Landgericht Köln Urteil, 08. März 2016 - 33 O 159/14

ECLI:ECLI:DE:LGK:2016:0308.33O159.14.00
08.03.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages.


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 5 Irreführende geschäftliche Handlungen


(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. (2) Eine

Heilmittelwerbegesetz - HeilMWerbG | § 3


Unzulässig ist eine irreführende Werbung. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, 1. wenn Arzneimitteln, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht h

Heilmittelwerbegesetz - HeilMWerbG | § 3a


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Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 8.3.2012, Geschäfts-Nr. 416 HKO 3/12, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tr

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Tenor Auf die Berufung der Antragsgegner wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 25.4.2012, Geschäfts-Nr. 416 HKO 31/12, abgeändert. Der Verfügungsantrag wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat die Ko

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Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegner wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 25.4.2012, Geschäfts-Nr. 416 HKO 31/12, abgeändert. Der Verfügungsantrag wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin verlangt von den Antragsgegnern auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage Unterlassung einer Angabe über das Arzneimittel X.® 50 LD50-Einheiten in einer Werbekarte (Anlage AS 1), die das aus dem Antrag ersichtliche Zitat aus der Fachinformation (Stand Dezember 2011) wiedergibt.

2

Die Antragstellerin ist Inhaberin der deutschen Zulassung für das Arzneimittel B.® (Wirkstoff Botulinumtoxin Typ A, Fachinformation Anlage AS 2). Sie hat die Fa. P.-A. GmbH beauftragt, ihre Interessen im Zusammenhang mit diesem Arzneimittel in Deutschland wahrzunehmen. B.® ist u.a. zugelassen für die Behandlung von Blepharospasmus (krampfartiger Lidschluss), zervikale Dystonie (Torticollis spasmodicus, „Schiefhals“) und fokaler Spastizität des Handgelenks und der Hand bei erwachsenen Schlaganfallpatienten.

3

Die Antragsgegnerin zu 1. ist Inhaberin der Zulassung für das Arzneimittel X.®100 LD50-Einheiten (Wirkstoff Botulinumtoxin Typ A, Fachinformation Anlage AS 3, nachfolgend bezeichnet als X.® 100). Die Antragsgegnerin zu 1. hat im Wege des sog. dezentralen Verfahrens durch das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ferner die Zulassung für das Arzneimittel X.® 50 erhalten (Fachinformation Anlage AS 4). Die Antragsgegnerin zu 2. hat bis Juni 2004 B.® in Deutschland für die Antragstellerin vertrieben; seit Juli 2005 vertreibt sie X.® 100. X.® 50 wird in Deutschland seit dem 15.1.2012 vertrieben. X.® ist zugelassen für die „symptomatische Behandlung von Blepharospasmus, zervikaler Dystonie mit überwiegend rotatorischer Komponente (Torticollis spasmodicus) sowie Spastik der oberen Extremitäten nach Schlaganfall mit Handgelenkbeugung und gefausteter Hand bei Erwachsenen“.

4

In der Fachinformation für X.® 50 (Stand Dezember 2011) heißt es u.a. (Ziff. 4.2):

5

„Ergebnisse vergleichender Studien weisen auf eine Äquipotenz von X. und dem Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum-Toxin-Typ-A-Komplex (900 kDa) hin, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden.“

6

In der Fachinformation mit dem Stand April 2012 heißt es nunmehr u.a.:

7

[Ziffer 4.2]

8

„Für detaillierte Informationen zu klinischen Studien mit X. im Vergleich zum herkömmlichen Botulinumtoxin Typ A-Komplex (900 kD) siehe Abschnitt 5.1.“

9

[Ziffer 5.1]

10

„Ergebnisse klinischer Studien

11

Nichtunterlegenheit der Wirksamkeit von X. zum Vergleichsprodukt, welches den herkömmlichen Botulinumtoxin Typ A Komplex Onabotulinumtoxin A (900 kD) enthält, wurde in zwei Phase III Vergleichsstudien nach Einmalgabe gezeigt, eine davon in Patienten mit Blepharospasmus (Studie MRZ 60201-0003; 300 Patienten), die andere in Patienten mit zervikaler Dystonie (Studie MRZ 60201-0013; 463 Patienten). Die Studienergebnisse weisen auch darauf hin, dass X. und dieses Vergleichspräparat ein ähnliches Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil bei Patienten mit Blepharospasmus oder zervikaler Dystonie haben, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 angewendet werden.“

12

Die Antragstellerin hat geltend gemacht: Die werbliche Angabe über die vermeintliche Äquipotenz seien irreführend und verstießen daher gegen §§ 3, 5 UWG sowie gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 8 AMG. Die angegriffene Angaben beinhalte auch unter Berücksichtigung der Formulierung Studien weisen darauf hin die Behauptung, es sei wissenschaftlich erwiesen, dass die Arzneimittel X.® 50 und B.® bei gleicher Dosierung auch die gleiche Wirkung entfalteten. Diese Behauptung sei nicht belegt, denn es existierten keine klinischen Studien, die ein Dosisverhältnis oder die Wirksamkeit bei entsprechendem Dosisverhältnis belegten. Tatsächlich existiere kein Dosierungsverhältnis von 1:1 zwischen B.® und X.®. Hinsichtlich X.® beruhten die Angaben in der Fachinformation auf den Zulassungsstudien von R. und B., die gerade keine 1:1-Dosierung belegten. Die Studien könnten hierfür nicht herangezogen werden, da sie keine Dosisfindungsstudien, sondern Nichtunterlegenheitsstudien gewesen seien und zudem mangels Auswaschphase von einer Restaktivität der Vorbehandlung mit B. auszugehen sei. In keiner Studie sei bisher die Dosisäquivalenz zweier Botulinumtoxin-Präparate untersucht worden. Der Beitrag von J. et al. stelle nur eine Zusammenfassung der genannten Arbeiten von R. und B. dar. Auch die weiteren von den Antragsgegnern in Bezug genommenen Arbeiten seien zum Nachweis der Behauptung der Äquipotenz bei Dosierung 1:1 nicht geeignet. Es liege sogar eine vergleichende klinische Head-to-Head-Studie sowie ein „Case Report“ vor, die gezeigt hätten, dass weder von einem gleichen Dosierungsverhältnis noch von einer gleichen Wirksamkeit bei gleicher Dosierung ausgegangen werden könne. Der Umstand, dass die beanstandeten Angaben in der Fachinformation enthalten seien, stehe einem Verbot nicht entgegen. Denn die Fachinformation sei als Teil des Zulassungs-Verwaltungsakts nichtig, weil sie offensichtlich an einem schwerwiegenden Fehler leide. Das BfArM habe die beanstandeten Angaben offenbar übersehen, so dass es insoweit nicht zu einer Prüfung gekommen sei.

13

Die Antragstellerin hat beantragt,

14

es den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wie mit der als Anlage AS 1 (in Fotokopie) beigefügten Abgabekarte zuX.® 50 („Ihre Kunst. Unsere Forschung.“) die Angaben zu machen:

15

„Ergebnisse vergleichender klinischer Studien weisen auf eine Äquipotenz von X. und dem Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum Toxin Typ A-Komplex (900 kDa) hin, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden.“

16

Die Antragsgegner haben beantragt,

17

den Verfügungsantragzurückzuweisen.

18

Die Antragsgegner haben vorgetragen: Die mit dem Antrag beanstandete Angabe sei nicht irreführend. Denn die vorliegenden Studien sprächen tatsächlich für eine gleiche Wirksamkeit der Präparate bei Dosierung im Verhältnis 1:1. Die Studien R. und B. seien randomisierte doppelblinde aktiv-kontrollierte klinische Studien, deren Ergebnisse in einer international anerkannten Fachzeitschrift mit Peer-Review veröffentlicht worden seien. Beide Studien hätten gezeigt, dass B.® und X.® unter Verwendung eines Dosisverhältnisses von 1:1 bezüglich aller Wirksamkeitsparameter (Wirkeintritt, Wirkstärke, Wirkdauer) äquivalent seien. Die Anlage als Nichtunterlegenheitsstudie schließe eine Aussage zur Vergleichbarkeit nicht aus. Dieser Auffassung sei auch die EMA, die im EPAR für X. ausgeführt habe, dass auf der Grundlage des nicht klinischen und klinischen Entwicklungsprogramms auf ein Dosisverhältnis von 1:1 zwischen X.® und B.® in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit geschlossen werden könne und die Übernahme der für B.® festgelegten Dosierung hinreichend gerechtfertigt sei. Entsprechendes ergebe sich auch aus weiteren fachlichen Beiträgen und Stellungnahmen. Auch die Angaben in der Fachinformation, die von der Genehmigungswirkung der Arzneimittelzulassung erfasst sei, belegten die Richtigkeit der angegriffenen Aussage. X.® 50 sei mit Bescheid vom 22.8.2011 auf der Grundlage der für X.® 100 durchgeführten Zulassungsstudien wirksam zugelassen worden. Mit Änderungsanzeige vom 5.10.2011 hätten die Antragsgegner gegenüber dem BfArM gem. § 29 Abs. 2a AMG zustimmungspflichtige Änderungen der Packungsbeilage und der Fachinformation angezeigt. Einer wegen der Bedenken des BfArM modifizierten Änderungsanzeige habe das BfArM sodann zugestimmt. Angesichts dieses Geschehensablaufs könne auch keine Rede davon sein, die angegriffene Formulierung sei dem BfArM „durchgerutscht“ oder sie habe sie übersehen.

19

Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 25.4.2012 antragsgemäß eine Urteilsverfügung erlassen. Hinsichtlich der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Antragsgegner mit der Berufung.

20

Die Antragsgegner wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend tragen sie vor: Das Landgericht habe nicht beachtet, dass das BfArM die angegriffenen Formulierungen der Fachinformation genehmigt habe, weshalb diese einer wettbewerbsrechtlichen Überprüfung entzogen seien. Die Prüfung durch das BfArM habe sich gem. § 8 AMG auch auf eine etwaige Irreführung bezogen. Zudem sei die Antragstellerin ihrer heilmittelwerberechtlichen Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen, weil sie keine einzige valide Untersuchung angeführt habe, die gegen eine Wirkäquivalenz bei einem Dosisverhältnis von 1:1 spreche. Die von der Antragstellerin angeführten Studien und Erfahrungsberichte seien hierfür nicht geeignet. Infolge der erneuten Änderung der Fachinformation fehle es an einer Begehungsgefahr hinsichtlich der streitgegenständlichen Angaben, die auf Fachinformation Stand 12/2011 Bezug nähmen. Die Antragsgegner bezögen sich in ihrer Werbung stets nur auf die aktuell gültige Fachinformation.

21

Die Antragsgegner beantragen,

22

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 25.4.2012 (Az. 416 HKO 31/12) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

23

Die Antragstellerin beantragt,

24

die Berufung der Antragsgegner zurückzuweisen.

25

Die Antragstellerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt sie vor: Das Landgericht habe zu Recht festgestellt, dass die angegriffene Werbung irreführend sei. Eine etwaige Genehmigung dieser Angaben durch das BfArM bestehe jedenfalls deshalb nicht mehr, weil die Fachinformation mit dem Stand April 2012 einen anderen Wortlaut habe. Hieraus gehe auch hervor, dass die Antragsgegner selbst die angegriffene Angabe nicht mehr aufrecht erhielten. Zudem hätten die Antragsgegner für X. eine von der B.-Dosierung abweichende Dosierung angegeben. Jedenfalls sei, so die Antragstellerin weiter, eine etwaige Genehmigung des BfArM nichtig, weil die entsprechenden Angaben in der Fachinformation wissenschaftlich nicht belegt und daher nicht gerechtfertigt seien. Es existierten keine vergleichenden Studien, die die Dosierung oder Wirksamkeit zum Gegenstand gehabt hätten. Damit sei offenkundig, dass die entsprechenden Teile der Fachinformation unter einem schwerwiegenden Fehler litten, der sich geradezu aufdränge. Jedenfalls für die Indikation „Spastik“ sei eine Wirkäquivalenz bei gleicher Dosierung nicht nachgewiesen, weil die Zulassungsstudie von K. lediglich placebokontrolliert und daher nicht vergleichend gewesen sei, weshalb die einschränkungslosen Aussagen innerhalb der Fachinformation ohne weiteres unzutreffend seien.

26

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien und der von ihnen überreichten Anlagen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

27

Die zulässige Berufung der Antragsgegner hat Erfolg. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Verfügungsanspruch nicht zu.

28

1. Die Antragsgegner wenden sich gegen das vom Landgericht ausgesprochene Verbot,

29

- wie mit der als Anlage AS 1 (in Fotokopie) beigefügten Abgabekarte zu X.® 50 („Ihre Kunst. Unsere Forschung.“)

- die Angaben zu machen: „Ergebnisse vergleichender klinischer Studien weisen auf eine Äquipotenz von X. und dem Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum Toxin Typ A-Komplex (900 kDa) hin, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden.“

30

Das Verbot ist auf die konkrete Verletzungsform - die vorgelegte Werbeunterlage - bezogen.

31

2. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen werblichen Angabe gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, Abs. 3 Nr. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m.§ 3a HWG, 8 AMG, denn sie ist nicht irreführend.

32

a) Die Antragstellerin macht geltend, dass die Angabe dahin verstanden werde, dass die Wirkungsäquivalenz von X. und B. bei einem Dosierungsverhältnis von 1.1 wissenschaftlich erwiesen sei. Das Verkehrsverständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und vernünftigen Verbrauchers ebenso wie das eines Arztes vermögen die Mitglieder des Senats, die sich hierbei auf ihre eigene Sachkunde und Lebenserfahrung stützen können, selbst zu beurteilen (st. Rspr. des Senats, s. nur Senat PharmR 2007, 204). Das von der Antragstellerin geltend gemachte Verkehrsverständnis trifft mit der Maßgabe zu, dass aufgrund der Formulierung „klinische Studien weisen darauf hin“ nicht der uneingeschränkt erbrachte wissenschaftliche Nachweis behauptet wird, aber doch eine gewisse wissenschaftliche Evidenz.

33

b) Es fehlt allerdings an einer Irreführung, weil die werblich in Anspruch genommene wissenschaftliche Evidenz besteht, also das vorgetragene Verkehrsverständnis mit der Realität übereinstimmt. Denn aufgrund der entsprechenden Angabe in der Fachinformation ist davon auszugehen, dass für die angegriffene Angabe ein hinreichender wissenschaftlicher Nachweis besteht.

34

aa) Aufgrund des Inhalts der durch die Werbung in Bezug genommenen Fachinformation ist vorliegend davon auszugehen, dass die angegriffene werbliche Angabe, die als Zitat der Fachinformation (Stand Dezember 2011) entnommen ist, dem Stand der Wissenschaft entspricht.

35

Die Werbung für Arzneimittel unterliegt den strengen Voraussetzungen der gesundheitsbezogenen Werbung, wonach wegen des hohen Schutzgutes der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen besonders strenge Anforderungen zu stellen sind (Senat, Urteil v. 21.12.2006, Az. 3 U 77/06, PharmaR 2007, 204). Daher sind werbende Anpreisungen auf diesem Gebiet nur zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen (BGH GRUR 1971, 153 - Tampax). Gegenüber der substantiierten Behauptung des Antragstellers, einer von ihm als irreführend angegriffenen gesundheitsbezogenen Werbung fehle die wissenschaftliche Grundlage bzw. die Aussage sei wissenschaftlich umstritten, obliegt es dem Antragsgegner, die wissenschaftliche Absicherung der Werbeaussage zu beweisen (Harte/Henning/Weidert, UWG, 2. Aufl. 2009, § 5 C Rz. 175).

36

Vorliegend kann offenbleiben, ob die Antragstellerin den Mangel der wissenschaftlichen Grundlage hinreichend dargelegt hat. Denn jedenfalls ergibt sich aus der Fachinformation für X. 50, die in der angegriffenen Werbung in Bezug genommen ist, ein hinreichender wissenschaftlicher Nachweis der werblichen Angabe.

37

Die in der Fachinformation enthaltenen Angaben geben in der Regel den im Zeitpunkt der behördlichen Zulassungsentscheidung maßgeblichen Stand der Wissenschaft wieder und können daher indizielle Bedeutung für den Nachweis der hinreichenden wissenschaftlichen Absicherung erlangen (BGH GRUR 2013, 649 Rn. 35 f., 43 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Denn die Fachinformation ist - wie auch die weiteren, im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren gem. §§ 22 bis 24 AMG einzureichenden Unterlagen - Gegenstand der Prüfung durch die Zulassungsbehörde (BGH GRUR 2013, 649 Rn. 35 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Die Zulassung des Arzneimittels einschließlich des Inhalts der von der Zulassungsbehörde geprüften Fachinformation steht allerdings dann der Feststellung einer Irreführung nicht entgegen, wenn der Anspruchsteller im Rahmen der ihm diesbezüglich obliegenden Darlegungs- und Beweislast darlegt und ggf. beweist, dass neuere, erst nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene oder der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung sonst nicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen (BGH GRUR 2013, 649 Rn. 43 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).

38

(1) Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass die Fachinformation in der beanstandeten Passage keine Grundlage in den Zulassungsstudien von R. und B. finde, so verhilft ihr dieser Einwand nicht zum Erfolg. Denn die Zulassungsbehörde hat den Inhalt dieser Zulassungsstudien gewürdigt und als Grundlage der Zulassung des Präparats und des im Zulassungsverfahren gem. § 22 Abs. 7 S. 1 AMG vorgelegten Wortlauts des Entwurfs einer Fachinformation für hinreichend befunden. Dass die von der Antragstellerin beanstandete Formulierung Gegenstand der behördlichen Prüfung und Entscheidung gewesen ist, ergibt sich aus dem von den Antragsgegnerin vorgetragenen und glaubhaft gemachten Verlauf des mit Änderungsanzeige vom 5.10.2011 eingeleiteten Änderungsverfahrens gem. § 29 Abs. 2a AMG. Der vorliegend relevante Text hat nach einer Beanstandung der Änderungsanzeige durch das BfArM in der von diesem befürworteten Fassung in die Fachinformation Stand Dezember 2011 Eingang gefunden.

39

(2) Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass neuere, erst nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene oder der Behörde im Entscheidungszeitpunkt sonst nicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die die Maßgeblichkeit der Fachinformation als Indikator des Standes der Wissenschaft entkräften würden.

40

Dies gilt zunächst für die von der Antragstellerin hinsichtlich der angegriffenen Äquivalenzaussage in Zweifel gezogene Aussagekraft der als Nichtunterlegenheitsstudien konzipierten Zulassungsstudien für X.. Denn die Frage, ob und unter welchen Bedingungen das Ergebnis einer Nichtunterlegenheitsstudie eine Äquivalenzaussage rechtfertigen kann, war schon lange vor der hier betroffenen Zulassungsentscheidung Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion (s. EMEA-Papier CPMP/EWP/482/99 Points to consider on switching between superiority and non-inferiority v. 27.7.2000; s. auch Senat, Beschluss v. 11.8.2009, Az. 3 W 66/09). Der von der Antragstellerin in Bezug genommene, von Dr. R. verfasste "Case Report" ist in der Zeitschrift „Aktuelle Dystonie“ Heft Nr. 28/2008 erschienen, war also bereits lange vor dem Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung verfügbar. Es ist anzunehmen, dass diese Publikation im Zeitpunkt der Zulassung bereits zu dem berücksichtigungsfähigen und auch berücksichtigten Wissensbestand gehört hat, so dass hiermit der Inhalt der Fachinformation nicht mit Erfolg angegriffen werden kann. Gleiches gilt im Ergebnis schließlich für das weiter von der Antragstellerin gegen den Inhalt der Fachinformation ins Feld geführte Konferenzposter von M.-C., welches auf dem Kongress „European Masters in Aesthetical and Anti-Aging Medicine" vom 30.9.-1.10.2011 gezeigt wurde. Wenn man unterstellt, dass die Behörde den Inhalt dieser Studie mangels gedruckter Veröffentlichung noch nicht kannte, so kann sie vorliegend zwar im Sinne der Antragstellerin herangezogen werden. Allerdings ist die Studie inhaltlich nicht geeignet, den in der Fachinformation wiedergegebenen Stand der Wissenschaft zu widerlegen. Bei dieser Studie handelt es sich um eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde Vergleichsstudie zur Wirksamkeit von entweder 20 Einheiten Onabotulinumtoxin Typ A (Wirkstoff von B.) oder 30 Einheiten von Incobotulinumtoxin A (Wirkstoff von X.) zur Behandlung der Glabellafalte. Primärer Endpunkt der Studie war die Wirksamkeit innerhalb jedes Behandlungsarms nach Maßgabe der vom Anwender beurteilten Facial Wrinkle Scale (FWS, Skala der Gesichtsfalte/faltigkeit). Treatment response, also Behandlungserfolg, war definiert als das Erreichen einer Verbesserung des FWS von einem Punkt oder mehr. Ergebnis der Studie war, dass 20 Einheiten B. ebenso wirksam waren wie 30 Einheiten von X.. Diese Studie ist zum Nachweis einer fehlenden Äquivalenz bei gleichem Dosisverhältnis schon deshalb nicht geeignet, weil die zu vergleichenden Präparate in unterschiedlichen Dosen verabreicht wurden (20 bzw. 30 Einheiten). Die Tatsache, dass bei einer auf das 1,5-fache erhöhten Dosis von X. gleiche Behandlungserfolge erzielt wurden, sagt über die Wirksamkeit bei gleicher Dosis (1:1) nichts aus.

41

bb) Die Fachinformation ist auch nicht deshalb unbeachtlich, weil die Zulassung des Präparats X. oder auch nur die Zulassung der Fachinformation selbst gem. § 44 VwVfG (teil-)nichtig wären.

42

Nach § 44 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Besonders schwerwiegende Fehler im Sinne der genannten Vorschrift sind solche, die in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrunde liegenden Wertvorstellungen der Gemeinschaft stehen, dass eine Wirksamkeit des Verwaltungsakts unerträglich wäre (Kopp/Ramsauer,VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 44 Rn. 8 m.w.N.). Diese Voraussetzungen können etwa vorliegen bei Verstößen gegen zwingende gesetzliche Verbote oder bei offensichtlichen Gefälligkeitsverwaltungsakten, denen keinerlei rechtfertigender Sachverhalt zugrunde liegt, nicht hingegen schon bei groben Schätzungsfehlern oder Fehlern eines ärztlichen Gutachtens (Kopp/Ramsauer § 44 Rn. 10f.). Offenkundig ist ein Fehler, der dem Verwaltungsakt geradezu „auf die Stirn geschrieben“ ist, mit der Folge, dass der Verwaltungsakt aus Sicht des gerecht und billig denkenden, aufgeschlossenen Staatsbürgers ohne weitere Ermittlungen oder besondere rechtliche Überlegungen unmöglich als rechtens anzusehen ist (Kopp/Ramsauer § 44 Rn. 12).

43

Diese Voraussetzungen sind im Falle der Zulassung des Arzneimittels X. 50 und der damit verbundenen Genehmigung der Fachinformation Stand Dezember 2011 durch das BfArM nicht gegeben. Selbst wenn man unterstellte, dass die von der Antragstellerin beanstandete Heranziehung der Zulassungsstudien für die angegriffene Äquivalenzaussage fehlerhaft wäre, so handelte es sich allenfalls um eine wissenschaftliche Fehleinschätzung, die - ähnlich wie im Fall eines fehlerhaften ärztlichen Gutachtens (s.o.) - kaum als „schwerwiegend“ im Sinne des § 44 VwVfG zu beurteilen wäre. Jedenfalls aber fehlt es am weiteren, in § 44 Abs. 1 VwVfG vorgesehenen Nichtigkeitserfordernis der Offenkundigkeit des Fehlers. Unabhängig von der Frage, ob die Dosisfindung selbst Gegenstand der Zulassungsstudien war, handelt es sich bei der Aussage über die Äquipotenz bei einem Dosisverhältnis von 1:1 keinesfalls um eine fachliche Bewertung der Zulassungsbehörde, der die Fehlerhaftigkeit "auf die Stirn geschrieben" wäre. Dies gilt auch mit Blick auf den Umstand, dass die Indikation „Spastik“ in keiner der Studien vergleichend untersucht worden ist. Denn es erscheint durchaus vorstellbar, dass eine entsprechende - erweiternde - Schlussfolgerung durch die Zulassungsstudien wissenschaftlich nahegelegt schien, ohne dass dies als von vornherein haltlos und daher offenkundig fehlerhaft angesehen werden könnte. Auch die besonderen Nichtigkeitsgründe des § 44 Abs. 2 VwVfG sind nicht gegeben.

44

3. Der Unterlassungsanspruch ist auch bei Berücksichtigung des Umstands nicht begründet, dass die Fachinformation Stand Dezember 2011 durch die neugefasste Fachinformation ersetzt worden ist. Denn für die Verwendung einer Werbung, die nach der Neufassung der Fachinformation ein Zitat aus der veralteten Version (Stand Dezember 2011) beinhaltet, bestehen weder Wiederholungs- noch Erstbegehungsgefahr. Für die Inbezugnahme der überholten Fassung der Fachinformation fehlt es an einer die Annahme der Wiederholungsgefahr begründenden Verletzungshandlung, denn im Zeitpunkt der Verbreitung der beanstandeten Werbung war die darin zitierte Fassung der Fachinformation noch gültig. Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass die Antragsgegner die angegriffene Werbung nach Neufassung der Fachinformation noch weiterverwendet hätten. Auch die Annahme einer Erstbegehungsgefahr ist nicht gerechtfertigt. Erstbegehungsgefahr setzt voraus, dass der Eingriff "greifbar nahe" ist und die Umstände seine Vorbereitung oder Absicht seiner Verwirklichung erkennen lassen (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl. 2011, Kap. 10 Rn. 2 ff.).

45

Entsprechende Anhaltspunkte können vorliegend nicht festgestellt werden. Ebenso wenig, wie im Falle einer Gesetzesänderung ohne entsprechende Anhaltspunkte damit zu rechnen ist, dass eine nach neuer Rechtslage rechtswidrige Handlung, die in der Vergangenheit (rechtmäßig) vorgenommen wurde, erneut erfolgen werde (vgl. BGH NJW-RR 1989, 101 - Brillenpreise I; Teplitzky, Kap. 10 Rn. 18), ist im vorliegenden Fall die Annahme gerechtfertigt, die Antragsgegner würden nach Neufassung der Fachinformation ein Werbemittel verwenden, das sich auf die überholte Version der Fachinformation bezieht. Jedenfalls aber haben die Antragsgegner ernsthaft erklärt, in ihrer Werbung stets nur die aktuelle Version der Fachinformation in Bezug nehmen zu wollen, und somit von einer - unterstelltermaßen - zukünftig zu erwartenden Verletzungshandlung in hinreichender Weise Abstand genommen (vgl. BGH GRUR 2001, 1174 - Berühmungsaufgabe).

46

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 8.3.2012, Geschäfts-Nr. 416 HKO 3/12, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage Unterlassung von Angaben in der Fachinformation des Arzneimittels X.® 50 LD50-Einheiten (nachfolgend bezeichnet als X.® 50).

2

Die Klägerin ist Inhaberin der deutschen Zulassung für das Arzneimittel B.® (Wirkstoff Botulinumtoxin Typ A). Sie hat die Fa. P.-A. GmbH beauftragt, ihre Interessen im Zusammenhang mit diesem Arzneimittel in Deutschland wahrzunehmen. B.® ist u.a. zugelassen für die Behandlung von Blepharospasmus (krampfartiger Lidschluss), zervikale Dystonie (Torticollis spasmodicus; „Schiefhals“) und fokaler Spastizität des Handgelenks und der Hand bei erwachsenen Schlaganfallpatienten.

3

Die Beklagte zu 1. ist Inhaberin der Zulassung für das Arzneimittel X.®100 LD50-Einheiten (nachfolgend bezeichnet als X.® 100), dessen Wirkstoff Botulinumtoxin Typ A ist. Die Beklagte zu 1. hat ferner im Wege des sog. dezentralen Verfahrens, innerhalb dessen Deutschland zusammen mit weiteren Staaten (darunter Großbritannien) als Reference Member State beteiligt war, durch das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Zulassung für das Arzneimittel X.® 50 LD50-Einheiten (nachfolgend bezeichnet als X.® 50) erhalten (Anlage K 4), dessen Wirkstoff ebenfalls Botulinumtoxin Typ A ist. X.® 50 ist zugelassen für die „symptomatische Behandlung von Blepharospasmus, zervikaler Dystonie mit überwiegend rotatorischer Komponente (Torticollis spasmodicus) sowie Spastik der oberen Extremitäten nach Schlaganfall mit Handgelenkbeugung und gefausteter Hand bei Erwachsenen“. Die Beklagte zu 2. hat bis Juni 2004 B.® in Deutschland für die Klägerin vertrieben; seit Juli 2005 vertreibt sie X.® 100. X.® 50 wird in Deutschland seit dem 15.1.2012 vertrieben.

4

In der Fachinformation für X.® 50 für Großbritannien heißt es u.a. (Anlage K 3, dort Ziff. 4.2):

5

„Comparative clinical study results suggest that X. and the comparator product containing conventional Botulinum toxin type A complex (900 kD) are of equal potency when used with a dosing conversion ratio of 1:1.“

6

In der deutschen Fachinformation fürX.® 50 (Stand August 2011) heißt es u.a. (Ziff. 4.2):

7

„Aufgrund der unterschiedlichen LD50-Testmethoden sind X.-Einheiten spezifisch für X. und daher nicht auf andere Botulinumtoxin-Präparateübertragbar.“

8

sowie

9

„Ergebnisse vergleichender Studien legen nahe, dass X. und das Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum-Toxin-Typ-A-Komplex (900 kDa) äquipotent sind, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden.“

10

In der deutschen Fachinformation fürX.® 50 (Stand Dezember 2011) heißt es u.a. (Ziff. 4.2):

11

„Ergebnisse vergleichender Studien weisen auf eine Äquipotenz von X. und dem Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum-Toxin-Typ-A-Komplex (900 kDa) hin, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden.“

12

In der Fachinformation mit dem Stand April 2012 heißt es nunmehr u.a.:

13

[Ziffer 4.2]

14

„Für detaillierte Informationen zu klinischen Studien mit X. im Vergleich zum herkömmlichen Botulinumtoxin Typ A-Komplex (900 kD) siehe Abschnitt 5.1.“

15

[Ziffer 5.1]

16

„Ergebnisse klinischer Studien

17

Nichtunterlegenheit der Wirksamkeit von X. zum Vergleichsprodukt, welches den herkömmlichen Botulinumtoxin Typ A Komplex OnabotulinumtoxinA (900 kD) enthält, wurde in zwei Phase III Vergleichsstudien nach Einmalgabe gezeigt, eine davon in Patienten mit Blepharospasmus (Studie MRZ 60201-0003; 300 Patienten), die andere in Patienten mit zervikaler Dystonie (Studie MRZ 60201-0013; 463 Patienten). Die Studienergebnisse weisen auch darauf hin, dass X. und dieses Vergleichspräparat ein ähnliches Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil bei Patienten mit Blepharospasmus oder zervikaler Dystonie haben, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 angewendet werden.“

18

Mit Schreiben vom 28.7.2011 hat die Klägerin die Angaben in der britischen Fachinformation beanstandet und die Beklagten erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung aufgefordert (Anlagen K 5, K 6).

19

Die Klägerin hat geltend gemacht: Die in den Fachinformationen unterschiedlichen Standes enthaltenen Angaben über die vermeintliche Äquipotenz seien irreführend und verstießen daher gegen §§ 3, 5 UWG sowie gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 8 AMG. Hinsichtlich der aus der britischen Fachinformation in den Antrag übernommenen Formulierung habe die Klägerin davon ausgehen dürfen, dass die Beklagten für die deutsche Fassung die gleiche Aussage treffen würden (Erstbegehungsgefahr). Nunmehr bestehe hinsichtlich der weiteren Fassung Wiederholungsgefahr. Die angegriffenen Angaben beinhalteten auch unter Berücksichtigung der Formulierung „Studien lassen vermuten“ die Behauptung, es sei wissenschaftlich erwiesen, dass die Arzneimittel X.® 50 und B.® bei gleicher Dosierung auch die gleiche Wirkung entfalteten. Diese Behauptung sei nicht belegt, denn es existierten keine klinischen Studien, die ein Dosisverhältnis oder die Wirksamkeit bei entsprechendem Dosisverhältnis belegten. Allenfalls gebe es Nichtunterlegenheitsstudien, die aber keine Gleichwertigkeit nachweisen könnten. Deshalb werde auch in der Fachinformation darauf hingewiesen, dass die jeweiligen Einheiten nicht auf andere Botulinumtoxin-Präparate übertragbar seien. Tatsächlich existiere kein Dosierungsverhältnis von 1:1 zwischen B.® und X.®. Hinsichtlich X.® beruhten die Angaben in der Fachinformation auf den Zulassungsstudien von R. und B., die gerade keine 1:1-Dosierung belegten. Der Umstand, dass die beanstandeten Angaben in der Fachinformation enthalten seien, stehe einem Verbot nicht entgegen. Denn die Fachinformation sei als Teil des Zulassungs-Verwaltungsakts nichtig, weil sie offensichtlich an einem schwerwiegenden Fehler leide. Das BfArM habe die beanstandeten Angaben offenbar übersehen, so dass es insoweit nicht zu einer Prüfung gekommen sei. Die Fachinformation sei auch in sich widersprüchlich. Zudem folge aus § 25 Abs. 10 AMG, dass die Zulassung die zivil- und strafrechtliche Verantwortung des pharmazeutischen Unternehmers unberührt lasse. Auch die Verwendung des Wortes „herkömmlich“ sei unzulässig, denn hieraus gehe nicht hervor, welches Vergleichsprodukt hiermit gemeint sein solle.

20

Die Klägerin hat beantragt,

21

es der Beklagten bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten, zu X.® 50 wörtlich oder sinngemäß die Angabe zu machen:

22

Die Ergebnisse von vergleichenden klinischen Studien lassen vermuten, dass X. und das zum Vergleich dienende Produkt mit dem herkömmlichen Botulinum-Toxin-Typ-A-Komplex (900 kD) bei Verwendung mit einem Dosis-Konversionsverhältnis 1:1 die gleiche Wirkung entfalten.

23

Diesen Antrag hat die Klägerin sodann dahingehend modifiziert,

24

dass den Beklagten verboten werden sollte, zu dem Arzneimittel X.® 50 LD50-Einheiten wörtlich oder sinngemäß die Angaben zu machen:

25

„Ergebnisse vergleichender klinischer Studien weisen auf eine Äquipotenz von X. und dem Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum Toxin Typ A-Komplex (900 kDa) hin, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden.“

26

wie mit der Fachinformation für X.® 50 LD50-Einheiten, Stand Dezember 2011 (Anlage K 11) geschehen oder

27

„Ergebnisse vergleichender klinischer Studien legen nahe, dass X.® und das Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum Toxin Typ A-Komplex (900 kD) äquipotent sind, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden:

28

wie mit der Fachinformation fürX.® 50 LD50-Einheiten, Stand August 2011 (Anlage B 2) geschehen.“

29

Die Beklagte hat beantragt,

30

die Klage abzuweisen.

31

Die Beklagte hat vorgetragen: Es bestehe weder Erstbegehungs- noch Wiederholungsgefahr. Die mit dem Antrag beanstandete Angabe entspreche nicht derjenigen in der deutschen Fachinformation. Die Fachinformation (Stand August 2011) hätten die Beklagten zu keinem Zeitpunkt abgegeben. Jedenfalls seien die Angaben nicht irreführend. Denn die Studien R. und B. (Anlagen B 3 und B 4) sprächen tatsächlich für eine gleiche Wirksamkeit der Präparate bei Dosierung im Verhältnis 1:1. Die angegriffenen Angaben seien als Bestandteil der Fachinformation von der Genehmigungswirkung der Zulassung umfasst; hieran seien die ordentlichen Gerichte gebunden. Die Genehmigung sei auch nicht nichtig, denn selbst wenn - wie nicht - die Aussage unwahr wäre, so begründete dies noch keinen schwerwiegenden Fehler i.S.d. § 44 Abs. 1 VwVfG. Denn keineswegs sei dem Verwaltungsakt die Fehlerhaftigkeit auf die Stirn geschrieben. Das BfArM habe die Angaben geprüft und genehmigt. Es könne keine Rede davon sein, die angegriffene Formulierungen seien dem BfArM durchgerutscht oder von diesem übersehen worden. Denn das BfArM habe einer auf die angegriffenen Angaben bezogenen - nach Beanstandung durch das BfArM modifizierten - Änderungsanzeige der Beklagten zugestimmt (Anlagen B 26 bis B 28).

32

Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 8.3.2012 der Klage stattgegeben, hierbei allerdings die im Antrag enthaltene Wendung „wörtlich oder sinngemäß“ gestrichen. Hinsichtlich der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit der Berufung.

33

Die Beklagten wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend tragen sie vor: Das Landgericht habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass das BfArM beide mit dem modifizierten Antrag angegriffenen Formulierungen der Fachinformation genehmigt habe, weshalb diese einer wettbewerbsrechtlichen Überprüfung entzogen seien. Der Gegenstand der Änderungen der Fachinformation gemäß Bescheid des BfArM vom 6.12.2011 ergebe sich aus der Anzeige der Beklagten vom 5.10.2011 (Anlage B 26) und der Nachlieferung vom 5.12.2011 (Anlagen B 41 bis B 43). Zu Unrecht habe das Landgericht angenommen, dass die angegriffenen Angaben irreführend seien. Infolge einer erneuten Änderung der Fachinformation (nunmehr Stand April 2012) fehle es an einer Begehungsgefahr hinsichtlich der streitgegenständlichen Angaben in der Fachinformation Stand 12/2011. Denn der Inhalt der Fachinformation sei Gegenstand der Zulassung und die Beklagten dürften nur die jeweils gültige Fassung der Fachinformation vertreiben. Die Beklagten hätten deshalb die Abgabe der Fassung 12/2011 unverzüglich eingestellt und den Außendienst angewiesen, die überholte Version nicht mehr an Dritte auszuhändigen; sie hätten auf der passwortgeschützten Website www.X..de die für Fachkreise bereitgestellte Fachinformation durch die Neufassung ersetzt. Die Beklagte beabsichtige auch nicht, zu den streitgegenständlichen Fassungen zurückzukehren; dies sei auch ohne Beteiligung der Zulassungsbehörde nicht möglich. Die Abrufbarkeit in der Datenbank AMIS begründe keine Begehungsgefahr, denn hierbei handele es sich um eine behördliche Datenbank, die die bundesweit vorliegenden amtlichen Daten von Arzneimitteln zur Verfügung stelle.

34

Die Beklagten beantragen,

35

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 8.3.2012 (Az. 416 HKO 3/12) die Klage abzuweisen.

36

Die Klägerin beantragt,

37

die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass es im Klageantrag hinter den Worten Anlage K 11 geschehen statt oder heißen soll und/oder sowie - vorsorglich - die Revision zuzulassen.

38

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt sie vor: Das Landgericht habe zu Recht festgestellt, dass es sich bei den angegriffenen Formulierungen um irreführende Angaben i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG handele. Eine Genehmigung dieser Angaben durch das BfArM bestehe jedenfalls deshalb nicht mehr, weil die Fachinformation mit dem Stand April 2012 einen anderen Wortlaut habe. Die streitgegenständlichen Angaben seien mithin zumindest nicht mehr genehmigt. Jedenfalls wäre, so die Klägerin weiter, eine etwaige Genehmigung nichtig. Denn die angegriffenen Angaben seien wissenschaftlich nicht belegt und daher nicht gerechtfertigt. Damit sei offenkundig, dass die entsprechenden Teile der Fachinformation unter einem schwerwiegenden Fehler litten, der sich geradezu aufdränge. Zumindest für die Indikation „Spastik“ sei eine Wirkäquivalenz bei gleicher Dosierung nicht nachgewiesen, denn die Zulassungsstudie von K. sei lediglich placebokontrolliert und daher nicht vergleichend gewesen. Keinesfalls könne aus Nichtunterlegenheitsstudien auf Äquivalenz geschlossen werden. Bezüglich der von den Beklagten geltend gemachten Änderungen der Fachinformation werde mit Nichtwissen bestritten, ob und dass sich der Zustimmungsbescheid vom 6.12.2011 überhaupt auf die hier in Rede stehende Aussage beziehe. Soweit die Beklagten mit Schriftsatz vom 7.11.2013 hierzu noch vorgetragen hätten, sei dieser Vortrag verspätet und daher nicht zu berücksichtigen. Wiederholungsgefahr bestehe weiterhin bezüglich beider angegriffener Angaben, denn beide Fachinformationen seien über die für jedermann zugängliche AMIS-Datenbank des BfArM abrufbar gewesen.

39

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien und der von ihnen überreichten Anlagen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

40

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die vom Landgericht zugesprochenen Ansprüche bestehen nicht.

41

1. Die Beklagten wenden sich gegen das vom Landgericht ausgesprochene Verbot,

42

- zu dem Arzneimittel X.® 50 LD50-Einheiten die Angaben zu machen:

- „Ergebnisse vergleichender klinischer Studien weisen auf eine Äquipotenz von X. und dem Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum Toxin Typ A-Komplex (900 kDa) hin, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden.“

- wie mit der Fachinformation fürX.® 50 LD50-Einheiten, Stand Dezember 2011 (Anlage K 11) geschehen und/oder

- „Ergebnisse vergleichender klinischer Studien legen nahe, dass X.® und das Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum Toxin Typ A-Komplex (900 kD) äquipotent sind, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden.“

- wie mit der Fachinformation fürX.® 50 LD50-Einheiten, Stand August 2011 (Anlage B 2) geschehen.

43

Mit ihrem dem Verbot zugrundeliegenden Antrag wendet sich die Klägerin gegen die Verwendung der genannten Angaben im Gewande der Fachinformation des jeweils genannten Standes, auf die die beiden Antragsteile als konkrete Verletzungsformen zurückbezogen sind. Die Klägerin wendet sich also gegen den Inhalt der Fachinformation selbst, nicht (lediglich) gegen werbliche Angaben unter Bezugnahme auf die Fachinformation. Im Angriff auf die Fachinformationen unterschiedlichen Standes, mithin zwei unterschiedliche Veröffentlichungen, liegen zwei Streitgegenstände, die - wie die Klägerin in der Berufungsinstanz klargestellt hat - im Antrag durch „und/oder“ verknüpft sind, woraus hervorgeht, dass die Klägerin in zulässiger Weise eine Entscheidung über beide Angaben auch unabhängig voneinander begehrt.

44

2. Die Klägerin hat keinen Unterlassungsanspruch gem. §§ 8, 5, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 3a HWG oder § 8 AMG wegen irreführenden Gehalts der ersten im Antrag genannten Angabe in der Fachinformation Stand Dezember 2011. Die Legitimationswirkung der für das Arzneimittel X.® 50 ergangenen Zulassungsentscheidung des BfArM erstreckt sich auf den im vorliegenden Fall angegriffenen Inhalt der Fachinformation, so dass dieser der wettbewerbsrechtlichen Prüfung entzogen ist.

45

a) Ein bestimmtes Marktverhalten, dem ein gestattender Verwaltungsakt der zuständigen Verwaltungsbehörde zugrunde liegt, verstößt nicht gegen die §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, solange der Verwaltungsakt nicht nichtig oder in dem dafür vorgesehenen verwaltungsrechtlichen Verfahren aufgehoben worden ist (BGH GRUR 2005, 778, 779 - Atemtest; GRUR 2008, 1014 Rn. 32 - Amlodipin; Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, Rz. 11.20). Im Falle der Zulassung eines Arzneimittels erstreckt sich die Legitimationswirkung der behördlichen Entscheidung allerdings nicht auf einzelne, gem. § 22 AMG mit dem Antrag vorzulegende Unterlagen - etwa: die Gestaltung der Faltschachtel -, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Behörde eine Entscheidung über deren Zulässigkeit getroffen hat (BGH GRUR 2008, 1014 Rn. 32 - Amlodipin).

46

aa) Vorliegend ist der Inhalt der beanstandeten Fachinformationen von der Zulassung des Arzneimittels umfasst.

47

Für die Prüfung der Frage, ob und inwieweit sich die Legitimationswirkung der Zulassungsentscheidung auch auf den Inhalt der Fachinformation erstreckt, sind ihr Zweck und ihre regulatorische Behandlung zu betrachten. § 11a Abs. 1 AMG schreibt u.a. vor, dass der pharmazeutische Unternehmer verpflichtet ist, Ärzten und Apothekern für zulassungspflichtige Fertigarzneimittel auf Anforderung eine Gebrauchsinformation für Fachkreise (Fachinformation) zur Verfügung zu stellen. Diese Vorschrift verfolgt den Zweck, durch Information der Fachkreise die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen, indem diese über die Qualität, Risiken, Wirksamkeit und Anwendung der Arzneimittel ausführlich informiert werden (Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht Kommentar, § 25 AMG Rn. 1). Nach § 11a Abs. 1 S. 8 AMG ist der pharmazeutische Unternehmer verpflichtet, die Fachinformation auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu halten. Nach § 22 Abs. 7 S. 1 AMG ist dem Zulassungsantrag u.a. der Entwurf einer Zusammenfassung der Produktmerkmale beizufügen, bei der es sich zugleich um die Fachinformation nach § 11a Abs. 1 S. 2 AMG handelt. Die Vorlage des Entwurfs ermöglicht der Zulassungsbehörde, die geplanten Angaben in ihrer Gesamtheit zu beurteilen und nachzuprüfen, ob das Inverkehrbringen des Arzneimittels nicht gegen gesetzliche Vorschriften, z.B. gegen das Verbot irreführender Angaben gem. § 8 AMG, verstößt (Kloesel/Cyran § 22 AMG Rn. 109). § 29 Abs. 2a AMG sieht u.a. vor, dass eine Änderung der Angaben im Sinne des § 11a AMG über die Dosierung, die Art oder die Dauer der Anwendung gem. § 29 Abs. 2a AMG erst vollzogen werden darf, wenn die zuständige Bundesoberbehörde - das BfArM - zugestimmt hat. Schon der Umstand, dass vorliegend Angaben in der Fachinformation beanstandet werden, die unter der Rubrik “Dosierung, Art und Dauer der Anwendung“ enthalten sind, spricht dafür, dass die Zulassungsbehörde diese Angaben zur Kenntnis genommen und gebilligt hat. Denn es handelt sich hierbei um Angaben, die für die Arzneimittelsicherheit, die Wirksamkeit des Präparats und die Therapieentscheidung des Arztes besonderes wichtig sind und die deshalb im ureigenen Aufmerksamkeits- und Prüfbereich der Zulassungsbehörde liegen, die die Zulassung u.a. „aufgrund der Prüfung der eingereichten Unterlagen“ erteilt (vgl. § 25 Abs. 5 S. 1 AMG). Deshalb spricht auch der Umstand, dass zu Verkehrsverboten führende Wettbewerbsregeln - etwa Vorschriften des Heilmittelwerberechts - im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren regelmäßig außer Betracht bleiben (vgl. BGH GRUR 2008, 1014 Rn. 36 - Amlodipin), vorliegend nicht gegen die Annahme, die Zulassungsentscheidung erstrecke sich auch auf den angegriffenen Inhalt der Fachinformation. Diese Sichtweise harmoniert mit der Auffassung des EuGH, der sich - bezogen auf die Vorschrift des Art. 87 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG - zu der Frage geäußert hat, unter welchen Voraussetzungen eine Werbung mit dem Inhalt der von der Zulassungsbehörde gebilligten Fachinformation/Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels heilmittelwerberechtlich zulässig ist. Der EuGH sieht als Regelungsgehalt des Art. 87 Abs. 2 der RL 2001/83/EG an, dass „die Elemente einer Arzneimittelwerbung nie u.a. Anwendungsgebiete, pharmakologische Eigenschaften oder sonstige Merkmale suggerieren [dürfen], die im Widerspruch zur Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels stehen, die von der zuständigen Behörde bei der Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen des entsprechenden Arzneimittels genehmigt wurde“ (EuGH PharmR 2011, 287 Rn. 42 - Novo Nordisk; die Unterstreichung stammt vom erkennenden Senat). Auch der Bundesgerichtshof hat jüngst - im Zusammenhang mit der heilmittelwerberechtlichen Frage des hinreichenden wissenschaftlichen Nachweises einer Wirkungsbehauptung - ausgeführt, dass die Angaben in der Fachinformation im Zulassungsverfahren Gegenstand der behördlichen Prüfung seien (BGH GRUR 2013, 649 Rn. 35f. - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).

48

Die den Gegenstand des ersten Teilantrags bildende, in der Fachinformation Stand Dezember 2011 enthaltene Angabe ist durch die Zulassungsentscheidung des BfArM für das Präparat X. 50 vom 22.8.2011 (Anlage B 25) in Verbindung mit der - aufgrund der von der Beklagten zu 1. eingereichten Änderungsanzeige vom 5.10.2011 (Anlage B 26) sowie der diesbezüglichen Nachlieferungen vom 5.12.2011 (Anlagen B 41 bis B 43) - am 6.12.2011 ergangenen Änderungsgenehmigung gem. § 29 Abs. 2a AMG von der Legitimationswirkung der Arzneimittelzulassung umfasst. Die Beklagte zu 1. hat mit Änderungsanzeige vom 5.10.2011 (Anlage B 26) eine „Änderung der Übersetzung“ zu Ziff. 4.2 der Fachinformation dahingehend beantragt, dass es anstelle von „legen Äquipotenz nahe“ heißen sollte „lassen auf Äquipotenz schließen“. Mit der darauf ergangenen „Medizinischen Stellungnahme“ (Anlage B 41) hat das BfArM gemeint, dass der englische Originalwortlaut „study results suggest“ nicht mit dem Vorschlag der Beklagten zu 1., sondern mit „weisen auf Äquipotenz hin“ übersetzt werden solle. Diesen Vorschlag machte sich die Beklagte zu 1. zu Eigen und reichte einen entsprechenden Entwurf ein. Zwar ist dieser Entwurf der Anlage B 27 nicht beigefügt; sein entsprechender Inhalt kann jedoch bei verständiger Würdigung (§ 286 ZPO) dem Umstand entnommen werden, dass die sodann veröffentlichte Fachinformation Stand Dezember 2011 dem Vorschlag des BfArM entspricht. Daraufhin erging der Zustimmungsbescheid des BfArM vom 6.12.2011 (Anlage B 28). Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang erhobene Verspätungsrüge bleibt ohne Erfolg, da die Beklagten den diesbezüglichen erstinstanzlichen Vortrag in der Berufungsinstanz lediglich in zulässiger Weise vervollständigt haben. Dem vorstehend beschriebenen tatsächlichen Ablauf kann nicht nur entnommen werden, dass der Inhalt der Fachinformation generell dem Augenmerk der Zulassungsbehörde unterliegt, sondern dass - konkret - die von der Klägerin beanstandete Angabe im Einzelnen mit der Zulassungsbehörde abgestimmt und von dieser gebilligt worden ist.

49

bb) Die Zulassung des Präparats X. 50 und der im Zulassungsverfahren genehmigten weiteren Unterlagen einschließlich der Fachinformation ist auch nicht infolge Nichtigkeit unwirksam.

50

Nach § 44 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Besonders schwerwiegende Fehler im Sinne der genannten Vorschrift sind solche, die in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrunde liegenden Wertvorstellungen der Gemeinschaft stehen, dass eine Wirksamkeit des Verwaltungsakts unerträglich wäre (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 44 Rn. 8 m.w.N.). Diese Voraussetzungen können etwa vorliegen bei Verstößen gegen zwingende gesetzliche Verbote oder bei offensichtlichen Gefälligkeitsverwaltungsakten, denen keinerlei rechtfertigender Sachverhalt zugrunde liegt, nicht hingegen schon bei groben Schätzungsfehlern oder Fehlern eines ärztlichen Gutachtens (Kopp/Ramsauer § 44 Rn. 10f.). Offenkundig ist ein Fehler, der dem Verwaltungsakt geradezu „auf die Stirn geschrieben“ ist, mit der Folge, dass der Verwaltungsakt aus Sicht des gerecht und billig denkenden, aufgeschlossenen Staatsbürgers ohne weitere Ermittlungen oder besondere rechtliche Überlegungen unmöglich als rechtens anzusehen ist (Kopp/Ramsauer § 44 Rn. 12).

51

Diese Voraussetzungen sind im Falle der Zulassung des Arzneimittels X. 50 und der damit verbundenen Genehmigung der Fachinformation Stand Dezember 2011 durch das BfArm nicht gegeben. Die Klägerin bemängelt, dass die angegriffene Angabe über die Äquipotenz der konkurrierenden Mittel bei einem Dosisverhältnis 1:1 durch wissenschaftliche Studien nicht belegt sei, insbesondere nicht durch die Zulassungsstudien von R. und Benecke, bei denen es sich nicht um Dosisfindungs-, sondern Nichtunterlegenheitsstudien gehandelt habe und die zudem unter methodischen Mängeln litten. Gegen die Einstufung als schwerwiegender Fehler spricht, dass die beanstandete Angabe ihre sachliche Grundlage im auf das Präparat X. bezogenen Beurteilungsbericht der EMA (Anlage B 8, dort S. 7) findet, in dem die für die Zulassungsprüfung herangezogenen Studien einer Betrachtung und Bewertung unterzogen worden sind. Insofern dürfte es sich - die Fehlerhaftigkeit unterstellt - um eine wissenschaftliche Fehleinschätzung handeln, die - ähnlich wie im Fall eines fehlerhaften ärztlichen Gutachtens (s.o.) - kaum als „schwerwiegend“ im Sinne des § 44 VwVfG zu beurteilen wäre. Ob es sich um einen - gar schwerwiegenden - Fehler der Fachinformation oder der Zulassungsentscheidung handelt, kann jedoch offenbleiben. Denn es fehlt jedenfalls am weiteren, in § 44 Abs. 1 VwVfG vorgesehenen Nichtigkeitserfordernis der Offenkundigkeit des Fehlers. Unabhängig von der Frage, ob die Dosisfindung selbst Gegenstand der Zulassungsstudien war, handelt es sich bei der Aussage über die Äquipotenz bei einem Dosisverhältnis von 1:1 um eine fachliche Bewertung der Zulassungsbehörde, die keinesfalls offensichtlich außerhalb der wissenschaftlichen Vertretbarkeit liegt. Es kann deshalb nicht davon die Rede sein, dass der angegriffenen behördlichen Feststellung die Fehlerhaftigkeit „auf die Stirn geschrieben“ wäre. Dies gilt auch mit Blick auf den Umstand, dass die Indikation „Spastik“ in keiner der Studien vergleichend untersucht worden ist. Denn es erscheint durchaus vorstellbar, dass dem Verfasser des Prüfberichts eine entsprechende - erweiternde - Schlussfolgerung durch die Zulassungsstudien wissenschaftlich nahegelegt schien, ohne dass dies als von vornherein haltlos und daher offenkundig fehlerhaft angesehen werden könnte.

52

Auch die besonderen Nichtigkeitsgründe des § 44 Abs. 2 VwVfG sind nicht gegeben.

53

cc) Der Umstand, dass durch die jeweilige, im Tatbestand dargestellte Neufassung der Fachinformation (Ersetzung des Standes August 2011 durch den Stand Dezember 2011 sowie des Standes Dezember 2011 durch den Stand April 2012) die Legitimationswirkung der Fachinformation älteren Standes geendet hat, begründet vorliegend ebenfalls keinen Unterlassungsanspruch der Klägerin, weil weder Wiederholungs- noch Erstbegehungsgefahr bestehen. Für die Verwendung einer veralteten Fachinformation fehlt es an einer die Annahme der Wiederholungsgefahr begründenden Verletzungshandlung, denn in tatsächlicher Hinsicht kann die Klägerin allenfalls darauf verweisen, dass die Beklagten jeweils gültige Fachinformationen verwendet haben, dass also im Handlungszeitpunkt die Legitimationswirkung der Arzneimittelzulassung (s.o.) bestand. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass die Beklagten nach Neufassung der Fachinformation noch eine Vorgängerversion verwendet hätten. Die Abrufbarkeit älterer Versionen der Fachinformation aus der Datenbank Arzneimittelinformationssystem (AMIS), in welcher die Zulassungsbehörden u.a. Fachinformationen und diesbezügliche Änderungsvorgänge bereithalten, ist den Beklagten nicht als die Wiederholungsgefahr begründendes Verhalten zurechenbar, weil es sich hierbei um eine behördliche Maßnahme außerhalb des Einflussbereichs der Beklagten handelt. Es kommt also lediglich die Annahme von Erstbegehungsgefahr in Betracht, die aber im Ergebnis ebenfalls nicht gerechtfertigt ist. Erstbegehungsgefahr setzt voraus, dass der Eingriff "greifbar nahe" ist und die Umstände seine Vorbereitung oder Absicht seiner Verwirklichung erkennen lassen (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl. 2011, Kap. 10 Rn. 2 ff.). Entsprechende Anhaltspunkte können vorliegend nicht festgestellt werden. Ebenso wenig, wie im Falle einer Gesetzesänderung ohne entsprechende Anhaltspunkte damit zu rechnen ist, dass eine nach neuer Rechtslage rechtswidrige Handlung, die in der Vergangenheit (rechtmäßig) vorgenommen wurde, erneut erfolgen werde (vgl. BGH NJW-RR 1989, 101 - Brillenpreise I; Teplitzky, Kap. 10 Rn. 18), ist im vorliegenden Fall die Annahme gerechtfertigt, die Beklagten würden nach Neufassung der Fachinformation die alte, von der Legitimationswirkung der Zulassung nicht mehr erfasste Version weiterverwenden. Jedenfalls aber haben die Beklagten ernsthaft erklärt, stets nur die aktuelle Version der Fachinformation verwenden zu wollen, und somit von einer - unterstelltermaßen - zukünftig zu erwartenden Verletzungshandlung in hinreichender Weise Abstand genommen (vgl. BGH GRUR 2001, 1174 - Berühmungsaufgabe).

54

b) Im Bereich der wettbewerbsrechtlichen Irreführung gilt das Vorstehende entsprechend: verwaltungsbehördlich erlaubtes Verhalten ist nicht „unlauter“ i.S.d. §§ 3 Abs. 1, 5 UWG.

55

3. Die Klägerin hat ferner keinen Unterlassungsanspruch gem. §§ 8, 5, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 3a HWG wegen irreführenden Gehalts der zweiten Teilantrag genannten Angabe in der Fachinformation Stand August 2011. Auch hier gilt, dass die Legitimationswirkung der für das Arzneimittel X.® 50 ergangenen Zulassungsentscheidung des BfArM sich mit der Folge auf den im vorliegenden Fall angegriffenen Inhalt der Fachinformation erstreckt, dass dieser der wettbewerbsrechtlichen Prüfung entzogen ist. Auf die vorstehenden Ausführungen wird verwiesen.

56

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war zuzulassen, da die Frage der wettbewerbsrechtlichen Angreifbarkeit der behördlich genehmigten Fachinformation grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Unzulässig ist eine irreführende Werbung. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor,

1.
wenn Arzneimitteln, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben,
2.
wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, daß
a)
ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann,
b)
bei bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten,
c)
die Werbung nicht zu Zwecken des Wettbewerbs veranstaltet wird,
3.
wenn unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben
a)
über die Zusammensetzung oder Beschaffenheit von Arzneimitteln, Gegenständen oder anderen Mitteln oder über die Art und Weise der Verfahren oder Behandlungen oder
b)
über die Person, Vorbildung, Befähigung oder Erfolge des Herstellers, Erfinders oder der für sie tätigen oder tätig gewesenen Personen
gemacht werden.

Unzulässig ist eine Werbung für Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten. Satz 1 findet auch Anwendung, wenn sich die Werbung auf Anwendungsgebiete oder Darreichungsformen bezieht, die nicht von der Zulassung erfasst sind.

(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

(2) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:

1.
die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen;
2.
den Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, oder die Bedingungen, unter denen die Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird;
3.
die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers wie Identität, Vermögen einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums, den Umfang von Verpflichtungen, Befähigung, Status, Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen, Auszeichnungen oder Ehrungen, Beweggründe für die geschäftliche Handlung oder die Art des Vertriebs;
4.
Aussagen oder Symbole, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring stehen oder sich auf eine Zulassung des Unternehmers oder der Waren oder Dienstleistungen beziehen;
5.
die Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur;
6.
die Einhaltung eines Verhaltenskodexes, auf den sich der Unternehmer verbindlich verpflichtet hat, wenn er auf diese Bindung hinweist, oder
7.
Rechte des Verbrauchers, insbesondere solche auf Grund von Garantieversprechen oder Gewährleistungsrechte bei Leistungsstörungen.

(3) Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn

1.
sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft oder
2.
mit ihr eine Ware in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Markt bereitgestellten Ware vermarktet wird, obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist.

(4) Angaben im Sinne von Absatz 1 Satz 2 sind auch Angaben im Rahmen vergleichender Werbung sowie bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen, die darauf zielen und geeignet sind, solche Angaben zu ersetzen.

(5) Es wird vermutet, dass es irreführend ist, mit der Herabsetzung eines Preises zu werben, sofern der Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden ist. Ist streitig, ob und in welchem Zeitraum der Preis gefordert worden ist, so trifft die Beweislast denjenigen, der mit der Preisherabsetzung geworben hat.

Unzulässig ist eine irreführende Werbung. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor,

1.
wenn Arzneimitteln, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben,
2.
wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, daß
a)
ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann,
b)
bei bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten,
c)
die Werbung nicht zu Zwecken des Wettbewerbs veranstaltet wird,
3.
wenn unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben
a)
über die Zusammensetzung oder Beschaffenheit von Arzneimitteln, Gegenständen oder anderen Mitteln oder über die Art und Weise der Verfahren oder Behandlungen oder
b)
über die Person, Vorbildung, Befähigung oder Erfolge des Herstellers, Erfinders oder der für sie tätigen oder tätig gewesenen Personen
gemacht werden.

Unzulässig ist eine Werbung für Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten. Satz 1 findet auch Anwendung, wenn sich die Werbung auf Anwendungsgebiete oder Darreichungsformen bezieht, die nicht von der Zulassung erfasst sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DESVOLKES
URTEIL
I Z R 2 9 / 1 4
Verkündet am:
7. Mai 2015
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Äquipotenzangabe in Fachinformation
Angaben in der Fachinformation für ein Arzneimittel können irreführend sein,
wenn sie auf Studien gestützt sind, die diese Aussagen nicht tragen. Der Inhaber
der Arzneimittelzulassung kann sich darauf berufen, dass die Angaben
in der dem Zulassungsantrag des Arzneimittels beigefügten Fachinformation
zum Zeitpunkt der Zulassung des Arzneimittels dem gesicherten Stand der
Wissenschaft entsprochen haben. Der Kläger kann die indizielle Bedeutung
der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der in der
Fachinformation enthaltenen Angaben erschüttern, indem er darlegt und erforderlichenfalls
beweist, dass neuere, erst nach dem Zulassungszeitpunkt
bekanntgewordene oder der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung
sonst nicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen,
die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten
Aussagen sprechen (Fortführung von BGH, Urteil vom 6. Februar 2013
- I ZR 62/11, GRUR 2013, 649 = WRP 2013, 772 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil
).
BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - I ZR 29/14 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Mai 2015 durch die Richter Prof. Dr. Koch, Prof. Dr. Schaffert,
Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg - 3. Zivilsenat - vom 30. Januar 2014 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist Inhaberin der deutschen Zulassung für das Arzneimittel „BOTOX“. Die Beklagte zu 1 ist Inhaberin der Zulassung für das Arzneimittel „XEOMIN® 50 LD 50“), die vom Bundes50 -Einheiten“ (nachfolgend „XEOMIN® amt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Wege des sogenannten dezentralen Verfahrens erteilt worden ist. Beide Medikamente enthalten als Wirkstoff Botulinumtoxin Typ A. Die Beklagte zu 2 vertreibt „XEOMIN® 50“ seit Anfang 2012 in Deutschland.
2
In der deutschen Fachinformation für „XEOMIN® 50“, Stand August 2011, heißt es unter 4.2: Ergebnisse vergleichender klinischer Studien legen nahe, dass Xeomin und das Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum Toxin Typ A-Komplex (900 kDa) äquipotent sind, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden.
3
Die deutsche Fachinformation für „XEOMIN® 50“, Stand Dezember 2011, hat unter 4.2 folgenden geänderten Wortlaut: Ergebnisse vergleichender Studien weisen auf eine Äquipotenzvon „XEOMIN“ und dem Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum-Toxin-Typ A-Komplex (900 kDa) hin, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden.
4
Die Klägerin hält die in den beiden Fachinformationen enthaltenen Angaben über die Äquipotenz von „XEOMIN“ für irreführend.
5
Das Landgericht hat die Beklagten entsprechend dem Antrag der Klägerin unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, zu dem Arzneimittel „XEOMIN® 50 LD50-Einheiten“ die - oben angeführten - Angaben zu machen, wie mit der Fachinformation Stand Dezember 2011 oder der Fachinformation Stand August 2011 geschehen.
6
Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen , verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der geltend
7
gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 5, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 HWG oder § 8 AMG wegen irreführender Angaben weder im Hinblick auf die Fachinformation Stand August 2011 noch im Hinblick auf die Fachinformation Stand Dezember 2011 zu. Dazu hat es ausgeführt:
8
Die Legitimationswirkung der durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (im Weiteren: BfArM) für das Arzneimittel „XEOMIN® 50“ erteilten Zulassung erstrecke sich auf den Inhalt der Fachinformation nach dem Stand August 2011, so dass er wettbewerbsrechtlicher Prüfung entzogen sei.
Gemäß § 22 Abs. 7 Satz 1 AMG sei dem Zulassungsantrag unter anderem der Entwurf der Fachinformation (§ 11a Abs. 1 Satz 2 AMG) beizufügen. Die vorliegend beanstandeten Angaben seien unter der Rubrik „Dosierung, Art und Dauer der Anwendung“ enthalten und für die Arzneimittelsicherheit, die Wirksamkeit des Präparats und die Therapieentscheidung des Arztes besonders wichtig. Das spreche dafür, dass die Zulassungsbehörde diese Angaben zur Kenntnis genommen und gebilligt habe.
9
Auch die nach dem Stand Dezember 2011 erfolgte Änderung der Fachinformation werde von der Legitimationswirkung der Arzneimittelzulassung umfasst. Es habe sich dabei um die Änderung der Übersetzung einer Angabe in englischer Sprache gehandelt, die im Einzelnen mit der Zulassungsbehörde abgestimmt und von dieser gebilligt worden sei.
10
Die Zulassungsentscheidung für „XEOMIN® 50“ sei nicht wegen Nichtigkeit unwirksam. Selbst wenn bei der Zulassungsprüfung die zu einer Äquipotenz der konkurrierenden Mittel bei einem Dosisverhältnis von 1:1 vorgelegten Studien fehlerhaft beurteilt worden sein sollten, habe es sich dabei um eine wissenschaftliche Fehleinschätzung gehandelt, die kaum als „schwerwiegend“ im Sinne von § 44 Abs. 1 VwVfG anzusehen sei. Jedenfalls fehle es an der für die Annahme der Nichtigkeit erforderlichen Offenkundigkeit.
11
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat im Ergebnis keinen Erfolg.
12
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin wende sich mit ihrem Antrag gegen die Verwendung der Angaben im Gewande der Fachinformation des jeweils genannten Standes. Sie wende sich gegen den Inhalt der Fachinformation selbst und nicht lediglich gegen werbliche Angaben unter Bezugnahme auf die Fachinformation. Diese Auslegung des Klageantrags durch das Berufungsgericht, die der Senat als Auslegung einer Prozesserklärung in vollem Umfang nachprüfen kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2009 - I ZR 128/07, GRUR 2010 Rn. 30 = WRP 2010, 933 - Film-Einzelbilder, mwN), lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
13
2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der von der Klägerin erhobene Unterlassungsanspruch aus § 8 UWG voraussetzt, dass die beanstandeten Angaben in den Fachinformationen irreführend sind. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt; nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware enthält. Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt , die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Bei § 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1 HWG sowie § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG handelt es sich um solche Marktverhaltensregelungen, da diese Bestimmungen den Schutz der menschlichen Gesundheit und damit den Verbraucherschutz bezwecken. Nach § 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1 HWG ist eine irreführende Werbung unzulässig, mit der Arzneimitteln Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG ist es verboten, Arzneimittel in Verkehr zu bringen, die mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung versehen sind. 3. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der gel14 tend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 5, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 HWG oder § 8 AMG wegen irreführender Angaben in den Fachinformationen nicht zu. Die Legitimationswirkung der für das Arzneimittel „XEOMIN ® 50“ erteilten Zulassung durch das BfArM erstrecke sich auf den Inhalt der Fachinformationen, so dass er wettbewerbsrechtlicher Prüfung entzogen sei. Mit dieser Begründung kann der von der Klägerin erhobene Unterlassungsanspruch nicht verneint werden.
15
a) Die Klägerin macht geltend, die von den Beklagten verwendete Aussage zur Äquipotenz sei wissenschaftlich nicht ausreichend abgesichert. Sie behauptet damit einen Sachverhalt, der grundsätzlich den Tatbestand der Irreführung erfüllen kann.
16
aa) Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht. Danach ist es irreführend, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 - I ZR 62/11, GRUR 2013, 649 Rn. 16 f. = WRP 2013, 772 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).
17
bb) Für Angaben in einer Fachinformation gilt grundsätzlich nichts anderes. Auch sie können irreführend sein, wenn sie auf Studien gestützt sind, die diese Aussagen nicht tragen. Nach § 11a Abs. 1 Satz 1 AMG handelt es sich bei der Fachinformation um eine zwingend vorgeschriebene Gebrauchsinformation für die Fachkreise. Mit ihr wird den Ärzten für deren Therapieentscheidung eine weitere, über die Packungsbeilage hinausgehende Informationsquelle über das Arzneimittel zur Verfügung gestellt (vgl. Pannenbecker in Kügel/Müller/ Hofmann, AMG, 2012, § 11a Rn. 4), die sie insbesondere in der öffentlichen Arzneimittel-Datenbank abrufen können (vgl. § 34 Abs. 1a Nr. 1 AMG). Damit stellen die in der Fachinformation enthaltenen Angaben im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG geschäftliche Handlungen des Herstellers zur Förderung des Absatzes seiner Arzneimittel dar. Es handelt sich nicht um Angaben, die allein für das Zulassungsverfahren bestimmt sind und ausschließlich behördenintern genutzt werden. Kann die Therapieentscheidung eines Arztes durch eine wissenschaftlich nicht gesicherte Angabe in einer Fachinformation beeinflusst werden, ist die Gesundheit der Bevölkerung jedenfalls nicht weniger gefährdet als bei einer unmittelbar an Verbraucher oder Fachkreise gerichteten gesundheitsbezogenen Werbung.
18
b) Die Fachinformation für „XEOMIN® 50“ war zwar Gegenstand der Zulassungsprüfung für dieses Arzneimittel. Anders als das Berufungsgericht meint, ist der von der Klägerin angegriffene Inhalt der Fachinformation infolge der Zulassung von „XEOMIN® 50“ der wettbewerbsrechtlichen Prüfung jedoch nicht entzogen.
19
aa) Zwar liegt kein unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidriges Marktverhalten vor, wenn es durch einen Verwaltungsakt ausdrücklich erlaubt worden und dieser Verwaltungsakt nicht nichtig ist (BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - I ZR 194/02, BGHZ 163, 265, 269 - Atemtest I; Urteil vom 13. März 2008 - I ZR 95/05, GRUR 2008, 1014 Rn. 32 = WRP 2008, 1335 - Amlodipin; Urteil vom 24. September 2014 - I ZR 73/12, GRUR 2014, 405 Rn. 10 f. = WRP 2014, 429 - Atemtest II).
20
bb) Das Berufungsgericht ist auch zu Recht von der Wirksamkeit der Zulassungsentscheidung für „XEOMIN® 50“ ausgegangen.
21
(1) Die Zulassungsentscheidung für „XEOMIN® 50“ ist vom BfArM im dezentralen Zulassungsverfahren gemäß § 25b AMG erteilt worden. Die Wirksamkeit dieses nationalen Zulassungsbescheids beurteilt sich nach deutschem Verwaltungsverfahrensrecht, weil insoweit keine unionsrechtlichen Regelungen bestehen (vgl. Rehmann, AMG, 4. Aufl., vor §§ 21-37 Rn. 20 und § 25b Rn. 2).
22
(2) Als Verwaltungsakt im Sinne von § 35 VwVfG ist der Zulassungsbescheid nach § 44 Abs. 1 VwVfG nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Dabei stellt die Nichtigkeit des Verwaltungsakts eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass ein Akt staatlicher Ge- walt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt. Schwerwiegend ist ein Fehler daher nur, wenn er den Verwaltungsakt schlechterdings unerträglich, das heißt mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt. Der schwerwiegende Fehler muss darüber hinaus für einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Nichtigkeit eines Verwaltungsakts ist daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 2000 - 11 B 26/00, NVwZ 2000, 1039, 1040).
23
(3) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, diese Voraussetzungen der Nichtigkeit seien im Streitfall erfüllt.
24
Die Klägerin hat vorgetragen, die angegriffenen Angaben über die Äquipotenz der Mittel bei einem Dosisverhältnis von 1:1 seien durch wissenschaftliche Studien nicht belegt, und zwar insbesondere nicht durch die Zulassungsstudien von R. und B. , bei denen es sich nicht um Dosisfindungs -, sondern um Nichtunterlegenheitsstudien gehandelt habe, die zudem unter methodischen Mängeln litten.
25
Das Berufungsgericht hat angenommen, auch bei unterstellter Richtigkeit dieses Vortrags spreche gegen eine Einstufung als schwerwiegender Fehler, dass die beanstandete Angabe ihre sachliche Grundlage in dem auf das Präparat „XEOMIN® 50“ bezogenen Beurteilungsbericht der Europäischen Arzneimittel -Agentur (EMA) finde, in dem die für die Zulassungsprüfung herangezogenen Studien betrachtet und bewertet worden seien. Damit handele es sich - bei unterstellter Fehlerhaftigkeit dieser Beurteilung - um eine wissenschaftliche Fehleinschätzung , die kaum als „schwerwiegend“ im Sinne des § 44 VwVfG angesehen werden könne. Jedenfalls fehle es aber an der Offenkundigkeit des Fehlers , da die Aussage zur Äquipotenz eine fachliche Bewertung der Zulassungs- behörde sei, die keinesfalls offensichtlich außerhalb der wissenschaftlichen Vertretbarkeit liege.
26
Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen. An der vom Berufungsgericht herangezogenen Stelle des Beurteilungsberichts kommt die EMA für die Dosierung von „XEOMIN® 50“ zu folgendem Ergebnis: Insgesamt wurde durch die Daten aus dem nicht klinischen und klinischen Entwicklungsprogramm […] hinlänglich nachgewiesen, dass auf ein Dosisverhältnis ® von 1:1 zwischen „XEOMIN 50“ und „BOTOX“ in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit geschlossen werden kann und die Übernahme der für „BOTOX“ festgelegten Dosierung hinreichend gerechtfertigt ist. Vor diesem Hintergrund wäre ein weiteres umfangreiches Dosisfindungsprogramm aus ethischer Sicht nicht zu rechtfertigen. Ohne Erfolg macht die Revision dagegen geltend, die von der Äquipo27 tenz-Behauptung umfasste Indikation „Spastik“ sei in keiner der Studien vergleichend untersucht worden. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, es sei durchaus vorstellbar, dass dem Verfasser des Prüfberichts eine diese Indikation einbeziehende erweiternde Schlussfolgerung durch die Zulassungsstudien wissenschaftlich nahegelegt erschienen sei, ohne dass das als von vornherein haltlos und daher offenkundig fehlerhaft angesehen werden könne.
28
Gegen diese Beurteilung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Für sie spricht insbesondere, dass die EMA unmittelbar vor ihrer zusammenfassenden, oben wiedergegebenen Bewertung zur Dosierung von „XEOMIN® 50“ auf Wirksamkeitsdaten einer von der Beklagten zu 1 vorgelegten Phase-III-Studie zu Torticollis spasmodicus verwiesen hat. Laut EMA hat diese Studie die Nichtunterlegenheit von „XEOMIN® 50“ im Vergleich zu „BOTOX“ gezeigt. Außerdem heißt es, in einer Phase-III-Studie zu Torticollis spasmodicus sei für „XEOMIN ® 50“ und „BOTOX“ eine ähnliche Beziehung zwischen Dosis und Wirksamkeit nach einer Injektion nachgewiesen worden.
29
Gegen eine Nichtigkeit der Arzneimittelzulassung infolge - unterstellt - fehlerhafter Angaben spricht zudem die der Zulassungsbehörde durch die Regelung des § 30 Abs. 2a Satz 2 AMG eröffnete Möglichkeit, die Zulassung durch Auflagen zu ändern, wenn dies ausreicht, um den Belangen der Arzneimittelsicherheit zu entsprechen. Diese Änderungsbefugnis besteht auch in den Fällen des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AMG in Verbindung mit § 22 Abs. 7 AMG, also auch im Fall unrichtiger Angaben in der Fachinformation (vgl. § 28 Abs. 2 Nr. 2a, § 11a AMG). Daraus folgt, dass eine Arzneimittelzulassung nicht schon aufgrund fehlerhafter Angaben in der Fachinformation unwirksam ist, die im Zulassungsverfahren unentdeckt geblieben sind. Vielmehr bedarf es in einem solchen Fall einer Auflage zur Änderung der Fachinformation (§ 30 Abs. 2a Satz 2 AMG) oder, wenn der Fehler anders nicht beseitigt werden kann, einer Rücknahme der Zulassung (§ 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AMG).
30
cc) Die Angaben in der Fachinformation zur Äquipotenz von „XEOMIN® 50“ und „BOTOX“ bei gleicher Dosierung sind der Beklagten zu 1 aber durch die Zulassung ihres Mittels „XEOMIN® 50“ nicht ausdrücklich erlaubt worden. (1) Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist in entsprechender
31
Anwendung der §§ 133, 157 BGB nach den Grundsätzen zu bestimmen, die auch für die Auslegung von Willenserklärungen gelten. Danach ist der erklärte Wille der erlassenden Behörde maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - I ZR 125/04, WRP 2007, 1359 Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 20. April 2005 - 9 C 4/04, BVerwGE 123, 292, 297; Urteil vom 19. März 2013 - 5 C 16/12, NJW 2013, 1832 Rn. 10). Bei der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswerts ist in erster Linie auf den Entscheidungssatz und die Begründung des Verwaltungsakts abzustellen ; darüber hinaus ist das materielle Recht, auf dem der Verwaltungsakt beruht, heranzuziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2006 - 6 C 20/05, BVerwGE 126, 254 Rn. 78; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 43 Rn. 15). Ein Verwaltungsakt ist vom Revisionsgericht selbständig auszulegen (BGH, WRP 2007, 1359 Rn. 16).
32
(2) Die Regelungswirkung einer Arzneimittelzulassung beschränkt sich nach § 21 Abs. 1 AMG darauf, dem Antragsteller verbindlich das Recht zu gewähren , das im Bescheid bezeichnete Arzneimittel unter den dort genannten Voraussetzungen in Deutschland in Verkehr zu bringen (vgl. Fleischfresser/ Fuhrmann in Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2. Aufl., § 7 Rn. 9; Kortland in Kügel/Müller/Hofmann aaO Vor § 21 Rn. 10; vgl. auch BGH, Beschluss vom 1. März 1990 - IX ZR 147/89, NJW 1990, 2931 f.). Auch wenn die Zulassung voraussetzt, dass der Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimittels vom Antragsteller geführt worden ist (vgl. §§ 1, 25 Abs. 1 AMG), handelt es sich dabei nur um einen Umstand, dessen Vorliegen durch die Arzneimittelzulassung nicht mit regelnder Wirkung verbindlich festgestellt wird.
33
(3) Die Zulassungsbehörde hat auch später keine regelnde Entscheidung über die inhaltliche Richtigkeit der Dosierungsangaben in der Fachinformation getroffen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte zu 1 mit Änderungsanzeige vom 5. Oktober 2011 eine Änderung der Übersetzung zu Ziffer 4.2 der Fachinformation dahingehend beantragt, dass es anstelle von „Studien legen Äquipotenz nahe“ heißen sollte „Studien lassen auf Äquipotenz schließen“. In der daraufhin ergangenen Medizinischen Stellungnahme hat das BfArM die Auffassung vertreten, der englische Originalwortlaut „study results suggest“ solle nicht mit dem Vorschlag der Beklagten zu 1, sondern mit „Studien weisen auf Äquipotenz hin“ übersetzt werden. Diesen Vorschlag hat die Beklagte zu 1 in der Fachinformation mit Stand Dezember 2011 umgesetzt. Mit Bescheid vom 6. Dezember 2011 hat das BfArM dieser nach § 29 Abs. 2a AMG zustimmungspflichtigen Änderung bei den Dosierungsangaben der Fach- information zugestimmt. Eine regelnde Feststellung zur inhaltlichen Richtigkeit dieser Angaben hat es damit entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht getroffen. Der Zustimmungsbescheid nimmt in seinem Betreff auf die Anzeige der Beklagten zu 1 vom 5. Oktober 2011 und auf die Beanstandungen in der Medizinischen Stellungnahme Bezug. Daraus folgt, dass sich der Regelungsgehalt des Bescheids vom 6. Dezember 2011 auf die Zustimmung zu einer Änderung der Übersetzung beschränkte.
34
4. Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Beurteilung der Bindungswirkung des Zulassungsbescheids verhilft der Revision indes nicht zum Erfolg. Das Berufungsurteil stellt sich aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
35
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Angaben in einer Fachinformation, die dem Zulassungsantrag eines Arzneimittels beigefügt war, zum Zeitpunkt der Zulassung des Arzneimittels dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprochen haben (vgl. BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 34 bis 36 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung dieser Angaben beruht darauf, dass sie im Zulassungsverfahren nach § 22 Abs. 7 Satz 1, § 25 Abs. 5 Satz 1 AMG Gegenstand der behördlichen Prüfung waren. Ein Werbender kann sich zum wissenschaftlichen Nachweis der Richtigkeit seiner werblichen Behauptungen in Bezug auf Eigenschaften eines Arzneimittels daher grundsätzlich auf die Angaben in der Fachinformation berufen (BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 34 bis 36 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Ebenso kann sich der Inhaber einer Arzneimittelzulassung darauf berufen, dass die Angaben in der Fachinformation zum Zeitpunkt der Zulassung des Arzneimittels dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprochen haben.
36
Der Kläger kann die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der in einer Fachinformation enthaltenen Angaben allerdings erschüttern, indem er darlegt und erforderlichenfalls beweist , dass neuere, erst nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene oder der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung sonst nicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen (vgl. BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 42 f. - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).
37
b) Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der in der Fachinformation für „XEOMIN® 50“ enthaltenen Angaben zur Äquipotenz nicht erschüttert.
38
Die Klägerin stützt ihre Beanstandung der Fachinformation weder auf erst nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene noch auf sonstige der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung nicht zugänglich gewesene wissenschaftliche Erkenntnisse. Sie macht allein geltend, die von der Beklagten zu 1 für die Zulassung vorgelegten Studien von R. und B. sowie K. belegten nicht die Aussage in der Fachinformation, „BOTOX“ und „XEOMIN® 50“ hätten bei gleicher Dosierung gleiche Wirkung. Die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der Angaben in einer Fachinformation kann jedoch nicht durch Angriffe auf Studien erschüttert werden, die dem Zulassungsantrag beigefügt waren (vgl. BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 45 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Stellt sich nach der Zulassung des Arzneimittels heraus, dass die der Zulassungsentscheidung zugrunde liegenden Gutachten unzutreffend sind oder von der Zulassungsbehörde unzutreffend bewertet wurden, handelt es sich daher nicht um neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, die die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der in der Fachinformation enthaltenen Angaben erschüttern könnten. Es kommt daher nicht darauf an, ob - wie die Revision geltend macht - sich erst nach Zulassung des Arzneimittels herausgestellt hat, dass es sich bei den im Zulassungsverfahren vorgelegten Gutachten nicht um Dosierungsstudien, sondern um Nichtunterlegenheitsstudien handelte, die die Angaben zur Äquipotenz nicht tragen.
39
c) Ohne Erfolg beruft sich die Revision für ihre Auffassung, die Indizwirkung der Zulassung müsse ohne Beschränkung auf neue oder der Zulassungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung unbekannte wissenschaftliche Erkenntnisse widerlegbar sein, auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union „Novo Nordisk“ (Urteil vom 5. Mai 2011 - C-249/09, Slg. 2011, I-3155 = PharmR 2011, 287).
40
Der Gerichtshof hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage befasst, ob Art. 87 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel nur die Veröffentlichung von Aussagen in einer Arzneimittelwerbung untersagt, die im Widerspruch zu der Fachinformation für das Arzneimittel stehen, oder auch gebietet, dass alle Aussagen in einer Arzneimittelwerbung in der Fachinformation enthalten oder aus den Angaben in der Fachinformation abzuleiten sein müssen. Der Gerichtshof hat dazu entschieden , dass eine Arzneimittelwerbung gegenüber Fachkreisen ergänzende Angaben enthalten darf, die die Fachinformation bestätigen oder präzisieren, sofern diese nicht irreführend sind und einen zweckmäßigen Einsatz des Arzneimittels fördern, indem sie seine Eigenschaften objektiv und ohne Übertreibung darstellen sowie genau, aktuell, überprüfbar und vollständig genug sind, um dem Empfänger zu ermöglichen, sich selbst ein Bild von dem therapeutischen Wert des Arzneimittels zu machen (EuGH, PharmR 2011, 287 Rn. 49 f. - Novo Nordisk). Diese Entscheidung des Gerichtshofs betrifft lediglich die Fachinformation ergänzende Angaben und nicht die in der Fachinformation enthaltenen Angaben, um die es im Streitfall allein geht.
41
Der Gerichtshof hat ferner ausgeführt, eine Arzneimittelwerbung dürfe keine Anwendungsgebiete, pharmakologischen Eigenschaften oder sonstigen Merkmale suggerieren, die im Widerspruch zu der Fachinformation stehen, die von der zuständigen Behörde bei Erteilung der Zulassung des Arzneimittels genehmigt wurde (EuGH, PharmR 2011, 287 Rn. 42 - Novo Nordisk). Daraus folgt, dass mit der Fachinformation im Einklang stehende Angaben grundsätzlich zulässig sind und der Zulassung eine indizielle Bedeutung für die hinreichende wissenschaftliche Sicherung dieser Angaben beigemessen werden darf.
42
Da in dieser Hinsicht keine vernünftigen Zweifel bestehen, ist hier auch keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV erforderlich (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 287/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 11. September 2008 - C-428/06, Slg. 2008, I-6747 = EuZW 2008, 757 Rn. 42 - UGT Rioja u.a.).
43
d) Der Schutz berechtigter Interessen der Wettbewerber gebietet es nicht, ihnen zu ermöglichen, Aussagen der Fachinformation mit der Begründung anzugreifen, die Zulassungsbehörde habe auf der Grundlage der ihr vorgelegten Unterlagen fehlerhaft angenommen, diese Angaben entsprächen dem gesicherten Stand der Wissenschaft.
44
Allerdings hat ein Wettbewerber keine Möglichkeit, sich an dem Zulassungsverfahren für ein Arzneimittel zu beteiligen oder eine fehlerhafte Beurteilung der Zulassungsbehörde hinsichtlich Sicherheit, Wirksamkeit oder Qualität des Arzneimittels im Zulassungsbescheid anzufechten (vgl. OVG Münster, PharmR 2012, 490, 491 ff.; Kostuch/Tillmanns, PharmR 2013, 408, 416 f.). Ein Wettbewerber kann die Zulassungsbehörde lediglich auf unrichtige oder unvollständige Angaben in der Fachinformation aufmerksam machen. Es steht dann grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, ob sie diesen Mangel durch Auflagen beseitigt oder, wenn dies nicht ausreichend ist, die Zulassung deswegen zurücknimmt (vgl. § 30 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2a Satz 2 AMG; Lietz in Fuhrmann/Klein/Fleischfresser aaO § 9 Rn. 24).
45
Weitergehende Möglichkeiten gegen Unrichtigkeiten der Fachinformation vorzugehen, die sich bereits aus den Zulassungsunterlagen ergeben, von der Zulassungsbehörde im Zulassungsverfahren jedoch nicht bemerkt wurden, sind einem Wettbewerber auch unter dem Gesichtspunkt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht einzuräumen. Insbesondere ist es nicht geboten, ihm zu ermöglichen, die Beurteilung der mit besonderer Fachkompetenz ausgestatteten Arzneimittelzulassungsbehörde ohne neue oder dieser bei ihrer Entscheidung unbekannte wissenschaftliche Erkenntnisse in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren anzugreifen und damit das Zivilgericht zu zwingen, seine Beurteilung - mit oder ohne sachverständige Unterstützung - an die Stelle derjenigen der Fachbehörde zu setzen, die der Gesetzgeber dafür eingesetzt hat (vgl. LG Berlin, Urteil vom 9. Juni 2009 - 15 O 704/07, BeckRS 2013, 7193; Gröning in Gröning, Heilmittelwerberecht, Stand Juni 2011, § 3 HWG Rn. 15). Die Arzneimittelhersteller haben ein berechtigtes Interesse daran, durch die Zulassung eines Arzneimittels Rechtssicherheit hinsichtlich von Werbeaussagen zu gewinnen , die der von der Zulassungsbehörde geprüften Fachinformation entnommen sind (vgl. Kostuch/Tillmanns, PharmR 2013, 408, 416). Die Wettbewerber haben es daher hinzunehmen, dass sie Einwände gegen die Fachinformation in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren nur aufgrund neuer oder der Zulassungsbehörde unbekannt gebliebener wissenschaftlicher Erkenntnisse erheben können. Etwaige Fehler bei der Beurteilung der Fachinformation im Zulassungsverfahren gefährden in erster Linie die Interessen der Allgemeinheit und der Arzneimittelnutzer an der Arzneimittelsicherheit, die die zuständige Behörde bei der Entscheidung über Auflagen oder die Rücknahme der Zulassung zu schützen hat.
46
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Koch Schaffert Kirchhoff Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 08.03.2012 - 416 HKO 3/12 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 30.01.2014 - 3 U 63/12 -
Berichtigt durch Beschluss
vom 18. Juli 2013
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 62/11 Verkündet am:
6. Februar 2013
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Basisinsulin mit Gewichtsvorteil

a) Eine Werbung für ein Arzneimittel kann irreführend sein, wenn sie auf Studien
gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen. Ein solcher Verstoß gegen
den Grundsatz der Zitatwahrheit kommt zum einen in Betracht, wenn die
als Beleg angeführte Studie den Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen
Beleg nicht entspricht. Eine Irreführung liegt zum anderen
regelmäßig dann vor, wenn die Studie selbst abweichende Studienergebnisse
nennt, die in der Werbung behaupteten Ergebnisse nicht für bewiesen hält
oder lediglich eine vorsichtige Bewertung der Ergebnisse vornimmt und die
Werbung diese Einschränkungen der Studienaussage nicht mitteilt.

b) Studienergebnisse entsprechen grundsätzlich nur dann den Anforderungen
an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg, wenn sie nach den anerkannten
Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt
und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte
, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen
Auswertung vorliegt, die durch die Veröffentlichung in den Diskussionsprozess
der Fachwelt einbezogen worden ist.

c) Ob auch nicht prospektive, sondern nachträglich anhand vorliegender Studiendaten
im Rahmen einer sogenannten Subgruppenanalyse oder im Wege
der Zusammenfassung mehrerer wissenschaftlicher Studien (Metaanalyse)
erstellte Studien eine Werbeaussage tragen können, hängt von den Umständen
des Einzelfalls ab. Voraussetzung hierfür ist in jedem Fall die Einhaltung
der für diese Studien geltenden wissenschaftlichen Regeln. Für die Frage der
Irreführung kommt es ferner darauf an, ob der Verkehr in der Werbung hinreichend
deutlich auf die Besonderheiten der Art, Durchführung oder Auswertung
dieser Studie und gegebenenfalls auf die in der Studie selbst gemachten
Einschränkungen im Hinblick auf die Validität und Bedeutung der gefundenen
Ergebnisse hingewiesen und ihm damit die nur eingeschränkte wissenschaftliche
Aussagekraft der Studie vor Augen geführt wird.

d) Es ist davon auszugehen, dass Angaben, die der Zulassung des Arzneimittels
wörtlich oder sinngemäß entsprechen, regelmäßig dem zum Zeitpunkt
der Zulassung geltenden gesicherten Stand der Wissenschaft entsprechen.
Hinsichtlich solcher Angaben kommt eine Irreführung aber dann in Betracht,
wenn der Kläger darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass neuere, erst
nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene oder der Zulassungsbehörde
bei der Zulassungsentscheidung sonst nicht zugängliche wissenschaftliche
Erkenntnisse vorliegen, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit
der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen.
BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 - I ZR 62/11 - KG Berlin
LG Berlin
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Dr. Kirchhoff, Dr. Koch und Dr. Löffler

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 22. Februar 2011 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als das Berufungsgericht die Klage mit den Klageanträgen zu 1 a, 1 c, 2 und 3 abgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien sind Pharmaunternehmen und vertreiben jeweils Injektionslösungen , die zur Anwendung als Basalinsulin in Kombination mit oralen Antidiabetika als Arzneimittel zur Behandlung von Diabetes mellitus zugelassen sind.
2
Die Klägerin vertreibt seit 2000 das Präparat Lantus®, das den Wirkstoff Insulinglargin enthält. Die Beklagte vertreibt seit 2004 das Arzneimittel Levemir® mit dem Wirkstoff Insulindetemir.
3
Die Klägerin beanstandet mehrere Angaben, in denen die Beklagte in dem nachfolgend wiedergegebenen Werbefaltblatt „Levemir® Gute Einstellung - besseres Profil“, das an Ärzte verteilt wurde, einen Gewichtsvorteil von Levemir ® behauptet hat.
4
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Behauptungen eines Gewichtsvorteils bei der Gabe von Levemir® im Vergleich zur Verabreichung von Insulinglargin seien irreführend. Ein angeblicher Gewichtsvorteil und dessen klinische Relevanz seien nicht hinreichend wissenschaftlich nachgewiesen. Ferner seien die zum Beleg der Behauptung durch Fußnoten in Bezug genommenen Quellen nicht geeignet, die jeweiligen Werbeangaben als wissenschaftlich hinreichend gesicherte Erkenntnis zu stützen. Die Beklagte nehme zudem durch die Behauptung „Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil“ eine tatsächlich nicht gegebene Alleinstellung gegenüber allen anderen Wettbewerbern in Anspruch. Die Graphik „Levemir® im Vergleich zu Insulinglargin“ sei ebenfalls irreführend und außerdem unter dem Gesichtspunkt des unzulässigen herabsetzenden Vergleichs wettbewerbswidrig.
5
Die Klägerin hat beantragt, es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr die Fertigarzneimittel Levemir ® 100 E/ml Injektionslösung in einer Patrone und/oder Levemir® 100 E/ml Injektionslösung in einem Injektor, vorgefüllt (Wirkstoff jeweils: Insulindetemir) ® 1. mit einem „Gewichtsvorteil“ für Levemir in den Angaben a) … ® 2. Fachinformation Levemir , Februar 2007. 3. Philis-Tsimikas A et al., Clinical Therapeutics 2006; 28: 1569-1581; 20-wöchige multizentrische, offene, randomisierte Studie mit 504 insulinnaiven Patienten mit Typ 2 Diabetes, Insulindetemir vs. NPH-Insulin jeweils in Kombination mit OAD 4. Rosenstock J et al.; Diabetes 2006: 55 (Suppl1): A132; 52-wöchige, internationale, offene randomisierte Studie mit 582 insulinnaiven, OADbehandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, dargestellt sind die Ergebnis- ® se der Patienten, die Levemir 1-mal täglich (104 Patienten) erhalten ha- ben, vs. Insulinglargin 1-mal täglich (252 Patienten) jeweils in Kombination mit OAD, *Data on file bezüglich p-Wert, Patientenzahlen und HbA

1c

® für Levemir (1-mal täglich). 5. Hermansen K et al., Diabetes Care 2006; 29: 1269-1274; 26-wöchige, offene, randomisierte Studie mit 476 insulinnaiven , OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, Insulindetemir vs. NPH-Insulin jeweils in Kombination mit OAD; online appendix at http://care.deabetesjournals.org. und/oder ® ®
b) „Levemir Flex-Pen (Insulindetemir)

1

Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil “ … 1. Plank J et al., Diabetes Care 2005; 28: 1107-1112: Zeit-Wirkprofil im Vergleich zu NPH-Insulin. und/oder ® 2-5
c) „Levemir . Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil. “ … ® 2. Fachinformation Levemir , Februar 2007. 3. Philis-Tsimikas A et al., Clinical Therapeutics 2006; 28: 1569-1581; 20-wöchige multizentrische, offene, randomisierte Studie mit 504 insulinnaiven Patienten mit Typ 2 Diabetes, Insulindetemir vs. NPH-Insulin jeweils in Kombination mit OAD. 4. Rosenstock J et al.; Diabetes 2006: 55 (Suppl1): A132; 52-wöchige, internationale, offene, randomisierte Studie mit 582 insulinnaiven, OADbehandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, dargestellt sind die Ergebnis- ® se der Patienten, die Levemir 1-mal täglich (104 Patienten) erhalten haben , vs. Insulinglargin 1-mal täglich (252 Patienten) jeweils in Kombination mit OAD, *Data on file bezüglich p-Wert, Patientenzahlen und HbA

1c

® für Levemir (1-mal täglich). 5. Hermansen K et al., Diabetes Care 2006; 29: 1269-1274; 26-wöchige, offene, randomisierte Studie mit 476 insulinnaiven , OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, Insulindetemir vs. NPH-Insulin jeweils in Kombination mit OAD; online appendix at http://care.deabetesjournals.org. und/oder
d) „Gewichtsvorteil?! Das ist prima!“ und/oder 2. mit der nachstehend abgebildeten Grafik ® 4 „Levemir im Vergleich zu Insulinlargin “
… 4. Rosenstock J et al.; Diabetes 2006: 55 (Suppl1): A132; 52-wöchige, internationale , offene, randomisierte Studie mit 582 insulinnaiven, OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, dargestellt sind die Ergebnisse der ® Patienten, die Levemir 1-mal täglich (104 Patienten) erhalten haben, vs. Insulinglargin 1-mal täglich (252 Patienten) jeweils in Kombination mit OAD, ® *Data on file bezüglich p-Wert, Patientenzahlen und HbA für Levemir

1c

(1-mal täglich). und/oder ® 3. mit der Angabe „Gewichtsvorteil unter Levemir im Vergleich zu Insulinglar-

4

gin bei vergleichbarer HbA -Senkung “

1c

… 4. Rosenstock J et al.; Diabetes 2006: 55 (Suppl1): A132; 52-wöchige, internationale , offene, randomisierte Studie mit 582 insulinnaiven, OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, dargestellt sind die Ergebnisse der ® Patienten, die Levemir 1-mal täglich (104 Patienten) erhalten haben, vs. Insulinglargin 1-mal täglich (252 Patienten) jeweils in Kombination mit OAD, ® *Data on file bezüglich p-Wert, Patientenzahlen und HbA für Levemir

1c

(1-mal täglich) zu bewerben, wenn dies wie in dem als Anlage K 1 vorgelegten vierseitigen ® 1-2 Folder „Levemir . Gute Einstellung - besseres Profil. “ geschieht.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


7
A. Das Berufungsgericht hat eine Irreführung durch die beanstandete Werbung mit einem Gewichtsvorteil verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt :
8
Die Werbung sei nicht deswegen irreführend, weil sie in Fußnoten mit Studien belegt werde, die den beworbenen Umstand des Gewichtsvorteils nicht trügen. Es könne auch nicht angenommen werden, dass die beworbene Angabe nicht durch gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse belegt sei. Die Werbung könne sich vielmehr auf die Inhalte der Arzneimittelzulassung und der Fachinformation stützen. Dies begründe eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der gesicherte Stand der Wissenschaft wiedergegeben sei. Die Klägerin habe diese Vermutung nicht widerlegt.
9
Eine Irreführung ergebe sich auch nicht aus dem Fehlen einer klinischen Relevanz des beworbenen Gewichtsvorteils. Die Behauptung einer solchen Relevanz des Gewichtsvorteils sei der Werbung aus der Sicht der angesprochenen Ärzte nicht zu entnehmen.
10
Die Aussage „Levemir®. Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil“ sei ferner nicht irreführend unter dem Gesichtspunkt einer Alleinstellungsbehauptung. Es fehle an besonderen Umständen, unter denen die Verwendung eines bestimmten Artikels eine Alleinstellung des beworbenen Produkts zum Ausdruck bringe.
11
Der Klägerin stehe auch hinsichtlich der vergleichenden Grafik kein Unterlassungsanspruch zu. Der Umstand, dass die dort dargestellte Gewichtszunahme von 2,25 kg nur bei der Untergruppe von Testpatienten erreicht worden sei, die nur einmal täglich Levemir® erhalten hätten, während bei der zweimal täglich mit Insulindetemir behandelten Gruppe von 55% der Testpersonen eine Gewichtszunahme von 3,7 kg festgestellt worden sei, führe nicht zu einer Irreführung. Der angesprochene Arzt könne der Werbung hinreichend deutlich entnehmen , dass nur die Ergebnisse im Hinblick auf die einmal täglich behandelte Untergruppe dargestellt seien.
12
Die Angabe „Gewichtsvorteil unter Levemir® im Vergleich zu Insulinglargin bei vergleichbarer HbA1c - Senkung“ sei ebenfalls weder irreführend noch unter dem Gesichtspunkt der herabsetzenden vergleichenden Werbung zu beanstanden.
13
B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben teilweise Erfolg. Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Berufung gegen die Klageabweisung im Hinblick auf die Anträge zu 1 a und c sowie die Anträge zu 2 und 3 für unbegründet erachtet hat, halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand (dazu unter I). Dagegen bleibt die Revision erfolglos, soweit sie sich gegen die Abweisung der Anträge zu 1 b und d richtet (dazu unter II).
14
I. Im Hinblick auf die mit den Anträgen zu 1 a und c sowie mit den Anträgen zu 2 und 3 angegriffene Werbung mit einem Gewichtsvorteil ergibt sich eine Irreführung aus dem Umstand, dass die Beklagte sich insoweit zum Beleg ihrer Behauptung in der Fußnote 4 auf die Veröffentlichung von Rosenstock und anderen gestützt hat, obwohl diese Studie einen Gewichtsvorteil bei der Anwendung von Levemir® im Vergleich zu Insulinglargin nicht hinreichend wissenschaftlich belegt.
15
1. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend , wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware wie etwa Vorteile enthält. Gemäß § 3 HWG liegt eine unzulässige irreführende Werbung insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Insoweit sind - wie allgemein bei gesundheitsbezogener Werbung - besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (BGH, Urteil vom 3. Mai 2001 - I ZR 318/90, GRUR 2002, 182, 185 = WRP 2002, 74 - Das Beste jeden Morgen, mwN; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 4 Rn. 1/137; Köhler in Köhler/ Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 4 Rn. 1.243, Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.181).
16
Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1970 - I ZR 86/69, GRUR 1971, 153, 155 = NJW 1971, 323 - Tampax; Urteil vom 7. März1991 - I ZR 127/89, GRUR 1991, 848, 849 = NJW-RR 1991, 848 - Rheumalind II; Urteil vom 7. Dezember 2000 - I ZR 260/98, GRUR 2002, 273, 274 = WRP 2001, 1171 - Eusovit; Urteil vom 4. September 2003 - I ZR 32/01, GRUR 2004, 72; OLG Hamburg, PharmaR 2007, 204, 206; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.183; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza aaO § 4 Rn. 1/140). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn dem Werbenden jegliche wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse fehlen, die die werbliche Behauptung stützen können (OLG Düsseldorf, MD 2008, 49, 52 f.). Unzulässig ist es außerdem, wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben wird, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen (BGH, GRUR 1991, 848, 849 - Rheumalind II; GRUR 2002, 273, 274 - Eusovit; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.183; Fezer/Reinhart, UWG, 2. Aufl., § 4-S 4 Rn. 452).
17
Darüber hinaus kann es irreführend sein, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen (OLG Hamburg, PharmR 2007, 204, 206 mwN; Weidert in Harte/Henning, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. C-172; Fezer/Reinhart aaO § 4-S 4 Rn. 454; vgl. auch Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.183). Ein solcher Verstoß gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit kommt zum einen in Betracht, wenn die als Beleg angeführte Studie den vom Verkehr nach den Umständen des Einzelfalls zugrundegelegten Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg nicht entspricht. Eine Irreführung liegt zum anderen regelmäßig dann vor, wenn die in Bezug genommene Studie selbst Zweifel erkennen lässt, die Werbung indessen diese Einschränkungen nicht wiedergibt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Studie selbst, nicht aber die auf diese Studie bezogene Werbung abweichende Studienergebnisse nennt, wenn die Studie die in der Werbung behaupteten Ergebnisse nicht für bewiesen hält oder wenn sie lediglich eine vorsichtige Bewertung der Ergebnisse vornimmt, die Werbung dieses Ergebnis aber als gesichert darstellt. In diesen Fällen geht es nicht darum, ob die Werbeaussage für sich genommen inhaltlich richtig ist, weil sie gegebenenfalls auf andere Studien gestützt werden könnte. Die Irreführung ergibt sich vielmehr bereits daraus, dass die durch die uneingeschränkt aufgestellte werbliche Behauptung in Bezug genommene Studie selbst die Aussage nicht oder nicht uneingeschränkt trägt und der Arzt in seinem Vertrauen enttäuscht wird, die durch eine Studie angeblich wissenschaftlich belegte Aussage unmittelbar durch diese Studie überprüfen zu können, ohne gewärtigen zu müssen, dass die als Beleg aufgeführte Studie nur teilweise, mittelbar oder nur im Zusammenhang mit anderen, nicht genannten Studien (möglicherweise) valide ist und die Werbebehauptung stützen kann. Dies beeinträchtigt die Sicherheit ärztlicher Therapieentscheidungen auf der Grundlage mit wissenschaftlichen Studien belegter Werbeaussagen und stellt deshalb wegen der besonderen Bedeutung des Schutzgutes der Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung grundsätzlich eine relevante Irreführung dar (vgl. OLG Hamburg, PharmR 2007, 204, 206 mwN; Weidert in Harte/ Henning aaO § 5 Rn. C-172; Fezer/Reinhart aaO § 4-S 4 Rn. 454; vgl. auch EuGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - C-249/09, Rn. 50 - juris).
18
2. Die Revision rügt mit Erfolg, dass der Beleg für den behaupteten Gewichtsvorteil durch die Gabe von Levemir® mit der in Fußnote 4 in Bezug ge- nommene angegebene Rosenstock-Studie den an die Zitatwahrheit zu stellenden Anforderungen nicht genügt.
19
a) Welche Anforderungen an den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den im Wesentlichen tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind Studienergebnisse , die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig , wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 - I ZR 51/06, GRUR 2009, 75 Rn. 26 = WRP 2009, 51 - Priorin, zu Art. 3 der Richtlinie 1999/21/EG über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke; Beschluss vom 1. Juni 2011 - I ZR 199/09, MD 2011, 583 f.; Urteil vom 15. März 2012 - I ZR 44/11, GRUR 2012, 1164 Rn. 20 = WRP 2012, 1386 - ARTROSTAR, zu § 14b Abs. 1 Satz 2 DiätV; vgl. im Einzelnen auch Riegger, Heilmittelwerberecht, Kap. 3 Rn. 33 ff.).
20
Ob auch nicht prospektive, sondern nachträglich anhand vorliegender Studiendaten im Rahmen einer sogenannten Subgruppenanalyse oder im Wege der Zusammenfassung mehrerer wissenschaftlicher Studien (Metaanalyse) erstellte Studien eine Werbeaussage tragen können, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei wird es für die Frage der Irreführung neben der Einhaltung der für diese Studien geltenden wissenschaftlichen Regeln vor allem darauf ankommen, ob der Verkehr in der Werbung hinreichend deutlich auf die Besonderheiten der Art, Durchführung oder Auswertung dieser Studie und gegebenenfalls die in der Studie selbst gemachten Einschränkungen im Hinblick auf die Validität und Bedeutung der gefundenen Ergebnisse hingewiesen und ihm damit die nur eingeschränkte wissenschaftliche Aussagekraft der Studie vor Augen geführt wird (vgl. OLG Hamburg, MD 2007, 1189, 1195; MD 2008, 55, 61; Riegger aaO Kap. 3 Rn. 40 f.). Diesen Anforderungen genügt die durch einen Fußnotenverweis mit der Rosenstock-Studie belegte Werbung der Beklagten nicht.
21
b) Mit Erfolg macht die Revision insoweit geltend, die in dieser Studie im Vergleich zu einer einmaligen Gabe von Insulinglargin festgestellte geringere Gewichtszunahme sei nicht wissenschaftlich gesichert, weil dieses Ergebnis nach dem Vortrag der Klägerin nur ein Nebenprodukt der Studie sei. Die Patienten , die nur einmal täglich das Arzneimittel der Beklagten genommen hätten (45%), seien nachträglich zu einer sogenannten Subgruppe zusammengefasst worden, ohne dass für diese nachträglich gebildete Gruppe die allgemein geltenden Bedingungen für eine klinische Studie wie etwa eine Randomisierung eingehalten worden seien. Ferner hat die Klägerin geltend gemacht, die Verfasser der Studie hätten selbst erkannt und auch festgehalten, dass die Studie insoweit keine definitiven Rückschlüsse zulasse. Das Berufungsgericht hat keine abweichenden Feststellungen getroffen, so dass insoweit revisionsrechtlich von der Richtigkeit des Klagevortrags auszugehen ist.
22
c) In der mit den Anträgen zu 1 a und c sowie mit den Anträgen zu 2 und 3 beanstandeten Werbung werden dem Verkehr diese gegen die Aussagekraft der jeweils in der Fußnote 4 in Bezug genommenen Rosenstock-Studie nicht mitgeteilt. Das Berufungsgericht hat auch sonst keine besonderen Umstände festgestellt, die im Streitfall dafür sprechen könnten, dass die von der angegriffenen Werbung angesprochenen Ärzte der als Fußnotenbeleg angegebenen Studie einen lediglich eingeschränkten Aussagegehalt in Bezug auf die statistische Signifikanz oder den von den Studienverfassern selbst ihrer Studie beigemessenen Beweiswert entnehmen.
23
Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass - wie noch dargelegt werden wird (dazu unten Rn. 33 ff.) - sowohl in der Zulassung für Levemir® als auch in der entsprechenden Fachinformation die bei der Verabreichung von Levemir® im Vergleich zu Insulinglargin geringere Gewichtszunahme angeführt ist und daher grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass dieser Umstand als hinreichend wissenschaftlich gesichert gelten kann, sofern die Klägerin keine Umstände darlegt und gegebenenfalls beweist, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen. Wie ausgeführt, geht es bei der Irreführung unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit allein um die Frage, ob die durch die uneingeschränkt aufgestellte werbliche Behauptung in Bezug genommene Studie selbst die Aussage uneingeschränkt trägt.
24
3. Das Berufungsurteil, dass sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend erweist (§ 561 ZPO), kann danach im Hinblick auf die Abweisung der Anträge zu 1 a und c sowie 2 und 3 keinen Bestand haben.
25
II. Die Revision bleibt dagegen erfolglos, soweit sie sich gegen die Abweisung der Anträge zu 1 b und d richtet.
26
1. Eine Irreführung unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit kommt insoweit nicht in Betracht. Die mit den Anträgen zu 1 b und d angegriffenen werblichen Aussagen nehmen nicht auf die problematische Fußnote 4 (Studie von Rosenstock und anderen) Bezug. Die Revision hat zudem nicht dargelegt, dass die mit dem Antrag zu 1 b beanstandete Werbung deswegen irreführend ist, weil auf der Grundlage der Feststel- lungen des Berufungsgerichts oder eines verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigten Vorbringens der Klägerin die dort mit der Fußnote 1 in Bezug genommene Studie („Plank J et al.“) die Werbebehauptung „Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil1“ nicht hinreichend belegen kann. Die mit dem Antrag zu 1 d angegriffene Werbung „Gewichtsvorteil?! Das ist prima!“ ist durch keinerlei Fußnoten belegt. Entgegen der Auffassung der Revision ist dieser Umstand auch nicht deswegen unerheblich, weil diese Angabe im Zusammenhang mit den übrigen Werbeaussagen steht und den dort verwendeten und mit Fußnoten belegten Begriff „Gewichtsvorteil“ übernimmt. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt , dass der angesprochene Verkehr die Rosenstock-Studie auch als Beleg der mit dem Antrag zu 1 d angegriffenen Aussage in Verbindung bringt, obwohl die Werbung insoweit gerade keinen Fußnotenbezug herstellt. Die Revision rügt auch nicht, dass das Berufungsgericht einen in diese Richtung gehenden Klagevortrag rechtsfehlerhaft übergangen habe.
27
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision ferner gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Behauptung „Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil“ sei nicht als irreführende Alleinstellungsbehauptung unzulässig.
28
Zwar kann auch die Verwendung des bestimmten Artikels vom Verkehr als Hinweis auf eine Spitzenstellung verstanden werden. Für eine solche Annahme bedarf es indessen besonderer Umstände, die vor allem in der Verbindung mit einem Eigenschaftswort von empfehlender Bedeutung liegen können oder sonst erkennen lassen, dass der Akzent der werblichen Aussage auf dem Artikel liegt (BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 - I ZR 110/96, GRUR 1998, 951, 953 = WRP 1998, 861 - Die große deutsche Tages- und Wirtschaftszeitung; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 2.146 f.).
29
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass es im Streitfall an besonderen Umständen fehlt, unter denen die Verwendung eines bestimmten Artikels eine Alleinstellung des beworbenen Produkts zum Ausdruck bringt. Diese im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Feststellungen des Berufungsgerichts zur Verkehrsauffassung sind nur darauf vom Revisionsgericht zu überprüfen, ob das Berufungsgericht bei seiner Würdigung gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat. Solche Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
30
3. Vergeblich rügt die Revision schließlich, dass mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung im Streitfall nicht davon ausgegangen werden könne, dass die beanstandeten Behauptungen eines Gewichtsvorteils hinreichend wissenschaftlich gesichert seien.
31
a) Das vom Berufungsgericht in seiner Urteilsbegründung in Bezug genommene landgerichtliche Urteil ist davon ausgegangen, dass der Umstand eines Gewichtsvorteils von Levemir® gegenüber Insulinglargin durch die Inhalte der Arzneimittelzulassung und der Fachinformation hinreichend belegt werde. Es sei deshalb Sache der Klägerin, darzulegen und zu beweisen, dass der beworbene Gewichtsvorteil nicht dem wissenschaftlichen Standard entspreche. Dies sei ihr nicht gelungen. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
32
b) Der Nachweis, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, obliegt grundsätzlich dem Kläger als Unterlassungsgläubiger. Eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast kommt allerdings dann in Betracht, wenn der Beklagte mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben hat, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen. Der Werbende übernimmt in einem derartigen Fall dadurch, dass er eine be- stimmte Aussage trifft, die Verantwortung für die Richtigkeit, die er im Streitfall auch beweisen muss (BGH, GRUR 1991, 848, 849 - Rheumalind II). Ob die beanstandete Aussage wissenschaftlich umstritten ist, muss wiederum vom Kläger dargelegt und bewiesen werden (OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 88, 89; Fezer/Reinhart aaO § 4-S 4 Rn. 450; Riegger aaO 3. Kap. Rn. 45 mwN). Eine entsprechende Umkehr der Darlegungs- und Beweislast gilt, wenn der Kläger darlegt und nachweist, dass nach der wissenschaftlichen Diskussion die Grundlagen , auf die der Werbende sich stützt, seine Aussage nicht rechtfertigen (OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 88, 89) oder sogar jegliche tragfähige wissenschaftliche Grundlage für die Behauptung fehlt (OLG Düsseldorf, MD 2008, 49, 52 f.; OLG Hamburg, PharmR 2011, 99, 102; Weidert in Harte/Henning aaO § 5 Rn. C-175; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza aaO § 4 Rn. 1/140; Zimmermann, HWG, § 3 Rn. 5).
33
c) Welche Anforderungen dabei an das Merkmal der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den im wesentlichen tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2011 - I ZR 199/09, MD 2011, 583 f.) und ist wiederum vom Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob das Berufungsgericht bei seiner Würdigung gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat.
34
d) Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze hinreichend beachtet. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich ein Werbender zum wissenschaftlichen Nachweis der Richtigkeit seiner werblichen Behauptung in Bezug auf Eigenschaften eines Arzneimittels grundsätzlich auf den Inhalt der Zulassung und der Fachinformation berufen kann.
35
aa) Im Hinblick auf Angaben, die der Zulassung des Arzneimittels wörtlich oder sinngemäß entsprechen, kann regelmäßig davon ausgegangen werden , dass sie im Zeitpunkt der Zulassung dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprechen (vgl. Doepner, HWG, 2. Aufl., § 3 Rn. 72; Riegger aaO 3. Kap. Rn. 27; Gröning, Heilmittelwerberecht, Stand: August 1998, § 3 Rn. 15; Zimmermann aaO § 3 Rn. 4; Fezer/Reinhart aaO § 4-S 4 Rn. 455). Dies gilt zunächst für Angaben, die sich auf die therapeutische Wirksamkeit beziehen. Denn gemäß § 25 Abs. 2 Satz 3 AMG fehlt die für eine Zulassung notwendige therapeutische Wirksamkeit, wenn der Antragsteller nicht entsprechend dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Ergebnisse nachweist, dass sich mit dem Arzneimittel therapeutische Ergebnisse erzielen lassen. Hat ein Präparat die Hürde der Zulassung genommen, kann also grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Wirkungsangaben dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprechen. Weitergehend wird der Inhalt der Zulassung im Regelfall aber auch als hinreichender Beleg für Werbebehauptungen gelten können , die - wie im Streitfall - nicht die zum Anwendungsgebiet gehörenden, sondern darüber hinausgehende Wirkungen und pharmakologischeEigenschaften beschreiben. Aus § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG, wonach die Zulassungsbehörde die Zulassung versagen darf, wenn das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist, ergibt sich, dass auch diese nicht unmittelbar das Anwendungsgebiet betreffenden Eigenschaften Gegenstand der behördlichen Prüfung sind. Grundlage der Zulassungsentscheidung sind alle vom Antragsteller in Übereinstimmung mit den §§ 22, 23 und 24 AMG eingereichten Unterlagen, die von der Zulassungsbehörde dahingehend zu prüfen sind, ob sie die beantragte Zulassung rechtfertigen (Rehmann, AMG, 3. Aufl., § 25 Rn. 16; Kügel, AMG, § 25 Rn. 117 f.).
36
bb) Für Aussagen, die den Angaben in der Fachinformation gemäß § 11a HWG entsprechen, gilt regelmäßig nichts anderes (Riegger aaO Kap. 3 Rn. 29). Diese Angaben sind nach § 22 Abs. 7 Satz 1, § 25 Abs. 5 Satz 1 AMG im Zulassungsverfahren ebenfalls Gegenstand der behördlichen Prüfung. Diese Grundsätze gelten zudem, wenn das Arzneimittel - wie im Streitfall - im Wege des zentralen Zulassungsverfahrens von der Europäischen Kommission zugelassen ist (vgl. § 37 Abs. 1 AMG in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004/EG vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur).
37
e) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts entspricht die im Streitfall von der Klägerin angegriffene Behauptung eines Gewichtsvorteils inhaltlich dem Wortsinn der in der Zulassung und der Fachinformation des Arzneimittels Levemir® festgehaltenen Angaben.
38
aa) Das vom Berufungsgericht in Bezug genommene landgerichtliche Urteil hat sich zutreffend auf den Inhalt der Zulassung und der Fachinformation gestützt. Dort ist ausgeführt, dass Studien bei Patienten mit Typ 2 Diabetes, die mit Basalinsulin in Kombination mit oralen Antidiabetika behandelt wurden, gezeigt haben, dass die Blutzuckereinstellung (HbA1c) mit Levemir® mit der unter NPH-Insulin und Insulinglargin vergleichbar, dabei aber mit weniger Gewichtszunahme verbunden ist. So heißt es in der Zulassung sowie der Fachinformation (Stand: Dezember 2009) für Levemir® unter der Überschrift „Pharmakodynamische Eigenschaften“ gleichlautend unter anderem: Studien bei Patienten mit Typ 2 Diabetes, die mit Basalinsulin in Kombination mit oralen Antidiabetika behandelt wurden, zeigten, dass die Blutzuckerein- ® stellung (HbA ) mit Levemir mit der unter NPH-Insulin und Insulinglargin ver-

1c

gleichbar und mit weniger Gewichtszunahme verbunden ist (siehe Tabelle 2). …
Studiendauer Insulindetemir Insulindetemir NPH-Insulin Insulinglargin einmal täglich zweimal täglich 20 Wochen + 0,7 kg + 1,6 kg 26 Wochen + 1,2 kg + 2,8 kg 52 Wochen + 2,3 kg + 3,7 kg + 4,0 kg
39
bb) Vergeblich wendet sich die Revision ferner gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der angesprochene Fachkreis verstehe die angegriffenen Behauptungen eines Gewichtsvorteils im Sinne einer geringeren Gewichtszunahme , wie sie in der Zulassung und der Fachinformation für Levemir® beschrieben sei.
40
Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Klägerin außer Acht gelassen, wonach die geringere Gewichtszunahme (von 1,6 kg) nur für eine Untergruppe von Patienten festgestellt worden sei, die nur einmal täglich Insulindetemir erhalten hätten. Die Mehrzahl der Patienten habe jedoch eine zweimalige Gabe erhalten, was zu einer geringeren Gewichtszunahme (von nur 0,3 kg) geführt habe. Ein derart geringer Wert habe keine klinische Relevanz und stelle deshalb auch keinen „Vorteil“ im Sinne der Werbung der Beklagten dar. Damit hat die Revision keinen Erfolg.
41
Das Berufungsgericht hat sich mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt. Es hat insoweit angenommen, der durch das Werbefaltblatt angesprochene Verkehr werde der Werbung ausschließlich einen Bezug auf eine täglich einmalige Gabe beimessen. Zudem werde nach der Verkehrsauffassung kein klinisch relevanter Gewichtsvorteil behauptet, sondern ein solcher, der für den Patienten von psychologischer Bedeutung sein könne, weil jedes vermiedene Gramm Gewichtszunahme den in der Überschrift des Faltblattes hervorgehobenen „Einstieg in die Insulintherapie“ erleichtern könne. Damit fehle es sowohl an einer Irreführung als auch an den Voraussetzungen einer unzulässi- gen vergleichenden Werbung. Diese tatrichterlichen Feststellungen zur Verkehrsauffassung lassen keine Rechtsfehler erkennen.
42
f) Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe keine Umstände dargelegt, die die indizielle Bedeutung der Zulassung und der Fachinformation für den Nachweis einer hinreichenden wissenschaftlichen Sicherung der aufgestellten Behauptung eines Gewichtsvorteils erschüttern.
43
aa) Allerdings gilt der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Zulassung des Arzneimittels nicht uneingeschränkt, sondern findet seine Grenze in seiner Eigenschaft als Regelung der Darlegungs- und Beweislast. Daraus ergibt sich, dass eine Irreführung dann in Betracht kommt, wenn der Kläger darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass neuere, erst nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene oder der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung sonst nicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen (vgl. Doepner aaO § 3 Rn. 72; Riegger aaO 3. Kap. Rn. 28; Gröning aaO § 3 Rn. 15).
44
bb) Daran fehlt es im Streitfall. Die Revision macht vergeblich geltend, das Berufungsgericht habe sich nicht hinreichend mit dem von der Klägerin gehaltenen Vortrag auseinandergesetzt, wonach wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die gegen eine von der Zulassungsbehörde angenommene geringere Gewichtszunahme sprechen.
45
(1) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung und die Fachinformation belegten Aussagen mit dem Vorbringen, die der Zulassung zugrundeliegende Rosenstock- Studie entspreche nicht den fachlich anerkannten wissenschaftlichen Standards und enthalte zudem einschränkende Interpretationen der Studienverfasser im Hinblick auf das Ergebnis einer geringeren Gewichtszunahme, so dass ihre Ergebnisse medizinstatistisch nicht signifikant seien. Zwar entspricht - wie dargelegt - das Design der Studie nicht dem medizinstatistischen „Goldstandard“ im Sinne einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist. Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen und von der Revision nicht beanstandeten Feststellungen des Landgerichts waren jedoch die Studie, ihre wissenschaftliche Methodik und die von den Verfassern gemachten Einschränkungen den Fachbehörden im Zulassungsverfahren bekannt. Die Revision wendet sich auch nicht gegen die weitere Feststellung des Landgerichts, die Klägerin habe keine neuen Umstände dargetan, die zu einer Revidierung der Bewertung der Zulassungsbehörde führen könnten. Unter diesen Umständen ist die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, die Klägerin habe die tatsächliche Vermutung nicht erschüttern können, die aufgrund der erfolgten Zulassung und der dort in Bezug genommenen Rosenstock-Studie für eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung der werblichen Behauptung eines Gewichtsvorteils streite.
46
(2) Nicht durchgreifend ist auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe sich nicht hinreichend mit dem von der Klägerin vorgelegten Abschlussbericht „Langwirksame Insulinanaloga zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2“ des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) vom 26. Februar 2009 und dem dazu gehaltenen Vortrag auseinandergesetzt. Die Revision verweist insofern auf den Vortrag der Klägerin, wonach in diesem Bericht festgestellt worden sei, dass sowohl die klinische Relevanz der bei der Gabe von Insulindetemir beobachteten geringeren Gewichts- zunahme als auch die Nachhaltigkeit dieser Wirkung zweifelhaft seien, da nur Studien mit einer Laufzeit von zwölf Monaten vorlägen. Es sei dort auch ausdrücklich festgehalten worden, dass die geringere Gewichtszunahme auch unerwünscht sein könne.
47
Das vom Berufungsgericht insoweit in Bezug genommene landgerichtliche Urteil ist davon ausgegangen, dass der Abschlussbericht des IQWIG vom 26. Februar 2009 auf einer Auswertung fremder Studien und einer Anhörung, nicht aber auf einer neuen eigenen Studie beruhe. Die Feststellung, dass die klinische Relevanz der geringeren Gewichtszunahme unklar sei, sei eine Schlussfolgerung aus Bekanntem, die zur Rosenstock-Studie nicht im Widerspruch stehe. Es komme nicht auf die klinische Relevanz des Gewichtsvorteils an, weil eine solche in der angegriffenen Werbung nicht behauptet werde. Der im Abschlussbericht ausgedrückte Zweifel, ob der Gewichtseffekt nachhaltig sei, sei nicht dazu geeignet, die durch die Angabe in der Zulassung und der Fachinformation begründete Vermutung zu widerlegen. Die Dauer der Rosenstock -Studie sei der Zulassungsbehörde bekannt gewesen. Konkrete Anhaltspunkte für neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine mangelnde Nachhaltigkeit belegten, gebe es nicht. Die Klägerin habe nur dargetan, dass die Frage der Nachhaltigkeit aus der Sicht des Abschlussberichts unklar sei. Eine solche Unsicherheit sei nicht geeignet, einen nachhaltigen Gewichtsvorteil zu widerlegen.
48
Diese im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegenden Ausführungen lassen keine Rechtsfehler erkennen.
49
C. Die Sache ist im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuweisen. Denn der Senat kann die Sache auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen.
50
Das Berufungsgericht hat bislang keine Feststellungen zu Design und wissenschaftlicher Validität der in der Fußnote 4 in Bezug genommenen Rosenstock -Studie getroffen. Ferner hat das Berufungsgericht sich bislang nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob und inwieweit die Verfasser der Studie selbst erkannt und auch zum Ausdruck gebracht haben, dass die Studie keine definitiven Rückschlüsse auf den Gesichtspunkt der geringeren Gewichtszunahme zulasse. Es fehlen bislang auch Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, wie der angesprochene Fachkreis die beanstandete Werbung mit dem Gewichtsvorteil mit Bezug auf die Fußnote 4 versteht. Insoweit wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass hier das Verständnis der mit dem Werbefolder angesprochenen Ärzte, mithin eines Fachkreises, zu dem die Mitglieder des Berufungsgerichts nicht gehören, maßgebend ist. Eine verfahrensfehlerfreie Feststellung der Verkehrsauffassung setzt deshalb die Darlegung voraus, dass die Mitglieder des Berufungsgerichts über ein zur Feststellung der hier maßgebenden Verkehrsauffassung hinreichendes Erfahrungswissen verfügen (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 - I ZR 150/01, BGHZ 156, 250, 254 - Marktführerschaft ; BGH, Urteil vom 15. April 2010 - I ZR 145/08, GRUR 2010, 1125 Rn. 50 = WRP 2010, 1465 - Femur-Teil, mwN).
Bornkamm Pokrant Kirchhoff
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 09.06.2009 - 15 O 704/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 22.02.2011 - 5 U 87/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DESVOLKES
URTEIL
I Z R 2 9 / 1 4
Verkündet am:
7. Mai 2015
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Äquipotenzangabe in Fachinformation
Angaben in der Fachinformation für ein Arzneimittel können irreführend sein,
wenn sie auf Studien gestützt sind, die diese Aussagen nicht tragen. Der Inhaber
der Arzneimittelzulassung kann sich darauf berufen, dass die Angaben
in der dem Zulassungsantrag des Arzneimittels beigefügten Fachinformation
zum Zeitpunkt der Zulassung des Arzneimittels dem gesicherten Stand der
Wissenschaft entsprochen haben. Der Kläger kann die indizielle Bedeutung
der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der in der
Fachinformation enthaltenen Angaben erschüttern, indem er darlegt und erforderlichenfalls
beweist, dass neuere, erst nach dem Zulassungszeitpunkt
bekanntgewordene oder der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung
sonst nicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen,
die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten
Aussagen sprechen (Fortführung von BGH, Urteil vom 6. Februar 2013
- I ZR 62/11, GRUR 2013, 649 = WRP 2013, 772 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil
).
BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - I ZR 29/14 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Mai 2015 durch die Richter Prof. Dr. Koch, Prof. Dr. Schaffert,
Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg - 3. Zivilsenat - vom 30. Januar 2014 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist Inhaberin der deutschen Zulassung für das Arzneimittel „BOTOX“. Die Beklagte zu 1 ist Inhaberin der Zulassung für das Arzneimittel „XEOMIN® 50 LD 50“), die vom Bundes50 -Einheiten“ (nachfolgend „XEOMIN® amt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Wege des sogenannten dezentralen Verfahrens erteilt worden ist. Beide Medikamente enthalten als Wirkstoff Botulinumtoxin Typ A. Die Beklagte zu 2 vertreibt „XEOMIN® 50“ seit Anfang 2012 in Deutschland.
2
In der deutschen Fachinformation für „XEOMIN® 50“, Stand August 2011, heißt es unter 4.2: Ergebnisse vergleichender klinischer Studien legen nahe, dass Xeomin und das Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum Toxin Typ A-Komplex (900 kDa) äquipotent sind, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden.
3
Die deutsche Fachinformation für „XEOMIN® 50“, Stand Dezember 2011, hat unter 4.2 folgenden geänderten Wortlaut: Ergebnisse vergleichender Studien weisen auf eine Äquipotenzvon „XEOMIN“ und dem Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum-Toxin-Typ A-Komplex (900 kDa) hin, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden.
4
Die Klägerin hält die in den beiden Fachinformationen enthaltenen Angaben über die Äquipotenz von „XEOMIN“ für irreführend.
5
Das Landgericht hat die Beklagten entsprechend dem Antrag der Klägerin unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, zu dem Arzneimittel „XEOMIN® 50 LD50-Einheiten“ die - oben angeführten - Angaben zu machen, wie mit der Fachinformation Stand Dezember 2011 oder der Fachinformation Stand August 2011 geschehen.
6
Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen , verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der geltend
7
gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 5, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 HWG oder § 8 AMG wegen irreführender Angaben weder im Hinblick auf die Fachinformation Stand August 2011 noch im Hinblick auf die Fachinformation Stand Dezember 2011 zu. Dazu hat es ausgeführt:
8
Die Legitimationswirkung der durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (im Weiteren: BfArM) für das Arzneimittel „XEOMIN® 50“ erteilten Zulassung erstrecke sich auf den Inhalt der Fachinformation nach dem Stand August 2011, so dass er wettbewerbsrechtlicher Prüfung entzogen sei.
Gemäß § 22 Abs. 7 Satz 1 AMG sei dem Zulassungsantrag unter anderem der Entwurf der Fachinformation (§ 11a Abs. 1 Satz 2 AMG) beizufügen. Die vorliegend beanstandeten Angaben seien unter der Rubrik „Dosierung, Art und Dauer der Anwendung“ enthalten und für die Arzneimittelsicherheit, die Wirksamkeit des Präparats und die Therapieentscheidung des Arztes besonders wichtig. Das spreche dafür, dass die Zulassungsbehörde diese Angaben zur Kenntnis genommen und gebilligt habe.
9
Auch die nach dem Stand Dezember 2011 erfolgte Änderung der Fachinformation werde von der Legitimationswirkung der Arzneimittelzulassung umfasst. Es habe sich dabei um die Änderung der Übersetzung einer Angabe in englischer Sprache gehandelt, die im Einzelnen mit der Zulassungsbehörde abgestimmt und von dieser gebilligt worden sei.
10
Die Zulassungsentscheidung für „XEOMIN® 50“ sei nicht wegen Nichtigkeit unwirksam. Selbst wenn bei der Zulassungsprüfung die zu einer Äquipotenz der konkurrierenden Mittel bei einem Dosisverhältnis von 1:1 vorgelegten Studien fehlerhaft beurteilt worden sein sollten, habe es sich dabei um eine wissenschaftliche Fehleinschätzung gehandelt, die kaum als „schwerwiegend“ im Sinne von § 44 Abs. 1 VwVfG anzusehen sei. Jedenfalls fehle es an der für die Annahme der Nichtigkeit erforderlichen Offenkundigkeit.
11
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat im Ergebnis keinen Erfolg.
12
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin wende sich mit ihrem Antrag gegen die Verwendung der Angaben im Gewande der Fachinformation des jeweils genannten Standes. Sie wende sich gegen den Inhalt der Fachinformation selbst und nicht lediglich gegen werbliche Angaben unter Bezugnahme auf die Fachinformation. Diese Auslegung des Klageantrags durch das Berufungsgericht, die der Senat als Auslegung einer Prozesserklärung in vollem Umfang nachprüfen kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2009 - I ZR 128/07, GRUR 2010 Rn. 30 = WRP 2010, 933 - Film-Einzelbilder, mwN), lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
13
2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der von der Klägerin erhobene Unterlassungsanspruch aus § 8 UWG voraussetzt, dass die beanstandeten Angaben in den Fachinformationen irreführend sind. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt; nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware enthält. Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt , die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Bei § 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1 HWG sowie § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG handelt es sich um solche Marktverhaltensregelungen, da diese Bestimmungen den Schutz der menschlichen Gesundheit und damit den Verbraucherschutz bezwecken. Nach § 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1 HWG ist eine irreführende Werbung unzulässig, mit der Arzneimitteln Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG ist es verboten, Arzneimittel in Verkehr zu bringen, die mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung versehen sind. 3. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der gel14 tend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 5, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 HWG oder § 8 AMG wegen irreführender Angaben in den Fachinformationen nicht zu. Die Legitimationswirkung der für das Arzneimittel „XEOMIN ® 50“ erteilten Zulassung durch das BfArM erstrecke sich auf den Inhalt der Fachinformationen, so dass er wettbewerbsrechtlicher Prüfung entzogen sei. Mit dieser Begründung kann der von der Klägerin erhobene Unterlassungsanspruch nicht verneint werden.
15
a) Die Klägerin macht geltend, die von den Beklagten verwendete Aussage zur Äquipotenz sei wissenschaftlich nicht ausreichend abgesichert. Sie behauptet damit einen Sachverhalt, der grundsätzlich den Tatbestand der Irreführung erfüllen kann.
16
aa) Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht. Danach ist es irreführend, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 - I ZR 62/11, GRUR 2013, 649 Rn. 16 f. = WRP 2013, 772 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).
17
bb) Für Angaben in einer Fachinformation gilt grundsätzlich nichts anderes. Auch sie können irreführend sein, wenn sie auf Studien gestützt sind, die diese Aussagen nicht tragen. Nach § 11a Abs. 1 Satz 1 AMG handelt es sich bei der Fachinformation um eine zwingend vorgeschriebene Gebrauchsinformation für die Fachkreise. Mit ihr wird den Ärzten für deren Therapieentscheidung eine weitere, über die Packungsbeilage hinausgehende Informationsquelle über das Arzneimittel zur Verfügung gestellt (vgl. Pannenbecker in Kügel/Müller/ Hofmann, AMG, 2012, § 11a Rn. 4), die sie insbesondere in der öffentlichen Arzneimittel-Datenbank abrufen können (vgl. § 34 Abs. 1a Nr. 1 AMG). Damit stellen die in der Fachinformation enthaltenen Angaben im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG geschäftliche Handlungen des Herstellers zur Förderung des Absatzes seiner Arzneimittel dar. Es handelt sich nicht um Angaben, die allein für das Zulassungsverfahren bestimmt sind und ausschließlich behördenintern genutzt werden. Kann die Therapieentscheidung eines Arztes durch eine wissenschaftlich nicht gesicherte Angabe in einer Fachinformation beeinflusst werden, ist die Gesundheit der Bevölkerung jedenfalls nicht weniger gefährdet als bei einer unmittelbar an Verbraucher oder Fachkreise gerichteten gesundheitsbezogenen Werbung.
18
b) Die Fachinformation für „XEOMIN® 50“ war zwar Gegenstand der Zulassungsprüfung für dieses Arzneimittel. Anders als das Berufungsgericht meint, ist der von der Klägerin angegriffene Inhalt der Fachinformation infolge der Zulassung von „XEOMIN® 50“ der wettbewerbsrechtlichen Prüfung jedoch nicht entzogen.
19
aa) Zwar liegt kein unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidriges Marktverhalten vor, wenn es durch einen Verwaltungsakt ausdrücklich erlaubt worden und dieser Verwaltungsakt nicht nichtig ist (BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - I ZR 194/02, BGHZ 163, 265, 269 - Atemtest I; Urteil vom 13. März 2008 - I ZR 95/05, GRUR 2008, 1014 Rn. 32 = WRP 2008, 1335 - Amlodipin; Urteil vom 24. September 2014 - I ZR 73/12, GRUR 2014, 405 Rn. 10 f. = WRP 2014, 429 - Atemtest II).
20
bb) Das Berufungsgericht ist auch zu Recht von der Wirksamkeit der Zulassungsentscheidung für „XEOMIN® 50“ ausgegangen.
21
(1) Die Zulassungsentscheidung für „XEOMIN® 50“ ist vom BfArM im dezentralen Zulassungsverfahren gemäß § 25b AMG erteilt worden. Die Wirksamkeit dieses nationalen Zulassungsbescheids beurteilt sich nach deutschem Verwaltungsverfahrensrecht, weil insoweit keine unionsrechtlichen Regelungen bestehen (vgl. Rehmann, AMG, 4. Aufl., vor §§ 21-37 Rn. 20 und § 25b Rn. 2).
22
(2) Als Verwaltungsakt im Sinne von § 35 VwVfG ist der Zulassungsbescheid nach § 44 Abs. 1 VwVfG nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Dabei stellt die Nichtigkeit des Verwaltungsakts eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass ein Akt staatlicher Ge- walt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt. Schwerwiegend ist ein Fehler daher nur, wenn er den Verwaltungsakt schlechterdings unerträglich, das heißt mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt. Der schwerwiegende Fehler muss darüber hinaus für einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Nichtigkeit eines Verwaltungsakts ist daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 2000 - 11 B 26/00, NVwZ 2000, 1039, 1040).
23
(3) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, diese Voraussetzungen der Nichtigkeit seien im Streitfall erfüllt.
24
Die Klägerin hat vorgetragen, die angegriffenen Angaben über die Äquipotenz der Mittel bei einem Dosisverhältnis von 1:1 seien durch wissenschaftliche Studien nicht belegt, und zwar insbesondere nicht durch die Zulassungsstudien von R. und B. , bei denen es sich nicht um Dosisfindungs -, sondern um Nichtunterlegenheitsstudien gehandelt habe, die zudem unter methodischen Mängeln litten.
25
Das Berufungsgericht hat angenommen, auch bei unterstellter Richtigkeit dieses Vortrags spreche gegen eine Einstufung als schwerwiegender Fehler, dass die beanstandete Angabe ihre sachliche Grundlage in dem auf das Präparat „XEOMIN® 50“ bezogenen Beurteilungsbericht der Europäischen Arzneimittel -Agentur (EMA) finde, in dem die für die Zulassungsprüfung herangezogenen Studien betrachtet und bewertet worden seien. Damit handele es sich - bei unterstellter Fehlerhaftigkeit dieser Beurteilung - um eine wissenschaftliche Fehleinschätzung , die kaum als „schwerwiegend“ im Sinne des § 44 VwVfG angesehen werden könne. Jedenfalls fehle es aber an der Offenkundigkeit des Fehlers , da die Aussage zur Äquipotenz eine fachliche Bewertung der Zulassungs- behörde sei, die keinesfalls offensichtlich außerhalb der wissenschaftlichen Vertretbarkeit liege.
26
Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen. An der vom Berufungsgericht herangezogenen Stelle des Beurteilungsberichts kommt die EMA für die Dosierung von „XEOMIN® 50“ zu folgendem Ergebnis: Insgesamt wurde durch die Daten aus dem nicht klinischen und klinischen Entwicklungsprogramm […] hinlänglich nachgewiesen, dass auf ein Dosisverhältnis ® von 1:1 zwischen „XEOMIN 50“ und „BOTOX“ in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit geschlossen werden kann und die Übernahme der für „BOTOX“ festgelegten Dosierung hinreichend gerechtfertigt ist. Vor diesem Hintergrund wäre ein weiteres umfangreiches Dosisfindungsprogramm aus ethischer Sicht nicht zu rechtfertigen. Ohne Erfolg macht die Revision dagegen geltend, die von der Äquipo27 tenz-Behauptung umfasste Indikation „Spastik“ sei in keiner der Studien vergleichend untersucht worden. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, es sei durchaus vorstellbar, dass dem Verfasser des Prüfberichts eine diese Indikation einbeziehende erweiternde Schlussfolgerung durch die Zulassungsstudien wissenschaftlich nahegelegt erschienen sei, ohne dass das als von vornherein haltlos und daher offenkundig fehlerhaft angesehen werden könne.
28
Gegen diese Beurteilung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Für sie spricht insbesondere, dass die EMA unmittelbar vor ihrer zusammenfassenden, oben wiedergegebenen Bewertung zur Dosierung von „XEOMIN® 50“ auf Wirksamkeitsdaten einer von der Beklagten zu 1 vorgelegten Phase-III-Studie zu Torticollis spasmodicus verwiesen hat. Laut EMA hat diese Studie die Nichtunterlegenheit von „XEOMIN® 50“ im Vergleich zu „BOTOX“ gezeigt. Außerdem heißt es, in einer Phase-III-Studie zu Torticollis spasmodicus sei für „XEOMIN ® 50“ und „BOTOX“ eine ähnliche Beziehung zwischen Dosis und Wirksamkeit nach einer Injektion nachgewiesen worden.
29
Gegen eine Nichtigkeit der Arzneimittelzulassung infolge - unterstellt - fehlerhafter Angaben spricht zudem die der Zulassungsbehörde durch die Regelung des § 30 Abs. 2a Satz 2 AMG eröffnete Möglichkeit, die Zulassung durch Auflagen zu ändern, wenn dies ausreicht, um den Belangen der Arzneimittelsicherheit zu entsprechen. Diese Änderungsbefugnis besteht auch in den Fällen des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AMG in Verbindung mit § 22 Abs. 7 AMG, also auch im Fall unrichtiger Angaben in der Fachinformation (vgl. § 28 Abs. 2 Nr. 2a, § 11a AMG). Daraus folgt, dass eine Arzneimittelzulassung nicht schon aufgrund fehlerhafter Angaben in der Fachinformation unwirksam ist, die im Zulassungsverfahren unentdeckt geblieben sind. Vielmehr bedarf es in einem solchen Fall einer Auflage zur Änderung der Fachinformation (§ 30 Abs. 2a Satz 2 AMG) oder, wenn der Fehler anders nicht beseitigt werden kann, einer Rücknahme der Zulassung (§ 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AMG).
30
cc) Die Angaben in der Fachinformation zur Äquipotenz von „XEOMIN® 50“ und „BOTOX“ bei gleicher Dosierung sind der Beklagten zu 1 aber durch die Zulassung ihres Mittels „XEOMIN® 50“ nicht ausdrücklich erlaubt worden. (1) Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist in entsprechender
31
Anwendung der §§ 133, 157 BGB nach den Grundsätzen zu bestimmen, die auch für die Auslegung von Willenserklärungen gelten. Danach ist der erklärte Wille der erlassenden Behörde maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - I ZR 125/04, WRP 2007, 1359 Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 20. April 2005 - 9 C 4/04, BVerwGE 123, 292, 297; Urteil vom 19. März 2013 - 5 C 16/12, NJW 2013, 1832 Rn. 10). Bei der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswerts ist in erster Linie auf den Entscheidungssatz und die Begründung des Verwaltungsakts abzustellen ; darüber hinaus ist das materielle Recht, auf dem der Verwaltungsakt beruht, heranzuziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2006 - 6 C 20/05, BVerwGE 126, 254 Rn. 78; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 43 Rn. 15). Ein Verwaltungsakt ist vom Revisionsgericht selbständig auszulegen (BGH, WRP 2007, 1359 Rn. 16).
32
(2) Die Regelungswirkung einer Arzneimittelzulassung beschränkt sich nach § 21 Abs. 1 AMG darauf, dem Antragsteller verbindlich das Recht zu gewähren , das im Bescheid bezeichnete Arzneimittel unter den dort genannten Voraussetzungen in Deutschland in Verkehr zu bringen (vgl. Fleischfresser/ Fuhrmann in Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2. Aufl., § 7 Rn. 9; Kortland in Kügel/Müller/Hofmann aaO Vor § 21 Rn. 10; vgl. auch BGH, Beschluss vom 1. März 1990 - IX ZR 147/89, NJW 1990, 2931 f.). Auch wenn die Zulassung voraussetzt, dass der Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimittels vom Antragsteller geführt worden ist (vgl. §§ 1, 25 Abs. 1 AMG), handelt es sich dabei nur um einen Umstand, dessen Vorliegen durch die Arzneimittelzulassung nicht mit regelnder Wirkung verbindlich festgestellt wird.
33
(3) Die Zulassungsbehörde hat auch später keine regelnde Entscheidung über die inhaltliche Richtigkeit der Dosierungsangaben in der Fachinformation getroffen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte zu 1 mit Änderungsanzeige vom 5. Oktober 2011 eine Änderung der Übersetzung zu Ziffer 4.2 der Fachinformation dahingehend beantragt, dass es anstelle von „Studien legen Äquipotenz nahe“ heißen sollte „Studien lassen auf Äquipotenz schließen“. In der daraufhin ergangenen Medizinischen Stellungnahme hat das BfArM die Auffassung vertreten, der englische Originalwortlaut „study results suggest“ solle nicht mit dem Vorschlag der Beklagten zu 1, sondern mit „Studien weisen auf Äquipotenz hin“ übersetzt werden. Diesen Vorschlag hat die Beklagte zu 1 in der Fachinformation mit Stand Dezember 2011 umgesetzt. Mit Bescheid vom 6. Dezember 2011 hat das BfArM dieser nach § 29 Abs. 2a AMG zustimmungspflichtigen Änderung bei den Dosierungsangaben der Fach- information zugestimmt. Eine regelnde Feststellung zur inhaltlichen Richtigkeit dieser Angaben hat es damit entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht getroffen. Der Zustimmungsbescheid nimmt in seinem Betreff auf die Anzeige der Beklagten zu 1 vom 5. Oktober 2011 und auf die Beanstandungen in der Medizinischen Stellungnahme Bezug. Daraus folgt, dass sich der Regelungsgehalt des Bescheids vom 6. Dezember 2011 auf die Zustimmung zu einer Änderung der Übersetzung beschränkte.
34
4. Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Beurteilung der Bindungswirkung des Zulassungsbescheids verhilft der Revision indes nicht zum Erfolg. Das Berufungsurteil stellt sich aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
35
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Angaben in einer Fachinformation, die dem Zulassungsantrag eines Arzneimittels beigefügt war, zum Zeitpunkt der Zulassung des Arzneimittels dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprochen haben (vgl. BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 34 bis 36 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung dieser Angaben beruht darauf, dass sie im Zulassungsverfahren nach § 22 Abs. 7 Satz 1, § 25 Abs. 5 Satz 1 AMG Gegenstand der behördlichen Prüfung waren. Ein Werbender kann sich zum wissenschaftlichen Nachweis der Richtigkeit seiner werblichen Behauptungen in Bezug auf Eigenschaften eines Arzneimittels daher grundsätzlich auf die Angaben in der Fachinformation berufen (BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 34 bis 36 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Ebenso kann sich der Inhaber einer Arzneimittelzulassung darauf berufen, dass die Angaben in der Fachinformation zum Zeitpunkt der Zulassung des Arzneimittels dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprochen haben.
36
Der Kläger kann die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der in einer Fachinformation enthaltenen Angaben allerdings erschüttern, indem er darlegt und erforderlichenfalls beweist , dass neuere, erst nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene oder der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung sonst nicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen (vgl. BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 42 f. - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).
37
b) Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der in der Fachinformation für „XEOMIN® 50“ enthaltenen Angaben zur Äquipotenz nicht erschüttert.
38
Die Klägerin stützt ihre Beanstandung der Fachinformation weder auf erst nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene noch auf sonstige der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung nicht zugänglich gewesene wissenschaftliche Erkenntnisse. Sie macht allein geltend, die von der Beklagten zu 1 für die Zulassung vorgelegten Studien von R. und B. sowie K. belegten nicht die Aussage in der Fachinformation, „BOTOX“ und „XEOMIN® 50“ hätten bei gleicher Dosierung gleiche Wirkung. Die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der Angaben in einer Fachinformation kann jedoch nicht durch Angriffe auf Studien erschüttert werden, die dem Zulassungsantrag beigefügt waren (vgl. BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 45 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Stellt sich nach der Zulassung des Arzneimittels heraus, dass die der Zulassungsentscheidung zugrunde liegenden Gutachten unzutreffend sind oder von der Zulassungsbehörde unzutreffend bewertet wurden, handelt es sich daher nicht um neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, die die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der in der Fachinformation enthaltenen Angaben erschüttern könnten. Es kommt daher nicht darauf an, ob - wie die Revision geltend macht - sich erst nach Zulassung des Arzneimittels herausgestellt hat, dass es sich bei den im Zulassungsverfahren vorgelegten Gutachten nicht um Dosierungsstudien, sondern um Nichtunterlegenheitsstudien handelte, die die Angaben zur Äquipotenz nicht tragen.
39
c) Ohne Erfolg beruft sich die Revision für ihre Auffassung, die Indizwirkung der Zulassung müsse ohne Beschränkung auf neue oder der Zulassungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung unbekannte wissenschaftliche Erkenntnisse widerlegbar sein, auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union „Novo Nordisk“ (Urteil vom 5. Mai 2011 - C-249/09, Slg. 2011, I-3155 = PharmR 2011, 287).
40
Der Gerichtshof hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage befasst, ob Art. 87 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel nur die Veröffentlichung von Aussagen in einer Arzneimittelwerbung untersagt, die im Widerspruch zu der Fachinformation für das Arzneimittel stehen, oder auch gebietet, dass alle Aussagen in einer Arzneimittelwerbung in der Fachinformation enthalten oder aus den Angaben in der Fachinformation abzuleiten sein müssen. Der Gerichtshof hat dazu entschieden , dass eine Arzneimittelwerbung gegenüber Fachkreisen ergänzende Angaben enthalten darf, die die Fachinformation bestätigen oder präzisieren, sofern diese nicht irreführend sind und einen zweckmäßigen Einsatz des Arzneimittels fördern, indem sie seine Eigenschaften objektiv und ohne Übertreibung darstellen sowie genau, aktuell, überprüfbar und vollständig genug sind, um dem Empfänger zu ermöglichen, sich selbst ein Bild von dem therapeutischen Wert des Arzneimittels zu machen (EuGH, PharmR 2011, 287 Rn. 49 f. - Novo Nordisk). Diese Entscheidung des Gerichtshofs betrifft lediglich die Fachinformation ergänzende Angaben und nicht die in der Fachinformation enthaltenen Angaben, um die es im Streitfall allein geht.
41
Der Gerichtshof hat ferner ausgeführt, eine Arzneimittelwerbung dürfe keine Anwendungsgebiete, pharmakologischen Eigenschaften oder sonstigen Merkmale suggerieren, die im Widerspruch zu der Fachinformation stehen, die von der zuständigen Behörde bei Erteilung der Zulassung des Arzneimittels genehmigt wurde (EuGH, PharmR 2011, 287 Rn. 42 - Novo Nordisk). Daraus folgt, dass mit der Fachinformation im Einklang stehende Angaben grundsätzlich zulässig sind und der Zulassung eine indizielle Bedeutung für die hinreichende wissenschaftliche Sicherung dieser Angaben beigemessen werden darf.
42
Da in dieser Hinsicht keine vernünftigen Zweifel bestehen, ist hier auch keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV erforderlich (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 287/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 11. September 2008 - C-428/06, Slg. 2008, I-6747 = EuZW 2008, 757 Rn. 42 - UGT Rioja u.a.).
43
d) Der Schutz berechtigter Interessen der Wettbewerber gebietet es nicht, ihnen zu ermöglichen, Aussagen der Fachinformation mit der Begründung anzugreifen, die Zulassungsbehörde habe auf der Grundlage der ihr vorgelegten Unterlagen fehlerhaft angenommen, diese Angaben entsprächen dem gesicherten Stand der Wissenschaft.
44
Allerdings hat ein Wettbewerber keine Möglichkeit, sich an dem Zulassungsverfahren für ein Arzneimittel zu beteiligen oder eine fehlerhafte Beurteilung der Zulassungsbehörde hinsichtlich Sicherheit, Wirksamkeit oder Qualität des Arzneimittels im Zulassungsbescheid anzufechten (vgl. OVG Münster, PharmR 2012, 490, 491 ff.; Kostuch/Tillmanns, PharmR 2013, 408, 416 f.). Ein Wettbewerber kann die Zulassungsbehörde lediglich auf unrichtige oder unvollständige Angaben in der Fachinformation aufmerksam machen. Es steht dann grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, ob sie diesen Mangel durch Auflagen beseitigt oder, wenn dies nicht ausreichend ist, die Zulassung deswegen zurücknimmt (vgl. § 30 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2a Satz 2 AMG; Lietz in Fuhrmann/Klein/Fleischfresser aaO § 9 Rn. 24).
45
Weitergehende Möglichkeiten gegen Unrichtigkeiten der Fachinformation vorzugehen, die sich bereits aus den Zulassungsunterlagen ergeben, von der Zulassungsbehörde im Zulassungsverfahren jedoch nicht bemerkt wurden, sind einem Wettbewerber auch unter dem Gesichtspunkt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht einzuräumen. Insbesondere ist es nicht geboten, ihm zu ermöglichen, die Beurteilung der mit besonderer Fachkompetenz ausgestatteten Arzneimittelzulassungsbehörde ohne neue oder dieser bei ihrer Entscheidung unbekannte wissenschaftliche Erkenntnisse in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren anzugreifen und damit das Zivilgericht zu zwingen, seine Beurteilung - mit oder ohne sachverständige Unterstützung - an die Stelle derjenigen der Fachbehörde zu setzen, die der Gesetzgeber dafür eingesetzt hat (vgl. LG Berlin, Urteil vom 9. Juni 2009 - 15 O 704/07, BeckRS 2013, 7193; Gröning in Gröning, Heilmittelwerberecht, Stand Juni 2011, § 3 HWG Rn. 15). Die Arzneimittelhersteller haben ein berechtigtes Interesse daran, durch die Zulassung eines Arzneimittels Rechtssicherheit hinsichtlich von Werbeaussagen zu gewinnen , die der von der Zulassungsbehörde geprüften Fachinformation entnommen sind (vgl. Kostuch/Tillmanns, PharmR 2013, 408, 416). Die Wettbewerber haben es daher hinzunehmen, dass sie Einwände gegen die Fachinformation in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren nur aufgrund neuer oder der Zulassungsbehörde unbekannt gebliebener wissenschaftlicher Erkenntnisse erheben können. Etwaige Fehler bei der Beurteilung der Fachinformation im Zulassungsverfahren gefährden in erster Linie die Interessen der Allgemeinheit und der Arzneimittelnutzer an der Arzneimittelsicherheit, die die zuständige Behörde bei der Entscheidung über Auflagen oder die Rücknahme der Zulassung zu schützen hat.
46
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Koch Schaffert Kirchhoff Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 08.03.2012 - 416 HKO 3/12 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 30.01.2014 - 3 U 63/12 -
Berichtigt durch Beschluss
vom 18. Juli 2013
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 62/11 Verkündet am:
6. Februar 2013
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Basisinsulin mit Gewichtsvorteil

a) Eine Werbung für ein Arzneimittel kann irreführend sein, wenn sie auf Studien
gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen. Ein solcher Verstoß gegen
den Grundsatz der Zitatwahrheit kommt zum einen in Betracht, wenn die
als Beleg angeführte Studie den Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen
Beleg nicht entspricht. Eine Irreführung liegt zum anderen
regelmäßig dann vor, wenn die Studie selbst abweichende Studienergebnisse
nennt, die in der Werbung behaupteten Ergebnisse nicht für bewiesen hält
oder lediglich eine vorsichtige Bewertung der Ergebnisse vornimmt und die
Werbung diese Einschränkungen der Studienaussage nicht mitteilt.

b) Studienergebnisse entsprechen grundsätzlich nur dann den Anforderungen
an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg, wenn sie nach den anerkannten
Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt
und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte
, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen
Auswertung vorliegt, die durch die Veröffentlichung in den Diskussionsprozess
der Fachwelt einbezogen worden ist.

c) Ob auch nicht prospektive, sondern nachträglich anhand vorliegender Studiendaten
im Rahmen einer sogenannten Subgruppenanalyse oder im Wege
der Zusammenfassung mehrerer wissenschaftlicher Studien (Metaanalyse)
erstellte Studien eine Werbeaussage tragen können, hängt von den Umständen
des Einzelfalls ab. Voraussetzung hierfür ist in jedem Fall die Einhaltung
der für diese Studien geltenden wissenschaftlichen Regeln. Für die Frage der
Irreführung kommt es ferner darauf an, ob der Verkehr in der Werbung hinreichend
deutlich auf die Besonderheiten der Art, Durchführung oder Auswertung
dieser Studie und gegebenenfalls auf die in der Studie selbst gemachten
Einschränkungen im Hinblick auf die Validität und Bedeutung der gefundenen
Ergebnisse hingewiesen und ihm damit die nur eingeschränkte wissenschaftliche
Aussagekraft der Studie vor Augen geführt wird.

d) Es ist davon auszugehen, dass Angaben, die der Zulassung des Arzneimittels
wörtlich oder sinngemäß entsprechen, regelmäßig dem zum Zeitpunkt
der Zulassung geltenden gesicherten Stand der Wissenschaft entsprechen.
Hinsichtlich solcher Angaben kommt eine Irreführung aber dann in Betracht,
wenn der Kläger darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass neuere, erst
nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene oder der Zulassungsbehörde
bei der Zulassungsentscheidung sonst nicht zugängliche wissenschaftliche
Erkenntnisse vorliegen, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit
der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen.
BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 - I ZR 62/11 - KG Berlin
LG Berlin
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Dr. Kirchhoff, Dr. Koch und Dr. Löffler

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 22. Februar 2011 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als das Berufungsgericht die Klage mit den Klageanträgen zu 1 a, 1 c, 2 und 3 abgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien sind Pharmaunternehmen und vertreiben jeweils Injektionslösungen , die zur Anwendung als Basalinsulin in Kombination mit oralen Antidiabetika als Arzneimittel zur Behandlung von Diabetes mellitus zugelassen sind.
2
Die Klägerin vertreibt seit 2000 das Präparat Lantus®, das den Wirkstoff Insulinglargin enthält. Die Beklagte vertreibt seit 2004 das Arzneimittel Levemir® mit dem Wirkstoff Insulindetemir.
3
Die Klägerin beanstandet mehrere Angaben, in denen die Beklagte in dem nachfolgend wiedergegebenen Werbefaltblatt „Levemir® Gute Einstellung - besseres Profil“, das an Ärzte verteilt wurde, einen Gewichtsvorteil von Levemir ® behauptet hat.
4
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Behauptungen eines Gewichtsvorteils bei der Gabe von Levemir® im Vergleich zur Verabreichung von Insulinglargin seien irreführend. Ein angeblicher Gewichtsvorteil und dessen klinische Relevanz seien nicht hinreichend wissenschaftlich nachgewiesen. Ferner seien die zum Beleg der Behauptung durch Fußnoten in Bezug genommenen Quellen nicht geeignet, die jeweiligen Werbeangaben als wissenschaftlich hinreichend gesicherte Erkenntnis zu stützen. Die Beklagte nehme zudem durch die Behauptung „Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil“ eine tatsächlich nicht gegebene Alleinstellung gegenüber allen anderen Wettbewerbern in Anspruch. Die Graphik „Levemir® im Vergleich zu Insulinglargin“ sei ebenfalls irreführend und außerdem unter dem Gesichtspunkt des unzulässigen herabsetzenden Vergleichs wettbewerbswidrig.
5
Die Klägerin hat beantragt, es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr die Fertigarzneimittel Levemir ® 100 E/ml Injektionslösung in einer Patrone und/oder Levemir® 100 E/ml Injektionslösung in einem Injektor, vorgefüllt (Wirkstoff jeweils: Insulindetemir) ® 1. mit einem „Gewichtsvorteil“ für Levemir in den Angaben a) … ® 2. Fachinformation Levemir , Februar 2007. 3. Philis-Tsimikas A et al., Clinical Therapeutics 2006; 28: 1569-1581; 20-wöchige multizentrische, offene, randomisierte Studie mit 504 insulinnaiven Patienten mit Typ 2 Diabetes, Insulindetemir vs. NPH-Insulin jeweils in Kombination mit OAD 4. Rosenstock J et al.; Diabetes 2006: 55 (Suppl1): A132; 52-wöchige, internationale, offene randomisierte Studie mit 582 insulinnaiven, OADbehandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, dargestellt sind die Ergebnis- ® se der Patienten, die Levemir 1-mal täglich (104 Patienten) erhalten ha- ben, vs. Insulinglargin 1-mal täglich (252 Patienten) jeweils in Kombination mit OAD, *Data on file bezüglich p-Wert, Patientenzahlen und HbA

1c

® für Levemir (1-mal täglich). 5. Hermansen K et al., Diabetes Care 2006; 29: 1269-1274; 26-wöchige, offene, randomisierte Studie mit 476 insulinnaiven , OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, Insulindetemir vs. NPH-Insulin jeweils in Kombination mit OAD; online appendix at http://care.deabetesjournals.org. und/oder ® ®
b) „Levemir Flex-Pen (Insulindetemir)

1

Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil “ … 1. Plank J et al., Diabetes Care 2005; 28: 1107-1112: Zeit-Wirkprofil im Vergleich zu NPH-Insulin. und/oder ® 2-5
c) „Levemir . Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil. “ … ® 2. Fachinformation Levemir , Februar 2007. 3. Philis-Tsimikas A et al., Clinical Therapeutics 2006; 28: 1569-1581; 20-wöchige multizentrische, offene, randomisierte Studie mit 504 insulinnaiven Patienten mit Typ 2 Diabetes, Insulindetemir vs. NPH-Insulin jeweils in Kombination mit OAD. 4. Rosenstock J et al.; Diabetes 2006: 55 (Suppl1): A132; 52-wöchige, internationale, offene, randomisierte Studie mit 582 insulinnaiven, OADbehandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, dargestellt sind die Ergebnis- ® se der Patienten, die Levemir 1-mal täglich (104 Patienten) erhalten haben , vs. Insulinglargin 1-mal täglich (252 Patienten) jeweils in Kombination mit OAD, *Data on file bezüglich p-Wert, Patientenzahlen und HbA

1c

® für Levemir (1-mal täglich). 5. Hermansen K et al., Diabetes Care 2006; 29: 1269-1274; 26-wöchige, offene, randomisierte Studie mit 476 insulinnaiven , OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, Insulindetemir vs. NPH-Insulin jeweils in Kombination mit OAD; online appendix at http://care.deabetesjournals.org. und/oder
d) „Gewichtsvorteil?! Das ist prima!“ und/oder 2. mit der nachstehend abgebildeten Grafik ® 4 „Levemir im Vergleich zu Insulinlargin “
… 4. Rosenstock J et al.; Diabetes 2006: 55 (Suppl1): A132; 52-wöchige, internationale , offene, randomisierte Studie mit 582 insulinnaiven, OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, dargestellt sind die Ergebnisse der ® Patienten, die Levemir 1-mal täglich (104 Patienten) erhalten haben, vs. Insulinglargin 1-mal täglich (252 Patienten) jeweils in Kombination mit OAD, ® *Data on file bezüglich p-Wert, Patientenzahlen und HbA für Levemir

1c

(1-mal täglich). und/oder ® 3. mit der Angabe „Gewichtsvorteil unter Levemir im Vergleich zu Insulinglar-

4

gin bei vergleichbarer HbA -Senkung “

1c

… 4. Rosenstock J et al.; Diabetes 2006: 55 (Suppl1): A132; 52-wöchige, internationale , offene, randomisierte Studie mit 582 insulinnaiven, OAD-behandelten Patienten mit Typ 2 Diabetes, dargestellt sind die Ergebnisse der ® Patienten, die Levemir 1-mal täglich (104 Patienten) erhalten haben, vs. Insulinglargin 1-mal täglich (252 Patienten) jeweils in Kombination mit OAD, ® *Data on file bezüglich p-Wert, Patientenzahlen und HbA für Levemir

1c

(1-mal täglich) zu bewerben, wenn dies wie in dem als Anlage K 1 vorgelegten vierseitigen ® 1-2 Folder „Levemir . Gute Einstellung - besseres Profil. “ geschieht.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


7
A. Das Berufungsgericht hat eine Irreführung durch die beanstandete Werbung mit einem Gewichtsvorteil verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt :
8
Die Werbung sei nicht deswegen irreführend, weil sie in Fußnoten mit Studien belegt werde, die den beworbenen Umstand des Gewichtsvorteils nicht trügen. Es könne auch nicht angenommen werden, dass die beworbene Angabe nicht durch gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse belegt sei. Die Werbung könne sich vielmehr auf die Inhalte der Arzneimittelzulassung und der Fachinformation stützen. Dies begründe eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der gesicherte Stand der Wissenschaft wiedergegeben sei. Die Klägerin habe diese Vermutung nicht widerlegt.
9
Eine Irreführung ergebe sich auch nicht aus dem Fehlen einer klinischen Relevanz des beworbenen Gewichtsvorteils. Die Behauptung einer solchen Relevanz des Gewichtsvorteils sei der Werbung aus der Sicht der angesprochenen Ärzte nicht zu entnehmen.
10
Die Aussage „Levemir®. Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil“ sei ferner nicht irreführend unter dem Gesichtspunkt einer Alleinstellungsbehauptung. Es fehle an besonderen Umständen, unter denen die Verwendung eines bestimmten Artikels eine Alleinstellung des beworbenen Produkts zum Ausdruck bringe.
11
Der Klägerin stehe auch hinsichtlich der vergleichenden Grafik kein Unterlassungsanspruch zu. Der Umstand, dass die dort dargestellte Gewichtszunahme von 2,25 kg nur bei der Untergruppe von Testpatienten erreicht worden sei, die nur einmal täglich Levemir® erhalten hätten, während bei der zweimal täglich mit Insulindetemir behandelten Gruppe von 55% der Testpersonen eine Gewichtszunahme von 3,7 kg festgestellt worden sei, führe nicht zu einer Irreführung. Der angesprochene Arzt könne der Werbung hinreichend deutlich entnehmen , dass nur die Ergebnisse im Hinblick auf die einmal täglich behandelte Untergruppe dargestellt seien.
12
Die Angabe „Gewichtsvorteil unter Levemir® im Vergleich zu Insulinglargin bei vergleichbarer HbA1c - Senkung“ sei ebenfalls weder irreführend noch unter dem Gesichtspunkt der herabsetzenden vergleichenden Werbung zu beanstanden.
13
B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben teilweise Erfolg. Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Berufung gegen die Klageabweisung im Hinblick auf die Anträge zu 1 a und c sowie die Anträge zu 2 und 3 für unbegründet erachtet hat, halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand (dazu unter I). Dagegen bleibt die Revision erfolglos, soweit sie sich gegen die Abweisung der Anträge zu 1 b und d richtet (dazu unter II).
14
I. Im Hinblick auf die mit den Anträgen zu 1 a und c sowie mit den Anträgen zu 2 und 3 angegriffene Werbung mit einem Gewichtsvorteil ergibt sich eine Irreführung aus dem Umstand, dass die Beklagte sich insoweit zum Beleg ihrer Behauptung in der Fußnote 4 auf die Veröffentlichung von Rosenstock und anderen gestützt hat, obwohl diese Studie einen Gewichtsvorteil bei der Anwendung von Levemir® im Vergleich zu Insulinglargin nicht hinreichend wissenschaftlich belegt.
15
1. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend , wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware wie etwa Vorteile enthält. Gemäß § 3 HWG liegt eine unzulässige irreführende Werbung insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Insoweit sind - wie allgemein bei gesundheitsbezogener Werbung - besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (BGH, Urteil vom 3. Mai 2001 - I ZR 318/90, GRUR 2002, 182, 185 = WRP 2002, 74 - Das Beste jeden Morgen, mwN; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 4 Rn. 1/137; Köhler in Köhler/ Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 4 Rn. 1.243, Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.181).
16
Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1970 - I ZR 86/69, GRUR 1971, 153, 155 = NJW 1971, 323 - Tampax; Urteil vom 7. März1991 - I ZR 127/89, GRUR 1991, 848, 849 = NJW-RR 1991, 848 - Rheumalind II; Urteil vom 7. Dezember 2000 - I ZR 260/98, GRUR 2002, 273, 274 = WRP 2001, 1171 - Eusovit; Urteil vom 4. September 2003 - I ZR 32/01, GRUR 2004, 72; OLG Hamburg, PharmaR 2007, 204, 206; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.183; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza aaO § 4 Rn. 1/140). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn dem Werbenden jegliche wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse fehlen, die die werbliche Behauptung stützen können (OLG Düsseldorf, MD 2008, 49, 52 f.). Unzulässig ist es außerdem, wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben wird, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen (BGH, GRUR 1991, 848, 849 - Rheumalind II; GRUR 2002, 273, 274 - Eusovit; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.183; Fezer/Reinhart, UWG, 2. Aufl., § 4-S 4 Rn. 452).
17
Darüber hinaus kann es irreführend sein, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen (OLG Hamburg, PharmR 2007, 204, 206 mwN; Weidert in Harte/Henning, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. C-172; Fezer/Reinhart aaO § 4-S 4 Rn. 454; vgl. auch Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.183). Ein solcher Verstoß gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit kommt zum einen in Betracht, wenn die als Beleg angeführte Studie den vom Verkehr nach den Umständen des Einzelfalls zugrundegelegten Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg nicht entspricht. Eine Irreführung liegt zum anderen regelmäßig dann vor, wenn die in Bezug genommene Studie selbst Zweifel erkennen lässt, die Werbung indessen diese Einschränkungen nicht wiedergibt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Studie selbst, nicht aber die auf diese Studie bezogene Werbung abweichende Studienergebnisse nennt, wenn die Studie die in der Werbung behaupteten Ergebnisse nicht für bewiesen hält oder wenn sie lediglich eine vorsichtige Bewertung der Ergebnisse vornimmt, die Werbung dieses Ergebnis aber als gesichert darstellt. In diesen Fällen geht es nicht darum, ob die Werbeaussage für sich genommen inhaltlich richtig ist, weil sie gegebenenfalls auf andere Studien gestützt werden könnte. Die Irreführung ergibt sich vielmehr bereits daraus, dass die durch die uneingeschränkt aufgestellte werbliche Behauptung in Bezug genommene Studie selbst die Aussage nicht oder nicht uneingeschränkt trägt und der Arzt in seinem Vertrauen enttäuscht wird, die durch eine Studie angeblich wissenschaftlich belegte Aussage unmittelbar durch diese Studie überprüfen zu können, ohne gewärtigen zu müssen, dass die als Beleg aufgeführte Studie nur teilweise, mittelbar oder nur im Zusammenhang mit anderen, nicht genannten Studien (möglicherweise) valide ist und die Werbebehauptung stützen kann. Dies beeinträchtigt die Sicherheit ärztlicher Therapieentscheidungen auf der Grundlage mit wissenschaftlichen Studien belegter Werbeaussagen und stellt deshalb wegen der besonderen Bedeutung des Schutzgutes der Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung grundsätzlich eine relevante Irreführung dar (vgl. OLG Hamburg, PharmR 2007, 204, 206 mwN; Weidert in Harte/ Henning aaO § 5 Rn. C-172; Fezer/Reinhart aaO § 4-S 4 Rn. 454; vgl. auch EuGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - C-249/09, Rn. 50 - juris).
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2. Die Revision rügt mit Erfolg, dass der Beleg für den behaupteten Gewichtsvorteil durch die Gabe von Levemir® mit der in Fußnote 4 in Bezug ge- nommene angegebene Rosenstock-Studie den an die Zitatwahrheit zu stellenden Anforderungen nicht genügt.
19
a) Welche Anforderungen an den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den im Wesentlichen tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind Studienergebnisse , die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig , wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 - I ZR 51/06, GRUR 2009, 75 Rn. 26 = WRP 2009, 51 - Priorin, zu Art. 3 der Richtlinie 1999/21/EG über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke; Beschluss vom 1. Juni 2011 - I ZR 199/09, MD 2011, 583 f.; Urteil vom 15. März 2012 - I ZR 44/11, GRUR 2012, 1164 Rn. 20 = WRP 2012, 1386 - ARTROSTAR, zu § 14b Abs. 1 Satz 2 DiätV; vgl. im Einzelnen auch Riegger, Heilmittelwerberecht, Kap. 3 Rn. 33 ff.).
20
Ob auch nicht prospektive, sondern nachträglich anhand vorliegender Studiendaten im Rahmen einer sogenannten Subgruppenanalyse oder im Wege der Zusammenfassung mehrerer wissenschaftlicher Studien (Metaanalyse) erstellte Studien eine Werbeaussage tragen können, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei wird es für die Frage der Irreführung neben der Einhaltung der für diese Studien geltenden wissenschaftlichen Regeln vor allem darauf ankommen, ob der Verkehr in der Werbung hinreichend deutlich auf die Besonderheiten der Art, Durchführung oder Auswertung dieser Studie und gegebenenfalls die in der Studie selbst gemachten Einschränkungen im Hinblick auf die Validität und Bedeutung der gefundenen Ergebnisse hingewiesen und ihm damit die nur eingeschränkte wissenschaftliche Aussagekraft der Studie vor Augen geführt wird (vgl. OLG Hamburg, MD 2007, 1189, 1195; MD 2008, 55, 61; Riegger aaO Kap. 3 Rn. 40 f.). Diesen Anforderungen genügt die durch einen Fußnotenverweis mit der Rosenstock-Studie belegte Werbung der Beklagten nicht.
21
b) Mit Erfolg macht die Revision insoweit geltend, die in dieser Studie im Vergleich zu einer einmaligen Gabe von Insulinglargin festgestellte geringere Gewichtszunahme sei nicht wissenschaftlich gesichert, weil dieses Ergebnis nach dem Vortrag der Klägerin nur ein Nebenprodukt der Studie sei. Die Patienten , die nur einmal täglich das Arzneimittel der Beklagten genommen hätten (45%), seien nachträglich zu einer sogenannten Subgruppe zusammengefasst worden, ohne dass für diese nachträglich gebildete Gruppe die allgemein geltenden Bedingungen für eine klinische Studie wie etwa eine Randomisierung eingehalten worden seien. Ferner hat die Klägerin geltend gemacht, die Verfasser der Studie hätten selbst erkannt und auch festgehalten, dass die Studie insoweit keine definitiven Rückschlüsse zulasse. Das Berufungsgericht hat keine abweichenden Feststellungen getroffen, so dass insoweit revisionsrechtlich von der Richtigkeit des Klagevortrags auszugehen ist.
22
c) In der mit den Anträgen zu 1 a und c sowie mit den Anträgen zu 2 und 3 beanstandeten Werbung werden dem Verkehr diese gegen die Aussagekraft der jeweils in der Fußnote 4 in Bezug genommenen Rosenstock-Studie nicht mitgeteilt. Das Berufungsgericht hat auch sonst keine besonderen Umstände festgestellt, die im Streitfall dafür sprechen könnten, dass die von der angegriffenen Werbung angesprochenen Ärzte der als Fußnotenbeleg angegebenen Studie einen lediglich eingeschränkten Aussagegehalt in Bezug auf die statistische Signifikanz oder den von den Studienverfassern selbst ihrer Studie beigemessenen Beweiswert entnehmen.
23
Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass - wie noch dargelegt werden wird (dazu unten Rn. 33 ff.) - sowohl in der Zulassung für Levemir® als auch in der entsprechenden Fachinformation die bei der Verabreichung von Levemir® im Vergleich zu Insulinglargin geringere Gewichtszunahme angeführt ist und daher grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass dieser Umstand als hinreichend wissenschaftlich gesichert gelten kann, sofern die Klägerin keine Umstände darlegt und gegebenenfalls beweist, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen. Wie ausgeführt, geht es bei der Irreführung unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit allein um die Frage, ob die durch die uneingeschränkt aufgestellte werbliche Behauptung in Bezug genommene Studie selbst die Aussage uneingeschränkt trägt.
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3. Das Berufungsurteil, dass sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend erweist (§ 561 ZPO), kann danach im Hinblick auf die Abweisung der Anträge zu 1 a und c sowie 2 und 3 keinen Bestand haben.
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II. Die Revision bleibt dagegen erfolglos, soweit sie sich gegen die Abweisung der Anträge zu 1 b und d richtet.
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1. Eine Irreführung unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit kommt insoweit nicht in Betracht. Die mit den Anträgen zu 1 b und d angegriffenen werblichen Aussagen nehmen nicht auf die problematische Fußnote 4 (Studie von Rosenstock und anderen) Bezug. Die Revision hat zudem nicht dargelegt, dass die mit dem Antrag zu 1 b beanstandete Werbung deswegen irreführend ist, weil auf der Grundlage der Feststel- lungen des Berufungsgerichts oder eines verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigten Vorbringens der Klägerin die dort mit der Fußnote 1 in Bezug genommene Studie („Plank J et al.“) die Werbebehauptung „Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil1“ nicht hinreichend belegen kann. Die mit dem Antrag zu 1 d angegriffene Werbung „Gewichtsvorteil?! Das ist prima!“ ist durch keinerlei Fußnoten belegt. Entgegen der Auffassung der Revision ist dieser Umstand auch nicht deswegen unerheblich, weil diese Angabe im Zusammenhang mit den übrigen Werbeaussagen steht und den dort verwendeten und mit Fußnoten belegten Begriff „Gewichtsvorteil“ übernimmt. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt , dass der angesprochene Verkehr die Rosenstock-Studie auch als Beleg der mit dem Antrag zu 1 d angegriffenen Aussage in Verbindung bringt, obwohl die Werbung insoweit gerade keinen Fußnotenbezug herstellt. Die Revision rügt auch nicht, dass das Berufungsgericht einen in diese Richtung gehenden Klagevortrag rechtsfehlerhaft übergangen habe.
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2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision ferner gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Behauptung „Das Basisinsulin mit Gewichtsvorteil“ sei nicht als irreführende Alleinstellungsbehauptung unzulässig.
28
Zwar kann auch die Verwendung des bestimmten Artikels vom Verkehr als Hinweis auf eine Spitzenstellung verstanden werden. Für eine solche Annahme bedarf es indessen besonderer Umstände, die vor allem in der Verbindung mit einem Eigenschaftswort von empfehlender Bedeutung liegen können oder sonst erkennen lassen, dass der Akzent der werblichen Aussage auf dem Artikel liegt (BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 - I ZR 110/96, GRUR 1998, 951, 953 = WRP 1998, 861 - Die große deutsche Tages- und Wirtschaftszeitung; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 2.146 f.).
29
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass es im Streitfall an besonderen Umständen fehlt, unter denen die Verwendung eines bestimmten Artikels eine Alleinstellung des beworbenen Produkts zum Ausdruck bringt. Diese im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Feststellungen des Berufungsgerichts zur Verkehrsauffassung sind nur darauf vom Revisionsgericht zu überprüfen, ob das Berufungsgericht bei seiner Würdigung gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat. Solche Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
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3. Vergeblich rügt die Revision schließlich, dass mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung im Streitfall nicht davon ausgegangen werden könne, dass die beanstandeten Behauptungen eines Gewichtsvorteils hinreichend wissenschaftlich gesichert seien.
31
a) Das vom Berufungsgericht in seiner Urteilsbegründung in Bezug genommene landgerichtliche Urteil ist davon ausgegangen, dass der Umstand eines Gewichtsvorteils von Levemir® gegenüber Insulinglargin durch die Inhalte der Arzneimittelzulassung und der Fachinformation hinreichend belegt werde. Es sei deshalb Sache der Klägerin, darzulegen und zu beweisen, dass der beworbene Gewichtsvorteil nicht dem wissenschaftlichen Standard entspreche. Dies sei ihr nicht gelungen. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
32
b) Der Nachweis, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, obliegt grundsätzlich dem Kläger als Unterlassungsgläubiger. Eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast kommt allerdings dann in Betracht, wenn der Beklagte mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben hat, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen. Der Werbende übernimmt in einem derartigen Fall dadurch, dass er eine be- stimmte Aussage trifft, die Verantwortung für die Richtigkeit, die er im Streitfall auch beweisen muss (BGH, GRUR 1991, 848, 849 - Rheumalind II). Ob die beanstandete Aussage wissenschaftlich umstritten ist, muss wiederum vom Kläger dargelegt und bewiesen werden (OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 88, 89; Fezer/Reinhart aaO § 4-S 4 Rn. 450; Riegger aaO 3. Kap. Rn. 45 mwN). Eine entsprechende Umkehr der Darlegungs- und Beweislast gilt, wenn der Kläger darlegt und nachweist, dass nach der wissenschaftlichen Diskussion die Grundlagen , auf die der Werbende sich stützt, seine Aussage nicht rechtfertigen (OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 88, 89) oder sogar jegliche tragfähige wissenschaftliche Grundlage für die Behauptung fehlt (OLG Düsseldorf, MD 2008, 49, 52 f.; OLG Hamburg, PharmR 2011, 99, 102; Weidert in Harte/Henning aaO § 5 Rn. C-175; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza aaO § 4 Rn. 1/140; Zimmermann, HWG, § 3 Rn. 5).
33
c) Welche Anforderungen dabei an das Merkmal der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den im wesentlichen tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2011 - I ZR 199/09, MD 2011, 583 f.) und ist wiederum vom Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob das Berufungsgericht bei seiner Würdigung gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat.
34
d) Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze hinreichend beachtet. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich ein Werbender zum wissenschaftlichen Nachweis der Richtigkeit seiner werblichen Behauptung in Bezug auf Eigenschaften eines Arzneimittels grundsätzlich auf den Inhalt der Zulassung und der Fachinformation berufen kann.
35
aa) Im Hinblick auf Angaben, die der Zulassung des Arzneimittels wörtlich oder sinngemäß entsprechen, kann regelmäßig davon ausgegangen werden , dass sie im Zeitpunkt der Zulassung dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprechen (vgl. Doepner, HWG, 2. Aufl., § 3 Rn. 72; Riegger aaO 3. Kap. Rn. 27; Gröning, Heilmittelwerberecht, Stand: August 1998, § 3 Rn. 15; Zimmermann aaO § 3 Rn. 4; Fezer/Reinhart aaO § 4-S 4 Rn. 455). Dies gilt zunächst für Angaben, die sich auf die therapeutische Wirksamkeit beziehen. Denn gemäß § 25 Abs. 2 Satz 3 AMG fehlt die für eine Zulassung notwendige therapeutische Wirksamkeit, wenn der Antragsteller nicht entsprechend dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Ergebnisse nachweist, dass sich mit dem Arzneimittel therapeutische Ergebnisse erzielen lassen. Hat ein Präparat die Hürde der Zulassung genommen, kann also grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Wirkungsangaben dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprechen. Weitergehend wird der Inhalt der Zulassung im Regelfall aber auch als hinreichender Beleg für Werbebehauptungen gelten können , die - wie im Streitfall - nicht die zum Anwendungsgebiet gehörenden, sondern darüber hinausgehende Wirkungen und pharmakologischeEigenschaften beschreiben. Aus § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG, wonach die Zulassungsbehörde die Zulassung versagen darf, wenn das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist, ergibt sich, dass auch diese nicht unmittelbar das Anwendungsgebiet betreffenden Eigenschaften Gegenstand der behördlichen Prüfung sind. Grundlage der Zulassungsentscheidung sind alle vom Antragsteller in Übereinstimmung mit den §§ 22, 23 und 24 AMG eingereichten Unterlagen, die von der Zulassungsbehörde dahingehend zu prüfen sind, ob sie die beantragte Zulassung rechtfertigen (Rehmann, AMG, 3. Aufl., § 25 Rn. 16; Kügel, AMG, § 25 Rn. 117 f.).
36
bb) Für Aussagen, die den Angaben in der Fachinformation gemäß § 11a HWG entsprechen, gilt regelmäßig nichts anderes (Riegger aaO Kap. 3 Rn. 29). Diese Angaben sind nach § 22 Abs. 7 Satz 1, § 25 Abs. 5 Satz 1 AMG im Zulassungsverfahren ebenfalls Gegenstand der behördlichen Prüfung. Diese Grundsätze gelten zudem, wenn das Arzneimittel - wie im Streitfall - im Wege des zentralen Zulassungsverfahrens von der Europäischen Kommission zugelassen ist (vgl. § 37 Abs. 1 AMG in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004/EG vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur).
37
e) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts entspricht die im Streitfall von der Klägerin angegriffene Behauptung eines Gewichtsvorteils inhaltlich dem Wortsinn der in der Zulassung und der Fachinformation des Arzneimittels Levemir® festgehaltenen Angaben.
38
aa) Das vom Berufungsgericht in Bezug genommene landgerichtliche Urteil hat sich zutreffend auf den Inhalt der Zulassung und der Fachinformation gestützt. Dort ist ausgeführt, dass Studien bei Patienten mit Typ 2 Diabetes, die mit Basalinsulin in Kombination mit oralen Antidiabetika behandelt wurden, gezeigt haben, dass die Blutzuckereinstellung (HbA1c) mit Levemir® mit der unter NPH-Insulin und Insulinglargin vergleichbar, dabei aber mit weniger Gewichtszunahme verbunden ist. So heißt es in der Zulassung sowie der Fachinformation (Stand: Dezember 2009) für Levemir® unter der Überschrift „Pharmakodynamische Eigenschaften“ gleichlautend unter anderem: Studien bei Patienten mit Typ 2 Diabetes, die mit Basalinsulin in Kombination mit oralen Antidiabetika behandelt wurden, zeigten, dass die Blutzuckerein- ® stellung (HbA ) mit Levemir mit der unter NPH-Insulin und Insulinglargin ver-

1c

gleichbar und mit weniger Gewichtszunahme verbunden ist (siehe Tabelle 2). …
Studiendauer Insulindetemir Insulindetemir NPH-Insulin Insulinglargin einmal täglich zweimal täglich 20 Wochen + 0,7 kg + 1,6 kg 26 Wochen + 1,2 kg + 2,8 kg 52 Wochen + 2,3 kg + 3,7 kg + 4,0 kg
39
bb) Vergeblich wendet sich die Revision ferner gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der angesprochene Fachkreis verstehe die angegriffenen Behauptungen eines Gewichtsvorteils im Sinne einer geringeren Gewichtszunahme , wie sie in der Zulassung und der Fachinformation für Levemir® beschrieben sei.
40
Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Klägerin außer Acht gelassen, wonach die geringere Gewichtszunahme (von 1,6 kg) nur für eine Untergruppe von Patienten festgestellt worden sei, die nur einmal täglich Insulindetemir erhalten hätten. Die Mehrzahl der Patienten habe jedoch eine zweimalige Gabe erhalten, was zu einer geringeren Gewichtszunahme (von nur 0,3 kg) geführt habe. Ein derart geringer Wert habe keine klinische Relevanz und stelle deshalb auch keinen „Vorteil“ im Sinne der Werbung der Beklagten dar. Damit hat die Revision keinen Erfolg.
41
Das Berufungsgericht hat sich mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt. Es hat insoweit angenommen, der durch das Werbefaltblatt angesprochene Verkehr werde der Werbung ausschließlich einen Bezug auf eine täglich einmalige Gabe beimessen. Zudem werde nach der Verkehrsauffassung kein klinisch relevanter Gewichtsvorteil behauptet, sondern ein solcher, der für den Patienten von psychologischer Bedeutung sein könne, weil jedes vermiedene Gramm Gewichtszunahme den in der Überschrift des Faltblattes hervorgehobenen „Einstieg in die Insulintherapie“ erleichtern könne. Damit fehle es sowohl an einer Irreführung als auch an den Voraussetzungen einer unzulässi- gen vergleichenden Werbung. Diese tatrichterlichen Feststellungen zur Verkehrsauffassung lassen keine Rechtsfehler erkennen.
42
f) Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe keine Umstände dargelegt, die die indizielle Bedeutung der Zulassung und der Fachinformation für den Nachweis einer hinreichenden wissenschaftlichen Sicherung der aufgestellten Behauptung eines Gewichtsvorteils erschüttern.
43
aa) Allerdings gilt der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Zulassung des Arzneimittels nicht uneingeschränkt, sondern findet seine Grenze in seiner Eigenschaft als Regelung der Darlegungs- und Beweislast. Daraus ergibt sich, dass eine Irreführung dann in Betracht kommt, wenn der Kläger darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass neuere, erst nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene oder der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung sonst nicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen (vgl. Doepner aaO § 3 Rn. 72; Riegger aaO 3. Kap. Rn. 28; Gröning aaO § 3 Rn. 15).
44
bb) Daran fehlt es im Streitfall. Die Revision macht vergeblich geltend, das Berufungsgericht habe sich nicht hinreichend mit dem von der Klägerin gehaltenen Vortrag auseinandergesetzt, wonach wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die gegen eine von der Zulassungsbehörde angenommene geringere Gewichtszunahme sprechen.
45
(1) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung und die Fachinformation belegten Aussagen mit dem Vorbringen, die der Zulassung zugrundeliegende Rosenstock- Studie entspreche nicht den fachlich anerkannten wissenschaftlichen Standards und enthalte zudem einschränkende Interpretationen der Studienverfasser im Hinblick auf das Ergebnis einer geringeren Gewichtszunahme, so dass ihre Ergebnisse medizinstatistisch nicht signifikant seien. Zwar entspricht - wie dargelegt - das Design der Studie nicht dem medizinstatistischen „Goldstandard“ im Sinne einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist. Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen und von der Revision nicht beanstandeten Feststellungen des Landgerichts waren jedoch die Studie, ihre wissenschaftliche Methodik und die von den Verfassern gemachten Einschränkungen den Fachbehörden im Zulassungsverfahren bekannt. Die Revision wendet sich auch nicht gegen die weitere Feststellung des Landgerichts, die Klägerin habe keine neuen Umstände dargetan, die zu einer Revidierung der Bewertung der Zulassungsbehörde führen könnten. Unter diesen Umständen ist die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, die Klägerin habe die tatsächliche Vermutung nicht erschüttern können, die aufgrund der erfolgten Zulassung und der dort in Bezug genommenen Rosenstock-Studie für eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung der werblichen Behauptung eines Gewichtsvorteils streite.
46
(2) Nicht durchgreifend ist auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe sich nicht hinreichend mit dem von der Klägerin vorgelegten Abschlussbericht „Langwirksame Insulinanaloga zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2“ des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) vom 26. Februar 2009 und dem dazu gehaltenen Vortrag auseinandergesetzt. Die Revision verweist insofern auf den Vortrag der Klägerin, wonach in diesem Bericht festgestellt worden sei, dass sowohl die klinische Relevanz der bei der Gabe von Insulindetemir beobachteten geringeren Gewichts- zunahme als auch die Nachhaltigkeit dieser Wirkung zweifelhaft seien, da nur Studien mit einer Laufzeit von zwölf Monaten vorlägen. Es sei dort auch ausdrücklich festgehalten worden, dass die geringere Gewichtszunahme auch unerwünscht sein könne.
47
Das vom Berufungsgericht insoweit in Bezug genommene landgerichtliche Urteil ist davon ausgegangen, dass der Abschlussbericht des IQWIG vom 26. Februar 2009 auf einer Auswertung fremder Studien und einer Anhörung, nicht aber auf einer neuen eigenen Studie beruhe. Die Feststellung, dass die klinische Relevanz der geringeren Gewichtszunahme unklar sei, sei eine Schlussfolgerung aus Bekanntem, die zur Rosenstock-Studie nicht im Widerspruch stehe. Es komme nicht auf die klinische Relevanz des Gewichtsvorteils an, weil eine solche in der angegriffenen Werbung nicht behauptet werde. Der im Abschlussbericht ausgedrückte Zweifel, ob der Gewichtseffekt nachhaltig sei, sei nicht dazu geeignet, die durch die Angabe in der Zulassung und der Fachinformation begründete Vermutung zu widerlegen. Die Dauer der Rosenstock -Studie sei der Zulassungsbehörde bekannt gewesen. Konkrete Anhaltspunkte für neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine mangelnde Nachhaltigkeit belegten, gebe es nicht. Die Klägerin habe nur dargetan, dass die Frage der Nachhaltigkeit aus der Sicht des Abschlussberichts unklar sei. Eine solche Unsicherheit sei nicht geeignet, einen nachhaltigen Gewichtsvorteil zu widerlegen.
48
Diese im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegenden Ausführungen lassen keine Rechtsfehler erkennen.
49
C. Die Sache ist im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuweisen. Denn der Senat kann die Sache auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen.
50
Das Berufungsgericht hat bislang keine Feststellungen zu Design und wissenschaftlicher Validität der in der Fußnote 4 in Bezug genommenen Rosenstock -Studie getroffen. Ferner hat das Berufungsgericht sich bislang nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob und inwieweit die Verfasser der Studie selbst erkannt und auch zum Ausdruck gebracht haben, dass die Studie keine definitiven Rückschlüsse auf den Gesichtspunkt der geringeren Gewichtszunahme zulasse. Es fehlen bislang auch Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, wie der angesprochene Fachkreis die beanstandete Werbung mit dem Gewichtsvorteil mit Bezug auf die Fußnote 4 versteht. Insoweit wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass hier das Verständnis der mit dem Werbefolder angesprochenen Ärzte, mithin eines Fachkreises, zu dem die Mitglieder des Berufungsgerichts nicht gehören, maßgebend ist. Eine verfahrensfehlerfreie Feststellung der Verkehrsauffassung setzt deshalb die Darlegung voraus, dass die Mitglieder des Berufungsgerichts über ein zur Feststellung der hier maßgebenden Verkehrsauffassung hinreichendes Erfahrungswissen verfügen (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 - I ZR 150/01, BGHZ 156, 250, 254 - Marktführerschaft ; BGH, Urteil vom 15. April 2010 - I ZR 145/08, GRUR 2010, 1125 Rn. 50 = WRP 2010, 1465 - Femur-Teil, mwN).
Bornkamm Pokrant Kirchhoff
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 09.06.2009 - 15 O 704/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 22.02.2011 - 5 U 87/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DESVOLKES
URTEIL
I Z R 2 9 / 1 4
Verkündet am:
7. Mai 2015
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Äquipotenzangabe in Fachinformation
Angaben in der Fachinformation für ein Arzneimittel können irreführend sein,
wenn sie auf Studien gestützt sind, die diese Aussagen nicht tragen. Der Inhaber
der Arzneimittelzulassung kann sich darauf berufen, dass die Angaben
in der dem Zulassungsantrag des Arzneimittels beigefügten Fachinformation
zum Zeitpunkt der Zulassung des Arzneimittels dem gesicherten Stand der
Wissenschaft entsprochen haben. Der Kläger kann die indizielle Bedeutung
der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der in der
Fachinformation enthaltenen Angaben erschüttern, indem er darlegt und erforderlichenfalls
beweist, dass neuere, erst nach dem Zulassungszeitpunkt
bekanntgewordene oder der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung
sonst nicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen,
die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten
Aussagen sprechen (Fortführung von BGH, Urteil vom 6. Februar 2013
- I ZR 62/11, GRUR 2013, 649 = WRP 2013, 772 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil
).
BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - I ZR 29/14 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Mai 2015 durch die Richter Prof. Dr. Koch, Prof. Dr. Schaffert,
Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg - 3. Zivilsenat - vom 30. Januar 2014 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist Inhaberin der deutschen Zulassung für das Arzneimittel „BOTOX“. Die Beklagte zu 1 ist Inhaberin der Zulassung für das Arzneimittel „XEOMIN® 50 LD 50“), die vom Bundes50 -Einheiten“ (nachfolgend „XEOMIN® amt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Wege des sogenannten dezentralen Verfahrens erteilt worden ist. Beide Medikamente enthalten als Wirkstoff Botulinumtoxin Typ A. Die Beklagte zu 2 vertreibt „XEOMIN® 50“ seit Anfang 2012 in Deutschland.
2
In der deutschen Fachinformation für „XEOMIN® 50“, Stand August 2011, heißt es unter 4.2: Ergebnisse vergleichender klinischer Studien legen nahe, dass Xeomin und das Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum Toxin Typ A-Komplex (900 kDa) äquipotent sind, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden.
3
Die deutsche Fachinformation für „XEOMIN® 50“, Stand Dezember 2011, hat unter 4.2 folgenden geänderten Wortlaut: Ergebnisse vergleichender Studien weisen auf eine Äquipotenzvon „XEOMIN“ und dem Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum-Toxin-Typ A-Komplex (900 kDa) hin, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden.
4
Die Klägerin hält die in den beiden Fachinformationen enthaltenen Angaben über die Äquipotenz von „XEOMIN“ für irreführend.
5
Das Landgericht hat die Beklagten entsprechend dem Antrag der Klägerin unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, zu dem Arzneimittel „XEOMIN® 50 LD50-Einheiten“ die - oben angeführten - Angaben zu machen, wie mit der Fachinformation Stand Dezember 2011 oder der Fachinformation Stand August 2011 geschehen.
6
Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen , verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der geltend
7
gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 5, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 HWG oder § 8 AMG wegen irreführender Angaben weder im Hinblick auf die Fachinformation Stand August 2011 noch im Hinblick auf die Fachinformation Stand Dezember 2011 zu. Dazu hat es ausgeführt:
8
Die Legitimationswirkung der durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (im Weiteren: BfArM) für das Arzneimittel „XEOMIN® 50“ erteilten Zulassung erstrecke sich auf den Inhalt der Fachinformation nach dem Stand August 2011, so dass er wettbewerbsrechtlicher Prüfung entzogen sei.
Gemäß § 22 Abs. 7 Satz 1 AMG sei dem Zulassungsantrag unter anderem der Entwurf der Fachinformation (§ 11a Abs. 1 Satz 2 AMG) beizufügen. Die vorliegend beanstandeten Angaben seien unter der Rubrik „Dosierung, Art und Dauer der Anwendung“ enthalten und für die Arzneimittelsicherheit, die Wirksamkeit des Präparats und die Therapieentscheidung des Arztes besonders wichtig. Das spreche dafür, dass die Zulassungsbehörde diese Angaben zur Kenntnis genommen und gebilligt habe.
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Auch die nach dem Stand Dezember 2011 erfolgte Änderung der Fachinformation werde von der Legitimationswirkung der Arzneimittelzulassung umfasst. Es habe sich dabei um die Änderung der Übersetzung einer Angabe in englischer Sprache gehandelt, die im Einzelnen mit der Zulassungsbehörde abgestimmt und von dieser gebilligt worden sei.
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Die Zulassungsentscheidung für „XEOMIN® 50“ sei nicht wegen Nichtigkeit unwirksam. Selbst wenn bei der Zulassungsprüfung die zu einer Äquipotenz der konkurrierenden Mittel bei einem Dosisverhältnis von 1:1 vorgelegten Studien fehlerhaft beurteilt worden sein sollten, habe es sich dabei um eine wissenschaftliche Fehleinschätzung gehandelt, die kaum als „schwerwiegend“ im Sinne von § 44 Abs. 1 VwVfG anzusehen sei. Jedenfalls fehle es an der für die Annahme der Nichtigkeit erforderlichen Offenkundigkeit.
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II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat im Ergebnis keinen Erfolg.
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1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin wende sich mit ihrem Antrag gegen die Verwendung der Angaben im Gewande der Fachinformation des jeweils genannten Standes. Sie wende sich gegen den Inhalt der Fachinformation selbst und nicht lediglich gegen werbliche Angaben unter Bezugnahme auf die Fachinformation. Diese Auslegung des Klageantrags durch das Berufungsgericht, die der Senat als Auslegung einer Prozesserklärung in vollem Umfang nachprüfen kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2009 - I ZR 128/07, GRUR 2010 Rn. 30 = WRP 2010, 933 - Film-Einzelbilder, mwN), lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
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2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der von der Klägerin erhobene Unterlassungsanspruch aus § 8 UWG voraussetzt, dass die beanstandeten Angaben in den Fachinformationen irreführend sind. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt; nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware enthält. Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt , die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Bei § 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1 HWG sowie § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG handelt es sich um solche Marktverhaltensregelungen, da diese Bestimmungen den Schutz der menschlichen Gesundheit und damit den Verbraucherschutz bezwecken. Nach § 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1 HWG ist eine irreführende Werbung unzulässig, mit der Arzneimitteln Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG ist es verboten, Arzneimittel in Verkehr zu bringen, die mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung versehen sind. 3. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der gel14 tend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 5, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 HWG oder § 8 AMG wegen irreführender Angaben in den Fachinformationen nicht zu. Die Legitimationswirkung der für das Arzneimittel „XEOMIN ® 50“ erteilten Zulassung durch das BfArM erstrecke sich auf den Inhalt der Fachinformationen, so dass er wettbewerbsrechtlicher Prüfung entzogen sei. Mit dieser Begründung kann der von der Klägerin erhobene Unterlassungsanspruch nicht verneint werden.
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a) Die Klägerin macht geltend, die von den Beklagten verwendete Aussage zur Äquipotenz sei wissenschaftlich nicht ausreichend abgesichert. Sie behauptet damit einen Sachverhalt, der grundsätzlich den Tatbestand der Irreführung erfüllen kann.
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aa) Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht. Danach ist es irreführend, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 - I ZR 62/11, GRUR 2013, 649 Rn. 16 f. = WRP 2013, 772 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).
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bb) Für Angaben in einer Fachinformation gilt grundsätzlich nichts anderes. Auch sie können irreführend sein, wenn sie auf Studien gestützt sind, die diese Aussagen nicht tragen. Nach § 11a Abs. 1 Satz 1 AMG handelt es sich bei der Fachinformation um eine zwingend vorgeschriebene Gebrauchsinformation für die Fachkreise. Mit ihr wird den Ärzten für deren Therapieentscheidung eine weitere, über die Packungsbeilage hinausgehende Informationsquelle über das Arzneimittel zur Verfügung gestellt (vgl. Pannenbecker in Kügel/Müller/ Hofmann, AMG, 2012, § 11a Rn. 4), die sie insbesondere in der öffentlichen Arzneimittel-Datenbank abrufen können (vgl. § 34 Abs. 1a Nr. 1 AMG). Damit stellen die in der Fachinformation enthaltenen Angaben im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG geschäftliche Handlungen des Herstellers zur Förderung des Absatzes seiner Arzneimittel dar. Es handelt sich nicht um Angaben, die allein für das Zulassungsverfahren bestimmt sind und ausschließlich behördenintern genutzt werden. Kann die Therapieentscheidung eines Arztes durch eine wissenschaftlich nicht gesicherte Angabe in einer Fachinformation beeinflusst werden, ist die Gesundheit der Bevölkerung jedenfalls nicht weniger gefährdet als bei einer unmittelbar an Verbraucher oder Fachkreise gerichteten gesundheitsbezogenen Werbung.
18
b) Die Fachinformation für „XEOMIN® 50“ war zwar Gegenstand der Zulassungsprüfung für dieses Arzneimittel. Anders als das Berufungsgericht meint, ist der von der Klägerin angegriffene Inhalt der Fachinformation infolge der Zulassung von „XEOMIN® 50“ der wettbewerbsrechtlichen Prüfung jedoch nicht entzogen.
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aa) Zwar liegt kein unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidriges Marktverhalten vor, wenn es durch einen Verwaltungsakt ausdrücklich erlaubt worden und dieser Verwaltungsakt nicht nichtig ist (BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - I ZR 194/02, BGHZ 163, 265, 269 - Atemtest I; Urteil vom 13. März 2008 - I ZR 95/05, GRUR 2008, 1014 Rn. 32 = WRP 2008, 1335 - Amlodipin; Urteil vom 24. September 2014 - I ZR 73/12, GRUR 2014, 405 Rn. 10 f. = WRP 2014, 429 - Atemtest II).
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bb) Das Berufungsgericht ist auch zu Recht von der Wirksamkeit der Zulassungsentscheidung für „XEOMIN® 50“ ausgegangen.
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(1) Die Zulassungsentscheidung für „XEOMIN® 50“ ist vom BfArM im dezentralen Zulassungsverfahren gemäß § 25b AMG erteilt worden. Die Wirksamkeit dieses nationalen Zulassungsbescheids beurteilt sich nach deutschem Verwaltungsverfahrensrecht, weil insoweit keine unionsrechtlichen Regelungen bestehen (vgl. Rehmann, AMG, 4. Aufl., vor §§ 21-37 Rn. 20 und § 25b Rn. 2).
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(2) Als Verwaltungsakt im Sinne von § 35 VwVfG ist der Zulassungsbescheid nach § 44 Abs. 1 VwVfG nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Dabei stellt die Nichtigkeit des Verwaltungsakts eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass ein Akt staatlicher Ge- walt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt. Schwerwiegend ist ein Fehler daher nur, wenn er den Verwaltungsakt schlechterdings unerträglich, das heißt mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt. Der schwerwiegende Fehler muss darüber hinaus für einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Nichtigkeit eines Verwaltungsakts ist daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 2000 - 11 B 26/00, NVwZ 2000, 1039, 1040).
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(3) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, diese Voraussetzungen der Nichtigkeit seien im Streitfall erfüllt.
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Die Klägerin hat vorgetragen, die angegriffenen Angaben über die Äquipotenz der Mittel bei einem Dosisverhältnis von 1:1 seien durch wissenschaftliche Studien nicht belegt, und zwar insbesondere nicht durch die Zulassungsstudien von R. und B. , bei denen es sich nicht um Dosisfindungs -, sondern um Nichtunterlegenheitsstudien gehandelt habe, die zudem unter methodischen Mängeln litten.
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Das Berufungsgericht hat angenommen, auch bei unterstellter Richtigkeit dieses Vortrags spreche gegen eine Einstufung als schwerwiegender Fehler, dass die beanstandete Angabe ihre sachliche Grundlage in dem auf das Präparat „XEOMIN® 50“ bezogenen Beurteilungsbericht der Europäischen Arzneimittel -Agentur (EMA) finde, in dem die für die Zulassungsprüfung herangezogenen Studien betrachtet und bewertet worden seien. Damit handele es sich - bei unterstellter Fehlerhaftigkeit dieser Beurteilung - um eine wissenschaftliche Fehleinschätzung , die kaum als „schwerwiegend“ im Sinne des § 44 VwVfG angesehen werden könne. Jedenfalls fehle es aber an der Offenkundigkeit des Fehlers , da die Aussage zur Äquipotenz eine fachliche Bewertung der Zulassungs- behörde sei, die keinesfalls offensichtlich außerhalb der wissenschaftlichen Vertretbarkeit liege.
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Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen. An der vom Berufungsgericht herangezogenen Stelle des Beurteilungsberichts kommt die EMA für die Dosierung von „XEOMIN® 50“ zu folgendem Ergebnis: Insgesamt wurde durch die Daten aus dem nicht klinischen und klinischen Entwicklungsprogramm […] hinlänglich nachgewiesen, dass auf ein Dosisverhältnis ® von 1:1 zwischen „XEOMIN 50“ und „BOTOX“ in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit geschlossen werden kann und die Übernahme der für „BOTOX“ festgelegten Dosierung hinreichend gerechtfertigt ist. Vor diesem Hintergrund wäre ein weiteres umfangreiches Dosisfindungsprogramm aus ethischer Sicht nicht zu rechtfertigen. Ohne Erfolg macht die Revision dagegen geltend, die von der Äquipo27 tenz-Behauptung umfasste Indikation „Spastik“ sei in keiner der Studien vergleichend untersucht worden. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, es sei durchaus vorstellbar, dass dem Verfasser des Prüfberichts eine diese Indikation einbeziehende erweiternde Schlussfolgerung durch die Zulassungsstudien wissenschaftlich nahegelegt erschienen sei, ohne dass das als von vornherein haltlos und daher offenkundig fehlerhaft angesehen werden könne.
28
Gegen diese Beurteilung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Für sie spricht insbesondere, dass die EMA unmittelbar vor ihrer zusammenfassenden, oben wiedergegebenen Bewertung zur Dosierung von „XEOMIN® 50“ auf Wirksamkeitsdaten einer von der Beklagten zu 1 vorgelegten Phase-III-Studie zu Torticollis spasmodicus verwiesen hat. Laut EMA hat diese Studie die Nichtunterlegenheit von „XEOMIN® 50“ im Vergleich zu „BOTOX“ gezeigt. Außerdem heißt es, in einer Phase-III-Studie zu Torticollis spasmodicus sei für „XEOMIN ® 50“ und „BOTOX“ eine ähnliche Beziehung zwischen Dosis und Wirksamkeit nach einer Injektion nachgewiesen worden.
29
Gegen eine Nichtigkeit der Arzneimittelzulassung infolge - unterstellt - fehlerhafter Angaben spricht zudem die der Zulassungsbehörde durch die Regelung des § 30 Abs. 2a Satz 2 AMG eröffnete Möglichkeit, die Zulassung durch Auflagen zu ändern, wenn dies ausreicht, um den Belangen der Arzneimittelsicherheit zu entsprechen. Diese Änderungsbefugnis besteht auch in den Fällen des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AMG in Verbindung mit § 22 Abs. 7 AMG, also auch im Fall unrichtiger Angaben in der Fachinformation (vgl. § 28 Abs. 2 Nr. 2a, § 11a AMG). Daraus folgt, dass eine Arzneimittelzulassung nicht schon aufgrund fehlerhafter Angaben in der Fachinformation unwirksam ist, die im Zulassungsverfahren unentdeckt geblieben sind. Vielmehr bedarf es in einem solchen Fall einer Auflage zur Änderung der Fachinformation (§ 30 Abs. 2a Satz 2 AMG) oder, wenn der Fehler anders nicht beseitigt werden kann, einer Rücknahme der Zulassung (§ 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AMG).
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cc) Die Angaben in der Fachinformation zur Äquipotenz von „XEOMIN® 50“ und „BOTOX“ bei gleicher Dosierung sind der Beklagten zu 1 aber durch die Zulassung ihres Mittels „XEOMIN® 50“ nicht ausdrücklich erlaubt worden. (1) Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist in entsprechender
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Anwendung der §§ 133, 157 BGB nach den Grundsätzen zu bestimmen, die auch für die Auslegung von Willenserklärungen gelten. Danach ist der erklärte Wille der erlassenden Behörde maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - I ZR 125/04, WRP 2007, 1359 Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 20. April 2005 - 9 C 4/04, BVerwGE 123, 292, 297; Urteil vom 19. März 2013 - 5 C 16/12, NJW 2013, 1832 Rn. 10). Bei der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswerts ist in erster Linie auf den Entscheidungssatz und die Begründung des Verwaltungsakts abzustellen ; darüber hinaus ist das materielle Recht, auf dem der Verwaltungsakt beruht, heranzuziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2006 - 6 C 20/05, BVerwGE 126, 254 Rn. 78; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 43 Rn. 15). Ein Verwaltungsakt ist vom Revisionsgericht selbständig auszulegen (BGH, WRP 2007, 1359 Rn. 16).
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(2) Die Regelungswirkung einer Arzneimittelzulassung beschränkt sich nach § 21 Abs. 1 AMG darauf, dem Antragsteller verbindlich das Recht zu gewähren , das im Bescheid bezeichnete Arzneimittel unter den dort genannten Voraussetzungen in Deutschland in Verkehr zu bringen (vgl. Fleischfresser/ Fuhrmann in Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2. Aufl., § 7 Rn. 9; Kortland in Kügel/Müller/Hofmann aaO Vor § 21 Rn. 10; vgl. auch BGH, Beschluss vom 1. März 1990 - IX ZR 147/89, NJW 1990, 2931 f.). Auch wenn die Zulassung voraussetzt, dass der Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimittels vom Antragsteller geführt worden ist (vgl. §§ 1, 25 Abs. 1 AMG), handelt es sich dabei nur um einen Umstand, dessen Vorliegen durch die Arzneimittelzulassung nicht mit regelnder Wirkung verbindlich festgestellt wird.
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(3) Die Zulassungsbehörde hat auch später keine regelnde Entscheidung über die inhaltliche Richtigkeit der Dosierungsangaben in der Fachinformation getroffen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte zu 1 mit Änderungsanzeige vom 5. Oktober 2011 eine Änderung der Übersetzung zu Ziffer 4.2 der Fachinformation dahingehend beantragt, dass es anstelle von „Studien legen Äquipotenz nahe“ heißen sollte „Studien lassen auf Äquipotenz schließen“. In der daraufhin ergangenen Medizinischen Stellungnahme hat das BfArM die Auffassung vertreten, der englische Originalwortlaut „study results suggest“ solle nicht mit dem Vorschlag der Beklagten zu 1, sondern mit „Studien weisen auf Äquipotenz hin“ übersetzt werden. Diesen Vorschlag hat die Beklagte zu 1 in der Fachinformation mit Stand Dezember 2011 umgesetzt. Mit Bescheid vom 6. Dezember 2011 hat das BfArM dieser nach § 29 Abs. 2a AMG zustimmungspflichtigen Änderung bei den Dosierungsangaben der Fach- information zugestimmt. Eine regelnde Feststellung zur inhaltlichen Richtigkeit dieser Angaben hat es damit entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht getroffen. Der Zustimmungsbescheid nimmt in seinem Betreff auf die Anzeige der Beklagten zu 1 vom 5. Oktober 2011 und auf die Beanstandungen in der Medizinischen Stellungnahme Bezug. Daraus folgt, dass sich der Regelungsgehalt des Bescheids vom 6. Dezember 2011 auf die Zustimmung zu einer Änderung der Übersetzung beschränkte.
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4. Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Beurteilung der Bindungswirkung des Zulassungsbescheids verhilft der Revision indes nicht zum Erfolg. Das Berufungsurteil stellt sich aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Angaben in einer Fachinformation, die dem Zulassungsantrag eines Arzneimittels beigefügt war, zum Zeitpunkt der Zulassung des Arzneimittels dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprochen haben (vgl. BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 34 bis 36 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung dieser Angaben beruht darauf, dass sie im Zulassungsverfahren nach § 22 Abs. 7 Satz 1, § 25 Abs. 5 Satz 1 AMG Gegenstand der behördlichen Prüfung waren. Ein Werbender kann sich zum wissenschaftlichen Nachweis der Richtigkeit seiner werblichen Behauptungen in Bezug auf Eigenschaften eines Arzneimittels daher grundsätzlich auf die Angaben in der Fachinformation berufen (BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 34 bis 36 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Ebenso kann sich der Inhaber einer Arzneimittelzulassung darauf berufen, dass die Angaben in der Fachinformation zum Zeitpunkt der Zulassung des Arzneimittels dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprochen haben.
36
Der Kläger kann die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der in einer Fachinformation enthaltenen Angaben allerdings erschüttern, indem er darlegt und erforderlichenfalls beweist , dass neuere, erst nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene oder der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung sonst nicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen (vgl. BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 42 f. - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).
37
b) Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der in der Fachinformation für „XEOMIN® 50“ enthaltenen Angaben zur Äquipotenz nicht erschüttert.
38
Die Klägerin stützt ihre Beanstandung der Fachinformation weder auf erst nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene noch auf sonstige der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung nicht zugänglich gewesene wissenschaftliche Erkenntnisse. Sie macht allein geltend, die von der Beklagten zu 1 für die Zulassung vorgelegten Studien von R. und B. sowie K. belegten nicht die Aussage in der Fachinformation, „BOTOX“ und „XEOMIN® 50“ hätten bei gleicher Dosierung gleiche Wirkung. Die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der Angaben in einer Fachinformation kann jedoch nicht durch Angriffe auf Studien erschüttert werden, die dem Zulassungsantrag beigefügt waren (vgl. BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 45 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Stellt sich nach der Zulassung des Arzneimittels heraus, dass die der Zulassungsentscheidung zugrunde liegenden Gutachten unzutreffend sind oder von der Zulassungsbehörde unzutreffend bewertet wurden, handelt es sich daher nicht um neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, die die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der in der Fachinformation enthaltenen Angaben erschüttern könnten. Es kommt daher nicht darauf an, ob - wie die Revision geltend macht - sich erst nach Zulassung des Arzneimittels herausgestellt hat, dass es sich bei den im Zulassungsverfahren vorgelegten Gutachten nicht um Dosierungsstudien, sondern um Nichtunterlegenheitsstudien handelte, die die Angaben zur Äquipotenz nicht tragen.
39
c) Ohne Erfolg beruft sich die Revision für ihre Auffassung, die Indizwirkung der Zulassung müsse ohne Beschränkung auf neue oder der Zulassungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung unbekannte wissenschaftliche Erkenntnisse widerlegbar sein, auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union „Novo Nordisk“ (Urteil vom 5. Mai 2011 - C-249/09, Slg. 2011, I-3155 = PharmR 2011, 287).
40
Der Gerichtshof hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage befasst, ob Art. 87 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel nur die Veröffentlichung von Aussagen in einer Arzneimittelwerbung untersagt, die im Widerspruch zu der Fachinformation für das Arzneimittel stehen, oder auch gebietet, dass alle Aussagen in einer Arzneimittelwerbung in der Fachinformation enthalten oder aus den Angaben in der Fachinformation abzuleiten sein müssen. Der Gerichtshof hat dazu entschieden , dass eine Arzneimittelwerbung gegenüber Fachkreisen ergänzende Angaben enthalten darf, die die Fachinformation bestätigen oder präzisieren, sofern diese nicht irreführend sind und einen zweckmäßigen Einsatz des Arzneimittels fördern, indem sie seine Eigenschaften objektiv und ohne Übertreibung darstellen sowie genau, aktuell, überprüfbar und vollständig genug sind, um dem Empfänger zu ermöglichen, sich selbst ein Bild von dem therapeutischen Wert des Arzneimittels zu machen (EuGH, PharmR 2011, 287 Rn. 49 f. - Novo Nordisk). Diese Entscheidung des Gerichtshofs betrifft lediglich die Fachinformation ergänzende Angaben und nicht die in der Fachinformation enthaltenen Angaben, um die es im Streitfall allein geht.
41
Der Gerichtshof hat ferner ausgeführt, eine Arzneimittelwerbung dürfe keine Anwendungsgebiete, pharmakologischen Eigenschaften oder sonstigen Merkmale suggerieren, die im Widerspruch zu der Fachinformation stehen, die von der zuständigen Behörde bei Erteilung der Zulassung des Arzneimittels genehmigt wurde (EuGH, PharmR 2011, 287 Rn. 42 - Novo Nordisk). Daraus folgt, dass mit der Fachinformation im Einklang stehende Angaben grundsätzlich zulässig sind und der Zulassung eine indizielle Bedeutung für die hinreichende wissenschaftliche Sicherung dieser Angaben beigemessen werden darf.
42
Da in dieser Hinsicht keine vernünftigen Zweifel bestehen, ist hier auch keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV erforderlich (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 287/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 11. September 2008 - C-428/06, Slg. 2008, I-6747 = EuZW 2008, 757 Rn. 42 - UGT Rioja u.a.).
43
d) Der Schutz berechtigter Interessen der Wettbewerber gebietet es nicht, ihnen zu ermöglichen, Aussagen der Fachinformation mit der Begründung anzugreifen, die Zulassungsbehörde habe auf der Grundlage der ihr vorgelegten Unterlagen fehlerhaft angenommen, diese Angaben entsprächen dem gesicherten Stand der Wissenschaft.
44
Allerdings hat ein Wettbewerber keine Möglichkeit, sich an dem Zulassungsverfahren für ein Arzneimittel zu beteiligen oder eine fehlerhafte Beurteilung der Zulassungsbehörde hinsichtlich Sicherheit, Wirksamkeit oder Qualität des Arzneimittels im Zulassungsbescheid anzufechten (vgl. OVG Münster, PharmR 2012, 490, 491 ff.; Kostuch/Tillmanns, PharmR 2013, 408, 416 f.). Ein Wettbewerber kann die Zulassungsbehörde lediglich auf unrichtige oder unvollständige Angaben in der Fachinformation aufmerksam machen. Es steht dann grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, ob sie diesen Mangel durch Auflagen beseitigt oder, wenn dies nicht ausreichend ist, die Zulassung deswegen zurücknimmt (vgl. § 30 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2a Satz 2 AMG; Lietz in Fuhrmann/Klein/Fleischfresser aaO § 9 Rn. 24).
45
Weitergehende Möglichkeiten gegen Unrichtigkeiten der Fachinformation vorzugehen, die sich bereits aus den Zulassungsunterlagen ergeben, von der Zulassungsbehörde im Zulassungsverfahren jedoch nicht bemerkt wurden, sind einem Wettbewerber auch unter dem Gesichtspunkt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht einzuräumen. Insbesondere ist es nicht geboten, ihm zu ermöglichen, die Beurteilung der mit besonderer Fachkompetenz ausgestatteten Arzneimittelzulassungsbehörde ohne neue oder dieser bei ihrer Entscheidung unbekannte wissenschaftliche Erkenntnisse in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren anzugreifen und damit das Zivilgericht zu zwingen, seine Beurteilung - mit oder ohne sachverständige Unterstützung - an die Stelle derjenigen der Fachbehörde zu setzen, die der Gesetzgeber dafür eingesetzt hat (vgl. LG Berlin, Urteil vom 9. Juni 2009 - 15 O 704/07, BeckRS 2013, 7193; Gröning in Gröning, Heilmittelwerberecht, Stand Juni 2011, § 3 HWG Rn. 15). Die Arzneimittelhersteller haben ein berechtigtes Interesse daran, durch die Zulassung eines Arzneimittels Rechtssicherheit hinsichtlich von Werbeaussagen zu gewinnen , die der von der Zulassungsbehörde geprüften Fachinformation entnommen sind (vgl. Kostuch/Tillmanns, PharmR 2013, 408, 416). Die Wettbewerber haben es daher hinzunehmen, dass sie Einwände gegen die Fachinformation in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren nur aufgrund neuer oder der Zulassungsbehörde unbekannt gebliebener wissenschaftlicher Erkenntnisse erheben können. Etwaige Fehler bei der Beurteilung der Fachinformation im Zulassungsverfahren gefährden in erster Linie die Interessen der Allgemeinheit und der Arzneimittelnutzer an der Arzneimittelsicherheit, die die zuständige Behörde bei der Entscheidung über Auflagen oder die Rücknahme der Zulassung zu schützen hat.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Koch Schaffert Kirchhoff Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 08.03.2012 - 416 HKO 3/12 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 30.01.2014 - 3 U 63/12 -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.