Landgericht München I Endurteil, 18. Jan. 2017 - 9 O 5246/14

bei uns veröffentlicht am18.01.2017

Gericht

Landgericht München I

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für den Beklagten - hinsichtlich der Kosten - gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1. Die Parteien streiten um Schadensersatz und Schmerzensgeld im Zusammenhang mit der künstlichen Ernährung des Vaters des Klägers durch eine PEG-Sonde in den Jahren 2010 und 2011.

Der Kläger ist Sohn und Alleinerbe des am 19.10.2011 verstorbenen … Der Beklagte ist niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin und betreute seit dem Frühjahr 2007 den Vater des Klägers (im Folgenden: der Patient), Herrn …, hausärztlich.

Der am 25.06.1929 geborene Patient stand wegen eines dementieilen Syndroms von September 1997 bis zu seinem Tod unter Betreuung. Die Betreuung war einem Münchner Rechtsanwalt übertragen und umfasste sowohl die Gesundheitsfürsorge als auch die Personensorge. Seit jedenfalls 2006 lebte der Patient in einem Pflegeheim. Während eines stationären Klinikaufenthaltes wurde ihm am 15.09.2006 wegen Mangelernährung und Austrocknung des Körpers (Exsikkose) eine PEG-Sonde angelegt, durch welche er bis zu seinem Tod künstlich ernährt wurde.

Der Patient hatte weder eine Patientenverfügung errichtet, noch ließ sich - insoweit unstreitig -sein tatsächlicher oder mutmaßlicher Wille hinsichtlich des Einsatzes lebenserhaltender Maßnahmen anderweitig feststellen.

Bereits im Jahr 2003 war die Demenz weit fortgeschritten und es wurde eine mutistische Störung diagnostiziert, auf Grund derer eine Kommunikation kaum mehr möglich und seit jedenfalls 2008 gänzlich unmöglich war. Bereits seit 2003 war der Patient wegen Kontrakturen nicht mehr zur selbstständigen Fortbewegung fähig. Im Juni 2008 wurden zudem eine spastische Tetraparese und ein Nackenrigor diagnostiziert. Am 09.02.20.07 wurden dem Patienten alle bis auf fünf Zähne gezogen. Ab November 2008 wurden dem Patienten von dem Beklagten regelmäßig Tramadol Tropfen, ein Schmerzmittel auf Opioidbasis, verschrieben.

Im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 19.10.2011 hatte der Patient regelmäßig Fieber, Atembeschwerden und wiederkehrende Druckgeschwüre (Dekubitus). Viermal wurde eine Lungenentzündung festgestellt (16.07.2010, 01.11.2011, 20.01.2011 und 04.10.2011). Vom 28.05.2011 bis zum 18.06.2011 befand sich der Patient in stationärer Behandlung wegen einer Cholezystitis mit zwei Abszessen. In Anbetracht seines schlechten Allgemeinzustands wurde eine operative Intervention unterlassen. Am 08.11.2011 erfolgte eine stationäre Aufnahme aufgrund einer Aspirationspneumonie. Obwohl die Antibiose nicht anschlug und der Zustand sich weiter verschlechterte, wurde auf eine intensivmedizinische Behandlung verzichtet. Am 19.11.2011 verstarb der Patient im Krankenhaus. Hinsichtlich der Einzelheiten der Krankengeschichte wird auf die Klageschrift vom 11.03.2014 und die bei den Gerichtsakten befindlichen Behandlungsunterlagen Bezug genommen.

Der Kläger trägt vor, obschon in einem Arztbrief vom 18.09.2006 aus den Behandlungsunterlagen des Klinikums … dokumentiert sei, die Anlage sei „auf ausdrücklichen Wunsch des Sohnes und des Betreuers“ durchgeführt worden, habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt der Anlage der PEG-Sonde oder der Fortführung der künstlichen Ernährung zugestimmt.

Jedenfalls aber sei die künstliche Ernährung seines Vaters mittels einer PEG-Sonde ab dem 01.01.2010 nicht mehr medizinisch indiziert gewesen. Sie habe nämlich allein zu einer sinnlosen Verlängerung der mit den Krankheiten des Patienten einhergehenden Leiden und Schmerzen geführt, ohne dass eine Aussicht auf Besserung seines gesundheitlichen Zustands bestanden habe. Spätestens im streitgegenständlichen Zeitraum sei die Krankheit des Patienten irreversibel und zum Tode führend gewesen, so dass sich die Behandlung als bloße Herauszögerung des Sterbens darstelle. Im Sterbeprozess verböte sich eine lebenserhaltende und damit sterbensverlängernde Maßnahme als nicht indiziert. Der Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, spätestens ab Anfang 2010 das Therapieziel dahingehend zu ändern, das Sterben des Patienten unter palliativmedizinischer Betreuung durch Beendigung aller nur lebensverlängernden therapeutischen Maßnahmen - insbesondere der Sondenernährung zuzulassen.

Die künstliche Ernährung über die PEG-Sonde ohne rechtfertigende Indikation stelle deshalb einen rechtswidrigen körperlichen Eingriff und damit einen Behandlungfehler dar. Der Begriff der medizinischen Indikation sei durch fachärztliche Standards sowie allgemeine Wertvorstellungen determiniert und habe sich dahingehend entwickelt, dass eine Lebensverlängerung um jeden Preis nicht angezeigt sei, nur weil sie im Bereich des Machbaren liege. In diesem Zusammenhang sei es auch unerheblich, ob die Maßnahme dem Willen des Patienten entsprochen habe, da es auf diesen nur ankomme, wenn eine Behandlung indiziert sei. Dies werde auch durch den im September 2009 eingeführten neuen § 1901a BGB deutlich. Die Kenntnis von der Rechtslage sei dem Beklagten als Arzt auch zumutbar gewesen.

Daher stehe dem Kläger aus ererbtem Recht ein Anspruch seines Vaters auf Schmerzensgeld zu, welches mit mindestens 100.000,00 € zu bemessen sei. Indem 22 Monate lang die Ernährung über die PEG-Sonde fortgeführt worden sei, habe eine fortgesetzte Körperverletzung stattgefunden. Dadurch habe der Beklagte auch die Fortdauer der Krankheit und der damit verbündenen Schmerzen und Leiden verursacht. Darin liege überdies eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Patienten.

Ferner habe der Kläger Anspruch auf Ersatz der im streitgegenständlichen Zeitraum entstandenen Behandlungs- und Pflegeaufwendungen in Höhe von 52.592,00 €, die ohne die rechtswidrige Behandlung nicht entstanden wären, da der Patient dann nicht gelebt hätte. Dieser Schadensersatz sei - wie bei der Rechtsprechung zum „Kind als Schaden“ - streng von einem Schadensersatz für das Leben zu unterscheiden. Anders als beim Schadenersatzanspruch eines nicht abgetriebenen, mit einer Behinderung geborenen Kindes habe der Patient im vorliegenden Fall nur auf Grund der Behandlung des Beklagten ein wrongful Hfe erleiden müssen. In den „Kind als Scha-den'[-Fä!len habe der Arzt hingegen die Schädigung nicht verursacht, sondern das Kind wäre bei natürlichem Verlauf ohne Abtreibung mit der Behinderung geboren worden. Hinsichtlich der Berechnung der Schadenshöhe wird wiederum auf die Klageschrift vom 11.03.2014 (dort S. 29 . 31) Bezug genommen.

Schließlich bestehe ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 1.383,61 €; Auch insoweit wird für die Einzelheiten der Berechnung auf die Klageschrift vom 11.03.2014 (dort S. 31) Bezug genommen.

Der Kläger hat zunächst - und insoweit vorsorglich - auch Behandlungsfehler auf Grund von unzureichenden palliativen Maßnahmen gerügt, diesen Vorwurf allerdings in der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2016 ausdrücklich für die erste Instanz nicht mehr aufrecht erhalten.

Der Kläger beantragt,

  • 1.den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 100.000,00 €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, und

  • 2.den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 52.592,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie 1.383,61 € als außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, die künstliche Ernährung über die Sonde sei medizinisch indiziert gewesen. Der Beklagte habe den Pattenten nach dem Standard einer guten ärztlichen Behandlung versorgt. Die PEG-Sonde sei zudem zunächst auf Wunsch des Klägers und des Betreuers noch vor Übernahme der Behandlung durch den Beklagten gelegt worden. An den Beklagten seien auch weder der Kläger noch der Betreuer je mit der Frage nach einem Abbruch der Sondenernährung herangetreten.

Da die Rechtslage keineswegs eindeutig gewesen und der Wunsch nach einem Behandlungsabbruch weder vom Betreuer noch vom Sohn gegenüber dem Beklagten geäußert worden sei, fehle es auch an einem Verschulden des Beklagten. Es sei einem Hausarzt nicht zuzumuten, eine künstliche Ernährung eigenmächtig abzubrechen. Dies werde auch durch die jüngere Rechtsprechung bestätigt. Insbesondere führe die Tatsache, dass ein Behandlungsabbruch unter Umständen vertretbar sei, nicht zu einer entsprechenden Pflicht des Hausarztes, den Abbruch auch vorzunehmen.

Dessen ungeachtet habe der Beklagte am 20.01.2011 mit dem Betreuer tatsächlich ein Gespräch über die Frage der Fortführung der PEG-Sonden-Ernährung geführt; der Betreuer habe dies ausdrücklich gewünscht.

Auf die Einrede des Beklagten hin hat die Kammer mit Beschluss vom 11.07.2014 die Leistung einer Prozesskostensicherheit angeordnet. Der Kläger hat daraufhin am 06.11.2014 eine Geldsumme von 20.000,00 € beim Amtsgericht München (Az. 38 HL 1048/14) hinterlegt.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Erholung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens. Für die Einzelheiten des Gutachtens wird auf das schriftliche Gutachten von … und … vom 20.01.2016 (Bl. 130 - 153 d.A.) und auf die Erläuterungen von … in der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2016 Bezug genommen.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien mit Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2016 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht München I örtlich und sachlich gem. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG, 12, 13 ZPO zuständig Der Kläger hat auch auf die vom Beklagten erhobene Einrede Prozesskostensicherheit gem. § 110 ZPO geleistet.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadenersatz aus ererbtem Recht (§ 1922 Abs. 1 BGB), und zwar weder unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der ärztlichen Pflichten aus dem Behandlungsvertrag (§§ 611, 280 BGB) zwischen dem Vater des Klägers und dem Beklagten noch nach Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB). Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Beklagte zwar fehlerhaft nicht auf die spätestens ab Beginn des Jahres 2010 nicht mehr gegebene Indikation für eine Ernährung über die PEG-Sonde hingewiesen, allerdings hat der Kläger den Nachweis dafür, dass dies ursächlich für einen bei seinem Vater eingetretenen Schaden geworden wäre, nicht zu führen vermocht.

2.1 Der Arzt schuldet dem Patienten diejenige Behandlung, die dem zum Zeitpunkt der Behandlung anerkannten und gesicherten Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht. Objektiver Maßstab dafür ist der Standard eines berufserfahrenen Facharztes, also das zum Behandlungszeitpunkt in der ärztlichen Praxis und Erfahrung bewährte, nach naturwissenschaftlicher Erkenntnis gesicherte, von einem durchschnittlichen Facharzt verlangte Maß an Kenntnis und Können (BGH, Urteil v. 19.04.2000 - Az. 3 StR 442/99 - Rz. 37 - alle Entscheidungen, sofern nicht anders gekennzeichnet, zitiert nach juris-Datenbank). Der Standard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist. und sich in der Erprobung bewährt hat (BGH, Urteil v. 15.04.2014 - Az. VI ZR 382/12 -Rz. 11).

Diesen Maßstab zugrunde gelegt, stellt sich die Behandlung des Vaters des Klägers durch die Ernährung mittels einer PEG-Sonde jedenfalls ab dem 01.01.2010 ohne eine ausdrückliche Erörterung der Situation mit dem Betreuer des Patienten als nicht mehr dem medizinischen Standard entsprechend dar.

2.2.1 Wie alle ärztlichen Eingriffe stellen auch lebenserhaltende Maßnahmen einschließlich der künstlichen Ernährung durch eine PEG-Sonde rechtfertigungsbedürftige Eingriffe in die körperliche Integrität des Patienten dar (BGH v. 17.03.2003 - Az. XII ZB 2/03 - Rz. 53; BGH v. 08.06.2005 - Az. XII ZR 177/03 - Rz. 9 ff.; vgl. auch Hufen, NJW 2001, S. 849/853 f.; Lipp, MedR 2015, s. 762/764). Eine lebenserhaltende ärztliche Maßnahme ist nur gerechtfertigt, wenn sie indiziert ist und dem Willen des Patienten entspricht (Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 6. Aufl., Kapitel VI, Rn. 92, 94 m. w. Nachw.). Dies gilt nicht nur für das ursprüngliche Legen, sondern auch für die Beibehaltung der Sonde, die somit als andauernder Eingriff einer fortwährenden Indikation und Einwilligung des Patienten bzw. seines Vertreters (§ 1901 a Abs. 2 BGB) bedarf. Wie sich aus §§ 1901b Abs. 1 S. 1,1904 Abs. 2 BGB ergibt, stellt sich die Frage nach der Einwilligung jedoch erst dann, wenn und soweit die Indikation gegeben ist (BT-Drucks 16/13314, S. 20; Kern in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl., § 54 b, Rz. 7; Palandt/Götz, BGB, 76. Aufl., § 1901 b, Rz. 1; so schon zur Rechtslage vor Einführung der §§ 1901 a ff. BGH v. 17.03.2003 - Az. XII ZB 2/03 - Rz. 55).

Damit kommt der Indikation zunächst eine weichenstellende Bedeutung zu. Die medizinische Indikation wird verstanden als das fachliche Urteil über den Wert oder Unwert einer medizinischen Behandlungsmethode in ihrer Anwendung auf den konkreten Fall (BGH v. 17.03.2003 - Az. Xii ZB 2/03 - Rz. 53). Hinsichtlich der Indikation lebenserhaltender Maßnahmen wurde und wird teilweise noch immer in Anlehnung an die sog. Kemptener Entscheidung des BGH vom 13.09.1994 (Az. 1 StR 357/94 - Rz. 10 ff.) zwischen sterbenden Patienten und Patienten mit infauster Prognose, bei denen der Tod noch nicht unmittelbar bevorsteht, unterschieden. Der BGH hat die Sterbephase den damaligen Richtlinien der Bundesärztekammer zur Sterbehilfe folgend als Zustand definiert, in dem die Grundleiden des Patienten irreversibel sind, einen tödlichen Verlauf genommen haben und der Tod in kurzer Zeit eintreten wird (BGH v. 13.09.1994 - Az. 1 StR 357/94 - Rz. 10; BGH v. 17.03.2003 - Az. XII ZB 2/03 - Rz. 41).

Sowohl in der Medizin als auch in der Rechtswissenschaft setzt sich jedoch zunehmend die Auffassung durch, dass es nicht allein auf das schwer bestimmbare Kriterium der unmittelbaren Todesnähe ankommen kann und die Indikation vielmehr auch in den anderen Fällen fehlen kann, wenn die lebenserhaltende Maßnahme Leiden lediglich verlängert (BGH v. 25.06.2010 - Az. 2 StR 454/09 - Rz. 15 ff.; Lipp, a. a. O., Rz.102 und Rz. 111, jeweils m.w.N.; Knauer/Brose, a. a. O., § 216 StGB, Rn. 17; Palandt/Götz, § 1901 a, Rz. 28; Coeppicus, NJW 2013, S. 2939/2941; so auch die „Grundsätze der Bundesärztekammer zur Sterbebegleitung, DÄBl 2011, A 346, A 347). Anders als das scheinbar objektive Kriterium der unmittelbaren Todesnähe ermöglicht eine sorgfältige einzelfallbezogene Abwägung im Rahmen der Indikationsstellung einen umfassenden Schutz aller der genannten Rechte des Patienten (kritisch zum Kriterium der Todesnähe auch Stackmann, NJW 2003, S. 1568/1568).

Vor diesem Hintergrund ist für die Indikation einer lebensverlängernden Behandlungsmaßnahme entscheidend, welches Behandlungsziel - neben der rein zeitliche Verlängerung, die durch eben diese Maßnahme bewirkt wird - verfolgt wird. Zum Teil wird in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, dass bei der Festlegung dieses Zieles bereits ein abwägendes Zusammenwirken zwischen dem Arzt und dem Patienten bzw. seinem Betreuer im Sinne von § 1901b BGB erforderlich sei (so Lipp, MedR 2015, S. 762/765). Allerdings ist dies insoweit missverständlich, als dies nahelegt, dass die Indikation für eine Maßnahme und die Einwilligung in ihre Durchführung als ein abwägender Gesamtbetrachtungsvorgang zu verstehen seien. Tatsächlich ist aber zunächst einmal für die Festlegung eines Behandlungsziels in Abstimmung mit dem Patienten bzw. seinem Betreuer die Klärung erforderlich, welche Ziele medizinisch überhaupt verfolgt werden können; erst daran kann dann die Bestimmung des Behandlungsziels und die Einwilligung und die sich danach ergebenden Maßnahmen anknüpfen.

2.2.2 Diese Erwägungen zugrunde gelegt, bestanden für den Vater des Klägers jedenfalls ab dem Anfang, des Jahres 2010 keine mit der PEG-Sonden-Ernährung verfolgbaren Behandlungsziele mehr, die über eine Verlängerung des Lebens über die Dauer eben der Maßnahme hinausgingen.

Die Sachverständigen … und … haben bereits in ihrem schriftlichen Gutachten vom 20.01.2016 (dort S. 20 - 22) ausgeführt, dass jedenfalls ab dem Jahr 2010, möglicherweise früher, u.U. sogar schon im Jahr 2006 kein Therapieziel im eigentlichen Sinne mehr bestanden habe, weil es keinerlei begründete Hoffnung und Aussicht auf eine Besserung des Zustandes gegeben habe. Nach gängigen Leitlinien habe daher keine objektive Indikation für die künstliche Ernährung mehr vorgelegen.

Soweit die Sachverständigen in ihrem schriftlichen Gutachten allerdings noch davon ausgegangen sind, dass der Indikationsbegriff nur „schwer abbildbar“ gewesen sei, „da der Wille des Patienten nicht zu ermitteln“ gewesen sei (Gutachten, S. 21), und damit eine klare Verneinung der Indikation nicht möglich sei, hat der Sachverständige … in der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2016 deutlich gemacht, dass die PEG-Sonden-Ernährung zur Vermeidung von Komplikationen bei der Ernährung gewählt worden sei, damit aber tatsächlich auch nur die Ernährung habe aufrecht erhalten werden können, wohingegen weitergehende Ziele nicht damit erreichbar gewesen seien (Protokoll, S. 3). Damit sei als Ziel der Sondenernährung die Vermeidung von Komplikationen bei der Ernährung anzusehen. Die Sichtweise auf darüber hinausgehende, mit der künstlichen Ernährung zu verfolgende Therapieziele habe sich demgegenüber verändert, so dass nicht nur das reine Aufrechterhalten des Lebens im Vordergrund stehe, sondern insgesamt die mit der Maßnahme verfolgten Ziele differenzierter betrachtet würden. Für den Vater des Klägers habe sich die Situation damit so dargestellt, dass er bei einer Beendigung der PEG-Sondenernährung im Jahr 2010 an den Folgen der Beendigung verstorben wäre, andere Gründe für ein alsbaldiges Versterben aber nicht bestanden hätten, zugleich aber sein Befinden auf Grund der Grunderkrankungen zunehmend schlechter geworden sei - ohne Aussichten auf eine Änderung der Situation (Protokoll, S. 4).

Auf Grund dieser Ausführungen des Sachverständigen steht für die Kammer zur Überzeugung fest, dass eine medizinisch zweifelsfreie Indikation für die Ernährung mit der PEG-Sonde jedenfalls ab Anfang 2010 nur insoweit bestanden hat, als damit Komplikationen, die bei anderen Formen der Ernährung drohten und in der Vergangenheit z.T. schon eingetreten waren wie etwa Aspirationspneumonien, vermieden werden konnten. Ein darüber hinausgehendes, mit der künstlichen Ernährung als solches verfolgbares Therapieziel bestand demgegenüber nicht mehr, sondern es konnte allenfalls eine Lebenserhaltung für die Dauer der lebenserhaltenden Maßnahme ohne Aussicht auf Besserung oder zumindest Stabilisierung des gesundheitlichen Zustandes des Vaters des Klägers erreicht werden.

2.2.3 In dieser Situation war der Beklagte nicht verpflichtet, selbst die Ernährung mit der PEG-Sonde abzubrechen.

Zwar kann regelmäßig eine nicht indizierte Behandlung weder durch eine Patientenverfügung noch durch einen an Stelle des Patienten berufenen Entscheidungsträger angeordnet werden (Knauer/Brose, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 216 StGB, Rz. 19, § 223 StGB, Rz. 61; Palandt/Götz, § 1901 a, Rz. 29; Coeppicus, NJW 2013, S. 2939/2941). Vorliegend geht es aber nicht um die erstmalige Anordnung einer Behandlung sondern um die Entscheidung über ihre Beendigung.

Eine Verpflichtung, die PEG-Sonden-Ernährung abzubrechen, oder auch nur eine Empfehlung dazu ergibt sich weder aus ärztlichen Leitlinien, wie die Sachverständigen … und … in ihrem schriftlichen Gutachten vom 20.01.2016 (dort S, 14/15) noch aus der vom BGH entwickelten Rechtsprechung oder aus Gesetz. Soweit der BGH in seiner Entscheidung vom 17.03.2003 (Az. XII ZB 2/03 - Rz. 55) etwa ausgeführt, hat, dass bei Todesnähe und fehlenden Therapiezielen ein Arzt lebenserhaltende Maßnahmen einstellen dürfe, bezog sich dies auf die Frage, ob eine Beendigung strafbar sei, nicht ob eine Verpflichtung dazu bestehe. Nunmehr hat jedoch der Gesetzgeber mit den im Jahr 2009 neu eingeführten §§ 1901a ff. BGB eine ausdrückliche Regelung getroffen, die dem behandelnden Arzt gerade nicht den eigenverantwortlichen Abbruch einer Behandlung auferlegt, sondern vielmehr die Verpflichtung, die Indikation für die Behandlung regelmäßig zu prüfen und mit dem Betreuer die Fortsetzung der Maßnahme zu erörtern. Dementsprechend stellt es sich auch nicht als behandlungsfehlerhaft dar, dass der Beklagte im vorliegenden Fall nicht selbst die Ernährung des Patienten über die PEG-Sonde beendet hat.

2.2.4 Wohl aber stellt es sich als eine Verletzung der ihm aus § 1901b Abs. 1 BGB erwachsenden, neben den medizinischen Standards gleichfalls das Behandlungsverhältnis prägenden Pflicht dar. Denn danach hat der behandelnde Arzt zu prüfen, welche ärztlichen Maßnahmen im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten indiziert ist, und die dann nach § 1901a BGB zu treffende Entscheidung über die Fortsetzung der Maßnahme mit dem Betreuer zu erörtern. Es handelt sich dabei um eine von dem Arzt in eigener Verantwortung vorzunehmende Prüfung und Erörterung (BGH v. 10.11.2010 - Az. 2 StR 320/10 - Rz. 14). Vorliegend wäre der Beklagte nach dem oben Dargelegten verpflichtet gewesen, jedenfalls ab Anfang 2010 den Betreuer des Patienten davon in Kenntnis zu setzen, dass ein über die reine Lebenserhaltung hinausgehendes Therapieziel nicht mehr erreichbar war, und mit ihm vor diesem Hintergrund zu erörtern, ob die PEG-Sonden-Ernährung fortgesetzt bzw. abgebrochen werden soll. Dies ist unstreitig nicht geschehen und stellt damit eine Verletzung der Verpflichtung aus § 1901b Abs. 1 BGB und somit einen Behandlungsfehler dar.

2.3 Gleichwohl lässt sich nicht mit der gem. § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit zur Überzeugung der Kammer feststellen, dass dieser Behandlungsfehler ursächlich dafür geworden ist, dass die PEG-Sonden-Ernährung bis zum Versterben des Vaters des Klägers am 19.10.2011 fortgesetzt worden ist.

Denn anders als bei therapeutischen Maßnahmen, die erst zu ergreifen sind, bestand hier schon seit geraumer Zeit die Ernährung über die PEG-Sonde. Es hätte also vielmehr einer aktiven Entscheidung bedurft, die Ernährung einzustellen. Dass eine Erörterung zwischen dem Beklagten und dem Betreuer des Patienten über die mit der PEG-Sonden-Ernährung nur noch erreichbaren Ziele, nämlich die reine Lebenserhaltung bei kontinuierlicher Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustandes, zu einer Entscheidung im Sinne von § 1901a BGB, die Ernährung zu beenden, geführt hätte, ist vom Kläger nicht zur Überzeugung dargetan und nachgewiesen worden.

Zum einen kann - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht in jedem Fall davon ausgegangen werden, dass eine Behandlung, mit der kein weitergehendes Therapieziel verfolgt werden kann, im konkreten Fall zweifelsfrei unterlassen werden muss. Gerade lebenserhaltende Maßnahmen berühren unmittelbar das zentrale und fundamentale Grundrecht auf Leben. In diesem Sinne schützt jede das Leben erhaltende Maßnahme das Grundrecht auf Leben. Ob dieses Leben „lebenswert“, d.h. aus Sicht des Betroffenen wert ist, auch tatsächlich durch eine künstliche Ernährung aufrecht erhalten zu werden, ist eine höchstpersönliche Entscheidung. Daraus folgt einerseits nicht, dass ein Leben ohne Aussicht auf Besserung in jedem Fall erhalten werden müsste. Andererseits folgt aber auch nicht, dass es nicht erhalten werden dürfte. Vielmehr erfordert die Frage eine konkrete, abwägende Betrachtung im jeweiligen Einzelfall, wobei sich die Entscheidung an den Voraussetzungen der §§ 1901a, 1901b BGB zu orientieren hat (BGH v. 10.11.2010 - Az. 2 StR 320/10 - Rz. 12; so zuvor bereits BGH v. 25.06.2010 - Az. 2 StR 454/09 - Rz. 24).

Nach § 1901 a Abs. 1 BGB ist zunächst bei der Entscheidung der vom Patienten in einer Patientenverfügung niedergelegte Wille und - in Ermangelung einer solchen - gem. § 1901a Abs. 2 BGB der mutmaßliche Wille des Patienten zu ermitteln. Vorliegend lag unstreitig keine Patientenverfügung vor und ebenso unstreitig war auch der mutmaßliche Wille des Vaters des Klägers nicht zu ermitteln, und dies auch nicht über eine Einbeziehung von Angehörigen - etwa dem Kläger selbst. Dabei kann es dahingestellt bleiben, dass der Kläger selbst nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung seinen Vater nur etwa einmal jährlich und ab 2008 gar nicht mehr besuchte, also keine eigene Wahrnehmung von der konkreten Situation ab 2010 hatte.

In einer solchen Situation spricht auch nicht die - in anderen Zusammenhängen entwickelte - Vermutung eines beratungsgerechten Verhaltens für die Annahme eines Behandlungsabbruchs. Gerade weil es sich um eine - die - fundamentale Entscheidung über das Grundrecht auf Leben und die Bewertung, wann es als „lebenswert“ empfunden wird, handelt, stellt sich die Entscheidung als so höchstpersönlich dar, dass ein aligemeiner Vermutungssatz hier keinen Raum greifen kann.

Dafür sprechen zum einen die Überlegungen des Gesetzgebers, wie sie in der Gesetzesbegründung zu § 1901a Abs. 2 BGB (BT-Drs. 16/8442, S. 16, linke Spalte) ihren Ausdruck gefunden haben: „Kann ein auf die Durchführung, die Nichteinlösung oder die Beendigung einer ärztlichen Maßnahme gerichteter Wille des Betreuten auch nach Ausschöpfung alier verfügbaren Erkenntnisse nicht festgestellt werden, gebietet es das hohe Rechtsgut auf Leben, entsprechend dem wohl des Betreuten zu entscheiden und dabei dem Schutz des Lebens Vorrang einzuräumen.“ Ähnlich wird auch in der Rechtsprechung (BGH v. 06.07.2016 - Az. XII ZB 61/16 - Rz. 37) und teilweise in der Literatur (Palandt/Götz, a.a.O., § 1901a, Rz. 28; a.A.' dagegen Bamberger/Roth/Müller, Beck'scher Online-Kommentar, § 1901a, Rz. 24) in Zweifelsfällen ein Vorrang des Lebens betont. Bereits dies macht deutlich, dass für eine Vermutung beratungsgerechten Verhaltens hier kein Raum sein kann.

Zum andern hat aber auch der Sachverständige … in der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2016 auf Grund eigener Erfahrungen ausgeführt, dass es immer wieder, Patienten gebe, die bei vergleichbarem Leiden wie dem des Vaters des Klägers - so sie ihren Willen äußern konnten - die Entscheidung für eine Fortsetzung der lebenserhaltenden Maßnahmen getroffen hätten, so dass es aus seiner Sicht sehr schwierig sei, allein aus den Leiden den Rückschluss darauf zu ziehen, welche Entscheidung im Sinne des Patienten gewesen wäre. Auch dies macht deutlich, dass es in einer so elementaren Frage keine Vermutung beratungsgerechten Verhaltens geben kann.

Somit hat der Kläger aber nicht den Nachweis geführt, dass im Falle einer Erörterung zwischen dem Beklagten und dem Betreuer tatsächlich die Entscheidung für eine Beendigung der PEG-Sondenernährung getroffen worden wäre.

2.4 Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines sog. „Aufklärungsmangels“.

Grundsätzlich muss ein Patient bzw. sein Betreuer vor der Durchführung eines Heileingriffs aufgeklärt werden und darin einwilligen; der ohne wirksame Einwilligung durchgeführte Heileingriff stellt eine rechtswidrige Körperverletzung gem. § 823 Abs. 1 BGB und zugleich auch eine Verletzung der vertraglichen Pflichten gem. §§ 611, 280 BGB dar (vgl. z.B. BGH, Urteil v. 07.02.2012 - Az. VI ZR 63/11 - Rz. 10; Staudinger/Hager, BGB, Neubearbeitung 2009, § 823, Rz. I 76). Der Patient muss also - zumindest im Großen und Ganzen - wissen, worin er einwilligt (BGH, Urteil v, 07.02.1984 - Az. VI ZR 174/82 - Rz. 21). Er soll zu einer Risikoabwägung in der Lage sein, wozu er der grundlegenden Informationen bedarf. Das gilt grundsätzlich auch für die Ernährung mit einer PEG-Sonde (BGH v. 17.03.2003 - Az. XII ZB 2/03 - Rz.- 33; vgl. BT-Drs. 16/8442, S. 16, rechte Spalte).

Allerdings gilt dies zunächst und vor allem einmal für die Entscheidung über die Anlage einer PEG-Sonde. Anders stellt sich die Situation demgegenüber bei der Entscheidung über die Aufrechterhaltung oder die Beendigung einer bereits begonnenen Sondenernährung dar. Denn hier haben die oben bereits dargelegten §§ 1901a ff. BGB eine ausdrückliche Regelung für die Entscheidungsfindung getroffen.

Unstreitig war es nicht der Beklagte, der die Ernährung mittels PEG-Sonde ursprünglich veranlasst hatte; er übernahm die Behandlung des Patienten erst zu einem späteren Zeitpunkt. Damit aber verbleibt es wiederum bei dem oben bereits Dargelegten; der Beklagte hätte zwar die - nur noch limitierten - Therapieziele erörtern müssen; da allerdings der Beklagte selbst nicht zum Abbruch der Ernährung befugt gewesen wäre, kann die Fortführung - in Ermangelung des Nachweises, dass bei einer entsprechenden Erörterung eine Entscheidung zugunsten der Beendigung getroffen worden wäre - nicht als rechtswidrige Körperverletzung dem Beklagten zugerechnet werden. Insoweit haben die §§ 1901a ff. BGB Vorrang.

2.5 Aufgrund dessen geht die Kammer zwar insoweit von einer Verletzung der ärztlichen Pflichten durch den Beklagten aus, sieht aber den Nachweis für eine Schadensursäch-lichkeit als nicht geführt an.

2.6 Hinsichtlich der durchgeführten palliativen Maßnahmen hat der Kläger den Vorwurf von Behandlungsfehlern in der ersten Instanz nicht mehr aufrecht erhalten, so dass eine weitergehende sachverständige Klärung diesbezüglich nicht erforderlich war. Auch hinsichtlich der durchgeführten palliativen Maßnahmen lassen sich keine Behandlungsfehler feststellen.

2.7 Insgesamt lassen sich damit keine schadensursächlichen Behandlungsfehler zur Überzeugung der Kammer feststellen.

2.8 Die Kammer hat sich bezüglich der medizinischen Fragestellungen durch … und … sachverständig beraten lassen. Das schriftlichen Gutachten, aber auch die mündlichen Erläuterungen sind klar, schlüssig und verständlich. Die Sachverständigen haben ihre Beurteilung nach ersichtlich gründlicher Auswertung der umfassend beigezogenen Behandlungsunterlagen uneingeschränkt fundiert, sachlich nachvollziehbar und in überzeugender Auseinandersetzung mit der Argumentation der Parteien erstattet. In der mündlichen Verhandlung hat sich der Sachverständige … eingehend und nachvollziehbar mit den an ihn gerichteten Fragestellungen befasst und überzeugende Antworten gegeben.

Die Ausführungen des Sachverständigen sind von großer praktischer Erfahrung geprägt und zeugen von großem Fachwissen/Kompetenz und Erfahrung stehen für die Kammer ebenso außer Zweifel wie die Objektivität der beiden Sachverständigen. Die Kammer schließt sich den Feststellungen daher uneingeschränkt an.

2.9 Auf Grund all dessen hat der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadenersatz aus übergegangenem Recht, so dass die Klage unbegründet und daher abzuweisen ist.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht München I Endurteil, 18. Jan. 2017 - 9 O 5246/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht München I Endurteil, 18. Jan. 2017 - 9 O 5246/14

Referenzen - Gesetze

Landgericht München I Endurteil, 18. Jan. 2017 - 9 O 5246/14 zitiert 14 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1922 Gesamtrechtsnachfolge


(1) Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. (2) Auf den Anteil eines Miterben (Erbteil) finden die sich auf die Erbschaft beziehenden Vorschriften Anwendun

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 23


Die Zuständigkeit der Amtsgerichte umfaßt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit sie nicht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten zugewiesen sind:1.Streitigkeiten über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Gelde

Zivilprozessordnung - ZPO | § 110 Prozesskostensicherheit


(1) Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, leisten auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherhe

Strafgesetzbuch - StGB | § 216 Tötung auf Verlangen


(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. (2) Der Versuch ist strafbar.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landgericht München I Endurteil, 18. Jan. 2017 - 9 O 5246/14 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Landgericht München I Endurteil, 18. Jan. 2017 - 9 O 5246/14 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Aug. 2005 - XII ZR 177/03

bei uns veröffentlicht am 31.08.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZR 177/03 vom 31. August 2005 in dem Rechtsstreit Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. August 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke, den Richter Fuchs, die Richte

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2012 - VI ZR 63/11

bei uns veröffentlicht am 07.02.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 63/11 Verkündet am: 7. Februar 2012 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. März 2003 - XII ZB 2/03

bei uns veröffentlicht am 17.03.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 2/03 vom 17. März 2003 in der Betreuungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGB §§ 1896, 1901, 1904 a) Ist ein Patient einwilligungsunfähig und hat sein Grundleiden einen irreversiblen tödlichen Verlauf an

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juli 2016 - XII ZB 61/16

bei uns veröffentlicht am 06.07.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 61/16 vom 6. Juli 2016 in der Betreuungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB §§ 1901 a, 1901 b, 1904 a) Der Bevollmächtigte kann in eine der in § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB genannt

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Apr. 2014 - VI ZR 382/12

bei uns veröffentlicht am 15.04.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 382/12 Verkündet am: 15. April 2014 Böhringer-Mangold Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §

Referenzen

Die Zuständigkeit der Amtsgerichte umfaßt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit sie nicht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten zugewiesen sind:

1.
Streitigkeiten über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von fünftausend Euro nicht übersteigt;
2.
ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes:
a)
Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses; diese Zuständigkeit ist ausschließlich;
b)
Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirten, Fuhrleuten, Schiffern oder Auswanderungsexpedienten in den Einschiffungshäfen, die über Wirtszechen, Fuhrlohn, Überfahrtsgelder, Beförderung der Reisenden und ihrer Habe und über Verlust und Beschädigung der letzteren, sowie Streitigkeiten zwischen Reisenden und Handwerkern, die aus Anlaß der Reise entstanden sind;
c)
Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes; diese Zuständigkeit ist ausschließlich;
d)
Streitigkeiten wegen Wildschadens;
e)
(weggefallen)
f)
(weggefallen)
g)
Ansprüche aus einem mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung stehenden Leibgedings-, Leibzuchts-, Altenteils- oder Auszugsvertrag.

(1) Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, leisten auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit.

(2) Diese Verpflichtung tritt nicht ein:

1.
wenn auf Grund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden kann;
2.
wenn die Entscheidung über die Erstattung der Prozesskosten an den Beklagten auf Grund völkerrechtlicher Verträge vollstreckt würde;
3.
wenn der Kläger im Inland ein zur Deckung der Prozesskosten hinreichendes Grundvermögen oder dinglich gesicherte Forderungen besitzt;
4.
bei Widerklagen;
5.
bei Klagen, die auf Grund einer öffentlichen Aufforderung erhoben werden.

(1) Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.

(2) Auf den Anteil eines Miterben (Erbteil) finden die sich auf die Erbschaft beziehenden Vorschriften Anwendung.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 382/12
Verkündet am:
15. April 2014
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Handlungsanweisungen in Leitlinien ärztlicher Fachgremien oder Verbände dürfen
nicht unbesehen mit dem medizinischen Standard gleichgesetzt werden.
Dies gilt in besonderem Maße für Leitlinien, die erst nach der zu beurteilenden
medizinischen Behandlung veröffentlicht worden sind. Leitlinien ersetzen kein
Sachverständigengutachten. Zwar können sie im Einzelfall den medizinischen
Standard für den Zeitpunkt ihres Erlasses zutreffend beschreiben; sie können
aber auch Standards ärztlicher Behandlung fortentwickeln oder ihrerseits veralten.
BGH, Urteil vom 15. April 2014 - VI ZR 382/12 - OLG Braunschweig
LG Braunschweig
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. April 2014 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner,
die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten zu 2 als Streithelferin der Klägerin gegen das Teilurteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 12. Juli 2012 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens und der Nebenintervention trägt die Beklagte zu 2. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.
2
Die Mutter der Klägerin wurde am 22. Juni 1995 in der 27. Schwangerschaftswoche wegen vorzeitiger Wehen und einer Cervixinsuffizienz in dem von der Beklagten zu 1 betriebenen Krankenhaus aufgenommen. Ihr wurden Bettruhe und wehenhemmende Medikamente (Partusisten) verordnet. Nachdem am 27. Juni 1995 der Muttermund bereits 3 cm geöffnet und die Fruchtblase prolabiert war, unternahmen die Ärzte der Beklagten zu 1 am 28. Juni 1995 den Versuch , den Muttermund operativ zu verschließen. Hierbei kam es zu einer erheb- lichen Blutung bei der Mutter und zum vorzeitigen Blasensprung, weshalb beschlossen wurde, eine Notsectio durchzuführen. Da es sich um eine Zwillingsschwangerschaft handelte, wurden zwei Neonatologen aus dem von der Beklagten zu 2 betriebenen Klinikum angefordert, die um 12.50 Uhr eintrafen. Die Klägerin wurde um 12.59 Uhr als zweites Zwillingsmädchen mit einem Gewicht von 920 Gramm und einer Größe von 38 cm geboren. Als sie vom Operationstisch zum Reanimationsplatz getragen wurde, tropfte aus dem sie umhüllenden Tuch Blut. Bei der weiteren Behandlung und Untersuchung wurde ein Einriss der Nabelschnur zwischen dem Körper der Klägerin und der Nabelklemme festgestellt. Es wurden eine zweite Nabelklemme zwischen dem Nabel und dem Einriss gesetzt und 17 ml Erythrozyten-Konzentrat verabreicht. Um 13.45 Uhr wurde die Klägerin in das von der Beklagten zu 2 getragene Klinikum transportiert , wo sie insgesamt weitere 25 ml Erythrozyten-Konzentrat erhielt. Die Klägerin leidet u.a. an einer spastischen Tetraparese und an einer fokalen Epilepsie.
3
Das Landgericht hat die auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht mit Grund- und Teilurteil vom 18. Dezember 2008 dem Feststellungsantrag gegen beide Beklagten entsprochen und den Leistungsantrag dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Dieses Urteil ist hinsichtlich der Beklagten zu 2 rechtskräftig. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 1 hat der erkennende Senat das Grundund Teilurteil mit Beschluss vom 30. November 2010 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten zu 1 erkannt worden ist, und hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Mit Teilurteil vom 12. Juli 2012 hat das Oberlandesgericht die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil in Bezug auf die Beklagte zu 1 zurückgewiesen. Die Beklagte zu 2 ist daraufhin dem Rechtsstreit auf Seiten der Kläge- rin als Nebenintervenientin beigetreten. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt sie die Verurteilung der Beklagten zu 1.

Entscheidungsgründe:

A.

4
Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 keine Schadensersatzansprüche zu. Es sei insbesondere nicht behandlungsfehlerhaft gewesen, die Mutter der Klägerin in dem von der Beklagten zu 1 betriebenen Krankenhaus der Grundversorgung aufzunehmen und zu behandeln. Es sei nicht festzustellen, dass es im Behandlungszeitpunkt bereits einen medizinischen Standard gegeben habe, der die Verlegung von Risikoschwangeren in ein Perinatalzentrum gefordert habe. Nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T. sei es im Juni 1995 noch nicht medizinischer Konsens gewesen, dass eine Frau, bei der eine Hochrisikoschwangerschaft festgestellt worden sei, vor der Geburt möglichst in ein Perinatalzentrum verlegt werden müsse. Es habe seinerzeit noch keine widerspruchsfreien Aussagen und Empfehlungen gegeben. Aus der Präambel der kurz nach der Behandlung der Mutter der Klägerin im November 1995 veröffentlichten Leitlinien der einschlägigen geburtsmedizinischen Fachgesellschaft , der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (nachfolgend: DGGG), gehe klar hervor, dass die Konsensbildung noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Vielmehr sei der Diskussionsprozess in der medizinischen Fachwelt jedenfalls im Jahr 1995 noch so in Gang gewesen, dass von der DGGG eine Leitlinie veröffentlicht worden sei, die es dem betroffenen Krankenhaus in eigener Sachprüfung erlaubt habe, zu beurteilen, ob eine Empfehlung zur Aufnahme in ein Perinatalzentrum ausgesprochen werden müsse oder nicht. Die Beklagte zu 1 habe auch über die nötigen personellen und apparativen Möglichkeiten verfügt, um die Mutter der Klägerin sachgerecht zu behandeln. Das Krankenhaus der Beklagten zu 1 sei personell hinreichend besetzt gewesen, da bei der Geburt ein geburtshilflicher Facharzt, zwei Neonatologen und ein Anästhesist zugegen gewesen seien. Darüber hinaus seien alle dem damaligen ärztlichen und organisatorischen Standard entsprechenden Maßnahmen ergriffen worden, die auch in einer Einrichtung der Maximalversorgung ergriffen worden wären, um den speziellen Risiken des vorliegenden Geburtsfalles Rechnung zu tragen.
5
Soweit der Sachverständige Prof. Dr. F. im Gegensatz zu dem Sachverständigen Prof. Dr. T. eine Verlegung von Hochrisiko-Schwangeren in Perinatalzentren bereits für das Jahr 1995 gefordert habe, fehle es an einer hinreichend nachvollziehbaren Grundlage. Der Beschluss des Vorstandes DGGG vom Juni 1991 enthalte bloße Empfehlungen, die sich noch nicht zum Standard herausgebildet hätten. Die erstmals am 1. September 1996 erstellte Leitlinie der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin "Antepartaler Transport von Risiko-Schwangeren" könne den medizinischen Standard für die mehr als ein Jahr zurückliegende Behandlung nicht indizieren. Soweit die Leitlinie der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin "Aufgaben des Neugeborenen-Notarztdienstes" vom 8. Dezember 1993 eine obligate Aufklärung der Risiko-Schwangeren über die Notwendigkeit einer pränatalen Verlegung formuliere, stehe die Leitlinie jedenfalls im Widerspruch zu der 1995 veröffentlichten Leitlinie der DGGG. Schließlich belege der Umstand, dass die Sachverständigen Prof. Dr. F., Prof. Dr. V. (Schlichtungsgutachter) und Prof. Dr. P. (Privatgutachter) einerseits und die Sachverständigen Prof. Dr. T., Prof. Dr. W. (Schlichtungsgutachter) und Prof. Dr. J. andererseits unterschiedliche Auffassungen vertreten hätten, dass sich im Jahre 1995 noch kein entsprechender Standard etabliert habe.
6
Jedenfalls gebe es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein etwaiger Behandlungsfehler als schlechterdings unverständlich und damit grob qualifiziert werden könne. Da nicht feststellbar sei, worauf die Schädigung der Klägerin letztlich zurückzuführen sei - ihre Schädigung könne auch allein auf ihre Frühgeburtlichkeit als solche zurückzuführen sein -, scheide eine Haftung der Beklagten zu 1 unter dem Gesichtspunkt des Übernahmeverschuldens aus.
7
Gleiches gelte für den Vorwurf eines fehlerhaften Umgangs mit der Nabelklemme. Zwar habe bei der Klägerin an der Nabelschnur eine durch eine Nabelklemme verursachte Verletzung vorgelegen. Die Nabelklemme sei auch durch einen Mitarbeiter der Beklagten zu 1 gesetzt worden. Es könne aber nicht festgestellt werden, dass die Verletzung durch einen groben Behandlungsfehler verursacht worden sei. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Nabelklemme zunächst ordnungsgemäß gesetzt worden und erst anschließend - z.B. durch das Einschlagen des Kindes in Tücher, seine Übergabe oder das insgesamt damit verbundene Hantieren mit ihm - aus ihrer Grundstellung gebracht worden oder unter Zug geraten sei. Ein solcher Ablauf sei nicht als grob fehlerhaft zu bewerten. Angesichts der besonderen Verletzlichkeit der Nabelschnur eines geringgewichtigen Frühgeborenen und der Eilbedürftigkeit der Versorgung handle es sich um ein Szenario im Grenzbereich zwischen Verwirklichung behandlungsspezifischer Risiken und einem Behandlungsfehler.

B.

I.

8
Die von der Beklagten zu 2 als Streithelferin der Klägerin eingelegte Revision ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte zu 2 dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin in den Vorinstanzen nicht beigetreten war und die Klägerin selbst keine Revision eingelegt hat. Denn nach § 66 Abs. 2 ZPO kann die Nebenintervention in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung, auch in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels , erfolgen. Die Beklagte zu 2 hat mit - innerhalb der für die Klägerin laufenden Revisionsfrist eingegangenen - Schriftsätzen vom 27. und 30. August 2012 den Beitritt auf Seiten der Klägerin erklärt und Revision eingelegt. Die Revision ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Beklagte zu 2 durch die Abweisung der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage nicht selbst beschwert ist. Das Rechtsmittel eines Streithelfers ist nämlich stets ein Rechtsmittel für die Hauptpartei ; für die Beurteilung, ob die zu erreichende Rechtsmittelsumme und die erforderliche Beschwer gegeben sind, kommt es allein auf sie an (vgl. Senatsurteil vom 9. März 1993 - VI ZR 249/92, VersR 1993, 625, 626; BGH, Urteile vom 15. Juni 1989 - VII ZR 227/88, VersR 1989, 932; vom 16. Januar 1997 - I ZR 208/94, VersR 1997, 1020 Rn. 19 f.).

II.

9
Die Revision ist aber nicht begründet. Die Beurteilung des Berufungsgerichts , wonach der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 keine Schadensersatzansprüche aus §§ 611, 278, 823 Abs. 1, § 831 Abs. 1 Satz 1, § 847 BGB a.F. wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung zustehen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
10
1. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts , den Ärzten der Beklagten zu 1 sei nicht deshalb ein Behandlungsfehler vorzuwerfen, weil sie die Mutter der Klägerin in dem von der Beklagten zu 1 betriebenen Krankenhaus der Grundversorgung aufgenommen und behandelt haben, statt ihr die Aufnahme in einem Perinatalzentrum nahezulegen.
11
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Übernahme der Behandlung der Mutter der Klägerin nur dann als Behandlungsfehler qualifiziert werden kann, wenn sie dem im Zeitpunkt der Behandlung bestehenden medizinischen Standard zuwiderlief (vgl. Senatsurteile vom 8. Juli 2003 - VI ZR 304/02, VersR 2003, 1256; vom 21. Dezember 2010 - VI ZR 284/09, BGHZ 188, 29 Rn. 9, 12). Der Standard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat (vgl. Senatsurteile vom 22. September 1987 - VI ZR 238/86, BGHZ 102, 17, 24 f.; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93, VersR 1995, 659, 660 mwN; vom 16. März 1999 - VI ZR 34/98, VersR 1999, 716, 718; vom 16. Mai 2000 - VI ZR 321/98, BGHZ 144, 296, 305 f.; Katzenmeier in Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 6. Auflage, Kap. X Rn. 6; Wenzel/Müller, Der Arzthaftungsprozess, Rn. 1426 ff.; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 12. Aufl., Rn. 157 ff., 174; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Auflage, B Rn. 2 ff.; Dressler, FS Geiß, S. 379 f., jeweils mwN).
12
b) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, nach dem im Zeitpunkt der Behandlung im Juni 1995 bestehenden medizinischen Standard sei es geboten gewesen, der Mutter der Klägerin die Aufnahme in einem Perinatalzentrum nahezulegen bzw. sie in ein solches Zentrum zu verlegen.
13
aa) Die Ermittlung des Standards ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, der sich dabei auf die medizinische Bewertung des Behandlungsgeschehens durch einen Sachverständigen aus dem betroffenen medizinischen Fachgebiet stützen muss. Das Ergebnis dieser tatrichterlichen Würdigung kann revisionsrechtlich nur auf Rechts- und Verfahrensfehler überprüft werden, also insbesondere darauf, ob ein Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze vorliegt, das Gericht den Begriff des medizinischen Standards verkannt oder den ihm unterbreiteten Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt hat (vgl. Senat, Urteil vom 27. März 2007 - VI ZR 55/05, BGHZ 172, 1 Rn. 17 ff.; Beschlüsse vom 16. Oktober 2007 - VI ZR 229/06, VersR 2008, 221 Rn. 13; vom 28. März 2008 - VI ZR 57/07, GesR 2008, 361). Derartige Rechtsfehler liegen nicht vor.
14
bb) Das Berufungsgericht ist nach Einholung von Gutachten der geburtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. F. und Prof. Dr. T. und - teils mehrfacher - Anhörung dieser Sachverständigen sowie der pädiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. J., Prof. Dr. V. (Schlichtungsgutachter) und Prof. Dr. P. (Privatgutachter) auf der Grundlage einer umfassenden Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis gekommen, es könne nicht festgestellt werden, dass es im Behandlungszeitpunkt bereits einen medizinischen Standard gegeben habe, der die Verlegung von Risikoschwangeren in ein Perinatalzentrum gefordert habe. Es konnte sich bei dieser Beurteilung in vollem Umfang auf die Angaben des geburtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. T. stützen. Dieser hat im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2012 ausgeführt, es habe in der Zeit von 1989 bis 1995 einen Diskussionsprozess über die Zentralisierung von Risikogeburten gegeben, der noch nicht zu einem festen Ergebnis geführt habe. Es habe zwar - vor allem von Seiten der Neonatologen - vernünftige Argumente für die Zentralisierung von Risikogeburten gegeben , nicht hingegen eine Evidenz durch Zahlen. Die Fachwelt im hier maß- geblichen Fachbereich der Gynäkologen und geburtshilflichen Ärzte sei im Zeitraum bis 1995 einschließlich noch nicht einheitlich überzeugt gewesen. Dies werde u.a. durch die seitens der DGGG als der maßgeblichen Vertreterin für die Leitlinienbildung im November 1995 veröffentlichten "Mindestanforderungen an prozessuale, strukturelle und organisatorische Voraussetzungen für geburtshilfliche Abteilungen" belegt. Darin sei eine Empfehlung, Risiko-Schwangerschaften auf keinen Fall in Kliniken der Grundversorgung aufzunehmen, gerade nicht ausgesprochen worden. Ziffer 3.4.2 empfehle die Regionalisierung von Hochrisikofällen vielmehr nur für solche, deren Bewältigung offenbar und voraussehbar die personellen und organisatorischen Möglichkeiten des Krankenhauses übersteige. Auch der Einleitung der "Mindestanforderungen" - Stand Dezember 2011 - sei zu entnehmen, dass erst viel später das zum Standard geworden sei, was 1995 gefordert worden sei. Denn danach hätten die "Mindestanforderungen" von 1995 dazu beigetragen, das Niveau der klinischen geburtshilflichen Versorgung zu verbessern, und definierten den heute gebotenen Standard der Versorgung. Die Forderungen im Beschluss des Vorstandes der DGGG von Juni 1991 seien als Vorstufe zu den Leitlinien zu sehen, die sich noch nicht als Standard durchgesetzt hätten, sondern zur Verbesserung des Standards für die Zukunft erhoben worden seien. Die Umsetzung dieser Forderungen sei zum damaligen Zeitpunkt in Deutschland gar nicht möglich gewesen, weil die dafür erforderlichen Strukturen noch nicht vorhanden gewesen seien. Was die Fachgesellschaften anderer Fachbereiche gefordert hätten, könne nicht standardbildend für die hier zu entscheidende Frage sein.
15
cc) Die gegen die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
16
(1) Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe den Charakter von Leitlinien verkannt und deshalb Handlungsanweisungen in Quellen aus der Zeit nach der Behandlung rechtsfehlerhaft keine Bedeutung beigemessen.
17
(a) Entgegen der Auffassung der Revision fassen Leitlinien nicht nur das zusammen, was bereits zuvor medizinischer Standard war. Handlungsanweisungen in Leitlinien ärztlicher Fachgremien oder Verbände dürfen nicht unbesehen mit dem medizinischen Standard gleichgesetzt werden. Dies gilt in besonderem Maße für Leitlinien, die erst nach der zu beurteilenden medizinischen Behandlung veröffentlicht worden sind. Leitlinien ersetzen kein Sachverständigengutachten. Zwar können sie im Einzelfall den medizinischen Standard für den Zeitpunkt ihres Erlasses zutreffend beschreiben; sie können aber auch Standards ärztlicher Behandlung fortentwickeln oder ihrerseits veralten (vgl. zum Ganzen: Senat, Urteil vom 15. Februar 2000 - VI ZR 48/99, BGHZ 144, 1, 9; Beschlüsse vom 28. März 2008 - VI ZR 57/07, GesR 2008, 361; vom 7. Februar 2011 - VI ZR 269/09, VersR 2011, 1202; Katzenmeier in Laufs/Katzenmeier /Lipp, aaO Rn. 9 f.; ders., LMK 2012, 327738; Hart in Rieger/Dahm/ Katzenmeier/Steinhilper, HK-AKM, KZA 530, Rn. 5, 16 ff. [Stand: Februar 2011]; Wenzel/Müller, aaO Rn. 1483 ff.; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 12. Aufl., Rn. 157 ff., 174; Geiß/Greiner, aaO, B Rn. 2 ff.; Frahm/Nixdorf/Walter, Arzthaftungsrecht, 5. Aufl., Rn. 89; Glanzmann in Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, § 287 ZPO Rn. 25; Dressler, FS Geiß, S. 379, 380 f.; Stöhr, FS Hirsch, S. 431 ff.; Martis/Winkhart-Martis, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., B 41 ff., 72, jeweils mwN).
18
Entsprechendes gilt für Handlungsanweisungen in klinischen Leitfäden oder Lehrbüchern. Entgegen der Auffassung der Revision geben auch sie nicht stets einen bereits zuvor bestehenden medizinischen Standard wieder.
19
(b) Vor diesem Hintergrund ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden , dass das Berufungsgericht weder die am 1. September 1996 erstellte Leitlinie der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin "Antepartaler Transport von Risiko-Schwangeren" noch die vom Sachverständigen Prof. Dr. F. vorgelegten Lehrbuchauszüge aus dem Jahr 1997 als geeignet angesehen hat, um dessen Angaben zum Bestehen eines entsprechenden Standards bereits im Juni 1995 maßgeblich zu stützen.
20
(2) Ohne Erfolg rügt die Revision als willkürlich, dass das Berufungsgericht den Angaben des Sachverständigen Professor Dr. F. nicht im Hinblick auf die Leitlinie der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin "Aufgaben des Neugeborenen-Notarztdienstes" vom 8. Dezember 1993 den Vorzug gegenüber den Angaben des Prof. Dr. T gegeben hat. Zwar bestimmt Ziffer 3 dieser Leitlinie, dass Schwangere mit hohen Risiken über die Möglichkeit und Notwendigkeit einer präpartalen Verlegung aufzuklären sind; dabei sind als Beispiel für eine Hochrisikoschwangerschaft insbesondere Wehen vor der 33. Woche aufgeführt. Die Frage, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann, bestimmt sich indes aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachgebiets und nicht derjenigen anderer Fachbereiche (vgl. Senatsurteile vom 22. September 1987 - VI ZR 238/86, BGHZ 102, 17, 24 f.; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93, VersR 1995, 659, 660 mwN; vom 16. März 1999 - VI ZR 34/98, VersR 1999, 716, 718; vom 16. Mai 2000 - VI ZR 321/98, BGHZ 144, 296, 305 f.). Die Ärzte der Beklagten zu 1 waren nicht als Neonatologen, sondern im Fachbereich Gynäkologie und Geburtshilfe tätig. Die in diesem Fachgebiet zuständige Fachgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, hatte aber im November 1995 und damit kurz nach der Geburt der Klägerin mit der Leitlinie "Mindestanforderungen an prozessuale , strukturelle und organisatorische Voraussetzungen für geburtshilfliche Abteilungen" Handlungsanweisungen herausgegeben, die inhaltlich hinter den Forderungen der Leitlinie "Aufgaben des Neugeborenen-Notarztdienstes" zurückblieben und die dem betroffenen Krankenhaus die Beurteilung überließen, ob eine Verlegung der Schwangeren in ein Perinatalzentrum erfolgen musste. Gemäß Ziffer 3.4.2 war die geburtshilfliche Abteilung zur Regionalisierung nur solcher Hochrisikofälle verpflichtet, deren Bewältigung offenbar und voraussehbar die personellen und organisatorischen Möglichkeiten des Krankenhauses überstieg. Unter anderem aus dieser Leitlinie 1995 sowie aus der Einleitung ihrer Neufassung, Stand 2011, hat der Sachverständige Professor Dr. T. abgeleitet , dass im Zeitpunkt der Behandlung im Juni 1995 im maßgeblichen Fachbereich der Gynäkologie und Geburtshilfe noch nicht der erforderliche Konsens bestanden habe, dass Hochrisiko-Schwangeren vor der Geburt die Aufnahme in einem Perinatalzentrum nahezulegen war bzw. sie in ein solches Zentrum zu verlegen waren. Dabei hat der Sachverständige ausdrücklich auch den Beschluss des Vorstands der DGGG von Juni 1991 in seine Erwägungen miteinbezogen , in dem empfohlen wird, innerhalb der drei Ebenen der Krankenhausversorgung - Grundversorgung, Schwerpunktkrankenhaus und Krankenhaus in der Maximalversorgung - stärker als bisher eine graduelle und dem Bedarf angepasste Verschiebung von Risikofällen in die nächst höhere Versorgungsstufe vorzunehmen und entsprechend den Mutterschaftsrichtlinien auch in Verdachtsfällen ein Perinatalzentrum zu konsultieren. Er hat den Beschluss als fordernde Vorstufe zu den Leitlinien mit Empfehlungscharakter qualifiziert; die darin ausgesprochenen Empfehlungen hätten sich noch nicht als Standard durchgesetzt, sondern der Verbesserung des Standards für die Zukunft gedient. Bei dieser Sachlage ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass sich das Berufungsgericht von der Existenz eines entsprechenden medizinischen Standards im Jahr 1995 nicht überzeugt hat. Soweit die Revision geltend macht, es habe von Seiten der Fachgesellschaften und Mediziner bei Vorliegen einer Risiko- schwangerschaft schon 1995 offensichtlich kein Zweifel an dem Erfordernis der Aufnahme in einem Krankenhaus der Maximalversorgung bzw. in einem Perinatalzentrum bestanden, versucht sie lediglich in unzulässiger Weise, die tatrichterliche Würdigung durch ihre eigene zu ersetzen.
21
(3) Die Revision wendet sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Mutter der Klägerin habe nicht deshalb in ein Perinatalzentrum verlegt werden müssen, weil die Beklagte zu 1 nicht über die personellen und apparativen Möglichkeiten zur Betreuung von Risikogeburten verfügt habe. Ihre Rüge, die personellen Voraussetzungen seien nicht gegeben gewesen , weil die Neonatologen nicht "bereitgestanden", sondern erst hätten herbeigerufen werden müssen, ist nicht begründet. Entscheidend ist, dass die Möglichkeit bestand, das Geburtshelferteam rechtzeitig durch das Hinzuziehen von Neonatologen zu verstärken. Dies war der Fall. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts waren bei der Geburt der Klägerin zwei Neonatologen zugegen.
22
Soweit die Revision geltend macht, in einer Einrichtung der Maximalversorgung sei von einer anderen Arbeits- und Vorgehensweise als in einem Krankenhaus der Grundversorgung auszugehen, übersieht sie, dass der Sachverständige Prof. Dr. T. in seinem schriftlichen Gutachten die bei der Mutter der Klägerin ergriffenen Behandlungsmaßnahmen im Einzelnen untersucht, mit der hypothetischen Behandlung in einer Einrichtung der Maximalversorgung verglichen hat und zu dem Schluss gekommen ist, dass alle dem damaligen ärztlichen und organisatorischen Standard entsprechenden Maßnahmen ergriffen worden sind, die auch in einer Einrichtung der Maximalversorgung durchgeführt worden wären, um den speziellen Risiken des vorliegenden Geburtsfalles Rechnung zu tragen. Insoweit erhebt die Revision keine Beanstandungen.
23
Auch der Umstand, dass im Krankenhaus der Beklagten zu 1 ein Blutdruckmessgerät für die nichtinvasive Blutdruckmessung bei Säuglingen nicht zur Verfügung stand, stellt die tatrichterliche Würdigung nicht in Frage. Sie wird von den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T. im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2012 getragen, wonach im Streitfall in Bezug auf die technische Ausstattung und die räumliche Situation keine wesentlich andere Situation bestanden habe, als wenn die Mutter der Klägerin in der von der Beklagten zu 2 betriebenen Geburtsklinik der Maximalversorgung aufgenommen worden wäre. Dass eine präpartale Verlegung der Mutter der Klägerin in ein Perinatalzentrum nur wegen des Nichtvorhandenseins eines Blutdruckmessgeräts für die nichtinvasive Blutdruckmessung medizinisch nicht geboten war, wird auch durch die - von der Revision herangezogenen und der (rechtskräftigen) Verurteilung der Beklagten zu 2 zugrunde liegenden - Angaben des pädiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. B. bestätigt. Dieser gab nämlich nicht nur an, dass ein entsprechendes Blutdruckmessgerät nicht zur Verfügung stand. Vielmehr führte er auch aus, dass die Höhe des Blutverlustes der Klägerin durch andere Maßnahmen im Krankenhaus der Beklagten zu 1 hätte festgestellt werden können. Insbesondere habe die Hämoglobinkonzentration durch einen zentralen Zugang bestimmt oder der Blutdruck durch Dekonnektion des Nabelvenenkatheters geschätzt werden können. Darüber hinaus habe der Volumenmangel auch durch eine Femoralispulsmessung und die Beobachtung der Kapillarfüllungszeit festgestellt werden können. Gestützt auf diese Beurteilung hat das Berufungsgericht das Unterlassen dieser Maßnahmen durch die hinzugezogenen Neonatologen als - teilweise grob - behandlungsfehlerhaft angesehen und die Haftung der Beklagten zu 2 bejaht.
24
(4) Die Tatsache, dass in den dem Senatsurteil vom 14. Dezember 1993 (VI ZR 67/93, VersR 1994, 480) und dem Urteil des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 16. Mai 1994 (7 U 211/91) zugrunde liegenden Fällen die Nicht- verlegung einer Risiko-Schwangeren in ein Perinatalzentrum von den Sachverständigen als behandlungsfehlerhaft angesehen worden ist, musste das Berufungsgericht nicht zu einer anderen Beurteilung veranlassen. Denn diesen Fällen lagen jeweils anders gelagerte Sachverhalte zugrunde. Insbesondere waren - anders als im Streitfall - bei der Geburt jeweils keine Neonatologen zugegen.
25
(5) Die weiteren Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
26
2. Die Revision rügt auch ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe die Verletzung der Nabelschnur der Klägerin, - soweit sie darauf zurückgeführt werden könne, dass die ordnungsgemäß gesetzte Nabelklemme durch die Ärzte der Beklagten zu 1 nachträglich aus ihrer Grundstellung gebracht worden sei, - zu Unrecht als nicht grob fehlerhaft bewertet. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht nicht verkannt, dass die Beurteilung, ob ein Behandlungsfehler als grob oder nicht grob einzustufen ist, eine juristische Wertung ist, die dem Tatrichter und nicht dem Sachverständigen obliegt (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 139/10, VersR 2012, 362 Rn. 9 mwN). Es hat den Ausführungen des Sachverständigen lediglich nicht die erforderliche tatsächliche Grundlage entnommen, um das Behandlungsgeschehen als grob fehlerhaft zu qualifizieren. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nachdem das Berufungsgericht den Sachverständigen Prof. Dr. T. zur Schwere des Behandlungsfehlers in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2012 ausführlich angehört und dieser das nach dem Setzen der Nabelklemme liegende Behandlungsgeschehen im Grenzbereich zwischen Verwirklichung behandlungsspezifischer Risiken und einem Behandlungsfehler angesiedelt hatte, bestand entgegen der Auffassung der Revision auch kein Anlass, den Sachverständigen nochmals zu befragen.

III.

27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO. Galke Wellner Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Braunschweig, Entscheidung vom 11.12.2003 - 4 O 371/02 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 12.07.2012 - 1 U 1/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 2/03
vom
17. März 2003
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja

a) Ist ein Patient einwilligungsunfähig und hat sein Grundleiden einen irreversiblen
tödlichen Verlauf angenommen, so müssen lebenserhaltende oder -verlängernde
Maßnahmen unterbleiben, wenn dies seinem zuvor - etwa in Form einer sog. Patientenverfügung
- geäußerten Willen entspricht. Dies folgt aus der Würde des Menschen,
die es gebietet, sein in einwilligungsfähigem Zustand ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht
auch dann noch zu respektieren, wenn er zu eigenverantwortlichem Entscheiden
nicht mehr in der Lage ist. Nur wenn ein solcher erklärter Wille des Patienten nicht
festgestellt werden kann, beurteilt sich die Zulässigkeit solcher Maßnahmen nach dem
mutmaßlichen Willen des Patienten, der dann individuell - also aus dessen Lebensentscheidungen
, Wertvorstellungen und Überzeugungen - zu ermitteln ist.

b) Ist für einen Patienten ein Betreuer bestellt, so hat dieser dem Patientenwillen gegenüber
Arzt und Pflegepersonal in eigener rechtlicher Verantwortung und nach Maßgabe
des § 1901 BGB Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Seine Einwilligung in eine
ärztlicherseits angebotene lebenserhaltende oder –verlängernde Behandlung kann der
Betreuer jedoch nur mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts wirksam verweigern.
Für eine Einwilligung des Betreuers und eine Zustimmung des Vormundschaftsgerichts
ist kein Raum, wenn ärztlicherseits eine solche Behandlung oder Weiterbehandlung
nicht angeboten wird - sei es daß sie von vornherein medizinisch nicht indiziert, nicht
mehr sinnvoll oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist. Die Entscheidungszuständigkeit
des Vormundschaftsgerichts ergibt sich nicht aus einer analogen Anwendung
des § 1904 BGB, sondern aus einem unabweisbaren Bedürfnis des Betreuungsrechts.

c) Zu den Voraussetzungen richterlicher Rechtsfortbildung.
BGH, Beschluß vom 17. März 2003 - XII ZB 2/03 - OLG Schleswig
AG Lübeck
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. März 2003 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt

beschlossen:
Auf die weitere Beschwerde des Betreuers werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Lübeck vom 30. Mai 2002 und des Landgerichts Lübeck vom 25. Juni 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.

Der Betroffene erlitt am 29. November 2000 infolge eines Myocardinfarktes einen hypoxischen Gehirnschaden im Sinne eines apallischen Syndroms. Seither wird er über eine PEG-Sonde ernährt; eine Kontaktaufnahme mit ihm ist nicht möglich. Auf Anregung der Klinik, in welcher der Betroffene behandelt wurde, bestellte das Amtsgericht mit Beschluß vom 18. Januar 2001 den Sohn des Betroffenen - den Beteiligten - u.a. für die Aufgabenkreise "Sorge für die Gesundheit des Betroffenen, ... Vertretung gegenüber Behörden ... und Einrichtungen
(z.B. Heimen) ..." zum Betreuer; die Betreuung wurde mit Beschluß vom 18. Dezember 2001 verlängert. Am 8. April 2002 hat der Beteiligte beim Amtsgericht "die Einstellung der Ernährung über die PEG-Sonde" für seinen Vater beantragt, da eine Besserung des Zustandes seines Vaters nicht zu erwarten sei und die Einstellung dem früher geäußerten Wunsch seines Vaters entspreche. Der Beteiligte verweist hierzu auf eine maschinenschriftliche und vom Betroffenen handschriftlich unter Angabe von Ort und Datum unterzeichnete Verfügung mit folgendem Wortlaut: "Verfügung Für den Fall, daß ich zu einer Entscheidung nicht mehr fähig bin, verfüge ich: Im Fall meiner irreversiblen Bewußtlosigkeit, schwerster Dauerschäden meines Gehirns oder des dauernden Ausfalls lebenswichtiger Funktionen meines Körpers oder im Endstadium einer zum Tode führenden Krankheit , wenn die Behandlung nur noch dazu führen würde, den Vorgang des Sterbens zu verlängern, will ich: - keine Intensivbehandlung, - Einstellung der Ernährung, - nur angst- oder schmerzlindernde Maßnahmen, wenn nötig, - keine künstliche Beatmung, - keine Bluttransfusionen, - keine Organtransplantation, - keinen Anschluß an eine Herz-Lungen-Maschine. Meine Vertrauenspersonen sind ... (es folgen die Namen und Adressen der Ehefrau sowie des Sohnes und der Tochter). Diese Verfügung wurde bei klarem Verstand und in voller Kenntnis der Rechtslage unterzeichnet. Lübeck, den 27. November 1998, H. S. " Die Ehefrau und die Tochter des Betroffenen haben erklärt, mit dem Antrag des Beteiligten einverstanden zu sein und ihn voll zu unterstützen.
Das Amtsgericht hat den Antrag abgelehnt, da er keine Rechtsgrundlage habe. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde des Beteiligten möchte das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zurückweisen. Es sieht sich daran durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 15. Juli 1998 - 20 W 224/98 - FamRZ 1998, 1137 und vom 20. November 2001 - 20 W 419/01 - FamRZ 2002, 575 sowie des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 29. Oktober 2001 - 19 Wx 21/01 - FamRZ 2002, 488 gehindert. In diesen Entscheidungen haben die Oberlandesgerichte ausgesprochen, daß die Einwilligung des Betreuers eines selbst nicht mehr entscheidungsfähigen, irreversibel hirngeschädigten Betroffenen in den Abbruch der Ernährung mittels einer PEG-Magensonde anlog § 1904 BGB der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht ist demgegenüber der Ansicht, daß die Einwilligung des Betreuers in einem solchen Fall nicht genehmigungsbedürftig sei; es hat deshalb die Sache gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Vorlage ist zulässig. Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß das vorlegende Oberlandesgericht zu einer anderen als der von ihm beabsichtigten Entscheidung gelangen würde, wenn es sich der abweichenden Ansicht der Oberlandesgerichte Frankfurt und Karlsruhe anschlösse, und daß es nach seiner Ansicht für die zu treffende Entscheidung auf die streitige Rechtsfrage an-
kommt. An diese Ansicht ist der Senat - soweit die Zulässigkeit der Vorlage in Frage steht - gebunden (Senatsbeschluß BGHZ 121, 305, 308). Das vorlegende Gericht geht - insoweit in Übereinstimmung mit den Oberlandesgerichten Frankfurt und Karlsruhe - davon aus, daß für den Behandlungsabbruch bei nicht einwillligungsfähigen Patienten die Bestellung eines Betreuers und dessen Einwilligung erforderlich ist. Die Einwilligung in den Behandlungsabbruch sei nicht höchstpersönlich; denn ohne Betreuer ließe sich das dem nicht einwilligungsfähigen Betroffenen zustehende Selbstbestimmungsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG in Bezug auf die aktuelle Beendigung der Behandlung rechtlich nicht verwirklichen. Die Einwilligung unterfalle auch dem Aufgabenkreis "Gesundheitsfürsorge", der alle im Bereich der medizinischen Behandlung anstehenden Entscheidungen umfasse, und zwar auch dann, wenn eine Wiederherstellung der Gesundheit nicht mehr zu erreichen sei. Für eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung dieser Einwilligung fehle es - entgegen der Auffassung der Oberlandesgerichte Frankfurt und Karlsruhe - allerdings an einer rechtlichen Grundlage: Eine Analogie zu § 1904 BGB scheitere, da eine "planwidrige Unvollständigkeit" des Gesetzes nicht vorliege. Es sei davon auszugehen, daß der Gesetzgeber mit dem Betreuungsgesetz das gesamte Betreuungsrecht geregelt habe. Dabei habe er, wie sich aus den Materialien ergebe, auch den Fall des zum Tode führenden Abbruchs einer lebenserhaltenden Maßnahme bei einem einwilligungsunfähigen Betreuten bedacht. Gleichwohl habe er davon abgesehen , diesen Fall in den "Kanon" der ausnahmsweise einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürftigen Maßnahmen aufzunehmen. Jedenfalls sei § 1904 Abs. 1 BGB nicht geeignet, eine Gesetzeslücke zu begründen oder zu schließen; denn die dort geregelten Tatbestände seien
wertungsmäßig dem hier zu behandelnden Fall des Behandlungsabbruchs nicht gleich. So gehe es bei der nach § 1904 Abs. 1 BGB genehmigungsbedürftigen Einwilligung des Betreuers um ärztliche Maßnahmen, die unter Abwägung der Risiken darauf gerichtet seien, die Gesundheit des Betroffenen wiederherzustellen; die Genehmigung der Einwilligung zu einem Behandlungsabbruch würde dagegen auf die Lebensbeendigung des Betroffenen abzielen. Beide Ziele stünden nicht in einem Verhältnis von "weniger" und "mehr"; vielmehr habe die absichtliche Lebensbeendigung eine andere Qualität, die auch einer besonderen rechtlichen Würdigung und Behandlung bedürfe. Außerdem regele § 1904 Abs. 1 BGB die Genehmigung der Einwilligung in ein ärztliches Tun, während bei der Genehmigung der Einwilligung in den Behandlungsabbruch ein ärztliches Unterlassen im Vordergrund stehe. Genau genommen gehe es hier nicht um eine Einwilligung des Betreuers in eine medizinische Maßnahme, sondern um den Widerruf oder die Verweigerung einer solchen Einwilligung; diese seien aber nach § 1904 BGB gerade genehmigungsfrei. Selbst wenn aber eine Gesetzeslücke anzunehmen wäre, so wäre eine Ergänzung durch Gerichte ausgeschlossen, weil die staatliche Mitwirkung bei einem auf Lebensbeendigung eines Menschen gerichteten Verhalten so wesentlich sei, daß sie einer Regelung durch den Gesetzgeber bedürfte. Dies gelte insbesondere für die Frage, ob ein Sachverständigengutachten einzuholen sei und ob, wie es der Bundesgerichtshof formuliert habe, dann, wenn sich bei der Prüfung Umstände für die Feststellung des individuellen mutmaßlichen Willens des Betreuten nicht finden ließen, auf "Kriterien zurückgegriffen werden" müsse, die "allgemeinen Wertvorstellungen" entsprächen. Solche "Kriterien" dürften geeignet sein, die Meinung zu fördern, im Vormundschaftsrichter "den Richter über Leben und Tod" zu sehen oder "den Schritt in eine andere Republik" befürchten zu lassen. Ferner machte ein möglicherweise religiös oder
sonst ethisch beeinflußtes "Kriterium" die Entscheidung des gesetzlichen - und damit unentrinnbaren - Richters unberechenbar.

III.

Da die Voraussetzungen für eine Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG erfüllt sind, hat der beschließende Senat gemäß § 28 Abs. 3 FGG anstelle des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts über die weitere Beschwerde zu entscheiden. 1. Die weitere Beschwerde ist nach § 27 Abs. 1 FGG statthaft; der Beteiligte ist gemäß § 20 Abs. 1 FGG auch beschwerdeberechtigt. 2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Der Beteiligte hat beantragt, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen. Damit möchte er erreichen, daß das Vormundschaftsgericht seiner Entscheidung, nicht länger in die künstliche Ernährung des Betroffenen einzuwilligen, zustimmt. Die Vorinstanzen haben es zu Unrecht abgelehnt, in der Sache tätig zu werden.
a) Die gegen eine weitere künstliche Ernährung des Betroffenen gerichtete Entscheidung des Beteiligten ist nicht schon deshalb einer Zustimmung des Vormundschaftsgerichts entzogen, weil sie sich rechtlich als ein Unterlassen darstellt. Die Beibehaltung einer Magensonde und die mit ihrer Hilfe ermöglichte künstliche Ernährung sind fortdauernde Eingriffe in die körperliche Integrität des Patienten (Hufen NJW 2001, 849, 853 m.w.N.). Solche Eingriffe bedürfen - ebenso wie das ursprüngliche Legen der Sonde - grundsätzlich der Einwilli-
gung des Patienten. Ist der Patient im Zeitpunkt der Maßnahme nicht einwilligungsfähig , so gilt: Eine frühere Willensbekundung, mit welcher der Patient seine Einwilligung in Maßnahmen der in Frage stehenden Art für eine Situation, wie sie jetzt eingetreten ist, erklärt oder verweigert hat, wirkt, falls der Patient sie nicht widerrufen hat, fort (V. Lipp in May et al. Passive Sterbehilfe 2002, 37, 43 und Fn. 37 m.w.N.; Taupitz Verhandlungen des 63. DJT 2000 Gutachten A 41); die inzwischen eingetretene Einwilligungsunfähigkeit ändert nach dem Rechtsgedanken des § 130 Abs. 2 BGB an der fortdauernden Maßgeblichkeit des früher erklärten Willens nichts. Ist eine solche frühere Willensbekundung nicht bekannt, beurteilt sich die Zulässigkeit der Maßnahme, falls unaufschiebbar , nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten, bis für diesen ein Betreuer bestellt ist (MünchKomm/Schwab BGB 4. Aufl. § 1904, 38). Ist - wie hier - für den einwilligungsunfähigen Patienten ein Betreuer bestellt und erreichbar, vermag der mutmaßliche Patientenwille allein einen Eingriff in die persönliche Integrität des Patienten nicht länger zu rechtfertigen (Taupitz aaO A 71). Mit der Bestellung des Betreuers ist die rechtliche Handlungsfähigkeit des Betroffenen wiederhergestellt; Arzt und Pflegepersonal können deshalb nicht mehr unmittelbar auf den Willen des einwilligungsunfähigen Patienten "durchgreifen" (Taupitz aaO A 70 f.). Eine Willensbekundung, mit welcher der Betroffene seine Einwilligung in die in Frage stehenden Maßnahmen und für die jetzt eingetretene Situation erklärt oder verweigert hat, wirkt weiterhin - als Ausfluß seines Selbstbestimmungsrechts - fort. Als gesetzlicher Vertreter hat der Betreuer die exklusive Aufgabe, dem Willen des Betroffenen gegenüber Arzt und Pflegepersonal in eigener rechtlicher Verantwortung und nach Maßgabe des § 1901 BGB Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall: Die Beibehaltung der Sonde und die Fortführung der über sie ermöglichten künstlichen Ernährung bedürfen,
da eine Einwilligung des Betroffenen nicht vorliegt, der Einwilligung des Beteiligten. Mit dem Verlangen, diese Behandlung nicht fortzusetzen, hat der Betei- ligte die erforderliche Einwilligung verweigert. Ob der Beteiligte früher zumindest konkludent in die Behandlung eingewilligt hat und sich das Verlangen nach Abbruch der Behandlung deshalb (auch) als Widerruf dieser Einwilligung darstellt , mag dahinstehen. Bereits das Unterlassen der erforderlichen Einwilligungserklärung kann - für sich genommen - auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden; es ist damit einer vormundschaftsgerichtlichen Entscheidung nicht schon per se entzogen. Soweit in der Literatur nur der Widerruf einer einmal erteilten Einwilligung , nicht aber die erstmalige Verweigerung der Einwilligung (Fröschle JZ 2000, 72, 80: "nullum") als "an sich" genehmigungsfähig angesehen wird, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn das Unterlassen des Betreuers, in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung einzuwilligen, kann nicht anders beurteilt werden als das Unterlassen, in die Weiterbehandlung einzuwilligen. Zwar liegt im zweiten Fall unter Umständen auch ein aktives Handeln - nämlich der Widerruf einer zuvor erteilten Einwilligung - vor. Die Abgrenzung ist jedoch - etwa im Hinblick auf die Frage, ob eine Einwilligung vom Betreuer konkludent erteilt worden ist oder ob eine einmal erteilte Einwilligung die in Frage stehenden Maßnahmen für die jetzt eingetretene Situation noch abdeckt - fließend; sie rechtfertigt jedenfalls keine rechtliche Differenzierung. Wollte man nur den Widerruf einem vormundschaftsgerichtlichen Kontrollvorbehalt unterstellen , bestünde im übrigen die Gefahr, daß von lebenserhaltenden Maßnahmen nur noch zögerlich Gebrauch gemacht wird, um deren späteren - an die vormundschaftsgerichtliche Kontrolle gebundenen - Abbruch zu vermeiden; der mit dem Kontrollvorbehalt (auch) verfolgte Lebensschutz würde in sein Gegenteil verkehrt.
Auch kann ein Kontrollerfordernis nach Auffassung des Senats sinnvoll nicht davon abhängig gemacht werden, ob der Betreuer die Erteilung der Einwilligung in eine medizinische Behandlung nur schlechthin unterlassen oder ob er seine Einwilligung verweigert und damit aktiv gehandelt hat (so aber wohl - jedenfalls für die analoge Anwendbarkeit des § 1904 BGB - Taupitz aaO A 87 und Lipp aaO 51). Da für eine die körperliche Integrität verletzende medizinische Behandlung oder Weiterbehandlung eine Einwilligung notwendig ist, ist deren Verweigerung nichts anderes als eine Bekräftigung des Unterlassens, die Einwilligung zu erteilen. Hinge die vormundschaftsgerichtliche Kontrolle von einer solchen Bekräftigung ab, wäre das Erfordernis dieser Kontrolle beliebig manipulierbar.
b) Ein Tätigwerden des Vormundschaftsgerichts wird, wie das vorlegende Oberlandesgericht zutreffend ausführt, auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß eine Entscheidung gegen die Fortführung der künstlichen Ernährung des Betroffenen höchstpersönlicher Natur ist. In der Rechtsprechung und Literatur wird zwar zum Teil die Auffassung vertreten, daß dem Betreuer die Entscheidung gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betroffenen, weil höchstpersönlich, nicht zustehe und deshalb auch einer Überprüfung durch das den Betreuer kontrollierende Vormundschaftsgericht entzogen sei (vgl. etwa LG München I FamRZ 1999, 742; Landgericht Augsburg FamRZ 2000, 320, 321; Lilie in Wienke/Lippert , Der Wille des Menschen zwischen Leben und Sterben 2001, 75, 83, Seitz ZRP 1998, 417, 420; Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1904 Rdn. 42). Diese Ansicht würde es jedoch, recht verstanden, nicht hindern, das Verlangen des Beteiligten nach Abbruch der künstlichen Ernährung einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung zu unterwerfen. Da der Beteiligte sein Verlangen auf den erklärten und fortgeltenden Willen des Betroffenen stützt, trifft er insoweit
keine eigene Entscheidung; er setzt vielmehr nur eine im voraus getroffene höchstpersönliche Entscheidung des Betroffenen um. Die richtige Umsetzung des Willens des Betroffenen und die damit einhergehende Unterlassung einer eigenen, den Willen des Betroffenen ersetzenden Einwilligung des Beteiligten in die Weiterbehandlung des Betroffenen ist - wie dargelegt - aber ein tauglicher Gegenstand einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung. Auch generell läßt sich aus der Höchstpersönlichkeit einer Entscheidung kein zwingendes Argument gegen die Entscheidungszuständigkeit eines Betreuers und die Überprüfung seiner Entscheidung durch das Vormundschaftsgericht herleiten; denn einem Betreuer werden vom Gesetz - etwa bei der Sterilisation (§ 1905 BGB) - durchaus höchstpersönliche Entscheidungskompetenzen übertragen. Zudem ergäbe sich, wenn man die Entscheidung gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahme oder die Durchsetzung einer solchen Entscheidung generell von der Aufgabenzuweisung an den Betreuer ausnähme, eine mißliche Wahl: Entweder würde damit ein striktes Gebot zur Durchführung lebensverlängernder oder -erhaltender medizinischer Maßnahmen statuiert - also auch gegen einen vom Betroffenen früher geäußerten Willen. Oder die Entscheidung über die Frage der Behandlung oder Weiterbehandlung bliebe dem Arzt und/oder den nahen Angehörigen überlassen - dies allenfalls mit der Auflage, den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Patienten zu ermitteln. An die Stelle der Willensbestimmung durch den Betreuer als den gesetzlichen Vertreter träte die Willensbestimmung durch den Arzt oder die Angehörigen, die sich aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht mehr legitimieren würde, unter Umständen mit Eigeninteressen kollidieren könnte und im System des geltenden Rechts einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle von vornherein nicht zugänglich wäre (vgl. zum Ganzen Taupitz aaO A 89; Fröschle aaO 74).
Eine andere Frage ist, ob das Vormundschaftsgericht dem Beteiligten mit der Übertragung des Aufgabenkreises "Sorge für die Gesundheit des Betroffenen" auch die Entscheidung über lebenserhaltende Maßnahmen der hier in Frage stehenden Art übertragen hat. Da sowohl das Amtsgericht wie auch das Beschwerdegericht die Bestellung des Beteiligten nicht einschränkend ausgelegt haben, kann auch für das Verfahren der weiteren Beschwerde von einer umfassenden Zuständigkeit des Beteiligten für die medizinischen Belange des Betroffenen ausgegangen werden. Dies gilt um so mehr, als bei einer einschränkenden Auslegung des Aufgabenkreises die lebenserhaltenden Maßnahmen nicht fortgeführt, sondern von den behandelnden Ärzten im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem vom Betroffenen früher erklärten und als maßgebend fortdauernden Willen überprüft und, falls der Aufgabenkreis des Beteiligten nicht erweitert oder ein weiterer Betreuer bestellt würde, gegebenenfalls eingestellt werden müßten.
c) Gegen eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts läßt sich auch nicht anführen, daß es an Kriterien fehle, anhand derer das Verlangen des Beteiligten , die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, rechtlich überprüft werden könne, daß die Entscheidung des Beteiligten mithin nicht justiziabel sei. aa) Die Frage, unter welchen medizinischen Voraussetzungen die Rechtsordnung gestattet, lebensverlängernde Maßnahmen zu unterlassen oder nicht fortzuführen, hat der Bundesgerichtshof in einer Strafsache dahin entschieden , daß das Grundleiden des Kranken nach ärztlicher Überzeugung unumkehrbar (irreversibel) sein und einen tödlichen Verlauf angenommen haben müsse (Urteil vom 13. September 1994 - 1 StR 357/94 - NJW 1995, 204). Werde in einem solchen Fall der Tod in kurzer Zeit eintreten, so rechtfertige die unmittelbare Todesnähe es, von einer Hilfe für den Sterbenden und "Hilfe beim
Sterben", kurz von Sterbehilfe zu sprechen und dem Arzt den Abbruch lebens- verlängernder Maßnahmen zu erlauben. In Fällen, in denen das Grundleiden zwar einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen habe, das Merkmal der unmittelbaren Todesnähe aber nicht gegeben sei und der Sterbevorgang somit noch nicht eingesetzt habe, liege eine Sterbehilfe im eigentlichen Sinne nicht vor. Auch wenn der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen (auch im damals entschiedenen Fall: einer künstlichen Ernährung über eine Magensonde) unter solchen Umständen zum Teil bereits als Sterbehilfe im weiteren Sinne oder als "Hilfe zum Sterben" bezeichnet werde und bei entsprechendem Patientenwillen als Ausdruck der allgemeinen Entscheidungsfreiheit und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit grundsätzlich anzuerkennen sei, seien doch an die Annahme des mutmaßlichen Willens erhöhte Anforderungen insbesondere im Vergleich zur eigentlichen Sterbehilfe zu stellen. Diese objektive Eingrenzung zulässiger Sterbehilfe ist auch für das Zivilrecht verbindlich; denn die Zivilrechtsordnung kann nicht erlauben, was das Strafrecht verbietet. Aus ihr folgt, daß für das Verlangen des Betreuers, eine medizinische Behandlung einzustellen, kein Raum ist, wenn das Grundleiden des Betroffenen noch keinen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen hat und durch die Maßnahme das Leben des Betroffenen verlängert oder erhalten wird. Richtig ist zwar, daß der Arzt das Selbstbestimmungsrecht des einwilligungsfähigen Patienten zu achten hat und deshalb keine - auch keine lebenserhaltenden - Maßnahmen gegen dessen Willen vornehmen darf (vgl. etwa Taupitz aaO A 19 ff.). Die Entscheidungsmacht des Betreuers ist jedoch mit der aus dem Selbstbestimmungsrecht folgenden Entscheidungsmacht des einwilligungsfähigen Patienten nicht deckungsgleich, sondern als gesetzliche Vertretungsmacht an rechtliche Vorgaben gebunden; nur soweit sie sich im Rahmen dieser Bindung hält, kann sie sich gegenüber der Verpflichtung des Arztes, das Leben des Patienten zu erhalten, durchsetzen. Das bedeutet: Die medizini-
schen Voraussetzungen, unter denen das Recht eine vom gesetzlichen Vertreter konsentierte Sterbehilfe (auch im weiteren Sinne) gestattet, binden den Arzt ebenso wie den gesetzlichen Vertreter. Liegen sie nicht vor, ist die Sterbehilfe rechtswidrig; sie wird nicht dadurch rechtmäßig, daß der gesetzliche Vertreter in sie – und sei es auch mit Billigung des Vormundschaftsgerichts – einwilligt. Deshalb ist die Verweigerung der Einwilligung hier insoweit ebenso irrelevant wie eine etwaige Billigung dieser Verweigerung durch das Vormundschaftsgericht. Daraus läßt sich indes nicht herleiten, daß das Verlangen des Beteiligten , die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, jedenfalls insoweit einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung entzogen sei, als die medizinischen Voraussetzungen, unter denen ein solches Verlangen rechtlich überhaupt erst zulässig wäre, in Frage stünden. Ein vormundschaftsgerichtliches Verfahren böte vielmehr - im Gegenteil - die Möglichkeit, verantwortlich zu prüfen , ob der rechtliche Rahmen für das Verlangen des Beteiligten überhaupt eröffnet ist. Dies wäre immer dann zu verneinen, wenn eine letzte Sicherheit, daß die Krankheit des Betroffenen einen irreversiblen und tödlichen Verlauf angenommen habe, nicht zu gewinnen wäre. bb) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 13. September 1994 (aaO 204 f.) das Unterlassen oder den Abbruch lebensverlängernder oder lebenserhaltender Maßnahmen - bei Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen - allerdings nur dann als rechtmäßig erachtet, wenn das Unterlassen oder der Abbruch der Maßnahmen dem - im entschiedenen Fall: mutmaßlichen - Willen des Patienten entspricht. Diese Ausrichtung auf den Willen des Betroffenen korrespondiert mit den Vorgaben, die auch § 1901 BGB für das Betreuerhandeln normiert. Maßgebend sind nach § 1901 Abs. 3 Satz 1, 2 BGB die - auch früher geäußerten (§ 1901 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BGB) - Wünsche des
Betroffenen, sofern sie sich feststellen lassen, nicht durch entgegenstehende Bekundungen widerrufen sind (§ 1901 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BGB) und dem Wohl des Betreuten nicht zuwiderlaufen (§ 1901 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BGB). Das Wohl des Betreuten ist dabei nicht nur objektiv, sondern - im Grundsatz sogar vorrangig (MünchKomm/Schwab aaO § 1901 Rdn. 14) - subjektiv zu verstehen ; denn "zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, ... sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen und Wünschen zu gestalten" (§ 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB). Nichts anderes gilt, wenn sich - auf die vorliegende Situation bezogene - Wünsche des Betroffenen nicht feststellen lassen: Dann hat sich der Betreuer nach § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB am "Wohl des Betreuten" zu orientieren , dies aber nach § 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB aus der Sicht des Betreuten - d.h. nach dessen Lebensentscheidungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen - zu bestimmen (vgl. zum Ganzen G. Fischer, FS Deutsch 1999, 545, 548 ff., 555; Fröschle aaO 76; einschränkend Taupitz aaO 41 "objektive Interessenabwägung mit subjektivem Korrekturvorbehalt"; in diese Richtung auch Lipp aaO 48 f.); man kann insoweit von einem (individuell-) mutmaßlichen Willen des Betroffenen sprechen (kritisch zu dieser Rechtsfigur Höfling JuS 2000, 111, 116). Allerdings kommt die Berücksichtigung eines solchen (individuell-) mutmaßlichen Willens nur hilfsweise in Betracht, wenn und soweit nämlich eine im einwilligungsfähigem Zustand getroffene "antizipative" Willensbekundung des Betroffenen - mag sie sich als Einwilligung in oder als Veto gegen eine bestimmte medizinische Behandlung darstellen - nicht zu ermitteln ist. Liegt eine solche Willensäußerung, etwa - wie hier - in Form einer sogenannten "Patientenverfügung" , vor, bindet sie als Ausdruck des fortwirkenden Selbstbestimmungsrechts , aber auch der Selbstverantwortung des Betroffenen den Betreuer ; denn schon die Würde des Betroffenen (Art. 1 Abs. 1 GG) verlangt, daß eine von ihm eigenverantwortlich getroffene Entscheidung auch dann noch respektiert wird, wenn er die Fähigkeit zu eigenverantwortlichem Entscheiden inzwi-
schen verloren hat. Die Willensbekundung des Betroffenen für oder gegen bestimmte medizinische Maßnahmen darf deshalb vom Betreuer nicht durch einen "Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen" des Betroffenen "korrigiert" werden, es sei denn, daß der Betroffene sich von seiner früheren Verfügung mit erkennbarem Widerrufswillen distanziert oder die Sachlage sich nachträglich so erheblich geändert hat, daß die frühere selbstverantwortlich getroffene Entscheidung die aktuelle Sachlage nicht umfaßt (Taupitz aaO A 41: Die in eigenverantwortlichem Zustand getroffene Entscheidung dürfe nicht "unter spekulativer Berufung darauf unterlaufen werden ..., daß der Patient vielleicht in der konkreten Situation doch etwas anderes gewollt hätte"; vgl. auch aaO A 106 ff.). Auch wenn der Beteiligte somit strikt an den wirklichen und (nur) hilfsweise an den mutmaßlichen Willen des Betroffenen gebunden ist, so spricht dies ebenfalls nicht gegen die Möglichkeit, das Verlangen des Beteiligten, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Ein vormundschaftsgerichtliches Verfahren böte nicht nur den Rahmen für eine Prüfung, ob der Beteiligte den Willen des Betroffenen mit der Vorlage der von diesem getroffenen Verfügung erschöpfend ermittelt hat oder ob die Umstände des Einzelfalles weitere Erkundungen geboten erscheinen lassen. Sie eröffnete auch die Möglichkeit, für alle Beteiligten verbindlich festzustellen, daß die vom Beteiligten gewünschte Einstellung der Behandlung in der nunmehr vorliegenden Situation dem in der Verfügung zum Ausdruck gelangten Willen des Betroffenen entspricht (vgl. etwa G. Fischer in Medicus et al. Schadensrecht, Arztrecht ... 2001, 37, 50). cc) Keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob und unter welchen Gegebenheiten ein Betreuer seine Einwilligung in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Weiterbehandlung des Betroffenen verweigern darf, wenn zwar die medizinischen Voraussetzungen für eine zulässige Hilfe beim oder auch zum
Sterben vorliegen, Wünsche des Betroffenen aber nicht geäußert oder nicht ersichtlich sind und sich auch bei der gebotenen sorgfältigen Prüfung konkrete Umstände für die Feststellung des individuellen mutmaßlichen Willens des Betroffenen nicht finden lassen. In einem solchen Fall soll nach der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (aaO 205) auf Kriterien zurückgegriffen werden, die allgemeinen Wertvorstellungen entsprechen. Diese Auffassung ist auf - zum Teil sehr engagierte - Kritik (vgl. etwa Dörner ZRP 1996, 93, 95 f.; Laufs NJW 1998, 3399, 3400) gestoßen, die sich das vorlegende Oberlandesgericht zu eigen macht und deren sachliche Berechtigung hier nicht im einzelnen zu erörtern ist. Die Diskussion um die Zulässigkeit und die Grenzen der Hilfe im oder auch zum Sterben wird gerade durch das Fehlen verbindlicher oder doch allgemeiner Wertmaßstäbe geprägt (Taupitz aaO A 38, allerdings mit dem Versuch einer "objektiven" Interessenabwägung aaO 41 ff., 46 ff.; Knittel Betreuungsgesetz § 1904 BGB Anm. 9 f.). Auch die Verfassung bietet keine sichere Handhabe, die im Widerstreit der Schutzgüter von Leben und Menschenwürde eine dem jeweiligen Einzelfall gerecht werdende, rechtlich verläßliche und vom subjektiven Vorverständnis des Beurteilers unabhängige Orientierung ermöglicht (vgl. etwa Hufen aaO 850). Soweit vor diesem Hintergrund für ein von keinem nachgewiesenen (wirklichen oder mutmaßlichen) Willen des Betroffenen getragenes Verlangen des Betreuers nach Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen überhaupt Raum bleibt (verneinend OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 1556, 1557; OLG Karlsruhe aaO 492; OLG Frankfurt FamRZ 1998 aaO 1138 und 2002 aaO 577), böte sich als Richtschnur möglicherweise ein Verständnis des Wohls des Betroffenen an, das einerseits eine ärztlich für sinnvoll erachtete lebenserhaltende Behandlung gebietet, andererseits aber nicht jede medizinisch-technisch mögliche Maßnahme verlangt. Ein solches, einem objektiv zu mutmaßenden Willen des Betroffenen angenähertes Verständnis (in diese Richtung Lipp aaO 48 f.; vgl. aus medizinethischer Sicht auch
Schöne-Seifert Verhandlungen des 63. DJT 2000 Referat K 41, 48 mit der Forderung , "Behandlungsstandards" - unter Offenlegung ihrer notwendigen ethischen Prämissen - zu entwickeln) böte jedenfalls einen zumindest objektivierbaren Maßstab, der - außerhalb der Spannbreite einer immer möglichen Divergenz in der ärztlichen Indikation - für die Betreuerentscheidung auch in diesem vom Willen des Betroffenen nicht determinierten Grenzbereich menschlichen Lebens eine vormundschaftsgerichtliche Nachprüfung eröffnet.
d) Das Oberlandesgericht hat allerdings mit Recht angenommen, daß § 1904 BGB für eine vormundschaftsgerichtliche Überprüfung des Verlangens des Beteiligten, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, keine Rechtsgrundlage hergibt. Auch eine analoge Anwendung dieser Einzelvorschrift kann, worauf das Oberlandesgericht zutreffend hinweist, für sich genommen eine solche Aufgabenzuweisung an das Vormundschaftsgericht schwerlich begründen. So läßt sich bereits bezweifeln, ob die Vorschriften des Betreuungsrechts , in denen einzelne Handlungen des Betreuers einem Genehmigungsvorbehalt unterstellt werden, ein geschlossenes gedankliches System darstellen, das es erlaubt, andere, von der legislativen Problemselektion nicht aufgegriffene Konfliktsituationen als eine "planwidrige" Unvollständigkeit (vgl. Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft 3. Aufl., 196 f.: "Gesetzeslücke im engeren Sinn") zu verstehen. Jedenfalls ist § 1904 BGB für sich genommen nicht geeignet, im Wege analoger Anwendung Entscheidungen des Betreuers gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende medizinische Behandlung dem Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Prüfung zu unterziehen. Zum einen fehlt insoweit bereits die Gleichheit der Problemlage: Der Schutz eines heilungsfähigen Patienten vor dem Einsatz riskanter medizinischer Mittel ist etwas völlig anderes als die medizinische Versorgung eines tödlich und un-
heilbar erkrankten Menschen (Schwab FS Henrich 2000 511, 524; ders. MünchKomm aaO § 1904 Rdn. 38). § 1904 BGB will - anders ausgedrückt - dem Betroffenen Leben und Gesundheit erhalten, der geforderte Behandlungsabbruch will sein Leben gerade beenden. Beide Ziele stehen sich nicht im Verhältnis von "maius" und "minus" gegenüber; sie sind miteinander inkomparabel und deshalb einem "erst recht"-Schluß nicht zugänglich (LG München aaO). Auch eine Gesamtanalogie (Rechtsanalogie) zu den §§ 1904 bis 1907 BGB kommt nicht in Betracht. Zum einen läßt sich diesen schon tatbestandlich ganz unterschiedlichen Genehmigungsvorbehalten kein "allgemeiner Grundsatz" unterlegen, dessen folgerichtige Entfaltung auch Antworten auf die Frage nach der Zulässigkeit des Abbruchs einer lebenserhaltenden Behandlung bereithält. Zum anderen läßt sich diese Frage mit der in diesen Genehmigungsvorbehalten vorgesehenen Rechtsfolge auch nicht erschöpfend beantworten: Lehnt das Vormundschaftsgericht es ab, eine nach den §§ 1904 bis 1907 BGB genehmigungspflichtige Erklärung oder Maßnahme des Betreuers zu genehmigen, so ist die Erklärung unwirksam und die Maßnahme unterbleibt. Verweigert der Betreuer die notwendige Einwilligung in die lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betreuten, so wird diese Behandlung damit allein noch nicht zulässig. Das Vormundschaftsgericht müßte, falls es nicht einen anderen Betreuer bestellt, die Einwilligung des Betreuers in die Behandlung ersetzen (vgl. Steffen NJW 1996, 1581; Engers/Wagenitz FamRZ 1988, 1256, 1257). Eine solche willensersetzende Entscheidungsmacht des Vormundschaftsgerichts ist dem geltenden Recht strukturell nicht fremd, aber auf eng begrenzte Tatbestände beschränkt (vgl. § 1810 Satz 1 Halbs. 2, § 1837 Abs. 4 i.V. mit § 1666 Abs. 3 BGB, arg. e contr. § 1908 i Abs. 1 BGB; vgl. Staudinger/Engler BGB 13. Bearb., § 1837 Rdn. 2, 47; MünchKomm/Wagenitz BGB 4. Aufl. § 1837 Rdn. 4 ff., 35). Die §§ 1904 bis 1907 BGB bieten für sie keine Grundlage.

e) Die fehlende Möglichkeit einer analogen Heranziehung der §§ 1904 bis 1907 BGB schließt freilich die Befugnis des Senats nicht aus, für die verweigerte Einwilligung des Betreuers in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung oder Weiterbehandlung eines nicht einwilligungsfähigen Betroffenen im Wege einer Fortbildung des Betreuungsrechts eine vormundschaftsgerichtliche Prüfungszuständigkeit zu eröffnen. Die Fortbildung des Rechts ist eine Pflicht der obersten Gerichtshöfe des Bundes und wird ständig geübt (grundlegend BVerfGE 34, 296, 287 ff.; BGHZ 3, 308, 315; zu den Voraussetzungen im einzelnen Larenz Methodenlehre 6. Aufl., 366 ff., insbes. 413 ff.; Larenz/Canaris aaO 187 ff., insbes. 232 ff.). Sie ergibt sich vorliegend aus einer Gesamtschau des Betreuungsrechts und dem unabweisbaren Bedürfnis , mit den Instrumenten dieses Rechts auch auf Fragen im Grenzbereich menschlichen Lebens und Sterbens für alle Beteiligten rechtlich verantwortbare Antworten zu finden. aa) Der Vorrang des Gesetzes hindert eine solche Rechtsfortbildung nicht (dazu allgemein etwa BVerfGE 96, 56, 62). Zwar ist richtig, daß der Gesetzgeber des Betreuungsgesetzes - wie sich aus dessen Materialien ergibt - dem Wunsch eines nicht einwilligungsfähigen Betreuten auch insoweit Beachtung zuerkennen wollte, als "dieser darauf gerichtet ist, in der letzten Lebensphase nicht sämtliche denkbaren lebens-, aber auch schmerzverlängernden medizinischen Möglichkeiten einzusetzen" (BT-Drucks. 11/4528 S. 128). Richtig ist auch, daß der Gesetzgeber ein Verhalten des Betreuers, das auf Durchsetzung eines solchen Wunsches gerichtet ist, keinem Genehmigungsvorbehalt unterworfen hat. Daraus läßt sich jedoch nicht auf ein "beredtes Schweigen" des Gesetzes schließen, das es verbieten könnte, im Wege der Rechtsfortbildung die unterlassene Einwilligung des Betreuers in lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahmen einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen. Zum einen lassen die in den §§ 1904 bis 1907 BGB aufgegriffenen
Konfliktsituationen kein geschlossenes Konzept erkennen, das einer rechtsfort- bildenden Erweiterung nicht zugänglich wäre; zum andern ist - wie ausgeführt - der in diesen Vorschriften normierte Genehmigungsvorbehalt schon strukturell nicht geeignet, die Frage nach der Zulässigkeit des Abbruchs einer lebenserhaltenden Behandlung einer erschöpfenden Regelung zuzuführen; aus der Nichterstreckung der im Gesetz vorgesehenen Genehmigungserfordernisse auf diese Frage läßt sich deshalb nicht schließen, der Gesetzgeber habe diese Frage generell einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung entziehen wollen. Auch die weitere Entwicklung des Betreuungsrechts rechtfertigt einen solchen Schluß nicht. Das Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 25. Juni 1998 (BGBl. I 1580) verhält sich zur Frage eines Genehmigungserfordernisses nicht; das war nach der vorrangig auf eine Neuordnung des Rechts der Betreuervergütung gerichteten Zielsetzung dieses Gesetzes allerdings auch nicht anders zu erwarten (Knieper NJW 1998, 2720, 2721). Auch für die Folgezeit läßt sich das Schweigen des Gesetzgebers nicht als eine legislative Entscheidung gegen eine vormundschaftsgerichtliche Prüfungszuständigkeit für das Verlangen des Betreuers nach Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen deuten. Die Bundesregierung sah, wie auch ihre Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten Hüppe belegt, keinen unmittelbaren Handlungsbedarf: Danach wirft die Entscheidung des Oberlandesgerichts "nicht nur tiefgreifende juristisch-ethische Fragen, sondern auch vielfältige forensisch-praktische Fragen auf, die einer gründlichen Aufarbeitung bedürfen, bevor die Frage nach der Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Maßnahme ... beantwortet werden kann" (BT-Drucks. 13/11345 Frage Nr. 14 S. 11). Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist berufen, hierzu ihren Beitrag zu leisten und damit zugleich mögliche Wege für die vielfach geforderte (vgl. etwa Vormundschaftsgerichtstag e.V. BTPrax 1998, 161, 162; Taupitz aaO A 92; Scheffen ZRP 2000, 313, 316 f.; Hufen aaO 857) und auch
nach Auffassung des Senats wünschenswerte gesetzliche Regelung aufzuzeigen. bb) Der Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG steht einer solchen Rechtsfortbildung nicht entgegen (so aber wohl Vormundschaftsgerichtstag e.V. BTPrax 98, 161, 162; Jürgens BTPrax 98, 159, 160; Alberts NJW 1999, 835, 836). Denn durch die Prüfungszuständigkeit des Vormundschaftsgerichts wird nicht in die Rechte des Betroffenen auf Leben und körperliche Unversehrtheit eingegriffen, der Vormundschaftsrichter - entgegen einer gelegentlich gebrauchten plakativen Formulierung - also nicht zum "Herrn über Leben und Tod" ernannt (so aber AG Hanau BTPrax 1997, 82, 83; Deichmann MDR 1995, 983, 984; mit Recht kritisch Verrel JR 1999, 5, 6). Vielmehr werden - im Gegenteil - die Grundrechte des Betroffenen geschützt, indem die Entscheidung des Betreuers, nicht in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung oder Weiterbehandlung des Betroffenen einzuwilligen, einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen und dabei auf ihre Übereinstimmung mit dem Willen des Betroffenen - als Ausfluß seiner fortwirkenden Selbstbestimmung und Selbstverantwortung - überprüft wird (OLG Karlsruhe aaO 490). cc) Eine im Wege der Fortbildung des Betreuungsrechts zu begründende Prüfungszuständigkeit des Vormundschaftsgerichts findet ihre natürliche Grenze dort, wo der Regelungsbereich des Betreuungsrechts, dessen Handhabung den Vormundschaftsgerichten anvertraut ist, endet. Das Betreuungsrecht regelt, soweit medizinische Maßnahmen für den Betroffenen in Frage stehen, zwar nicht nur das Verhältnis des Betreuers zum Betroffenen; es schreibt auch vor, inwieweit der Betreuer die dem Betroffenen zustehenden Rechte gegenüber Ärzten oder Pflegekräften wahrnehmen kann. Der Umfang dieser Rechte selbst ist jedoch nicht Gegenstand des Betreuungsrechts und deshalb von vornherein einer isolierten vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung entzogen.
Daraus ergibt sich, daß auch die Frage, welche lebensverlängernden oder -erhaltenden Maßnahmen der Betroffene beanspruchen und der Betreuer folglich als sein gesetzlicher Vertreter für ihn einfordern kann, nicht vom Betreuungsrecht zu beantworten ist. Auch dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen läßt sich eine Antwort nicht entnehmen; denn dieses Recht läßt sich nur als Abwehrrecht gegen, nicht aber als Anspruch auf eine bestimmte Behandlung begreifen (Taupitz aaO A 23; Verrel JZ 1996, 224, 226; einschränkend Lilie FS Steffen 1995, 273, 276). Im Grundsatz gesichert erscheint, daß der Arzt - gestützt auf sein Grundrecht der Berufsfreiheit und seine allgemeine Handlungsfreiheit - jedenfalls solche Maßnahmen verweigern kann, für die keine medizinische Indikation besteht (Taupitz aaO 23 f. m.w.N.). Die medizinische Indikation, verstanden als das fachliche Urteil über den Wert oder Unwert einer medizinischen Behandlungsmethode in ihrer Anwendung auf den konkreten Fall (Opderbecke MedR 1985, 23, 25), begrenzt insoweit den Inhalt des ärztlichen Heilauftrags (Taupitz aaO 23 ff.; vgl. auch Lilie in Wienke/Lippert aaO 80). Diese - im Schnittfeld naturwissenschaftlicher und medizinethischer Überlegungen nicht immer scharfe - Begrenzung (vgl. etwa die Umschreibung in den Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung NJW 1998, 3406; w.N. bei Taupitz aaO Fn. 4) ist dem Betreuungsrecht vorgegeben; denn die rechtliche Betreuungsbedürftigkeit eines Patienten verändert den Rahmen, in dem er ärztliche Behandlung beanspruchen kann, nicht (Taupitz aaO 40; Lipp aaO 53; Opderbecke/Weißauer MedR 1998, 395, 397). Die Frage, ob eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung medizinisch indiziert ist und ihre Durchführung deshalb vom ärztlichen Heilauftrag geboten wird, kann deshalb für das Betreuungsrecht nur als Vorfrage - d.h. im Zusammenhang mit der dem Vormundschaftsgericht obliegenden Beurteilung eines Verhaltens des Betreuers bei der Wahrnehmung von Patienteninteressen des Betroffenen - Bedeutung erlangen. Für sich genommen - also losgelöst von der Prüfung eines
derartigen Betreuerverhaltens - kann diese Frage nicht zum Gegenstand eines vormundschaftsgerichtlichen Verfahrens erhoben werden. dd) Für das Betreuungsrecht kann der Inhalt des ärztlichen Heilauftrags und das aus ihm resultierende Behandlungsangebot danach allerdings mittelbar relevant werden, und zwar in zweifacher Hinsicht: Für eine Einwilligung des Betreuers in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung ist von vornherein kein Raum, wenn ärztlicherseits eine solche Behandlung nicht angeboten wird - sei es, daß sie nach Auffassung der behandelnden Ärzte von vornherein nicht indiziert, sinnlos geworden oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist (Lipp aaO 52 f.). Das Unterlassen (erst recht die Weigerung) des Betreuers, in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung einzuwilligen, ist - wie einleitend dargelegt - zwar tauglicher Gegenstand einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle, setzt aber notwendig ein entsprechendes ärztliches Behandlungsangebot voraus. Fehlt es an einem solchen Angebot, kommt eine vormundschaftsgerichtliche Prüfung allenfalls insoweit in Betracht, als die Pflicht des Betreuers in Frage steht, in Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen die Erfüllung des ärztlichen Heilauftrags durch die Einforderung bestimmter lebensverlängernder oder -erhaltender Behandlungen durchzusetzen. Die Frage, welche Möglichkeiten dem Vormundschaftsgericht hier zur Verfügung stehen, den Betreuer zur Erfüllung dieser Pflicht anzuhalten , beantwortet sich aus der Aufsichtspflicht des Vormundschaftsgerichts (§ 1908 i i.V. mit § 1837, § 1908 b BGB). Sie bedarf hier keiner vertiefenden Erörterung; denn ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor. Nur soweit ärztlicherseits eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung angeboten wird, ist eine Einwilligung des Betreuers als des gesetzlichen Vertreters des einwilligungsunfähigen Patienten überhaupt erforderlich.
Ein Unterlassen (erst recht eine Verweigerung) der Einwilligung in die angebotene Behandlung wird - nach der im Wege der Rechtsfortbildung gewonnenen Auffassung des Senats - jedoch nur mit Zustimmung des Vormundschaftsge- richts wirksam. Eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des einwilligungsunfähigen Patienten ist bei medizinischer Indikation deshalb auch ohne die Einwilligung des Betreuers zunächst - bis zu einer Entscheidung des Vormundschaftsgerichts - durchzuführen oder fortzusetzen. Das Vormundschaftsgericht hat das Verhalten des Betreuers anhand der oben aufgeführten Kriterien auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen; es trifft also keine eigene Entscheidung gegen lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahmen (vgl. Taupitz aaO A 85 und Fn. 410 mit rechtsvergleichenden Hinweisen; Lipp aaO 52). Das Vormundschaftsgericht muß der Entscheidung des Betreuers gegen eine solche Behandlung zustimmen, wenn feststeht, daß die Krankheit des Betroffenen einen irreversiblen tödlichen Verlauf genommen hat und die ärztlicherseits angebotene Behandlung dem früher erklärten und fortgeltenden Willen des Betroffenen, hilfsweise dessen (individuell-)mutmaßlichen Willen widerspricht. Die Frage, ob das Vormundschaftsgericht der Entscheidung des Betreuers gegen eine solche Behandlung auch dann zustimmen darf, wenn sich ein entsprechender wirklicher oder mutmaßlicher Wille trotz erschöpfender Nachforschungen des Betreuers nicht feststellen läßt, wird namentlich dann praktisch, wenn das Vormundschaftsgericht zu einer Beurteilung der medizinischen Indikation gelangt, die von der - diese Indikation bejahenden - Bewertung des behandelnden Arztes abweicht; diese Frage kann, wie ausgeführt, hier offenbleiben. Stimmt das Vormundschaftsgericht der eine Behandlung oder Weiterbehandlung ablehnenden Entscheidung des Betreuers zu, ist dessen Einwilligung nicht länger entbehrlich und die Nichterteilung dieser Einwilligung wirksam. Verweigert das Vormundschaftsgericht dagegen seine Zustimmung, so gilt damit zugleich die Einwilligung des Betreuers in die angebotene Be-
handlung oder Weiterbehandlung des Betroffenen als ersetzt. Das vormund- schaftsgerichtliche Verfahren ist dem Richter vorbehalten (ebenso § 14 Abs. 1 Nr. 4 RpflG). § 69 d Abs. 1, 2 FGG findet eine entsprechende, den Besonderheiten des Regelungsgegenstandes Rechnung tragende Anwendung. So hat sich der Vormundschaftsrichter vom Zustand des Betroffenen einen persönlichen Eindruck zu verschaffen (vgl. § 69 d Abs. 1 Satz 2 FGG). Auch wird er auf die Einholung eines zusätzlichen, von einem anderen als dem behandelnden Arzt erstellten Sachverständigengutachtens (vgl. § 69 d Abs. 2 FGG) im Regelfall nicht verzichten können, wenn die medizinischen Voraussetzungen für die Forderung des Betreuers, die Behandlung einzustellen, nicht durch eine neuere, den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten genügende ärztliche Stellungnahme belegt sind (vgl. dazu näher OLG Karlsruhe aaO 492) oder wenn er - in Abweichung von der Beurteilung des behandelnden Arztes - die medizinische Indikation der ärztlicherseits angebotenen Behandlung verneinen will. Mit diesem Zustimmungserfordernis wird dem Schutz des Betroffenen in seinen Grundrechten auf Leben, Selbstbestimmung und Menschenwürde in ausgewogener Weise Rechnung getragen (Taupitz aaO A 84; Lipp aaO 52, Saliger JuS 1999, 16, 20). Zugleich zielt dieses Erfordernis auf Schutz und Fürsorge für den Betreuer: Indem das Betreuungsrecht dem Betreuer unter Umständen eine Entscheidung gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betroffenen abverlangt, bürdet es ihm eine Last auf, die allein zu tragen dem Betreuer nicht zugemutet werden kann (LG Duisburg NJW 1999, 2744). Da das Recht vom Einzelnen nichts Unzumutbares verlangen kann, erscheint es dem Senat zwingend geboten, den Betreuer durch das vormundschaftsgerichtliche Prüfungsverfahren zu entlasten. Dieses Verfahren bietet einen justizförmigen Rahmen, innerhalb dessen die rechtlichen - auch strafrechtlichen - Grenzen des Betreuerhandelns geklärt und der wirkliche oder
mutmaßliche Wille des Betroffenen - im Rahmen des Möglichen umfassend - ermittelt werden kann (OLG Karlsruhe aaO 490; Knittel aaO). Das Prüfungsverfahren vermittelt der Entscheidung des Betreuers damit eine Legitimität, die geeignet ist, den Betreuer subjektiv zu entlasten sowie seine Entscheidung objektiv anderen Beteiligten zu vermitteln (Taupitz aaO 82 f.) und die ihn zudem vor dem Risiko einer abweichenden strafrechtlichen ex-post-Beurteilung schützt OLG Karlsruhe aaO; Fröschle aaO 79, Saliger aaO 21). Die Beschränkung des Prüfungsvorbehalts auf Fälle, in denen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betroffenen medizinisch indiziert ist oder jedenfalls ärztlicherseits angeboten wird, der Betreuer aber in die angebotene Behandlung nicht einwilligt, stellt schließlich sicher, daß die Vormundschaftsgerichte nur in Konfliktlagen angerufen werden können; damit wird vermieden, daß die Vormundschaftsgerichte generell zur Kontrolle über ärztliches Verhalten am Ende des Lebens berufen und dadurch mit einer Aufgabe bedacht werden, die ihnen nach ihrer Funktion im Rechtssystem nicht zukommt, nicht ohne weiteres auf Fälle der Betreuung einwilligungsunfähiger Patienten beschränkt werden könnte und wohl auch sonst ihre Möglichkeiten weit überfordern würde.

IV.

Der Senat sieht sich an seiner Auffassung durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. September 1994 (aaO) nicht gehindert. In dieser Entscheidung hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Einstellung der künstlichen Ernährung der Patientin, die seit Jahren infolge einer irreversiblen Hirnschädigung zu einer eigenen Entscheidung nicht mehr in
der Lage war, für die deshalb deren Sohn zum Pfleger mit dem Aufgabenkreis "Zuführung zu ärztlicher Behandlung" bestellt worden war und deren Grundleiden einen tödlichen Verlauf angenommen hatte, für rechtswidrig erachtet, weil für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung der Patientin hinreichend sichere Anhaltspunkte gefehlt hätten und die Zustimmung des Pflegers zur Einstellung der künstlichen Ernährung schon mangels einer Genehmigung des Vormundschaftsgerichts unwirksam gewesen sei. § 1904 BGB sei nach seinem Sinn und Zweck in Fällen der Sterbehilfe jedenfalls dann - erst recht - entsprechend anzuwenden, wenn eine ärztliche Maßnahme in der Beendigung einer bisher durchgeführten lebenserhaltenden Behandlung bestehe und der Sterbevorgang noch nicht unmittelbar eingesetzt habe. Wenn schon bestimmte Heileingriffe wegen ihrer Gefährlichkeit der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Betreuers entzogen seien, dann müsse dies um so mehr für Maßnahmen gelten , die eine ärztliche Behandlung beenden sollten und mit Sicherheit binnen kurzem zum Tode des Kranken führten. Diese - von der dargelegten Rechtsmeinung des erkennenden Senats unterschiedliche - Sicht des § 1904 BGB begründet indes keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 GVG, die zu einer Anfrage an den 1. Strafsenat Anlaß geben und, falls dieser an seiner Auffassung festhielte, eine Vorlage an die Vereinigten Großen Senate erfordern würde; denn der Unterschied zwischen beiden Auffassungen ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht erheblich. § 132 GVG räumt den Vereinigten Großen Senaten die Befugnis zur Beantwortung streitiger oder grundsätzlich bedeutsamer Rechtsfragen nur ein, soweit deren Beantwortung für die Entscheidung des konkreten Falles nach Auffassung des vorlegenden Senats erforderlich wird. Diese Beschränkung ergibt sich mittelbar aus § 138 Abs. 1 Satz 3 GVG, der die Bindungswirkung der Entscheidung auf die vorgelegte Sache bezieht. Sie entspricht im übrigen auch dem Verständnis, das der Bundesgerichtshof dem Be-
griff der Entscheidungserheblichkeit für die Zulässigkeit der Vorlagen anderer Gerichte - etwa, wie im vorliegenden Fall, nach § 28 Abs. 2 FGG - beimißt; danach muß sich, wie anfangs ausgeführt, aus dem Vorlagebeschluß ergeben, daß es vom Standpunkt des vorlegenden Gerichts aus auf die Vorlagefrage ankommt, das vorlegende Gericht also bei Befolgung der abweichenden Ansicht zu einem anderen Ergebnis gelangen würde (Senatsbeschluß BGHZ 121, 305, 308; ebenso BGHZ 82, 34, 36 f.; 112, 127, 129; 117, 217, 221). Für eine Vorlage nach § 132 Abs. 2 GVG kann - wovon auch die Vereinigten Großen Senate ausgehen (BGHZ 126, 63, 71 f. unter Bezugnahme auf BGHZ 88, 353, 357; 112, 127, 129; 117, 217, 221) - nichts anderes gelten. Daher ist es unstatthaft , den Vereinigten Großen Senaten Fragen vorzulegen, deren Beantwortung lediglich die Begründung einer Entscheidung, nicht jedoch deren Ergebnis beeinflußt (BGH NJW 2000, 1185 f.; Kissel GVG 3. Aufl. § 132 Rdn. 20 i.V. mit § 121 Rdn. 21; zustimmend Zöller/Gummer ZPO 23. Aufl. § 132 GVG; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 61. Aufl. § 132 GVG Rdn. 7). So liegen die Dinge hier. Auch wenn man der Auffassung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs folgte und aus § 1904 BGB herleitete, daß in Fällen der Sterbehilfe (im weiteren Sinne) die Zustimmung des Betreuers zur Einstellung der künstlichen Ernährung die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderte, müßte das Vormundschaftsgericht auf den Antrag des Beteiligten hin tätig werden und prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen der Beteiligte seine Einwilligung in die Beibehaltung der Magensonde und die Fortdauer der künstlichen Ernährung des Betroffenen unterlassen darf. Für das in § 132 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 GVG vorgeschriebene Verfahren ist mithin im vorliegenden Fall kein Raum.

V.

Die Entscheidungen von Amts- und Landgericht können danach nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden. Vormundschafts- und Beschwerdegericht haben eine gerichtliche Prüfungszuständigkeit verneint und folgerichtig keine Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen getroffen, die den Beteiligten berechtigen könnten, seine Einwilligung in eine Fortführung der bisherigen Behandlung des Betroffenen nicht zu erteilen. Die Sache war daher an das Amtsgericht zurückzuverweisen, damit es die notwendigen Feststellungen nachholen und auf dieser Grundlage die ihm zuerkannte Prüfungsaufgabe wahrnehmen kann.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Ahlt

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 177/03
vom
31. August 2005
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. August 2005 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke, den Richter
Fuchs, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Der Beschluss des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 8. Juni 2005 - XII ZR 177/03 - wird gemäß § 319 Abs. 1 ZPO dahingehend berichtigt , dass der zitierte Paragraph unter II. 1. b) aa) der Gründe (Seite 5 des Umdrucks am Ende des ersten Absatzes) statt "… § 1908 Abs. 1 Satz 1 …" heißen muss: "… § 1908 i Abs. 1 Satz 1...". Hahne Weber-Monecke Fuchs Vézina Dose

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 2/03
vom
17. März 2003
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja

a) Ist ein Patient einwilligungsunfähig und hat sein Grundleiden einen irreversiblen
tödlichen Verlauf angenommen, so müssen lebenserhaltende oder -verlängernde
Maßnahmen unterbleiben, wenn dies seinem zuvor - etwa in Form einer sog. Patientenverfügung
- geäußerten Willen entspricht. Dies folgt aus der Würde des Menschen,
die es gebietet, sein in einwilligungsfähigem Zustand ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht
auch dann noch zu respektieren, wenn er zu eigenverantwortlichem Entscheiden
nicht mehr in der Lage ist. Nur wenn ein solcher erklärter Wille des Patienten nicht
festgestellt werden kann, beurteilt sich die Zulässigkeit solcher Maßnahmen nach dem
mutmaßlichen Willen des Patienten, der dann individuell - also aus dessen Lebensentscheidungen
, Wertvorstellungen und Überzeugungen - zu ermitteln ist.

b) Ist für einen Patienten ein Betreuer bestellt, so hat dieser dem Patientenwillen gegenüber
Arzt und Pflegepersonal in eigener rechtlicher Verantwortung und nach Maßgabe
des § 1901 BGB Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Seine Einwilligung in eine
ärztlicherseits angebotene lebenserhaltende oder –verlängernde Behandlung kann der
Betreuer jedoch nur mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts wirksam verweigern.
Für eine Einwilligung des Betreuers und eine Zustimmung des Vormundschaftsgerichts
ist kein Raum, wenn ärztlicherseits eine solche Behandlung oder Weiterbehandlung
nicht angeboten wird - sei es daß sie von vornherein medizinisch nicht indiziert, nicht
mehr sinnvoll oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist. Die Entscheidungszuständigkeit
des Vormundschaftsgerichts ergibt sich nicht aus einer analogen Anwendung
des § 1904 BGB, sondern aus einem unabweisbaren Bedürfnis des Betreuungsrechts.

c) Zu den Voraussetzungen richterlicher Rechtsfortbildung.
BGH, Beschluß vom 17. März 2003 - XII ZB 2/03 - OLG Schleswig
AG Lübeck
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. März 2003 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt

beschlossen:
Auf die weitere Beschwerde des Betreuers werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Lübeck vom 30. Mai 2002 und des Landgerichts Lübeck vom 25. Juni 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.

Der Betroffene erlitt am 29. November 2000 infolge eines Myocardinfarktes einen hypoxischen Gehirnschaden im Sinne eines apallischen Syndroms. Seither wird er über eine PEG-Sonde ernährt; eine Kontaktaufnahme mit ihm ist nicht möglich. Auf Anregung der Klinik, in welcher der Betroffene behandelt wurde, bestellte das Amtsgericht mit Beschluß vom 18. Januar 2001 den Sohn des Betroffenen - den Beteiligten - u.a. für die Aufgabenkreise "Sorge für die Gesundheit des Betroffenen, ... Vertretung gegenüber Behörden ... und Einrichtungen
(z.B. Heimen) ..." zum Betreuer; die Betreuung wurde mit Beschluß vom 18. Dezember 2001 verlängert. Am 8. April 2002 hat der Beteiligte beim Amtsgericht "die Einstellung der Ernährung über die PEG-Sonde" für seinen Vater beantragt, da eine Besserung des Zustandes seines Vaters nicht zu erwarten sei und die Einstellung dem früher geäußerten Wunsch seines Vaters entspreche. Der Beteiligte verweist hierzu auf eine maschinenschriftliche und vom Betroffenen handschriftlich unter Angabe von Ort und Datum unterzeichnete Verfügung mit folgendem Wortlaut: "Verfügung Für den Fall, daß ich zu einer Entscheidung nicht mehr fähig bin, verfüge ich: Im Fall meiner irreversiblen Bewußtlosigkeit, schwerster Dauerschäden meines Gehirns oder des dauernden Ausfalls lebenswichtiger Funktionen meines Körpers oder im Endstadium einer zum Tode führenden Krankheit , wenn die Behandlung nur noch dazu führen würde, den Vorgang des Sterbens zu verlängern, will ich: - keine Intensivbehandlung, - Einstellung der Ernährung, - nur angst- oder schmerzlindernde Maßnahmen, wenn nötig, - keine künstliche Beatmung, - keine Bluttransfusionen, - keine Organtransplantation, - keinen Anschluß an eine Herz-Lungen-Maschine. Meine Vertrauenspersonen sind ... (es folgen die Namen und Adressen der Ehefrau sowie des Sohnes und der Tochter). Diese Verfügung wurde bei klarem Verstand und in voller Kenntnis der Rechtslage unterzeichnet. Lübeck, den 27. November 1998, H. S. " Die Ehefrau und die Tochter des Betroffenen haben erklärt, mit dem Antrag des Beteiligten einverstanden zu sein und ihn voll zu unterstützen.
Das Amtsgericht hat den Antrag abgelehnt, da er keine Rechtsgrundlage habe. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde des Beteiligten möchte das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zurückweisen. Es sieht sich daran durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 15. Juli 1998 - 20 W 224/98 - FamRZ 1998, 1137 und vom 20. November 2001 - 20 W 419/01 - FamRZ 2002, 575 sowie des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 29. Oktober 2001 - 19 Wx 21/01 - FamRZ 2002, 488 gehindert. In diesen Entscheidungen haben die Oberlandesgerichte ausgesprochen, daß die Einwilligung des Betreuers eines selbst nicht mehr entscheidungsfähigen, irreversibel hirngeschädigten Betroffenen in den Abbruch der Ernährung mittels einer PEG-Magensonde anlog § 1904 BGB der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht ist demgegenüber der Ansicht, daß die Einwilligung des Betreuers in einem solchen Fall nicht genehmigungsbedürftig sei; es hat deshalb die Sache gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Vorlage ist zulässig. Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß das vorlegende Oberlandesgericht zu einer anderen als der von ihm beabsichtigten Entscheidung gelangen würde, wenn es sich der abweichenden Ansicht der Oberlandesgerichte Frankfurt und Karlsruhe anschlösse, und daß es nach seiner Ansicht für die zu treffende Entscheidung auf die streitige Rechtsfrage an-
kommt. An diese Ansicht ist der Senat - soweit die Zulässigkeit der Vorlage in Frage steht - gebunden (Senatsbeschluß BGHZ 121, 305, 308). Das vorlegende Gericht geht - insoweit in Übereinstimmung mit den Oberlandesgerichten Frankfurt und Karlsruhe - davon aus, daß für den Behandlungsabbruch bei nicht einwillligungsfähigen Patienten die Bestellung eines Betreuers und dessen Einwilligung erforderlich ist. Die Einwilligung in den Behandlungsabbruch sei nicht höchstpersönlich; denn ohne Betreuer ließe sich das dem nicht einwilligungsfähigen Betroffenen zustehende Selbstbestimmungsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG in Bezug auf die aktuelle Beendigung der Behandlung rechtlich nicht verwirklichen. Die Einwilligung unterfalle auch dem Aufgabenkreis "Gesundheitsfürsorge", der alle im Bereich der medizinischen Behandlung anstehenden Entscheidungen umfasse, und zwar auch dann, wenn eine Wiederherstellung der Gesundheit nicht mehr zu erreichen sei. Für eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung dieser Einwilligung fehle es - entgegen der Auffassung der Oberlandesgerichte Frankfurt und Karlsruhe - allerdings an einer rechtlichen Grundlage: Eine Analogie zu § 1904 BGB scheitere, da eine "planwidrige Unvollständigkeit" des Gesetzes nicht vorliege. Es sei davon auszugehen, daß der Gesetzgeber mit dem Betreuungsgesetz das gesamte Betreuungsrecht geregelt habe. Dabei habe er, wie sich aus den Materialien ergebe, auch den Fall des zum Tode führenden Abbruchs einer lebenserhaltenden Maßnahme bei einem einwilligungsunfähigen Betreuten bedacht. Gleichwohl habe er davon abgesehen , diesen Fall in den "Kanon" der ausnahmsweise einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürftigen Maßnahmen aufzunehmen. Jedenfalls sei § 1904 Abs. 1 BGB nicht geeignet, eine Gesetzeslücke zu begründen oder zu schließen; denn die dort geregelten Tatbestände seien
wertungsmäßig dem hier zu behandelnden Fall des Behandlungsabbruchs nicht gleich. So gehe es bei der nach § 1904 Abs. 1 BGB genehmigungsbedürftigen Einwilligung des Betreuers um ärztliche Maßnahmen, die unter Abwägung der Risiken darauf gerichtet seien, die Gesundheit des Betroffenen wiederherzustellen; die Genehmigung der Einwilligung zu einem Behandlungsabbruch würde dagegen auf die Lebensbeendigung des Betroffenen abzielen. Beide Ziele stünden nicht in einem Verhältnis von "weniger" und "mehr"; vielmehr habe die absichtliche Lebensbeendigung eine andere Qualität, die auch einer besonderen rechtlichen Würdigung und Behandlung bedürfe. Außerdem regele § 1904 Abs. 1 BGB die Genehmigung der Einwilligung in ein ärztliches Tun, während bei der Genehmigung der Einwilligung in den Behandlungsabbruch ein ärztliches Unterlassen im Vordergrund stehe. Genau genommen gehe es hier nicht um eine Einwilligung des Betreuers in eine medizinische Maßnahme, sondern um den Widerruf oder die Verweigerung einer solchen Einwilligung; diese seien aber nach § 1904 BGB gerade genehmigungsfrei. Selbst wenn aber eine Gesetzeslücke anzunehmen wäre, so wäre eine Ergänzung durch Gerichte ausgeschlossen, weil die staatliche Mitwirkung bei einem auf Lebensbeendigung eines Menschen gerichteten Verhalten so wesentlich sei, daß sie einer Regelung durch den Gesetzgeber bedürfte. Dies gelte insbesondere für die Frage, ob ein Sachverständigengutachten einzuholen sei und ob, wie es der Bundesgerichtshof formuliert habe, dann, wenn sich bei der Prüfung Umstände für die Feststellung des individuellen mutmaßlichen Willens des Betreuten nicht finden ließen, auf "Kriterien zurückgegriffen werden" müsse, die "allgemeinen Wertvorstellungen" entsprächen. Solche "Kriterien" dürften geeignet sein, die Meinung zu fördern, im Vormundschaftsrichter "den Richter über Leben und Tod" zu sehen oder "den Schritt in eine andere Republik" befürchten zu lassen. Ferner machte ein möglicherweise religiös oder
sonst ethisch beeinflußtes "Kriterium" die Entscheidung des gesetzlichen - und damit unentrinnbaren - Richters unberechenbar.

III.

Da die Voraussetzungen für eine Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG erfüllt sind, hat der beschließende Senat gemäß § 28 Abs. 3 FGG anstelle des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts über die weitere Beschwerde zu entscheiden. 1. Die weitere Beschwerde ist nach § 27 Abs. 1 FGG statthaft; der Beteiligte ist gemäß § 20 Abs. 1 FGG auch beschwerdeberechtigt. 2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Der Beteiligte hat beantragt, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen. Damit möchte er erreichen, daß das Vormundschaftsgericht seiner Entscheidung, nicht länger in die künstliche Ernährung des Betroffenen einzuwilligen, zustimmt. Die Vorinstanzen haben es zu Unrecht abgelehnt, in der Sache tätig zu werden.
a) Die gegen eine weitere künstliche Ernährung des Betroffenen gerichtete Entscheidung des Beteiligten ist nicht schon deshalb einer Zustimmung des Vormundschaftsgerichts entzogen, weil sie sich rechtlich als ein Unterlassen darstellt. Die Beibehaltung einer Magensonde und die mit ihrer Hilfe ermöglichte künstliche Ernährung sind fortdauernde Eingriffe in die körperliche Integrität des Patienten (Hufen NJW 2001, 849, 853 m.w.N.). Solche Eingriffe bedürfen - ebenso wie das ursprüngliche Legen der Sonde - grundsätzlich der Einwilli-
gung des Patienten. Ist der Patient im Zeitpunkt der Maßnahme nicht einwilligungsfähig , so gilt: Eine frühere Willensbekundung, mit welcher der Patient seine Einwilligung in Maßnahmen der in Frage stehenden Art für eine Situation, wie sie jetzt eingetreten ist, erklärt oder verweigert hat, wirkt, falls der Patient sie nicht widerrufen hat, fort (V. Lipp in May et al. Passive Sterbehilfe 2002, 37, 43 und Fn. 37 m.w.N.; Taupitz Verhandlungen des 63. DJT 2000 Gutachten A 41); die inzwischen eingetretene Einwilligungsunfähigkeit ändert nach dem Rechtsgedanken des § 130 Abs. 2 BGB an der fortdauernden Maßgeblichkeit des früher erklärten Willens nichts. Ist eine solche frühere Willensbekundung nicht bekannt, beurteilt sich die Zulässigkeit der Maßnahme, falls unaufschiebbar , nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten, bis für diesen ein Betreuer bestellt ist (MünchKomm/Schwab BGB 4. Aufl. § 1904, 38). Ist - wie hier - für den einwilligungsunfähigen Patienten ein Betreuer bestellt und erreichbar, vermag der mutmaßliche Patientenwille allein einen Eingriff in die persönliche Integrität des Patienten nicht länger zu rechtfertigen (Taupitz aaO A 71). Mit der Bestellung des Betreuers ist die rechtliche Handlungsfähigkeit des Betroffenen wiederhergestellt; Arzt und Pflegepersonal können deshalb nicht mehr unmittelbar auf den Willen des einwilligungsunfähigen Patienten "durchgreifen" (Taupitz aaO A 70 f.). Eine Willensbekundung, mit welcher der Betroffene seine Einwilligung in die in Frage stehenden Maßnahmen und für die jetzt eingetretene Situation erklärt oder verweigert hat, wirkt weiterhin - als Ausfluß seines Selbstbestimmungsrechts - fort. Als gesetzlicher Vertreter hat der Betreuer die exklusive Aufgabe, dem Willen des Betroffenen gegenüber Arzt und Pflegepersonal in eigener rechtlicher Verantwortung und nach Maßgabe des § 1901 BGB Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall: Die Beibehaltung der Sonde und die Fortführung der über sie ermöglichten künstlichen Ernährung bedürfen,
da eine Einwilligung des Betroffenen nicht vorliegt, der Einwilligung des Beteiligten. Mit dem Verlangen, diese Behandlung nicht fortzusetzen, hat der Betei- ligte die erforderliche Einwilligung verweigert. Ob der Beteiligte früher zumindest konkludent in die Behandlung eingewilligt hat und sich das Verlangen nach Abbruch der Behandlung deshalb (auch) als Widerruf dieser Einwilligung darstellt , mag dahinstehen. Bereits das Unterlassen der erforderlichen Einwilligungserklärung kann - für sich genommen - auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden; es ist damit einer vormundschaftsgerichtlichen Entscheidung nicht schon per se entzogen. Soweit in der Literatur nur der Widerruf einer einmal erteilten Einwilligung , nicht aber die erstmalige Verweigerung der Einwilligung (Fröschle JZ 2000, 72, 80: "nullum") als "an sich" genehmigungsfähig angesehen wird, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn das Unterlassen des Betreuers, in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung einzuwilligen, kann nicht anders beurteilt werden als das Unterlassen, in die Weiterbehandlung einzuwilligen. Zwar liegt im zweiten Fall unter Umständen auch ein aktives Handeln - nämlich der Widerruf einer zuvor erteilten Einwilligung - vor. Die Abgrenzung ist jedoch - etwa im Hinblick auf die Frage, ob eine Einwilligung vom Betreuer konkludent erteilt worden ist oder ob eine einmal erteilte Einwilligung die in Frage stehenden Maßnahmen für die jetzt eingetretene Situation noch abdeckt - fließend; sie rechtfertigt jedenfalls keine rechtliche Differenzierung. Wollte man nur den Widerruf einem vormundschaftsgerichtlichen Kontrollvorbehalt unterstellen , bestünde im übrigen die Gefahr, daß von lebenserhaltenden Maßnahmen nur noch zögerlich Gebrauch gemacht wird, um deren späteren - an die vormundschaftsgerichtliche Kontrolle gebundenen - Abbruch zu vermeiden; der mit dem Kontrollvorbehalt (auch) verfolgte Lebensschutz würde in sein Gegenteil verkehrt.
Auch kann ein Kontrollerfordernis nach Auffassung des Senats sinnvoll nicht davon abhängig gemacht werden, ob der Betreuer die Erteilung der Einwilligung in eine medizinische Behandlung nur schlechthin unterlassen oder ob er seine Einwilligung verweigert und damit aktiv gehandelt hat (so aber wohl - jedenfalls für die analoge Anwendbarkeit des § 1904 BGB - Taupitz aaO A 87 und Lipp aaO 51). Da für eine die körperliche Integrität verletzende medizinische Behandlung oder Weiterbehandlung eine Einwilligung notwendig ist, ist deren Verweigerung nichts anderes als eine Bekräftigung des Unterlassens, die Einwilligung zu erteilen. Hinge die vormundschaftsgerichtliche Kontrolle von einer solchen Bekräftigung ab, wäre das Erfordernis dieser Kontrolle beliebig manipulierbar.
b) Ein Tätigwerden des Vormundschaftsgerichts wird, wie das vorlegende Oberlandesgericht zutreffend ausführt, auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß eine Entscheidung gegen die Fortführung der künstlichen Ernährung des Betroffenen höchstpersönlicher Natur ist. In der Rechtsprechung und Literatur wird zwar zum Teil die Auffassung vertreten, daß dem Betreuer die Entscheidung gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betroffenen, weil höchstpersönlich, nicht zustehe und deshalb auch einer Überprüfung durch das den Betreuer kontrollierende Vormundschaftsgericht entzogen sei (vgl. etwa LG München I FamRZ 1999, 742; Landgericht Augsburg FamRZ 2000, 320, 321; Lilie in Wienke/Lippert , Der Wille des Menschen zwischen Leben und Sterben 2001, 75, 83, Seitz ZRP 1998, 417, 420; Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1904 Rdn. 42). Diese Ansicht würde es jedoch, recht verstanden, nicht hindern, das Verlangen des Beteiligten nach Abbruch der künstlichen Ernährung einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung zu unterwerfen. Da der Beteiligte sein Verlangen auf den erklärten und fortgeltenden Willen des Betroffenen stützt, trifft er insoweit
keine eigene Entscheidung; er setzt vielmehr nur eine im voraus getroffene höchstpersönliche Entscheidung des Betroffenen um. Die richtige Umsetzung des Willens des Betroffenen und die damit einhergehende Unterlassung einer eigenen, den Willen des Betroffenen ersetzenden Einwilligung des Beteiligten in die Weiterbehandlung des Betroffenen ist - wie dargelegt - aber ein tauglicher Gegenstand einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung. Auch generell läßt sich aus der Höchstpersönlichkeit einer Entscheidung kein zwingendes Argument gegen die Entscheidungszuständigkeit eines Betreuers und die Überprüfung seiner Entscheidung durch das Vormundschaftsgericht herleiten; denn einem Betreuer werden vom Gesetz - etwa bei der Sterilisation (§ 1905 BGB) - durchaus höchstpersönliche Entscheidungskompetenzen übertragen. Zudem ergäbe sich, wenn man die Entscheidung gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahme oder die Durchsetzung einer solchen Entscheidung generell von der Aufgabenzuweisung an den Betreuer ausnähme, eine mißliche Wahl: Entweder würde damit ein striktes Gebot zur Durchführung lebensverlängernder oder -erhaltender medizinischer Maßnahmen statuiert - also auch gegen einen vom Betroffenen früher geäußerten Willen. Oder die Entscheidung über die Frage der Behandlung oder Weiterbehandlung bliebe dem Arzt und/oder den nahen Angehörigen überlassen - dies allenfalls mit der Auflage, den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Patienten zu ermitteln. An die Stelle der Willensbestimmung durch den Betreuer als den gesetzlichen Vertreter träte die Willensbestimmung durch den Arzt oder die Angehörigen, die sich aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht mehr legitimieren würde, unter Umständen mit Eigeninteressen kollidieren könnte und im System des geltenden Rechts einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle von vornherein nicht zugänglich wäre (vgl. zum Ganzen Taupitz aaO A 89; Fröschle aaO 74).
Eine andere Frage ist, ob das Vormundschaftsgericht dem Beteiligten mit der Übertragung des Aufgabenkreises "Sorge für die Gesundheit des Betroffenen" auch die Entscheidung über lebenserhaltende Maßnahmen der hier in Frage stehenden Art übertragen hat. Da sowohl das Amtsgericht wie auch das Beschwerdegericht die Bestellung des Beteiligten nicht einschränkend ausgelegt haben, kann auch für das Verfahren der weiteren Beschwerde von einer umfassenden Zuständigkeit des Beteiligten für die medizinischen Belange des Betroffenen ausgegangen werden. Dies gilt um so mehr, als bei einer einschränkenden Auslegung des Aufgabenkreises die lebenserhaltenden Maßnahmen nicht fortgeführt, sondern von den behandelnden Ärzten im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem vom Betroffenen früher erklärten und als maßgebend fortdauernden Willen überprüft und, falls der Aufgabenkreis des Beteiligten nicht erweitert oder ein weiterer Betreuer bestellt würde, gegebenenfalls eingestellt werden müßten.
c) Gegen eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts läßt sich auch nicht anführen, daß es an Kriterien fehle, anhand derer das Verlangen des Beteiligten , die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, rechtlich überprüft werden könne, daß die Entscheidung des Beteiligten mithin nicht justiziabel sei. aa) Die Frage, unter welchen medizinischen Voraussetzungen die Rechtsordnung gestattet, lebensverlängernde Maßnahmen zu unterlassen oder nicht fortzuführen, hat der Bundesgerichtshof in einer Strafsache dahin entschieden , daß das Grundleiden des Kranken nach ärztlicher Überzeugung unumkehrbar (irreversibel) sein und einen tödlichen Verlauf angenommen haben müsse (Urteil vom 13. September 1994 - 1 StR 357/94 - NJW 1995, 204). Werde in einem solchen Fall der Tod in kurzer Zeit eintreten, so rechtfertige die unmittelbare Todesnähe es, von einer Hilfe für den Sterbenden und "Hilfe beim
Sterben", kurz von Sterbehilfe zu sprechen und dem Arzt den Abbruch lebens- verlängernder Maßnahmen zu erlauben. In Fällen, in denen das Grundleiden zwar einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen habe, das Merkmal der unmittelbaren Todesnähe aber nicht gegeben sei und der Sterbevorgang somit noch nicht eingesetzt habe, liege eine Sterbehilfe im eigentlichen Sinne nicht vor. Auch wenn der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen (auch im damals entschiedenen Fall: einer künstlichen Ernährung über eine Magensonde) unter solchen Umständen zum Teil bereits als Sterbehilfe im weiteren Sinne oder als "Hilfe zum Sterben" bezeichnet werde und bei entsprechendem Patientenwillen als Ausdruck der allgemeinen Entscheidungsfreiheit und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit grundsätzlich anzuerkennen sei, seien doch an die Annahme des mutmaßlichen Willens erhöhte Anforderungen insbesondere im Vergleich zur eigentlichen Sterbehilfe zu stellen. Diese objektive Eingrenzung zulässiger Sterbehilfe ist auch für das Zivilrecht verbindlich; denn die Zivilrechtsordnung kann nicht erlauben, was das Strafrecht verbietet. Aus ihr folgt, daß für das Verlangen des Betreuers, eine medizinische Behandlung einzustellen, kein Raum ist, wenn das Grundleiden des Betroffenen noch keinen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen hat und durch die Maßnahme das Leben des Betroffenen verlängert oder erhalten wird. Richtig ist zwar, daß der Arzt das Selbstbestimmungsrecht des einwilligungsfähigen Patienten zu achten hat und deshalb keine - auch keine lebenserhaltenden - Maßnahmen gegen dessen Willen vornehmen darf (vgl. etwa Taupitz aaO A 19 ff.). Die Entscheidungsmacht des Betreuers ist jedoch mit der aus dem Selbstbestimmungsrecht folgenden Entscheidungsmacht des einwilligungsfähigen Patienten nicht deckungsgleich, sondern als gesetzliche Vertretungsmacht an rechtliche Vorgaben gebunden; nur soweit sie sich im Rahmen dieser Bindung hält, kann sie sich gegenüber der Verpflichtung des Arztes, das Leben des Patienten zu erhalten, durchsetzen. Das bedeutet: Die medizini-
schen Voraussetzungen, unter denen das Recht eine vom gesetzlichen Vertreter konsentierte Sterbehilfe (auch im weiteren Sinne) gestattet, binden den Arzt ebenso wie den gesetzlichen Vertreter. Liegen sie nicht vor, ist die Sterbehilfe rechtswidrig; sie wird nicht dadurch rechtmäßig, daß der gesetzliche Vertreter in sie – und sei es auch mit Billigung des Vormundschaftsgerichts – einwilligt. Deshalb ist die Verweigerung der Einwilligung hier insoweit ebenso irrelevant wie eine etwaige Billigung dieser Verweigerung durch das Vormundschaftsgericht. Daraus läßt sich indes nicht herleiten, daß das Verlangen des Beteiligten , die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, jedenfalls insoweit einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung entzogen sei, als die medizinischen Voraussetzungen, unter denen ein solches Verlangen rechtlich überhaupt erst zulässig wäre, in Frage stünden. Ein vormundschaftsgerichtliches Verfahren böte vielmehr - im Gegenteil - die Möglichkeit, verantwortlich zu prüfen , ob der rechtliche Rahmen für das Verlangen des Beteiligten überhaupt eröffnet ist. Dies wäre immer dann zu verneinen, wenn eine letzte Sicherheit, daß die Krankheit des Betroffenen einen irreversiblen und tödlichen Verlauf angenommen habe, nicht zu gewinnen wäre. bb) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 13. September 1994 (aaO 204 f.) das Unterlassen oder den Abbruch lebensverlängernder oder lebenserhaltender Maßnahmen - bei Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen - allerdings nur dann als rechtmäßig erachtet, wenn das Unterlassen oder der Abbruch der Maßnahmen dem - im entschiedenen Fall: mutmaßlichen - Willen des Patienten entspricht. Diese Ausrichtung auf den Willen des Betroffenen korrespondiert mit den Vorgaben, die auch § 1901 BGB für das Betreuerhandeln normiert. Maßgebend sind nach § 1901 Abs. 3 Satz 1, 2 BGB die - auch früher geäußerten (§ 1901 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BGB) - Wünsche des
Betroffenen, sofern sie sich feststellen lassen, nicht durch entgegenstehende Bekundungen widerrufen sind (§ 1901 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BGB) und dem Wohl des Betreuten nicht zuwiderlaufen (§ 1901 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BGB). Das Wohl des Betreuten ist dabei nicht nur objektiv, sondern - im Grundsatz sogar vorrangig (MünchKomm/Schwab aaO § 1901 Rdn. 14) - subjektiv zu verstehen ; denn "zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, ... sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen und Wünschen zu gestalten" (§ 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB). Nichts anderes gilt, wenn sich - auf die vorliegende Situation bezogene - Wünsche des Betroffenen nicht feststellen lassen: Dann hat sich der Betreuer nach § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB am "Wohl des Betreuten" zu orientieren , dies aber nach § 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB aus der Sicht des Betreuten - d.h. nach dessen Lebensentscheidungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen - zu bestimmen (vgl. zum Ganzen G. Fischer, FS Deutsch 1999, 545, 548 ff., 555; Fröschle aaO 76; einschränkend Taupitz aaO 41 "objektive Interessenabwägung mit subjektivem Korrekturvorbehalt"; in diese Richtung auch Lipp aaO 48 f.); man kann insoweit von einem (individuell-) mutmaßlichen Willen des Betroffenen sprechen (kritisch zu dieser Rechtsfigur Höfling JuS 2000, 111, 116). Allerdings kommt die Berücksichtigung eines solchen (individuell-) mutmaßlichen Willens nur hilfsweise in Betracht, wenn und soweit nämlich eine im einwilligungsfähigem Zustand getroffene "antizipative" Willensbekundung des Betroffenen - mag sie sich als Einwilligung in oder als Veto gegen eine bestimmte medizinische Behandlung darstellen - nicht zu ermitteln ist. Liegt eine solche Willensäußerung, etwa - wie hier - in Form einer sogenannten "Patientenverfügung" , vor, bindet sie als Ausdruck des fortwirkenden Selbstbestimmungsrechts , aber auch der Selbstverantwortung des Betroffenen den Betreuer ; denn schon die Würde des Betroffenen (Art. 1 Abs. 1 GG) verlangt, daß eine von ihm eigenverantwortlich getroffene Entscheidung auch dann noch respektiert wird, wenn er die Fähigkeit zu eigenverantwortlichem Entscheiden inzwi-
schen verloren hat. Die Willensbekundung des Betroffenen für oder gegen bestimmte medizinische Maßnahmen darf deshalb vom Betreuer nicht durch einen "Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen" des Betroffenen "korrigiert" werden, es sei denn, daß der Betroffene sich von seiner früheren Verfügung mit erkennbarem Widerrufswillen distanziert oder die Sachlage sich nachträglich so erheblich geändert hat, daß die frühere selbstverantwortlich getroffene Entscheidung die aktuelle Sachlage nicht umfaßt (Taupitz aaO A 41: Die in eigenverantwortlichem Zustand getroffene Entscheidung dürfe nicht "unter spekulativer Berufung darauf unterlaufen werden ..., daß der Patient vielleicht in der konkreten Situation doch etwas anderes gewollt hätte"; vgl. auch aaO A 106 ff.). Auch wenn der Beteiligte somit strikt an den wirklichen und (nur) hilfsweise an den mutmaßlichen Willen des Betroffenen gebunden ist, so spricht dies ebenfalls nicht gegen die Möglichkeit, das Verlangen des Beteiligten, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Ein vormundschaftsgerichtliches Verfahren böte nicht nur den Rahmen für eine Prüfung, ob der Beteiligte den Willen des Betroffenen mit der Vorlage der von diesem getroffenen Verfügung erschöpfend ermittelt hat oder ob die Umstände des Einzelfalles weitere Erkundungen geboten erscheinen lassen. Sie eröffnete auch die Möglichkeit, für alle Beteiligten verbindlich festzustellen, daß die vom Beteiligten gewünschte Einstellung der Behandlung in der nunmehr vorliegenden Situation dem in der Verfügung zum Ausdruck gelangten Willen des Betroffenen entspricht (vgl. etwa G. Fischer in Medicus et al. Schadensrecht, Arztrecht ... 2001, 37, 50). cc) Keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob und unter welchen Gegebenheiten ein Betreuer seine Einwilligung in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Weiterbehandlung des Betroffenen verweigern darf, wenn zwar die medizinischen Voraussetzungen für eine zulässige Hilfe beim oder auch zum
Sterben vorliegen, Wünsche des Betroffenen aber nicht geäußert oder nicht ersichtlich sind und sich auch bei der gebotenen sorgfältigen Prüfung konkrete Umstände für die Feststellung des individuellen mutmaßlichen Willens des Betroffenen nicht finden lassen. In einem solchen Fall soll nach der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (aaO 205) auf Kriterien zurückgegriffen werden, die allgemeinen Wertvorstellungen entsprechen. Diese Auffassung ist auf - zum Teil sehr engagierte - Kritik (vgl. etwa Dörner ZRP 1996, 93, 95 f.; Laufs NJW 1998, 3399, 3400) gestoßen, die sich das vorlegende Oberlandesgericht zu eigen macht und deren sachliche Berechtigung hier nicht im einzelnen zu erörtern ist. Die Diskussion um die Zulässigkeit und die Grenzen der Hilfe im oder auch zum Sterben wird gerade durch das Fehlen verbindlicher oder doch allgemeiner Wertmaßstäbe geprägt (Taupitz aaO A 38, allerdings mit dem Versuch einer "objektiven" Interessenabwägung aaO 41 ff., 46 ff.; Knittel Betreuungsgesetz § 1904 BGB Anm. 9 f.). Auch die Verfassung bietet keine sichere Handhabe, die im Widerstreit der Schutzgüter von Leben und Menschenwürde eine dem jeweiligen Einzelfall gerecht werdende, rechtlich verläßliche und vom subjektiven Vorverständnis des Beurteilers unabhängige Orientierung ermöglicht (vgl. etwa Hufen aaO 850). Soweit vor diesem Hintergrund für ein von keinem nachgewiesenen (wirklichen oder mutmaßlichen) Willen des Betroffenen getragenes Verlangen des Betreuers nach Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen überhaupt Raum bleibt (verneinend OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 1556, 1557; OLG Karlsruhe aaO 492; OLG Frankfurt FamRZ 1998 aaO 1138 und 2002 aaO 577), böte sich als Richtschnur möglicherweise ein Verständnis des Wohls des Betroffenen an, das einerseits eine ärztlich für sinnvoll erachtete lebenserhaltende Behandlung gebietet, andererseits aber nicht jede medizinisch-technisch mögliche Maßnahme verlangt. Ein solches, einem objektiv zu mutmaßenden Willen des Betroffenen angenähertes Verständnis (in diese Richtung Lipp aaO 48 f.; vgl. aus medizinethischer Sicht auch
Schöne-Seifert Verhandlungen des 63. DJT 2000 Referat K 41, 48 mit der Forderung , "Behandlungsstandards" - unter Offenlegung ihrer notwendigen ethischen Prämissen - zu entwickeln) böte jedenfalls einen zumindest objektivierbaren Maßstab, der - außerhalb der Spannbreite einer immer möglichen Divergenz in der ärztlichen Indikation - für die Betreuerentscheidung auch in diesem vom Willen des Betroffenen nicht determinierten Grenzbereich menschlichen Lebens eine vormundschaftsgerichtliche Nachprüfung eröffnet.
d) Das Oberlandesgericht hat allerdings mit Recht angenommen, daß § 1904 BGB für eine vormundschaftsgerichtliche Überprüfung des Verlangens des Beteiligten, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, keine Rechtsgrundlage hergibt. Auch eine analoge Anwendung dieser Einzelvorschrift kann, worauf das Oberlandesgericht zutreffend hinweist, für sich genommen eine solche Aufgabenzuweisung an das Vormundschaftsgericht schwerlich begründen. So läßt sich bereits bezweifeln, ob die Vorschriften des Betreuungsrechts , in denen einzelne Handlungen des Betreuers einem Genehmigungsvorbehalt unterstellt werden, ein geschlossenes gedankliches System darstellen, das es erlaubt, andere, von der legislativen Problemselektion nicht aufgegriffene Konfliktsituationen als eine "planwidrige" Unvollständigkeit (vgl. Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft 3. Aufl., 196 f.: "Gesetzeslücke im engeren Sinn") zu verstehen. Jedenfalls ist § 1904 BGB für sich genommen nicht geeignet, im Wege analoger Anwendung Entscheidungen des Betreuers gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende medizinische Behandlung dem Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Prüfung zu unterziehen. Zum einen fehlt insoweit bereits die Gleichheit der Problemlage: Der Schutz eines heilungsfähigen Patienten vor dem Einsatz riskanter medizinischer Mittel ist etwas völlig anderes als die medizinische Versorgung eines tödlich und un-
heilbar erkrankten Menschen (Schwab FS Henrich 2000 511, 524; ders. MünchKomm aaO § 1904 Rdn. 38). § 1904 BGB will - anders ausgedrückt - dem Betroffenen Leben und Gesundheit erhalten, der geforderte Behandlungsabbruch will sein Leben gerade beenden. Beide Ziele stehen sich nicht im Verhältnis von "maius" und "minus" gegenüber; sie sind miteinander inkomparabel und deshalb einem "erst recht"-Schluß nicht zugänglich (LG München aaO). Auch eine Gesamtanalogie (Rechtsanalogie) zu den §§ 1904 bis 1907 BGB kommt nicht in Betracht. Zum einen läßt sich diesen schon tatbestandlich ganz unterschiedlichen Genehmigungsvorbehalten kein "allgemeiner Grundsatz" unterlegen, dessen folgerichtige Entfaltung auch Antworten auf die Frage nach der Zulässigkeit des Abbruchs einer lebenserhaltenden Behandlung bereithält. Zum anderen läßt sich diese Frage mit der in diesen Genehmigungsvorbehalten vorgesehenen Rechtsfolge auch nicht erschöpfend beantworten: Lehnt das Vormundschaftsgericht es ab, eine nach den §§ 1904 bis 1907 BGB genehmigungspflichtige Erklärung oder Maßnahme des Betreuers zu genehmigen, so ist die Erklärung unwirksam und die Maßnahme unterbleibt. Verweigert der Betreuer die notwendige Einwilligung in die lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betreuten, so wird diese Behandlung damit allein noch nicht zulässig. Das Vormundschaftsgericht müßte, falls es nicht einen anderen Betreuer bestellt, die Einwilligung des Betreuers in die Behandlung ersetzen (vgl. Steffen NJW 1996, 1581; Engers/Wagenitz FamRZ 1988, 1256, 1257). Eine solche willensersetzende Entscheidungsmacht des Vormundschaftsgerichts ist dem geltenden Recht strukturell nicht fremd, aber auf eng begrenzte Tatbestände beschränkt (vgl. § 1810 Satz 1 Halbs. 2, § 1837 Abs. 4 i.V. mit § 1666 Abs. 3 BGB, arg. e contr. § 1908 i Abs. 1 BGB; vgl. Staudinger/Engler BGB 13. Bearb., § 1837 Rdn. 2, 47; MünchKomm/Wagenitz BGB 4. Aufl. § 1837 Rdn. 4 ff., 35). Die §§ 1904 bis 1907 BGB bieten für sie keine Grundlage.

e) Die fehlende Möglichkeit einer analogen Heranziehung der §§ 1904 bis 1907 BGB schließt freilich die Befugnis des Senats nicht aus, für die verweigerte Einwilligung des Betreuers in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung oder Weiterbehandlung eines nicht einwilligungsfähigen Betroffenen im Wege einer Fortbildung des Betreuungsrechts eine vormundschaftsgerichtliche Prüfungszuständigkeit zu eröffnen. Die Fortbildung des Rechts ist eine Pflicht der obersten Gerichtshöfe des Bundes und wird ständig geübt (grundlegend BVerfGE 34, 296, 287 ff.; BGHZ 3, 308, 315; zu den Voraussetzungen im einzelnen Larenz Methodenlehre 6. Aufl., 366 ff., insbes. 413 ff.; Larenz/Canaris aaO 187 ff., insbes. 232 ff.). Sie ergibt sich vorliegend aus einer Gesamtschau des Betreuungsrechts und dem unabweisbaren Bedürfnis , mit den Instrumenten dieses Rechts auch auf Fragen im Grenzbereich menschlichen Lebens und Sterbens für alle Beteiligten rechtlich verantwortbare Antworten zu finden. aa) Der Vorrang des Gesetzes hindert eine solche Rechtsfortbildung nicht (dazu allgemein etwa BVerfGE 96, 56, 62). Zwar ist richtig, daß der Gesetzgeber des Betreuungsgesetzes - wie sich aus dessen Materialien ergibt - dem Wunsch eines nicht einwilligungsfähigen Betreuten auch insoweit Beachtung zuerkennen wollte, als "dieser darauf gerichtet ist, in der letzten Lebensphase nicht sämtliche denkbaren lebens-, aber auch schmerzverlängernden medizinischen Möglichkeiten einzusetzen" (BT-Drucks. 11/4528 S. 128). Richtig ist auch, daß der Gesetzgeber ein Verhalten des Betreuers, das auf Durchsetzung eines solchen Wunsches gerichtet ist, keinem Genehmigungsvorbehalt unterworfen hat. Daraus läßt sich jedoch nicht auf ein "beredtes Schweigen" des Gesetzes schließen, das es verbieten könnte, im Wege der Rechtsfortbildung die unterlassene Einwilligung des Betreuers in lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahmen einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen. Zum einen lassen die in den §§ 1904 bis 1907 BGB aufgegriffenen
Konfliktsituationen kein geschlossenes Konzept erkennen, das einer rechtsfort- bildenden Erweiterung nicht zugänglich wäre; zum andern ist - wie ausgeführt - der in diesen Vorschriften normierte Genehmigungsvorbehalt schon strukturell nicht geeignet, die Frage nach der Zulässigkeit des Abbruchs einer lebenserhaltenden Behandlung einer erschöpfenden Regelung zuzuführen; aus der Nichterstreckung der im Gesetz vorgesehenen Genehmigungserfordernisse auf diese Frage läßt sich deshalb nicht schließen, der Gesetzgeber habe diese Frage generell einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung entziehen wollen. Auch die weitere Entwicklung des Betreuungsrechts rechtfertigt einen solchen Schluß nicht. Das Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 25. Juni 1998 (BGBl. I 1580) verhält sich zur Frage eines Genehmigungserfordernisses nicht; das war nach der vorrangig auf eine Neuordnung des Rechts der Betreuervergütung gerichteten Zielsetzung dieses Gesetzes allerdings auch nicht anders zu erwarten (Knieper NJW 1998, 2720, 2721). Auch für die Folgezeit läßt sich das Schweigen des Gesetzgebers nicht als eine legislative Entscheidung gegen eine vormundschaftsgerichtliche Prüfungszuständigkeit für das Verlangen des Betreuers nach Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen deuten. Die Bundesregierung sah, wie auch ihre Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten Hüppe belegt, keinen unmittelbaren Handlungsbedarf: Danach wirft die Entscheidung des Oberlandesgerichts "nicht nur tiefgreifende juristisch-ethische Fragen, sondern auch vielfältige forensisch-praktische Fragen auf, die einer gründlichen Aufarbeitung bedürfen, bevor die Frage nach der Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Maßnahme ... beantwortet werden kann" (BT-Drucks. 13/11345 Frage Nr. 14 S. 11). Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist berufen, hierzu ihren Beitrag zu leisten und damit zugleich mögliche Wege für die vielfach geforderte (vgl. etwa Vormundschaftsgerichtstag e.V. BTPrax 1998, 161, 162; Taupitz aaO A 92; Scheffen ZRP 2000, 313, 316 f.; Hufen aaO 857) und auch
nach Auffassung des Senats wünschenswerte gesetzliche Regelung aufzuzeigen. bb) Der Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG steht einer solchen Rechtsfortbildung nicht entgegen (so aber wohl Vormundschaftsgerichtstag e.V. BTPrax 98, 161, 162; Jürgens BTPrax 98, 159, 160; Alberts NJW 1999, 835, 836). Denn durch die Prüfungszuständigkeit des Vormundschaftsgerichts wird nicht in die Rechte des Betroffenen auf Leben und körperliche Unversehrtheit eingegriffen, der Vormundschaftsrichter - entgegen einer gelegentlich gebrauchten plakativen Formulierung - also nicht zum "Herrn über Leben und Tod" ernannt (so aber AG Hanau BTPrax 1997, 82, 83; Deichmann MDR 1995, 983, 984; mit Recht kritisch Verrel JR 1999, 5, 6). Vielmehr werden - im Gegenteil - die Grundrechte des Betroffenen geschützt, indem die Entscheidung des Betreuers, nicht in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung oder Weiterbehandlung des Betroffenen einzuwilligen, einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen und dabei auf ihre Übereinstimmung mit dem Willen des Betroffenen - als Ausfluß seiner fortwirkenden Selbstbestimmung und Selbstverantwortung - überprüft wird (OLG Karlsruhe aaO 490). cc) Eine im Wege der Fortbildung des Betreuungsrechts zu begründende Prüfungszuständigkeit des Vormundschaftsgerichts findet ihre natürliche Grenze dort, wo der Regelungsbereich des Betreuungsrechts, dessen Handhabung den Vormundschaftsgerichten anvertraut ist, endet. Das Betreuungsrecht regelt, soweit medizinische Maßnahmen für den Betroffenen in Frage stehen, zwar nicht nur das Verhältnis des Betreuers zum Betroffenen; es schreibt auch vor, inwieweit der Betreuer die dem Betroffenen zustehenden Rechte gegenüber Ärzten oder Pflegekräften wahrnehmen kann. Der Umfang dieser Rechte selbst ist jedoch nicht Gegenstand des Betreuungsrechts und deshalb von vornherein einer isolierten vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung entzogen.
Daraus ergibt sich, daß auch die Frage, welche lebensverlängernden oder -erhaltenden Maßnahmen der Betroffene beanspruchen und der Betreuer folglich als sein gesetzlicher Vertreter für ihn einfordern kann, nicht vom Betreuungsrecht zu beantworten ist. Auch dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen läßt sich eine Antwort nicht entnehmen; denn dieses Recht läßt sich nur als Abwehrrecht gegen, nicht aber als Anspruch auf eine bestimmte Behandlung begreifen (Taupitz aaO A 23; Verrel JZ 1996, 224, 226; einschränkend Lilie FS Steffen 1995, 273, 276). Im Grundsatz gesichert erscheint, daß der Arzt - gestützt auf sein Grundrecht der Berufsfreiheit und seine allgemeine Handlungsfreiheit - jedenfalls solche Maßnahmen verweigern kann, für die keine medizinische Indikation besteht (Taupitz aaO 23 f. m.w.N.). Die medizinische Indikation, verstanden als das fachliche Urteil über den Wert oder Unwert einer medizinischen Behandlungsmethode in ihrer Anwendung auf den konkreten Fall (Opderbecke MedR 1985, 23, 25), begrenzt insoweit den Inhalt des ärztlichen Heilauftrags (Taupitz aaO 23 ff.; vgl. auch Lilie in Wienke/Lippert aaO 80). Diese - im Schnittfeld naturwissenschaftlicher und medizinethischer Überlegungen nicht immer scharfe - Begrenzung (vgl. etwa die Umschreibung in den Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung NJW 1998, 3406; w.N. bei Taupitz aaO Fn. 4) ist dem Betreuungsrecht vorgegeben; denn die rechtliche Betreuungsbedürftigkeit eines Patienten verändert den Rahmen, in dem er ärztliche Behandlung beanspruchen kann, nicht (Taupitz aaO 40; Lipp aaO 53; Opderbecke/Weißauer MedR 1998, 395, 397). Die Frage, ob eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung medizinisch indiziert ist und ihre Durchführung deshalb vom ärztlichen Heilauftrag geboten wird, kann deshalb für das Betreuungsrecht nur als Vorfrage - d.h. im Zusammenhang mit der dem Vormundschaftsgericht obliegenden Beurteilung eines Verhaltens des Betreuers bei der Wahrnehmung von Patienteninteressen des Betroffenen - Bedeutung erlangen. Für sich genommen - also losgelöst von der Prüfung eines
derartigen Betreuerverhaltens - kann diese Frage nicht zum Gegenstand eines vormundschaftsgerichtlichen Verfahrens erhoben werden. dd) Für das Betreuungsrecht kann der Inhalt des ärztlichen Heilauftrags und das aus ihm resultierende Behandlungsangebot danach allerdings mittelbar relevant werden, und zwar in zweifacher Hinsicht: Für eine Einwilligung des Betreuers in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung ist von vornherein kein Raum, wenn ärztlicherseits eine solche Behandlung nicht angeboten wird - sei es, daß sie nach Auffassung der behandelnden Ärzte von vornherein nicht indiziert, sinnlos geworden oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist (Lipp aaO 52 f.). Das Unterlassen (erst recht die Weigerung) des Betreuers, in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung einzuwilligen, ist - wie einleitend dargelegt - zwar tauglicher Gegenstand einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle, setzt aber notwendig ein entsprechendes ärztliches Behandlungsangebot voraus. Fehlt es an einem solchen Angebot, kommt eine vormundschaftsgerichtliche Prüfung allenfalls insoweit in Betracht, als die Pflicht des Betreuers in Frage steht, in Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen die Erfüllung des ärztlichen Heilauftrags durch die Einforderung bestimmter lebensverlängernder oder -erhaltender Behandlungen durchzusetzen. Die Frage, welche Möglichkeiten dem Vormundschaftsgericht hier zur Verfügung stehen, den Betreuer zur Erfüllung dieser Pflicht anzuhalten , beantwortet sich aus der Aufsichtspflicht des Vormundschaftsgerichts (§ 1908 i i.V. mit § 1837, § 1908 b BGB). Sie bedarf hier keiner vertiefenden Erörterung; denn ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor. Nur soweit ärztlicherseits eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung angeboten wird, ist eine Einwilligung des Betreuers als des gesetzlichen Vertreters des einwilligungsunfähigen Patienten überhaupt erforderlich.
Ein Unterlassen (erst recht eine Verweigerung) der Einwilligung in die angebotene Behandlung wird - nach der im Wege der Rechtsfortbildung gewonnenen Auffassung des Senats - jedoch nur mit Zustimmung des Vormundschaftsge- richts wirksam. Eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des einwilligungsunfähigen Patienten ist bei medizinischer Indikation deshalb auch ohne die Einwilligung des Betreuers zunächst - bis zu einer Entscheidung des Vormundschaftsgerichts - durchzuführen oder fortzusetzen. Das Vormundschaftsgericht hat das Verhalten des Betreuers anhand der oben aufgeführten Kriterien auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen; es trifft also keine eigene Entscheidung gegen lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahmen (vgl. Taupitz aaO A 85 und Fn. 410 mit rechtsvergleichenden Hinweisen; Lipp aaO 52). Das Vormundschaftsgericht muß der Entscheidung des Betreuers gegen eine solche Behandlung zustimmen, wenn feststeht, daß die Krankheit des Betroffenen einen irreversiblen tödlichen Verlauf genommen hat und die ärztlicherseits angebotene Behandlung dem früher erklärten und fortgeltenden Willen des Betroffenen, hilfsweise dessen (individuell-)mutmaßlichen Willen widerspricht. Die Frage, ob das Vormundschaftsgericht der Entscheidung des Betreuers gegen eine solche Behandlung auch dann zustimmen darf, wenn sich ein entsprechender wirklicher oder mutmaßlicher Wille trotz erschöpfender Nachforschungen des Betreuers nicht feststellen läßt, wird namentlich dann praktisch, wenn das Vormundschaftsgericht zu einer Beurteilung der medizinischen Indikation gelangt, die von der - diese Indikation bejahenden - Bewertung des behandelnden Arztes abweicht; diese Frage kann, wie ausgeführt, hier offenbleiben. Stimmt das Vormundschaftsgericht der eine Behandlung oder Weiterbehandlung ablehnenden Entscheidung des Betreuers zu, ist dessen Einwilligung nicht länger entbehrlich und die Nichterteilung dieser Einwilligung wirksam. Verweigert das Vormundschaftsgericht dagegen seine Zustimmung, so gilt damit zugleich die Einwilligung des Betreuers in die angebotene Be-
handlung oder Weiterbehandlung des Betroffenen als ersetzt. Das vormund- schaftsgerichtliche Verfahren ist dem Richter vorbehalten (ebenso § 14 Abs. 1 Nr. 4 RpflG). § 69 d Abs. 1, 2 FGG findet eine entsprechende, den Besonderheiten des Regelungsgegenstandes Rechnung tragende Anwendung. So hat sich der Vormundschaftsrichter vom Zustand des Betroffenen einen persönlichen Eindruck zu verschaffen (vgl. § 69 d Abs. 1 Satz 2 FGG). Auch wird er auf die Einholung eines zusätzlichen, von einem anderen als dem behandelnden Arzt erstellten Sachverständigengutachtens (vgl. § 69 d Abs. 2 FGG) im Regelfall nicht verzichten können, wenn die medizinischen Voraussetzungen für die Forderung des Betreuers, die Behandlung einzustellen, nicht durch eine neuere, den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten genügende ärztliche Stellungnahme belegt sind (vgl. dazu näher OLG Karlsruhe aaO 492) oder wenn er - in Abweichung von der Beurteilung des behandelnden Arztes - die medizinische Indikation der ärztlicherseits angebotenen Behandlung verneinen will. Mit diesem Zustimmungserfordernis wird dem Schutz des Betroffenen in seinen Grundrechten auf Leben, Selbstbestimmung und Menschenwürde in ausgewogener Weise Rechnung getragen (Taupitz aaO A 84; Lipp aaO 52, Saliger JuS 1999, 16, 20). Zugleich zielt dieses Erfordernis auf Schutz und Fürsorge für den Betreuer: Indem das Betreuungsrecht dem Betreuer unter Umständen eine Entscheidung gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betroffenen abverlangt, bürdet es ihm eine Last auf, die allein zu tragen dem Betreuer nicht zugemutet werden kann (LG Duisburg NJW 1999, 2744). Da das Recht vom Einzelnen nichts Unzumutbares verlangen kann, erscheint es dem Senat zwingend geboten, den Betreuer durch das vormundschaftsgerichtliche Prüfungsverfahren zu entlasten. Dieses Verfahren bietet einen justizförmigen Rahmen, innerhalb dessen die rechtlichen - auch strafrechtlichen - Grenzen des Betreuerhandelns geklärt und der wirkliche oder
mutmaßliche Wille des Betroffenen - im Rahmen des Möglichen umfassend - ermittelt werden kann (OLG Karlsruhe aaO 490; Knittel aaO). Das Prüfungsverfahren vermittelt der Entscheidung des Betreuers damit eine Legitimität, die geeignet ist, den Betreuer subjektiv zu entlasten sowie seine Entscheidung objektiv anderen Beteiligten zu vermitteln (Taupitz aaO 82 f.) und die ihn zudem vor dem Risiko einer abweichenden strafrechtlichen ex-post-Beurteilung schützt OLG Karlsruhe aaO; Fröschle aaO 79, Saliger aaO 21). Die Beschränkung des Prüfungsvorbehalts auf Fälle, in denen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betroffenen medizinisch indiziert ist oder jedenfalls ärztlicherseits angeboten wird, der Betreuer aber in die angebotene Behandlung nicht einwilligt, stellt schließlich sicher, daß die Vormundschaftsgerichte nur in Konfliktlagen angerufen werden können; damit wird vermieden, daß die Vormundschaftsgerichte generell zur Kontrolle über ärztliches Verhalten am Ende des Lebens berufen und dadurch mit einer Aufgabe bedacht werden, die ihnen nach ihrer Funktion im Rechtssystem nicht zukommt, nicht ohne weiteres auf Fälle der Betreuung einwilligungsunfähiger Patienten beschränkt werden könnte und wohl auch sonst ihre Möglichkeiten weit überfordern würde.

IV.

Der Senat sieht sich an seiner Auffassung durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. September 1994 (aaO) nicht gehindert. In dieser Entscheidung hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Einstellung der künstlichen Ernährung der Patientin, die seit Jahren infolge einer irreversiblen Hirnschädigung zu einer eigenen Entscheidung nicht mehr in
der Lage war, für die deshalb deren Sohn zum Pfleger mit dem Aufgabenkreis "Zuführung zu ärztlicher Behandlung" bestellt worden war und deren Grundleiden einen tödlichen Verlauf angenommen hatte, für rechtswidrig erachtet, weil für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung der Patientin hinreichend sichere Anhaltspunkte gefehlt hätten und die Zustimmung des Pflegers zur Einstellung der künstlichen Ernährung schon mangels einer Genehmigung des Vormundschaftsgerichts unwirksam gewesen sei. § 1904 BGB sei nach seinem Sinn und Zweck in Fällen der Sterbehilfe jedenfalls dann - erst recht - entsprechend anzuwenden, wenn eine ärztliche Maßnahme in der Beendigung einer bisher durchgeführten lebenserhaltenden Behandlung bestehe und der Sterbevorgang noch nicht unmittelbar eingesetzt habe. Wenn schon bestimmte Heileingriffe wegen ihrer Gefährlichkeit der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Betreuers entzogen seien, dann müsse dies um so mehr für Maßnahmen gelten , die eine ärztliche Behandlung beenden sollten und mit Sicherheit binnen kurzem zum Tode des Kranken führten. Diese - von der dargelegten Rechtsmeinung des erkennenden Senats unterschiedliche - Sicht des § 1904 BGB begründet indes keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 GVG, die zu einer Anfrage an den 1. Strafsenat Anlaß geben und, falls dieser an seiner Auffassung festhielte, eine Vorlage an die Vereinigten Großen Senate erfordern würde; denn der Unterschied zwischen beiden Auffassungen ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht erheblich. § 132 GVG räumt den Vereinigten Großen Senaten die Befugnis zur Beantwortung streitiger oder grundsätzlich bedeutsamer Rechtsfragen nur ein, soweit deren Beantwortung für die Entscheidung des konkreten Falles nach Auffassung des vorlegenden Senats erforderlich wird. Diese Beschränkung ergibt sich mittelbar aus § 138 Abs. 1 Satz 3 GVG, der die Bindungswirkung der Entscheidung auf die vorgelegte Sache bezieht. Sie entspricht im übrigen auch dem Verständnis, das der Bundesgerichtshof dem Be-
griff der Entscheidungserheblichkeit für die Zulässigkeit der Vorlagen anderer Gerichte - etwa, wie im vorliegenden Fall, nach § 28 Abs. 2 FGG - beimißt; danach muß sich, wie anfangs ausgeführt, aus dem Vorlagebeschluß ergeben, daß es vom Standpunkt des vorlegenden Gerichts aus auf die Vorlagefrage ankommt, das vorlegende Gericht also bei Befolgung der abweichenden Ansicht zu einem anderen Ergebnis gelangen würde (Senatsbeschluß BGHZ 121, 305, 308; ebenso BGHZ 82, 34, 36 f.; 112, 127, 129; 117, 217, 221). Für eine Vorlage nach § 132 Abs. 2 GVG kann - wovon auch die Vereinigten Großen Senate ausgehen (BGHZ 126, 63, 71 f. unter Bezugnahme auf BGHZ 88, 353, 357; 112, 127, 129; 117, 217, 221) - nichts anderes gelten. Daher ist es unstatthaft , den Vereinigten Großen Senaten Fragen vorzulegen, deren Beantwortung lediglich die Begründung einer Entscheidung, nicht jedoch deren Ergebnis beeinflußt (BGH NJW 2000, 1185 f.; Kissel GVG 3. Aufl. § 132 Rdn. 20 i.V. mit § 121 Rdn. 21; zustimmend Zöller/Gummer ZPO 23. Aufl. § 132 GVG; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 61. Aufl. § 132 GVG Rdn. 7). So liegen die Dinge hier. Auch wenn man der Auffassung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs folgte und aus § 1904 BGB herleitete, daß in Fällen der Sterbehilfe (im weiteren Sinne) die Zustimmung des Betreuers zur Einstellung der künstlichen Ernährung die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderte, müßte das Vormundschaftsgericht auf den Antrag des Beteiligten hin tätig werden und prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen der Beteiligte seine Einwilligung in die Beibehaltung der Magensonde und die Fortdauer der künstlichen Ernährung des Betroffenen unterlassen darf. Für das in § 132 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 GVG vorgeschriebene Verfahren ist mithin im vorliegenden Fall kein Raum.

V.

Die Entscheidungen von Amts- und Landgericht können danach nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden. Vormundschafts- und Beschwerdegericht haben eine gerichtliche Prüfungszuständigkeit verneint und folgerichtig keine Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen getroffen, die den Beteiligten berechtigen könnten, seine Einwilligung in eine Fortführung der bisherigen Behandlung des Betroffenen nicht zu erteilen. Die Sache war daher an das Amtsgericht zurückzuverweisen, damit es die notwendigen Feststellungen nachholen und auf dieser Grundlage die ihm zuerkannte Prüfungsaufgabe wahrnehmen kann.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Ahlt

(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 61/16
vom
6. Juli 2016
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 1901 a, 1901 b, 1904
a) Der Bevollmächtigte kann in eine der in § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB genannten
Maßnahmen nur einwilligen, nicht einwilligen oder die Einwilligung widerrufen
, wenn der Vollmachttext hinreichend klar umschreibt, dass sich die Entscheidungskompetenz
des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen
Maßnahmen sowie darauf bezieht, sie zu unterlassen oder am Betroffenen
vornehmen zu lassen. Hierzu muss aus der Vollmacht auch deutlich werden,
dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines
schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein
kann.
b) Einem für einen Betroffenen bestehenden Betreuungsbedarf wird im Zusammenhang
mit der Entscheidung zur Durchführung von lebensverlängernden Maßnahmen
im Sinne des § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB durch eine Bevollmächtigung
erst dann nicht ausreichend Genüge getan, wenn offenkundig ist, dass der
Bevollmächtigte sich mit seiner Entscheidung über den Willen des Betroffenen
hinwegsetzen würde.
c) Die schriftliche Äußerung, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen,
enthält für sich genommen nicht die für eine bindende Patientenverfügung notwendige
konkrete Behandlungsentscheidung des Betroffenen. Die insoweit erforderliche
Konkretisierung kann aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter
ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte
Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.
BGH, Beschluss vom 6. Juli 2016 - XII ZB 61/16 - LG Mosbach
AG Adelsheim
ECLI:DE:BGH:2016:060716BXIIZB61.16.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Juli 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mosbach vom 26. Januar 2016 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Wert: 5.000 €

Gründe:

A.

1
Die im Jahre 1941 geborene Betroffene erlitt Ende November 2011 einen Hirnschlag. Noch im Krankenhaus wurde ihr eine PEG-Sonde gelegt, über die sie seitdem ernährt wird und Medikamente verabreicht bekommt. Im Januar 2012 wurde sie in ein Pflegeheim aufgenommen. Die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Fähigkeit zur verbalen Kommunikation verlor die Betroffene infolge einer Phase epileptischer Anfälle im Frühjahr 2013.
2
Aus der Ehe der Betroffenen mit ihrem - im Februar 2013 verstorbenen - Ehemann sind drei volljährige Töchter (die Beteiligten zu 1 bis 3) hervorgegangen. Bereits am 10. Februar 2003 hatte die Betroffene eine schriftliche "Patientenverfügung" folgenden Inhalts unterzeichnet: "Für den Fall, daß ich (…) aufgrund von Bewußtlosigkeit oder Bewußt- seinstrübung (…) nicht mehr in der Lage bin, meinen Willen zu äußern, verfüge ich: Solange eine realistische Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens besteht, erwarte ich ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfung der angemessenen Möglichkeiten. Dagegen wünsche ich, daß lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben , wenn medizinisch eindeutig festgestellt ist, - daß ich mich unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozeß befinde, bei dem jede lebenserhaltende Therapie das Sterben oder Leiden ohne Aussicht auf Besserung verlängern würde, oder - daß keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewußtseins besteht, oder - daß aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt, oder - daß es zu einem nicht behandelbaren, dauernden Ausfall lebenswichtiger Funktionen meines Körpers kommt. Behandlung und Pflege sollen in diesen Fällen auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist. Ich möchte in Würde und Frieden sterben können, nach Möglichkeit in meiner vertrauten Umgebung. Aktive Sterbehilfe lehne ich ab. Ich bitte um menschliche und seelsorgerische Begleitung."
3
In derselben Urkunde erteilte sie für den Fall, dass sie außerstande sein sollte, ihren Willen zu bilden oder zu äußern, der Beteiligten zu 2 (im Folgenden : Bevollmächtigte) als ihrer Vertrauensperson die Vollmacht, "an meiner Stelle mit der behandelnden Ärztin (…) alle erforderlichen Entscheidungen abzusprechen. Die Vertrauensperson soll meinen Willen im Sinne dieser Patientenverfügung einbringen und in meinem Namen Einwendungen vortragen, die die Ärztin (…) berücksichtigen soll."
4
Patientenverfügung und Vollmacht erneuerte die Betroffene am 18. November 2011 wortlautidentisch. Darüber hinaus erteilten die Betroffene und ihr Ehemann sich mit notarieller Urkunde vom 26. Februar 2003 gegenseitige Generalvollmacht und setzten als Ersatzbevollmächtigte an erster Stelle die Bevollmächtigte und an zweiter Stelle die Beteiligte zu 1 ein. In der Vollmachtsurkunde heißt es unter anderem: "Die Vollmacht berechtigt auch zur Vertretung in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung, insbesondere im Sinne von § 1904 BGB. Der Bevollmächtigte kann auch in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes , in eine Heilbehandlung oder in die Durchführung eines ärztlichen Eingriffs einwilligen, die Einwilligung hierzu verweigern oder zurücknehmen, Krankenunterlagen einsehen und in deren Herausgabe an Dritte einwilligen. (…) Die Vollmacht enthält die Befugnis, über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen zu entscheiden. Wir wurden darüber belehrt, dass solche Entscheidungen unter bestimmten engen Voraussetzungen in Betracht kommen. Im Falle einer zum Tode führenden Erkrankung legen wir keinen Wert auf lebensverlängernde Maßnahmen, wenn feststeht, dass eine Besserung des Zustandes nicht erwartet werden kann. Die Vollmachtgeber wünschen eine angemessene und insbesondere schmerzlindernde Behandlung, nicht jedoch die künstliche Lebensverlängerung durch Gerätschaften. Die Schmerzlinderung hat nach Vorstellung der Vollmachtgeber Vorrang vor denkbarer Lebensverkürzung, welche bei der Gabe wirksamer Medikamente nicht ausgeschlossen werden kann."
5
Die Bevollmächtigte und die die Betroffene behandelnde Hausärztin sind übereinstimmend der Auffassung, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung nicht dem in der Patientenverfügung geäußerten Willen der Betroffenen entspricht. Demgegenüber vertreten die beiden anderen Töchter, die Beteiligten zu 1 und zu 3, die gegenteilige Meinung.
6
Die Beteiligte zu 1 hat daher im März 2015 beim Betreuungsgericht die Anträge "auf Umsetzung der Patientenverfügung und auf Befolgung des Patientenwillens" sowie "auf Entzug des Betreuungsrechtes" der Bevollmächtigten gestellt; die Beteiligte zu 3 hat sich dem angeschlossen. Das Amtsgericht hat dies als Antrag auf Anordnung einer Kontrollbetreuung ausgelegt und diesen zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und die Beteiligte zu 1 "zur Be- treuerin mit dem Aufgabenkreis des Widerrufs der von der Betroffenen (…) er- teilten Vollmachten, allerdings nur für den Bereich der Gesundheitsfürsorge, bestellt."
7
Hiergegen wendet sich die Bevollmächtigte mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erstrebt.

B.

8
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ohne Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Bevollmächtigte berechtigt, die Rechtsbeschwerde im eigenen Namen einzulegen. Dies folgt zwar entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde weder aus § 303 Abs. 4 FamFG, der lediglich die Befugnis des Bevollmächtigten zur Einlegung im Namen des Betroffenen regelt, noch aus einer unmittelbaren Beeinträchtigung eigener Rechte im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG (vgl. Senatsbeschluss vom 15. April 2015 - XII ZB 330/14 - FamRZ 2015, 1015 Rn. 9 mwN). Die Beschwerdeberechtigung ergibt sich aber aus § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG, weil die Bevollmächtigte als Tochter der Betroffenen zu dem von dieser Vorschrift genannten Personenkreis gehört, in den vorhergehenden Rechtszügen beteiligt worden ist und die Rechtsbeschwerde jedenfalls auch im Interesse der Betroffenen eingelegt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 4. März 2015 - XII ZB 396/14 - FamRZ 2015, 843 Rn. 6 ff. mwN).
9
Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

I.

10
Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung einer Betreuung lägen vor. Die Betroffene befinde sich seit zweieinhalb Jahren in einem Zustand massiver Beeinträchtigung der Hirnfunktion, unfähig zur Kommunikation mit der Umwelt. Die Vollmacht stehe der Bestellung eines Kontrollbetreuers nicht entgegen. Wie sich aus dem im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten ergebe, sei unwiederbringlich ein Dauerschaden am Gehirn der Betroffenen eingetreten. Mithin wäre es die Pflicht der Bevollmächtigten gewesen, den Willen der Betroffenen umzusetzen, die gewünscht habe, dass lebensverlängernde Maßnahmen - zu denen das Befüllen einer gelegten PEG-Sonde mit Nahrung gehöre - unterblieben. Denn es stehe fest, dass auf Grund von Krankheit ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe. Für diesen Fall habe die Betroffene in der Patientenverfügung aber festgelegt, dass die Behandlung und Pflege nur noch auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein solle.
11
Davon, dass das Unterlassen der Nahrungszufuhr zu einem qualvollen Verhungern führen werde, sei nach dem Sachverständigengutachten nicht auszugehen. Die fehlende Flüssigkeitszufuhr habe den Ausfall der Nierenfunktion zur Folge, wodurch es zum urämischen Koma mit Bewusstlosigkeit und nachfolgender Beeinträchtigung der Herz-, Kreislauf- und Atemfunktion komme. Durch angemessene palliativmedizinische Versorgung könne unnötigem Leid im Rahmen des Sterbeprozesses wirksam begegnet werden.

II.

12
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zwar entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde eine so genannte Kontrollbetreuung im Sinne des § 1896 Abs. 3 BGB angeordnet, wie sich aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses eindeutig ergibt. Es hat aber zu Unrecht das Vorliegen derer Voraussetzungen bejaht.
13
1. Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Landgericht die Beteiligte zu 2 als Bevollmächtigte der Betroffenen im Sinne des § 1896 Abs. 3 BGB für den Bereich der gesamten Gesundheitsfürsorge und insbesondere auch für Fragen im Zusammenhang mit Fortführung oder Abbruch der künstlichen Ernährung angesehen hat.
14
a) Mit der notariellen Urkunde vom 26. Februar 2003 hat die Betroffene der Beteiligten zu 2 eine Vorsorgevollmacht für den Bereich der Gesundheitsfürsorge erteilt, indem sie ihr die Vertretung in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung übertragen hat.
15
Damit ist die Bevollmächtigte auch ohne weiteres ermächtigt, zu entscheiden , dass lebensverlängernde ärztliche Maßnahmen nicht beendet wer- den. Insoweit muss die Vollmacht nicht den Anforderungen des § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB genügen. Nach dieser Vorschrift ist einem Bevollmächtigten das Recht, in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, in eine Heilbehandlung oder in einen ärztlichen Eingriff bei Vorliegen der in § 1904 Abs. 1 und 2 BGB genannten besonderen Gefahrensituation einzuwilligen, nicht einzuwilligen oder die Einwilligung zu widerrufen, nur unter der Voraussetzung eingeräumt, dass die Vollmacht diese Maßnahmen ausdrücklich umfasst und schriftlich erteilt ist. § 1904 Abs. 1 BGB erfasst die Einwilligung in Maßnahmen, mit deren Durchführung die begründete Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden ist. Dies ist bei der bloßen Fortführung einer lebenserhaltenden künstlichen Ernährung - anders als bei deren Abbruch (vgl. dazu Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 11 ff. mwN) - gerade nicht der Fall. § 1904 Abs. 2 BGB wiederum betrifft die Unterlassung oder Beendigung von lebenserhaltenden Maßnahmen, nicht jedoch deren Fortführung (zur strafrechtlichen Bewertung vgl. Haas JZ 2016, 714 ff.).
16
b) Die der Bevollmächtigten erteilte notarielle Vollmacht würde aber auch zur Abgabe des für die Beendigung der künstlichen Ernährung der Betroffenen erforderlichen Widerrufs der Einwilligung ermächtigen, weil sie die von § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB für die rechtliche Gleichstellung des Bevollmächtigten mit dem Betreuer (§ 1904 Abs. 5 Satz 1 BGB) geforderten Voraussetzungen erfüllt.
17
aa) Voraussetzung dafür, dass der Bevollmächtigte nach § 1904 BGB die Einwilligung, Nichteinwilligung und den Widerruf der Einwilligung des einwilligungsunfähigen Betroffenen rechtswirksam ersetzen kann, ist neben der Schriftform (§ 126 BGB) der Vollmacht, dass diese inhaltlich § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB genügt. Aus dem Sinn des Gesetzes, dem Vollmachtgeber die Tragweite der Bevollmächtigung deutlich vor Augen zu führen (vgl.
MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1904 Rn. 75), folgt zwar nicht, dass der Wortlaut von § 1904 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB wiedergegeben werden muss. Nicht ausreichend ist jedoch allein der Verweis auf die gesetzliche Bestimmung , weil ein solcher keine ausdrückliche Nennung der Maßnahmen beinhaltet und damit den mit § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB bezweckten Schutz des Vollmachtgebers (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 34; HK-BUR/Bauer [Stand: Oktober 2015] § 1904 BGB Rn. 127) nicht gewährleisten kann (Staudinger/Bienwald BGB [2013] § 1904 Rn. 116). Der Vollmachttext muss vielmehr hinreichend klar umschreiben, dass sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen Maßnahmen sowie darauf bezieht, diese zu unterlassen oder am Betroffenen vornehmen zu lassen (vgl. MünchKommBGB/ Schwab 6. Aufl. § 1904 Rn. 75).
18
Hierzu muss aus der Vollmacht auch deutlich werden, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann (LG Hamburg FamRZ 1999, 1613, 1614; HK-BUR/Bauer [Stand: Oktober 2015] § 1904 Rn. 127; Dodegge/Fritsche NJ 2001, 176, 181; Müller DNotZ 2010, 169, 186; tendenziell ebenso: jurisPK-BGB/Jaschinski [Stand: 7. September 2015] § 1904 Rn. 121; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 1. März 2010] § 1904 Rn. 145; a.A. OLG Zweibrücken FamRZ 2003, 113, 114 zu § 1904 Abs. 2 BGB aF; MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1904 Rn. 74; Diehn FamRZ 2009, 1958; Diehn/Rebhan NJW 2010, 326, 329; Müller DNotZ 1999, 107, 112 zu § 1904 Abs. 2 BGB aF).
19
(1) Dies legt bereits der Wortlaut der Vorschrift nahe. In § 1904 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB werden als Maßnahmen nicht allgemein die den Bereich der Gesundheitsfürsorge beschreibenden Elemente der Untersuchung des Gesundheitszustands, der Heilbehandlung und des ärztlichen Eingriffs ge- nannt, sondern nur solche, bei denen die dort näher beschriebene begründete Gefahr besteht. Nur auf Maßnahmen mit dieser qualifizierten Gefahrensituation bezieht sich § 1904 BGB, und nur für solche schreibt § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB die besonderen Anforderungen an eine Bevollmächtigung vor.
20
(2) Das Erfordernis, dass diese Gefahrenlage in der Vollmacht zum Ausdruck kommt, ergibt sich jedenfalls eindeutig aus dem Gesetzeszweck. Zum einen soll dem Vollmachtgeber durch den Vollmachttext unmissverständlich vor Augen geführt werden, dass er dem Bevollmächtigten (auch) für Situationen, in denen die Gefahr des Todes oder schwerer und länger dauernder Gesundheitsschäden besteht, die Entscheidungsbefugnis überträgt, die dann gegebenenfalls auch Fragen der passiven Sterbehilfe umfasst. Zum anderen soll der Vollmachttext es auch Dritten ermöglichen, zweifelsfrei nachzuvollziehen, dass es dem Willen des Betroffenen entspricht, dem Bevollmächtigten die Entscheidung in Angelegenheiten der Gesundheitsfürsorge gerade auch in den von § 1904 BGB erfassten Situationen zu überantworten, in denen es buchstäblich um Leben oder Tod geht.
21
(3) Dies steht mit dem Willen des Gesetzgebers im Einklang.
22
Eine dem § 1904 Abs. 5 BGB vergleichbare Regelung wurde erstmals mit dem Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts und weiterer Vorschriften vom 25. Juni 1998 (BGBl. I S. 1580; Betreuungsrechtsänderungsgesetz - BtÄndG) eingeführt, mit dem der bis zum 31. August 2009 geltende Absatz 2 an § 1904 BGB angefügt wurde. Danach galt § 1904 Abs. 1 BGB auch für Bevollmächtigte, wobei die Einwilligung des Bevollmächtigten nur wirksam war, wenn die Vollmacht schriftlich erteilt war und die in Absatz 1 Satz 1 genannten Maßnahmen ausdrücklich umfasste. Nach den Gesetzesmaterialien sollte sich die Vollmacht "ausdrücklich - zumindest auch - auf Untersuchungen des Gesundheitszustandes, auf Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe" beziehen (BT-Drucks 13/7158 S. 34). Die Bezeichnung der Gefahrensituation war in der Begründung des Gesetzentwurfs nicht genannt.
23
Selbst wenn sich daraus entnehmen ließe, dass der Gesetzgeber ursprünglich die Rechtsmacht zur Einwilligung in eine Maßnahme nach § 1904 Abs. 1 BGB nicht an die Bezeichnung der Gefahrenlage in der Vollmacht knüpfen wollte, wäre dies durch die weitere Gesetzgebung überholt. Mit der zum 1. September 2009 in Kraft getretenen Neuregelung durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2286; sog. Patientenverfügungsgesetz) hat der Gesetzgeber nicht nur in § 1904 Abs. 2 BGB Regelungen mit Blick auf die so genannte passive Sterbehilfe erlassen. Er hat darüber hinaus in § 1904 Abs. 4 BGB auch vorgesehen, dass bei Einvernehmen zwischen Betreuer oder Bevollmächtigtem und behandelndem Arzt das Erfordernis einer gerichtlichen Genehmigung entfällt, und zwar sowohl bei passiver Sterbehilfe als auch in den Fällen des weiter geltenden § 1904 Abs. 1 BGB. Mit der Änderung des § 1904 Abs. 5 BGB wollte der Gesetzgeber sicherstellen , dass von der Vollmacht "Entscheidungen nach den Absätzen 1 und 2 ausdrücklich umfasst sind" (BT-Drucks. 16/8442 S. 19). Solche Entscheidungen sind aber nur diejenigen, bei denen die qualifizierte Gefahrensituation besteht. Damit korrespondiert der Umstand, dass durch die Gesetzesänderung die einem Bevollmächtigten übertragbaren Befugnisse bei gleichzeitiger Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle deutlich erweitert worden sind. Dies verstärkt die mit § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB verbundene Notwendigkeit erheblich, dem Vollmachtgeber die möglichen schwerwiegenden Konsequenzen der Vollmachterteilung und damit auch die besondere Gefahrenlage eindeutig vor Augen zu führen.
24
Diese inhaltlichen Anforderungen des § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB an die Vollmacht führen nicht zu einer ungerechtfertigten "Benachteiligung" des Bevollmächtigten gegenüber einem Betreuer (so aber wohl allgemein Spickhoff Medizinrecht 2. Aufl. § 1904 BGB Rn. 18). Denn die Vollmacht erteilt der Bevollmächtigte , ohne dass zuvor zwingend eine rechtliche Beratung oder gar eine gerichtliche Überprüfung hinsichtlich der Eignung des Bevollmächtigten erfolgt. Dann entspricht es aber dem wohlverstandenen Schutz des Vollmachtgebers , ihm durch die Vollmacht selbst zu verdeutlichen, dass er dem Bevollmächtigten die Entscheidung über sein Schicksal in ganz einschneidenden Gefahrenlagen anvertraut. Demgegenüber hat der Betreuerbestellung eine umfassende gerichtliche Prüfung vorauszugehen, wegen der es keines weiteren Schutzes vor einer unüberlegten Übertragung der entsprechenden Rechtsmacht auf den Betreuer als den Dritten bedarf.
25
bb) Ob die von der Betroffenen erteilten privatschriftlichen Vollmachten diesen inhaltlichen Erfordernissen gerecht werden, unterliegt Bedenken, kann aber letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls die notarielle Vollmacht genügt den gesetzlichen Anforderungen.
26
(1) Indem die mit "Vollmacht" überschriebenen Texte vom 10. Februar 2003 und vom 18. November 2011 auf die jeweils in derselben Urkunde enthaltenen und von der Unterschriftsleistung mit erfassten "Patientenverfügungen" Bezug nehmen, in denen lebensverlängernde ärztliche Maßnahmen ebenso wie ihre Vornahme und ihr Unterbleiben ausdrücklich genannt sind, werden die Maßnahmen zwar in einer § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB genügenden Weise umschrieben. Der jeweilige Text der Vollmacht enthält jedoch lediglich die Ermächtigung , an Stelle der Betroffenen die erforderlichen Entscheidungen mit den Ärzten "abzusprechen". Dabei soll die Bevollmächtigte den in der Patientenver- fügung geäußerten Willen "einbringen" sowie "Einwendungen vortragen", die die Ärzte dann "berücksichtigen" sollen.
27
Dies könnte dahin zu verstehen sein, dass der Bevollmächtigten in diesen Urkunden nicht das Recht zur Letztentscheidung übertragen ist, das allein der Befugnis der (noch) einwilligungsfähigen Betroffenen entsprechen würde, im Außenverhältnis gegebenenfalls auch gegen ärztlichen Rat über die Frage von Erfolgen oder Unterbleiben der in § 1904 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB genannten Maßnahmen zu entscheiden. Denn nach ihrem Wortlaut beinhaltet die Vollmacht jeweils lediglich die Ermächtigung der Bevollmächtigten zur Mitsprache in den in der Patientenverfügung genannten Fallgestaltungen , nicht aber zur Bestimmung der Vorgehensweise. Dies entspräche nicht der § 1904 Abs. 1 bis 4 BGB zugrundeliegenden Rechtsmacht des Betreuers, die (Nicht-)Einwilligung oder den Widerruf der Einwilligung abzugeben. Vielmehr würde es allenfalls die den Bevollmächtigten bei Vorliegen einer Patientenverfügung allgemein nach § 1901 a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 BGB treffende Pflicht abdecken, dem Willen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu verschaffen.
28
(2) Jedenfalls die notarielle Vollmacht vom 26. Februar 2003 überträgt der Bevollmächtigten aber zweifelsfrei die Entscheidungsbefugnis im Bereich der Gesundheitsfürsorge und bedient sich dabei teilweise des Wortlauts von § 1904 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB, indem Untersuchung des Gesundheitszustands , Heilbehandlung und ärztlicher Eingriff sowie die Einwilligung - nebst Verweigerung und Zurücknahme - benannt sind. Darüber hinaus ist in der Vollmacht ausdrücklich die Befugnis aufgeführt, über den Abbruch von lebensverlängernden Maßnahmen zu entscheiden, womit zugleich auch die mit dem Widerruf der Einwilligung verbundene begründete Gefahr des Todes und damit die von § 1904 Abs. 2 BGB insoweit erfasste besondere Gefahrensituation ausreichend deutlich im Text bezeichnet ist.
29
2. Im Grundsatz zutreffend geht das Landgericht weiter davon aus, dass gemäß § 1896 Abs. 3 BGB ein Betreuer zur Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestellt und unter bestimmten Voraussetzungen auch zum Widerruf der Vollmacht ermächtigt werden kann.
30
a) Mit einer Kontrollbetreuung kann im Falle einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht für eine Kontrolle des Bevollmächtigten gesorgt werden, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen , geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen und gegebenenfalls die Vollmacht zu widerrufen. Eine Kontrollbetreuung darf jedoch wie jede andere Betreuung (vgl. § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist. Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall bestellt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden, kann das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen. Denn der Wille des Vollmachtgebers ist auch bei der Frage der Errichtung einer Kontrollbetreuung zu beachten (vgl. § 1896 Abs. 1a BGB). Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird (Senatsbeschluss vom 23. September 2015 - XII ZB 624/14 - FamRZ 2015, 2163 Rn. 14 f. mwN).
31
Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist, oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (Senatsbeschluss vom 23. September 2015 - XII ZB 624/14 - FamRZ 2015, 2163 Rn. 16 mwN).
32
b) Dem Kontrollbetreuer kann auch der Aufgabenkreis Vollmachtwiderruf übertragen werden. Dies setzt tragfähige Feststellungen voraus, dass das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt. Sind behebbare Mängel bei der Vollmachtausübung festzustellen, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz regelmäßig zunächst den Versuch, durch einen zu bestellenden (Kontroll-)Betreuer auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken. Nur wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder es aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Sicherheit als ungeeignet erscheint, drohende Schäden auf diese Weise abzuwenden, ist die Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf, der die ultima ratio darstellt, verhältnismäßig (Senatsbeschluss vom 23. September 2015 - XII ZB 624/14 - FamRZ 2015, 2163 Rn. 17 mwN).
33
3. Entgegen der Annahme des Landgerichts sind bei Anlegung dieses rechtlichen Maßstabs die Voraussetzungen für eine Kontrollbetreuung mit Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf hier aber nicht erfüllt. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass dem für einen Betroffenen bestehenden Betreuungsbedarf nicht ausreichend genügt wird, und Umstände, die die Ermächtigung zum Widerruf einer Vollmacht rechtfertigen, können sich zwar grundsätzlich auch im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bevollmächtigten zur Durchführung von lebensverlängernden Maßnahmen im Sinne des § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB ergeben (vgl. Staudinger/Bienwald BGB [2013] § 1904 Rn. 121). Hierfür müsste sich der Bevollmächtigte offenkundig über den - insbesondere in einer Patientenverfügung niedergelegten - Willen des Betroffenen hinwegsetzen. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
34
a) Die den Bevollmächtigten treffenden Pflichten bei der Entscheidung darüber, ob lebensverlängernde Maßnahmen erfolgen sollen, folgen aus der Systematik der §§ 1901 a, 1901 b, 1904 BGB.
35
aa) Der Bevollmächtigte muss nach § 1901 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 BGB prüfen, ob eine eigene, in einer Patientenverfügung im Sinne der Legaldefinition des § 1901 a Abs. 1 Satz 1 BGB niedergelegte Entscheidung des Betroffenen vorliegt und ob diese auf die aktuell eingetretene Lebens- und Behandlungssituation des Betroffenen zutrifft. In diesem Zusammenhang hat der Bevollmächtigte auch zu hinterfragen, ob die Entscheidung noch dem Willen des Betroffenen entspricht, was die Prüfung einschließt, ob das aktuelle Verhalten des nicht mehr entscheidungsfähigen Betroffenen konkrete Anhaltspunkte dafür liefert, dass er unter den gegebenen Umständen den zuvor schriftlich geäußerten Willen nicht mehr gelten lassen will, und ob er bei seinen Festlegungen diese Lebenssituation mitbedacht hat (vgl. BT-Drucks. 16/8442 S. 14/15). Dabei hat er gemäß § 1901 b Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB die Maßnahme unter Berücksichtigung des Patientenwillens mit dem behandelnden Arzt zu erörtern; nach § 1901 b Abs. 2 und 3 BGB soll nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, wenn dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist (vgl. auch BT-Drucks. 16/8442 S. 15).
36
Liegt eine wirksame und auf die aktuelle Situation zutreffende Patientenverfügung vor, hat der Betroffene die Entscheidung selbst getroffen. Dem Bevollmächtigten obliegt es dann gemäß § 1901 a Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 BGB nur noch, dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu verschaffen (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 14 mwN). Anderenfalls hat der Bevollmächtigte gemäß § 1901 a Abs. 2 und 5 BGB die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen (vgl. dazu Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 25 ff. mwN), hierbei wiederum §§ 1901 a, 1901 b BGB zu beachten und auf dieser Grundlage zu entscheiden.
37
Dabei kann es im Einzelfall schwierig oder auch unmöglich sein, den Behandlungswillen eines entscheidungsunfähigen Betroffenen festzustellen (BT-Drucks. 16/8442 S. 12). Kann ein auf die Durchführung, die Nichteinleitung oder die Beendigung einer ärztlichen Maßnahme gerichteter Wille des Betroffenen auch nach Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen nicht festgestellt werden, gebietet es das hohe Rechtsgut auf Leben, entsprechend dem Wohl des Betroffenen zu entscheiden und dabei dem Schutz seines Lebens Vorrang einzuräumen (BT-Drucks. 16/8442 S. 16).
38
bb) Besteht zwischen dem Bevollmächtigten und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber, welche Vorgehensweise dem Willen des Betroffenen nach § 1901 a Abs. 1 und 2 BGB entspricht, bedarf selbst eine Maßnahme im Sinne des § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB keiner gerichtlichen Genehmigung (§ 1904 Abs. 4 und Abs. 5 Satz 1 BGB). Einen Antrag auf betreuungsgerichtliche Genehmigung der Einwilligung in den Abbruch etwa einer künstlichen Ernährung als lebensverlängernder Maßnahme müsste das Betreuungsgericht dann ohne weitere gerichtliche Ermittlungen ablehnen und ein sogenanntes Negativattest erteilen, aus dem sich ergibt, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 20). Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers sichergestellt sein, dass eine gerichtliche Genehmigung nur in Konfliktfällen erforderlich ist.
39
Dem Schutz des Patienten vor einem etwaigen Missbrauch der Befugnisse des Bevollmächtigten wird zum einen dadurch Rechnung getragen, dass eine wechselseitige Kontrolle zwischen Arzt und Betreuer bei der Entscheidungsfindung stattfindet. Zum anderen kann jeder Dritte, insbesondere Ehegatte , Lebenspartner, Verwandter oder Vertrauensperson des Betreuten, aufgrund des Amtsermittlungsprinzips im Betreuungsverfahren jederzeit eine betreuungsgerichtliche Kontrolle der Entscheidung des Bevollmächtigten in Gang setzen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 18; BT-Drucks. 16/8442 S. 19).
40
cc) Darüber hinaus kann zum einen die Patientenverfügung Nähereszu den Pflichten des Bevollmächtigten bei der Entscheidung über lebensverlängernde Maßnahmen regeln, etwa dass sie trotz konkreter Entscheidungen nicht unmittelbar gelten soll, sondern der Bevollmächtigte immer die Entscheidung über die Behandlung zu treffen und welchen Entscheidungsspielraum er hierbei hat (BT-Drucks. 16/8442 S. 15). Zum anderen kann auch die Vollmacht weitere Pflichten des Bevollmächtigten festlegen oder Pflichten und Befugnisse in ihrem Umfang näher konkretisieren.
41
b) Bei der Beurteilung, ob mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf Genüge getan wird und ob bei Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht sogar - wie für die Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf erforderlich - eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere zu befürchten ist, muss die gesetzgeberische Wertung zum Pflichtenprogramm des Bevollmächtigten und zur gerichtlichen Kon- trolldichte von Entscheidungen bei lebensverlängernden Maßnahmen Berücksichtigung finden.
42
Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen in §§ 1901 a und b, 1904 BGB das Ziel verfolgt, dem Betroffenen eine vorsorgende privatautonome Entscheidung der Fragen zu ermöglichen, die sich im Zusammenhang mit ärztlichen Maßnahmen zu einem Zeitpunkt stellen können, in dem der Betroffene zu einer eigenen rechtlich maßgeblichen Entscheidung mangels Einwilligungsfähigkeit nicht mehr in der Lage ist. Hierfür hat er einerseits die Möglichkeit der Patientenverfügung vorgesehen; andererseits kann der Betroffene eine Vertrauensperson mit der Umsetzung des Willens, aber auch mit einer eigenständigen Entscheidung auf der Grundlage des mutmaßlichen Willens des Betroffenen bevollmächtigen. Dem Grundsatz nach soll bei Vorliegen einer wirksamen Vollmacht eine betreuungsgerichtliche Befassung auf die Fälle des Konflikts zwischen Bevollmächtigtem und behandelndem Arzt beschränkt und ansonsten lediglich eine Missbrauchskontrolle vorzunehmen sein. Dieser gesetzgeberischen Wertung ist auch bei der Beurteilung der Frage, ob es einer Kontrollbetreuung - ggf. mit der Ermächtigung zum Widerruf der Vollmacht - bedarf, Rechnung zu tragen. Anderenfalls würde die durch die Instrumente der Vorsorgevollmacht und der Patientenverfügung erfolgte Stärkung des Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen über den Umweg der Kontrollbetreuung wieder entwertet.
43
Daraus erhellt, dass ein Kontrollbetreuer erst dann bestellt werden darf, wenn offenkundig ist, dass der Bevollmächtigte sich mit seiner Entscheidung über den Willen des Betroffenen hinwegsetzen würde. Dies wird gerade bei Einvernehmen zwischen Bevollmächtigtem und behandelndem Arzt nur selten der Fall sein. Bedeutung erlangt insoweit zum einen, wie verlässlich der Wille des Betroffenen ermittelt werden kann und inwieweit seine Äußerungen einer Wertung zugänglich sind. Zum anderen ist auch in den Blick zu nehmen, ob der Betroffene die Bindungswirkung seiner etwaigen Willensäußerung für den Bevollmächtigten eingeschränkt hat.
44
c) Dass die Bevollmächtigte sich in dieser Weise über den Willen der Betroffenen hinwegsetzt, wenn sie in den Abbruch der künstlichen Ernährung mittels PEG-Sonde nicht einwilligt, wird von den Feststellungen des Landgerichts nicht getragen.
45
aa) Die Betroffene hat entgegen der der Beschwerdeentscheidung offensichtlich zugrunde liegenden Annahme keine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 Satz 1 BGB erstellt, der sich eine in der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation bindende Entscheidung für die Fortführung oder den Abbruch der künstlichen Ernährung entnehmen lässt.
46
(1) Unmittelbare Bindungswirkung entfaltet eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB nur dann, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Von vornherein nicht ausreichend sind allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist. Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen aber auch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt , was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Maßgeblich ist nicht, dass der Betroffene seine eigene Biografie als Patient vorausahnt und die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtigt (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 29).
47
Die Äußerung, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, enthält jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung (vgl. BT-Drucks. 16/8442 S. 15; Palandt/Götz BGB 75. Aufl. § 1901 a Rn. 5). Die insoweit erforderliche Konkretisierung kann aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.
48
(2) Danach kommen sowohl die beiden privatschriftlichen Schriftstücke als auch die in der notariellen Vollmacht enthaltenen Äußerungen nicht als bindende , auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichtete Patientenverfügungen in Betracht. Sie beziehen sich nicht auf konkrete Behandlungsmaßnahmen , sondern benennen ganz allgemein "lebensverlängernde Maßnahmen". Auch im Zusammenspiel mit den weiteren Angaben ergibt sich nicht die für eine Patientenverfügung zu verlangende bestimmte Behandlungsentscheidung. Die notarielle Vollmacht bezeichnet mit einer "zum Tode führenden Krankheit" eine bei der Betroffenen nicht vorliegende Behandlungssituation. Die "Patientenverfügungen" stellen alternativ auf vier verschiedene Behandlungssituationen ab. Gerade die vom Landgericht angenommene eines schweren Dauerschadens des Gehirns ist so wenig präzise, dass sie keinen Rückschluss auf einen gegen konkrete Behandlungsmaßnahmen - hier die künstliche Ernährung mittels PEG-Sonde - gerichteten Willen der Betroffenen erlaubt.
49
bb) Die Bevollmächtigte hat bei der Ermittlung von auf den Abbruch oder die Fortsetzung der künstlichen Ernährung bezogenen Behandlungswünschen bzw. des mutmaßlichen Willens der Betroffenen (§ 1901 a Abs. 2 BGB) keine eine Kontrollbetreuung rechtfertigenden Pflichtverstöße begangen. Insbesondere ist sie ihrer aus § 1901 b Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB folgenden Pflicht nachgekommen , die ärztliche Maßnahme mit der behandelnden Ärztin zu erörtern.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts steht sie mit dieser im engen Kontakt und hat die Entscheidung mit ihr abgesprochen, also Einvernehmen darüber erzielt, dass ein auf Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteter Behandlungswunsch oder mutmaßlicher Wille der Betroffenen nicht feststellbar ist. Wie sich aus der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt, besucht sie die Betroffene regelmäßig, so dass sie sich ein Bild über die aktuelle Situation machen kann.
50
Tatrichterliche Feststellungen dazu, ob die Bevollmächtigte auch nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen der Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung gegeben und so § 1901 b Abs. 2 und 3 BGB genügt hat, liegen zwar nicht vor. Bei dieser Regelung handelt es sich nach dem eindeutigen Wortlaut jedoch lediglich um eine Soll-Vorschrift, deren Nichtbeachtung nicht zur Rechtswidrigkeit der (Nicht-)Einwilligung des Bevollmächtigten führt (MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1901 b Rn. 9). Zudem erlegt die "Patientenverfügung" der Bevollmächtigten vorliegend nur eine Absprache mit der behandelnden Ärztin, nicht aber mit sonstigen Dritten auf (vgl. auch MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1901 a Rn. 57).
51
cc) Die bislang getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme, dass das von der Bevollmächtigten gefundene Ergebnis offenkundig dem - als Behandlungswunsch geäußerten oder mutmaßlichen - Willen der Betroffenen widerspricht.
52
(1) Ein auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteter Behandlungswunsch der Betroffenen im Sinne des § 1901 a Abs. 2 BGB ist vom Landgericht nicht festgestellt und insbesondere den von der Betroffenen unterzeichneten Schriftstücken nicht zu entnehmen.
53
Einen solchen Behandlungswunsch können alle Äußerungen eines Betroffenen darstellen, die Festlegungen für eine konkrete Lebens- und Behandlungssituation enthalten, aber den Anforderungen an eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB nicht genügen, etwa weil sie nicht schriftlich abgefasst wurden, keine antizipierenden Entscheidungen treffen oder von einem minderjährigen Betroffenen verfasst wurden. Auch eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB, die jedoch nicht sicher auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation des Betroffenen passt und deshalb keine unmittelbare Wirkung entfaltet, kann als Behandlungswunsch Berücksichtigung finden. Behandlungswünsche sind insbesondere dann aussagekräftig, wenn sie in Ansehung der Erkrankung zeitnah geäußert worden sind, konkrete Bezüge zur aktuellen Behandlungssituation aufweisen und die Zielvorstellungen des Patienten erkennen lassen. An die Behandlungswünsche des Betroffenen ist der Bevollmächtigte nach § 1901 a Abs. 2 und 3 BGB gebunden (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 25). Für die Annahme eines Behandlungswunsches ist ein mit einer Patientenverfügung vergleichbares Maß an Bestimmtheit zu verlangen. Wann eine Maßnahme hinreichend bestimmt benannt ist, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Ebenso wie eine schriftliche Patientenverfügung sind auch mündliche Äußerungen des Betroffenen der Auslegung zugänglich (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 30).
54
Hier fehlt es der in den beiden handschriftlichen Patientenverfügungen sowie in der notariellen Vollmacht enthaltenen Bezeichnung "lebensverlängernde Maßnahmen" auch unter Berücksichtigung der weiteren in den Schriftstücken enthaltenen Angaben an der für einen auf Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteten Behandlungswunsch erforderlichen Bestimmtheit. Das Vorliegen eines mündlich geäußerten Behandlungswunschs hat das Landgericht nicht geprüft.
55
(2) Dass der mutmaßliche Wille der Betroffenen eindeutig auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichtet wäre, ist derzeit nicht feststellbar.
56
Auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen ist abzustellen, wenn sich sein auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation bezogener Wille nicht feststellen lässt. Der mutmaßliche Wille ist anhand konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln, insbesondere anhand früherer mündlicher oder schriftlicher Äußerungen (die jedoch keinen Bezug zur aktuellen Lebens- und Behandlungssituation aufweisen), ethischer oder religiöser Überzeugungen und sonstiger persönlicher Wertvorstellungen des Betroffenen (§ 1901 a Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB). Der Bevollmächtigte stellt letztlich eine These auf, wie sich der Betroffene selbst in der konkreten Situation entschieden hätte, wenn er noch über sich selbst bestimmen könnte (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 26).
57
Die Rechtsbeschwerde verweist hierzu mit Recht zum einen darauf, dass die Betroffene der künstlichen Ernährung mittels PEG-Sonde zu der Zeit, als sie selbst noch kommunikationsfähig war, nicht widersprochen hat, und zum anderen auf die von der Betroffenen bei der erstinstanzlichen Anhörung gezeigten Reaktionen, die im Übrigen auch der Schilderung der Betreuungsbehörde entsprechen. Hinzu kommt, dass die Betroffene nach dem Text der zuletzt im November 2011 und damit kurz vor dem Hirnschlag erteilten privatschriftlichen Vollmacht ihren in der "Patientenverfügung" geäußerten Willen lediglich in den Entscheidungsprozess eingebracht und berücksichtigt wissen wollte, woraus eine nur eingeschränkte Bindung und ein weiter Ermessensspielraum der Bevollmächtigten bei der im Dialog mit der behandelnden Ärztin zu findenden Entscheidung folgen. Zudem lässt die "Patientenverfügung" mit der Anknüpfung an die "Erhaltung eines erträglichen Lebens" und an die "angemessenen Möglichkeiten" sowie mit dem unscharfen Begriff des "schweren" Dauerschadens einen weiten Interpretationsspielraum. Dass die Bevollmächtigte diesen nur in dem vom Landgericht vertretenen Sinne, also auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichtet, hätte ausfüllen dürfen, ist nicht ansatzweise ersichtlich.
58
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten. Dass nach Einschätzung des Sachverständigen ein "Dauerschaden des Gehirns" der Betroffenen eingetreten und bei Einstellung der künstlichen Ernährung nicht mit einem "qualvollen Verhungern" zu rechnen ist, erlaubt keinen Rückschluss auf einen gegen die Fortführung der künstlichen Ernährung gerichteten mutmaßlichen Willen der Betroffenen.
59
d) Soweit das Landgericht die Kontrollbetreuung über die mit der Entscheidung über Abbruch oder Fortführung der künstlichen Ernährung zusammenhängenden Fragen hinaus auf die gesamte Gesundheitsfürsorge erstreckt hat, hat das aus Rechtsgründen ebenfalls keinen Bestand. Es wird weder im angefochtenen Beschluss aufgezeigt noch ist anderweitig ersichtlich, dass insoweit die Voraussetzungen für die Anordnung einer Kontrollbetreuung vorliegen. Der Begründung der Beschwerdeentscheidung sind Erwägungen allein im Zusammenhang mit der Entscheidung über lebensverlängernde Maßnahmen, nicht aber bezogen auf die übrige Gesundheitsfürsorge zu entnehmen. Dass die Bevollmächtigte ihre Vollmacht in den Angelegenheiten der sonstigen Gesundheitsfürsorge nicht zum Wohl der Betroffenen ausgeübt hätte, haben nicht einmal die Beteiligten zu 1 und zu 3 behauptet.

III.

60
Danach ist der angefochtene Beschluss gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und daher gemäß § 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
61
Dieses wird der Frage nachzugehen haben, ob die in den schriftlichen Stellungnahmen der Beteiligten zu 1 und zu 3 sowie der Schwester und der Cousine der Betroffenen behaupteten Äußerungen der Betroffenen gefallen sind und ob sich ihnen Behandlungswünsche oder - falls das nicht der Fall ist - jedenfalls Hinweise auf den mutmaßlichen Willen der Betroffenen entnehmen lassen. Außerdem gibt die Zurückverweisung dem Landgericht die Gelegenheit, die - wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt - bislang rechtsfehlerhaft im Beschwerdeverfahren unterbliebene persönliche Anhörung der Betroffenen nachzuholen. Nur wenn nach den weiteren Ermittlungen trotz des weiten Ermessensspielraums der Bevollmächtigten und der für die Auffassung der Bevollmächtigten sprechenden Umstände offenkundig sein sollte, dass die Bevollmächtigte sich über den auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteten Willen der Betroffenen hinwegsetzen würde, lägen die Voraussetzungen einer Kontrollbetreuung vor. Das Landgericht wird sich dann auch mit den Einwänden der Rechtsbeschwerde zur Betreuerauswahl und dazu, ob die Voraussetzungen für die Ermächtigung zum Widerruf der Vollmacht vorliegen, auseinanderzusetzen haben (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 206, 321 = FamRZ 2015, 1702 Rn. 33 ff.).
Dose Klinkhammer Nedden-Boeger Guhling Krüger
Vorinstanzen:
AG Adelsheim, Entscheidung vom 14.10.2015 - XVII 39/15 -
LG Mosbach, Entscheidung vom 26.01.2016 - 3 T 7/15 -

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 63/11 Verkündet am:
7. Februar 2012
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 823 Aa; § 249 Bb; ZPO § 286 A, G

a) Besteht die Pflichtverletzung in einer Unterlassung, ist diese für den Schaden
nur dann kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens
verhindert hätte. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt regelmäßig der
Geschädigte.

b) Die haftungsbegrenzende Rechtsfigur des hypothetischen Kausalverlaufs bei
rechtmäßigem Alternativverhalten kommt erst dann zum Tragen, wenn die
Ursächlichkeit der durchgeführten rechtswidrigen Behandlung für den behaupteten
Schaden festgestellt und mithin die Haftung grundsätzlich gegeben
ist.
BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - VI ZR 63/11 - OLG Köln
LG Köln
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Januar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll
und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 2. Februar 2011 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagten für durch seine Geburt entstandene Gesundheitsschäden in Anspruch.
2
Die Mutter des Klägers suchte in der 25. Schwangerschaftswoche aufgrund der Überweisung mit der Therapieempfehlung "Tokolyse und Cerclage" durch den die Schwangerschaft betreuenden niedergelassenen Gynäkologen das örtliche Krankenhaus auf. Nach einer Erstversorgung wurde sie am 17. Mai 1993 in die Frauenklinik der Beklagten zu 1 verlegt. Dort wurden bis zum 19. Mai 1993 eine intravenöse Tokolyse und eine Celestan-Prophylaxe durch- geführt. Am 19. Mai 1993 untersuchte der Beklagte zu 2 die Mutter des Klägers zur Klärung der Indikation für eine Cerclage. Wegen einer Infektion wurde von der Cerclage abgesehen und strikte Bettruhe verordnet. Ab dem 24. Mai 1993 war die Infektion abgeklungen. Die bisherige Behandlung wurde trotzdem fortgesetzt. Am 30. Mai 1993 um 21.30 Uhr musste die Schwangerschaft durch sectio beendet werden. Der Kläger wurde um 22.26 Uhr in schlaffem, zyanotischem Zustand ohne Eigenatmungsbestrebungen geboren. Das Geburtsgewicht betrug 960 g bei einer Körperlänge von 38 cm und einem Kopfumfang von 26 cm. Der Kläger wurde in das Perinatalzentrum verlegt. Am 31. Mai 1993 trat bei ihm eine Hirnblutung 4. Grades auf. Der Kläger stützt, nachdem er anfänglich den Beklagten Behandlungsfehler angelastet hatte, nunmehr sein Schadensersatzbegehren auf eine wegen unterbliebener Aufklärung seiner Mutter über die Möglichkeit der Cerclage rechtswidrige Fortführung der konservativen Behandlung.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert, den Schmerzensgeldanspruch dem Grunde nach zugesprochen und die Ersatzpflicht der Beklagten für entstandene und künftig entstehende materielle Schäden unter Vorbehalt der auf Dritte übergegangenen Ansprüche festgestellt. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision begehren die Beklagten, das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
5
Die Behandlung der Mutter des Klägers sei jedenfalls ab dem 24. Mai 1993 wegen einer mangels ordnungsgemäßer Aufklärung unwirksamen Einwilligung in die Fortsetzung der konservativen Behandlung rechtswidrig gewesen. Zwar sei anfänglich eine Cerclage aufgrund der bei der Schwangeren aufgetretenen Infektion kontraindiziert gewesen. Nach dem Abklingen der Infektion wäre eine solche aber in Frage gekommen. Darüber hätte die Mutter des Klägers aufgeklärt werden müssen. Die konservative Behandlung einerseits und die Cerclage andererseits hätten unterschiedliche Chancen und Risiken mit sich gebracht und seien beide als Mittel in Betracht gekommen, den Frühgeburtsbestrebungen bei der Mutter des Klägers entgegenzuwirken. Die Cerclage habe die Möglichkeit einer Stabilisierung mit der Folge der Verlängerung der Tragezeit geboten. Allerdings hätten die Risiken einer Verletzung der Fruchtblase und des Wiederaufflammens der Infektion bestanden. Eine Tragezeitverlängerung sei bei der konservativen Behandlung, die eine geringere mechanische Stabilisierung geboten habe, nicht ausgeschlossen. Zwar habe der Sachverständige betont, dass er persönlich eine Cerclage auch in der Zeit ab dem 24. Mai 1993 wegen des hohen Risikos der Verletzung der Fruchtblase und der aus seiner Sicht fehlenden Vorteile gegenüber der konservativen Behandlung nicht vorgenommen hätte. Doch hätte die weitere Verfahrensweise unter Aufklärung über die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten mit der Patientin besprochen werden müssen. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten hätten nicht dargelegt und bewiesen, dass die Mutter des Klägers sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung für die Fortsetzung der konservativen Behandlung entschieden hätte. Aufgrund der persönlichen Anhörung der Mutter des Klägers sei plausibel, dass diese im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung über die zur Verfügung stehenden Behandlungsalternativen in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre. Die Behandlung der Mutter des Klägers sei dementsprechend jedenfalls ab dem 24. Mai 1993 nicht mehr von ihrer Einwilligung gedeckt und damit rechtswidrig.
6
Es sei auch davon auszugehen, dass die Frühgeburt des Klägers und die damit verbundenen gravierenden gesundheitlichen Schäden zumindest mit auf der rechtswidrigen Fortsetzung der konservativen Behandlung der Mutter beruhen. Mit dem konservativen Behandlungsregime sollte zwar den Frühgeburtsbestrebungen entgegengewirkt und erreicht werden, dass die Tragezeit so lange wie möglich verlängert würde. Dazu sei dieses Behandlungsregime allerdings letztlich nicht geeignet gewesen. Es sei vielmehr trotz des konservativen Behandlungsregimes zu der Frühgeburt des Klägers mit den damit verbundenen gravierenden Folgen gekommen. Der Annahme der Kausalität der rechtswidrigen Behandlung für den eingetretenen Schaden stehe nicht entgegen, dass die Geburt des Klägers auch bei Durchführung einer Cerclage möglicherweise bereits am 30. Mai 1993 eingetreten wäre. Insoweit liege die Annahme eines hypothetischen Kausalverlaufs im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens zugrunde, für den die Behandlerseite beweispflichtig sei. Die Beklagten trügen das Beweisrisiko dafür, dass es auch nach einer Cerclage in gleicher Weise zu der Frühgeburt des Klägers gekommen wäre. Ein solcher Beweis sei nicht geführt. Der Beklagte zu 2 hafte für die Behandlung der Mutter des Klägers als verantwortlicher und an der Behandlung beteiligter Oberarzt. Die Beklagten hätten ihren erstinstanzlichen Vortrag, dass der Beklagte zu 2 die Klägerin ab dem 19. Mai 1993 nicht mehr persönlich untersucht und behandelt habe , nicht aufrechterhalten und nicht mehr in Abrede gestellt, dass der Beklagte zu 2 als zuständiger Oberarzt für die Behandlung der Mutter des Klägers auch nach dem 19. Mai 1993 verantwortlich gewesen sei.

II.

7
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
1. Das Berufungsgericht hat den Ursachenzusammenhang zwischen der infolge der unterlassenen Aufklärung rechtswidrigen, aber aus ärztlicher Sicht vertretbaren Fortsetzung der konservativen Behandlung der Mutter des Klägers und den geltend gemachten Schäden aufgrund einer unzutreffenden Zuweisung der Darlegungs- und Beweislast bejaht. Das rügt die Revision mit Recht.
9
a) Das Berufungsgericht hätte dem Vortrag des Klägers nachgehen müssen, dass bei Durchführung der Cerclage, in die seine Mutter bei pflichtgemäßer Aufklärung eingewilligt hätte, die extreme Frühgeburt und die damit verbundenen gravierenden Gesundheitsschäden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert worden wären. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich dabei nicht um die Behauptung eines hypothetischen Kausalverlaufs bei rechtmäßigem Alternativverhalten, sondern um Darlegungen des Klägers zur Kausalität der infolge der unterbliebenen Aufklärung rechtswidrigen Fortsetzung der konservativen Behandlung für den geltend gemachten Schaden. Nach allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen trägt dafür der Kläger und nicht die Beklagtenseite die Darlegungs- und Beweislast.
10
aa) Nach gefestigten Rechtsprechungsgrundsätzen trifft in den Fällen, in denen aus einem Aufklärungsversäumnis des Arztes Schadensersatzansprüche hergeleitet werden, die Behauptungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Aufklärung den Arzt. Der Patient trägt hingegen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Schadensfolge, für die er Ersatz verlangt, auch wirklich durch den eigenmächtigen Eingriff des Arztes verursacht worden ist und nicht auf anderes zurückgeht (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1985 - VI ZR 19/84, VersR 1986, 183 und vom 13. Januar 1987 - VI ZR 82/86, VersR 1987, 667, 668; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Kap. C Rn. 147; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 11. Aufl., Rn. 702 mwN). Der Beweis, dass der ohne rechtswirksame Einwilligung vorgenommene ärztliche Eingriff bei dem Patienten auch zu einem Schaden geführt hat, ist ebenso wie im Fall des Behandlungsfehlers Sache des Patienten. Es besteht kein Sachgrund, bei Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht den Arzt insoweit beweismäßig schlechter zu stellen. Dieser Grundsatz gilt sowohl bei der Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht über die Risiken eines Eingriffs wie auch über bestehende Behandlungsalternativen (Selbstbestimmungsaufklärung). Der Patient hat nicht nur in den Fällen, in denen die rechtswidrige Behandlung in einem Eingriff, beispielsweise in einer Operation, liegt, sondern auch in den Fällen der rechtswidrigen Fortsetzung konservativer Behandlungsmethoden trotz Bestehens gleichwertiger Behandlungsalternativen zu beweisen, dass die bei ihm vorgenommene Behandlung ursächlich für den geltend gemachten Schaden geworden ist. Dies gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall - Schadensersatzansprüche nicht aus der konservativen Behandlung hergeleitet werden, sondern daraus, dass weitergehende Behandlungsmaßnahmen unterblieben sind. Eine Unterlassung ist für den Schaden nur dann kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte (vgl. BGH, Urteile vom 30. Januar 1961 - III ZR 225/59, BGHZ 34, 206, 215; vom 5. Juli 1973 - VII ZR 12/73, BGHZ 61, 118, 120 auch zur Umkehr der Beweislast im - hier nicht gegebenen Fall - eines groben Behandlungsfehlers; vom 19. Februar 1975 - VIII ZR 144/73, BGHZ 64, 46, 51; vom 22. März 1990 - IX ZR 128/89, WM 1990, 1161, 1163 und vom 17. Oktober 2002 - IX ZR 3/01, WM 2002, 2325, 2326 Rn. 11). Die bloße Möglichkeit , ebenso eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügt nach § 286 ZPO nicht.
11
bb) Im Streitfall besteht die Pflichtverletzung in der Unterlassung der Beklagten , die Mutter des Klägers nach dem Abklingen der Infektion über die Behandlungsalternative einer Cerclage aufzuklären. Mithin hat der Kläger darzule- gen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass bei pflichtgemäßer Aufklärung seiner Mutter mittels der Cerclage die Geburt in einer für seine Entwicklung maßgeblichen Weise verzögert und der durch seine frühe Geburteingetretene Schaden vermieden worden wäre.
12
Hierzu hat der Kläger vorgetragen, dass seine Mutter bei entsprechender Aufklärung sich ohne Zweifel für die Cerclage entschieden hätte. Bei Durchführung der Cerclage hätten die extreme Frühgeburt des Klägers und die damit verbundenen gravierenden Gesundheitsschäden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert werden können. Die Beklagten haben dem entgegen gesetzt, eine Cerclage hätte die Schwangerschaft nicht verlängert. Sie haben damit den Kausalzusammenhang bestritten (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 - IX ZR 3/01, aaO Rn. 12).
13
cc) Dieser Vortrag kann nicht als Einwand eines hypothetischen Kausalverlaufs bei rechtmäßigem Alternativverhalten verstanden werden, was das Berufungsgericht irrigerweise angenommen hat. Ein solcher Einwand setzt die Feststellung voraus, dass das vom Schädiger zu verantwortende Verhalten für den Schaden kausal geworden ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1995 - KZR 3/95, NJW 1996, 311, 312; Urteil vom 17. Oktober 2002 - IX ZR 3/01 aaO; Larenz, Schuldrecht Bd. I, 14. Aufl., S. 527; Staudinger/Schiemann (2005) BGB, § 249 Rn. 102, 107). Danach erst betrifft er die unter Umständen auftretende Frage, ob die auf der Pflichtverletzung beruhenden Folgen dem Schädiger billigerweise auch zugerechnet werden können (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1992 - IX ZR 256/91, NJW 1992, 2694, 2695; vom 24. Oktober 1995 - KZR 3/95, aaO und vom 17. Oktober 2002 - IX ZR 3/01 aaO).
14
Darum handelt es sich hier nicht. Der Vortrag des Klägers bezieht sich auf die den Anspruchsgrund betreffende Frage der Kausalität. Dafür ist der Klä- ger nach allgemeinen Grundsätzen beweispflichtig, abgesehen von den Fällen der Beweislastumkehr wie beispielsweise bei einem groben Behandlungsfehler. Den Beklagten fällt hingegen die Beweislast für entlastenden Vortrag - wie etwa zum Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens - erst dann zu, wenn der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtwidrigkeit und eingetretenem Schaden feststeht (vgl. Baumgärtel, Handbuch der Beweislast Bd. I, 2. Aufl., Anh. § 282 BGB Rn. 30).
15
b) Das Urteil beruht mithin auf einer unzutreffenden Zuweisung der Darlegungs - und Beweislast. Richtigerweise obliegt es dem Kläger, darzulegen und zu beweisen, dass - nachdem das Berufungsgericht die hypothetische Einwilligung der Mutter in die Cerclage angenommen hat - nach der Cerclage die Geburt in einer für seine Entwicklung maßgeblichen Weise verzögert worden wäre. Für eine Verlagerung der Beweislast für den Ursachenzusammenhang auf die Beklagten ist insoweit kein Raum. Mit seiner Auffassung kann sich das Berufungsgericht auch nicht auf das Urteil des erkennenden Senats vom 15. März 2005 (VI ZR 313/03, VersR 2005, 836 f.) stützen. Dort wurde aus prozessrechtlichen Gründen für das Revisionsverfahren unterstellt, dass die geklagten Beschwerden (entsprechend dem tatsächlichen Verlauf der Behandlung) zumindest mit auf der Fortsetzung der konservativen Behandlung beruhten (Senatsurteil vom 15. März 2005 - VI ZR 313/03, aaO unter 3. b aa). In dem von der Revisionserwiderung herangezogenen Senatsurteil vom 6. Dezember 1998 (VI ZR 132/88, BGHZ 106, 153 ff.) stand der Kausalzusammenhang im Revisionsverfahren nicht in Frage.
16
2. Das Berufungsurteil begegnet außerdem hinsichtlich der Verurteilung des Beklagten zu 2 durchgreifenden Bedenken. Die Auffassung des Berufungsgerichts , dass der Beklagte zu 2 seine Verantwortlichkeit in der zweiten Instanz nicht mehr in Abrede gestellt habe, steht in Widerspruch zur Feststellung im Tatbestand des Berufungsurteils, dass die Beklagten ihren Vortrag in erster Instanz wiederholt und vertieft haben. Der Beklagte zu 2 hat im Schriftsatz vom 28. September 2009 vorgetragen, dass er die Mutter des Klägers nach dem 19. Mai 1993 nicht mehr behandelt habe. Am 19. Mai 1993 war jedenfalls die Cerclage medizinisch nicht indiziert, weil die Schwangere an einer Infektion litt. Somit traf den Beklagten zu 2 auch keine Aufklärungspflicht. Umstände, aus denen sich eine persönliche Haftung des Beklagten zu 2 im Übrigen ergibt, sind nicht festgestellt. Über den Vortrag des Beklagten zu 2, dass er zum maßgeblichen Zeitpunkt am 24. Mai 1993 nicht mit der Betreuung der Schwangeren befasst war, durfte das Berufungsgericht danach nicht hinweggehen.

III.

17
Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung und erneuter Entscheidung zurückzuverweisen. Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 07.01.2009 - 25 O 497/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 02.02.2011 - 5 U 15/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 2/03
vom
17. März 2003
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja

a) Ist ein Patient einwilligungsunfähig und hat sein Grundleiden einen irreversiblen
tödlichen Verlauf angenommen, so müssen lebenserhaltende oder -verlängernde
Maßnahmen unterbleiben, wenn dies seinem zuvor - etwa in Form einer sog. Patientenverfügung
- geäußerten Willen entspricht. Dies folgt aus der Würde des Menschen,
die es gebietet, sein in einwilligungsfähigem Zustand ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht
auch dann noch zu respektieren, wenn er zu eigenverantwortlichem Entscheiden
nicht mehr in der Lage ist. Nur wenn ein solcher erklärter Wille des Patienten nicht
festgestellt werden kann, beurteilt sich die Zulässigkeit solcher Maßnahmen nach dem
mutmaßlichen Willen des Patienten, der dann individuell - also aus dessen Lebensentscheidungen
, Wertvorstellungen und Überzeugungen - zu ermitteln ist.

b) Ist für einen Patienten ein Betreuer bestellt, so hat dieser dem Patientenwillen gegenüber
Arzt und Pflegepersonal in eigener rechtlicher Verantwortung und nach Maßgabe
des § 1901 BGB Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Seine Einwilligung in eine
ärztlicherseits angebotene lebenserhaltende oder –verlängernde Behandlung kann der
Betreuer jedoch nur mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts wirksam verweigern.
Für eine Einwilligung des Betreuers und eine Zustimmung des Vormundschaftsgerichts
ist kein Raum, wenn ärztlicherseits eine solche Behandlung oder Weiterbehandlung
nicht angeboten wird - sei es daß sie von vornherein medizinisch nicht indiziert, nicht
mehr sinnvoll oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist. Die Entscheidungszuständigkeit
des Vormundschaftsgerichts ergibt sich nicht aus einer analogen Anwendung
des § 1904 BGB, sondern aus einem unabweisbaren Bedürfnis des Betreuungsrechts.

c) Zu den Voraussetzungen richterlicher Rechtsfortbildung.
BGH, Beschluß vom 17. März 2003 - XII ZB 2/03 - OLG Schleswig
AG Lübeck
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. März 2003 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt

beschlossen:
Auf die weitere Beschwerde des Betreuers werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Lübeck vom 30. Mai 2002 und des Landgerichts Lübeck vom 25. Juni 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.

Der Betroffene erlitt am 29. November 2000 infolge eines Myocardinfarktes einen hypoxischen Gehirnschaden im Sinne eines apallischen Syndroms. Seither wird er über eine PEG-Sonde ernährt; eine Kontaktaufnahme mit ihm ist nicht möglich. Auf Anregung der Klinik, in welcher der Betroffene behandelt wurde, bestellte das Amtsgericht mit Beschluß vom 18. Januar 2001 den Sohn des Betroffenen - den Beteiligten - u.a. für die Aufgabenkreise "Sorge für die Gesundheit des Betroffenen, ... Vertretung gegenüber Behörden ... und Einrichtungen
(z.B. Heimen) ..." zum Betreuer; die Betreuung wurde mit Beschluß vom 18. Dezember 2001 verlängert. Am 8. April 2002 hat der Beteiligte beim Amtsgericht "die Einstellung der Ernährung über die PEG-Sonde" für seinen Vater beantragt, da eine Besserung des Zustandes seines Vaters nicht zu erwarten sei und die Einstellung dem früher geäußerten Wunsch seines Vaters entspreche. Der Beteiligte verweist hierzu auf eine maschinenschriftliche und vom Betroffenen handschriftlich unter Angabe von Ort und Datum unterzeichnete Verfügung mit folgendem Wortlaut: "Verfügung Für den Fall, daß ich zu einer Entscheidung nicht mehr fähig bin, verfüge ich: Im Fall meiner irreversiblen Bewußtlosigkeit, schwerster Dauerschäden meines Gehirns oder des dauernden Ausfalls lebenswichtiger Funktionen meines Körpers oder im Endstadium einer zum Tode führenden Krankheit , wenn die Behandlung nur noch dazu führen würde, den Vorgang des Sterbens zu verlängern, will ich: - keine Intensivbehandlung, - Einstellung der Ernährung, - nur angst- oder schmerzlindernde Maßnahmen, wenn nötig, - keine künstliche Beatmung, - keine Bluttransfusionen, - keine Organtransplantation, - keinen Anschluß an eine Herz-Lungen-Maschine. Meine Vertrauenspersonen sind ... (es folgen die Namen und Adressen der Ehefrau sowie des Sohnes und der Tochter). Diese Verfügung wurde bei klarem Verstand und in voller Kenntnis der Rechtslage unterzeichnet. Lübeck, den 27. November 1998, H. S. " Die Ehefrau und die Tochter des Betroffenen haben erklärt, mit dem Antrag des Beteiligten einverstanden zu sein und ihn voll zu unterstützen.
Das Amtsgericht hat den Antrag abgelehnt, da er keine Rechtsgrundlage habe. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde des Beteiligten möchte das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zurückweisen. Es sieht sich daran durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 15. Juli 1998 - 20 W 224/98 - FamRZ 1998, 1137 und vom 20. November 2001 - 20 W 419/01 - FamRZ 2002, 575 sowie des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 29. Oktober 2001 - 19 Wx 21/01 - FamRZ 2002, 488 gehindert. In diesen Entscheidungen haben die Oberlandesgerichte ausgesprochen, daß die Einwilligung des Betreuers eines selbst nicht mehr entscheidungsfähigen, irreversibel hirngeschädigten Betroffenen in den Abbruch der Ernährung mittels einer PEG-Magensonde anlog § 1904 BGB der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht ist demgegenüber der Ansicht, daß die Einwilligung des Betreuers in einem solchen Fall nicht genehmigungsbedürftig sei; es hat deshalb die Sache gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Vorlage ist zulässig. Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß das vorlegende Oberlandesgericht zu einer anderen als der von ihm beabsichtigten Entscheidung gelangen würde, wenn es sich der abweichenden Ansicht der Oberlandesgerichte Frankfurt und Karlsruhe anschlösse, und daß es nach seiner Ansicht für die zu treffende Entscheidung auf die streitige Rechtsfrage an-
kommt. An diese Ansicht ist der Senat - soweit die Zulässigkeit der Vorlage in Frage steht - gebunden (Senatsbeschluß BGHZ 121, 305, 308). Das vorlegende Gericht geht - insoweit in Übereinstimmung mit den Oberlandesgerichten Frankfurt und Karlsruhe - davon aus, daß für den Behandlungsabbruch bei nicht einwillligungsfähigen Patienten die Bestellung eines Betreuers und dessen Einwilligung erforderlich ist. Die Einwilligung in den Behandlungsabbruch sei nicht höchstpersönlich; denn ohne Betreuer ließe sich das dem nicht einwilligungsfähigen Betroffenen zustehende Selbstbestimmungsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG in Bezug auf die aktuelle Beendigung der Behandlung rechtlich nicht verwirklichen. Die Einwilligung unterfalle auch dem Aufgabenkreis "Gesundheitsfürsorge", der alle im Bereich der medizinischen Behandlung anstehenden Entscheidungen umfasse, und zwar auch dann, wenn eine Wiederherstellung der Gesundheit nicht mehr zu erreichen sei. Für eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung dieser Einwilligung fehle es - entgegen der Auffassung der Oberlandesgerichte Frankfurt und Karlsruhe - allerdings an einer rechtlichen Grundlage: Eine Analogie zu § 1904 BGB scheitere, da eine "planwidrige Unvollständigkeit" des Gesetzes nicht vorliege. Es sei davon auszugehen, daß der Gesetzgeber mit dem Betreuungsgesetz das gesamte Betreuungsrecht geregelt habe. Dabei habe er, wie sich aus den Materialien ergebe, auch den Fall des zum Tode führenden Abbruchs einer lebenserhaltenden Maßnahme bei einem einwilligungsunfähigen Betreuten bedacht. Gleichwohl habe er davon abgesehen , diesen Fall in den "Kanon" der ausnahmsweise einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürftigen Maßnahmen aufzunehmen. Jedenfalls sei § 1904 Abs. 1 BGB nicht geeignet, eine Gesetzeslücke zu begründen oder zu schließen; denn die dort geregelten Tatbestände seien
wertungsmäßig dem hier zu behandelnden Fall des Behandlungsabbruchs nicht gleich. So gehe es bei der nach § 1904 Abs. 1 BGB genehmigungsbedürftigen Einwilligung des Betreuers um ärztliche Maßnahmen, die unter Abwägung der Risiken darauf gerichtet seien, die Gesundheit des Betroffenen wiederherzustellen; die Genehmigung der Einwilligung zu einem Behandlungsabbruch würde dagegen auf die Lebensbeendigung des Betroffenen abzielen. Beide Ziele stünden nicht in einem Verhältnis von "weniger" und "mehr"; vielmehr habe die absichtliche Lebensbeendigung eine andere Qualität, die auch einer besonderen rechtlichen Würdigung und Behandlung bedürfe. Außerdem regele § 1904 Abs. 1 BGB die Genehmigung der Einwilligung in ein ärztliches Tun, während bei der Genehmigung der Einwilligung in den Behandlungsabbruch ein ärztliches Unterlassen im Vordergrund stehe. Genau genommen gehe es hier nicht um eine Einwilligung des Betreuers in eine medizinische Maßnahme, sondern um den Widerruf oder die Verweigerung einer solchen Einwilligung; diese seien aber nach § 1904 BGB gerade genehmigungsfrei. Selbst wenn aber eine Gesetzeslücke anzunehmen wäre, so wäre eine Ergänzung durch Gerichte ausgeschlossen, weil die staatliche Mitwirkung bei einem auf Lebensbeendigung eines Menschen gerichteten Verhalten so wesentlich sei, daß sie einer Regelung durch den Gesetzgeber bedürfte. Dies gelte insbesondere für die Frage, ob ein Sachverständigengutachten einzuholen sei und ob, wie es der Bundesgerichtshof formuliert habe, dann, wenn sich bei der Prüfung Umstände für die Feststellung des individuellen mutmaßlichen Willens des Betreuten nicht finden ließen, auf "Kriterien zurückgegriffen werden" müsse, die "allgemeinen Wertvorstellungen" entsprächen. Solche "Kriterien" dürften geeignet sein, die Meinung zu fördern, im Vormundschaftsrichter "den Richter über Leben und Tod" zu sehen oder "den Schritt in eine andere Republik" befürchten zu lassen. Ferner machte ein möglicherweise religiös oder
sonst ethisch beeinflußtes "Kriterium" die Entscheidung des gesetzlichen - und damit unentrinnbaren - Richters unberechenbar.

III.

Da die Voraussetzungen für eine Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG erfüllt sind, hat der beschließende Senat gemäß § 28 Abs. 3 FGG anstelle des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts über die weitere Beschwerde zu entscheiden. 1. Die weitere Beschwerde ist nach § 27 Abs. 1 FGG statthaft; der Beteiligte ist gemäß § 20 Abs. 1 FGG auch beschwerdeberechtigt. 2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Der Beteiligte hat beantragt, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen. Damit möchte er erreichen, daß das Vormundschaftsgericht seiner Entscheidung, nicht länger in die künstliche Ernährung des Betroffenen einzuwilligen, zustimmt. Die Vorinstanzen haben es zu Unrecht abgelehnt, in der Sache tätig zu werden.
a) Die gegen eine weitere künstliche Ernährung des Betroffenen gerichtete Entscheidung des Beteiligten ist nicht schon deshalb einer Zustimmung des Vormundschaftsgerichts entzogen, weil sie sich rechtlich als ein Unterlassen darstellt. Die Beibehaltung einer Magensonde und die mit ihrer Hilfe ermöglichte künstliche Ernährung sind fortdauernde Eingriffe in die körperliche Integrität des Patienten (Hufen NJW 2001, 849, 853 m.w.N.). Solche Eingriffe bedürfen - ebenso wie das ursprüngliche Legen der Sonde - grundsätzlich der Einwilli-
gung des Patienten. Ist der Patient im Zeitpunkt der Maßnahme nicht einwilligungsfähig , so gilt: Eine frühere Willensbekundung, mit welcher der Patient seine Einwilligung in Maßnahmen der in Frage stehenden Art für eine Situation, wie sie jetzt eingetreten ist, erklärt oder verweigert hat, wirkt, falls der Patient sie nicht widerrufen hat, fort (V. Lipp in May et al. Passive Sterbehilfe 2002, 37, 43 und Fn. 37 m.w.N.; Taupitz Verhandlungen des 63. DJT 2000 Gutachten A 41); die inzwischen eingetretene Einwilligungsunfähigkeit ändert nach dem Rechtsgedanken des § 130 Abs. 2 BGB an der fortdauernden Maßgeblichkeit des früher erklärten Willens nichts. Ist eine solche frühere Willensbekundung nicht bekannt, beurteilt sich die Zulässigkeit der Maßnahme, falls unaufschiebbar , nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten, bis für diesen ein Betreuer bestellt ist (MünchKomm/Schwab BGB 4. Aufl. § 1904, 38). Ist - wie hier - für den einwilligungsunfähigen Patienten ein Betreuer bestellt und erreichbar, vermag der mutmaßliche Patientenwille allein einen Eingriff in die persönliche Integrität des Patienten nicht länger zu rechtfertigen (Taupitz aaO A 71). Mit der Bestellung des Betreuers ist die rechtliche Handlungsfähigkeit des Betroffenen wiederhergestellt; Arzt und Pflegepersonal können deshalb nicht mehr unmittelbar auf den Willen des einwilligungsunfähigen Patienten "durchgreifen" (Taupitz aaO A 70 f.). Eine Willensbekundung, mit welcher der Betroffene seine Einwilligung in die in Frage stehenden Maßnahmen und für die jetzt eingetretene Situation erklärt oder verweigert hat, wirkt weiterhin - als Ausfluß seines Selbstbestimmungsrechts - fort. Als gesetzlicher Vertreter hat der Betreuer die exklusive Aufgabe, dem Willen des Betroffenen gegenüber Arzt und Pflegepersonal in eigener rechtlicher Verantwortung und nach Maßgabe des § 1901 BGB Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall: Die Beibehaltung der Sonde und die Fortführung der über sie ermöglichten künstlichen Ernährung bedürfen,
da eine Einwilligung des Betroffenen nicht vorliegt, der Einwilligung des Beteiligten. Mit dem Verlangen, diese Behandlung nicht fortzusetzen, hat der Betei- ligte die erforderliche Einwilligung verweigert. Ob der Beteiligte früher zumindest konkludent in die Behandlung eingewilligt hat und sich das Verlangen nach Abbruch der Behandlung deshalb (auch) als Widerruf dieser Einwilligung darstellt , mag dahinstehen. Bereits das Unterlassen der erforderlichen Einwilligungserklärung kann - für sich genommen - auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden; es ist damit einer vormundschaftsgerichtlichen Entscheidung nicht schon per se entzogen. Soweit in der Literatur nur der Widerruf einer einmal erteilten Einwilligung , nicht aber die erstmalige Verweigerung der Einwilligung (Fröschle JZ 2000, 72, 80: "nullum") als "an sich" genehmigungsfähig angesehen wird, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn das Unterlassen des Betreuers, in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung einzuwilligen, kann nicht anders beurteilt werden als das Unterlassen, in die Weiterbehandlung einzuwilligen. Zwar liegt im zweiten Fall unter Umständen auch ein aktives Handeln - nämlich der Widerruf einer zuvor erteilten Einwilligung - vor. Die Abgrenzung ist jedoch - etwa im Hinblick auf die Frage, ob eine Einwilligung vom Betreuer konkludent erteilt worden ist oder ob eine einmal erteilte Einwilligung die in Frage stehenden Maßnahmen für die jetzt eingetretene Situation noch abdeckt - fließend; sie rechtfertigt jedenfalls keine rechtliche Differenzierung. Wollte man nur den Widerruf einem vormundschaftsgerichtlichen Kontrollvorbehalt unterstellen , bestünde im übrigen die Gefahr, daß von lebenserhaltenden Maßnahmen nur noch zögerlich Gebrauch gemacht wird, um deren späteren - an die vormundschaftsgerichtliche Kontrolle gebundenen - Abbruch zu vermeiden; der mit dem Kontrollvorbehalt (auch) verfolgte Lebensschutz würde in sein Gegenteil verkehrt.
Auch kann ein Kontrollerfordernis nach Auffassung des Senats sinnvoll nicht davon abhängig gemacht werden, ob der Betreuer die Erteilung der Einwilligung in eine medizinische Behandlung nur schlechthin unterlassen oder ob er seine Einwilligung verweigert und damit aktiv gehandelt hat (so aber wohl - jedenfalls für die analoge Anwendbarkeit des § 1904 BGB - Taupitz aaO A 87 und Lipp aaO 51). Da für eine die körperliche Integrität verletzende medizinische Behandlung oder Weiterbehandlung eine Einwilligung notwendig ist, ist deren Verweigerung nichts anderes als eine Bekräftigung des Unterlassens, die Einwilligung zu erteilen. Hinge die vormundschaftsgerichtliche Kontrolle von einer solchen Bekräftigung ab, wäre das Erfordernis dieser Kontrolle beliebig manipulierbar.
b) Ein Tätigwerden des Vormundschaftsgerichts wird, wie das vorlegende Oberlandesgericht zutreffend ausführt, auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß eine Entscheidung gegen die Fortführung der künstlichen Ernährung des Betroffenen höchstpersönlicher Natur ist. In der Rechtsprechung und Literatur wird zwar zum Teil die Auffassung vertreten, daß dem Betreuer die Entscheidung gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betroffenen, weil höchstpersönlich, nicht zustehe und deshalb auch einer Überprüfung durch das den Betreuer kontrollierende Vormundschaftsgericht entzogen sei (vgl. etwa LG München I FamRZ 1999, 742; Landgericht Augsburg FamRZ 2000, 320, 321; Lilie in Wienke/Lippert , Der Wille des Menschen zwischen Leben und Sterben 2001, 75, 83, Seitz ZRP 1998, 417, 420; Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1904 Rdn. 42). Diese Ansicht würde es jedoch, recht verstanden, nicht hindern, das Verlangen des Beteiligten nach Abbruch der künstlichen Ernährung einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung zu unterwerfen. Da der Beteiligte sein Verlangen auf den erklärten und fortgeltenden Willen des Betroffenen stützt, trifft er insoweit
keine eigene Entscheidung; er setzt vielmehr nur eine im voraus getroffene höchstpersönliche Entscheidung des Betroffenen um. Die richtige Umsetzung des Willens des Betroffenen und die damit einhergehende Unterlassung einer eigenen, den Willen des Betroffenen ersetzenden Einwilligung des Beteiligten in die Weiterbehandlung des Betroffenen ist - wie dargelegt - aber ein tauglicher Gegenstand einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung. Auch generell läßt sich aus der Höchstpersönlichkeit einer Entscheidung kein zwingendes Argument gegen die Entscheidungszuständigkeit eines Betreuers und die Überprüfung seiner Entscheidung durch das Vormundschaftsgericht herleiten; denn einem Betreuer werden vom Gesetz - etwa bei der Sterilisation (§ 1905 BGB) - durchaus höchstpersönliche Entscheidungskompetenzen übertragen. Zudem ergäbe sich, wenn man die Entscheidung gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahme oder die Durchsetzung einer solchen Entscheidung generell von der Aufgabenzuweisung an den Betreuer ausnähme, eine mißliche Wahl: Entweder würde damit ein striktes Gebot zur Durchführung lebensverlängernder oder -erhaltender medizinischer Maßnahmen statuiert - also auch gegen einen vom Betroffenen früher geäußerten Willen. Oder die Entscheidung über die Frage der Behandlung oder Weiterbehandlung bliebe dem Arzt und/oder den nahen Angehörigen überlassen - dies allenfalls mit der Auflage, den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Patienten zu ermitteln. An die Stelle der Willensbestimmung durch den Betreuer als den gesetzlichen Vertreter träte die Willensbestimmung durch den Arzt oder die Angehörigen, die sich aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht mehr legitimieren würde, unter Umständen mit Eigeninteressen kollidieren könnte und im System des geltenden Rechts einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle von vornherein nicht zugänglich wäre (vgl. zum Ganzen Taupitz aaO A 89; Fröschle aaO 74).
Eine andere Frage ist, ob das Vormundschaftsgericht dem Beteiligten mit der Übertragung des Aufgabenkreises "Sorge für die Gesundheit des Betroffenen" auch die Entscheidung über lebenserhaltende Maßnahmen der hier in Frage stehenden Art übertragen hat. Da sowohl das Amtsgericht wie auch das Beschwerdegericht die Bestellung des Beteiligten nicht einschränkend ausgelegt haben, kann auch für das Verfahren der weiteren Beschwerde von einer umfassenden Zuständigkeit des Beteiligten für die medizinischen Belange des Betroffenen ausgegangen werden. Dies gilt um so mehr, als bei einer einschränkenden Auslegung des Aufgabenkreises die lebenserhaltenden Maßnahmen nicht fortgeführt, sondern von den behandelnden Ärzten im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem vom Betroffenen früher erklärten und als maßgebend fortdauernden Willen überprüft und, falls der Aufgabenkreis des Beteiligten nicht erweitert oder ein weiterer Betreuer bestellt würde, gegebenenfalls eingestellt werden müßten.
c) Gegen eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts läßt sich auch nicht anführen, daß es an Kriterien fehle, anhand derer das Verlangen des Beteiligten , die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, rechtlich überprüft werden könne, daß die Entscheidung des Beteiligten mithin nicht justiziabel sei. aa) Die Frage, unter welchen medizinischen Voraussetzungen die Rechtsordnung gestattet, lebensverlängernde Maßnahmen zu unterlassen oder nicht fortzuführen, hat der Bundesgerichtshof in einer Strafsache dahin entschieden , daß das Grundleiden des Kranken nach ärztlicher Überzeugung unumkehrbar (irreversibel) sein und einen tödlichen Verlauf angenommen haben müsse (Urteil vom 13. September 1994 - 1 StR 357/94 - NJW 1995, 204). Werde in einem solchen Fall der Tod in kurzer Zeit eintreten, so rechtfertige die unmittelbare Todesnähe es, von einer Hilfe für den Sterbenden und "Hilfe beim
Sterben", kurz von Sterbehilfe zu sprechen und dem Arzt den Abbruch lebens- verlängernder Maßnahmen zu erlauben. In Fällen, in denen das Grundleiden zwar einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen habe, das Merkmal der unmittelbaren Todesnähe aber nicht gegeben sei und der Sterbevorgang somit noch nicht eingesetzt habe, liege eine Sterbehilfe im eigentlichen Sinne nicht vor. Auch wenn der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen (auch im damals entschiedenen Fall: einer künstlichen Ernährung über eine Magensonde) unter solchen Umständen zum Teil bereits als Sterbehilfe im weiteren Sinne oder als "Hilfe zum Sterben" bezeichnet werde und bei entsprechendem Patientenwillen als Ausdruck der allgemeinen Entscheidungsfreiheit und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit grundsätzlich anzuerkennen sei, seien doch an die Annahme des mutmaßlichen Willens erhöhte Anforderungen insbesondere im Vergleich zur eigentlichen Sterbehilfe zu stellen. Diese objektive Eingrenzung zulässiger Sterbehilfe ist auch für das Zivilrecht verbindlich; denn die Zivilrechtsordnung kann nicht erlauben, was das Strafrecht verbietet. Aus ihr folgt, daß für das Verlangen des Betreuers, eine medizinische Behandlung einzustellen, kein Raum ist, wenn das Grundleiden des Betroffenen noch keinen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen hat und durch die Maßnahme das Leben des Betroffenen verlängert oder erhalten wird. Richtig ist zwar, daß der Arzt das Selbstbestimmungsrecht des einwilligungsfähigen Patienten zu achten hat und deshalb keine - auch keine lebenserhaltenden - Maßnahmen gegen dessen Willen vornehmen darf (vgl. etwa Taupitz aaO A 19 ff.). Die Entscheidungsmacht des Betreuers ist jedoch mit der aus dem Selbstbestimmungsrecht folgenden Entscheidungsmacht des einwilligungsfähigen Patienten nicht deckungsgleich, sondern als gesetzliche Vertretungsmacht an rechtliche Vorgaben gebunden; nur soweit sie sich im Rahmen dieser Bindung hält, kann sie sich gegenüber der Verpflichtung des Arztes, das Leben des Patienten zu erhalten, durchsetzen. Das bedeutet: Die medizini-
schen Voraussetzungen, unter denen das Recht eine vom gesetzlichen Vertreter konsentierte Sterbehilfe (auch im weiteren Sinne) gestattet, binden den Arzt ebenso wie den gesetzlichen Vertreter. Liegen sie nicht vor, ist die Sterbehilfe rechtswidrig; sie wird nicht dadurch rechtmäßig, daß der gesetzliche Vertreter in sie – und sei es auch mit Billigung des Vormundschaftsgerichts – einwilligt. Deshalb ist die Verweigerung der Einwilligung hier insoweit ebenso irrelevant wie eine etwaige Billigung dieser Verweigerung durch das Vormundschaftsgericht. Daraus läßt sich indes nicht herleiten, daß das Verlangen des Beteiligten , die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, jedenfalls insoweit einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung entzogen sei, als die medizinischen Voraussetzungen, unter denen ein solches Verlangen rechtlich überhaupt erst zulässig wäre, in Frage stünden. Ein vormundschaftsgerichtliches Verfahren böte vielmehr - im Gegenteil - die Möglichkeit, verantwortlich zu prüfen , ob der rechtliche Rahmen für das Verlangen des Beteiligten überhaupt eröffnet ist. Dies wäre immer dann zu verneinen, wenn eine letzte Sicherheit, daß die Krankheit des Betroffenen einen irreversiblen und tödlichen Verlauf angenommen habe, nicht zu gewinnen wäre. bb) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 13. September 1994 (aaO 204 f.) das Unterlassen oder den Abbruch lebensverlängernder oder lebenserhaltender Maßnahmen - bei Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen - allerdings nur dann als rechtmäßig erachtet, wenn das Unterlassen oder der Abbruch der Maßnahmen dem - im entschiedenen Fall: mutmaßlichen - Willen des Patienten entspricht. Diese Ausrichtung auf den Willen des Betroffenen korrespondiert mit den Vorgaben, die auch § 1901 BGB für das Betreuerhandeln normiert. Maßgebend sind nach § 1901 Abs. 3 Satz 1, 2 BGB die - auch früher geäußerten (§ 1901 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BGB) - Wünsche des
Betroffenen, sofern sie sich feststellen lassen, nicht durch entgegenstehende Bekundungen widerrufen sind (§ 1901 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BGB) und dem Wohl des Betreuten nicht zuwiderlaufen (§ 1901 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BGB). Das Wohl des Betreuten ist dabei nicht nur objektiv, sondern - im Grundsatz sogar vorrangig (MünchKomm/Schwab aaO § 1901 Rdn. 14) - subjektiv zu verstehen ; denn "zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, ... sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen und Wünschen zu gestalten" (§ 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB). Nichts anderes gilt, wenn sich - auf die vorliegende Situation bezogene - Wünsche des Betroffenen nicht feststellen lassen: Dann hat sich der Betreuer nach § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB am "Wohl des Betreuten" zu orientieren , dies aber nach § 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB aus der Sicht des Betreuten - d.h. nach dessen Lebensentscheidungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen - zu bestimmen (vgl. zum Ganzen G. Fischer, FS Deutsch 1999, 545, 548 ff., 555; Fröschle aaO 76; einschränkend Taupitz aaO 41 "objektive Interessenabwägung mit subjektivem Korrekturvorbehalt"; in diese Richtung auch Lipp aaO 48 f.); man kann insoweit von einem (individuell-) mutmaßlichen Willen des Betroffenen sprechen (kritisch zu dieser Rechtsfigur Höfling JuS 2000, 111, 116). Allerdings kommt die Berücksichtigung eines solchen (individuell-) mutmaßlichen Willens nur hilfsweise in Betracht, wenn und soweit nämlich eine im einwilligungsfähigem Zustand getroffene "antizipative" Willensbekundung des Betroffenen - mag sie sich als Einwilligung in oder als Veto gegen eine bestimmte medizinische Behandlung darstellen - nicht zu ermitteln ist. Liegt eine solche Willensäußerung, etwa - wie hier - in Form einer sogenannten "Patientenverfügung" , vor, bindet sie als Ausdruck des fortwirkenden Selbstbestimmungsrechts , aber auch der Selbstverantwortung des Betroffenen den Betreuer ; denn schon die Würde des Betroffenen (Art. 1 Abs. 1 GG) verlangt, daß eine von ihm eigenverantwortlich getroffene Entscheidung auch dann noch respektiert wird, wenn er die Fähigkeit zu eigenverantwortlichem Entscheiden inzwi-
schen verloren hat. Die Willensbekundung des Betroffenen für oder gegen bestimmte medizinische Maßnahmen darf deshalb vom Betreuer nicht durch einen "Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen" des Betroffenen "korrigiert" werden, es sei denn, daß der Betroffene sich von seiner früheren Verfügung mit erkennbarem Widerrufswillen distanziert oder die Sachlage sich nachträglich so erheblich geändert hat, daß die frühere selbstverantwortlich getroffene Entscheidung die aktuelle Sachlage nicht umfaßt (Taupitz aaO A 41: Die in eigenverantwortlichem Zustand getroffene Entscheidung dürfe nicht "unter spekulativer Berufung darauf unterlaufen werden ..., daß der Patient vielleicht in der konkreten Situation doch etwas anderes gewollt hätte"; vgl. auch aaO A 106 ff.). Auch wenn der Beteiligte somit strikt an den wirklichen und (nur) hilfsweise an den mutmaßlichen Willen des Betroffenen gebunden ist, so spricht dies ebenfalls nicht gegen die Möglichkeit, das Verlangen des Beteiligten, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Ein vormundschaftsgerichtliches Verfahren böte nicht nur den Rahmen für eine Prüfung, ob der Beteiligte den Willen des Betroffenen mit der Vorlage der von diesem getroffenen Verfügung erschöpfend ermittelt hat oder ob die Umstände des Einzelfalles weitere Erkundungen geboten erscheinen lassen. Sie eröffnete auch die Möglichkeit, für alle Beteiligten verbindlich festzustellen, daß die vom Beteiligten gewünschte Einstellung der Behandlung in der nunmehr vorliegenden Situation dem in der Verfügung zum Ausdruck gelangten Willen des Betroffenen entspricht (vgl. etwa G. Fischer in Medicus et al. Schadensrecht, Arztrecht ... 2001, 37, 50). cc) Keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob und unter welchen Gegebenheiten ein Betreuer seine Einwilligung in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Weiterbehandlung des Betroffenen verweigern darf, wenn zwar die medizinischen Voraussetzungen für eine zulässige Hilfe beim oder auch zum
Sterben vorliegen, Wünsche des Betroffenen aber nicht geäußert oder nicht ersichtlich sind und sich auch bei der gebotenen sorgfältigen Prüfung konkrete Umstände für die Feststellung des individuellen mutmaßlichen Willens des Betroffenen nicht finden lassen. In einem solchen Fall soll nach der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (aaO 205) auf Kriterien zurückgegriffen werden, die allgemeinen Wertvorstellungen entsprechen. Diese Auffassung ist auf - zum Teil sehr engagierte - Kritik (vgl. etwa Dörner ZRP 1996, 93, 95 f.; Laufs NJW 1998, 3399, 3400) gestoßen, die sich das vorlegende Oberlandesgericht zu eigen macht und deren sachliche Berechtigung hier nicht im einzelnen zu erörtern ist. Die Diskussion um die Zulässigkeit und die Grenzen der Hilfe im oder auch zum Sterben wird gerade durch das Fehlen verbindlicher oder doch allgemeiner Wertmaßstäbe geprägt (Taupitz aaO A 38, allerdings mit dem Versuch einer "objektiven" Interessenabwägung aaO 41 ff., 46 ff.; Knittel Betreuungsgesetz § 1904 BGB Anm. 9 f.). Auch die Verfassung bietet keine sichere Handhabe, die im Widerstreit der Schutzgüter von Leben und Menschenwürde eine dem jeweiligen Einzelfall gerecht werdende, rechtlich verläßliche und vom subjektiven Vorverständnis des Beurteilers unabhängige Orientierung ermöglicht (vgl. etwa Hufen aaO 850). Soweit vor diesem Hintergrund für ein von keinem nachgewiesenen (wirklichen oder mutmaßlichen) Willen des Betroffenen getragenes Verlangen des Betreuers nach Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen überhaupt Raum bleibt (verneinend OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 1556, 1557; OLG Karlsruhe aaO 492; OLG Frankfurt FamRZ 1998 aaO 1138 und 2002 aaO 577), böte sich als Richtschnur möglicherweise ein Verständnis des Wohls des Betroffenen an, das einerseits eine ärztlich für sinnvoll erachtete lebenserhaltende Behandlung gebietet, andererseits aber nicht jede medizinisch-technisch mögliche Maßnahme verlangt. Ein solches, einem objektiv zu mutmaßenden Willen des Betroffenen angenähertes Verständnis (in diese Richtung Lipp aaO 48 f.; vgl. aus medizinethischer Sicht auch
Schöne-Seifert Verhandlungen des 63. DJT 2000 Referat K 41, 48 mit der Forderung , "Behandlungsstandards" - unter Offenlegung ihrer notwendigen ethischen Prämissen - zu entwickeln) böte jedenfalls einen zumindest objektivierbaren Maßstab, der - außerhalb der Spannbreite einer immer möglichen Divergenz in der ärztlichen Indikation - für die Betreuerentscheidung auch in diesem vom Willen des Betroffenen nicht determinierten Grenzbereich menschlichen Lebens eine vormundschaftsgerichtliche Nachprüfung eröffnet.
d) Das Oberlandesgericht hat allerdings mit Recht angenommen, daß § 1904 BGB für eine vormundschaftsgerichtliche Überprüfung des Verlangens des Beteiligten, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen, keine Rechtsgrundlage hergibt. Auch eine analoge Anwendung dieser Einzelvorschrift kann, worauf das Oberlandesgericht zutreffend hinweist, für sich genommen eine solche Aufgabenzuweisung an das Vormundschaftsgericht schwerlich begründen. So läßt sich bereits bezweifeln, ob die Vorschriften des Betreuungsrechts , in denen einzelne Handlungen des Betreuers einem Genehmigungsvorbehalt unterstellt werden, ein geschlossenes gedankliches System darstellen, das es erlaubt, andere, von der legislativen Problemselektion nicht aufgegriffene Konfliktsituationen als eine "planwidrige" Unvollständigkeit (vgl. Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft 3. Aufl., 196 f.: "Gesetzeslücke im engeren Sinn") zu verstehen. Jedenfalls ist § 1904 BGB für sich genommen nicht geeignet, im Wege analoger Anwendung Entscheidungen des Betreuers gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende medizinische Behandlung dem Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Prüfung zu unterziehen. Zum einen fehlt insoweit bereits die Gleichheit der Problemlage: Der Schutz eines heilungsfähigen Patienten vor dem Einsatz riskanter medizinischer Mittel ist etwas völlig anderes als die medizinische Versorgung eines tödlich und un-
heilbar erkrankten Menschen (Schwab FS Henrich 2000 511, 524; ders. MünchKomm aaO § 1904 Rdn. 38). § 1904 BGB will - anders ausgedrückt - dem Betroffenen Leben und Gesundheit erhalten, der geforderte Behandlungsabbruch will sein Leben gerade beenden. Beide Ziele stehen sich nicht im Verhältnis von "maius" und "minus" gegenüber; sie sind miteinander inkomparabel und deshalb einem "erst recht"-Schluß nicht zugänglich (LG München aaO). Auch eine Gesamtanalogie (Rechtsanalogie) zu den §§ 1904 bis 1907 BGB kommt nicht in Betracht. Zum einen läßt sich diesen schon tatbestandlich ganz unterschiedlichen Genehmigungsvorbehalten kein "allgemeiner Grundsatz" unterlegen, dessen folgerichtige Entfaltung auch Antworten auf die Frage nach der Zulässigkeit des Abbruchs einer lebenserhaltenden Behandlung bereithält. Zum anderen läßt sich diese Frage mit der in diesen Genehmigungsvorbehalten vorgesehenen Rechtsfolge auch nicht erschöpfend beantworten: Lehnt das Vormundschaftsgericht es ab, eine nach den §§ 1904 bis 1907 BGB genehmigungspflichtige Erklärung oder Maßnahme des Betreuers zu genehmigen, so ist die Erklärung unwirksam und die Maßnahme unterbleibt. Verweigert der Betreuer die notwendige Einwilligung in die lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betreuten, so wird diese Behandlung damit allein noch nicht zulässig. Das Vormundschaftsgericht müßte, falls es nicht einen anderen Betreuer bestellt, die Einwilligung des Betreuers in die Behandlung ersetzen (vgl. Steffen NJW 1996, 1581; Engers/Wagenitz FamRZ 1988, 1256, 1257). Eine solche willensersetzende Entscheidungsmacht des Vormundschaftsgerichts ist dem geltenden Recht strukturell nicht fremd, aber auf eng begrenzte Tatbestände beschränkt (vgl. § 1810 Satz 1 Halbs. 2, § 1837 Abs. 4 i.V. mit § 1666 Abs. 3 BGB, arg. e contr. § 1908 i Abs. 1 BGB; vgl. Staudinger/Engler BGB 13. Bearb., § 1837 Rdn. 2, 47; MünchKomm/Wagenitz BGB 4. Aufl. § 1837 Rdn. 4 ff., 35). Die §§ 1904 bis 1907 BGB bieten für sie keine Grundlage.

e) Die fehlende Möglichkeit einer analogen Heranziehung der §§ 1904 bis 1907 BGB schließt freilich die Befugnis des Senats nicht aus, für die verweigerte Einwilligung des Betreuers in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung oder Weiterbehandlung eines nicht einwilligungsfähigen Betroffenen im Wege einer Fortbildung des Betreuungsrechts eine vormundschaftsgerichtliche Prüfungszuständigkeit zu eröffnen. Die Fortbildung des Rechts ist eine Pflicht der obersten Gerichtshöfe des Bundes und wird ständig geübt (grundlegend BVerfGE 34, 296, 287 ff.; BGHZ 3, 308, 315; zu den Voraussetzungen im einzelnen Larenz Methodenlehre 6. Aufl., 366 ff., insbes. 413 ff.; Larenz/Canaris aaO 187 ff., insbes. 232 ff.). Sie ergibt sich vorliegend aus einer Gesamtschau des Betreuungsrechts und dem unabweisbaren Bedürfnis , mit den Instrumenten dieses Rechts auch auf Fragen im Grenzbereich menschlichen Lebens und Sterbens für alle Beteiligten rechtlich verantwortbare Antworten zu finden. aa) Der Vorrang des Gesetzes hindert eine solche Rechtsfortbildung nicht (dazu allgemein etwa BVerfGE 96, 56, 62). Zwar ist richtig, daß der Gesetzgeber des Betreuungsgesetzes - wie sich aus dessen Materialien ergibt - dem Wunsch eines nicht einwilligungsfähigen Betreuten auch insoweit Beachtung zuerkennen wollte, als "dieser darauf gerichtet ist, in der letzten Lebensphase nicht sämtliche denkbaren lebens-, aber auch schmerzverlängernden medizinischen Möglichkeiten einzusetzen" (BT-Drucks. 11/4528 S. 128). Richtig ist auch, daß der Gesetzgeber ein Verhalten des Betreuers, das auf Durchsetzung eines solchen Wunsches gerichtet ist, keinem Genehmigungsvorbehalt unterworfen hat. Daraus läßt sich jedoch nicht auf ein "beredtes Schweigen" des Gesetzes schließen, das es verbieten könnte, im Wege der Rechtsfortbildung die unterlassene Einwilligung des Betreuers in lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahmen einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen. Zum einen lassen die in den §§ 1904 bis 1907 BGB aufgegriffenen
Konfliktsituationen kein geschlossenes Konzept erkennen, das einer rechtsfort- bildenden Erweiterung nicht zugänglich wäre; zum andern ist - wie ausgeführt - der in diesen Vorschriften normierte Genehmigungsvorbehalt schon strukturell nicht geeignet, die Frage nach der Zulässigkeit des Abbruchs einer lebenserhaltenden Behandlung einer erschöpfenden Regelung zuzuführen; aus der Nichterstreckung der im Gesetz vorgesehenen Genehmigungserfordernisse auf diese Frage läßt sich deshalb nicht schließen, der Gesetzgeber habe diese Frage generell einer vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung entziehen wollen. Auch die weitere Entwicklung des Betreuungsrechts rechtfertigt einen solchen Schluß nicht. Das Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 25. Juni 1998 (BGBl. I 1580) verhält sich zur Frage eines Genehmigungserfordernisses nicht; das war nach der vorrangig auf eine Neuordnung des Rechts der Betreuervergütung gerichteten Zielsetzung dieses Gesetzes allerdings auch nicht anders zu erwarten (Knieper NJW 1998, 2720, 2721). Auch für die Folgezeit läßt sich das Schweigen des Gesetzgebers nicht als eine legislative Entscheidung gegen eine vormundschaftsgerichtliche Prüfungszuständigkeit für das Verlangen des Betreuers nach Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen deuten. Die Bundesregierung sah, wie auch ihre Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten Hüppe belegt, keinen unmittelbaren Handlungsbedarf: Danach wirft die Entscheidung des Oberlandesgerichts "nicht nur tiefgreifende juristisch-ethische Fragen, sondern auch vielfältige forensisch-praktische Fragen auf, die einer gründlichen Aufarbeitung bedürfen, bevor die Frage nach der Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Maßnahme ... beantwortet werden kann" (BT-Drucks. 13/11345 Frage Nr. 14 S. 11). Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist berufen, hierzu ihren Beitrag zu leisten und damit zugleich mögliche Wege für die vielfach geforderte (vgl. etwa Vormundschaftsgerichtstag e.V. BTPrax 1998, 161, 162; Taupitz aaO A 92; Scheffen ZRP 2000, 313, 316 f.; Hufen aaO 857) und auch
nach Auffassung des Senats wünschenswerte gesetzliche Regelung aufzuzeigen. bb) Der Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG steht einer solchen Rechtsfortbildung nicht entgegen (so aber wohl Vormundschaftsgerichtstag e.V. BTPrax 98, 161, 162; Jürgens BTPrax 98, 159, 160; Alberts NJW 1999, 835, 836). Denn durch die Prüfungszuständigkeit des Vormundschaftsgerichts wird nicht in die Rechte des Betroffenen auf Leben und körperliche Unversehrtheit eingegriffen, der Vormundschaftsrichter - entgegen einer gelegentlich gebrauchten plakativen Formulierung - also nicht zum "Herrn über Leben und Tod" ernannt (so aber AG Hanau BTPrax 1997, 82, 83; Deichmann MDR 1995, 983, 984; mit Recht kritisch Verrel JR 1999, 5, 6). Vielmehr werden - im Gegenteil - die Grundrechte des Betroffenen geschützt, indem die Entscheidung des Betreuers, nicht in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung oder Weiterbehandlung des Betroffenen einzuwilligen, einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen und dabei auf ihre Übereinstimmung mit dem Willen des Betroffenen - als Ausfluß seiner fortwirkenden Selbstbestimmung und Selbstverantwortung - überprüft wird (OLG Karlsruhe aaO 490). cc) Eine im Wege der Fortbildung des Betreuungsrechts zu begründende Prüfungszuständigkeit des Vormundschaftsgerichts findet ihre natürliche Grenze dort, wo der Regelungsbereich des Betreuungsrechts, dessen Handhabung den Vormundschaftsgerichten anvertraut ist, endet. Das Betreuungsrecht regelt, soweit medizinische Maßnahmen für den Betroffenen in Frage stehen, zwar nicht nur das Verhältnis des Betreuers zum Betroffenen; es schreibt auch vor, inwieweit der Betreuer die dem Betroffenen zustehenden Rechte gegenüber Ärzten oder Pflegekräften wahrnehmen kann. Der Umfang dieser Rechte selbst ist jedoch nicht Gegenstand des Betreuungsrechts und deshalb von vornherein einer isolierten vormundschaftsgerichtlichen Überprüfung entzogen.
Daraus ergibt sich, daß auch die Frage, welche lebensverlängernden oder -erhaltenden Maßnahmen der Betroffene beanspruchen und der Betreuer folglich als sein gesetzlicher Vertreter für ihn einfordern kann, nicht vom Betreuungsrecht zu beantworten ist. Auch dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen läßt sich eine Antwort nicht entnehmen; denn dieses Recht läßt sich nur als Abwehrrecht gegen, nicht aber als Anspruch auf eine bestimmte Behandlung begreifen (Taupitz aaO A 23; Verrel JZ 1996, 224, 226; einschränkend Lilie FS Steffen 1995, 273, 276). Im Grundsatz gesichert erscheint, daß der Arzt - gestützt auf sein Grundrecht der Berufsfreiheit und seine allgemeine Handlungsfreiheit - jedenfalls solche Maßnahmen verweigern kann, für die keine medizinische Indikation besteht (Taupitz aaO 23 f. m.w.N.). Die medizinische Indikation, verstanden als das fachliche Urteil über den Wert oder Unwert einer medizinischen Behandlungsmethode in ihrer Anwendung auf den konkreten Fall (Opderbecke MedR 1985, 23, 25), begrenzt insoweit den Inhalt des ärztlichen Heilauftrags (Taupitz aaO 23 ff.; vgl. auch Lilie in Wienke/Lippert aaO 80). Diese - im Schnittfeld naturwissenschaftlicher und medizinethischer Überlegungen nicht immer scharfe - Begrenzung (vgl. etwa die Umschreibung in den Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung NJW 1998, 3406; w.N. bei Taupitz aaO Fn. 4) ist dem Betreuungsrecht vorgegeben; denn die rechtliche Betreuungsbedürftigkeit eines Patienten verändert den Rahmen, in dem er ärztliche Behandlung beanspruchen kann, nicht (Taupitz aaO 40; Lipp aaO 53; Opderbecke/Weißauer MedR 1998, 395, 397). Die Frage, ob eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung medizinisch indiziert ist und ihre Durchführung deshalb vom ärztlichen Heilauftrag geboten wird, kann deshalb für das Betreuungsrecht nur als Vorfrage - d.h. im Zusammenhang mit der dem Vormundschaftsgericht obliegenden Beurteilung eines Verhaltens des Betreuers bei der Wahrnehmung von Patienteninteressen des Betroffenen - Bedeutung erlangen. Für sich genommen - also losgelöst von der Prüfung eines
derartigen Betreuerverhaltens - kann diese Frage nicht zum Gegenstand eines vormundschaftsgerichtlichen Verfahrens erhoben werden. dd) Für das Betreuungsrecht kann der Inhalt des ärztlichen Heilauftrags und das aus ihm resultierende Behandlungsangebot danach allerdings mittelbar relevant werden, und zwar in zweifacher Hinsicht: Für eine Einwilligung des Betreuers in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung ist von vornherein kein Raum, wenn ärztlicherseits eine solche Behandlung nicht angeboten wird - sei es, daß sie nach Auffassung der behandelnden Ärzte von vornherein nicht indiziert, sinnlos geworden oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist (Lipp aaO 52 f.). Das Unterlassen (erst recht die Weigerung) des Betreuers, in eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung einzuwilligen, ist - wie einleitend dargelegt - zwar tauglicher Gegenstand einer vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle, setzt aber notwendig ein entsprechendes ärztliches Behandlungsangebot voraus. Fehlt es an einem solchen Angebot, kommt eine vormundschaftsgerichtliche Prüfung allenfalls insoweit in Betracht, als die Pflicht des Betreuers in Frage steht, in Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen die Erfüllung des ärztlichen Heilauftrags durch die Einforderung bestimmter lebensverlängernder oder -erhaltender Behandlungen durchzusetzen. Die Frage, welche Möglichkeiten dem Vormundschaftsgericht hier zur Verfügung stehen, den Betreuer zur Erfüllung dieser Pflicht anzuhalten , beantwortet sich aus der Aufsichtspflicht des Vormundschaftsgerichts (§ 1908 i i.V. mit § 1837, § 1908 b BGB). Sie bedarf hier keiner vertiefenden Erörterung; denn ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor. Nur soweit ärztlicherseits eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung angeboten wird, ist eine Einwilligung des Betreuers als des gesetzlichen Vertreters des einwilligungsunfähigen Patienten überhaupt erforderlich.
Ein Unterlassen (erst recht eine Verweigerung) der Einwilligung in die angebotene Behandlung wird - nach der im Wege der Rechtsfortbildung gewonnenen Auffassung des Senats - jedoch nur mit Zustimmung des Vormundschaftsge- richts wirksam. Eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des einwilligungsunfähigen Patienten ist bei medizinischer Indikation deshalb auch ohne die Einwilligung des Betreuers zunächst - bis zu einer Entscheidung des Vormundschaftsgerichts - durchzuführen oder fortzusetzen. Das Vormundschaftsgericht hat das Verhalten des Betreuers anhand der oben aufgeführten Kriterien auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen; es trifft also keine eigene Entscheidung gegen lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahmen (vgl. Taupitz aaO A 85 und Fn. 410 mit rechtsvergleichenden Hinweisen; Lipp aaO 52). Das Vormundschaftsgericht muß der Entscheidung des Betreuers gegen eine solche Behandlung zustimmen, wenn feststeht, daß die Krankheit des Betroffenen einen irreversiblen tödlichen Verlauf genommen hat und die ärztlicherseits angebotene Behandlung dem früher erklärten und fortgeltenden Willen des Betroffenen, hilfsweise dessen (individuell-)mutmaßlichen Willen widerspricht. Die Frage, ob das Vormundschaftsgericht der Entscheidung des Betreuers gegen eine solche Behandlung auch dann zustimmen darf, wenn sich ein entsprechender wirklicher oder mutmaßlicher Wille trotz erschöpfender Nachforschungen des Betreuers nicht feststellen läßt, wird namentlich dann praktisch, wenn das Vormundschaftsgericht zu einer Beurteilung der medizinischen Indikation gelangt, die von der - diese Indikation bejahenden - Bewertung des behandelnden Arztes abweicht; diese Frage kann, wie ausgeführt, hier offenbleiben. Stimmt das Vormundschaftsgericht der eine Behandlung oder Weiterbehandlung ablehnenden Entscheidung des Betreuers zu, ist dessen Einwilligung nicht länger entbehrlich und die Nichterteilung dieser Einwilligung wirksam. Verweigert das Vormundschaftsgericht dagegen seine Zustimmung, so gilt damit zugleich die Einwilligung des Betreuers in die angebotene Be-
handlung oder Weiterbehandlung des Betroffenen als ersetzt. Das vormund- schaftsgerichtliche Verfahren ist dem Richter vorbehalten (ebenso § 14 Abs. 1 Nr. 4 RpflG). § 69 d Abs. 1, 2 FGG findet eine entsprechende, den Besonderheiten des Regelungsgegenstandes Rechnung tragende Anwendung. So hat sich der Vormundschaftsrichter vom Zustand des Betroffenen einen persönlichen Eindruck zu verschaffen (vgl. § 69 d Abs. 1 Satz 2 FGG). Auch wird er auf die Einholung eines zusätzlichen, von einem anderen als dem behandelnden Arzt erstellten Sachverständigengutachtens (vgl. § 69 d Abs. 2 FGG) im Regelfall nicht verzichten können, wenn die medizinischen Voraussetzungen für die Forderung des Betreuers, die Behandlung einzustellen, nicht durch eine neuere, den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten genügende ärztliche Stellungnahme belegt sind (vgl. dazu näher OLG Karlsruhe aaO 492) oder wenn er - in Abweichung von der Beurteilung des behandelnden Arztes - die medizinische Indikation der ärztlicherseits angebotenen Behandlung verneinen will. Mit diesem Zustimmungserfordernis wird dem Schutz des Betroffenen in seinen Grundrechten auf Leben, Selbstbestimmung und Menschenwürde in ausgewogener Weise Rechnung getragen (Taupitz aaO A 84; Lipp aaO 52, Saliger JuS 1999, 16, 20). Zugleich zielt dieses Erfordernis auf Schutz und Fürsorge für den Betreuer: Indem das Betreuungsrecht dem Betreuer unter Umständen eine Entscheidung gegen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betroffenen abverlangt, bürdet es ihm eine Last auf, die allein zu tragen dem Betreuer nicht zugemutet werden kann (LG Duisburg NJW 1999, 2744). Da das Recht vom Einzelnen nichts Unzumutbares verlangen kann, erscheint es dem Senat zwingend geboten, den Betreuer durch das vormundschaftsgerichtliche Prüfungsverfahren zu entlasten. Dieses Verfahren bietet einen justizförmigen Rahmen, innerhalb dessen die rechtlichen - auch strafrechtlichen - Grenzen des Betreuerhandelns geklärt und der wirkliche oder
mutmaßliche Wille des Betroffenen - im Rahmen des Möglichen umfassend - ermittelt werden kann (OLG Karlsruhe aaO 490; Knittel aaO). Das Prüfungsverfahren vermittelt der Entscheidung des Betreuers damit eine Legitimität, die geeignet ist, den Betreuer subjektiv zu entlasten sowie seine Entscheidung objektiv anderen Beteiligten zu vermitteln (Taupitz aaO 82 f.) und die ihn zudem vor dem Risiko einer abweichenden strafrechtlichen ex-post-Beurteilung schützt OLG Karlsruhe aaO; Fröschle aaO 79, Saliger aaO 21). Die Beschränkung des Prüfungsvorbehalts auf Fälle, in denen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betroffenen medizinisch indiziert ist oder jedenfalls ärztlicherseits angeboten wird, der Betreuer aber in die angebotene Behandlung nicht einwilligt, stellt schließlich sicher, daß die Vormundschaftsgerichte nur in Konfliktlagen angerufen werden können; damit wird vermieden, daß die Vormundschaftsgerichte generell zur Kontrolle über ärztliches Verhalten am Ende des Lebens berufen und dadurch mit einer Aufgabe bedacht werden, die ihnen nach ihrer Funktion im Rechtssystem nicht zukommt, nicht ohne weiteres auf Fälle der Betreuung einwilligungsunfähiger Patienten beschränkt werden könnte und wohl auch sonst ihre Möglichkeiten weit überfordern würde.

IV.

Der Senat sieht sich an seiner Auffassung durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. September 1994 (aaO) nicht gehindert. In dieser Entscheidung hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Einstellung der künstlichen Ernährung der Patientin, die seit Jahren infolge einer irreversiblen Hirnschädigung zu einer eigenen Entscheidung nicht mehr in
der Lage war, für die deshalb deren Sohn zum Pfleger mit dem Aufgabenkreis "Zuführung zu ärztlicher Behandlung" bestellt worden war und deren Grundleiden einen tödlichen Verlauf angenommen hatte, für rechtswidrig erachtet, weil für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung der Patientin hinreichend sichere Anhaltspunkte gefehlt hätten und die Zustimmung des Pflegers zur Einstellung der künstlichen Ernährung schon mangels einer Genehmigung des Vormundschaftsgerichts unwirksam gewesen sei. § 1904 BGB sei nach seinem Sinn und Zweck in Fällen der Sterbehilfe jedenfalls dann - erst recht - entsprechend anzuwenden, wenn eine ärztliche Maßnahme in der Beendigung einer bisher durchgeführten lebenserhaltenden Behandlung bestehe und der Sterbevorgang noch nicht unmittelbar eingesetzt habe. Wenn schon bestimmte Heileingriffe wegen ihrer Gefährlichkeit der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Betreuers entzogen seien, dann müsse dies um so mehr für Maßnahmen gelten , die eine ärztliche Behandlung beenden sollten und mit Sicherheit binnen kurzem zum Tode des Kranken führten. Diese - von der dargelegten Rechtsmeinung des erkennenden Senats unterschiedliche - Sicht des § 1904 BGB begründet indes keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 GVG, die zu einer Anfrage an den 1. Strafsenat Anlaß geben und, falls dieser an seiner Auffassung festhielte, eine Vorlage an die Vereinigten Großen Senate erfordern würde; denn der Unterschied zwischen beiden Auffassungen ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht erheblich. § 132 GVG räumt den Vereinigten Großen Senaten die Befugnis zur Beantwortung streitiger oder grundsätzlich bedeutsamer Rechtsfragen nur ein, soweit deren Beantwortung für die Entscheidung des konkreten Falles nach Auffassung des vorlegenden Senats erforderlich wird. Diese Beschränkung ergibt sich mittelbar aus § 138 Abs. 1 Satz 3 GVG, der die Bindungswirkung der Entscheidung auf die vorgelegte Sache bezieht. Sie entspricht im übrigen auch dem Verständnis, das der Bundesgerichtshof dem Be-
griff der Entscheidungserheblichkeit für die Zulässigkeit der Vorlagen anderer Gerichte - etwa, wie im vorliegenden Fall, nach § 28 Abs. 2 FGG - beimißt; danach muß sich, wie anfangs ausgeführt, aus dem Vorlagebeschluß ergeben, daß es vom Standpunkt des vorlegenden Gerichts aus auf die Vorlagefrage ankommt, das vorlegende Gericht also bei Befolgung der abweichenden Ansicht zu einem anderen Ergebnis gelangen würde (Senatsbeschluß BGHZ 121, 305, 308; ebenso BGHZ 82, 34, 36 f.; 112, 127, 129; 117, 217, 221). Für eine Vorlage nach § 132 Abs. 2 GVG kann - wovon auch die Vereinigten Großen Senate ausgehen (BGHZ 126, 63, 71 f. unter Bezugnahme auf BGHZ 88, 353, 357; 112, 127, 129; 117, 217, 221) - nichts anderes gelten. Daher ist es unstatthaft , den Vereinigten Großen Senaten Fragen vorzulegen, deren Beantwortung lediglich die Begründung einer Entscheidung, nicht jedoch deren Ergebnis beeinflußt (BGH NJW 2000, 1185 f.; Kissel GVG 3. Aufl. § 132 Rdn. 20 i.V. mit § 121 Rdn. 21; zustimmend Zöller/Gummer ZPO 23. Aufl. § 132 GVG; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 61. Aufl. § 132 GVG Rdn. 7). So liegen die Dinge hier. Auch wenn man der Auffassung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs folgte und aus § 1904 BGB herleitete, daß in Fällen der Sterbehilfe (im weiteren Sinne) die Zustimmung des Betreuers zur Einstellung der künstlichen Ernährung die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderte, müßte das Vormundschaftsgericht auf den Antrag des Beteiligten hin tätig werden und prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen der Beteiligte seine Einwilligung in die Beibehaltung der Magensonde und die Fortdauer der künstlichen Ernährung des Betroffenen unterlassen darf. Für das in § 132 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 GVG vorgeschriebene Verfahren ist mithin im vorliegenden Fall kein Raum.

V.

Die Entscheidungen von Amts- und Landgericht können danach nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden. Vormundschafts- und Beschwerdegericht haben eine gerichtliche Prüfungszuständigkeit verneint und folgerichtig keine Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen getroffen, die den Beteiligten berechtigen könnten, seine Einwilligung in eine Fortführung der bisherigen Behandlung des Betroffenen nicht zu erteilen. Die Sache war daher an das Amtsgericht zurückzuverweisen, damit es die notwendigen Feststellungen nachholen und auf dieser Grundlage die ihm zuerkannte Prüfungsaufgabe wahrnehmen kann.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Ahlt

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.