Landgericht Essen Beschluss, 31. Juli 2014 - 45 O 9/14
Tenor
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
Bis zum 16.6.2014 auf 5000 €
Ab dem 17.07.2014 auf bis zu 2.000 €
1
Gründe
2I.
3Der Kläger war bis Ende des Jahres 2012 Alleingesellschafter der Beklagten. Wegen des Inhalts des Gesellschaftsvertrages wird auf den zu den Akten gereichten Vertrag (Bl. 61 ff. d.A.) Bezug genommen.
4Mit Anteilskaufvertrag vom 28.11.2012 verkaufte der Kläger seine beiden Geschäftsanteile mit einem Nennbetrag von jeweils 13.000 € an die E AG. In Vollzug dieses Kaufvertrages erklärte er bereits die Abtretung der beiden Anteile, die jedoch aufschiebend bedingt durch die aufrechnungs- und einredefreie sowie fristgerechte vollständige Zahlung des Kaufpreises für den jeweiligen Anteil war. Diese Bedingung trat zunächst nur bzgl. des Geschäftsanteils mit der laufenden Nr. 1 ein, so dass die E AG Mitgesellschafterin des Klägers wurde.
5Der zwischen dem Kläger und der E AG geschlossene Anteilskaufvertrag sah als Kaufpreis für die Anteile neben einer festen Komponente auch eine variable, gewinnabhängige Komponente, gemessen am Jahresüberschuss der Beklagten zum 31.12. 2011, 2012 und 2013 vor.
6Geschäftsführer der Beklagten ist das einzelvertretungsberechtigte Vorstandsmitglied der E AG, Herr C.
7Der Kläger befürchtete aufgrund einer am 23.10.2013 genommenen Bucheinsicht, dass der Geschäftsführer C möglicherweise rechtswidrig Zahlungen aus dem Vermögen der Beklagten an die E AG oder eine ihrer Tochtergesellschaften veranlasst hatte. Die Rechtsgrundlage der Zahlungen erschloss sich für ihn auf der Grundlage der vorhandenen Informationen nicht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.11.2013 verlangte der Kläger die zeitnahe Einberufung einer Gesellschafterversammlung, u.a. zu folgendem Tagesordnungspunkt 7:
8„Bestellung eines Sonderprüfers zur Überprüfung von Pflichtverletzungen des Geschäftsführers C bei der Geschäftsführung, insbesondere im Zusammenhang mit dem Abschluss einer betrieblichen Altersvorsorge für Auszubildende sowie im Zusammenhang mit Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen der L GmbH an die E AG und mit dieser verbundene Gesellschaften“.
9In der Gesellschafterversammlung vom 7.1.2014 stellt der Kläger zu TOP 7 den Beschlussantrag zur
10Bestellung eines Sonderprüfers, wie er in Ziffer 2 der Klageschrift (Bl. 45 ff. d.A.) wiedergegeben ist. Während er selbst mit seinen Stimmen für den Antrag stimmte, teilte der bevollmächtigte Vertreter der E AG mit, dass er gegen den Antrag stimme. Der Rechtsanwalt des Klägers wies darauf hin, dass nach seiner Auffassung die E AG einem Stimmverbot unterliege, das zu beachten sei. Da der Vertreter der E AG und der Geschäftsführer der Beklagten diese Rechtsauffassung nicht teilten, stellte Letzterer fest, dass der Beschlussantrag abgelehnt sei.
11Mit der am 7.2.2014 bei Gericht eingegangenen Klageschrift, die der Beklagten am 26.02.2014 zugestellt wurde, hat der Kläger beantragt, den Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 7.1.2014 zu TOP 7 (Sonderprüfung), wonach der von ihm gestellte Beschlussantrag auf Bestellung eines Sonderprüfers abgelehnt wird, für nichtig zu erklären, hilfsweise die Nichtigkeit festzustellen sowie festzustellen, dass der in der Gesellschafterversammlung gestellte Beschlussantrag zu TOP 7 (Sonderprüfung) angenommen wurde.
12Als Folge des Verlusts seiner Gesellschafterstellung im April 2014 hat der Kläger den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 16.6.2014 für erledigt erklärt. Die Beklagte hat der ihr am 21.06.2014 zugestellten Erledigungserklärung nicht widersprochen.
13II.
14Nachdem der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und die Beklagte der Erklärung nicht innerhalb einer Frist von 2 Wochen nach Zustellung des Schriftsatzes widersprochen hat, war gemäß § 91 a ZPO über die Kosten des Rechtstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden. Dies führte zu einer Auferlegung der Kosten auf die Beklagte. Denn die Klage war ursprünglich zulässig und begründet.
151.
16Für den Fall, dass – wie vorliegend – mit der Anfechtungsklage die unrichtige Feststellung eines so nicht zustande gekommenen Beschlusses beseitigt werden soll, kann mit einer gleichzeitig erhobenen Feststellungsklage verbindlich geklärt werden, was in Wahrheit beschlossen wurde (BGH NJW 1986, 2051). Eine grundsätzlich auch dem Gericht obliegende Verpflichtung, den betroffenen Mitgesellschafter von der Klageerhebung in Kenntnis zu setzen, bestand vorliegend nicht. In der GmbH ist nämlich der Geschäftsführer verpflichtet, die Gesellschafter davon zu unterrichten, dass der Beschluss angefochten und zugleich eine anderslautende gerichtliche Feststellung des Beschlussergebnisses verlangt wird (BGH a.a.O.). Anlass für eine gerichtliche Unterrichtung des betroffenen Gesellschafters besteht nur, wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Geschäftsführer seiner Informationspflicht nachkommt. Das ist vorliegend nicht der Fall. Denn der Geschäftsführer der Beklagten ist zugleich Vorstandsmitglied der E AG.
172.
18Die Anfechtungsfrist als materielle Klagevoraussetzung für den Klageantrag zu 1) ist gewahrt. Sie beträgt gemäß § 5 Abs. 10 des Gesellschaftsvertrages einen Monat.. Die Frist ist gewahrt, wenn der Anfechtungsberechtigte rechtzeitig Klage erhoben hat und die Zustellung demnächst erfolgt (§ 167 ZPO). Das ist hier der Fall. Die Klage ist beim Landgericht F am 7.2.2014 und damit am letzten Tag der Monatsfrist eingegangen. Die Zustellung an die Beklagte am 26.2.2014 erfolgte demnächst im Sinne von § 167 ZPO. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn die Zustellung innerhalb einer den Umständen nach angemessenen Frist stattfindet und die Partei alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung unternommen hat. Dies hat der Kläger getan. Er hat auf die Vorschussanforderung vom 14.2.2014 umgehend den Kostenvorschuss am 20.2.2014 eingezahlt.
193.
20Der Beschluss über die Ablehnung der Bestellung eines Sonderprüfers ist fehlerhaft zustande gekommen, weil die E AG einem Stimmverbot unterlag. Ein Gesellschafterbeschluss, der an einem nicht zur Beschlussnichtigkeit führenden Mangel leidet, ist auf die Anfechtungsklage eines Gesellschafters durch Urteil für nichtig zu erklären (analog § 241 Nr. 5 AktG).
21Nach § 47 Abs. 4 GmbHG ist ein Gesellschafter in einer Reihe von Fällen wegen Interessenkollision vom Stimmrecht ausgeschlossen. Hiervon bestehen gemäß § 5 Abs. 7 S. 2 der Satzung der Beklagten keine Ausnahmen. Der Regelung in § 47 Abs. 4 GmbHG ist zwar kein allgemeines Prinzip zu entnehmen, dass bei Vorliegen jedweden Interessenkonflikts ein Stimmrechtsausschluss Platz zu greifen habe. Die einzelnen Fälle sind jedoch analogiefähig und insbesondere einer weiten Auslegung zugänglich (Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. § 47 Rn. 76). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze unterliegen bei der Abstimmung über die Einsetzung eines Sonderprüfers entsprechend § 47 Abs. 4 GmbHG diejenigen Gesellschafter einem Stimmverbot, die von der Sonderprüfung betroffen sind und gegen die aufgrund des Sonderprüfungsberichts Schadensersatzansprüche in Betracht kommen (Leinekugel GmbHR 2008, 632, 633 m.w.Nachw.). Zwar ist die Sonderprüfung gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG ein Instrument zur Kontrolle der Geschäftsführung; sie kann sich in der Sache jedoch auch auf die Rechtsbeziehung der Gesellschaft zu einem Mitgesellschafter beziehen (Leinekugel, a.a.O., S. 632). So liegt der Fall hier. Gegenstand des Beschlussantrags war die Überprüfung der Beziehungen der Beklagten zu der Gesellschafterin E AG. Die Sonderprüfung sollte sich auf die Rechtmäßigkeit der seit der Bestellung des Herrn C zum Geschäftsführer vorgenommen Rechtsgeschäfte und Zahlungen beziehen und ausdrücklich auch die Prüfung etwaiger Schadensersatzforderungen gegen die E AG umfassen. Vor diesem Hintergrund war die E AG nicht stimmberechtigt. Insoweit wäre die Ablehnung des Beschlussantrages für nichtig zu erklären gewesen.
224.
23Im Hinblick auf den Stimmrechtsausschluss der E AG war der Beschluss über die Bestellung eines Sonderprüfers mit den Stimmen des Klägers wirksam zustande gekommen, so dass auch der Klageantrag zu 2) ursprünglich begründet war. Die Sonderprüfung hat ihre Grundlage in § 46 Nr. 6 GmbHG und unterliegt gegenständlich keinen inhaltlichen Einschränkungen. Anders als im Aktienrecht muss keine Beschränkung auf bestimmte, sachlich und zeitlich abgrenzbare Geschäftsvorgänge erfolgen. Neben der Rechtmäßigkeit kann auch die Zweckmäßigkeit Gegenstand einer Sonderprüfung sein (Leinekugel a.a.O., S. 634).
245.
25Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO festgesetzt. Die Begrenzung gemäß § 247 Abs. 1 S. 1 AktG ist nicht anwendbar (Zöllner in Baumbach/Hueck, a.a.O., Anh § 47 Rn. 171).
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Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.
Ein Beschluß der Hauptversammlung ist außer in den Fällen des § 192 Abs. 4, §§ 212, 217 Abs. 2, § 228 Abs. 2, § 234 Abs. 3 und § 235 Abs. 2 nur dann nichtig, wenn er
- 1.
in einer Hauptversammlung gefaßt worden ist, die unter Verstoß gegen § 121 Abs. 2 und 3 Satz 1 oder Abs. 4 und 4b Satz 1 einberufen war, - 2.
nicht nach § 130 Absatz 1 bis 2 Satz 1 und Absatz 4 beurkundet ist, - 3.
mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren ist oder durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, - 4.
durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten verstößt, - 5.
auf Anfechtungsklage durch Urteil rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist, - 6.
nach § 398 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Grund rechtskräftiger Entscheidung als nichtig gelöscht worden ist.
(1) Die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen erfolgen durch Beschlußfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
(2) Jeder Euro eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme.
(3) Vollmachten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Textform.
(4) Ein Gesellschafter, welcher durch die Beschlußfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, hat hierbei kein Stimmrecht und darf ein solches auch nicht für andere ausüben. Dasselbe gilt von einer Beschlußfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter betrifft.
Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen:
- 1.
die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses; - 1a.
die Entscheidung über die Offenlegung eines Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (§ 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs) und über die Billigung des von den Geschäftsführern aufgestellten Abschlusses; - 1b.
die Billigung eines von den Geschäftsführern aufgestellten Konzernabschlusses; - 2.
die Einforderung der Einlagen; - 3.
die Rückzahlung von Nachschüssen; - 4.
die Teilung, die Zusammenlegung sowie die Einziehung von Geschäftsanteilen; - 5.
die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben; - 6.
die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung; - 7.
die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb; - 8.
die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
(1) Den Streitwert bestimmt das Prozeßgericht unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen. Er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder, wenn dieses Zehntel mehr als 500.000 Euro beträgt, 500.000 Euro nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für den Kläger höher zu bewerten ist.
(2) Macht eine Partei glaubhaft, daß die Belastung mit den Prozeßkosten nach dem gemäß Absatz 1 bestimmten Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Prozeßgericht auf ihren Antrag anordnen, daß ihre Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepaßten Teil des Streitwerts bemißt. Die Anordnung hat zur Folge, daß die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat. Soweit ihr Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, hat sie die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten. Soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, kann der Rechtsanwalt der begünstigten Partei seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben.
(3) Der Antrag nach Absatz 2 kann vor der Geschäftsstelle des Prozeßgerichts zur Niederschrift erklärt werden. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. Später ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert durch das Prozeßgericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören.