Landgericht Kleve Beschluss, 16. Apr. 2014 - 4 T 58/13
Gericht
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Rheinberg vom 19.02.2013 wird teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Beteiligte zu 1.) die Betreuung des Betroffenen seit dem 01.10.2013 berufsmäßig führt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Eine Erstattung der Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens findet nicht statt.
1
Gründe:
2I.
3Für den Betroffenen besteht seit langem eine Betreuung, da dieser aufgrund psychotischer Störungen und Alkoholmissbrauch daran gehindert ist, seine Angelegenheiten sachgerecht zu besorgen. Der Beschwerdeführer – der Mitarbeiter der Betreuungsbehörde bei der Stadt F. ist – ist seit 1993 Betreuer des Betroffenen, zuvor erfolgte die Betreuung durch die Betreuungsstelle der Stadt F. Die bestehende Betreuung wurde zuletzt durch Beschluss des Amtsgerichts vom 12.10.2006 (Bl. 169/170 GA) verlängert. Mit Schriftsatz vom 03.11.2012 beantragte der Beschwerdeführer, die von ihm geführte ehrenamtliche Betreuung des Betroffenen ab dem 01.01.2013 in eine Berufsbetreuung „umzustellen“. Er befinde sich nunmehr in der Freistellungsphase seiner Altersteilzeit bei der Stadtverwaltung und wünsche, nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst Berufsbetreuungen zu führen. Diesen Antrag wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 19.02.2013 zurück. Dagegen richtet sich die auf den „27. Jan. 2013“ datierte, am 01.03.2013 beim Amtsgericht eingegangene Beschwerde des Beteiligten zu 1.), der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat. Die Kammer hat die Beschwerde mit Beschluss vom 17.06.2013 zurückgewiesen. Auf die von der Kammer zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1.) hat der BGH mit Beschluss vom 08.01.2014, Az.: XII ZB 354/13, den Beschluss der Kammer aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die Kammer zurückverwiesen. Die Kammer hat darauf untersucht, ob der Beteiligte zu 1.) die Voraussetzungen erfüllt, um die Betreuung berufsmäßig zu führen und ob ggf. eine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Übernahme der Betreuung bereit ist. Dazu wurden Stellungnahmen des Beteiligten zu 1.) und der Betreuungsstelle der Stadt X. eingeholt. Der Beteiligte zu 1.) hat mit Schriftsatz vom 01.02.2014 die Anzahl der von ihm geführten Betreuungen mitgeteilt.
4II.
5Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1.) ist zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Teil begründet, im Übrigen unbegründet.
6§§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1836 Abs. 1 S. 2 BGB stehen nur einer nachträglichen rückwirkenden Feststellung der Berufsmäßigkeit der Betreuung entgegen, nicht hingegen einer nachträglichen Feststellung mit Wirkung für die Zukunft, wobei der Begriff Zukunft als ein Zeitpunkt nach Eingang des Antrages auf Feststellung der Berufsmäßigkeit zu verstehen ist (BGH, Beschluss vom 08.01.2014, Az.: XII ZB 354/13). Diese rechtliche Beurteilung ist gemäß § 74 Abs. 6 S. 4 FamFG für die Kammer im vorliegenden Verfahren bindend.
7Der Beteiligte zu 1.) erfüllt die Voraussetzungen für eine Berufsmäßigkeit der Betreuung im Sinne von §§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1836 Abs. 1 S. 2 BGB, 1 Abs. 1 VBVG ab dem 01.10.2013.
8Die berufsmäßige Ausübung einer Betreuung ist festzustellen, wenn aufgrund des Umfanges der insgesamt übertragenen Betreuungen das Amt nur im Rahmen einer Berufsausübung geführt werden kann, wobei die Ausübung eines weiteren Berufes dem nicht entgegen steht (Palandt/Götz, BGB, 72. Aufl. 2013, § 1 VBVG, Rn. 2, 3). Dies ist gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VBVG regelmäßig der Fall, wenn der Betreuer mehr als zehn Betreuungen führt. Eine berufsmäßige Ausübung ist auch dann festzustellen, wenn zu erwarten ist, dass dem Betreuer in absehbarer Zeit Betreuungen in diesem Umfange übertragen sein werden. Überdies dürfen auch weitere Kriterien, etwa eine besondere Berufsausbildung berücksichtigt werden (Palandt/Götz, BGB, 72. Aufl. 2013, § 1 VBVG, Rn. 4).
9Unter Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist eine Berufsmäßigkeit der Betreuung ab dem 01.10.2013 zu bejahen. Mehr als zehn Betreuungen führt der Beteiligte zu 1.) nicht und führte er auch nicht. Seit dem 01.10.2013 führt der Beteiligte zu 1.) nach seinen eigenen Angaben im Schriftsatz vom 01.02.2014 sechs Betreuungen, sieben seit dem 01.11.2013 und acht seit dem 17.01.2014. Somit überschreitet die Zahl der von dem Beteiligten zu 1.) geführten Betreuungen seit dem 01.10.2013 die Hälfte der Regelanzahl des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VBVG. In Anbetracht der Tatsache, dass der Beteiligte zu 1.) als Diplom-Verwaltungswirt seit 1979 als Beamter der Stadt F. Erwachsenenvormundschaften und seit 1992 Betreuungen geführt hat und er insoweit zweifelsohne über Erfahrung verfügt, was auch die Betreuungsstelle X. mit Schreiben vom 17.02.2014 bestätigt hat, rechtfertigt dies, ab dem vorgenannten Zeitpunkt von einer Berufsmäßigkeit auszugehen. Es ist aber nicht gerechtfertigt, allein aufgrund der Erfahrung und Eignung von einer Berufsmäßigkeit auszugehen, da das Gesetz davon ausgeht, dass nur geeignete Personen zum Betreuer bestellt werden sollen. Eine gewisse Anzahl geführter Betreuungen ist daher für eine Berufsmäßigkeit grundsätzlich erforderlich.
10Eine Entlassung des Beteiligten zu 1.) zugunsten eines ehrenamtlichen Betreuers ist nicht auszusprechen. Sowohl nach Auskunft des Beteiligten zu 1.), als auch nach Auskunft der Betreuungsstelle X. ist keine geeignete Person ersichtlich, die zu einer ehrenamtlichen Übernahme der Betreuung bereit wäre.
11Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG. Es entspräche nicht der Billigkeit, dem Betroffenen die Verfahrenskosten des Beteiligten zu 1.) aufzuerlegen. Der Betroffene steht dem Beteiligten zu 1.) in dem vorliegenden Amtsverfahren nicht kontradiktorisch gegenüber. Eine Kostenübernahme durch die Staatskasse scheidet aus, § 307 FamFG gestattet nur eine Übernahme von Auslagen des Betreuten, nicht aber des Betreuers. Dem Verfahrenspfleger die Kosten aufzuerlegen, scheidet gesetzlich ohnehin aus (§ 276 Abs. 7 FamFG). Dass die Beschwerde des Beteiligten zu 1.) (teilweise) erfolgreich war, rechtfertigt es gleichfalls allein nicht, von einer Erhebung von etwa anfallenden Gerichtskosten nach § 80 Abs. 1 S. 2 FamFG abzusehen.
12Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung mehr, nachdem die grundsätzliche Frage durch den Beschluss des BGH vom 08.01.2014, Az.: XII ZB 354/13, geklärt worden ist. Die Frage, ab wann der Beteiligte zu 1.) die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Berufsmäßigkeit der Betreuung erfüllt, ist eine typische Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die auch keine Entscheidung des BGH zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.
13Gegenstandswert: 3.000,- € (§§ 131, 30 KostO)
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(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
(1) Das Familiengericht hat die Feststellung der Berufsmäßigkeit gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu treffen, wenn dem Vormund in einem solchen Umfang Vormundschaften übertragen sind, dass er sie nur im Rahmen seiner Berufsausübung führen kann, oder wenn zu erwarten ist, dass dem Vormund in absehbarer Zeit Vormundschaften in diesem Umfang übertragen sein werden. Berufsmäßigkeit liegt im Regelfall vor, wenn
- 1.
der Vormund mehr als zehn Vormundschaften führt oder - 2.
die für die Führung der Vormundschaft erforderliche Zeit voraussichtlich 20 Wochenstunden nicht unterschreitet.
(2) Trifft das Familiengericht die Feststellung nach Absatz 1 Satz 1, so hat es dem Vormund oder dem Gegenvormund eine Vergütung zu bewilligen. Ist der Mündel mittellos im Sinne des § 1836d des Bürgerlichen Gesetzbuchs, so kann der Vormund die nach Satz 1 zu bewilligende Vergütung aus der Staatskasse verlangen.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.
In Betreuungssachen kann das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegen, wenn eine Betreuungsmaßnahme nach den §§ 1814 bis 1881 des Bürgerlichen Gesetzbuchs abgelehnt, als ungerechtfertigt aufgehoben, eingeschränkt oder das Verfahren ohne Entscheidung über eine solche Maßnahme beendet wird.
(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn
- 1.
von der persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 278 Abs. 4 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 abgesehen werden soll oder - 2.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gegen den erklärten Willen des Betroffenen erfolgen soll.
(2) Von der Bestellung kann in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 abgesehen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des Verfahrenspflegers offensichtlich nicht besteht. Die Nichtbestellung ist zu begründen.
(3) Der Verfahrenspfleger hat die Wünsche, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat den Betroffenen über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren und ihn bei Bedarf bei der Ausübung seiner Rechte im Verfahren zu unterstützen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen.
(4) Als Verfahrenspfleger ist eine natürliche Person zu bestellen. Wer Verfahrenspflegschaften im Rahmen seiner Berufsausübung führt, soll nur dann zum Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Verfahrenspflegschaft bereit ist.
(5) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden.
(6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, mit der Rechtskraft der Endentscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens.
(7) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.
(8) Dem Verfahrenspfleger sind keine Kosten aufzuerlegen.
Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. § 91 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.