Landgericht Hagen Urteil, 21. Okt. 2013 - 9 O 109/09
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 51.444,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.06.2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 15 % und die Beklagte zu 85 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die minderjährige Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht im Wege der Stufenklage, nunmehr in der Leistungsstufe, auf teilweise Rückzahlung eines Betrages in Anspruch, den der Vater der Klägerin im Rahmen einer Vereinbarung mit der Beklagten über die Kosten der medizinischen Behandlung der Klägerin in Deutschland geleistet hat.
3Die Klägerin wurde am 14.05.2004 geboren und ist russische Staatsangehörige. Sie war am Burkitt-Syndrom erkrankt. Die Beklagte organisiert die Behandlung von Patienten aus Russland in deutschen Kliniken.
4Der Vater der Klägerin nahm im Jahre 2008 Kontakt mit der Beklagten auf. Die Zeugin T3, eine Mitarbeiterin der Beklagten, teilte diesem zunächst mit, dass die Beklagte nicht für minderjährige Patienten tätig werde. Auf weitere Nachfrage des Vaters der Klägerin sah sie sich aber kostenlos nach geeigneten Krankenhausplätzen um und schlug eine Behandlung im Universitätsklinikum Münster vor, welches eine Vorabzahlung von 183.600,00 € verlangte. Dieser Betrag konnte vom Vater der Klägerin nicht aufgebracht werden, möglich war kurzfristig nur die Zahlung von 100.000,00 EUR. Die Zeugin T3 erklärte sodann, dass die Beklagte weiter nur tätig werde, wenn ein Vertrag mit dem Vater der Klägerin gegen Zahlung eines Betrages von 100.000,00 € zustande kommen könne.
5Die Beklagte erstellte sodann unter dem 23.07.2008 ein als „Kostenkalkulation für die Untersuchung und Behandlung im Zentrum der Kinderonkologie Uniklinik Düsseldorf (Anlage 1 zum Vertrag 672/08 vom 30.07.2008)“ bezeichnetes Schriftstück in russischer Sprache, in welchem als „Programm“ für die Klägerin diagnostische und therapeutische Maßnahmen zur Behandlung der Erkrankung der Klägerin, die Unterbringung in einem 2-Bett-Zimmer inklusive Kosten für eine Begleitperson, Chefarztbehandlung, Dolmetscherleistungen, Transfer vom Flughafen zur Klinik und zurück, Visenverlängerung, Übersetzung und medizinisches Management angegeben wurde. Weiterhin wurde angegeben, das „Depositum“ für den Beginn des medizinischen Programms betrage 100.000 EUR“. Unterzeichnet wurde das Schriftstück nur von der Beklagten.
6Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage (Bl. 35 d.GA) Bezug genommen.
7Zwischen dem 23.07.2008 und dem 30.07.2008 führte die Zeugin T3 mit dem Vater der Klägerin ein Telefonat. Der weitere Inhalt des Gesprächs in Bezug auf die Zahlungsvereinbarungen ist zwischen den Parteien streitig.
8Unter dem 30.07.2008 erstellte die Beklagte ein weiteres Schriftstück, welches als Vertrag bezeichnet wurde.
9Als Parteien wurden die Beklagte (weiter als „ausführende Person“ im Vertrag genannt) und der Vater der Klägerin angegeben. Als Gegenstand des Vertrages wurden in § 1 die in Ziffer 1.2 näher aufgeführten Dienstleistungen der Beklagten, wie u.a. die Auswahl der medizinischen Facheinrichtung und Aufsetzung eines schriftlichen Angebotes für die Behandlung und Kalkulation der Kosten angegeben. Der Vertragspartner wurde zur Begleichung der Kosten für die Dienstleistungen verpflichtet.
10In § 3 wird unter Ziffer 3.1 festgehalten, dass die Kosten der medizinischen Leistungen, inklusive Honorarkosten, im Angebot angegeben und in der Kalkulation (= Anl. 1 zum Vertrag) festgehalten und vom Auftraggeber unterzeichnet werden. In Ziffer 3.2 wird sodann der Fall geregelt, dass die Kosten nur nach einer Untersuchung feststellbar sind. In diesem Fall werde die Höhe des Hinterlegungsbetrages angegeben, der vor dem Beginn der Behandlung einzuzahlen sei.
11In § 5 wird ausgeführt, dass die „Partnerseiten“ für die Nicht-Erfüllung des Vertrages oder eine unpassende Erfüllung der Vereinbarungen dieses Vertrags gemäß aktueller Gesetzgebung Deutschlands haften.
12Auch dieses Schriftstück wurde nur von der Beklagten unterzeichnet.
13Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage (Bl. 36-40 d.GA) Bezug genommen.
14Ebenfalls unter dem 30.07.2008 erstellte die Beklagte eine Rechnung über 100.000,00 EUR, die von dem Vater der Klägerin per Sofortüberweisung bezahlt wurde.
15Die Behandlung der Klägerin endete im September 2008. Hiernach forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte mehrfach erfolglos auf, die Rechnungen des Universitätsklinikums in Düsseldorf zur Verfügung zu stellen.
16Unter anderem mit Schreiben vom 18.09.2008 stellte die Beklagte die Übersendung der Rechnungen in Aussicht. Sie führt wörtlich aus:
17„Was die Rechnungen betrifft, so wird Herr G2 bzw. Sie, die gesamte Kostenaufstellung nach dem Behandlungsabschluss erhalten (wie vereinbart mit Herrn G2).“ |
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K12 (Bl. 29 d.GA) Bezug genommen.
19Mit Schreiben vom 30.10.2008 erklärte das Universitätsklinikum Düsseldorf den Prozessbevollmächtigten der Klägerin für die Behandlung der Klägerin über eine Kostenübernahme der Beklagten zu verfügen und alle Rechnungen an die Beklagte direkt übersandt zu haben. Man habe die Rechnungen deshalb nicht mehr vorliegen.
20In einem weiteren Schreiben vom 27.11.2008 verwies die Beklagte die Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf eine Abschlusskalkulation nach Behandlungsabschluss und führte weiter wörtlich aus:
21„Wir möchten Sie hierzu, auf den zwischen Herrn G2 und uns abgeschlossenen Vertrag höflich hinweisen, wo ausdrücklich steht, dass die Abschlusskalkulation erst innerhalb von 30 Tagen, nachdem das medizinische Programm beendet ist, erfolgen kann.“ |
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K13 (Bl. 30 d.GA) Bezug genommen.
23Unter dem 04.12.2008 kündigten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin „namens und in Vollmacht unseres Mandanten“ den Vertrag. Es wurde eine Frist zur Rückzahlung der verbliebenen Geldbeträge bis zum 16.12.2008 gesetzt. Eine Zahlung oder eine Abschlusskalkulation erfolgten in der folgenden Zeit nicht.
24Die Klägerin hat die Beklagte im Wege der Stufenklage in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 19.11.2010 wurde die Beklagte verurteilt, der Klägerin durch Vorlage von Rechnungen über eigene und Fremdleistungen Auskunft darüber zu erteilen, welche Kosten im Zusammenhang mit ihrer Behandlung im Jahre 2008 entstanden sind.
25Die Beklagte hat der Klägerin eine Aufstellung über die von ihr verauslagten Kosten sowie dazugehörige Rechnungen mit Schriftsatz vom 12.04.2011 übermittelt. Danach hat die Beklagte Leistungen in Höhe von insgesamt 45.960,32 € erbracht.
26Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Aufstellung wird auf den Schriftsatz vom 12.04.2011 (Bl. 164 d.GA) sowie die entsprechenden Rechnungen Bezug genommen.
27Für Eigenleistungen hat die Beklagte einen Betrag von 54.039,68 € in Rechnung gestellt. Auf die Rechnung (Bl. 212 d.GA) wird Bezug genommen.
28Die Klägerin macht im Rahmen der Leistungsstufe nunmehr die Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 60.265,39 € geltend. Dieser Betrag resultiert aus dem gezahlten Betrag in Höhe von 100.000 € abzüglich der nach Ansicht der Klägerin berechtigten Behandlungskosten in Höhe von 32.623,96 € sowie abzüglich eines Honoraranspruches in Höhe von 15 % der Gesamtbehandlungskosten (4.893,59 € netto und 5.823,38 € inkl. USt.) und abzüglich sonstiger berechtigter Kosten in Höhe von 947,27 €.
29Die Klägerin behauptet, ihr Vater haben die Ansprüche aus dem Vertrag an sie abgetreten und auch in ihrem Namen die Annahmeerklärung der Abtretung ausgesprochen. Dieses Insichgeschäft sei als für sie lediglich rechtlich vorteilhaft und auch nach russischem Recht nicht genehmigungsbedürftig.
30In dem Vertrag hätten die Parteien keine Pauschale, sondern ein Depositum, einen Hinterlegungsbetrag vereinbart, über welchen die Beklagte noch nicht abgerechnet habe. Die Vereinbarung eines Hinterlegungsbetrages führe zu einem Anspruch auf Rückzahlung der verbliebenen Geldbeträge.
31Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Rechnungen, die in Zusammenhang mit der Behandlung der Klägerin stehen, zu kontrollieren. Die Rechnungen der Frau Q sei in Höhe eines Betrages von 10 € fehlerhaft, die Rechnung der Frau B in Höhe von 752,79 € lasse weder Ort noch Datum der Tätigkeit erkennen und sei nicht ersatzfähig. Weitere Beträge in Höhe von 2.214,17 €, 870,33 €, 614,72 €, 880,33 €, 870,33 € und 1.081,84 € (insg. 6.531,72 €) hinsichtlich der Rechnungen des v seien ebenfalls fehlerhaft. Dies gelte auch für die Rechnungen der Fa. in Höhe von 75,08 € und des Prof. N2 vom 22.05.2009 in Höhe von 520,42 €. Die Rechnung der Zeugin T3 in Höhe von 4.500 € sei nicht ersatzfähig, da eigene Leistungen von dieser nicht erbracht worden seien.
32Die Klägerin beantragt nunmehr, | ||
die Beklagte zu verurteilen, an sie 60.265,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.06.2009 zu zahlen. | ||
Die Beklagte beantragt, | ||
die Klage abzuweisen. |
Sie bestreitet, dass die Ansprüche des Vaters der Klägerin an diese abgetreten worden seien. Die Abtretung sei auch sittenwidrig, da einziger Grund für diese sei, dass der Vater der Klägerin das Prozesskostenrisiko scheue und ein etwaiger Kostenerstattungsanspruch gegen die minderjährige Klägerin kaum durchsetzbar sei. Die Abtretung sei auch nicht allein rechtlich vorteilhaft für die Klägerin, da eine negative Kostenentscheidung des Gerichts möglich sei und es darüber hinaus zu einer Nachzahlungsverpflichtung kommen könne. Zudem sei zumindest konkludent ein Abtretungsverbot vereinbart worden, da sich die Beklagte mit dem Vater der Klägerin darauf geeinigt habe, dass nur der Vater der Klägerin Vertragspartner werden sollte.
34Es sei telefonisch eine Pauschale vereinbart worden, eine Abrechnung oder Rückzahlung des überschießenden Betrages sei grundsätzlich nicht geschuldet. Von der Pauschale solle entsprechend den Ziffer 3.5 und 3.11 des Schriftstücks vom 30.07.2008 nur dann abgewichen werden, wenn es durch eine Änderung des Untersuchungs- oder Behandlungsprogramms weniger Ausgaben gebe oder falls weitergehende medizinische Leistungen erforderlich seien. Der Vertragsentwurf vom 30.07.2008 sei unbeachtlich, da eine Unterzeichnung durch den Vater der Klägerin gerade nicht erfolgt sei. Maßgeblich sei somit allein die mündliche Vereinbarung des Pauschalpreises bei einem Telefonat am 30.07.2008.
35Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Regelungen des Dienstvertrages anwendbar seien, die weder einen Auskunftsanspruch noch eine Rechenschaftsverpflichtung oder eine Rechnungsprüfungspflicht kennen würden.
36Die Beklagte erhebt hilfsweise die Aufrechnung mit einer noch ausstehenden Forderung des Prof. Dr. C, der gegenüber der Beklagten seine wahlärztlich erbrachten Leistung im Zusammenhang mit der Behandlung der Klägerin noch nicht abgerechnet hat. Äußerst hilfsweise macht die Beklagte im Hinblick auf diese Forderung ein Zurückbehaltungsrecht geltend.
37Die Klägerin erhebt hinsichtlich dieser vermeintlichen Forderung des Prof. Dr. C die Einrede der Verjährung.
38Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die überreichten Schriftsätze und die zu den Akten gelangten Unterlagen Bezug genommen.
39Das Gericht hat ein Rechtsgutachten zu der Frage eingeholt, ob die Abtretung vom 03.03.2009 nach russischem Recht wirksam sei. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. U vom 16.05.2010 (Bl. 119–126 d.GA) Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T und T2 im Termin vom 19.11.2010. Wegen der Einzelheiten der Zeugenvernehmungen wird Bezug genommen auf das Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 19.11.2010 (Bl. 145–148 d.GA.). Das Gericht hat weiter Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen T3 und J in der mündlichen Verhandlung vom 02.09.2013. Wegen der Einzelheiten dieser Zeugenvernehmungen wird Bezug genommen auf das Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 02.09.2013 (Bl. 412–422 d.GA.).
40Entscheidungsgründe:
41I.
42Die zulässige Klage ist in überwiegendem Umfang begründet.
43Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 51.444,09 €.
441.
45Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
46a) Zur sicheren Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Vater der Klägerin in den Kanzleiräumlichkeiten der Prozessbevollmächtigten in e alle Ansprüche aus dem Vertrag mit der Beklagten an die Klägerin abgetreten hat. Diese Überzeugung stützt das Gericht auf die glaubhafte Aussage der Zeugen T und T2. Beide haben übereinstimmend bekundet, dass im Rahmen der Beratung des Vaters der Klägerin bezüglich der Ansprüche gegen die Beklagte erklärt worden ist, dass die Tochter Klägerin sein sollte. Der Zeuge T hat hierzu noch angegeben, dass die Eltern der Klägerin erklärt hätten, dass es ja auch um die Behandlung der Tochter gehen würde. Man habe dem Vater dann erklärt, dass hierzu eine Abtretung der Ansprüche aus dem Vertrag notwendig sei. Der Zeuge T2 hat weiterhin bekundet, dass auch darüber aufgeklärt worden sei, dass es sich dann um ein Insichgeschäft handeln würde, dass der Vater auch eine Willenserklärung für die Klägerin abgeben müsse. Der Vater habe dann zum Ausdruck gebracht, dass so vorgegangen werden solle. Dies ist – auch wenn es nicht ausdrücklich so gesagt wurde – konkludent nur dahin zu verstehen, dass der Vater mit Zustimmung der Mutter zum Einen für sich erklärt hat, die Ansprüche aus dem Vertrag auf die Klägerin zu übertragen und zum Anderen im Namen der Tochter erklärt hat, dieses Angebot auf Übertragung der Ansprüche anzunehmen.
47b) Die Abtretung ist auch als Insichgeschäft wirksam.
48Die Frage der Wirksamkeit der Abtretung beurteilt sich nach russischem Recht, da die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Russland hat und es um die Frage geht, ob und in welchem Umfang ein Elternteil Vertretungsmacht hat (vgl. Art. 21 EGBGB). Aus dem eingeholten Rechtsgutachten ergibt sich, dass im russischen Recht gem. Art. 64 Pkt. 1 Satz 1 FamGB Vater und Mutter gesetzliche Vertreter des minderjährigen Kindes sind. Auf deren Handlungen finden wiederum die Vorschriften des russischen Zivilgesetzbuches Anwendung (Art. 4 FamGB i.V.m. Art. 182 ff. ZGB). Art. 182 Pkt. 3 ZGB bestimmt allerdings ein Verbot von Insichgeschäften des Vertreters. Nach dem eingeholten Rechtsgutachten wird nur ganz vereinzelt die Auffassung vertreten, dass eine teleologische Reduktion dieser Norm stattfinden kann, wenn das Rechtsgeschäft für den Vertretenen lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Aus Art. 37 Pkt. 3 ZGB ergibt sich aber, dass Rechtsgeschäfte zwischen dem Vormund und dem Mündel dann nicht unwirksam sind, wenn es sich um Schenkungen oder kostenlose Nutzungsüberlassungen handelt. Die – hier vorliegende – unentgeltliche Abtretung von Ansprüchen an das minderjährige Kind unterfallen mithin der Ausnahme vom Verbot des Insichgeschäftes wie sie sich aus Art. 37 Pkt. 3 ZGB ergibt.
49Auch die Zustimmung des russischen Vormundschafts- und Pflegschaftsbehörde ist gem. Art. 28 Pkt. 1 Satz 2 ZGB i.V.m. Art. 37 Pkt. 2 ZGB nicht erforderlich. Eine Veräußerung des Vermögens des Mündels im Sinne des Art. 37 Pkt. 2 ZGB wird gerade nicht vorgenommen, vielmehr erhält das Mündel eine Forderung ohne Entgeltverpflichtung. Zwar wird in der russischen Rechtsliteratur nicht erwähnt, ob eine Schenkung unter Art. 37 Pkt. 2 ZGB fällt, wenn mit dieser Folgeverpflichtungen verbunden sind. Der Gutachter verweist aber darauf, dass nach der russischen Rechtsprechung sogar ein Kaufvertrag als gegenseitiger Vertrag nicht in den Anwendungsbereich des Art. 37 Pkt. 2 ZGB fällt. Erst Recht muss dies dann für eine Schenkung gelten.
50c) Die Abtretung erfolgte auch formgültig.
51Gemäß Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB reicht es für die Formgültigkeit einer Vereinbarung aus, dass diese dem Ortsrecht entspricht. Ausreichend ist die Formgültigkeit nach deutschem Recht, da die Abtretung in Deutschland, namentlich in den Kanzleiräumen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in E, erfolgte. Nach deutschem Recht bedarf die Abtretung grundsätzlich keiner Form, dies gilt sowohl für das Verfügungs- als auch das Verpflichtungsgeschäft (MünchKomm/Roth, Komm. z. BGB, 6. Aufl. 2012, § 398 BGB, Rn. 33 ff.). Eine Ausnahme von dieser Formfreiheit ist nicht ersichtlich.
52d) Die Vereinbarung eines Abtretungsverbotes ist nicht ersichtlich.
53Es gilt der Grundsatz der freien Abtretbarkeit von Ansprüchen, sofern es sich nicht um höchstpersönliche Ansprüche handelt. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Vertrag zwischen den Parteien keinen höchstpersönlichen Charakter. Unabhängig von der konkreten rechtlichen Einordnung des zwischen dem Vater der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Vertrages handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag, der eine Leistungsverpflichtung der Beklagten und eine Zahlungsverpflichtung des Vaters der Klägerin statuiert. Höchstpersönliche Züge enthält dieser Vertrag nicht.
54Zudem betrifft die Abtretung nur die Ansprüche des Vaters der Klägerin gegen die Beklagte. Auf Gegenansprüche der Beklagten gegen den Vater der Klägerin kann sie keine Anwendung finden. Dass der Vater seine Ansprüche nicht abtreten kann, ist nicht ersichtlich. Eines dahingehenden Schutzbedürfnisses zugunsten des Vaters der Klägerin bedarf es nicht. Ein Risiko der fehlenden Durchsetzung von Forderungen gegenüber einem minderjährigen Kind besteht allenfalls für die Gegenansprüche der Beklagten, deren Abtretbarkeit nicht in Rede steht.
55e) Die Abtretung ist auch nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Die Abtretung des Vaters der Klägerin an die Klägerin stellt sich nicht als Gefährdung eines möglichen Kostenerstattungsanspruches der Beklagten dar. Unabhängig vom Ziel der Abtretung im konkreten Fall ist die pauschale Annahme der Vermögenslosigkeit der Klägerin durch keine Tatsachen oder Indizien belegt. Es gilt auch dahingehend der Grundsatz, dass die Forderung grundsätzlich frei abtretbar ist.
562.
57Die Beklagte ist zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 51.444,09 € aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB verpflichtet.
58a) Die Beklagte hat durch eine Leistung des Vaters der Klägerin in Form einer Überweisung einen Anspruch auf Auszahlung eines Betrages in Höhe von 100.000,00 € erlangt.
59b) Die Beklagte hat einen Betrag in Höhe von 48.555,91 € mit Rechtsgrund aufgrund des zwischen der Beklagten und dem Vater der Klägerin abgeschlossenen typengemischten Vertrages erhalten. Hinsichtlich des weiteren Betrages in Höhe von 51.444,09 € ist der rechtliche Grund mit Abschluss der Behandlung der Klägerin und Kündigung des Vertrages durch den Vater der Klägerin entfallen. Insoweit ist die Beklagte zur Herausgabe verpflichtet.
60Die Beklagte und der Vater der Klägerin haben vereinbart, dass die Zahlung des Betrages von 100.000,00 € nur als Hinterlegung dienen sollte und der überschießende Betrag anschließend wieder ausgekehrt werden sollte. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Unabhängig von der konkreten Bezeichnung des abgeschlossenen Vertrages vereinbarten der Vater der Klägerin und die Beklagte die entgeltliche Vermittlung von ärztlichen Behandlungsleistungen als individualvertragliche Regelung. Die Abrechnung sollte nach Abschluss der Behandlung erfolgen.
61Der Vater der Klägerin hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung gemäß § 141 ZPO glaubhaft bekundet, dass er mit der Zeugin T3 die Hinterlegung eines Betrages von 100.000,00 € vereinbart hat. Der Vater der Klägerin hat die Inhalte der Telefonate mit der Zeugin T3 detailliert und plausibel erläutert. Dem steht nicht entgegen, dass er sich aufgrund der Vielzahl der Telefonate nicht mehr an das konkrete Datum des Telefonats erinnern kann, welches im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bereits über fünf Jahre vergangen war. Der Vater der Klägerin hat glaubhaft bekundet, dass ihm nach Hinterlegung des Betrages von 100.000,00 € auch die Übersendung der entsprechenden Rechnungen für die Behandlung der Klägerin in Aussicht gestellt wurde. Die Aussage ist auch dahingehend nachvollziehbar, dass es abwegig erscheint, dass eine Person am Telefon ohne weitere schriftliche Unterlagen und ohne die detaillierte Besprechung des Umfangs der Leistungen der Beklagten die Zahlung einer Pauschale vereinbart.
62Die Aussage des Vaters der Klägerin im Rahmen seiner persönlichen Anhörung ist besonders zu berücksichtigen, da es sich um ein Vier-Augen-Gespräch mit der Zeugin T3 handelte, so dass der Grundsatz der Waffengleichheit es gebietet, dass seiner Aussage ebenso viel Gewicht beigemessen wird, wie der Aussage der Zeugin T3.
63Der konkrete Inhalt der Vereinbarungen zwischen dem Vater der Klägerin und der Beklagten ergibt sich auch aus dem Schriftstück vom 30.07.2008 und der dazu gehörenden Anlage 1 vom 23.07.2008. Zwar gab es zuvor bereits mündliche Absprachen bezüglich eines Vertrages. Wie sich aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sollte das Schriftstück vom 30.07.2008 mit der dazugehörenden Anlage aber „Geschäftsgrundlage“ zwischen den Parteien seien. Die Parteien waren mithin schon bei den mündlichen Verhandlungen darüber einig, dass eine schriftliche Niederlegung noch erfolgen sollte. Dies war von dem Vater der Klägerin auch so gewünscht worden.
64Aus dem Schriftstück vom 30.07.2008 im Zusammenhang mit der Anlage 1 ergibt sich, dass kein Pauschalbetrag gezahlt wurde, sondern ein „Depositum“. Das Wort „depositum“ meint im herkömmlichen Sprachgebrauch einen Hinterlegungsbetrag. In dieser Form ist er auch in der Vorbemerkung zum Vertragsentwurf unter Ziffer 4 definiert. Ähnlich wie der Begriff der Kaution geht damit einher, dass der Betrag, soweit er im Rahmen eines Vertragsverhältnisses nicht verbraucht wurde, an die Person zurückgezahlt wird, die den Betrag zunächst geleistet hat.
65In dem Schriftstück vom 30.07.2008 werden hinsichtlich der von dem Auftraggeber zu zahlenden Kosten zwei Fälle unterschieden. Im ersten Fall setzt die Beklagte nach Information durch den Auftraggeber über die Erkrankung und Beratung durch Ärzte zunächst ein schriftliches Angebot für die Behandlung auf und kalkuliert deren Kosten (Ziff. 1.2). Das Angebot wird dem Auftraggeber vorgelegt (Ziff. 2.2), der sein Einverständnis damit erklärt. Die in diesem Angebot kalkulierten Kosten werden dann Vertragsbestandteil. So ist die Beklagte aber im vorliegenden Fall offensichtlich nicht vorgegangen. Zwar liegt eine Anlage 1 vor, diese beinhaltet aber keine Kostenkalkulation, denn weder die konkrete geplante Behandlung der Klägerin noch die im Einzelnen hierfür entstehenden Kosten sind dort angegeben. Es ist nur allgemein von einem „Komplex der diagnostischen und Therapiemaßnahmen“ die Rede, ohne konkret zu sagen, welche Maßnahmen dies im Einzelnen sein sollen und welche Kosten jeweils anfallen. Unter diesen Umständen kann es sich nur um den Fall 3.2 handeln, wo die Kosten nur nach Untersuchungen festgestellt werden können und zuvor ein Hinterlegungsbetrag gezahlt wird. Dann hatte die Beklagte den Betrag aber treuhänderisch zu verwalten und hierüber nach Abschluss der Behandlungen auch abzurechnen.
66Dies wird auch durch die Verwendung der Begriffe „für den Beginn des medizinischen Programms“ in der Kalkulation vom 23.08.2008 deutlich. Die Zahlung des Betrages von 100.000,00 € sollte zunächst nur dafür sorgen, dass eine Behandlung begonnen wird, eine Nachzahlung wurde damit aber vorbehalten. Damit wird aber auch deutlich, dass eine Pauschale, die eine Nachzahlung nach „Beginn des medizinischen Programms“ dem Grunde nach ausschließt, nicht gemeint gewesen sein kann.
67Für den Willen der Beklagten zum Abschluss des Vertragswerkes vom 30.07.2008 spricht auch der Bezug der Beklagten in den von ihr verfassten Schreiben vom 18.09. und 27.11.2008 jeweils auf einen abgeschlossenen Vertrag mit dem Vater der Klägerin. Die Vereinbarungen zur Übersendung der Abschlusskalkulation 30 Tage nach Beendigung der Behandlung, die in diesen Schreiben Gegenstand sind, finden sich in dieser Form genauso in dem schriftlichen Vertrag vom 30.07.2008 in § 3.11 wider. Dass eine solche Vereinbarung auch mündlich getroffen wurde, erscheint unglaubhaft, insbesondere da die Zeugin T3 selbst ausgesagt hat, dass bei dem Telefonat am 30.07.2008 keine weiteren Vertragsmodalitäten besprochen wurden.
68Der Heranziehung dieses Schriftstückes vom 30.07.2008 als Indiz für den Willen der Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses steht auch nicht entgegen, dass der Vertragsentwurf letztlich nicht von dem Vater der Klägerin unterzeichnet wurde. Die Unterschrift der Beklagten unter dem von ihr aufgesetzten Dokument, welches als Vertragspartner den Vater der Klägerin ausweist, ist als Indiz dahingehend zu werten, dass dieser Vertragsentwurf ihrem Willen im Zeitpunkt des mündlichen Vertragsschlusses entsprach.
69Gegen die Annahme der Pauschale spricht auch, dass für den Fall, dass höhere Kosten entstünden, eine Nachzahlungspflicht des Vaters der Klägerin bestehen würde. Nur soweit der gezahlte Betrag zur Deckung der Kosten ausreicht, stünde der Überschuss der Beklagten zu. Dies entspricht nicht einer ausgewogenen vertraglichen Risikoverteilung.
70Grundsätzlich ist der Beklagten zuzugestehen, dass die Vereinbarung einer pauschalen Vergütung nicht unüblich ist. Dabei ist vorliegend aber auch das Missverhältnis zwischen tatsächlicher Leistungserbringung und gezahlter Pauschale zu berücksichtigen. Nach den vorgelegten Rechnungen durch die Beklagte hat diese ein Honorar von 54.039,68 € berechnet. Ausgehend von der alternativen Berechnung eines Honorars von 10–15 % der Behandlungskosten entspricht dies im konkreten Fall dem zehnfachen Betrag der alternativen Abrechnung. Ob diese Abweichung schon die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB erreicht, kann zwar letztlich dahinstehen. Sie lässt aber den Rückschluss zu, dass es abwegig erscheint, dass sich der Vater der Klägerin auf ein derart unwirtschaftliches Rechtsgeschäft eingelassen hätte.
71Zudem dient die Zahlung eines Pauschalbetrages grundsätzlich auch der Einsparung weiterer Kosten auf Seiten des Bestellers bzw. Auftraggebers. Dieser kann mit einer Pauschale höhere Kosten vermeiden. Diese Erwägung trifft vorliegend aber gerade nicht zu, da eine Nachzahlung durch den Vater der Klägerin erforderlich geworden wäre, falls die Leistungen der Beklagten /einschließlich der Leistungen der Ärzte/Krankenhäuser etc.) den Pauschalbetrag von 100.000,00 € überstiegen hätte. Eine solche preisliche Erhöhung konnte die Beklagte aufgrund der ihr vorliegenden Angebote über Preise von 183.000,00 € auch nicht ausschließen. Der Zeugin T3, die das Telefonat mit dem Vater der Klägerin führte, lagen zum Zeitpunkt des Telefonats die Unterlagen des Universitätsklinikums Düsseldorf noch nicht vor, eine Erhöhung war nicht auszuschließen.
72Der Umstand, dass andere Kliniken höhere Beträge für die Behandlung eines Kindes mit einem der Klägerin ähnlichen Krankheitsbild verlangen, lässt zwar die Aushandlung guter Vertragsbedingungen erkennen. Dies lässt aber nicht den zwingenden Schluss zu, dass ein besonderes Risiko bei der Beklagten lag. Vielmehr ist dabei zu berücksichtigen, dass die Beklagte für ihre Leistungen, und darunter fällt auch die Verhandlung mit Kliniken und die Einholung von Angeboten, ein Honorar im Verhältnis zur Behandlungssumme erhält. Dies lässt nicht den Rückschluss zu, dass der Aushandlung günstiger Vertragsbedingungen mit den Kliniken auch die Zahlung eines Pauschalpreises durch den Patienten einhergeht.
73Aufgrund dieses Schriftstückes mit der Unterschrift des Geschäftsführers der Beklagten obliegt es der Beklagten darzulegen, dass sie die Vereinbarungen dieses Schriftstückes nicht gegen sich gelten lassen wolle. Die dahingehenden Ausführungen der Beklagten sind nicht plausibel.
74Die Beklagte hat selbst eingeräumt, dass es sich um einen existenten Vertragsvordruck der Beklagten handelte. Daraus folgt, dass auch die Vereinbarung eines Hinterlegungsbetrages nach dem Leistungsprogramm der Beklagten möglich ist. Dass es sich bei der Verwendung des Vertragsentwurfes im konkreten Fall um einen Fehler des Geschäftsführers der Beklagten handelt, erscheint dem Gericht zweifelhaft, da dieser immer mit Vertragsabwicklung beschäftigt ist. Die Zeugin T3 hat selbst bekundet, dass sie nur ausnahmsweise die Vertragsverhandlungen mit dem Vater der Klägerin durchgeführt hat. Es ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass der Geschäftsführer der Beklagten einen fehlerhaften Vertragsentwurf aus Gründen des Zeitdrucks verwendete, da der Vertragsentwurf erst mehrere Tage später dem Vater der Klägerin übergeben wurde.
75Zweifel erweckt vorliegend auch die Vereinbarung einer besonderen Pauschale. In Abweichung zu dem – nach Angaben der Beklagten – üblichen Vorgehen, wurde das komplette Behandlungsprogramm pauschaliert und nicht – wie üblich –nur die medizinische Behandlung. Gründe für diese abweichende Pauschalisierung wurden nicht plausibel vorgetragen.
76Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte gegenüber dem Universitätsklinikum Düsseldorf, gegenüber dem Ausländeramt Düsseldorf und dem Deutschen Konsulat eine Kostenübernahmeerklärung abgegeben hat. Aufgrund des durch den Vater der Klägerin hinterlegten Betrages war das Risiko der Beklagten abschätzbar. Die Übernahme dieser Garantien unter Berücksichtigung eines hinterlegten Betrages von 100.000,00 € kann nicht als außerordentliche und risikoreiche Leistung der Beklagten, die die Annahme einer Pauschale rechtfertigen würde, gewertet werden.
77Diese Einschätzung des Gerichts ändert sich auch nicht durch die Vernehmung der Zeugin T3. Die Aussage der Zeugin T3 war nicht glaubhaft. Die Zeugin T3 konnte nicht plausibel erklären, warum dem Vater der Kläger das Schreiben vom 30.07.2008 übermittelt wurde, obwohl angeblich ein Pauschalpreis vereinbart worden sei. Die Herkunft des als „Vertrag“ bezeichneten Schriftstückes vom 30.07.2008, welches zudem von der Beklagten, namentlich dem Geschäftsführer der Beklagten, unterzeichnet wurde, konnte die Zeugin nicht plausibel erklären, obwohl sie es war, die an diesem Tag mit dem Vater der Klägerin telefonierte, weil ihr Ehemann, der Geschäftsführer der Beklagten, nicht im Büro anwesend war. Die Zeugin T3 hat dabei selbst eingeräumt, dass dieses Schriftstück gerade für die Behandlung der Klägerin angefertigt wurde. Das weitere Vorbringen der Zeugin T3, dass normalerweise das Wort „Zahlung“ in den Kalkulationen verwendet werden würde, lässt nicht den Rückschluss zu, dass damit die Zahlung eines Pauschalbetrages gemeint sein soll. Auch im Hinblick auf den nachfolgenden Schriftverkehr zwischen den Parteien, insbesondere die E-Mails der Beklagten, die auch von der Zeugin T3 verfasst wurden, konnte die Zeugin T3 nicht plausibel erläutern, warum dort auf bestehende Verträge abgestellt und die Übersendung einer Abschlusskalkulation in Aussicht gestellt wurde.
78Es bestehen auch Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin T3. Diese ist die Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten, ein eigenes persönliches oder finanzielles Interesse am Ausgang des Rechtsstreits kann nicht ausgeschlossen werden.
79Der Wertung des Gerichts steht auch nicht die Aussage der Zeugin J entgegen. Die Aussage der Zeugin J kann ebenfalls nicht gefolgt werden, die Aussage der Zeugin war nicht glaubhaft. Die Zeugin J hat bekundet, dass sie mitbekommen habe, wie die Zeugin T3 mit dem Vater der Klägerin über die Zahlung eines Pauschalbetrages gesprochen habe. An weitere Umstände und Inhalte des Telefonates konnte sich die Zeugin J nicht erinnern. Die Zeugin konnte auch nicht plausibel erklären, warum sie sich genau an dieses Wort in einem Telefonat, nicht aber an die weiteren Inhalte erinnern konnte. Weitere Besonderheiten dieses Telefonates, welches im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung mehr als fünf Jahre zurücklag, waren der Zeugin J ebenfalls nicht erinnerlich. Der Vortrag der Zeugin stellt sich als äußerst lückenhaft dar. Es erscheint so, dass die vermeintlichen Erinnerungen der Zeugin J allein aus dem Telefonat mit der Zeugin T3 kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung herrühren.
80Es bestehen auch Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin J. Nach ihrer eigenen Aussage wurde sie kurz vor dem Termin von der Zeugin T3 kontaktiert und auf den anstehenden Gerichtstermin hingewiesen. Dahingehend kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Zeugin J bei diesem Kontakt mitgeteilt wurde, dass die Vereinbarung einer Pauschale bestätigt werden solle. So ist auch zu erklären, dass die Zeugin J, abgesehen von der Verwendung des Wortes Pauschale keinerlei Erinnerung an den weiteren Inhalt des Telefonats der Zeugin T3 mit dem Vater der Klägerin hatte.
81c) Die Klägerin kann einen Betrag in Höhe von 51.444,09 € zurückverlangen. Dies entspricht dem gezahlten Betrag von 100.000 € abzüglich eines Betrages von 48.555,91 €, den die Beklagte mit Rechtsgrund behalten darf.
82(1) Die Beklagte hat die Behandlungskosten in Höhe eines Betrages von 39.751,18 € mit Rechtsgrund erhalten. Die Behandlungen wurden von den Ärzten unstreitig durchgeführt. Der Betrag ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Rechnungen.
83Die Klägerin kann keine Abzüge von den Behandlungskosten vornehmen. Voraussetzung wäre eine Verpflichtung der Beklagten zur Rechnungsprüfung, die dazu führen würde, dass sie unberechtigt bezahlte Rechnungen nicht einbehalten dürfte. Eine Verpflichtung zur Prüfung der Rechnungen bestand auf Seiten der Beklagten nicht. Eine solche Verpflichtung ergibt sich nicht aus den Vereinbarungen der Parteien, insbesondere auch nicht aus dem von der Beklagten vorgelegten Vertragsentwurf. Eine solche Pflicht zur Rechnungsprüfung ist auch nicht Bestandteil eines herkömmlichen Vertrages, der als Auftrag oder als Dienstvertrag zu qualifizieren ist. Diese Vertragstypen sehen eine Verpflichtung des Leistungserbringers zur Rechnungsprüfung, unabhängig von einer konkreten Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern, nicht vor. Die mündlichen Vereinbarungen zwischen den Parteien sind insoweit ebenfalls nicht ergiebig.
84Eine solche Verpflichtung folgt auch nicht als Annex aus der Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung des nicht verbrauchten Betrages. Eine Prüfungspflicht stellt sich als eigenständige vertragliche Hauptpflicht dar, die einer eigenen vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien bedarf. Eine solche liegt nicht vor.
85(2) Die Beklagte hat zudem ihr Honorar hinsichtlich der Tätigkeit für die Klägerin in Höhe eines Betrages von 7.095,59 € brutto (5.962,68 € netto) mit Rechtsgrund erhalten. Die Beklagte kann aus dem mit dem Vater der Klägerin abgeschlossenen Vertrag ein Honorar in Höhe von 15 % der Behandlungskosten zuzüglich Umsatzsteuer einbehalten. Der Ansatz des Honorars in Höhe von 15 % der Behandlungskosten ergibt sich schon aus dem Vortrag der Klägerin selbst, die diesen Prozentsatz im Rahmen der Begründung ihres Leistungsantrags angeführt hat.
86(3) Hinsichtlich eines Betrages von 4.500 €, den die Beklagte für Leistungen der Zeugin T3 einbehalten hat, ist ein Rechtsgrund nicht ersichtlich. Die Beklagte muss diesen Betrag ebenfalls herausgeben. Die Zeugin T3 ist nach eigenen Angaben als Mitarbeiterin der Beklagten tätig. Die von ihr erbrachten Leistungen sind bereits durch das Honorar für die Beklagte abgegolten. Der Vater der Klägerin konnte davon ausgehen, dass die Leistungen einer Mitarbeiterin der Beklagten von dem zu zahlenden Honorar gedeckt sein würden, §§ 133, 157 BGB. Eine gesonderte Abrechnung würde eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Parteien voraussetzen. Eine solche Abrechnung wurde zwischen den Parteien nicht vereinbart.
87(4) Hinsichtlich der weiteren Kosten ist ein Betrag von 946,35 € zwischen den Parteien für den VIP-Service am Flughafen, die Rechnung der Frau Q in Höhe eines Betrages von 290,04 € sowie der Leistungen der Frau B2 hinsichtlich der Rechnung in Höhe von 408,30 € unstreitig.
88Mangels Bestehen einer Rechnungsprüfungspflicht kann die Beklagte auch den überschüssigen Betrag in Höhe von 10 € hinsichtlich der Rechnung der Frau Q einbehalten. Hinsichtlich der weiteren Rechnung der Frau B2 über 752,79 € hat die Klägerin deren Tätigwerden nicht bestritten. Allein das Fehlen von Angaben über Ort und Zeit lassen die Rechnung nicht unwirksam werden. Nur wenn es an einem Tätigwerden der Frau B2 gemangelt hätte, hätte es auch an einem Rechtsgrund der Beklagten gefehlt, diesen Betrag einzubehalten.
89d) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich seit dem 28.06.2009 in Verzug. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben die Beklagte mit dem Schreiben vom 04.12.2008 erstmalig zur Zahlung der verbliebenen Geldbeträge bis zum 16.12.2008 aufgefordert. Die Beklagte hat jeweils auf die fehlende Abrechnung durch das Universitätsklinikum verwiesen. Die letzte Rechnung, die Teil der Abschlusskalkulation der Beklagten ist, datiert vom 28.05.2009. Eine Rückzahlung 30 Tage nach Erstellung der letzten Rechnung, die von der Beklagten nicht geprüft wurde, ist ausreichend und entspricht der Wertung des § 286 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 BGB.
90e) Der Anspruch der Klägerin ist nicht durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung durch die Beklagte (teilweise) erloschen gemäß §§ 389, 406 BGB. Eine Forderung auf Seiten der Beklagten, die diese zur Aufrechnung stellen könnte, besteht nicht. Eine Forderung des Prof. Dr. C ist mangels erfolgter Abrechnung gegenüber der Beklagten und demnach auch gegenüber dem Vater der Klägerin zumindest noch nicht fällig. Künftige Ansprüche können nicht zur Aufrechnung gestellt werden (BGH, Urteil vom 20.11.2008, Az.: IX ZR 139/07).
91f) Ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB steht der Beklagten hinsichtlich der Forderung des Prof. Dr. C ebenfalls nicht zu. Dies setzt ebenfalls die Fälligkeit der Forderung voraus.
923. Der Klägerin steht darüber hinaus kein weitergehender Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB zu. Die geltend gemachten Beträge sind teilweise im Rahmen des Anspruchs aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB zu erstatten. Ein Anspruch wegen Verletzung einer Rechnungsprüfungspflicht besteht nach den obigen Erwägungen nicht.
93II.
94Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
95Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt für die Klägerin aus § 709 S. 1 ZPO und für die Beklagte aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
96III.
97Der Streitwert wird auf 60.265,39 € festgesetzt.
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Urteil einreichenLandgericht Hagen Urteil, 21. Okt. 2013 - 9 O 109/09 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.
(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.
(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.
Der Schuldner kann eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin verlangt Zahlung von Werklohn. Die Beklagten haben gegen die Klageforderung mit einer Schadensersatzforderung aus § 717 Abs. 2 ZPO aufgerechnet. Mit dieser Forderung hat es folgende Bewandtnis: In einem weiteren Prozess (LG Frankenthal 1 HKO 199/97 = Pfälzisches OLG Zweibrücken 8 U 113/06) nahm die Klägerin die Beklagten auf Zahlung von Werklohn in Hö- he von 240.000 DM in Anspruch. Das Landgericht verurteilte die Beklagten am 2. Februar 1999 zur Zahlung von 240.000 DM, davon 40.000 DM Zug um Zug gegen Beseitigung bestimmter Mängel. Zur Abwendung der von der Klägerin bereits eingeleiteten Zwangsvollstreckung zahlte die Beklagte zu 1 am 2. März 1999 insgesamt 111.114,85 €, davon 941,95 € Vollstreckungskosten. Mit Urteil vom 17. Januar 2006 wurde das erstinstanzliche Urteil dahingehend abgeändert , dass die Beklagten nur 79.491,22 € zu zahlen habe. Im vorliegenden Rechtsstreit haben die Beklagten daraufhin - zunächst hilfsweise - mit dem zu viel gezahlten Betrag von 30.681,68 € sowie einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 20.659,33 € aufgerechnet, der sich daraus ergebe, dass sie zur Finanzierung der 31.623,63 € (30.681,68 € Überzahlung sowie 941,95 € Vollstreckungskosten ) im Zeitraum vom 3. März 1999 (Zahlung) bis zum 17. Januar 2006 (Abänderung des erstinstanzlichen Urteils) Überziehungszinsen von 9,5 % p.a. zu zahlen gehabt habe. In Höhe von 30.681,68 € hat die Klägerin die Klage daraufhin für erledigt erklärt.
- 2
- Die Parteien streiten nunmehr nur noch um die Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch wegen der Finanzierungskosten. Das Landgericht ist von einem Werklohnanspruch der Klägerin in Höhe von 49.189,06 € ausgegangen. Abzüglich des erledigten Teils von 30.681,68 € bleibe ein Anspruch von 18.507,39 €, der durch die Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch, der in Höhe von 19.800,55 € bestanden habe, vollständig erfüllt sei; Gleiches gelte für einen Teil der Zinsforderungen. Das Berufungsgericht hat die Aufrechnung aus Rechtsgründen für ausgeschlossen gehalten. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wollen die Beklagten weiterhin die vollständige Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 4
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt (OLG-Report Zweibrücken 2008, 86): Der Beklagten zu 1 stehe wegen der im Parallelprozess zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleisteten Zuvielzahlung kein Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO auf Ersatz der Finanzierungskosten ("Zinsschaden") zu. Ihre Aufrechnung wirke auf den Zeitpunkt zurück, in dem sich die beiderseitigen Forderungen erstmals aufrechenbar gegenüber gestanden hätten. Dies sei der Zeitpunkt der Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gewesen, also der 2. März 1999. Der Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO auf Rückzahlung des zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Betrages sei bereits mit der Zahlung entstanden, nicht erst mit dem Erlass des Berufungsurteils im Parallelprozess. Nur so lasse sich ein Wertungswiderspruch zum gleichzeitig bestehenden Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB vermeiden. Die Klägerin sei vom Erhalt der Zahlung an ungerechtfertigt bereichert gewesen , weil insoweit ein Rechtsgrund gefehlt habe. Da die Aufrechnung auf den 2. März 1999 zurückwirke, sei für einen Anspruch auf Ersatz des Zinsschadens kein Raum.
II.
- 5
- Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Beklagten zu 1 steht ein zur Aufrechnung gegen die Klageforderung geeigneter Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO auf Ersatz der Finanzierungskosten zu.
- 6
- 1. Gemäß § 717 Abs. 2 ZPO ist der Gläubiger, der aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil die Zwangsvollstreckung betrieben hat, zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, der dem Schuldner durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung erbrachte Leistung entstanden ist. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass derjenige, der aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Titels in Anspruch genommen worden ist, seine Leistung nach Aufhebung des Titels sogleich zurückerhält. Der Schadensersatzanspruch umfasst jedoch nicht nur die erbrachte Leistung, sondern auch weitere Schäden, welche der Schuldner erlitten hat. Der Gläubiger, der aus einem nicht endgültigen Titel vollstreckt, handelt auf eigene Gefahr. Der aus der Vollstreckung folgende Schaden soll vollständig aufgrund einer schuldunabhängigen Risikohaftung des Gläubigers ausgeglichen werden (z.B. BGHZ 136, 199; 169, 308, 314 Rn. 19). Die Kosten, welche mit der Aufbringung der vorläufigen Leistung verbunden sind, stellen daher grundsätzlich einen zu erstattenden Schaden dar.
- 7
- 2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wirkt die von den Beklagten erklärte Aufrechnung nicht auf den Zeitpunkt der Zahlung zurück.
- 8
- a) Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken , als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind (§ 389 BGB). Die Voraussetzungen der Aufrechnungslage ergeben sich aus § 387 BGB. Die Forderung dessen, der die Aufrechnung erklärt, muss durchsetzbar, die Forderung des Aufrechnungsgegners erfüllbar sein.
- 9
- b) "Erfüllbar" im Sinne von § 387 BGB ist eine Forderung dann, wenn sie jedenfalls entstanden ist. Gegen eine künftige oder aufschiebend bedingte Forderung kann nicht aufgerechnet werden (BGHZ 103, 362, 367; 160, 1, 6). Die Frage, wann eine Forderung aus § 717 Abs. 2 ZPO in diesem Sinne "erfüllbar" ist, wird - worauf das Berufungsgericht zu Recht hingewiesen hat - in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Dem Wortlaut des § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO nach setzt der Anspruch die Aufhebung des für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils voraus. Nach Satz 2 des § 717 Abs. 2 ZPO kann der Schadensersatzanspruch jedoch bereits in dem anhängigen Rechtsstreit geltend gemacht werden. Der Bundesgerichtshof hat deshalb in dem vom Berufungsgericht zitierten Urteil vom 21. April 1980 (II ZR 107/79, NJW 1980, 2527 = ZZP 94 (1981), 444) den Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO für im laufenden Rechtsstreit erfüllbar und die vom Anspruchsgegner - dem Gläubiger also - erklärte Aufrechnung bereits vor Erlass des aufhebenden oder abändernden Urteils für zulässig gehalten. Das Reichsgericht hat in früheren Entscheidungen ebenfalls die Ansicht vertreten, die Aufhebung oder Änderung des Urteils schaffe den Anspruch nicht, sondern bringe den vorhandenen zur Anerkennung und Feststellung und verschaffe ihm die Möglichkeit der Geltendmachung (RGZ 11, 398, 400; ähnlich RG JW 1906, 719, 720). In einer späteren Entscheidung wird der Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO allerdings als "aufschiebend bedingt" bezeichnet (RGZ 85, 214, 219). In der Kommentarliteratur wird der Anspruch teils ebenfalls als durch den Erlass des aufhebenden oder abändernden Urteils bedingt bezeichnet (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 22. Aufl. § 717 Rn. 24; Tho- mas/Putzo, ZPO 29. Aufl. § 717 Rn. 11); überwiegend heißt es schlicht, der Anspruch entstehe erst mit der Aufhebung des vorläufig vollstreckbaren Titels (z.B. MünchKomm-ZPO/Krüger, ZPO 3. Aufl. § 717 Rn. 14; Baumbach /Lauterbach/Hartmann, ZPO 66. Aufl. § 717 Rn. 6; Wieczorek/Heß, ZPO 3. Aufl. § 717 Rn. 31; Schuschke in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz 4. Aufl. § 717 Rn. 8; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht 10. Aufl. S. 168; ebenso OLG Koblenz MDR 1957, 427).
- 10
- c) Im Ergebnis kommt es auf diese Frage jedoch nicht an. Aufgerechnet hat nicht die Klägerin. Die Aufrechnung ist vielmehr von den Beklagten erklärt worden. Nach § 387 BGB muss die Forderung dessen, der aufrechnet, durchsetzbar sein. Er muss die ihm gebührende Leistung fordern können. Durchsetzbar war die Forderung aus § 717 Abs. 2 ZPO erst vom Erlass des Berufungsurteils vom 17. Januar 2006 an (vgl. auch BGHZ 136, 199, 201; 169, 308, 312 Rn. 14: "Zur Auslösung der Schadensersatzpflicht genügt die Aufhebung des vorläufig vollstreckbaren Urteils …"). Die von den Beklagten erklärte Aufrechnung kann allenfalls auf den Zeitpunkt zurückwirken, in dem für sie eine Aufrechnungslage entstand. Dazu musste ihre eigene Forderung aus § 717 Abs. 2 ZPO nicht nur entstanden, sondern auch durchsetzbar sein.
- 11
- d) Neben dem Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO stand den Beklagten ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) zu. Aber auch dieser Anspruch wurde nicht vor der Aufhebung des landgerichtlichen Urteils am 17. Januar 2006 durchsetzbar. Die Beklagten haben nicht einfach auf eine nicht bestehende Schuld gezahlt, was sofort einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB hätte begründen können. Wer Zahlungen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel leistet, will nicht die - von ihm ja bestrittene - Forderung des Gläubigers erfüllen, sondern die mit der Vollstreckung verbundenen Nachteile von sich abwenden (BGHZ 86, 267, 269; BGH, Beschl. v. 25. Mai 1976 - III ZB 4/76, MDR 1976, 1005; MünchKomm -ZPO/Krüger, aaO § 708 Rn. 6). Dieser Leistungszweck entfällt erst mit der (rechtskräftigen) Aufhebung des vorläufig vollstreckbaren Urteils (BGHZ 169, 308, 315 Rn. 22; Palandt/Sprau, BGB 66. Aufl. § 812 Rn. 76). Um eine Leistung auf eine aufschiebend bedingte Schuld, die bis zum Eintritt der Bedingung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB kondiziert werden könnte, handelt es sich gerade nicht (unrichtig Katins DZWiR 2007, 124).
III.
- 12
- Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 ZPO). Weil die Klageforderung insgesamt - abgesehen nur von den bereits vom Berufungsgericht aberkannten Positionen - neu berechnet werden muss, wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat weist auf folgenden rechtlichen Gesichtspunkt hin:
- 13
- Der Klägerin stand eine Werklohnforderung von insgesamt 49.195,06 € zu. Auf diese Forderung kann sie Zinsen bis zum 17. Januar 2006 - dem Entstehen der Aufrechnungslage durch die Aufhebung des vorläufig vollstreckbaren Urteils des Landgerichts im Vorprozess - verlangen; dabei ist der Sicherungseinbehalt zu berücksichtigen. Die Aufrechnung mit dem Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO, der auch die zur Finanzierung des zuviel gezahlten Betrages erforderlichen Aufwendungen umfasst, wirkt auf das Entstehen der Aufrechnungslage am 17. Januar 2006 zurück.
Fischer Pape
Vorinstanzen:
LG Frankenthal, Entscheidung vom 24.07.2006 - 2 HKO 56/99 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 02.07.2007 - 7 U 113/06 -
(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).
(2) Wer zur Herausgabe eines Gegenstands verpflichtet ist, hat das gleiche Recht, wenn ihm ein fälliger Anspruch wegen Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens zusteht, es sei denn, dass er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.
(3) Der Gläubiger kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden. Die Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.