen, hinaus auch die Kompetenz zur Aufstellung von Jahresabrechnungen der jeweiligen Untergemeinschaft übertragen werden sollten, fehlen jedoch. Dies kann auch nicht dem Umstand entnommen werden, dass die Untergemeinschaften gem. § 7 Abs. 2 Satz 3 über die Einzahlungen in die Instandhaltungsrücklage und die Entnahmen aus der Instandhaltungsrücklage entscheiden sollen. Dies legt zwar nahe, dass hier für jede Untergemeinschaft getrennte Instandhaltungsrückstellungen gebildet werden sollen, über deren Höhe und Verwendung die jeweilige Untergemeinschaft entscheidet. Hieraus lässt sich jedoch nicht der Schluss ziehen, dass die jeweiligen Untergemeinschaften eigenständige Wirtschaftspläne beschließen können, sondern zunächst nur, dass die Untergemeinschaften entsprechende Vorgaben für die Bildung einer Instandhaltungsrücklage machen, die insoweit intern der Zweckbestimmung unterliegt für Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen der jeweiligen Untergemeinschaft verwendet zu werden. Diese Vorgaben hat der Verwalter dann bei Aufstellung des jeweiligen Wirtschaftsplanes zugrunde zu legen.

(2) Der Beschluss über die Jahreseinzelabrechnungen ist nichtig, da die Untergemeinschaft vorliegend die ihr zugewiesene Beschlusskompetenz überschritten hat. Die Untergemeinschaft hat keine originären, sondern nur von der Gesamtgemeinschaft abgeleitete Beschlusskompetenzen (vgl. Klein in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 10 Rn. 26).

(3) Zur weiteren Vorgehensweise weist die Kammer ergänzend auf Folgendes hin:

Aufgrund der durch die TE vorgenommenen Aufteilung der Entscheidungskompetenzen zwischen der Gesamt- und den Untergemeinschaften stellt sich weiterhin die Frage, wie der Beschluss der Untergemeinschaft über die Verteilung der ihr zugewiesenen Kosten in die Jahresabrechnung einzubeziehen ist.

Nachdem die Erstellung gesonderter Jahresabrechnungen für die Untergemeinschaft in der Teilungserklärung nicht vorgesehen ist, kommen hierfür zwei Wege in Betracht:

Zunächst könnte es so sein, dass die Jahreseinzelabrechnung gewissermaßen aus zwei selbstständigen Teilen besteht, welche erst in ihrer Gesamtheit die Jahreseinzelabrechnung der Wohnungseigentümergemeinschaft bilden (zweistufige Lösung). Die Gesamtgemeinschaft würde demgemäß über die Gesamtabrechnung, die Zuweisung bestimmter Kosten zu den Untergemeinschaften sowie die Verteilung der die Gesamtgemeinschaft betreffenden Ausgaben und Einnahmen entscheiden. In einem ´zweiten Schritt beschließen sodann die jeweiligen Untergemeinschaften über die Verteilung der ihnen zugewiesenen Kosten.

Es wäre jedoch auch denkbar, dass eine Integration der bindenden Kostenverteilung durch die Untergemeinschaften in die Jahresabrechnung der Gesamtgemeinschaft dergestalt erfolgt, dass die Gesamtgemeinschaft erst nach der Beschlussfassung der Untergemeinschaften über die Genehmigung der Jahreseinzelabrechnungen entscheidet und hierbei die bindenden Vorgaben der Untergemeinschaften hinsichtlich der Verteilung der den Untergemeinschaften zugewiesenen Kosten übernimmt („dreistufige Lösung“).

Die Unterschiede der beiden Verfahrensweise, welche nach Auffassung der Kammer jeweils mit den Regelungen der hier vorliegenden Teilungserklärung in Einklang stehen würden, zeigen sich insbesondere an zwei Stellen:

(3.1) Unterschiede in Bezug auf die Abrechnungsspitze:

Die sog. Abrechnungsspitze ist für die Geltendmachung von Ansprüchen aus der Jahresabrechnung von erheblicher Bedeutung. Lediglich soweit die sich aus der Jahresabrechnung ergebene Zahlungsverpflichtung des Eigentümers die im Wirtschaftsplan beschlossenen (Soll-)Vorschüsse übersteigt (Abrechnungsspitze), wird nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Jahreseinzelabrechnung erstmalig und originär ein Anspruch gegen einen konkreten Eigentümer begründet (vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2014, Az. V ZR 168/13 - Rz. 20 - zitiert nach juris; BGH ZWE 2010,170).

Eine Abrechnungsspitze ist jedoch nur dann ohne Weiteres errechenbar und ggf. in der jeweiligen Einzelabrechnung ausweisbar, wenn der dreistufige Ansatz gewählt wird.

Die Abrechnungsspitze könnte prinzipiell auch an Hand zweier einheitlich zu betrachtender Abrechnungsteile errechnet werden, so dass dies zunächst nicht gegen das oben dargestellte zweistufige Verfahren spricht. Problematisch würde dieses jedoch dann, wenn man mit einer neuerdings vertretenen Ansicht fordern würde, dass durch die Einzelabrechnung die Abrechnungsspitze auszuweisen sei (vgl. etwa Dr. Schulzky, ZMR 2008, 757; Staudinger/Bub, WEG, § 28 Rn. 414).

Dies hat seine Ursache darin, dass erst nach der Kostenverteilung durch die Untergemeinschaf ten die Abrechnungsspitze festgestellt und demgemäß in der jeweiligen Einzelabrechnung ausgewiesen werden könnte. Es bestehen zwar aus Sicht der Kammer aufgrund der praktischen Probleme bei der Bestimmung der Abrechnungsspitze erhebliche Bedenken dagegen, eine nicht lediglich informatorische Ausweisung der Abrechnungsspitze in den jeweiligen Einzelabrechnungen zu fordern (hierzu eingehend Spielbauer, ZWE 2011, 149). Zudem erscheint es als zweifelhaft, ob die Gemeinschaft eine Beschlusskompetenz hinsichtlich der Festlegung hat, was als Abrechnungsspitze anzusehen ist. Diese Frage ist jedoch in die Erwägungen zur Wahl der Vorgehensweise bei der Beschlussfassung einzubeziehen, da sie letztlich höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

(3.2) Anfechtung eines der beiden „Teil-Beschlüsse“.

Ferner stellt sich die Frage, welches Schicksal die beiden Beschlussfassungen im Rahmen der zweistufigen Lösung im Falle einer erfolgreichen Anfechtung einer Beschlussfassung haben. Nachdem die Teilungserklärung eine Verteilung der Einnahmen auf die Untergemeinschaften nicht vorsieht, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit so sein, dass bei der Gesamtgemeinschaft ein Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben vorhanden ist, so dass sich ein positiver Saldo ergibt. Bei den Untergemeinschaften wird des gerade umgekehrt sein, so dass sich ein negativer Saldo ergibt. Nach Auffassung der Kammer wären beide Beschlüsse insoweit als Einheit zu sehen, welche zusammen die Gestalt der einheitlichen Jahreseinzelabrechnungen bestimmen. Es wäre demgemäß nicht so, dass bei einer Ungültigerklärung des Beschlusses der Untergemeinschaft der sich rechnerisch ergebende positive Saldo der Gesamtgemeinschaft auszukehren wäre, was zu einem ggfs. erheblichen Finanzierungsbedarf der Gesamtgemeinschaft führen würde. Soweit der dreistufige Ansatz gewählt würde, würden diese Probleme jedoch von vornherein vermieden, da dann lediglich in den von der Gesamtgemeinschaft beschlossenen Einzelabrechnungen ein einheitlicher Saldo auszuweisen ist.

Zusammenfassend betrachtet, erscheinen beide aufgezeigten Wege als gangbar, im Hinblick auf die dargestellten Probleme jedoch wohl das dreistufige Verfahren als vorzugswürdig.

Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass es sich in jedem Falle um ein praktisch aufwändiges Verfahren zur Genehmigung der Jahresabrechnung handelt. Dies ist jedoch letztlich zwingende Konsequenz der besonderen Kompetenzzuweisungen, welche die Teilungserklärung vornimmt. Dies führt zu einer Kompetenzaufteilung zwischen Gesamtgemeinschaft und Untergemeinschaften im Rahmen der Genehmigung der Jahresabrechnung.

c) Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass die Anfechtungsklägerin weiterhin zu Recht einwendet, dass Einzelabrechnungen objekt- und nicht personenbezogen zu erstellen sind (vgl. Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 28 Rn. 63; Becker in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 28 Rn. 135). Dies bedeutet insbesondere, dass die geleisteten Wohngeldzahlungen bezogen auf das jeweilige Objekt in den Einzelabrechnungen ausgewiesen werden müssen.

d) Die angefochtenen Beschlüsse zu TOP 3.1, TOP 3.2 und TOP 3.3 waren demgemäß im tenorierten Umfang für unwirksam zu erklären. Eine vollumfängliche Aufhebung der angegriffenen Beschlüsse kam wegen der Bindung an die Anträge (§ 308 Abs.1 ZPO) nicht in Betracht. Eine Präklusion des Einwands einer möglichen Gesamtnichtigkeit des Beschlusses gem. § 48 Abs. 4 WEG tritt nicht ein, da der Anwendungsbereich dieser Regelung nicht eröffnet ist. Eine Klageabweisung erfolgt nicht, da die Anfechtungsklage auf die für unwirksam erklärten Abrechnungspositionen beschränkt war.

2. Auch soweit das Amtsgericht den Beschluss über die Verwalterentlastung (TOP 4.2) für unwirksam erklärt hat, ist das amtsgerichtliche Urteil nicht zu beanstanden.

Ein Beschluss, mit dem einem Verwalter Entlastung erteilt wird, steht im Widerspruch zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen und nicht aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die hiernach möglichen Ansprüche zu verzichten (BGH NJW 2003, 3124). Eine Entlastung ist daher zulässig, wenn Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung des amtierenden Verwalters und für Schadensersatzansprüche gegen diesen fehlen (vgl. Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 26 Rn. 46). Dieser Fall liegt hier nicht vor, da die Verwaltung eine fehlerhafte Abrechnung vorgelegt hat (BGHZ, 156, 19, 30).

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

2. Die Revision war gemäß § 543 I Nr. 1, II ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich ist. Es ging nur um die Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf einen reinen Einzelfall.

3. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil nicht mehr gegeben ist. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß §§ 62 II, 43 Nr. 4 WEG nicht gegeben.

4. Die Streitwertfestsetzung erfolgte bereits in der öffentlichen Sitzung.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht München I Schlussurteil, 02. Juni 2014 - 1 S 3223/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht München I Schlussurteil, 02. Juni 2014 - 1 S 3223/12

Referenzen - Gesetze

Landgericht München I Schlussurteil, 02. Juni 2014 - 1 S 3223/12 zitiert 9 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 308 Bindung an die Parteianträge


(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen. (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch oh

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 16 Nutzungen und Kosten


(1) Jedem Wohnungseigentümer gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte des gemeinschaftlichen Eigentums und des Gemeinschaftsvermögens. Der Anteil bestimmt sich nach dem gemäß § 47 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragenen

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 43 Zuständigkeit


(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 28 Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht


(1) Die Wohnungseigentümer beschließen über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den nach § 19 Absatz 2 Nummer 4 oder durch Beschluss vorgesehenen Rücklagen. Zu diesem Zweck hat der Verwalter jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufz

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 48 Übergangsvorschriften


(1) § 5 Absatz 4, § 7 Absatz 2 und § 10 Absatz 3 in der vom 1. Dezember 2020 an geltenden Fassung gelten auch für solche Beschlüsse, die vor diesem Zeitpunkt gefasst oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt wurden. Abweichend davon bestimmt sich

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 13 Rechte des Wohnungseigentümers aus dem Sondereigentum


(1) Jeder Wohnungseigentümer kann, soweit nicht das Gesetz entgegensteht, mit seinem Sondereigentum nach Belieben verfahren, insbesondere dieses bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen, und andere von Einwirkungen ausschließen.

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 25 Beschlussfassung


(1) Bei der Beschlussfassung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. (2) Jeder Wohnungseigentümer hat eine Stimme. Steht ein Wohnungseigentum mehreren gemeinschaftlich zu, so können sie das Stimmrecht nur einheitlich ausüben. (3) Vo

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landgericht München I Schlussurteil, 02. Juni 2014 - 1 S 3223/12 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Landgericht München I Schlussurteil, 02. Juni 2014 - 1 S 3223/12 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2012 - V ZR 231/11

bei uns veröffentlicht am 20.07.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 231/11 Verkündet am: 20. Juli 2012 Lesniak Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Apr. 2014 - V ZR 168/13

bei uns veröffentlicht am 04.04.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 168/13 Verkündet am: 4. April 2014 Langendörfer-Kunz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja WEG § 16 Ab

Referenzen

(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

(2) Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für

1.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander,
2.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern,
3.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Verwalters einschließlich solcher über Ansprüche eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter sowie
4.
Beschlussklagen gemäß § 44.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 231/11 Verkündet am:
20. Juli 2012
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub und die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 18 - vom 14. September 2011 wird auf Kosten des Klägers mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 9. März 2010 in der Weise zurückgewiesen bleibt, dass die Klage hinsichtlich TOP 3 und TOP 6 der Eigentümerversammlung vom 29. April 2009 als unzulässig abgewiesen wird, soweit nicht zugunsten des Klägers entschieden worden ist.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die nach der Gemeinschaftsordnung in drei Untergemeinschaften gegliedert ist. Am 29. April 2009 wurden auf der Jahresversammlung der Untergemeinschaft A, der der Kläger angehört, unter anderen die Jahresabrechnung der Untergemeinschaft für das Jahr 2008 (TOP 3), der Gesamtwirtschaftsplan und die Einzelwirtschaftspläne für das Jahr 2010 (TOP 6) sowie die Verteilung der das Teileigentum betreffenden Verwaltergebühr in diesem Wirtschaftsplan (TOP 7) beschlossen.
2
Der Kläger hat am 25. Mai 2009 eine Klage gegen die übrigen Wohnungseigentümer der Untergemeinschaft A bei dem Amtsgericht eingereicht, mit der er beantragt hat, die zu TOP 3, 6 und 7 gefassten Beschlüsse für unwirksam zu erklären. Die Klageschrift ist - nach Zahlung des am 30. Juni 2009 angeforderten Kostenvorschusses am 22. August 2009 - den Beklagten am 31. August 2009 zugestellt worden.
3
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat festgestellt, dass die zu TOP 3 und zu TOP 6 gefassten Beschlüsse teilweise, nämlich hinsichtlich der das Grundstück und alle Wohnungseigentümer betreffenden Kostenpositionen (Gehwegreinigung, Versicherungen und Verwaltungsgebühren), und der Beschluss zu TOP 7 insgesamt nichtig sind; im Übrigen hat es die Klageabweisung bestätigt. Mit der von ihm zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Antrag weiter, insgesamt die Nichtigkeit der zu TOP 3 und zu TOP 6 gefassten Beschlüsse festzustellen. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht (dessen Urteil in ZMR 2012, 123 ff. veröffentlicht ist) meint, dass die angefochtenen Beschlüsse zu TOP 3 und 6 teilweise nichtig seien. Zwar weise die Gemeinschaftsordnung den Untergemeinschaften eine eigene Beschlusskompetenz auch für die aufzustellenden Wirtschaftspläne und die Jahresabrechnungen zu. Diese sei jedoch auf die allein sie betreffenden Kostenpositionen beschränkt und schließe nicht die Befugnis zur Beschlussfassung über die auf alle Wohnungseigentümer zu verteilenden Lasten ein. Insoweit habe die Klage mit dem Hauptantrag auf Feststellung der Nichtigkeit teilweise Erfolg, weil in der Jahresabrechnung für 2008 und dem Wirtschaftsplan für 2010 auch solche Positionen enthalten seien. Im Übrigen sei die Klage auch mit dem Hilfsantrag, die Beschlüsse für ungültig zu erklären, unbegründet, da der Kläger die Anfechtungsfrist von einem Monat nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG nicht gewahrt habe.

II.

5
Die Revision bleibt ohne Erfolg, weil die Klage zwar nicht als unbegründet, aber als unzulässig hätte abgewiesen werden müssen. Der Senat hat - allerdings erst nach Erlass des angefochtenen Urteils - entschieden, dass eine Klage, mit der ein Beschluss einer Untergemeinschaft der Wohnungseigentümer angefochten oder für nichtig erklärt werden soll (Beschlussmängelklage), gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG stets gegen alle übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft als notwendige Streitgenossen zu richten ist. Die nur gegen einen Teil der Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtete Klage ist deshalb unzulässig (Senatsurteile vom 11. November 2011 - V ZR 45/11, NJW 2012, 1224, 1225 Rn. 10 ff., vom 10. Februar 2012 - V ZR 145/11, juris Rn. 5 und vom 2. März 2012 - V ZR 89/11, juris Rn. 6).

III.

6
Eine Aufhebung des Berufungsurteil (§ 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) mit dem Ziel der Behebung des Zulässigkeitsmangels durch eine Klageerweiterung auf die anderen Wohnungseigentümer ist auch in diesem Fall nicht veranlasst.
7
1. Richtig ist allerdings, dass ein solches Verfahren grundsätzlich dann geboten ist, wenn der Umstand, dass die Klage nur gegen einen Teil der Streitgenossen erhoben wurde, auf Fehler oder Versäumnisse des Gerichts zurückzuführen ist und der Zulässigkeitsmangel nicht auf einem Verschulden des Klägers beruht (vgl. Senatsurteil vom 2. März 2012 - V ZR 89/11, juris Rn. 7). Es entspricht dann dem Grundsatz fairer Verfahrensführung, der es den Gerichten insbesondere verwehrt, aus eigenen oder ihnen zurechenbaren Fehlern oder Versäumnissen Verfahrensnachteile für die Beteiligten abzuleiten (BVerfGE 75, 183, 190; 110, 339, 342 und NJW 1996, 1811), dem Kläger Gelegenheit zur Behebung des Zulässigkeitsmangels zu geben. Ob ein solcher Fehler des Gerichts vorliegt, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung.
8
2. Eine Aufhebung und Zurückverweisung kommt nämlich nicht in Betracht, wenn sie nicht zu einem Erfolg der Klage führen kann. So ist es hier.
9
a) Die angegriffenen Beschlüsse sind nicht deshalb nichtig, weil - wie der Kläger meint - einem Teil der Wohnungseigentümer (der jeweiligen Untergemeinschaft) die Kompetenz fehle, nach § 28 Abs. 5 WEG über den Wirtschaftsplan und die Jahresrechnung zu beschließen.
10
aa) Das trifft nicht zu, weil die Bestimmung in § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG, nach der die Wohnungseigentümer auch von den Vorschriften des Gesetzes abweichende Vereinbarungen treffen können, es ermöglicht, in einer Gemeinschaftsordnung im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander Untergemeinschaften mit eigener Verwaltungszuständigkeit und selbständiger Beschlussfassungskompetenz ihrer Mitglieder zu errichten (vgl. Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 10 Rn. 85; Hügel, NZM 2010, 8, 13; Wenzel, NZM 2006, 311, 314; Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 23 Rn. 5). Zulässig sind danach von § 21 Abs. 1 und Abs. 3, § 23 Abs. 1, § 28 Abs. 5 WEG abweichende Stimmrechtsregelungen für die Beschlüsse über Wirtschaftspläne und Jahresabschlüsse, nach der allein die Mitglieder der Untergemeinschaft anstelle aller Wohnungseigentümer über die auf das jeweilige Haus entfallenden Kostenpositionen zu entscheiden haben (vgl. Hügel, aaO, 13, 14; Vandenhouten in Köhler/Bassenge, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., Teil 4 Rn. 103). Ist in der Gemeinschaftsordnung - wie hier - ausdrücklich bestimmt, dass die Kosten und Lasten für die Untergemeinschaften nicht nur getrennt zu ermitteln und abzurechnen sind, sondern für jede Untergemeinschaft - soweit rechtlich zulässig - selbständig verwaltet werden sollen, hat der Verwalter hausbezogene Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen aufzustellen und den Untergemeinschaften zur Beschlussfassung vorzulegen (BayObLG, ZWE 2001, 269, 270; NJOZ 2004, 636, 641); die gegen diese Beschlüsse erhobenen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen sind nach § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG alleerdings gegen alle übrigen Wohnungseigentümer zu richten.
11
bb) Richtig ist jedoch, dass den Mitgliedern einer Untergemeinschaft nicht die Kompetenz zusteht, auch über die Kostenpositionen zu entscheiden, die das Grundstück, mehrere Gebäude oder gemeinschaftliche Anlagen betreffen (OLG Köln, NZM 2005, 550). Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen enthalten indes notwendigerweise auch solche Kosten, weshalb - auch wenn es sich um eine Mehrhausanlage handelt - alle Wohnungseigentümer zur Beschlussfassung über diese berufen sind (BayObLG, BayObLGZ 1994, 98, 101; NZM 2001, 771 = ZWE 2001, 269; OLG Düsseldorf, FGPrax 2003, 121, 122; OLG Zweibrücken, ZMR 2005, 751, 752).
12
Daraus folgt jedoch nicht, dass die von einer Untergemeinschaft beschlossenen Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen insgesamt nichtig sind, wenn in ihnen auch die auf die Mitglieder der Untergemeinschaft entfallenden anteiligen Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums nach einem in der Gemeinschaftsordnung bestimmten Schlüssel ausgewiesen und in den Einzelabrechnungen auf die Mitglieder verteilt worden sind. Sollen - wie hier - nach der Gemeinschaftsordnung die Untergemeinschaften in eigener Zuständigkeit, wie wenn sie selbständige Eigentümergemeinschaften wären, über die Lasten und Kosten entscheiden, wird die Grenze ihrer Beschlusszuständigkeit nicht bereits mit der Aufnahme der anteiligen Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums in die Wirtschaftspläne und Abrechnungen, sondern erst dann überschritten, wenn sie dadurch einen in der Gemeinschaftsordnung bestimmten oder den auf einer Gesamteigentümerversammlung beschlossenen Verteilungsschlüssel ändern (vgl. BayObLG, NJW-RR 2001, 1020 und ZMR 2004, 212, 213 = BayObLGR 2004, 98 (Ls)). Die Annahme einer Gesamtnichtigkeit der Beschlüsse steht zudem der Grundsatz entgegen, dass die Unwirksamkeit einzelner Positionen in einem Wirtschaftsplan oder einer Jahresabrechnung deren Wirksamkeit im Übrigen grundsätzlich nicht berührt (vgl. Senat, Urteil vom 11. Mai 2012 - V ZR 193/11, Rn. 13, juris).
13
Dem Kläger dürfte insoweit ein Anspruch auf Ergänzung der unvollständigen Abrechnungen (vgl. BayObLG, NJW-RR 1992, 1169; OLG Hamm, NZM 1998, 923, 924; OLG Schleswig, ZMR 2006, 665, 667) durch einen Beschluss aller Wohnungseigentümer zustehen. Dieser Anspruch ist aber nicht Gegenstand des Rechtsstreits und daher auch kein Grund für eine Aufhebung des Berufungsurteils.
14
b) Ob die Beschlüsse der Untergemeinschaft für unwirksam zu erklären sind, weil sie nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, ist nicht mehr zu prüfen, da der Kläger die Frist für eine Anfechtungsklage (§ 46 Abs. 1 Satz 2 WEG) versäumt hat. Wiedereinsetzung nach § 46 Abs. 1 Satz 3 WEG i.V.m. § 233 ZPO kann ihm nicht gewährt werden. Die Versäumung der Frist ist schon deshalb nicht als unverschuldet anzusehen, weil der Kläger den von dem Amtsgericht angeforderten Kostenvorschuss zunächst nicht gezahlt hat. Das sich aus der Vorschrift in § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG ergebende Hindernis, nach der die Klage erst nach Zahlung der Verfahrensgebühr zugestellt werden soll, hat der Kläger daher zu vertreten. Die Revision greift das Berufungsurteil insoweit auch nicht an.

IV.

15
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Stresemann Czub
Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Hamburg-St. Georg, Entscheidung vom 09.03.2010 - 980B C 30/09 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 14.09.2011 - 318 S 77/10 -

(1) Jedem Wohnungseigentümer gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte des gemeinschaftlichen Eigentums und des Gemeinschaftsvermögens. Der Anteil bestimmt sich nach dem gemäß § 47 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragenen Verhältnis der Miteigentumsanteile. Jeder Wohnungseigentümer ist zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe des § 14 berechtigt.

(2) Die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, hat jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.

(3) Für die Kosten und Nutzungen bei baulichen Veränderungen gilt § 21.

(1) Jeder Wohnungseigentümer kann, soweit nicht das Gesetz entgegensteht, mit seinem Sondereigentum nach Belieben verfahren, insbesondere dieses bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen, und andere von Einwirkungen ausschließen.

(2) Für Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung (Erhaltung) des Sondereigentums hinausgehen, gilt § 20 mit der Maßgabe entsprechend, dass es keiner Gestattung bedarf, soweit keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst.

(1) Bei der Beschlussfassung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

(2) Jeder Wohnungseigentümer hat eine Stimme. Steht ein Wohnungseigentum mehreren gemeinschaftlich zu, so können sie das Stimmrecht nur einheitlich ausüben.

(3) Vollmachten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Textform.

(4) Ein Wohnungseigentümer ist nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bezüglichen Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen ihn betrifft oder wenn er nach § 17 rechtskräftig verurteilt ist.

(1) Die Wohnungseigentümer beschließen über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den nach § 19 Absatz 2 Nummer 4 oder durch Beschluss vorgesehenen Rücklagen. Zu diesem Zweck hat der Verwalter jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen, der darüber hinaus die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben enthält.

(2) Nach Ablauf des Kalenderjahres beschließen die Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Zu diesem Zweck hat der Verwalter eine Abrechnung über den Wirtschaftsplan (Jahresabrechnung) aufzustellen, die darüber hinaus die Einnahmen und Ausgaben enthält.

(3) Die Wohnungseigentümer können beschließen, wann Forderungen fällig werden und wie sie zu erfüllen sind.

(4) Der Verwalter hat nach Ablauf eines Kalenderjahres einen Vermögensbericht zu erstellen, der den Stand der in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Rücklagen und eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens enthält. Der Vermögensbericht ist jedem Wohnungseigentümer zur Verfügung zu stellen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 168/13
Verkündet am:
4. April 2014
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Macht die Wohnungseigentümergemeinschaft Beitrags- oder
Schadensersatzansprüche gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer
gerichtlich geltend, sind die ihr entstehenden Prozesskosten gemäß § 16 Abs.
2 WEG von allen Wohnungseigentümern zu tragen; eine Freistellung des
obsiegenden Wohnungseigentümers gemäß § 16 Abs. 8 WEG kommt nicht in
Betracht.
Der Wirtschaftsplan kann nach der Beschlussfassung über die
Jahresabrechnung durch einen Zweitbeschluss ersetzt werden, wenn Zweifel
an seiner Wirksamkeit bestehen; nichts anderes gilt für den Beschluss über
die Erhebung einer Sonderumlage als Ergänzung des Wirtschaftsplans.
BGH, Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 168/13 - LG Itzehoe
AG Niebüll
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. April 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Roth, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richter
Dr. Kazele

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 31. Mai 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der auf der Eigentümerversammlung vom 1. Mai 2010 zu TOP 3 gefasste Beschluss für ungültig erklärt und die Nichtigkeit der zu TOP 13 und 14 gefassten Beschlüsse festgestellt worden ist. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Niebüll vom 9. Februar 2011 wird zurückgewiesen, soweit sie den auf der Eigentümerversammlung vom 1. Mai 2010 zu TOP 3 gefassten Beschluss zum Gegenstand hat. Im Übrigen wird die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Anschlussrevision des Klägers wird als unzulässig verworfen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft, in deren Anlage ein Hotel betrieben wird. In der Eigentümerversammlung vom 5. Mai 2007 wurde beschlossen, eine Sonderumlage für Brandschutzmaßnahmen zu erheben. Am 17. Mai 2008 wurde ein Beschluss über die Erhebung einer weiteren Sonderumlage für die Sanierung der Hotelküche gefasst. Beide Maßnahmen wurden vor dem Jahr 2009 durchgeführt. Alle Wohnungseigentümer mit Ausnahme des Klägers zahlten ihren Anteil an den Sonderumlagen. Eine gegen den hiesigen Kläger gerichtete Klage der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Zahlung des auf seine Wohneinheit entfallenden Anteils wies das Landgericht in einem Vorprozess mit (rechtskräftigem) Urteil vom 4. Februar 2010 ab, weil es die beiden Beschlüsse über die Erhebung der Sonderumlagen wegen mangelnder Bestimmtheit als nichtig ansah; die Kosten erlegte es der Wohnungseigentümergemeinschaft auf.
2
In der Eigentümerversammlung vom 1. Mai 2010 wurde unter anderem die Jahresabrechnung für das Jahr 2009 beschlossen, in der die Kosten des geschilderten Rechtsstreits auf alle Wohnungseigentümer anteilig verteilt wurden (TOP 3). Ein Antrag des Klägers auf Abberufung des Verwalters wurde abgelehnt (TOP 10). Sodann wurden im Hinblick auf die Entscheidung des Landgerichts vom 4. Februar 2010 erneut Beschlüsse über die Erhebung der Sonderumlagen für die Brandschutzmaßnahmen (TOP 13) und für die Küchensanierung (TOP 14) jeweils auf der Basis der Miteigentumsanteile gefasst.
3
Die unter anderem gegen die genannten Beschlüsse gerichtete Anfechtungsklage des Klägers hat das Amtsgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht den zu TOP 3 gefassten Beschluss insoweit für ungültig erklärt, als der Kläger in der Jahreseinzelabrechnung anteilig mit den Kosten des Rechtsstreits belastet worden ist. Die zu TOP 13 und 14 gefassten Beschlüsse hat es für nichtig erklärt; im Hinblick auf TOP 10 hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihre Schlussanträge zu TOP 3, 13 und 14 weiter. Der Kläger will mit der Anschlussrevision erreichen, dass der zu TOP 10 gefasste Beschluss für nichtig erklärt wird. Beide Parteien beantragen jeweils die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


A.


4
Das Berufungsgericht meint, der Kläger dürfe in der Jahreseinzelabrechnung (TOP 3) nicht anteilig mit den Kosten des Rechtsstreits belastet werden. Als Vorschussleistung seien die Prozesskosten zwar nach § 16 Abs. 2 WEG auf die Wohnungseigentümer zu verteilen. Für die endgültige Kostenverteilung gelte indes der Vorrang der Kostenentscheidung des Gerichts; danach habe die Wohnungseigentümergemeinschaft die Kosten zu tragen und dürfe den Kläger nicht anteilig heranziehen. Ein Anspruch auf Abberufung des Verwalters (TOP 10) setze einen wichtigen Grund voraus, den der Kläger nicht ausreichend unter Beweis gestellt habe. Die hinsichtlich der Sonderumlagen gefassten Beschlüsse (TOP 13 und 14) seien nichtig, weil keine Beschlusskompetenz bestehe, für abgerechnete und bereits bezahlte Maßnahmen eine Sonderumlage zu beschließen; insoweit könne eine Zahlungspflicht nur durch die Jahreseinzelabrechnung begründet werden.

B.


I. Revision der Beklagten
5
6
1. Die Revision ist im Hinblick auf die zu TOP 3, 13 und 14 gefassten Beschlüsse statthaft. In den Entscheidungsgründen führt das Berufungsgericht aus, die Fragen der Beteiligung an den Kosten eines Rechtsstreits und der Beschlusskompetenz für Beschlüsse über Sonderumlagen nach Ablauf des Wirtschaftsjahres hätten grundsätzliche Bedeutung, so dass insoweit die Revision zuzulassen sei. Diese Rechtsfragen werfen die zu TOP 3, 13 und 14 gefassten Beschlüsse auf. Die Beschränkung ist wirksam, weil sie sich auf einen abtrennbaren Teil des Prozessstoffs bezieht (vgl. dazu MünchKommZPO /Krüger, 4. Aufl., Rn. 39 mwN). Die Revision ist auch im Übrigen zulässig.
2. In der Sache ist das Rechtsmittel vollen Umfangs begründet.
7
8
a) Rechtsfehlerhaft erklärt das Berufungsgericht den zu TOP 3 gefassten Beschluss insoweit für ungültig, als der Kläger in der Jahreseinzelabrechnung mit Prozesskosten belastet worden ist. Die Frage, ob die Kosten eines Rechtsstreits, den die Wohnungseigentümergemeinschaft gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer führt, als Kosten der Verwaltung auf alle Wohnungseigentümer umzulegen sind oder ob der beklagte Wohnungseigentümer hiervon auszunehmen ist, wird allerdings uneinheitlich beantwortet. Dabei geht es zum einen um die Aufbringung der Mittel zur Erfüllung eines Kostenerstattungsanspruchs des obsiegenden Wohnungseigentümers. Zum anderen ist auch die - hier allein relevante - Heranziehung des beklagten Wohnungseigentümers im Hinblick auf die dem Verband selbst entstehenden Prozesskosten umstritten.
9
aa) Insoweit wird vertreten, der beklagte Wohnungseigentümer müsse sich an diesen Kosten nicht beteiligen und sei - auch von etwaigen Vorschusszahlungen - in seiner Einzelabrechnung freizustellen (Hügel, ZWE 2008, 265, 267 ff.). Obsiegt der Verband, ist danach die spätere Kostenerstattung durch den beklagten Wohnungseigentümer nur den übrigen (die Kosten verauslagenden) Wohnungseigentümern gutzuschreiben. Obsiegt dagegen der Wohnungseigentümer, bleibt er weiterhin freigestellt.
10
bb) Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind zwar die Vorschüsse durch alle Wohnungseigentümer aus dem Verwaltungsvermögen aufzubringen und zunächst von allen Wohnungseigentümern zu tragen. Für die endgültige Verteilung der Kosten soll jedoch die gerichtliche Kostenentscheidung maßgeblich sein (so auch LG Bonn, ZMR 2011, 985, 986 f.; Jennißen in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 16 Rn. 165 ff.; ders., NZM 2007, 510, 511).
11
cc) Nach überwiegender Ansicht handelt es sich dagegen um Kosten der Verwaltung im Sinne von § 16 Abs. 2 WEG, an denen sich die Wohnungseigentümer ausnahmslos beteiligen müssen. Teils wird dies nur dann angenommen, wenn die Kosten - wie hier - aus der Verfolgung von Beitragsund Schadensersatzansprüchen herrühren (Spielbauer in Spielbauer, WEG, 2. Aufl., § 16 Rn. 78; Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 10. Aufl., § 16 Rn. 87; Bärmann/Seuß/Wanderer, Praxis des Wohnungseigentums, 6. Aufl., Teil C Rn. 1677). Vertreten wird aber auch, dass Kosten der Rechtsverfolgung durch den Verband gegen einzelne Wohnungseigentümer stets § 16 Abs. 2 WEG unterfallen (LG München I, NJW-RR 2013, 1285 ff.; Becker in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 16 Rn. 171; ebenso im Ergebnis Riecke/Schmid/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 16 Rn. 318a). Danach kommt eine Freistellung des beklagten Wohnungseigentümers nicht in Betracht. Obsiegt der Verband in dem Prozess, wird die von dem Beklagten geschuldete Kostenerstattung allen Wohnungseigentümern - also auch dem Beklagten - gutgeschrieben. Obsiegt dagegen der Wohnungseigentümer, hat er zwar einen Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten; seinen Anteil an den Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft hat er jedoch - wie die übrigen Wohnungseigentümer auch - endgültig zu tragen.
12
dd) Der Senat teilt die zuletzt genannte Auffassung jedenfalls insoweit, als die Kosten darauf beruhen, dass der Verband gemeinschaftliche Beitragsoder Schadensersatzansprüche geltend macht; dies entspricht seiner Rechtsprechung zu § 16 Abs. 2 und 5 WEG in der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Fassung (Senat, Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 1/06, BGHZ 171, 335 Rn. 25). Die Neufassung von § 16 Abs. 5 WEG - nunmehr in § 16 Abs. 8 WEG - gibt keinen Anlass, hiervon abzurücken.
13
(1) Gegen die Einordnung solcher Prozesskosten als Kosten der Verwaltung im Sinne von § 16 Abs. 2 WEG spricht allerdings der Wortlaut des § 16 Abs. 8 WEG. Danach sind die Kosten eines Rechtsstreits gemäß § 43 WEG nur insoweit Kosten der Verwaltung gemäß § 16 Abs. 2 WEG, als sie die durch eine Streitwertvereinbarung verursachten Mehrkosten betreffen. Die Norm bedarf jedoch einer teleologischen Reduktion, weil ihr Anwendungsbereich unbeabsichtigt zu weit gefasst worden ist. Dass die Kosten aller in § 43 WEG aufgeführten Rechtsstreitigkeiten nicht zu den Kosten der Verwaltung zählen sollten, ist auszuschließen. § 43 Nr. 5 WEG erfasst nämlich auch Außenstreitigkeiten, bei denen der Verband durch Dritte verklagt wird; insoweit ist kein Grund dafür ersichtlich, die Kosten nicht als solche der Verwaltung anzusehen. Auch die in § 43 Nr. 2 WEG aufgeführten Streitigkeiten über Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern unterfallen jedenfalls dann nicht § 16 Abs. 8 WEG, wenn der Verband gemeinschaftliche Beitrags- oder Schadensersatzansprüche geltend macht.
14
(2) Die Gesetzesbegründung steht dieser Auslegung nicht entgegen. Dort wird lediglich ausgeführt, dass die Neufassung des § 16 Abs. 8 WEG nur hinsichtlich der durch eine Streitwertvereinbarung verursachten Mehrkosten eine Änderung gegenüber dem zuvor geltenden Recht herbeiführen sollte (BTDrucks. 16/887, 26). Dass auch unter der Geltung von § 16 Abs. 5 WEG aF die bei der Verfolgung von gemeinschaftlichen Beitrags- und Schadensersatzansprüchen anfallenden Prozesskosten von allen Wohnungseigentümern zu tragen waren, entsprach jedoch schon vor der - zeitlich nach der Gesetzesbegründung ergangenen - Entscheidung des Senats vom 15. März 2007 (V ZB 1/06, BGHZ 171, 335 ff.) der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (BayObLG, ZMR 2004, 763 für Wohngeldverfahren; Staudinger/Bub, BGB [2005], § 16 WEG Rn. 182 mwN).
15
(3) Nach Sinn und Zweck erfasst § 16 Abs. 8 WEG jedenfalls nicht Prozesskosten der genannten Art. Denn die Finanzierungsverantwortung für die Gemeinschaft obliegt den Wohnungseigentümern als gemeinschaftliche Aufgabe; insoweit dürfen sie sich des Verwaltungsvermögens bedienen (so zutreffend Becker in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 16 Rn. 172). Dagegen bezieht sich § 16 Abs. 8 WEG in erster Linie auf Streitigkeiten, bei denen die Wohnungseigentümer teils auf der Kläger- und teils auf der Beklagtenseite stehen. Die Norm soll - wie zuvor § 16 Abs. 5 WEG aF - verhindern, dass Konflikte innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Kosten aller Wohnungseigentümer ausgetragen werden (so zu § 16 Abs. 5 WEG aF Senat, Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 1/06, BGHZ 171, 335 Rn. 22); sie soll aber nicht dazu führen, dass die mit der gerichtlichen Verfolgung von Beitragsansprüchen verbundenen Risiken nur einzelne Wohnungseigentümer zu tragen haben.
16
(4) Die in dem Urteil des Landgerichts vom 4. Februar 2010 enthaltene Kostenentscheidung, auf die sich das Berufungsgericht stützt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Sie bezieht sich auf das Verhältnis der Parteien untereinander und regelt nicht, wer im Innenverhältnis die Kosten des unterlegenen Verbands tragen muss. Dass dem obsiegenden Wohnungseigentümer die Finanzierungskosten der Gemeinschaft für den Prozess anteilig endgültig zur Last fallen, beruht auf seiner Zugehörigkeit zu dem klagenden Verband.
17
(5) Ob die Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft allgemein zur Folge hat, dass deren Prozesskosten von den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich aufgebracht werden müssen, bedarf keiner Entscheidung; ebenso kann offenbleiben, ob der obsiegende Wohnungseigentümer aufgrund der Kostenentscheidung des Gerichts von der Finanzierung seines Anspruchs auf Erstattung außergerichtlicher Kosten ausgenommen werden muss (zu § 16 Abs. 5 WEG aF Senat, Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 1/06, BGHZ 171, 335 Rn. 17).
18
b) Auch die zu TOP 13 und 14 gefassten Beschlüsse erklärt das Berufungsgericht zu Unrecht für ungültig. Die Wohnungseigentümer durften die Erhebung der Sonderumlagen für die Finanzierung der Brandschutzmaßnahmen und die Sanierung der Hotelküche beschließen, nachdem das Landgericht in seinem Urteil vom 4. Februar 2010 die im Jahr 2007 bzw. 2008 gefassten Beschlüsse inzident geprüft und jeweils als ungültig angesehen hatte.
19
aa) Richtig ist zwar, dass eine Sonderumlage eine Ergänzung des Wirtschaftsplans für das laufende Wirtschaftsjahr darstellt, die der Deckung besonderer oder unvorhergesehener Ausgaben dient (vgl. nur Senat, Urteil vom 13. Januar 2012 - V ZR 129/11, NJW-RR 2012, 343 Rn. 12, 15). Hier sollte aber jeweils eine wirksame Rechtsgrundlage für die von den übrigen Wohnungseigentümern bereits entrichteten Beiträge und die noch ausstehenden Beiträge des Klägers geschaffen werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts enthält die Jahresabrechnung regelmäßig nicht diese Rechtsgrundlage.
20
bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats wirkt der Beschluss über die Jahresabrechnung anspruchsbegründend nur hinsichtlich des auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Betrages, welcher die in dem Wirtschaftsplan für das abgelaufene Jahr beschlossenen Vorschüsse übersteigt (sog. Abrechnungsspitze); im Hinblick auf Zahlungsverpflichtungen, die durch frühere Beschlüsse entstanden sind, hat er dagegen nur bestätigende und rechtsverstärkende Wirkung. Insbesondere führt der Beschluss über die Jahresabrechnung nicht zu einer Verdoppelung des Rechtsgrunds für rückständige Vorschüsse in dem Sinne, dass sie sowohl auf Grund des Beschlusses über den Wirtschaftsplan als auch auf Grund des Beschlusses über die Jahresabrechnung geschuldet wären. Bei den in § 28 Abs. 2 WEG geregelten Vorschüssen der Wohnungseigentümer handelt es sich nicht um gewöhnliche Abschlagszahlungen, für die charakteristisch ist, dass sie von dem Gläubiger nicht mehr verlangt werden können, sobald eine Berechnung der eigentlichen Forderung vorliegt. Die Jahresabrechnung dient nicht der Ermittlung des „eigentlichen“ Beitragsanspruchs, sondern nur der Anpassung der laufend zu erbringenden Vorschüsse an die tatsächlichen Kosten (ausführlich Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 171/11, NJW 2012, 2797 Rn. 20 ff. mwN).

21
cc) Weil die Jahresabrechnung danach nicht an die Stelle des Wirtschaftsplans tritt, kann dieser nach der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung in einem folgenden Wirtschaftsjahr durch einen Zweitbeschluss ersetzt werden, wenn Zweifel an seiner Wirksamkeit bestehen (vgl. Jacoby, ZWE 2011, 61, 64; allgemein Senat, Beschlüsse vom 20. Dezember 1990 - V ZB 8/90, BGHZ 113, 197, 200 und vom 23. August 2001 - V ZB 10/01, BGHZ 148, 335, 350). Nichts anderes gilt für den Beschluss über eine Sonderumlage als Ergänzung des Wirtschaftsplans. Nachdem das Landgericht die Beschlüsse über die Sonderumlagen bei der Entscheidung über die Zahlungsklage des Verbands inzident als nichtig angesehen hatte, mussten die Wohnungseigentümer davon ausgehen, dass ihre Zahlungen auf die Sonderumlagen ohne Rechtsgrundlage erfolgt waren und es an einem verpflichtenden Schuldgrund fehlte. Dies durften sie beheben, indem sie - wie geschehen - der Sache nach inhaltsgleiche Beschlüsse fassten.
22
3. Die Sache ist nur im Hinblick auf den zu TOP 3 gefassten Beschluss entscheidungsreif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Insoweit ist auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Amtsgerichts wiederherzustellen, mit dem die Klage abgewiesen worden ist.
23
Soweit die Revision dagegen TOP 13 und TOP 14 zum Gegenstand hat, ist das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Denn aus dem von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Urteil des Amtsgerichts ergibt sich, dass die Klage auch auf Anfechtungsgründe gestützt worden ist. Zu diesen hat das Berufungsgericht - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen getroffen.
24
II. Anschlussrevision des Klägers
25
Die Anschlussrevision ist unzulässig.
26
1. Im Hinblick auf den zu TOP 10 gefassten Beschluss ist die Revision nicht zugelassen. Eine Anschlussrevision ist gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO zwar auch dann statthaft, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist, und kann trotz einer beschränkten Zulassung der Revision auch dann wirksam eingelegt werden, wenn sie nicht den Streitgegenstand betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht (BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - KZR 32/02, BGHZ 155, 189, 191 f.; Urteil vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174, 3176). Es kann aber kein Streitstoff eingeführt werden, der mit dem Gegenstand der Revision weder in einem rechtlichen noch in einem wirtschaftlichen Zusammenhang steht (ausführlich BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 40 f.).
27
2. Den erforderlichen Zusammenhang der Streitgegenstände legt die Anschlussrevision nicht dar. Sie hat den Anspruch auf Abberufung des Verwalters zum Gegenstand. Aus dem in Bezug genommenen Klägervortrag aus den Vorinstanzen ergibt sich nicht, dass die geltend gemachten Abberufungsgründe in einem Zusammenhang mit den in der Eigentümerversammlung zu TOP 3, 13 und 14 gefassten Beschlüssen über die Jahresabrechnung und die Erhebung der Sonderumlagen stehen. Dem allgemein gehaltenen Vorwurf, der Verwalter stehe „im Lager der Vertragspartner der Wohnungseigentümergemeinschaft“,lässt sich schon kein konkreter Bezug zu den Maßnahmen entnehmen, deren Finanzierung die Sonderumlagen dienen sollten.
Stresemann Roth Brückner
Weinland Kazele

Vorinstanzen:
AG Niebüll, Entscheidung vom 09.02.2011 - 18 C 29/10 -
LG Itzehoe, Entscheidung vom 31.05.2013 - 11 S 14/11 -

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

(1) § 5 Absatz 4, § 7 Absatz 2 und § 10 Absatz 3 in der vom 1. Dezember 2020 an geltenden Fassung gelten auch für solche Beschlüsse, die vor diesem Zeitpunkt gefasst oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt wurden. Abweichend davon bestimmt sich die Wirksamkeit eines Beschlusses im Sinne des Satzes 1 gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nach § 10 Absatz 4 in der vor dem 1. Dezember 2020 geltenden Fassung, wenn die Sondernachfolge bis zum 31. Dezember 2025 eintritt. Jeder Wohnungseigentümer kann bis zum 31. Dezember 2025 verlangen, dass ein Beschluss im Sinne des Satzes 1 erneut gefasst wird; § 204 Absatz 1 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.

(2) § 5 Absatz 4 Satz 3 gilt in der vor dem 1. Dezember 2020 geltenden Fassung weiter für Vereinbarungen und Beschlüsse, die vor diesem Zeitpunkt getroffen oder gefasst wurden, und zu denen vor dem 1. Dezember 2020 alle Zustimmungen erteilt wurden, die nach den vor diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften erforderlich waren.

(3) § 7 Absatz 3 Satz 2 gilt auch für Vereinbarungen und Beschlüsse, die vor dem 1. Dezember 2020 getroffen oder gefasst wurden. Ist eine Vereinbarung oder ein Beschluss im Sinne des Satzes 1 entgegen der Vorgabe des § 7 Absatz 3 Satz 2 nicht ausdrücklich im Grundbuch eingetragen, erfolgt die ausdrückliche Eintragung in allen Wohnungsgrundbüchern nur auf Antrag eines Wohnungseigentümers oder der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Ist die Haftung von Sondernachfolgern für Geldschulden entgegen der Vorgabe des § 7 Absatz 3 Satz 2 nicht ausdrücklich im Grundbuch eingetragen, lässt dies die Wirkung gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers unberührt, wenn die Sondernachfolge bis zum 31. Dezember 2025 eintritt.

(4) § 19 Absatz 2 Nummer 6 ist ab dem 1. Dezember 2023 anwendbar. Eine Person, die am 1. Dezember 2020 Verwalter einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer war, gilt gegenüber den Wohnungseigentümern dieser Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bis zum 1. Juni 2024 als zertifizierter Verwalter.

(5) Für die bereits vor dem 1. Dezember 2020 bei Gericht anhängigen Verfahren sind die Vorschriften des dritten Teils dieses Gesetzes in ihrer bis dahin geltenden Fassung weiter anzuwenden.