Landgericht Dortmund Urteil, 05. Aug. 2016 - 3 O 419/15
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von bis zu 95.000,00 € bis zum 28.04.2016, von bis zu 380.000,00 € bis zum 17.05.2016 und von bis zu 95.000,00 € seitdem tragen die Kläger.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Kläger verlangen mit der vorliegenden Klage die Rückabwicklung zweier Verbraucherdarlehensverträge nach erklärtem Widerruf.
3Zur Finanzierung des Erwerbs einer eigengenutzten Doppelhaushälfte in F schlossen die Kläger mit der Beklagten am 12.08./17.08.2009 einen Wohnungsbau-Darlehensvertrag zur Hauptdarlehensnummer ########## über einen Nennbetrag von 171.000,00 € bei einer Festzinsperiode bis zum 30.09.2019 und einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 4,58 % (Anlagenkonvolut B2).
4Die Seiten 5/17, 6/17 (diese beiden Seiten enthalten eine Widerrufsbelehrung) und 7/17 des Darlehensantrages haben folgenden Inhalt (Kopien aus dem Anlagenkonvolut K1):
5An dieser Stelle befindet sich eine Widerrufsbelehrung.
6Ferner schlossen die Kläger mit der Beklagten am 31.08./02.09.2009 einen Darlehensvertrag über Finanzierungsmittel aus dem KfW-Wohneigentumsprogramm zur Hauptdarlehensnummer ########## über einen Nennbetrag von 100.000,00 € bei einer Festzinsperiode (ebenfalls) bis zum 30.09.2019 und einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 4,42 % (Anlagenkonvolut B4).
7Dieser Vertrag enthielt in separater Anlage auf Blatt 7 bis Blatt 9 die nachfolgend wiedergegebene Widerrufsbelehrung (Kopien aus dem Anlagenkonvolut K1):
8An dieser Stelle befindet sich eine weitere Widerrufsbelehrung.
9Mit Schreiben vom 10.06.2015 (Anlage K2) erklärten die Kläger den Widerruf ihrer auf Abschluss der beiden oben bezeichneten Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen. Den Widerruf wies die Beklagte mit Schreiben vom 26.08.2015 (Anlage K4) zurück.
10Die Kläger sind der Ansicht, dass die von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrungen nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprächen, weshalb der Lauf der Widerrufsfrist jeweils nicht in Gang gesetzt worden sei.
11Ursprünglich – mit der Klageschrift vom 16.09.2015 – haben die Kläger beantragt:
12- 13
1. Es wird festgestellt, dass die Kläger aus dem Darlehensvertrag vom 17.08.2009 mit der Nummer ########## aufgrund des Widerrufs vom 10.06.2015 nur noch die Zahlung eines Betrages in Höhe von 152.411,88 € schulden.
- 15
2. Es wird festgestellt, dass die Kläger aus dem Darlehensvertrag mit der Nummer ########## aufgrund des Widerrufs vom 10.06.2015 nur noch die Zahlung eines Betrages von 89.825,95 € schulden.
- 17
3. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertragsverhältnis mit der Nummer ########## über den Darlehensbetrag in Höhe von 171.000,00 € durch Widerruf vom 10.06.2015 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wurde.
- 19
4. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertragsverhältnis mit der Nummer ########## über den Darlehensbetrag in Höhe von 171.000,00 € durch Widerruf vom 10.06.2015 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wurde.
Mit Schriftsatz vom 25.04.2016 haben die Kläger ihre Anträge wie folgt geändert bzw. erweitert:
21- 22
1. Es wird festgestellt, dass die Kläger aus dem Darlehensvertrag vom 17.08.2009 mit der Nummer ########## aufgrund des Widerrufs vom 10.06.2015 nur noch die Zahlung eines Betrages in Höhe von 153.205,48 € schulden.
- 24
2. Es wird festgestellt, dass die Kläger aus dem Darlehensvertrag mit der Nummer ########## aufgrund des Widerrufs vom 10.06.2015 nur noch die Zahlung eines Betrages von 89.627,58 € schulden.
- 26
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rückabwicklung des Darlehensvertrages mit der Nummer ########## in Verzug befindet.
- 28
4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rückabwicklung des Darlehensvertrages mit der Nummer ########## in Verzug befindet.
- 30
5. Die Beklagte zu verurteilen, den Klägern eine löschungsfähige Quittung nach den §§ 1192 Abs. 1, 1168 BGB für die im Grundbuch von B des Amtsgerichts K, Band 84, Blatt 2597, Flur 6, Flurstück 543/2 eingetragene Grundschuld über 271.000,00 € zu erteilen Zug-um-Zug gegen Zahlung in Höhe von 242.833,06 €.
- 32
6. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger, die nach der Widerrufserklärung auf den Darlehensvertrag ########## geleisteten monatlichen Darlehensraten in Höhe von 779,48 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jeweils seit dem 01.07.2015, dem 01.08.2015, dem 01.09.2015, dem 01.10.2015, dem 01.11.2015, dem 01.12.2015, dem 01.01.2016, dem 01.02.2016, dem 01.03.2016 und seit dem 01.04.2016 zurückzugewähren.
- 34
7. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger, die nach der Widerrufserklärung auf den Darlehensvertrag ########## geleisteten vierteljährlichen Darlehensraten in Höhe von 1.411,77 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jeweils seit dem 01.07.2015, dem 01.10.2015, dem 01.01.2016 und seit dem 01.04.2016 zurückzugewähren.
- 36
8. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB aus einem Betrag in Höhe von 83.491,50 € seit dem 11.06.2015 bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung der Darlehensvaluta zu zahlen.
Auf entsprechenden Hinweis des Gerichts mit Verfügung vom 02.05.2016 (Bl. 118 f. d.A.) haben die Kläger mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.05.2016 (Bl. 123 d.A.) den vorstehenden Klageantrag zu Ziff. 5. zurückgenommen.
38Die Kläger beantragen nunmehr (unter erneuter Antragsumstellung mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.06.2016, dort S. 2 f. = Bl. 135 f. d.A.):
39- 40
1. Es wird festgestellt, dass Klägerseite an die Beklagte aus dem Darlehensvertrag vom 12.08.2009 mit der Darlehensnummer ########## über ursprünglich 171.000,00 € zum Stichtag 01.07.2015 aufgrund des wirksam erklärten Widerrufs keinen über einen Betrag in Höhe von 153.476,03 € hinausgehenden Betrag zu zahlen hat.
- 42
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rückabwicklung der streitgegenständlichen Darlehensverträge in Verzug befindet.
Hilfsweise:
44Es wird festgestellt, dass die Beklagte zum Stichtag 01.07.2015 ihren Anspruch auf Verzinsung der noch offenen Valuta verloren hat.
45- 46
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite aus einem Betrag in Höhe von 53.004,64 € Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB für die Zeit zwischen dem 01.07.2015 bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung der Darlehensvaluta zu zahlen.
- 48
4. Es wird festgestellt, dass die Klägerseite für jede Zahlung, die die Klägerseite an die Beklagte ab dem 01.07.2015 vornimmt, Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB für die Zeit zwischen dem Datum der Anweisung der Zahlung und der Rückführung des Darlehens zu zahlen hat.
- 50
5. Es wird festgestellt, dass Klägerseite an die Beklagte aus dem Darlehensvertrag vom 31.08.2009 mit der Darlehensnummer ########## über ursprünglich 100.000,00 € zum Stichtag 01.07.2015 aufgrund des wirksam erklärten Widerrufs keinen über einen Betrag in Höhe von 89.780,57 € hinausgehenden Betrag zu zahlen hat.
- 52
6. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rückabwicklung der streitgegenständlichen Darlehensverträge in Verzug befindet.
Hilfsweise:
54Es wird festgestellt, dass die Beklagte zum Stichtag 01.07.2015 ihren Anspruch auf Verzinsung der noch offenen Valuta verloren hat.
55- 56
7. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite aus einem Betrag in Höhe von 30.486,86 € Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB für die Zeit zwischen dem 01.07.2015 bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung der Darlehensvaluta zu zahlen.
- 58
8. Es wird festgestellt, dass die Klägerseite für jede Zahlung, die die Klägerseite an die Beklagte ab dem 01.07.2015 vornimmt, Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB für die Zeit zwischen dem Datum der Anweisung der Zahlung und der Rückführung des Darlehens zu zahlen hat.
- 60
9. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 4.541,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
62die Klage abzuweisen.
63Sie ist der Ansicht, dass der Widerruf der Kläger verfristet sei. Ferner hält die Beklagte das Widerrufsrecht für verwirkt und wendet überdies eine unzulässige Rechtsausübung bzw. Rechtsmissbrauch ein.
64Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
65Entscheidungsgründe:
66I.
67Die Klage ist zulässig, wobei das Gericht die zuletzt gestellten Anträge (Schriftsatz vom 13.06.2016, dort S. 2 f. = Bl. 135 f. d.A.) zu Ziff. 2. und 6. (wortidentisch) sowie zu Ziff. 4. und 8. (ebenfalls wortidentisch) bei verständiger Würdigung dahingehend auslegte, dass der Antrag zu Ziff. 6. (der beide Darlehensverträge betrifft) nicht (doppelt) gestellt sein soll und die Anträge zu Ziff. 4. und 8. um den jeweils betroffenen Darlehensvertrag (zu 4.: mit der Nummer ##########, zu 8.: mit der Nummer ##########) zu ergänzen sind.
68Die – so verstandene – Klage ist jedoch unbegründet.
691.
70Den Klägern steht kein Anspruch auf Rückzahlung erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen Zug um Zug gegen Rückgewähr empfangener Nettokreditbeträge gemäß §§ 346, 357 BGB a.F. zu. Ein wirksamer Widerruf der auf Abschluss der beiden Darlehensverträge (d.h. des Wohnungsbau-Darlehensvertrages zur Hauptdarlehensnummer ########## sowie des Darlehensvertrages über Finanzierungsmittel aus dem KfW-Wohneigentumsprogramm zur Hauptdarlehensnummer ##########) gerichteten Willenserklärungen liegt nicht vor.
71Zwar stand den Klägern im Zusammenhang mit dem Abschluss der beiden Darlehensverträge ein Widerrufsrecht nach Maßgabe der §§ 495, 355 Abs. 1 S. 2 u. Abs. 2 S. 1 u. S. 3 BGB a.F. zu. Der mit Schreiben der Kläger vom 10.06.2015 erklärte Widerruf entfaltet allerdings keine Wirkung, da die Frist des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. im Zeitpunkt der Absendung der Widerrufserklärung bereits längst abgelaufen war.
72Die von der Beklagten in beiden Darlehensverträgen verwendeten Widerrufsbelehrungen genügen in ihrer (optischen und) inhaltlichen Gestaltung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB i.d.F. vom 08.12.2004 bis 10.06.2010.
73Die beiden Widerrufsbelehrungen unterscheiden sich nur marginal, nämlich wie folgt:
74- eingerahmt (Hauptdarlehen)/nicht eingerahmt (KfW-Darlehen),
75- Unterschiede in der optischen Gestaltung,
76- (Haupt-)Überschrift: WIDERRUFSRECHT/WIDERRUFSBELEHRUNG,
77- Unterstreichung des Worts „beiderseits“/fehlende Unterstreichung.
78Dass die Belehrung zum Hauptdarlehensvertrag die im Muster nicht vorgesehene Überschrift „WIDERRUFSRECHT“ trägt, ist unschädlich. Die Überschrift befindet sich außerhalb des eigentlichen Textes der Belehrung, ist somit nicht Teil der Widerrufsbelehrung selbst (vgl. BGH, Urt. v. 09.11.2011 – I ZR 123/10 – NJW 2012, 1814, 1816, Rn. 25).
79Soweit die Kläger meinen, dass der Kasten „Verbindlichkeit dieses Antrages/Bindefrist“ auf S. 7/17 des Hauptdarlehensvertrages verwirrende Angaben enthalte, dringen sie damit nicht durch. Denn diese Textpassage befindet sich nicht in der – die Seiten 5/17 und 6/17 der Vertragsurkunde umfassenden – Widerrufsbelehrung, sondern auf der darauffolgenden Seite 7/17.
80Die übrigen Beanstandungen betreffen beide Belehrungen gleichermaßen. Diese lassen die Belehrungen nicht falsch erscheinen. Im Einzelnen:
81a. Verwendung des Wortes „Widerspruch“
82Die einmalige Verwendung des Wortes „Widerspruch“ am Ende des mit der Überschrift „Adressat des Widerrufs“ eingeleiteten Absatzes begegnet keinen Bedenken, da aus der dazugehörigen Überschrift und dem Gesamtkontext der Belehrung unmissverständlich hervorgeht, dass hier Aussagen zu einem Widerrufsrecht getroffen werden (vgl. Urt. dieser Kammer v. 20.05.2016 – 3 O 199/15 – BeckRS 2016, 10061; OLG Celle, Hinweisbeschl. v. 23.03.2015 – 3 U 20/15 – abrufbar auf der Homepage der Beklagtenvertreter, dort unter Ziff. I.3. der Gründe = S. 7; LG Bonn, Urt. v. 09.11.2015 – 17 O 136/15 – BeckRS 2016, 05454; Urt. v. 05.11.2014 – 3 O 278/14 – BeckRS 2015, 07086; LG Lübeck, Urt. v. 31.10.2014 – 3 O 288/13 – zit. nach juris, Rn. 30).
83b. Einfügung von im Muster nicht vorgesehenen Zwischenüberschriften
84Auch die Einfügung der im Muster (Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV i.d.F. v. 04.08.2009 bis 10.06.2010) nicht vorgesehenen Zwischenüberschriften („Form des Widerrufs“, „Beginn der Widerrufsfrist“, „Adressat des Widerrufs“) ist unschädlich. Dies stellt zwar eine inhaltliche Abweichung vom Muster dar (vgl. dazu: LG Essen, Urt. v. 17.09.2015 – 6 O 190/15 – BeckRS 2016, 05983), begründet aber keinen Verstoß gegen § 355 Abs. 2 BGB a.F.
85c. Belehrung zum Beginn der Widerrufsfrist
86Die Belehrung zum Beginn der Widerrufsfrist ist nicht zu beanstanden (vgl. im Einzelnen hierzu: OLG Celle, a.a.O., dort unter Ziff. I.1. der Gründe = S. 5 f.; LG Köln, Urt. v. 05.08.2010 – 15 O 601/09 – zit. nach juris, Rn. 21-23; bestätigt durch OLG Köln, Beschl. v. 17.12.2010 – 13 U 176/10 – zit. nach juris). Das von den Klägervertretern auf S. 7-9 der Klageschrift zitierte Urteil des Bundesgerichtshofes vom 10.03.2009 (Az.: XI ZR 33/08; NJW 2009, 3572) ist nicht einschlägig: Dort ging es um das Angebot der Bank, während es vorliegend in der Widerrufsbelehrung um das Angebot der Kläger als Darlehensnehmer geht.
87d. fehlender Satz am Ende des Abschnitts „Widerrufsfolgen“
88Dass die Beklagte den Satz aus der Musterbelehrung „Die Frist beginnt für Sie mit der Absendung Ihrer Widerrufserklärung, für uns mit deren Empfang.“ in die streitgegenständlichen Belehrungen nicht aufgenommen hat, ist ebenfalls unschädlich (vgl. LG Bonn, Urt. v. 09.11.2015, a.a.O.).
89e. überflüssige Belehrung zu verbundenen Geschäften
90Dass die Widerrufsbelehrungen vorsorglich Angaben für verbundene Geschäfte beinhalten, ist unschädlich. Diese Angaben – mögen sie im Streitfall auch überflüssig sein – sind jedenfalls nicht geeignet, bei einem Verbraucher einen Irrtum über den Umfang und die Folgen seines Widerrufsrechts hervorzurufen. Aufgrund der jeweils ausführlichen Erläuterungen dazu, wann eine wirtschaftliche Einheit und ein verbundenes Geschäft vorliegen, die sogar in Fettdruck hervorgehoben sind, war die Belehrung hinreichend transparent (vgl. Urt. dieser Kammer v. 25.09.2015 – 3 O 66/15 – BeckRS 2015, 17470; Urt. dieser Kammer v. 20.05.2016, a.a.O.; LG Bonn, Urt. v. 05.11.2014 – 3 O 278/14 – BeckRS 2015, 07086; bestätigt durch OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 23.03.2015 – 13 U 168/14 – BeckRS 2015, 08374; LG Bonn, Urt. v. 09.11.2015, a.a.O.).
91f. fehlerhafte Belehrung zu verbundenen Geschäften
92Schließlich ist der von der Beklagten in beiden Belehrungen verwendete Satz „Steht dem Darlehensnehmer für das verbundene Geschäft ein gesetzliches Widerrufsrecht zu, so ist das Recht zum Widerruf des Darlehensvertrages ausgeschlossen.“ nicht zu beanstanden (vgl. LG Bonn, Urt. v. 09.11.2015, a.a.O.).
93g. Hinweise zum gesonderten Widerrufsrecht bei mehreren Darlehensnehmern
94Die Belehrungen sind auch nicht deswegen inhaltlich fehlerhaft, weil die Beklagte beide Darlehensnehmer als Adressaten der Belehrung in das Formular aufgenommen und Hinweise zum gesonderten Widerrufsrecht bei mehreren Darlehensnehmern erteilt hat. Zu der Frage, wie bei mehreren Darlehensnehmern zu verfahren ist, macht die Musterbelehrung keine Vorgaben. Die Beklagte war daher frei, ob sie für jeden der Darlehensnehmer gesonderte Belehrungen fertigt oder den Darlehensnehmern jeweils ein Exemplar überlässt, das sich an beide richtet (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 20.05.2014 – 6 U 182/13 – abrufbar unter: http://docplayer.org/209784-Oberlandesgericht-stuttgart-im-namen-des-volkes-urteil.html, S. 9 f. der UA). Mithin war der Hinweis zum Widerruf bei mehreren Darlehensnehmern nicht geeignet, die Kläger von der Ausübung ihres Widerrufsrechts abzuhalten (vgl. LG Bonn, Urt. v. 12.11.2015 – 17 O 59/15 – BeckRS 2016, 05455 m.w.N.).
95h. fehlender Hinweis auf Fernabsatzgeschäft
96Soweit die Kläger schließlich geltend machen, die Widerrufsbelehrungen seien fehlerhaft, weil es sich vorliegend um ein Fernabsatzgeschäft handele und sich daraus ergebende Informationspflichten der Beklagten nicht erfüllt worden seien, so können sie auch damit nicht gehört werden, da kein Fernabsatzgeschäft vorliegt.
97Gemäß § 312b Abs. 1 BGB a.F. sind Fernabsatzgeschäfte Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Hier sind die beiden Darlehensverträge nicht ausschließlich über die Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen. Zwar gab es zwischen den Klägern einerseits und der Beklagten andererseits zu keinem Zeitpunkt einen persönlichen Kontakt. Vielmehr fungierte die Firma „G OHG“ in Person von Herrn B nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien als Finanzierungsvermittlerin. Die Darlehensanträge wurden unstreitig von der Beklagten an die Vermittlerin gesandt, die die Unterschriften der Kläger einholte und die unterschriebenen Anträge an die Beklagte zurücksandte. Herr B war damit unstreitig als Vermittler, d.h. als Ansprechperson für die Kläger tätig. Schutzzweck des § 312b BG a.F. ist, dass der Verbraucher in der Praxis keine Möglichkeit hat, vor Abschluss des Vertrages das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung im Einzelnen zur Kenntnis zu nehmen. Diese Defizite sollen die Fernabsatzvorschriften ausgleichen. Ist eine zwischen Unternehmer und Verbraucher eingeschaltete Person in der Lage und damit beauftragt, dem Verbraucher in einem persönlichen Gespräch nähere Auskünfte über die angebotene Ware oder Dienstleistung zu geben, so kommt der Vertrag nicht ausschließlich über die Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2004 – III ZR 380/03 – NJW 2004, 3699, 3700). Dies läuft auch nicht dem Schutzzweck zuwider, da den Klägern Herr B als Ansprechperson zur Verfügung stand (vgl. zum Ganzen auch: LG Köln, Urt. v. 05.08.2010, a.a.O.).
98Dass die Beklagte, obwohl im Streitfall keine Fernabsatzgeschäfte vorliegen, in beiden Belehrungen unter der jeweiligen Überschrift „Widerrufsfolgen“ den nur für Fernabsatzverträge über Dienstleistungen geltenden Gestaltungshinweis [6] aus der Musterwiderrufsbelehrung übernommen hat, macht die Belehrungen entgegen der Ansicht der Klägervertreter ebenfalls nicht inhaltlich fehlerhaft. Der Hinweis mag überflüssig sein; insoweit wird sinngemäß auf die oben unter e. gemachten Ausführungen verwiesen. Der Hinweis war jedenfalls aber nicht geeignet, bei einem Verbraucher einen Irrtum über den Umfang und die Folgen seines Widerrufsrechts hervorzurufen. Der Verweis der Klägervertreter auf das Urteil des OLG Frankfurt vom 08.02.2012 (Az.: 19 U 26/11; BeckRS 2012, 07271) verfängt schon deshalb nicht, weil es dort um eine sog. „frühestens“-Belehrung und die – vom OLG verneinte – Frage ging, ob das von der Bank verwendete Formular dem damals gültigen Muster vollständig entsprach. Vorliegend handelt es sich jedoch nicht um sog. „frühestens“-Belehrungen; Gradmesser für die inhaltliche Richtigkeit der Belehrungen ist folglich allein § 355 Abs. 2 BGB a.F.
99Da der von den Klägern im Jahre 2015 erklärte Widerruf nicht innerhalb der Widerrufsfrist erfolgt ist, kam es für die Entscheidung dieses Rechtsstreits auf Fragen der Verwirkung und/oder des Rechtsmissbrauchs nicht an.
1002.
101Die weiteren Klageanträge sind damit ebenfalls unbegründet.
102II.
103Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
104Den – endgültigen – Streitwert hat das Gericht gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. den §§ 3, 5 ZPO unter Abänderung der Streitwertfestsetzungen mit Beschlüssen vom 07.10.2015 (dort Festsetzung auf 271.000,00 € nach der Summe der Nettokreditbeträge, s. Bl. 18R d.A.) und vom 16.02.2016 (dort Festsetzung auf bis zu 260.000,00 € nach der Höhe der noch offenen Darlehensvaluten, s. Bl. 82 d.A.) festgesetzt. Für die Bemessung des Streitwerts sind zunächst die Leistungen maßgeblich, die die Kläger gemäß den §§ 346 ff. BGB beanspruchen zu können meinen, nämlich die bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen, nicht dagegen, da es sich um eine Nebenforderung handelt, der Nutzungsersatz; bei der Schätzung des Wertes des klägerischen Interesses ist ein (Feststellungs-)Abschlag nicht vorzunehmen (vgl. BGH, Beschl. v. 12.01.2016 – XI ZR 366/15 – BeckRS 2016, 04425, Rn. 6 u. 12). Bei monatlichen Zins- und Tilgungsleistungen von 779,48 € auf den Hauptdarlehensvertrag ab dem 01.11.2009 (s. dazu Anlage K6 = Bl. 146 f. d.A.) sowie bei anfangs monatlichen (Zeitraum 01.11.2009 bis einschließlich 01.12.2010: 362,50 €) und ab dem 01.01.2011 vierteljährlichen Zins- und Tilgungsleistungen von 1.411,77 € auf den KfW-Vertrag (s. dazu Anlage K7 = Bl. 148 f. d.A.) errechnet sich danach bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Klageeinreichung (vgl. KG, Beschl. v. 04.05.2016 – 26 W 18/16 – BeckRS 2016, 09289, Rn. 5 f.), hier also bis zum 01.10.2015, ein Betrag von 89.432,96 € (Hauptdarlehensvertrag: 72 Monate x 779,48 €/Monat = 56.122,56 €; KfW-Vertrag: 14 Monate x 362,50 €/Monat + 20 Quartale x 1.411,77 €/Quartal = 33.310,40 €). Dieser Wert (= bis zu 95.000,00 €) entspricht dem Streitwert bis zum 28.04. und seit dem 17.05.2016. Für den Zeitraum dazwischen war für den Streitwert nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. Beschl. v. 04.03.2016 – XI ZR 39/15 – BeckRS 2016, 05324, Rn. 4; vgl. ferner: OLG Koblenz, Beschl. v. 31.03.2016 – 8 W 143/16 – zit. nach juris, Rn. 5; LG Düsseldorf, Urt. v. 08.04.2016 – 8 O 258/15 – zit. nach www.nrwe.de, Rn. 80) der Nennwert der Grundschuld in Höhe von 271.000,00 € hinzuzurechnen (= bis zu 380.000,00 €).
105III.
106Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 u. S. 2 ZPO.
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(1) Auf die Grundschuld finden die Vorschriften über die Hypothek entsprechende Anwendung, soweit sich nicht daraus ein anderes ergibt, dass die Grundschuld nicht eine Forderung voraussetzt.
(1a) Ist die Grundschuld zur Sicherung eines Anspruchs verschafft worden (Sicherungsgrundschuld), können Einreden, die dem Eigentümer auf Grund des Sicherungsvertrags mit dem bisherigen Gläubiger gegen die Grundschuld zustehen oder sich aus dem Sicherungsvertrag ergeben, auch jedem Erwerber der Grundschuld entgegengesetzt werden; § 1157 Satz 2 findet insoweit keine Anwendung. Im Übrigen bleibt § 1157 unberührt.
(2) Für Zinsen der Grundschuld gelten die Vorschriften über die Zinsen einer Hypothekenforderung.
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.
(1) Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren.
(2) Der Unternehmer muss auch etwaige Zahlungen des Verbrauchers für die Lieferung zurückgewähren. Dies gilt nicht, soweit dem Verbraucher zusätzliche Kosten entstanden sind, weil er sich für eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer angebotene günstigste Standardlieferung entschieden hat.
(3) Für die Rückzahlung muss der Unternehmer dasselbe Zahlungsmittel verwenden, das der Verbraucher bei der Zahlung verwendet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist und dem Verbraucher dadurch keine Kosten entstehen.
(4) Bei einem Verbrauchsgüterkauf kann der Unternehmer die Rückzahlung verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat. Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.
(5) Der Verbraucher trägt die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche von dieser Pflicht unterrichtet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen.
(6) Der Verbraucher ist nicht verpflichtet, die Waren zurückzusenden, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.
(7) Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht worden sind, ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können.
(8) Für die Rechtsfolgen des Widerrufs von Verträgen über die Bereitstellung digitaler Produkte gilt ferner § 327p entsprechend.
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von bis zu 320.000,00 €.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Kläger verlangt mit der vorliegenden Klage die Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrages nach erklärtem Widerruf.
3Zur Finanzierung des Erwerbs seiner eigengenutzten Wohnimmobilie schloss der Kläger mit der Beklagten im Juni 2007 einen Forward-Darlehensvertrag zur Kontonummer ########## über einen Nennbetrag von 100.000,00 € (Anlagenkonvolut K1).
4Der Darlehensantrag enthielt in separater Anlage (S. 6/18 und 7/18) folgende Widerrufsbelehrung:
5An dieser Stelle befindet sich eine Widerrufsbelehrung.
6Dem Vertrag beigefügt war ferner eine fünfseitige Broschüre mit der Überschrift „Information und Merkblatt zum Baufinanzierungsdarlehen für den Verbraucher“. Auf den S. 4/5 und 5/5 dieser Broschüre ist unter C.2. folgende weitere „Widerrufsbelehrung für den Kunden“ abgedruckt:
7An dieser Stelle befindet sich eine weitere Widerrufsbelehrung.
8Mit Schreiben vom 06.11.2014 (Anlage K3) erklärte der Kläger den Widerruf des Darlehensvertrages, den die Beklagte mit Schreiben vom 09.02.2015 (Anlage K4) zurückwies.
9Der Kläger ist der Ansicht, dass die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspräche, weshalb der Lauf der Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden sei.
10Ursprünglich – mit der Klageschrift vom 20.04.2015 – hat der Kläger in Bezug auf den Klageantrag zu Ziff. 1. die Verurteilung der Beklagten zur Erteilung einer löschungsfähigen Quittung für die nachfolgend näher bezeichneten Grundschulden Zug-um-Zug gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 71.618,72 € beantragt. Nach (Teil-)Erledigungserklärung des Klägers in Höhe des Differenzbetrages (von 12.170,71 €), der die Beklagte nicht zugestimmt hat, beantragt der Kläger nunmehr:
11- 12
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine löschungsfähige Quittung nach den §§ 1192 Abs. 1, 1168 BGB
für die im Grundbuch von D des Amtsgerichts D, Blatt Nr. ####, Abt. III, lfd.-Nr. 6, Flur ##, Flurstücke G1 und G2 eingetragene Grundschuld über 135.492,35 € sowie
14für die im Grundbuch von D des Amtsgerichts D, Blatt Nr. ####, Abt. III, lfd.-Nr. 2, Flur ##, Flurstück G3 eingetragene Grundschuld über 135.492,35 €
15zu erteilen Zug-um-Zug gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 59.448,01 €.
16- 17
2. Es wird festgestellt, dass der Darlehensvertrag mit der Darlehenskontonummer ########## durch den Widerruf des Klägers vom 06.11.2014 beendet worden ist.
- 19
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von allen wirtschaftlichen Nachteilen, die mittelbar oder unmittelbar aus der Zurückweisung des Widerrufs der Vertragserklärung zu dem Darlehensvertrag mit der Darlehenskontonummer ########## resultieren, freizustellen.
- 21
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.610,07 € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie ist der Ansicht, dass der Widerruf des Klägers verfristet sei. Ferner hält die Beklagte das Widerrufsrecht für verwirkt und wendet überdies eine unzulässige Rechtsausübung bzw. Rechtsmissbrauch ein.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe:
27I.
28Die zulässige Klage ist unbegründet.
291.
30Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das angerufene Landgericht Dortmund für sämtliche Klageanträge örtlich zuständig.
31Beim hiesigen Gericht besteht der ausschließliche dingliche Gerichtsstand der §§ 24, 25 ZPO. Mit dem Klageantrag zu Ziff. 1. begehrt der Kläger die Erteilung einer löschungsfähigen Quittung für zwei im Grundbuch von D eingetragene Grundschulden. Insoweit handelt es sich um eine Klage im Sinne von § 24 Abs. 1, 3. Alt. ZPO, für die aufgrund der Belegenheit der Grundstücke eine ausschließliche Zuständigkeit in Dortmund begründet ist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 28.01.2016 – 32 SA 75/15 – zit. nach juris, Rn. 12 ff.). Für die weiteren Klageanträge (Ziff. 2.: negativer Feststellungsantrag, Ziff. 3.: Freistellung von wirtschaftlichen Nachteilen, Ziff. 4.: Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten) besteht der dingliche Gerichtsstand des Sachzusammenhanges nach § 25 ZPO.
322.
33In der Sache hat die Klage dagegen keinen Erfolg.
34Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erteilung einer löschungsfähigen Quittung für die im Grundbuch von D eingetragenen Grundschulden Zug-um-Zug gegen Zahlung von 59.448,01 € zu. In Höhe des überschießenden Differenzbetrages von 12.170,71 € hat sich der Rechtsstreit in der Hauptsache nicht (teilweise) erledigt, weil die ursprüngliche Klage auch insoweit unbegründet war.
35Ein wirksamer Widerruf der auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung des Klägers liegt nicht vor.
36Zwar stand dem Kläger im Zusammenhang mit dem Abschluss des Darlehensvertrages ein Widerrufsrecht nach Maßgabe der §§ 495, 355 Abs. 1 S. 2 u. Abs. 2 S. 1 u. S. 3 BGB a.F. zu. Der streitgegenständliche Widerruf aus dem Jahre 2014 entfaltet allerdings keine Wirkung, da die Frist des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. im Zeitpunkt der Absendung der Widerrufserklärung längst abgelaufen war.
37Die von der Beklagten in dem Darlehensvertrag auf den S. 6/18 und 7/18 verwendete Widerrufsbelehrung genügt in ihrer optischen und inhaltlichen Gestaltung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB i.d.F. vom 08.12.2004 bis 10.06.2010. Die vom Kläger eingewandten Bedenken inhaltlicher Art lassen die Belehrung nicht falsch erscheinen. Im Einzelnen:
38a. keine Irreführung des Klägers durch Verwendung von zwei – voneinander abweichenden – Widerrufsbelehrungen
39Grundsätzlich ist ein Verbraucher nicht ordnungsgemäß belehrt, wenn ihm zwei Widerrufsbelehrungen erteilt werden, von denen eine inhaltlich unzutreffend ist, weil es wegen des Widerspruchs zwischen beiden Belehrungen insgesamt an einer unmissverständlichen Belehrung fehlt (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2004 – II ZR 352/02 – NJW-RR 2005, 180, 181; LG Düsseldorf, Urt. v. 21.08.2015 – 8 O 138/14 – BeckRS 2015, 19504; LG Karlsruhe, Urt. v. 11.04.2014 – 10 O 544/13 – BeckRS 2016, 05031).
40So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Mit Erhalt des Informations- und Merkblatts mit der dort abgedruckten – eindeutig fehlerhaften (vgl. nur BGH, Beschl. v. 10.02.2015 – II ZR 163/14 – BeckRS 2015, 07952, Rn. 14 m.w.N.) und auch von der Belehrung auf den S. 6/18 und 7/18 in mehrfacher Hinsicht abweichenden – „frühestens“-Widerrufsbelehrung wird der Verbraucher nicht in der Weise irritiert, dass er letztlich nicht wissen kann, welche der Belehrungen richtig ist und gelten soll; insofern weicht der Sachverhalt ab von den Fällen, über die der Wettbewerbssenat des Oberlandesgerichts Hamm in den von den Klägervertretern genannten Entscheidungen (vgl. Urt. v. 24.05.2012 – I-4 U 48/12 – BeckRS 2012, 13246; Urt. v. 26.05.2011 – I-4 U 35/11 – MMR 2011, 586, 587) zu befinden hatte.
41Denn bei dem Informations- und Merkblatt handelt es sich eindeutig nicht um eine zur Vertragserklärung gehörende Belehrung, sondern um eine allgemeine Information (vgl. LG Bonn, Urt. v. 12.11.2015 – 17 O 59/15 – BeckRS 2016, 05455; LG Köln, Urt. v. 05.08.2010 – 15 O 601/09 – zit. nach juris, Rn. 19, bestätigt durch OLG Köln, Beschl. v. 17.12.2010 – 13 U 176/10 – zit. nach juris).
42b. keine fehlerhafte Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist, über die Folgen des Widerrufs, über verbundene Geschäfte und durch die einmalige Verwendung des Wortes „Widerspruch“ (statt „Widerruf“)
43Die Formulierung „Die Widerrufsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Darlehensnehmer (…)“ – es folgen im Einzelnen dort aufgeführte Unterlagen – „erhalten hat, jedoch nicht vor dem Tag des Vertragsabschlusses.“ ist nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Belehrung über die Folgen des Widerrufs. Der Umstand, dass die Belehrung Angaben für verbundene Geschäfte enthält, ist nicht geeignet, den Verbraucher zu verwirren. Dass in der Passage mit der Überschrift „Adressat des Widerrufs“ einmal – offensichtlich versehentlich – das Wort „Widerspruch“ auftaucht, ist ebenfalls unschädlich. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen der vorgenannten Gesichtspunkte auf die von der Kammer geteilten Ausführungen in den nachfolgenden – zu wortgleichen Widerrufsbelehrungen der hiesigen Beklagten ergangenen – Entscheidungen des Landgerichts Bonn (vgl. Urt. v. 12.11.2015 – a.a.O. – Rn. 43 ff.; Urt. v. 09.11.2015 – 17 O 136/15 – zit. nach juris, Rn. 40 ff.; Urt. v. 07.09.2015 – 3 O 336/14 – zit. nach juris, Rn. 59 ff.; Urt. v. 05.11.2014 – 3 O 278/14 – zit. nach juris, Rn. 46) Bezug genommen.
44Da der von dem Kläger im Jahre 2014 erklärte Widerruf nicht innerhalb der Widerrufsfrist erfolgt ist, kam es für die Entscheidung dieses Rechtsstreits auf Fragen der Verwirkung und/oder des Rechtsmissbrauchs nicht an.
453.
46Die weiteren Klageanträge (Ziff. 2.: negativer Feststellungsantrag, Ziff. 3.: Freistellung von wirtschaftlichen Nachteilen, Ziff. 4.: Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten) sind damit, da sie dem Schicksal des Hauptantrages zu Ziff. 1. folgen, ebenfalls unbegründet.
47II.
48Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
49Den Streitwert hat das Gericht gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. den § 3, 5 ZPO festgesetzt. Für die Bemessung des Streitwerts sind zunächst die Leistungen maßgeblich, die der Kläger gemäß den §§ 346 ff. BGB beanspruchen zu können meint, nämlich die bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen, nicht dagegen, da es sich um eine Nebenforderung handelt, der Nutzungsersatz; bei der Schätzung des Wertes des klägerischen Interesses ist ein (Feststellungs-)Abschlag nicht vorzunehmen (vgl. BGH, Beschl. v. 12.01.2016 – XI ZR 366/15 – BeckRS 2016, 04425, Rn. 6 u. 12). Bis zum Widerruf hat der Kläger nach eigenem Vorbringen (S. 4 des Schriftsatzes seiner Prozessbevollmächtigten vom 01.04.2016) 44.479,08 € an Zins- und Tilgungsleistungen erbracht. Hinzuzurechnen waren nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. Beschl. v. 04.03.2016 – XI ZR 39/15 – BeckRS 2016, 05324, Rn. 4; vgl. ferner: OLG Koblenz, Beschl. v. 31.03.2016 – 8 W 143/16 – zit. nach juris, Rn. 5; LG Düsseldorf, Urt. v. 08.04.2016 – 8 O 258/15 – zit. nach www.nrwe.de, Rn. 80) die Nennwerte der beiden Grundschulden in Höhe von – jeweils – 135.492,35 €. Dies ergibt einen Gesamtstreitwert von 315.463,78 € (= bis zu 320.000,00 €).
50III.
51Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 u. S. 2 ZPO.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 27.01.2015 abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an einem ihrer Vorstandsmitglieder,
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr kosmetische Pflegemittel anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben, wenn die Verpackung eine Höhe von 7 cm aufweist und der in der Verpackung enthaltene Tiegel (mit Deckel) nur eine Höhe von 4 cm hat, wie nachfolgend abgebildet, wenn dies geschieht wie aus den Anlagen K 3 und K 4 ersichtlich,
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 219,35 € zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2014 zu zahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen fallen der Beklagten zur Last.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin aus Ziff. I. 1. des Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 50.000,00 abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen darf die Beklagte die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus Ziff. I.2. und Ziff. II. dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
I.
- 1
Der Kläger, ein Wettbewerbsverein, begehrt mit seiner der Beklagten am 21.02.2014 zugestellten Klage die Unterlassung des Vertriebs und der Bewerbung der Produkte „…TEINT OPTIMAL Anti-Age Tagespflege …" und „…TEINT OPTIMAL Anti-Age Nachtpflege …" (Preis: jeweils ca. € 10,00) durch die Beklagte. Der Kläger macht ergänzend Ansprüche auf Ersatz der ihm wegen der Abmahnung der Beklagten entstandenen Kosten von € 219,35 nebst Zinsen geltend. Die angegriffenen Produkte sind in einer 7 cm hohen Umverpackung verpackt, in die auf der Höhe von 3 cm ein Boden aus Pappe eingezogen ist, auf dem der 4 cm hohe und rund ausgeformte Tiegel steht, der eine Gesichtscreme in einer Menge 50 ml enthält.
- 2
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte biete diese Produkte in einer sogenannten Mogelpackung an. Sie verstoße damit gegen das EichG (inzwischen MessEG) und führe den Verkehr auch in die Irre (§ 5 UWG). Die Beklagte täusche eine größere Füllmenge vor, da sie Fertigverpackungen verwende, die äußerlich eine weitaus größere Füllmenge suggerierten.
- 3
Der Verkehr sei - insbesondere auch bei den Produkten der Beklagten - daran gewöhnt, dass im Kosmetikbereich Tiegel in Fertigverpackungen angeboten würden, die der Originalgröße des Tiegels entsprächen. Die Verbrauchererwartung über die Füllmenge und die Tiegelgröße werde enttäuscht. Der Verbraucher erhalte einen Tiegel, der nur etwa halb so groß sei wie die Verpackung. Eine zufällig zusammengestellte Auswahl von Gesichtspflegeprodukten (Anl. K 9) zeige, dass es wettbewerbskonforme Gestaltungen von Verpackungen ohne „Papp-Podest" gebe. Da die angegriffenen Produkte zu einem deutlich höheren Preis vertrieben würden als die sonstigen …-Vital-Produkte, werde die Irreführung des Verkehrs über die Füllmenge verstärkt. Es sei auch nicht richtig, dass sog. Performance-Produkte gegenüber den im unteren Preissegment liegenden Produkten in größeren Packungen angeboten würden, wie schon die aus den Anlagen K 10 und 11 ersichtlichen Produkte der Beklagten zeigten.
- 4
Angaben zur Füllmenge auf dem Boden der Verpackung oder die Darstellung des Tiegels auf der Verpackungsseite mit der Unterzeile „Die Produktabbildung entspricht der Originalgröße.", hinderten den falschen Eindruck einer größeren Füllmenge und eines größeren Tiegels nicht. Entgegen der Darstellung der Beklagten werde der angesprochene Verkehr von anderen Anbietern nicht stets durch Mogelpackungen getäuscht, wie eine zufällig zusammengestellte Auswahl preiswerter und hochwertiger Gesichtspflegeprodukte ernstzunehmender Wettbewerber zeige (Anlage K 9). Gerade eine uneinheitliche Gestaltung täusche den Verkehr. Die Beklagte zeige durch den seitlich angebrachten Hinweis auf die Originalgröße, dass sie der eigenen Darstellung zu den Verkehrsgewohnheiten nicht traue.
- 5
Die Beklagte ist dem Klägervortrag im Wesentlichen mit den Argumenten entgegengetreten, der Verbraucher erwarte erstens keine 50 ml übersteigende Füllmenge, denn es sei im Segment der Gesichtspflegeprodukte seit Jahrzehnten etablierte Praxis aller Anbieter, Creme-Tiegel nur mit einer Füllmenge von 50 ml in den Verkehr zu bringen. Zweitens gebe es bei den in einer äußeren Umverpackung abgegebenen Creme-Tiegeln keine einheitliche Übung hinsichtlich der Größe der äußeren Umverpackung, und drittens diene die Größe der äußeren Umverpackung als differenzierendes Merkmal zwischen unterschiedlich positionierten Produkten einer Marke. Nicht selten gebe es innerhalb einer Marke Basisprodukte im unteren Preissegment typischerweise in kleineren Umverpackungen. Sogenannte Performance-Produkte der gleichen Marke, die üblicherweise teurere Inhaltsstoffe enthielten und „mehr Wirkung" auslobten sowie preislich über den Basisprodukten positioniert seien, würden in größeren Packungen angeboten. Die Übung sei weithin verbreitet, und zwar sowohl bei namhaften Markenanbietern als auch bei Handelsmarkenprodukten. Ein Vielzahl von Produkten aus dem in Rede stehenden Segment werde trotz gleichen Füllinhalts (50 ml) in einer Umverpackung angeboten, die genauso groß oder zum Teil sogar größer als die streitgegenständlichen Produkte der Beklagten seien. Wenn der Verkehr aus der Größe der Verpackung überhaupt Rückschlüsse ziehe, dann bezogen auf die preisliche Positionierung des entsprechenden Produkts innerhalb einer Marke.
- 6
Dazu hat die Beklagte eine Vielzahl von Gesichtspflegeprodukten verschiedener Marken vorgelegt und behauptet, die vorgelegten Produkte deckten 88% des vorliegend in Rede stehenden Marktes ab (Anlage B 6 und Zeugnis Vorwerk). Bei dem von dem Kläger vorgelegten Produkt „Hormocenta" handele es sich um ein Nischenprodukt. Wenn es eine Divergenz zwischen der Verbrauchererwartung und dem tatsächlichen Inhalt der Verpackung gäbe, sei dies aus verschiedenen Gründen nicht rechtserheblich. Der Annahme einer Irreführung stehe entgegen, dass die Füllmenge von 50 ml auf dem Verpackungsboden angegeben und auf der Verpackungsseite der in der Verpackung enthaltene Tiegel in Originalgröße abgebildet sei. Letzteres gehe konform mit der Richtlinie zur Gestaltung von Fertigpackungen mit Körperpflegemitteln des Bundeswirtschaftsministeriums (Anlage B 4) und auch die Landeseichbehörde, die Eichdirektion Nord, habe eine entsprechende Verpackungsgestaltung akzeptiert (Anlage B 5).
- 7
Im Termin vom 16.12.2014 vor dem Landgericht hat der Kläger deutlich gemacht, dass Streitgegenstand die im Antrag abgebildete Vorderseite des Produkts in Verbindung mit den Anlagen K 3 - K 6 sein soll.
- 8
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat in seiner Entscheidung den Antrag aus der Klage vom 19.02.2014 wiedergegeben, die vom Kläger im Termin vom 16.12.2014 vorgenommene Konkretisierung indes nicht im Tatbestand dargestellt, sondern davon nur zu Beginn der Entscheidungsgründe im Zusammenhang mit der Erörterung der Zulässigkeitsfrage und auch nur in Bezug auf die Anlagen K 3 und K 4 berichtet. Auf das angegriffene Urteil wird - auch wegen der Anträge erster Instanz - verwiesen.
- 9
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er ist der Ansicht, die Auffassung des Landgerichts widerspreche Sinn und Zweck des § 43 Abs. 2 MessEG (vormals § 7 II EichG). Sei die Divergenz zwischen Verpackung und deren Inhalt - wie im Streitfall - nicht technisch oder wirtschaftlich notwendig, liege eine Täuschung vor. Der Käufer von kosmetischen Produkten sei ebenfalls nur situationsadäquat aufmerksam. Die Zusammensetzung der deutlich günstigeren Produkte (K 5 und K 6) sei mit der der streitigen Produkte nahezu identisch. Das Landgericht habe daher zu Unrecht angenommen, die streitgegenständlichen Produkte seien werthaltiger. Die Verpackung sei es, die die Produkte hochwertiger erscheinen lasse. Die Beklagte vertreibe auch höherwertigere Produkte (etwa Anlage K 10, Preis ca. 10,00 €) in einer normalen Verpackung. Zu Unrecht gehe das Landgericht davon aus, dass die Verpackungen auf dem hier relevanten Markt für Kosmetik teils erheblich in Größe und Format variierten. Die von der Beklagten vorgelegten Produktverpackungen ließen nicht erkennen, dass die Umverpackungen der günstigeren Produkte in der Regel kleiner und die höherpreisigeren großzügiger seien. Die schiere Masse der vorgelegten Produkte könne diese Annahme nicht rechtfertigen. Ausweislich der Anlage B 6 böten im Wesentlichen zwei Hersteller Pflegeprodukte zu einem 10,00 € übersteigenden Preis an, nämlich … die Produkte „DIADERMINE" und L'OREAL das Produkt „Dermo Expertise Gesichtspflege". Im Gegensatz zu den sehr aufwändigen, werthaltigen und größeren Tiegeln von L'OREAL handele es sich bei den Tiegeln der Beklagten um einfache, minderwertige Tiegel. Die äußeren Umverpackungen von Kosmetikartikeln entsprächen regelmäßig den in ihnen enthaltenen Tiegeln. Die Mogelpackung der Beklagten sei die Ausnahme. Der Verkehr kenne die normalen …VITAL-Produkte und sehe diese neben den angegriffenen Produkten im Regal. Er habe keine Veranlassung, die jeweilige Füllmenge zu überprüfen, sondern kaufe die streitgegenständlichen Produkte in den größeren Verpackungen und in der Überzeugung, dass er damit eine größere Füllmenge erwerbe. Selbst wenn man die Annahme des Erstgerichts, dass die Füllmenge von 50ml marktüblich und dem Verkehr bekannt sei, was nicht der Fall sei, als richtig unterstelle, führe das aus der Täuschung nicht heraus. Der Verbraucher habe entgegen der Annahme des Landgerichts keine Veranlassung, aufgrund einer größeren und/oder aufwändiger gestalteten Verpackung davon auszugehen, dass in der Verpackung allein ein werthaltigeres Produkt enthalten sei. Gesichtspflegeprodukte würden sowohl in der Größe 75 ml (Hormocenta, Böttger, Sebamed, Lavera - Anl. K 13) als auch in 30 ml-Größen angeboten. Die vom Verbraucher nicht beachtete Seitenfläche der Verpackung diene im Übrigen nur der weiteren Bewerbung des Produkts. Zur Aufklärung über die wahre Größe des Tiegels sei die dreidimensionale, perspektivisch verzerrte Darstellung ungeeignet.
- 10
Der Kläger beantragt,
- 11
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 27.01.2015 wie folgt abzuändern:
- 12
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an einem ihrer Vorstandsmitglieder,
- 13
zu unterlassen,
- 14
im geschäftlichen Verkehr kosmetische Pflegemittel anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben, wenn die Verpackung eine Höhe von 7 cm aufweist und der in der Verpackung enthaltene Tiegel (mit Deckel) nur eine Höhe von 4 cm hat, wie nachfolgend abgebildet, wenn dies geschieht wie aus den Anlagen K 3 und K 4 ersichtlich,
- 15
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 219,35 € zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2014 zu zahlen.
- 16
Die Beklagte beantragt,
- 17
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
- 18
Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und meint, die Berufung sei schon nicht zulässig, weil der Kläger nicht alle, die Klagabweisung schon jeweils für sich genommen rechtfertigenden Urteilsgründe angegriffen habe. Die Berufung habe keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der landgerichtlichen Tatsachenfeststellung begründen könnten, aufgezeigt. Die Berufung beschränke sich an etlichen Stellen darauf, die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts zu negieren. Soweit das Landgericht eine Füllmenge der Cremetiegel von 50 ml für marktüblich erachtet habe, trage das schon die Klagabweisung. Die Berufung trete dem nicht entgegen. Hormocenta-, Böttger- und Sebamed-Produkte seien Nischenprodukte mit einem Marktanteil im Promillebereich. Soweit das Landgericht festgestellt habe, dass der Verkehr nicht von der Verpackungsgröße auf das Füllvolumen des Tiegels schließe, was die Klagabweisung allein rechtfertige, sei der Kläger dem ebenfalls nicht entgegengetreten. Auch der Feststellung des Landgerichts, der Verkehr sehe die Verpackungsgröße als differenzierendes Merkmal zwischen unterschiedlich positionierten Produkten einer Marke an, sei der Kläger nicht substantiiert entgegen getreten. Der Kläger definiere höherpreisigere Produkte ohne nähere Begründung als solche, die mehr als 10,00 € kosteten. Angesichts der Darlegungen der Beklagten zu 165 Gesichtspflegeprodukten 28 verschiedener Marken sei es unergründlich, wie der Kläger zu der Behauptung gelange, höherpreisige Produkte in größeren Umverpackungen würden im Wesentlichen nur von zwei Anbietern angeboten.
- 19
Da es den faktischen Standard einer Tiegelfüllmenge von 50 ml gebe und es keinerlei Übung gebe, von der äußeren Umverpackung Rückschlüsse auf die Tiegelgröße zu ziehen, rufe die Verpackungsgröße keine Fehlvorstellung über den tatsächlichen Inhalt der Verpackung hervor. Soweit der Kläger auf Unterschiede zu anderen Produkten der Beklagten verweise (K 5, 6, 10 und 11) sei dies nicht antragsgegenständlich und für den behaupteten Verstoß gegen § 43 Abs. 2 MessEG, der auf die Verpackung selbst abstelle, unerheblich. Die Beklagte vertreibe die von dem Kläger in den Anlagen K 3 bis K 6 vorgelegten Produkte seit 2014 nicht mehr in den aus den Anlagen ersichtlichen Aufmachungen. Sie bringe die Produkte des in Rede stehenden Segments in Umverpackungen in den Verkehr, die hinsichtlich des Volumens denjenigen des streitgegenständlichen Produkts entsprächen (Anlagen B 7 - B 10). Die aufklärenden Angaben zur Füllmenge und Tiegelgröße seien hinreichend. Die Richtlinie des Bundeswirtschaftsministeriums, die nach wie vor in Kraft sei, sei nach Anhörung der zuständigen Wirtschaftsverbände und im Einvernehmen mit den für das Eichwesen zuständigen Behörden erarbeitet worden und stelle anerkanntermaßen ein Indiz für die Verbrauchererwartung und die rechtliche Erheblichkeit der Irreführung dar. Eine spürbare Beeinträchtigung der Verbraucherinteressen erfolge nicht.
- 20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
- 21
Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angegriffenen Verpackungsgestaltungen führen den angesprochenen Verkehr unter Verstoß gegen §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG über die Beschaffenheit der in der Verpackung enthaltene Ware in die Irre, weshalb der Kläger, dessen Aktivlegitimation nach § 8 Abs. 3 Ziff. 2 UWG nicht in Frage steht, von der Beklagten gemäß § 8 Abs. 1 UWG mit Erfolg die Unterlassung der angegriffenen Handlungen und auch die Erstattung der ihm infolge der Abmahnung der Beklagten entstandenen Kosten (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG) verlangen kann.
- 22
1. Die Berufung des Klägers ist zulässig, denn der Kläger hat hinreichend deutlich gemacht, dass er die Prämissen, die das Landgericht seiner festgestellten Verkehrsvorstellung zugrunde gelegt hat, angreift und auch die Verkehrsvorstellung selbst unzutreffend sei. Damit wird das Berufungsgericht aufgefordert, diese Feststellungen des Landgerichts zur Verkehrsvorstellung zu überprüfen und diese durch die eigenen Feststellungen des Berufungsgerichts zu ersetzen. Da insoweit keine Beweisaufnahme erforderlich ist, weil das Gericht die Verkehrsvorstellung jeweils aufgrund eigener Sachkunde feststellen kann (unten II.2.), ist es für die Zulässigkeit der Berufung in jedem Fall ausreichend, eine derartige Neufeststellung des Berufungsgerichts zu verfolgen. Entspricht sie der vorgetragenen Verkehrsvorstellung des Klägers (höhere Füllmenge) entzöge dies der landgerichtlichen Entscheidung die Grundlage.
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2. Das Verkehrsverständnis des angesprochenen Verkehrs können die Mitglieder des Senats selbst feststellen, denn sie gehören zu den angesprochenen Verkehrskreisen. Bei den streitgegenständlichen Gesichtspflegeprodukten handelt es sich um Produkte, die dem allgemeinen - erwachsenen - Verkehr angeboten und von diesem genutzt werden.
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Werden Gegenstände des allgemeinen Bedarfs angeboten oder beworben und zählen die Richter zu den (potenziellen) Nachfragern der Waren/Leistungen, dann bedarf es nach der Rechtsprechung des BGH zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses im allgemeinen keines durch eine Meinungsumfrage untermauerten Sachverständigengutachtens, und zwar unabhängig davon, ob das Gericht im konkreten Fall eine Irreführung aufgrund eigener Sachkunde bejahen oder verneinen möchte (BGH, GRUR 2004, 244 - Marktführerschaft; GRUR 2013, 401 Rn. 32 - Biomineralwasser; GRUR 2013, 631 Rn. 47 f. - AMARULA/Marulablu; vgl. auch Teplitzky/Schwippert, Kap. 47 Rn. 16; MünchKommUWG/Ehricke, vor § 12 UWG Rn. 97; Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 2.76; Piper/Ohly/Sosnitza, § 5 UWG Rn. 146). So liegt der Fall hier, weshalb es der Senat nicht für erforderlich erachtet, ein demoskopisches Gutachten einzuholen.
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Dabei ist auf das Verkehrsverständnis eines situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers abzustellen, wobei im Streitfall das Verkehrsverständnis eines eher flüchtigen Verbrauchers maßgebend ist, denn es handelt sich bei den in Rede stehenden Produkten um solche des täglichen Bedarfs, jedenfalls aber nicht um Produkte, denen der Verkehr schon wegen ihres hohen Preises eine besondere Aufmerksamkeit entgegen bringt. Gesichtspflegeprodukte erwirbt der Verkehr - auch noch, wenn sie sich im Preissegment von ca. 10,00 € bewegen - regelmäßig auf Sicht, ohne sie einer näheren Begutachtung zu unterziehen.
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3. Es liegt allerdings weder ein Verstoß gegen die zum Zeitpunkt der Klagerhebung noch bis zum 31.12.2014 geltende Vorschrift des § 7 Abs. 2 EichG noch gegen die seitdem geltende Vorschrift des § 43 Abs. 2 MessEG vor.
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Nach § 7 Abs. 2 EichG mussten Fertigpackungen so gestaltet und befüllt sein, dass sie keine größere Füllmenge vortäuschen, als in ihnen enthalten ist. Nach des § 43 Abs. 2 MessEG ist es verboten Fertigpackungen herzustellen, herstellen zu lassen, in den Geltungsbereich des Gesetzes zu verbringen, in den Verkehr zu bringen oder sonst auf dem Markt bereit zu stellen, wenn sie ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge vortäuschen als in ihnen enthalten sind.
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Davon ist im Streitfall entgegen der von dem Kläger vertretenen Auffassung nicht auszugehen.
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Zwar erwartet der Verkehr grundsätzlich, dass die Verpackung im angemessenen Verhältnis zu der darin letztlich tatsächlich enthaltenen Füllmenge des Produkts steht. Die Verkehrsvorstellung kann jedoch je nach der Art des verpackten Produkts divergieren. Ist dem Verkehr aufgrund entsprechender Gewöhnung bekannt, dass die Verpackungsgröße regelmäßig außer Verhältnis oder in keinem bestimmten Verhältnis zum Inhalt des eigentlichen Produkts steht, dann ist eine solche Verpackungsgröße zur Täuschung nicht geeignet. Das ist etwa bei Pralinenpackungen der Fall (siehe Zipfel/Rathke, Rn. 29 und 33 zu § 7 EichG), die allerdings häufig auch nach Art einer Geschenkverpackung daherkommen (sogenannter Spiegeleinsatz - ebenda). Auch Parfümflaschen sind regelmäßig in besonderer Weise gestaltet und stehen in ihren Ausmaßen und daran orientiert auch hinsichtlich ihrer Umverpackung in keinem für den Verkehr klar erkennbaren Verhältnis zur Füllmenge. Das Kammergericht (ZLR 88, 523) hat für Eau de Toilette-Packungen ebenfalls festgestellt, dass der Verbraucher damit rechnet, dass die Verpackung besonders aufwendig und voluminös ist, und kein festes Verhältnis zwischen Verpackungsvolumen und Füllmenge des Produkts feststellbar ist.
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So liegt es auch im Streitfall - jedenfalls bezogen auf die Vorstellungen des angesprochenen Verkehrs in Bezug auf die Füllmenge des in der Umverpackung enthaltenen Creme-Produkts.
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a) Dabei ist allerdings nicht davon auszugehen, dass der Verkehr stets unabhängig von der Verpackungsgröße eine Füllmenge von nicht mehr als 50 ml erwartet und schon deswegen in Bezug auf die Füllmenge des eigentlichen Produkts nicht in seinen Erwartungen enttäuscht werden könnte. Der Senat vermag dem entsprechenden Vortrag der Beklagten nicht zu folgen. Ein solches Verkehrsverständnis drängt sich auch nicht mit Blick auf die von der Beklagten in den Anlagenkonvoluten B 1 - B 3 vorgelegte Produktpalette auf. Unabhängig davon, dass nach dem unstreitigen Vortrag des Klägers immerhin einige Produkte im Markt vorhanden sind, die größere oder kleinere Füllmengen als 50 ml enthalten, kann nicht angenommen werden, dass der allgemeine Verkehr einen auch nur annähernden Marktüberblick hat, der dem der Beklagten oder sonstiger Fachkreise entspricht und der es dem Verbraucher erlaubte, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Füllmengen Gesichtspflegeprodukte regelmäßig aufweisen. Gerade angesichts der Vielzahl der verschiedenen Anbieter und Marken, zu denen die Beklagte vorgetragen und Produkte vorgelegt hat, ist es fernliegend anzunehmen, dass der Verkehr um die - unterstelltermaßen im wesentlichen - Einheitlichkeit der Füllmengen weiß. Dass dies bei Pralinen anders sein kann, weil derartige Produkte offenkundig (§ 291 ZPO) seit Jahrzehnten in geschenkpackungsartigen Behältnissen angeboten werden, steht dem nicht entgegen. Eine entsprechende Verkehrsgewöhnung für Körperpflegeprodukte der streitigen Art ist nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennbar. Dagegen spricht auch, dass erhebliche Teile des Verkehrs erstmals an die streitigen Produkte herangeführt werden und sich schon deshalb nicht an bekannten Füllmengen orientieren können.
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b) Vor diesem Hintergrund kann aber auch nicht festgestellt werden, dass sich der Verkehr für seine Erwartung an die Füllmenge des angebotenen Produkts an der Verpackungsgröße orientiert. Einerseits ist es unstreitig und lassen dies auch die von der Beklagten vorgelegten Produkte erkennen, dass einheitliche Packungsgrößen am Markt nicht angeboten werden. Dies insbesondere und vor allem deshalb nicht, weil die die Gesichtspflege-Cremes enthaltenden Tiegel, wie die von der Beklagten vorgelegte Produktpalette zeigt, von unterschiedlicher Ausgestaltung und Größe sind. Weiß der Verkehr aber - wie ausgeführt - nicht, dass die am Markt angebotenen Gesichtspflegeprodukte weit überwiegend lediglich eine Füllmenge von 50 ml enthalten und ist - wie im Streitfall - auch nichts dafür vorgetragen oder sonst erkennbar, dass der Verkehr bestimmte Grundannahmen zum Verhältnis von Packungsgröße und Füllmenge des darin enthaltenen eigentlichen Creme-Produkts hat, dann erschließt sich nicht, dass der Verkehr von einer Verpackung, die größer ist als die Verpackung von einigen Wettbewerbsprodukten oder auch weiteren Produkten des jeweiligen Anbieters eine größere Füllmenge erwartet. Es fehlt schon an einer im Verhältnis zu Verpackungsgröße stehenden üblichen Füllmenge, an der sich der Verkehr orientieren könnte. Angesichts dessen, dass auch die Beklagte selbst ihre Verpackungsgrößen variiert, und zwar nach dem Vortrag des Klägers auch unabhängig davon, ob das angebotene Creme-Produkt einer höheren Preiskategorie zugeordnet werden kann (Anlagen K 5 und 6, [= Anl. B 2k)], K 10 und 11), kann eine Verkehrsvorstellung dahin, dass der Verkehr in einer größeren Verpackung stets auch eine größere Füllmenge erwartete, nicht festgestellt werden.
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Es kann daher in diesem Zusammenhang auch dahinstehen, ob der Beklagten in ihrer Darstellung gefolgt werden kann, der Verkehr sei daran gewöhnt, dass ein Anbieter unter seiner Marke die höherpreisigeren und angeblich höherwertigeren Produkte in gegenüber den Basisprodukten größeren Verpackungen anbietet.
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4. Der angesprochene Verkehr wird durch die angegriffene Verpackung dennoch über die Beschaffenheit des in der Verpackung enthaltenen Produkts in die Irre geführt (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG).
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a) Die angegriffenen Verpackungen weisen einen Hohlraum auf, der innerhalb der Verpackung nach Art eines Podests ausgestaltet ist, auf dem der eigentliche Creme-Tiegel steht. Diese Erhöhung steht zu der Größe des darin enthaltenen Tiegels im Verhältnis von 3 cm zu 4 cm, so dass der Hohlraum fast 43% des Volumens der Gesamtverpackung ausmacht. Einen solchen Hohlraum erwartet der Verkehr grundsätzlich nicht. Er geht davon aus, dass die Verpackung jedenfalls in einem angemessenen Verhältnis zur Größe des in ihr enthaltenen Creme-Tiegels steht. Er weiß darum, dass die Verpackung ein Behältnis, den Tiegel, enthält, in dem sich das eigentliche Produkt, die Gesichtscreme, befindet. Im streitgegenständlichen Segment der Gesichts-Cremes sind diese Tiegel, wie der Verkehr, der auch nur anhand eines kleinen Ausschnitts des wettbewerblichen Umfeldes feststellen kann, weiß, verschieden gestaltet und kommen insbesondere auch optisch so daher, dass sie sich dem Verbraucher als mehr oder minder wertige Behältnisse präsentieren, die aus der Verbrauchersicht die Qualität des jeweiligen Creme-Produkts unterstreichen und die Creme teils auch ansehnlich im Kosmetikregal vorhalten sollen. Auch den Senatsmitgliedern ist dies bekannt. Hohlräume in der Verpackung erwartete der Verkehr allenfalls dort, wo sie etwa aus technischen Gründen - z.B. zur Vermeidung von Transportschäden - hergestellt werden. Dass der im Streitfall in Rede stehende Verpackungshohlraum technisch bedingt wäre, behauptet auch die Beklagte nicht. Das ist - insbesondere in dem dargestellten Ausmaß - auch sonst nicht ersichtlich. In der Vorstellung, dass die äußere Umverpackung einen Tiegel enthält, der - von technisch bedingten Hohlräumen abgesehen - annähernd auch der Größe der Umverpackung entspricht, wird der Verkehr enttäuscht und daher in die Irre geführt.
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Dass der Verkehr darum wüsste, dass die Tiegel eines Anbieters auch dann stets von gleicher Größe und Gestaltung sind, wenn der Hersteller ein gegenüber dem Basisprodukt höherpreisiges und höherwertiges Produkt anbietet, kann nicht festgestellt werden. Dafür fehlt es an hinreichenden Anknüpfungstatsachen. Die dahingehende, zwar nicht auf die Tiegelgröße, sondern die Füllmenge bezogene Behauptung der Beklagten ist durch die vorgelegten Produkte nicht verifizierbar, denn sie lassen nicht den Schluss zu, dass eine unterstellte Übung einzelner Anbieter das Verkehrsverständnis maßgeblich geprägt hätte.
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b) Der beschriebenen und durch die Verpackungsgestaltung bewirkten Fehlvorstellung wirken die Angabe der Füllmenge auf der Verpackungsunterseite und/oder die Darstellung des Tiegels an der Verpackungsaußenseite nicht hinreichend entgegen.
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aa) Die Angabe der Füllmenge reicht - schon gar nicht auf der Unterseite der Verpackung - schon deshalb nicht aus, um eine Irreführung des Verkehrs zu vermeiden, weil sie keine Rückschlüsse auf die Größe des Tiegels zuließe. Auch nach der Darstellung der Beklagten variieren Verpackungsgrößen und damit auch die Größen der jeweiligen Tiegel unabhängig davon, dass in den Tiegeln tatsächlich überwiegend eine Füllmenge von 50 ml enthalten ist.
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Dass der Verkehr um Letzteres nicht weiß, ist zudem bereits ausgeführt. Davon, dass sich der Verkehr stets über die Füllmenge eines Produkts informierte, und schon deshalb keiner Irreführung unterliegen könnte, kann ebenfalls nicht ausgegangen werden. Daran orientieren sich etwa auch die Vorschriften der §§ 7 Abs. 2 EichG bzw. 43 Abs. 2 MessEG, die dem Schutz des Verkehr vor einer Irreführung über die Füllmenge infolge der Verpackungsgestaltung dienen. Sie sind unabhängig davon Gesetz worden, dass die Pflicht zur Mengenkennzeichnung von Produkten bereits vor der Kodifikation der genannten Vorschriften langjährig gesetzlich geregelt war. Der Gesetzgeber hatte hier bereits unterstellt, dass die Angabe der Füllmenge allein nicht geeignet ist, einer möglichen Irreführung des Verkehrs durch übergroße Verpackungen hinreichend entgegen zu wirken.
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bb) Die auf der Seite der Verpackung angebrachte Abbildung der Tiegel mit der Unterzeile „Die Produktabbildung entspricht der Originalgröße":
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ist ebenfalls nicht hinreichend.
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(1) Dies einerseits wegen der situationsangemessenen Flüchtigkeit, die der Verbraucher beim Kauf der streitgegenständlichen Produkte an den Tag legt. Produkte mit Preisen von deutlich mehr als 10,00 € sind nur mit ganz geringem Marktanteil vertreten (vgl. die Nielsen-Übersicht in Anlage B 6). Die Produkte der Beklagten bewegen sich mit einem Preis von um die 10,00 € noch in einem Bereich, in dem der Verbraucher die äußere Verpackung des Produkts vor dem Kauf keiner näheren Begutachtung bzw. Prüfung darauf unterzieht, ob und wenn ja welche aufklärenden Hinweise der Hersteller dem Kunden über die tatsächliche Größe der „Primärverpackung" gibt. Der Verbraucher kauft auf Sicht aus dem Regal heraus. Einem erheblichen Teil des Verkehrs wird schon die Abbildung des Tiegels auf der Seitenfläche der Verpackung in der Regel nicht ins Auge fallen.
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Wohl auch deshalb weisen die von der Beklagten vorgelegten und den Senat bei seiner Entscheidung nicht bindenden „Richtlinien zur Gestaltung von Fertigpackungen mit Körperpflegemittel..." (Anlage B 4) über die Fußnote 3) darauf hin, dass Abbildungen der Innenpackung („aus Gründen der Verhinderung einer Verbrauchertäuschung" - Satz 1 der Fußnote) „auf den Hauptschauseiten erfolgen" müssen, um der Richtlinie zu genügen. Hauptschauseite ist im Streitfall die Vorderseite der Produktverpackung.
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(2) Jedenfalls aber nimmt der Verkehr die Erläuterung unterhalb der Produktabbildung („Die Produktabbildung entspricht der Originalgröße") nicht auf. Dies auch deshalb nicht, weil der Verbraucher keinen Anlass hat anzunehmen, dass die Umverpackung erheblich größer ist als die darin enthaltene Ware. Krasse Unterschiede zwischen Verpackungsgröße und Inhalt, wie sie im Streitfall vorliegen, erwartet der Verkehr nicht.
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cc) Gegen die vorstehend angenommene Irreführung des Verkehrs über die Größe des in der Umverpackung enthaltenen Tiegels spricht auch nicht die aus dem Jahre 2011 stammende Mitteilung der Eichbehörde, es gebe keine Beanstandungen wegen des Aspekts einer Mogelpackung (Anlage B 5). Die dortige Mitteilung der Eichbehörde betrifft auch nach der Darstellung der Beklagten ein anderes Produkt. Die Beklagte meint zwar, der vorgelegte Schriftverkehr betreffe eine „entsprechende", also der vorliegend streitgegenständlichen vergleichbare Verpackung. Die Beklagte hat aber eingeräumt, dass die seinerzeitig in Rede stehende Verpackung mit einem Sichtfenster versehen war. Die Verpackung war damit keinesfalls „entsprechend", denn die streitgegenständliche Verpackung weist ein Sichtfenster, das es dem Verkehr erlaubte, die Tiegelgröße in Augenschein zu nehmen, nicht auf.
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c) Die Irreführung des Verbrauchers über die Tiegelgröße ist auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte, und damit zugleich als geschäftliche Handlung unlauter.
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Wie schon ausgeführt, kommen die Creme-Tiegel im streitgegenständlichen Warensegment gerade auch in ihrer Gestaltung und ihren Ausmaßen so daher, dass sie sich dem Verbraucher als mehr oder minder wertige Behältnisse präsentieren, die aus der Verbrauchersicht die Qualität des jeweiligen Creme-Produkts unterstreichen und die Creme teils auch ansehnlich im Kosmetikregal vorhalten sollen. Der Verbraucher erwartet - wie ausgeführt abgesehen von technisch bedingten Hohlräumen - bei größeren Verpackungen entsprechend größere Tiegel, die haptisch und optisch bei der täglichen oder gelegentlichen Anwendung der Gesichtscreme die Vorstellung von der Wertigkeit und der mehr oder minder besonderen pflegenden Eigenschaften des Produkts unterstreicht. Wie sich die jeweilige Gesichtscreme dem Verbraucher in dem jeweiligen Tiegel präsentiert, ist daher für seine Kaufentscheidung neben anderen Kriterien, wie der jeweiligen - auch markenabhängigen - Erwartung an die Qualität der eigentlichen Gesichtscreme oder dem Preis des Produkts, von maßgeblicher Bedeutung. Die Beklagte weist in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.02.2016 selbst darauf hin, dass es im streitgegenständlichen Produktsegment um ein gehobenes Produkt geht, das „ein kleines bisschen Luxus im Alltag" verkörpert. Das drückt sich für den Verkehr auch in der Gestaltung und Größe des Tiegels aus. Wüsste der Verbraucher, dass die streitgegenständliche, 7 cm hohe Verpackung einen Hohlraum von 3 cm aufweist und der in der Verpackung enthaltene Tiegel deshalb wesentlich kleiner ist als es die Größe der Umverpackung vermuten lässt, hätte dies maßgeblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung und könnte dies den Verbraucher ohne weiteres veranlassen, sich einem anderen Wettbewerbsprodukt zuzuwenden.
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5. Dem Kläger steht nach allem gemäß § 8 Abs. 1 UWG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Er ist auf die konkrete Verletzungsform bezogen und ist damit auch hinreichend bestimmt. Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz im Berufungsantrag zusätzlich zu den im Antrag wiedergegebenen Produktdarstellungen auch auf die Anlagen K 3 und 4 Bezug nimmt, entspricht dies seinem bereits in erster Instanz geltend gemachten Begehren. Ausweislich des Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2014 vor dem Landgericht Hamburg sind Streitgegenstand die im Antrag mit ihrer Vorderseite abgebildeten Produkte in Verbindung mit den Anlagen K 3 - K 6. Soweit damit auf die Anlagen K 5 und K 6 Bezug genommen worden ist, handelt es sich allerdings ersichtlich um einen Irrtum, denn als Anlagen K 5 und K 6 sind ausweislich der Klagschrift (dort Seite 4) zwei vergleichbare - aber nicht streitgegenständliche - Pflegeprodukte einer anderen „… VITAL"-Produktreihe im Original vorgelegt worden. Diese befinden sich nicht mehr bei der Akte, sind aber von der Beklagten - neben den streitgegenständlichen Produkten (K 3 und K 4) - in der Anlage B 2k ebenfalls im Original vorgelegt worden.
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Der Senat hat zur Konkretisierung des ausgesprochenen Verbotes Farbkopien von allen Seiten der Umverpackungen der angegriffenen Produkte (Anlagen K 3 und K 4) hergestellt und dem vorliegenden Urteil als Anlage beigefügt.
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Die Wiederholungsgefahr ist durch die festgestellte Verletzungshandlung indiziert und nicht deshalb entfallen, weil die Beklagte nach ihrem Vortrag (Schriftsatz vom 08.01.2016, Seite 6) derzeit keine Produkte mehr in den aus den Anlagen K 3 bis K 6 ersichtlichen Aufmachungen, also auch die streitgegenständlichen Produktverpackungen, vertreibt.
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6. Da dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ungeschmälert zusteht, hat die Beklagte ihm auch die geltend gemachten Kosten der Abmahnung zu erstatten (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG), die der Höhe nach nicht streitig sind. Die Entscheidung über die Zinsen folgt dabei aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
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7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Ziff. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
- 53
8. Die Revision ist nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die weder von grundsätzlicher Bedeutung ist noch zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Die von der Beklagten angeführten Entscheidungen des Kammergerichts betreffen andere Produktkategorien des Kosmetikbereichs.
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Eine Vorlage beim Europäischen Gerichtshof ist ebenfalls nicht veranlasst. Die Grundfreiheit des Warenverkehrs ist bei einem Verbot der vorliegend irreführenden Produktverpackungen nicht berührt. Dass die Beklagte, wie sie vorträgt, europaweit einheitliche Produktverpackungen herstellt und vertreibt ändert daran nichts. Im Übrigen hat die Beklagte selbst darauf hingewiesen, dass sie keine Produkte mehr in den aus den Anlagen K 3 bis K 6 ersichtlichen Aufmachungen, also auch nicht die streitgegenständlichen Produktverpackungen, vertreibt. Das ist ihre nicht durch eine gerichtliche Vorgabe bestimmte, eigene unternehmerische Entscheidung, so dass aus deshalb nicht erkennbar ist, dass bezogen auf die streitgegenständlichen Produkte die Warenverkehrsfreiheit betroffen sein könnte.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleitsung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Zwischen den Parteien besteht Uneinigkeit über die Wirksamkeit eines am 13.10.2014 durch die Kläger erklärten Widerrufs eines inzwischen abgelösten Darlehensvertrages.
3Die Kläger schlossen am 02.06.2008 mit der Beklagten im Wege des Fernabsatzes einen Darlehensvertrag über eine Darlehenssumme von insgesamt 107.000,00 €.
4Dieser Betrag war zunächst in zwei Unterkonten mit jeweils eigenem Nominalzinssatz aufgeteilt, nämlich über 50.000,00 € zu einem nominalen Zinssatz von 5,26 % p.a. (Unterkonto -###) sowie über 57.000,00 € zu einem nominalen Zinssatz von 5,34 % p.a. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde das Unterkonto über 57.000,00 € in zwei Unterkonten aufgeteilt. Es handelte sich um die Unterkonten -### über 45.000,00 € sowie -### über 5.000,00 €.
5Dem Darlehensvertrag war eine Widerrufsbelehrung beigefügt, welche in Auszügen wie folgt lautete:
6„[…] Die Widerrufsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Darlehensnehmer
7- ein Exemplar dieser Belehrung
8- eine Urkunde oder eine Abschrift des Darlehensvertrages oder des Vertrags-/Darlehensangebot des Darlehensnehmers, das alle Vertragsbedingungen enthält, - im Original oder in Abschrift – mit der Annahmeerklärung der Bank sowie die Finanzierungsbedingungen
9- und die Informationen zu Fernabsatzverträgen (§ 312c BGB, § 1 BGB-InfoV)
10erhalten hat, jedoch nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses.
11[…]
12Der Darlehensnehmer kann den Widerspruch auch unter Verwendung der E-Mail-Adresse [email protected] senden.
13Widerrufsfolgen
14Wird der Widerruf form- und fristgerecht erklärt, ist der Darlehensnehmer an den Darlehensvertrag nicht mehr gebunden. Die beiderseits empfangenen Leistungen sind in diesem Fall zurückzugewähren und gegebenenfalls gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. […] Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen muss der Darlehensnehmer innerhalb von 30 Tagen nach Absendung der Widerrufserklärung erfüllen.
15Der nachfolgende Hinweis ist nur einschlägig, wenn ein verbundenes Geschäft vorliegt.
16Verbundene Geschäfte
17Widerruft der Darlehensnehmer diesen Darlehensvertrag, mit dem er seine Verpflichtungen aus einem anderen Vertrag finanziert, so ist er auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Steht dem Darlehensnehmer für das verbundene Geschäft ein gesetzliches Widerrufsrecht zu, so ist das Recht zum Widerruf des Darlehensvertrages ausgeschlossen. Erklärt der Darlehensnehmer dennoch den Widerruf des Darlehensvertrages gegenüber der E Bank, so gilt das als Widerruf des verbundenen Geschäfts gegenüber dem Unternehmer.
18Bei einem finanzierter Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn die E Bank selbst das Grundstück oder das grundstücksgleiche Recht verschafft oder wenn die E Bank über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinausgeht und das Grundstücksgeschäft des Darlehensnehmers durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördert, indem sie sich dessen Veräußerungsinteresse ganz oder teilweise zu eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt.
19[…]“
20Das Darlehen wurde in Höhe von 45.000,00 € und 5.000,00 € am 30.03.2009 sowie in Höhe von 57.000,00 € am 07.04.2009 an die Kläger ausgezahlt.
21Für die weiteren Einzelheiten dieses Darlehensvertrages und des Wortlauts der Widerrufsbelehrung wird auf den Darlehensvertrag (Anlage K1, Bl. ##ff.) Bezug genommen.
22Unter dem 02.05.2013 schlossen die Parteien eine „Vereinbarung über vorzeitige Vertragsaufhebung“, die die Vertragsaufhebung zum 31.05.2013 sowie die Zahlung eines Vorfälligkeitsentgeltes in Höhe von 12.178,81 € vorsah. Die Vereinbarung enthielt zudem folgende Klausel:
23„Mit den vorgenannten Bedingungen erklärt/erklären sich der /die Darlehensnehmer einverstanden. Nach Zahlung der vorgenannten Beträge sind alle gegenseitigen Ansprüche bezüglich der v.g. Darlehensbeträge abgegolten.“
24Am 13.10.2014 erklärten die Kläger den Widerruf des Darlehensvertrages vom 02.06.2008. Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 17.12.2014 zurück.
25Die Kläger sind der Auffassung, ihre auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen wirksam widerrufen zu haben. Die Widerrufsbelehrung des Darlehensvertrages vom 02.06.2008 sei fehlerhaft. Sie seien nicht ordnungsgemäß über die Folgen eines Widerrufs belehrt worden. Die Belehrung weise nur auf die Verpflichtung der Kläger zur Erstattung von Zahlungen innerhalb von 30 Tagen hin, nicht jedoch auf die entsprechende Verpflichtung der Beklagten. Darüber hinaus sei es verwirrend, dass es in der Belehrung an einer Stelle heiße, der „Widerspruch“ könne unter Verwendung einer bestimmten E-Mail-Adresse gesendet werden. Schließlich genüge die Widerrufsbelehrung auch nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 BGB a.F., da sie einen nicht einschlägigen und damit für die Kläger als Verbraucher verwirrenden Hinweis zu verbundenen Geschäften enthalte. Auf die Schutzwirkung der Musterwiderrufsbelehrung könne sich die Beklagte nicht berufen. Somit stünde ihnen ein Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Vorfälligkeitsentgeltes in Höhe von 12.178,81 € zu. Zudem sei die Beklagte ihnen zur Zahlung von Nutzungsersatz in Höhe von 745,91 € auf das Vorfälligkeitsentgelt und in Höhe von 11.062,18 € auf die geleisteten Zins- und Tilgungsleistungen verpflichtet.
26Die Kläger beantragen,
271. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 23.986,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem auf die Rechtshängigkeit folgenden Tag zu zahlen,
282. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 1.676,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem auf die Rechtshängigkeit folgenden Tag zu zahlen.
29Die Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Die Beklagte ist der Auffassung, der von den Klägern erklärte Widerruf sei unwirksam. Es könne nur ein noch bestehendes Vertragsverhältnis widerrufen werden. Das Darlehensverhältnis sei jedoch aufgehoben worden. Auch stehe dem Widerruf die Erledigungsklausel der Aufhebungsvereinbarung vom 02.05.2013 entgegen. Zudem stelle diese Aufhebungsvereinbarung den Rechtsgrund für die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung dar. Im Übrigen sei die erteilte Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß, so dass der Widerruf im Übrigen verfristet sei. Mithin bestehe bereits aus diesem Grund kein Anspruch auf Nutzungsersatz. Jedenfalls sei ein etwaiges Widerrufsrecht verwirkt bzw. seine Ausübung rechtsmissbräuchlich.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.10.2015 (Bl. ###) Bezug genommen.
33Entscheidungsgründe
34Die zulässige Klage ist unbegründet.
35I. Die Kläger haben unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung oder auf Zahlung von Nutzungsersatz für die erbrachten Tilgungs- und Zinsleistungen.
361. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB auf Rückzahlung des Vorfälligkeitsentgelts scheidet aus. Die Beklagte hat das Vorfälligkeitsentgelt nicht ohne Rechtsgrund erhalten. Aufgrund der vorzeitigen Vertragsaufhebung stand der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Form der Vorfälligkeitsentschädigung aus § 490 Abs. 2 S. 3 BGB zu.
372. Die Kläger können auch weder gemäß §§ 357, 346 Abs. 1 BGB die Rückgewähr der Vorfälligkeitsentschädigung verlangen noch ist der Rechtsgrund der Vorfälligkeitsentschädigung entfallen. Der Darlehensvertrag vom 02.06.2008 hat sich nicht durch den Widerruf der Kläger vom 13.10.2014 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Die Kläger haben ihre auf Abschluss des Darlehensvertrages vom 02.06.2008 gerichteten Willenserklärungen nicht gemäß §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB (in der Fassung 2004-2010, im Folgenden a.F.) wirksam widerrufen.
38Der von den Klägern am 13.10.2014 erklärte Widerruf ist verfristet. Er ging nicht innerhalb der gemäß § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. geltenden Frist von zwei Wochen bei der Beklagten ein. Die Kläger können sich auch nicht auf den unbefristeten Fortbestand des Widerrufsrechts gemäß § 355 Abs. 3 S.3 BGB a.F. berufen, denn das Widerrufsrecht war im Oktober 2014 bereits erloschen. Die Kläger sind ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden.
39Zwar ist den Klägern zuzugeben, dass die Widerrufsbelehrung nicht der Schutzwirkung der ab 01.04.2008 geltenden Musterwiderrufsbelehrung gem. Anlage 2 zu §14 BGB InfoV unterfällt, da sie von dieser inhaltlich erheblich abweicht.
40Indes ist dies nicht relevant. Es bestand für die Beklagte keine Verpflichtung, die Musterbelehrung zu verwenden. Die Verwendung einer Musterbelehrung ist nur fakultativ. Vorrangig ist zu prüfen, ob die Belehrung den gesetzlichen Vorgaben der §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. genügt. Dies ist der Fall.
41Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung macht die Rechte eines Verbrauchers im Zusammenhang mit dem ihm zustehenden Widerrufsrecht hinreichend deutlich (vgl. § 355 Abs. 2 BGB a.F.).
42Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die von den Klägern beanstandete Belehrung über die Folgen eines Widerrufs. Entgegen der Auffassung der Kläger, die Belehrung sei unvollständig und missverständlich, genügt die erteilte Belehrung den gesetzlichen Anforderungen. Sie ist zutreffend, hinreichend vollständig und aus Verbrauchersicht nicht irreführend (vgl. LG Bonn, Urteil v. 13.07.2015, 3 O 209/14). Aus der Widerrufsbelehrung lässt sich eindeutig und unzweifelhaft entnehmen, dass beide Seiten – Darlehensnehmer und Darlehensgeber – zur Rückgewährung der empfangenen Leistungen verpflichtet sind und zudem ggf. gezogene Nutzungen herauszugeben haben. Dies ist ausreichend, um den Anforderungen der § 355 Abs. 2 BGB sowie § 312c Abs. 1 BGB a.F. und § 1 Abs. 1 Nr. 10 Info-V in der Fassung bis 10.06.2010 zu entsprechen (vgl. OLG Köln, Beschluss v. 30.09.2015, 13 W 33/15, Ziff. 4; LG Bonn, a.a.O.; LG Bielefeld, Urt. v. 22.08.2014, 1 O 268/13, Rn. 82, zitiert nach juris).
43Soweit die Kläger beanstanden, dass in der Folge missverständlich und fälschlicherweise nur auf die Pflicht des Darlehensnehmer hingewiesen werde, Zahlungen innerhalb von 30 Tages zu erstatten, dringen sie mit diesem Einwand gegen die Ordnungsgemäßheit der Widerrufsbelehrung nicht durch. Eine besondere Hinweispflicht über die grundsätzlichen Pflichten des Darlehensgebers zur Rückerstattung empfangener Leistungen und ggf. Zahlung von Nutzungsersatz hinaus traf die Beklagte nicht (vgl. OLG Köln, Beschluss v. 30.09.2015, 13 W 33/15, Ziff. 4). Aus der gewählten Formulierung ergeben sich Rechte und Pflichten der Parteien hinreichend vollständig und verständlich. Der den Darlehensgeber grundsätzlich ebenfalls treffenden Erstattungspflicht innerhalb von 30 Tagen kommt in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation vom Vertrag gesehen her keine Bedeutung zu. Bei einem widerrufenen Realkredit hat der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber die ausgezahlte Darlehensvaluta nebst marktüblicher Verzinsung zurückzuzahlen (BGHZ 152,331), welche die erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen regelmäßig übersteigt. Damit verbleibt nach erfolgter Saldierung der wechselseitigen Ansprüche ein Anspruch der Bank auf Erstattung der restlichen Darlehensvaluta zuzüglich Zinsen (vgl. zur Saldierungsfolge OLG Hamm, Urt. v. 14.09.1981, 2 U 43/81 zu § 325 BGB a.F., BGH, Urt. v. 20.02.2008, VIII ZR 334/06, LG Hagen, Urt. v. 30.10.2014, 9 O 9 O 73/14, Rn. 27, zitiert nach juris), während ein Erstattungsanspruch des Darlehensnehmers in der vorliegenden Konstellation mit wenigen, hier nicht einschlägigen Ausnahmen praktisch ausgeschlossen ist (vgl. LG Bielefeld, a.a.O., Rn. 80, zitiert nach juris). Auf solche, vom Vertrag nicht vorgesehene, Konstellationen muss durch den Darlehensgeber nicht hingewiesen werden (LG Dortmund, Urteil vom 05.02.2015, Az. 7 O 274/14, Rdnr. 39, zitiert nach juris).
44Selbst wenn man vorliegend Gegenteiliges vertreten würde, würde nichts anderes gelten. Denn der angegriffene Teil der Belehrung hatte aus Sicht der Kläger nämlich insofern keine Relevanz, dass die Widerrufsfrist bereits abgelaufen war, bevor durch die Kläger Leistungen aufgrund des Darlehensvertrages erbracht wurden (vgl. dazu LG Bielefeld, a.a.O., Rn. 83; LG Dortmund, a.a.O., Rn. 35). Ein anderer Ablauf war nach der tatsächlichen Vertragsgestaltung ausgeschlossen, da Bereitstellungszinsen erst ab 02.09.2008 bzw. 31.03.2009 und Tilgungsleistungen nicht vor dem auf die Vollauszahlung folgenden Monat zu erbringen waren.
45Sinn und Zweck des § 312 c Abs. 1 BGB a.F. und des § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV ist es insofern, den Verbraucher nicht nur vor den mit Fernabsatzverträgen einhergehenden Gefahren zu schützen, sondern ihm eine gesicherte Grundlage für die Entscheidung zu geben, ob er das Widerrufsrecht ausüben will oder nicht (KG Berlin, Beschl. v. 09.11.2007, 5 W 276/07). Wenn er jedoch – anderes ist weder ersichtlich noch vertraglich vorgesehen noch vorgetragen worden – bei Ablauf der Widerrufsfrist noch keine Leistung erbracht bzw. zu erbringen hat, die die Darlehensgeberin zurückgewähren müsste, ist es für ihn für die Frage nach der Ausübung des Widerrufsrechts schlicht unerheblich, binnen welcher Frist die Rückgewähr etwaiger Leistungen durch die Darlehensgeberin zu erfolgen hat.
46Es ist entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht zu beanstanden, dass die Widerrufsbelehrung Angaben für verbundene Geschäfte beinhaltet, obwohl ein verbundenes Geschäft hier unstreitig nicht vorlag. Aufgrund der ausführlichen Erläuterungen dazu, wann eine wirtschaftliche Einheit und ein verbundenes Geschäft vorliegen, ist die Belehrung hinreichend transparent und nicht geeignet, bei einem Verbraucher einen Irrtum über den Umfang und die Folgen seines Widerrufsrechts hervorzurufen. Die Textpassage suggeriert auch nicht, dass ein verbundenes Geschäft vorliegt. Durch den vorstehenden und mittels Fettdruck besonders hervorgehobenen Hinweis „Der nachfolgende Hinweis ist nur einschlägig, wenn ein verbundenes Geschäft vorliegt.“ wird unmissverständlich deutlich gemacht, dass diese Textpassage lediglich musterhaft eingefügt ist und keinen Bezug zu den konkret vorliegenden Vertragsumständen darstellt. Dass der Darlehensnehmer selbst prüfen muss, ob diese Ausführungen gelten, ist unschädlich, solange sie – wie vorliegend – so transparent sind, dass die Gefahr eines Irrtums über den Umfang und die Folgen des Widerrufsrechts nicht besteht (OLG Köln Beschluss v. 23.03.2015, 13 U 168/14 [BeckRS 2015, 08374, Rz. 7]). Unzulässig sind lediglich verwirrende oder ablenkende Zusätze (vgl. BGH, Urteil v. 04.07.2002, I ZR 55/00), die vorliegend jedoch nicht festzustellen sind.
47Schließlich begegnet auch die einmalige Verwendung des Wortes „Widerspruch“ keinen Bedenken, da aus der dazugehörigen Überschrift und dem Gesamtkontext der Angaben des Darlehensvertrages unmissverständlich hervorgeht, dass hier Aussagen zu einem Widerrufsrecht getroffen werden.
483.) Bereits mangels der Umwandlung des Darlehensvertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis steht den Klägern auch kein Anspruch auf Nutzungsersatz zu und zwar weder im Hinblick auf das geleistete Vorfälligkeitsentgelt noch für gezahlte Zins- und Tilgungsleistungen.
494.) Da der Widerruf der Kläger vom 13.10.2014 verfristet war, bedarf es im vorliegenden Fall keiner Entscheidung darüber, ob die von der Beklagten erhobenen Einwände der Verwirkung bzw. des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens durchgreifen. Gleiches gilt für die Frage, ob die Vereinbarung über die vorzeitige Vertragsaufhebung einem Widerruf oder der Rückforderung des Vorfälligkeitsentgelts entgegen steht.
50II. Ein Anspruch der Kläger auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten kommt bereits mangels eines Hauptanspruchs nicht in Betracht.
51III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
52Streitwert: 23.986,90 €
53Rechtsbehelfsbelehrung:
54Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Bonn statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über die Verpflichtung einer Bank zur Rückzahlung einer geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung.
3Die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann, Herr H, nahmen bei der Beklagten im Jahre 2009 ein Wohnungsbaudarlehen über 100.000,00 € auf. Dieses wurde über einen Herrn L vermittelt, der nach dem unwidersprochenen Beklagtenvortrag Mitarbeiter des selbständigen Finanzberatungsunternehmens O GMBH war und die Vermittlung über die D GmbH, eine Handelsvertreterin und Vertriebspartnerin der Beklagten, vorgenommen hatte. Die Korrespondenz über die D GmbH erfolgte ausschließlich auf schriftlichem Wege. Einen persönlichen Kontakt zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann einerseits und der Beklagten andererseits gab es nicht.
4Die Klägerin und ihr Ehemann unterzeichneten unter dem 11.08.2009 einen von der Beklagten vorgefertigten schriftlichen Darlehensantrag, auf dessen Wortlaut Bezug genommen wird (Anlage B2, Bl. ## ff. d.A.). Der Darlehensantrag enthält eine Widerrufsbelehrung mit folgendem Wortlaut:
5Widerrufsrecht
6Widerrufsrecht
7Der Darlehensnehmer kann seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung innerhalb von zwei Wochen widerrufen.
8Form des Widerrufs
9(…)
10Beginn der Widerrufsfrist
11Die Widerrufsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Darlehensnehmer
12 ein Exemplar dieser Belehrung
13 eine Urkunde oder eine Abschrift des Darlehensvertrages oder das Vertrags-/Darlehensangebot des Darlehensnehmers, das alle Vertragsbedingungen enthält, - im Original oder in Abschrift - mit der Annahmeerklärung der Bank sowie die Finanzierungsbedingungen
14 und die Informationen zu Fernabsatzverträgen (§ 312c BGB, § 1 BGB InfoV)
15erhalten hat, jedoch nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses.
16Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
17Adressat des Widerrufs
18(…)
19Der Darlehensnehmer kann den Widerspruch auch unter Verwendung der E-Mail Adresse Widerruf@#######.de senden.
20Widerrufsfolgen
21(…)
22Der nachfolgende Hinweis ist nur einschlägig, wenn ein verbundenes Geschäft vorliegt.
23Verbundene Geschäfte
24Widerruf der Darlehensnehmer diesen Darlehensvertrag, mit dem er seine Verpflichtungen aus einem anderen Vertrag finanziert, so ist er auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. (…)
25Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn die E Bank selbst das Grundstück oder das grundstücksgleiche Recht verschafft oder wenn die E Bank über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinausgeht und das Grundstücksgeschäft des Darlehensnehmers durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördert, indem sie sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projektes Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt (…).
26Ziffer 27 der Finanzierungsbedingungen, die Anlage zu dem Darlehensvertragsangebot waren (Anlage B1, Bl. ## ff. d.A.), enthält die Aussage, dass Personen, die den Darlehensvertrag vermitteln oder bei der Vertragsabwicklung tätig werden, weder Vertreter noch Erfüllungsgehilfen der Bank seien und eine Haftung der Bank für diese Personen ausgeschlossen sei.
27Die Beklagte nahm den Darlehensantrag mit Schreiben vom 14.08.2009 (Anlagen B3, B4, Bl. ## ff. d.A.) an.
28Als die Klägerin und ihr Ex-Mann im Jahre 2013 in die Immobilie veräußern wollten, verlangte die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 11.492,72 EUR. Die Beklagte übersandte der Klägerin und ihrem Ehemann unter dem 21.05.2014 einen Vertragsentwurf über die vorzeitige Vertragsaufhebung (Bl. #d d.A.), den die Klägerin und ihr Ehemann letztlich zwar unterzeichneten und die darin geforderte Zahlung leisteten, vorab jedoch anwaltlich mit Schreiben vom 08.07.2013 mitteilen ließen, dass sie sich vorbehalten, die Vorfälligkeitsentschädigung zurückzufordern (Bl. #b d.A.).
29Herr H hat der Klägerin seinen Anspruch gegen die Beklagte in Bezug auf einen einbehaltenen Betrag von 11.492,72 EUR mit Vereinbarung vom 17.09.2013 abgetreten.
30Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 02.09.2014 ließ die Klägerin während des laufenden Prozesses über die Rückforderung der Vorfälligkeitsentschädigung den Widerruf des Darlehensvertrages erklären.
31Die Klägerin behauptet, sie sei über Herrn I, ihren heutigen Lebensgefährten, in Kontakt zu Herrn L gelangt, der als Finanzierungsmittler vor Ort gewesen sei und zunächst einen Bausparvertrag angeboten habe. In diesem Gespräch habe die Klägerin erwähnt, dass sie ihr Haus nicht mehr halten könne und mit dem Gedanken spiele, es zu verkaufen. Herr L habe angegeben, dass es die Möglichkeit einer Umfinanzierung gebe, welche die monatliche Belastung senken würde. Die Klägerin sei mit ihrem Ex-Mann übereingekommen, dass eine Umfinanzierung sinnvoll sei, damit die Kinder bis zum Ende der Schulausbildung im Haus wohnen könnten. Die Schulausbildung des jüngeren Sohnes sei für das Jahr 2013 angestrebt gewesen. Herr L sei bei Abschluss des Vertrages mehrfach gefragt worden, ob eine Vorfälligkeitsentschädigung anfalle, wenn der Vertrag im Jahre 2013 durch die Veräußerung der Immobilie vorzeitig getilgt werde, was Herr L verneint habe. Als man dann bei Abschluss des Vertrages in X zusammen am Tisch gesessen habe, habe Herr H nochmals angesprochen, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht zu zahlen sei, was Herr L, der über die gesamten persönlichen Umstände und den beabsichtigten Verkauf informiert gewesen sei, bestätigt habe. Die Klägerin ist der Ansicht, aufgrund dieser Vereinbarung seien sie und ihr Ex-Mann nicht verpflichtet gewesen, eine irgendwie geartete Vorfälligkeitsentschädigung zu leisten, zumal der Darlehensvertrag lediglich der Zwischenfinanzierung gedient habe.
32Die Klägerin ist darüber hinaus der Ansicht, der im Prozess erklärte Widerruf des Darlehensvertrages sei noch möglich gewesen, da die Widerrufsklausel unwirksam sei. Diese entspreche nicht dem gesetzlichen Muster und weise eine Reihe von Mängeln auf. Das Widerrufsrecht sei in seiner Form nicht deutlich hervorgehoben gewesen. Für den Beginn der Widerrufsfrist sei nicht ausreichend dargestellt worden, ob für den Lauf der Frist der Tag des Erhalts der Widerrufsklausel mitzähle oder nicht und der Textzusatz „jedoch nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses“ sei unklar und intransparent, weil nicht offen hervortrete, ob der Tag des Abschlusses mitzählen soll oder nicht, was einen Verstoß gegen § 187 Abs. 1 BGB darstelle. Im Rahmen der Mitteilung, dass ein Widerruf auch unter Verwendung der E-Mail-Adresse erfolgen kann, sei fälschlicherweise der Begriff „Widerspruch“ verwendet worden. Zudem könne der Verbraucher nicht entscheiden, ob die Hinweise für ein verbundenes Geschäft einschlägig seien; der Darlehensgeber müsse deutlich aufführen, ob ein verbundenes Geschäft vorliegt oder nicht, ansonsten sei die Widerrufsklausel intransparent.
33Die Klägerin rügt zudem, dass die Berechnungsgrundlagen der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung von der Beklagten nicht angegeben worden seien und deswegen eine intransparente Berechnung vorliege; der Betrag sei bei weitem übersetzt.
34Die Klägerin beantragt,
351.
36die Beklagte zu verurteilen, an sie 11.492,72 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit 01.10.2013 zu bezahlen.
372.
38die Beklagte zu verurteilen, vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 837,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
39Die Beklagte beantragt,
40die Klage abzuweisen.
41Die Beklagte bestreitet den Zweck der Darlehensaufnahme und die geführten Gespräche mit Nichtwissen. Sie wisse nur, dass das streitgegenständliche Darlehen – was an sich unstreitig ist - dazu gedient habe, ein Darlehen der M, drei Darlehen der Q Bank und vier Darlehen der Beklagten abzulösen. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt die Zusage gegeben, bei einem späteren Verkauf des Hauses auf eine Vorfälligkeitsentschädigung zu verzichten. Es sei nicht ansatzweise ersichtlich, warum die Beklagte sich etwaige Zusagen des Herrn L zurechnen lassen müsse. Weder die O GmbH noch die D GmbH habe die Befugnis, die Beklagte zu vertreten oder sonstige Erklärungen für die Beklagte abzugeben oder Darlehenszusagen zu machen; dies sei in den Finanzierungsbedingungen auch ausdrücklich klargestellt. Es sei auch schwer vorstellbar, dass ein Finanzierungsberater derartige Zusagen mache. Ebenfalls sei es verwunderlich, dass sich die Klägerin und ihr Ehemann die angebliche Zusage nicht haben schriftlich bestätigen lassen.
42Die Beklagte ist der Ansicht, ein Widerruf des Darlehensvertrages sei nicht mehr möglich gewesen. Blatt 5 des Darlehensantrags vom 11.08.2009 zeige, dass die Darlehensnehmer deutlich und unübersehbar auf ihr Widerrufsrecht hingewiesen worden seien. Die Darstellung des Beginns der Widerrufsfrist verstoße auch nicht gegen § 187 Abs.1 BGB. Vielmehr entspreche sie dem Wortlaut des §§ 355 Abs. 2 S. 3 BGB, dessen Voraussetzungen hier – was an sich unstreitig ist – auch erfüllt gewesen seien. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass die Frist, sollte die Belehrung vor Vertragsschluss erfolgt sein, erst nach Vertragsschluss zu laufen beginne und darüber zu belehren wäre. Die Verwendung des Wortes „Widerspruch“ sei unschädlich, da aufgrund des übrigen Textes unzweifelhaft deutlich werde, dass es in dem Hinweis um den „Widerruf“ gehe. Auf Blatt 6 des Darlehensvertrages sei auch unmissverständlich erläutert, wann eine wirtschaftliche Einheit als Voraussetzung eines verbundenen Geschäfts vorliege, so dass der durchschnittliche Verbraucher problemlos erkennen könne, dass der Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrages kein verbundenes Geschäft darstellt.
43Die Beklagte ist der Ansicht, ein Widerrufsrecht sei auch aufgrund der Abgeltungsklausel in der Vertragsaufhebungsvereinbarung vom 21.05.2013 ausgeschlossen. Ein Widerruf könne ohnehin nur in einem bestehenden Vertragsverhältnis und nicht bei erloschenen Vertragsverhältnissen erfolgen. Darüber hinaus sei die Ausübung eines Widerrufsrechts auch rechtsmissbräuchlich und verwirkt, weil im Zeitpunkt der Widerrufserklärung der Vertragsschluss mehr als fünf Jahre zurück lag und das Darlehen bereits aufgrund der Vereinbarung vom 21.05.2013 zurückgezahlt wurde.
44Im Hinblick auf die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung legt die Beklagte umfassend dar, wie sie zu der errechneten Summe gekommen ist (Bl. ## ff. d.A und Anlage B5, Bl. ## ff. d.A.).
45Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2014 Bezug genommen.
46Entscheidungsgründe:
47Die zulässige Klage ist unbegründet.
48Der Klägerin steht aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Rückforderung der Vorfälligkeitsentschädigung zu.
49Der Beklagten stand aufgrund der vorzeitigen Vertragsablösung nach § 490 Abs. 2 S. 3 BGB ein Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zu. Gegen die Höhe der abgerechneten Vorfälligkeitsentschädigung hat die Klägerin, nachdem die Beklagte im Prozess ihre Berechnungsmethode, die sich an den Vorgaben des Bundesgerichtshofs orientiert, genau offengelegt hat, auch keine substantiierten Einwendungen mehr erhoben, so dass die Anspruchshöhe als zugestanden gilt.
50Ein Ausschluss des Anspruchs der Beklagten aufgrund einer Verzichtsvereinbarung im Jahre 2009 ist von der Klägerin nicht schlüssig vorgetragen worden. Die Vermittlung des Darlehens erfolgte unstreitig über einen selbständigen Finanzierungsvermittler, der regelmäßig keine Vertretungsmacht für die Geschäfte einer Bank besitzt. Die für eine solche Verzichtsvereinbarung beweisbelastete Klägerin hat auch nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass und weswegen der Vermittler hier ausnahmsweise für Zusagen im Namen der Beklagten bevollmächtigt gewesen sein sollte.
51Der Klägerin steht wegen etwaiger falscher Zusagen des Finanzierungsvermittlers auch kein Schadensersatzanspruch zu, den sie der Forderung einer Vorfälligkeitsentschädigung entgegenhalten könnte. Denn nach dem Klagevortrag ist nicht ersichtlich, weswegen der Finanzierungsvermittler als Erfüllungsgehilfe der Beklagten i.S.v. § 278 BGB einzustufen sein sollte, dessen Pflichtverletzungen die Beklagte sich zurechnen lassen müsste. Erfüllungsgehilfe ist, wer mit Wissen und Wollen einer anderen Person in deren Pflichtenkreis tätig wird (Palandt, BGB, 72. Aufl., § 278 Rz. 7 m.w.N.). Denn § 278 BGB setzt voraus, dass sich jemand einer anderen Person zur Erfüllung seiner Verbindlichkeitenbedient. Hier liegen nach dem Klagevortrag aber keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass Herr L mit Wissen und Wollen der Beklagten tätig wurde, zumal er Mitarbeiter eines selbständigen Finanzberatungsunternehmens war und sich – nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Beklagtenvortrag – an ein weiteres selbständiges Vermittlungsunternehmen gewandt hatte. Sein Handeln dürfte deshalb ausschließlich im Auftrag und Interesse der Klägerin und ihres Ehemannes erfolgt sein und nicht der Beklagten zuzurechnen sein. Die der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2014 gesetzte Frist zur Ergänzung ihres Sachvortrags ist fruchtlos verstrichen.
52Darüber hinaus wäre auch nicht ersichtlich, welcher konkrete Schaden durch eine entsprechende Pflichtverletzung entstanden sein sollte, da ein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Angaben bei Vertragsschluss nach § 280 BGB nur auf das sog. negative Interesse und nicht auf das sog. positive Interesse in Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung gerichtet sein könnte.
53Der Klägerin stand am 02.09.2014 auch kein Recht zum Widerruf des Darlehensvertrages mehr zu. Die Widerrufsbelehrung begegnet in ihrer optischen und inhaltlichen Gestaltung keinen durchgreifenden Bedenken, so dass der Klägerin lediglich eine zweiwöchige Widerrufsfrist zustand. Die maßgebliche Widerrufsbelehrung, die sich auf den Seiten 5 und 6 des Darlehensantrages mit fettgedruckten Überschriften in einem separaten Kasten befindet, in welchem gesonderte Unterschriften der Darlehensnehmer erfolgen mussten, ist optisch deutlich genug hervorgehoben worden und genügt den Anforderungen des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB (in der Fassung 2004-2010). Der Beginn der Widerrufsfrist ist nach Auffassung des Gerichts auch hinreichend erläutert worden, weil er exakt den gesetzlichen Vorgaben des § 355 Abs. 2 S. 3 BGB (in der Fassung 2004-2010) entspricht, wobei der letzte Spiegelstrich und der Zusatz „nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses“ auf § 312d Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 BGB (in der Fassung ab dem 29.07.2009) zurückgehen, da der Vertragsschluss im Wege eines Fernabsatzgeschäftes i.S.v. § 312 d BGB erfolgte. Entgegen der Auffassung der Klägerin erforderte § 355 Abs. 1 und Abs. 3 BGB (in der Fassung 2004-2010) keine weitergehenden Erläuterungen zum Tag des Fristbeginns unter Berücksichtigung der Regelung des § 187 BGB. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Hinweis auf § 187 BGB nicht erforderlich, vielmehr genügt es, wenn die Widerrufsbelehrung zutreffend und unzweideutig das Ereignis benennt, das nach dem Gesetz den Lauf der Frist auslöst, und dazu den Gesetzeswortlaut zitiert (BGH, Urteil v. 05.11.1997 – VIII ZR 351/96, BGHZ 137, 115 ff. zum damaligen VerbrKrG), was hier geschehen ist. Darüber hinaus begegnet auch die einmalige Verwendung des Wortes „Widerspruch“ keinen Bedenken, da aus der dazugehörigen Überschrift und dem Gesamtkontext der Angaben auf Seite 5 des Darlehensvertrages unmissverständlich hervorgeht, dass hier Aussagen zu einem Widerrufsrecht getroffen werden. Ebenso wenig kann beanstandet werden, dass die Belehrung vorsorglich Angaben für verbundene Geschäfte beinhaltet. Aufgrund der ausführlichen Erläuterungen dazu, wann eine wirtschaftliche Einheit und ein verbundenes Geschäft vorliegen, die sogar in Fettdruck hervorgehoben sind, war die Belehrung hinreichend transparent und nicht geeignet, bei einem Verbraucher einen Irrtum über den Umfang und die Folgen seines Widerrufsrechts hervorzurufen.
54Da nach dem unwidersprochenen Beklagtenvortrag alle Voraussetzungen des § 355 Abs. 2 S. 3 BGB (in der Fassung 2004-2010) erfüllt waren und der Darlehensantrag nebst Anlagen auch den Anforderungen des § 312c BGB (in der Fassung 2004-2010) i.V.m. Art. 240 EGBGB und § 1 InfoV (in der Fassung 2004 – 2010) genügt, ist das Widerrufsrecht der Klägerin bereits im Jahre 2009 erloschen.
55Die Entscheidungen über die Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
56Streitwert: 11.492,72 €.
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 100% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs in Bezug auf einen Verbraucherdarlehnsvertrag und die Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung sowie von Bearbeitungsgebühren.
3Mit Vertrag vom 15.12.2005, unterzeichnet am 19.12.2005 gewährte die Beklagte den Klägern ein L-gefördertes Darlehen über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 42.500,00 € zum Erwerb einer Wohnimmobilie in H. Das Darlehen wurde unter der Nummer … geführt. Der Nominalzins betrug 3,95 % p.a. Der effektive Jahreszins belief sich auf 4,01 % p.a. Die Rückzahlung des Darlehens sollte in 115 vierteljährlich fällig werdenden Raten zu je 617,06 € und einer Schlussannuität von zunächst 616,68 € erfolgen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Darlehensvertrags wird auf die in Ablichtung vorliegende Vertragsurkunde (Anl. K1, Bl. 12 ff. GA) Bezug genommen.
4Dem Darlehensvertrag war eine Widerrufsbelehrung beigefügt (Bl. 20 GA), die folgendermaßen formuliert ist:
5„Widerrufsbelehrung
6Widerrufsrecht
7Der Kreditnehmer ist an seine auf den Abschluss des Kreditvertrages gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie binnen zwei Wochen widerruft. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs an die Bank.
8Beginn der Widerrufsfrist
9Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt am folgenden Tag, nach dem der Kreditnehmer die von ihm gegengezeichnete Vertragsausfertigung nebst der separat vom Kreditnehmer unterzeichneten Widerrufsbelehrung an die Bank abgesandt oder der Bank übergeben hat.
10Form des Widerrufs
11Der Widerruf muss in Textform (z.B. schriftlich, mittels Telefax- oder E-Mail-Nachricht) erfolgen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten.
12Adressat des Widerrufs
13Der Widerruf ist nach Wahl des Kreditnehmers an die
14O Aktiengesellschaft, Postfach …,
15… F,
16Telefax: …
17E-Mail: …
18oder an die im Kreditvertrag angegebene Adresse der kontoführenden Stelle der Bank zu richten.
19Widerruf bei bereits erhaltener Leistung
20Hat der Kreditnehmer den Kredit bereits empfangen oder in Anspruch genommen, so kann er dennoch sein Widerrufsrecht ausüben. Widerruft er in diesem Fall, dann muss er den in Anspruch genommenen Kreditbetrag jedoch zurückzahlen und der Bank die von ihm gezogenen Nutzungen herausgeben.
21Kann der Kreditnehmer die von der Bank erbrachte Leistung ganz oder teilweise nicht zurückgewähren - beispielsweise weil dies nach dem Inhalt der erhaltenen Leistung ausgeschlossen ist -, so ist er verpflichtet, insoweit Wertersatz zu leisten. Dies gilt auch für den Fall, dass er die von der Bank erbrachte Leistung bestimmungsgemäß genutzt hat. Diese Verpflichtung zum Wertersatz kann er vermeiden, wenn er die Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist nicht in Anspruch nimmt.“
22Am 31.03.2013 wandten sich die Kläger mit der Bitte um vorzeitige Ablösung des Darlehens an die Beklagte. Mit Schreiben vom 20.02.2013 (Anl. K2, Bl. 21 GA) stellte die Beklagte den Klägern eine Vorfälligkeitsentschädigung von insgesamt 3.185,75 € inklusive einer Bearbeitungsgebühr in Höhe von 125,00 € in Rechnung. Die Kläger zahlten beide Beträge.
23Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.03.2015 erklärten die Kläger den Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen (Anl. K3, Bl. 22 f. GA) und forderten die Beklagte zur Rückzahlung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz bis zum 20.03.2015 auf. Mit Schreiben vom 11.03.2015 (Anl. K3, Bl. 24 f. GA) lehnte die Beklagte die „Anerkennung“ der geltend gemachten Ansprüche ab.
24Neben dem bezeichneten Darlehensvertrag schlossen die Parteien am 13.02. / 17.02.2013 noch einen zweiten Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 93.000,00 € (Anl. K4, Bl. 26 ff. GA), für den Kosten für ein Beleihungswertgutachten bzw. eine vereinfachte Wertermittlung in Höhe von 142,80 € seitens der Beklagten vereinnahmt wurden. Daneben wurde zuvor noch am 17.11. / 29.11.2005 ein dritter Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 114.000,00 € von den Parteien geschlossen (Anl. K5, Bl. 32 ff. GA), in dem die Beklagte ebenfalls Kosten einer Wertermittlungsgebühr bzw. Schätzkosten in Höhe von 250,00 € veranlagte. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Darlehensverträge wird auf die in Ablichtung vorliegenden Vertragsurkunden (Anl. K4 und K5, Bl. 26 ff. bzw. 32 ff. GA) Bezug genommen. Bezüglich dieser Beträge beantragten die Kläger am 31.12.2014 den Erlass eines Mahnbescheides beantragt (Anl. K6, Bl. 38 ff. GA).
25Die Kläger sind der Auffassung, dass die von der Beklagten dem Vertrag Nr. … beigefügte Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß sei, weshalb ihnen ein zeitlich unbefristetes Widerrufsrecht zustehe. Die von der Beklagten verwandte Belehrung entspreche nicht der Musterwiderrufsbelehrung in der seinerzeit gültigen Fassung nach der BGB-InfoV (Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV), so dass sich die Beklagte nicht auf eine etwaige Schutzwirkung berufen könne. Darüber hinaus sei die Belehrung fehlerhaft, weil der Verbraucher nicht richtig über den Beginn des Laufs der Widerrufsfrist unterrichtet werde. Die Belehrung sei daneben hinsichtlich der Angabe des Widerrufsadressaten fehlerhaft, weil statt einer ladungsfähigen Anschrift nur ein Postfach angegeben werde. Letztlich werde auch unvollständig und damit falsch auf die Widerrufsfolgen hingewiesen. In diesem Zusammenhang sei der Hinweis auf einen etwaigen Wertersatz „inhaltlicher Unsinn“, der ebenfalls nicht in eine Widerrufsbelehrung gehöre und zur Fehlerhaftigkeit einer solchen führe.
26Ursprünglich haben die Kläger unter Ziffer 2 ihres Klageantrags beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Kläger - als Gesamtgläubiger Zinsnutzungen in Höhe von 2.439,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.12.2015 zu zahlen. Diesen Antrag haben sie hinsichtlich des Zinsbeginns mit Schriftsatz vom 09.09.2015 (Bl. 83 GA) teilweise zurückgenommen. Daneben haben die Kläger unter Ziffer 4 ihres Klageantrags ursprünglich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Kläger - als Gesamtgläubiger den Betrag von 124,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.02.2013 zu zahlen. Nachdem sie erfahren haben, dass dieser Betrag von der Beklagten erstattet worden ist, haben sie den Antrag zu 4) der mündlichen Verhandlung vom 17.09.2015 für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung daraufhin angeschlossen.
27Die Kläger beantragen nunmehr,
28- 29
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Kläger - als Gesamtgläubiger den Betrag von 3.185,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2013 zu zahlen,
- 30
2. die Beklagte ferner zu verurteilen, an sie - die Kläger - als Gesamtgläubiger Zinsnutzungen in Höhe von 2.439,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2013 zu zahlen,
- 31
3. die Beklagte weiter zu verurteilen, an sie - die Kläger - als Gesamtgläubiger den Betrag von 250,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.03.2012 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Sie ist der Auffassung, dass der Widerruf verfristet sei. Es habe eine ordnungsgemäße Belehrung der Kläger stattgefunden. Insbesondere werde in den von ihr - der Beklagten - verwandten Belehrungen in einer solchen Weise über den Beginn der Widerrufsfrist belehrt, dass der Verbraucher nicht benachteiligt, sondern begünstigt werde. Dies folge daraus, dass die Frist erst beginnen solle, nachdem der Verbraucher den Vertag und das unterschriebene Belehrungsformular zurückgesandt habe. Es liege nach dem Wortlaut des Belehrungstextes daneben auf der Hand, dass die Frist nicht mit Abgabe der auf Abschluss des Vertrages gerichteten Willenserklärung beginne. Ferner sei die Angabe des Postfachs in der Belehrung nicht fehlerhaft, weil die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift nicht erforderlich sei und diese zudem schon in ausreichendem Umfang im Darlehensvertrag angegeben sei. Letztlich sei auch die gewählte Formulierung bzgl. der Widerrufsfolgen unschädlich. Ein Hinweis auf die Rechtsfolgen sei bei der Widerrufsbelehrung eines Verbraucherdarlehensvertrages entbehrlich. Eine abweichende Formulierung führe damit nicht zu einer Fehlerhaftigkeit der Belehrung. Daneben sei auch der Hinweis auf die Wertersatzpflicht unschädlich und kein “inhaltlicher Unsinn“, weil die Leistung bei einem Darlehensvertrag nicht in dem empfangenen Darlehensbetrag selbst, sondern in der Überlassung auf Zeit, also der Möglichkeit der Nutzung des Darlehenskapitals liege. Diese Terminologie entspreche im Übrigen auch der Musterbelehrung.
35Zudem sei der Darlehensvertrag bereits - was insoweit zwischen den Parteien unstreitig ist - zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung vollständig abgelöst gewesen, so dass die Kläger keine Rückabwicklung des Vertrages mehr verlangen könnten.
36Daneben ist die Beklagte der Ansicht, dass das Widerrufsrecht der Kläger verwirkt sei und sie sich rechtsmissbräuchlich verhielten. Die Kläger ließen sich von sachfremden Erwägungen leiten, weswegen ihnen ein Rückgriff auf die Widerrufsvorschriften nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt sei. Die Verwirkung folge daraus, dass zwischen Abschluss des Vertrages und der Erklärung des Widerrufs mehr als neun Jahre lägen und die Kläger - was zwischen den Parteien unstreitig ist - während der Laufzeit bis zur Ablösung stets Zahlungen von Zins- und Tilgungen erbracht hätten und der Darlehensvertrag bereits vollständig abgelöst sei.
37Hinsichtlich der geforderten Zinsnutzungen ist die Beklagte der Ansicht, dass die Kläger keine Verzinsung des Rückerstattungsanspruchs verlangen könnten. Es bestehe überhaupt kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung beim Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages und erst recht keine Vermutung für eine Verzinsung in Höhe von 5 Prozentpunkten.
38In Hinblick auf die Rückforderung der Wertermittlungsgebühr in Höhe von 250,00 € bestreitet die Beklagte, dass ein Darlehensvertrag vom 29.03.2012 jemals geschlossen worden sei. Der Vertrag sei mit einem anderen Vertragspartner geschlossen worden. Vorsorglich - für den Fall, dass der Darlehensvertrag vom 29.11.2015 mit der Beklagten gemeint sei - erhebt sie die Einrede der Verjährung.
39Entscheidungsgründe:
40Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Zahlung der eingeklagten Beträge.
41I.
421.
43Der Antrag zu 1) ist unbegründet, da den Klägern kein Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung aus §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1, 357 Abs. 1, 346 ff. BGB zusteht. Die Erklärung des Widerrufs des Darlehensvertrages … nach §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB a.F. ist nicht fristgemäß erfolgt. Im Einzelnen:
44a)
45Der o. g. Darlehensvertrag wurde am 19.12.2005 geschlossen, weshalb nach Art. 229 § 9 Abs. 1, § 22 Abs. 1 EGBGB das BGB in der damals geltenden Fassung anzuwenden ist, d.h.
46- § 355 BGB in der Fassung vom 08.12.2004 bis zum 10.06.2010
47- § 357 BGB in der Fassung vom 08.12.2004 bis zum 10.06.2010
48- § 491 BGB in der Fassung vom 01.08.2002 bis zum 10.06.2010
49- § 495 BGB in der Fassung vom 01.08.2002 bis zum 10.06.2010
50- BGB-InfoV in der Fassung vom 08.12.2004 bis zum 31.03.2008
51b)
52Den Klägern stand als Darlehensnehmern ein Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB a.F. zu, da es sich vorliegend um einen Verbraucherdarlehensvertrag handelt. Die Vollausnahme zu den Vorschriften des Verbraucherdarlehensvertrags aus § 491 Abs. 2 Nr. 3 BGB a. F. im Hinblick auf ein L-gefördertes Darlehen greift hier nicht, weil es sich vorliegend um ein durchgeleitetes Darlehen handelt. Gemäß § 492 Abs. 2 Nr. 3 BGB a. F. sind nur Fälle der direkten Darlehensvergabe, bei denen sich Verbraucher und öffentliche Hand als Vertragspartner „unmittelbar“ gegenüberstehen, erfasst. Dieser Vergabeform steht die indirekte Vergabe mittels sog. durchgeleiteter Kredite gegenüber. Bei ihnen beschränkt sich die öffentliche Hand auf die Refinanzierung des Darlehensgebers im Rahmen staatlicher Investitionsprogramme (vgl. MüKO/Schürnbrand 5. Auflage 2008, § 491, Rn. 89). Bei diesen „Durchleitdarlehen“ kommt es also zu einer Vertragskette, bestehend aus einem Darlehensvertrag der Geschäftsbank (Hausbank) mit dem Letztkreditnehmer und einem zweiten Darlehensvertrag zwischen der Hausbank und der (auf staatlicher Seite stehenden) Förderbank, mit welcher der erstgenannte Vertrag finanziert wird. Die Hausbank trägt hierbei das Kreditrisiko (vgl. Sinowski in Lagenbucher/Bliesener/Spindler Bankrechtskommentar, 1. Auflage 2013, 22. Kapitel, Rn. 54 f.). Unter Nr. 1 des Kreditvertrages (Anlage K1, Bl. 12 GA) heißt es:
53„Die L1 -nachstehend „L“ genannt- hat der O AG als Hausbank unter deren voller Haftung zur Weiterleitung an den Kreditnehmer einen Kredit aus dem Programm L2 in Höhe von EUR 42.500,00 zugesagt.“
54Damit handelt es sich im vorliegenden Fall nach eindeutiger vertraglicher Regelung um ein „Durchleitdarlehen“ und um keine unmittelbare Förderung im Sinne von § 491 Abs. 2 Nr. 3 BGB a.F., weshalb ein (widerruflicher) Verbraucherdarlehensvertag gegeben ist.
55c)
56Der Widerruf wurde auch von den Klägern gemeinsam i. S. v. §§ 357 Abs. 1 a. F., 349, 351 BGB erklärt. Das Rücktritts- sowie durch damaligen Verweis auch das Widerrufsrecht können gemäß § 351 BGB als unteilbare Rechte nur gemeinsam von allen am Vertrag Beteiligten erklärt werden. Auf die Art der Beteiligung (Gesamtgläubiger, Gesamtschuldner, Gemeinschaften) kommt es dabei nicht an (MüKo/Gaier 6. Auflage 2012, § 351, Rn. 1). Die Kläger waren jedenfalls durch gemeinschaftliche Unterzeichnung des Darlehensvertrages (Anl. K1, Bl. 19 GA) gemeinsam berechtigt und verpflichtet. Die Erklärung des Widerrufs erfolgte durch Schriftsatz des Klägervertreters vom 09.02.2015 (Anl. K3, Bl. 36 f. GA) mit Vollmacht für beide Kläger.
57d)
58Der Widerruf erfolgte jedoch nicht rechtzeitig, weil die grundsätzlich gemäß § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. geltende Widerrufsfrist von zwei Wochen nicht eingehalten worden ist. Vielmehr haben die Kläger durch ihr Schreiben vom 09.03.2015 erst über neun Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrags den Widerruf erklärt. Nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. beginnt die zweiwöchige Widerrufsfrist in dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform mitgeteilt worden ist.
59aa)
60Die Beklagte kann sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. berufen, wonach die Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. genügt, wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV verwandt wird. Vertrauensschutzgesichtspunkte greifen nicht ein. Denn die Belehrung der Beklagten weicht von der Musterbelehrung ab.
61Eine Berufung auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV ist nur dann möglich, wenn gegenüber dem Verbraucher ein Belehrungsformular verwendet wird, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltungvollständig entspricht (vgl. BGH, Urt. v. 28.06.2011 – XI ZR 349/10, NJW-RR 2012, 183, 185). Sobald der Verwender den Text der Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzieht, scheidet eine Berufung auf die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-Info-V aus. Dies gilt unabhängig vom konkreten Umfang der von ihm vorgenommenen Änderungen, zumal sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll (vgl. BGH, Urt. v. 28.06.2011 - XI ZR 349/10, NJW-RR 2012, 183, 185; OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2012 – 31 U 97/12, Rn. 77 ff. bei juris).
62Vorliegend hat die Beklagte inhaltliche Änderungen vorgenommen, so dass die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-InfoV nicht eingreift. Die Beklagte ist in ihren Belehrungen mehrfach vom Wortlaut der Musterbelehrungen abgewichen.
63Beispielhaft sei hier aufgezählt, dass in ihrer Belehrung einzeln überschriebene Abschnitte „Beginn der Widerrufsfrist“, „Form des Widerrufs“ und „Adressat des Widerrufs“ etc. auftauchen, die (so) in der Musterbelehrung nicht vorgesehen sind. Daneben wird auch hinsichtlich des Wortlauts vom Muster abgewichen:
64Im Muster heißt es:
65„Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von [zwei Wochen] ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.“
66In den Belehrungen der Beklagten heißt es:
67„Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt am folgenden Tag, nach dem der Kreditnehmer die von ihm gegengezeichnete Vertragsausfertigung nebst der separat vom Kreditnehmer unterzeichneten Widerrufsbelehrung an die Bank abgesandt oder der Bank übergeben hat.
68Der Widerruf muss in Textform (z.B. schriftlich, mittels Telefax- oder E-Mail-Nachricht) erfolgen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten.“
69bb)
70Das Nichteingreifen der Gesetzlichkeitsfiktion ist allerdings unschädlich, da die Widerrufsbelehrung der Beklagten ist Übrigen richtig ist, d.h. den Anforderungen des § 355 BGB a.F. entspricht.
71Nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. beginnt die Widerrufsfrist, wenn dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist, die auch Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und einen Hinweis auf den Fristbeginn und die Regelung des § 355 Abs. 1 S. 2 enthält. Die Widerrufsbelehrung muss umfassend, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein, damit dieser in die Lage versetzt wird, das Widerrufsrecht auszuüben (vgl. BGH, Urt. v. 28.06.2011 – XI ZR 349/10, Rn. 31 bei juris, m.w.N.; OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2012 – 31 U 97/12, Rn. 74 bei juris). Diesen Anforderungen genügt die von der Beklagten verwandte Belehrung. Hierzu im Einzelnen:
72(1)
73Nach Auffassung der Kammer begegnet die Darstellung des Beginns der Widerrufsfrist durch die Beklagte keinen Bedenken. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist eine Widerrufsbelehrung dann unzureichend und fehlerhaft, wenn der Verbraucher nicht eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist belehrt wird (vgl. BGH, Urt. v. 01.03.2012, III ZR 83/11, m.w.N., zitiert nach juris). Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung hinsichtlich des zeitlichen Rahmens, in welchem ihm die bedingungslose Lösung von dem von ihm eingegangenen Vertrag zugestanden wird. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren (BGH, Urt. v. 26.05.2009, XI ZR 242/08, zitiert nach juris).
74Nach dem Inhalt der Widerrufsbelehrung der Beklagten beginnt der Lauf der Frist für den Widerruf am folgenden Tag, nachdem der Darlehensnehmer die von ihm gegengezeichnete Vertragsausfertigung nebst der separat vom Darlehensnehmer unterzeichneten Widerrufsbelehrung an die Bank abgesandt oder der Bank übergeben hat. Dieser Teil der Belehrung entspricht zwar nicht der gesetzlichen Regelung des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.; gleichwohl ist die hier verwendete Formulierung unschädlich. Nach der gesetzlichen Regelung ist nicht – wie in der Widerrufsbelehrung der Beklagten vorgesehen – zur Bestimmung des Beginns der Widerrufsfrist auf die Absendung der durch den Kläger unterschriebenen Vertragsurkunde sowie der Widerrufsbelehrung an die Beklagte abzustellen. Es ist vielmehr der Erhalt der Widerrufserklärung und der Vertragsurkunde oder des Antrags des Klägers bzw. einer Abschrift derselben maßgeblich. Gem. § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. beginnt der Lauf der Frist für die Ausübung des Widerrufsrechts mit dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist. Nach § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. beginnt die Frist in dem Fall, dass der fragliche Vertrag - wie hier nach § 492 Abs. 1 BGB, der Schriftform bedarf - allerdings nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags des Verbrauchers zur Verfügung gestellt wurde. Die streitgegenständliche Formulierung führt jedoch dazu, dass die Widerrufsfrist erst beginnt, wenn der Verbraucher die von ihm gegengezeichnete Vertragsausfertigung und Widerrufsbelehrung an die Bank abgesandt/übergeben hat. Damit hat der Verbraucher es selbst in den Händen, wann die Frist beginnt. Sendet er die Unterlagen beispielweise erst innerhalb von zwei Wochen an die entsprechende Bank, stünde ihm letztlich eine vierwöchige Widerrufsfrist zur Verfügung.
75Die Abweichung von der gesetzlichen Bestimmung des Beginns der Widerrufsfrist ist unschädlich und steht der Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung nicht entgegen. Die Vereinbarung einer im Vergleich zur gesetzlichen Regelung längeren Widerrufsfrist durch die Parteien in einer gesondert zu unterschreibenden Widerrufsbelehrung führt nach der Rechtsprechung des BGH nicht zur Unwirksamkeit der Belehrung (BGH, Urt. v. 13.01.2009, XI ZR 47/08, zitiert nach juris; BGH, Urt. v. 26.05.2009, XI ZR 242/08, zitiert nach juris; Urteil der Kammer vom 23.07.2015, 6 O 156/15). Der - insoweit im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung des § 355 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. - auf die Absendung der unterzeichneten Vertragsunterlagen hinausgeschobene Beginn der Widerrufsfrist stellt eine den Verbraucher begünstigende Vereinbarung der Verlängerung der gesetzlichen Widerrufsfrist im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des BGH dar.
76Die Regelung in der Belehrung der Beklagten entspricht hierbei dem Interesse des Verbrauchers, da ihm bei Bestimmung des Fristbeginns anhand der Absendung der Vertragsunterlagen an den Darlehensgeber ein längerer Zeitraum zum Überdenken des Vertragsschlusses eingeräumt wird, als das Gesetz ihm in § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. zugesteht, und da er den Beginn der Widerrufsfrist zudem selbst beeinflussen kann (vgl. MüKo/Masuch, BGB (2012), § 355 Rn. 4; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 355 Rn. 2, 11). Eine solche Regelung ist zudem mit dem Schutzzweck des § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. vereinbar, der darin besteht, den Verbraucher durch Einräumung einer nachträglichen Bedenkzeit vor Gefahren zu schützen, die sich aus schwer zu durchschauenden Geschäften mit Unternehmerbeteiligung ergeben können. Eine Verlängerung der Widerrufsfrist sowie die Einräumung sonstiger weitergehender Verbraucherrechte steht dem Regelungszweck des § 355 BGB a.F. grundsätzlich nicht entgegen, soweit sich damit nicht zugleich qualitative Änderungen zu Lasten des Verbrauchers verbinden (MüKo/Masuch, BGB (2012), § 355 Rn 4; BGH, Urt. v. 13.01.2009, XI ZR 47/08, zitiert nach juris).
77Die Formulierung der Widerrufsbelehrung hinsichtlich des Fristbeginns erfüllt zudem die Voraussetzungen des Deutlichkeitsgebots nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. Insbesondere ist die Widerrufsbelehrung umfassend, unmissverständlich sowie für den Verbraucher eindeutig und versetzt ihn in die Lage, den Lauf der Widerrufsfrist eigenständig zu bestimmen und sein Widerrufsrecht fristgerecht auszuüben. Aus der von der Beklagten gewählten Formulierung ist für den durchschnittlichen und verständigen Verbraucher zu erkennen, dass die zweiwöchige Widerrufsfrist einen Tag nach Absendung oder alternativ nach Übergabe der unterschriebenen Unterlagen an die Bank zu laufen beginnt. Den Zeitpunkt der Absendung oder der Übergabe der Vertragsunterlagen an die Bank bestimmt ausschließlich der Verbraucher selbst, so dass ihm die Berechnung des genauen Tags des Fristbeginns unproblematisch möglich ist. Auch die Formulierung „am folgenden Tag“ ist nicht geeignet, ein Missverständnis über den konkreten Fristablauf zu generieren, da dieser Hinweis der gesetzlichen Regelung in § 187 Abs. 1 BGB entspricht. Ein die gesetzliche Regelung wiederholender Hinweis kann aber nicht missverständlich sein.
78Die von der Beklagten verwandte Widerrufsbelehrung entspricht auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH vom 10.03.2009 (BGH, Urt. v. 10.03.2009, XI ZR 33/08, zitiert nach juris) den Anforderungen des Deutlichkeitsgebots nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. Die Formulierung der Widerrufsbelehrungen ist nicht geeignet, zu der unzutreffenden Annahme des Verbrauchers zu führen, dass die Widerrufsfrist bereits mit der Übermittlung des die Widerrufsbelehrung enthaltenden Vertragsantrags der Beklagten ohne Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers zu laufen beginne. Die Widerrufsbelehrung der Beklagten bestimmt als fristauslösendes Ereignis die Absendung der separat von den Klägern unterzeichneten Widerrufsbelehrung und der von ihnen gegengezeichneten Vertragsausfertigung. Nach dieser Formulierung ist es ausgeschlossen, dass der Lauf der Widerrufsfrist bereits bei Zusendung der von der Beklagten unterzeichneten Vertragsausfertigung, also vor dem eigentlichen Vertragsschluss, zu laufen beginnt.
79(2)
80Auch hinsichtlich der Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs ist die von der Beklagten verwandte Belehrung nicht zu beanstanden. Soweit die Kläger geltend machen, dass die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß sei, da der Hinweis auf einen etwaigen Nutzungsersatz seitens der Bank fehle, rechtfertigt dies nicht die Annahme der Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung. Nach der damals geltenden Fassung des § 355 Abs. 2 BGB a.F. bestand für den Unternehmer keine Pflicht, auf die Rechtsfolgen des Widerrufs hinzuweisen. Dies ergibt sich auch aus einer Zusammenschau mit § 312 Abs. 2 BGB a.F., welcher ausdrücklich eine Belehrungspflicht über die Rechtsfolgen des Widerrufs bei einem Haustürgeschäft vorsah. Aus dem Umstand, dass § 355 Abs. 2 BGB a.F. eine solche Regelung nicht trifft, ist e contrario zu folgern, dass eine ausdrückliche Belehrung zu den Widerrufsfolgen bei Verbrauchergeschäften, die nicht in einer Haustürsituation zustande gekommen sind, nicht erforderlich ist (OLG Hamm, Urt. v. 16.03.2015, 31 U 118/14, zitiert nach juris; OLG Celle, Beschl. v. 14.07.2014, 3 W 34/14, zitiert nach juris). Belehrt der Unternehmer trotzdem über die Widerrufsfolgen, ist diese Belehrung nur dann nicht ordnungsgemäß i.S.d. § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB a.F., wenn die Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs fehlerhaft ist. Soweit die Widerrufsbelehrung der Beklagten unter der Überschrift "Widerruf bei bereits erhaltenen Leistungen" den Hinweis enthält, dass der Darlehensnehmer für den Fall, dass er vor Ablauf der Widerrufsfrist bereits eine Leistung von der Bank erhalten hat, sein Widerrufsrecht dennoch ausüben kann, aber bei Widerruf empfangene Leistungen an die Bank zurückgewähren muss und der Bank die von ihm aus der Leistung gezogenen Nutzungen herauszugeben habe, ist dieser Hinweis von Rechts wegen nicht zu beanstanden, da er dem Rückabwicklungsverhältnis nach einem Widerruf Rechnung trägt (OLG Hamm, Urt. v. 16.03.2015, 31 U 118/14, zitiert nach juris).
81Daneben erlaubt sich die Kammer den Hinweis, dass insoweit nichts anderes gilt, als in der Belehrung der Beklagten auf eine Pflicht zum Wertersatz hingewiesen wird, sofern die erbrachte Leistung nicht zurückgewährt werden kann. Dies folgt zum einen schon aus den oben bezeichneten Gründen selbst, wonach ein Hinweis auf das Rückabwicklungsverhältnis nach einem Widerruf möglich ist, sofern er den entsprechenden gesetzlichen Vorschriften entspricht. Dies ist hier der Fall, weil auch § 346 BGB explizit den Wertersatz für den von der Beklagten bezeichneten Fall regelt. Daneben hat der Gesetzgeber diesen Hinweis auch unabhängig von der Art der zu erbringenden Leistung in die Musterwiderrufsbelehrung aus Anlage 2 zu § 14 der BGB-InfoV aufgenommen. Zum anderen geht es auch nicht primär um die Pflicht des Darlehensnehmers, das von der Bank erhaltene Geld zurückzugewähren. Vielmehr besteht beim Darlehensvertrag die vom Darlehensnehmer zurückzugewährende Leistung gerade nicht im empfangenen Darlehensbetrag, sondern gemäß § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB in der Überlassung auf Zeit, also in der Möglichkeit der Nutzung des Darlehenskapitals (vgl. Medicus/Lorenz Schuldrecht II, 17. Auflage 2014, Rn. 569). Für diese Nutzungsmöglichkeit kommt eine Rückgewähr in natura nicht in Betracht, sondern nur eine Wertersatzpflicht, so dass der in der Belehrung verwandte Hinweis auch inhaltlich korrekt ist.
82(3)
83Desweiteren ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch die Adressangabe in der Belehrung der Beklagten ordnungsgemäß i. S. v. § 355 BGB angegeben worden. Die Kläger rügen insoweit, dass in der Belehrung lediglich ein Postfach und keine „ladungsfähige Anschrift“ angegeben sei. Dieser Einwand hat keinen Erfolg. Zum einen ist die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift i.S.v. § 355 gar nicht erforderlich. Denn unter dem Begriff „Anschrift” i. S. des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB ist nicht die Hausanschrift, sondern die Postanschrift zu verstehen, so dass auch eine Postfachanschrift darunter fallen kann (vgI. BGH NJW 2002, 2391). Nach Sinn und Zweck der Vorschrift § 355 BGB muss lediglich gewährleistet sein, dass der Widerruf wirksam gegenüber dem Adressaten ausgeübt werden kann. Dies ist möglich, weil auch die Absendung an ein Postfach regelmäßig zum Zugang der Erklärung führt. Insofern macht es keinen Unterschied, ob das Schreiben an eine konkrete Adresse oder ein Postfach gesandt wird. Unerheblich ist auch, dass die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift in der der Musterwiderrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 EGBGB vorgesehen sein mag, da die Beklagte diese vorliegend nicht übernommen hat (s.o.). Daneben enthält der Darlehensvertrag selbst schon eine „ladungsfähige Anschrift“ auf Seite 1 des Vertragsdokumentes (Bl. 12 GA), so dass die erneute Angabe der Anschrift sogar entbehrlich wäre, da die Belehrung - wie hier - einen Teil der Vertragserklärung bildet (so auch: OLG Frankfurt, WPR 1989, 174, 176; Bülow/Artz Verbraucherkreditrecht, § 495, Rn. 121).
842.
85Der Antrag zu 2) ist unbegründet. Den Klägern steht kein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Form einer Zinszahlung in Höhe von 2.439,13 € aus §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1, 357 Abs. 1, 346 ff. BGB zu. Denn die Erklärung des Widerrufs des Darlehensvertrages ist nicht fristgemäß erfolgt (s.o.). Aus den obigen Erwägungen kommt es zu keiner Rückabwicklung des Darlehensvertrages gemäß § 357 Abs. 1 a.F. BGB i. V. m. §§ 346 ff. BGB, (s.o.). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf obige Ausführungen verwiesen.
863.
87Der Antrag zu 3) ist ebenfalls unbegründet. Den Klägern steht kein Anspruch auf die Rückerstattung der Wertermittlungsgebühr in Höhe von 250,00 € aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 BGB zu. Zunächst ist bereits unklar und von den Klägern nicht nachvollziehbar dargelegt, aus welchem Vertragsverhältnis der Parteien sich der Anspruch ergeben soll. So beziehen sich die Kläger in der Klageschrift auf einen Darlehensvertrag Nummer … vom 29.03.2012. Als Anlage zur Klageschrift (vgl. Anl. K5, Bl. 32 ff. GA) ist ein Darlehensvertrag mit der Nummer … über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 114.00,00 € vom 17.11.2005, unterzeichnet am 29.11.2005, beigefügt. Dieser weist tatsächlich eine Wertermittlungsgebühr in Höhe von 250,00 € aus.
88Selbst bei einer Ausdeutung der Klageschrift i. S. v. §§ 133, 157 BGB in der Form, dass sich die Rückforderung auf den Vertrag vom November 2005 beziehen soll, stünde den Klägern der geltend gemachte Anspruch aus rechtlichen Erwägungen aber nicht zu. So beurteilte der XI. Zivilsenat des BGH zuletzt in seinen beiden Entscheidungen vom 13.05.2014 (BGH v. 13.05.2014 – XI ZR 170/13 und XI ZR 405/12) die Erhebung eines „Bearbeitungsentgeltes“ in AGB eines Verbraucherdarlehensvertrags zwar als unangemessene Benachteiligung des Darlehensnehmers gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und folglich als unwirksame Entgeltklausel; doch steht der Durchsetzung eines daraus folgenden etwaigen Anspruchs der Kläger aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Variante BGB der von der Beklagten erhobene Einwand der Verjährung, § 214, Abs. 1 BGB, entgegen. Für Bereicherungsansprüche gelten die regelmäßigen Verjährungsvorschriften gemäß §§ 195, 199 BGB. Das heißt, dass der mögliche Rückzahlungsanspruch in drei Jahren verjährt, wobei die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres entsteht, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat, § 199 Abs. 1 BGB. Der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz Variante 1 BGB hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt (BGH – Entscheidung v. 29.01.2008 - XI ZR 160/07 und v. 15. 06.2010 - XI ZR 309/09). Der gegenständliche Vertrag wurde am 29.11.2005 geschlossen. Vorliegend kann es kann damit dahinstehen, ob es sich bei der streitgegenständlichen Wertermittlungsgebühr tatsächlich um eine Bearbeitungsgebühr im Sinne der geschilderten Rechtsprechung handelt. Jedenfalls ist Verjährung eingetreten. Zwar beginnt die Verjährung nicht bereits mit Schluss des Jahres 2005 (Zeitpunkt des Vertragsschlusses), wonach die Frist zum Abschluss des Jahres 2008 verstrichen wären, da sich die Rechtsprechung des BGH, auf welche sich der Erstattungsanspruch stützt sich erst zu einem späteren Zeitpunkt herausgebildet hat; doch ist bereits ab dem Jahre 2010 bereits von zahlreichen Oberlandesgerichten entschieden worden, dass die Vereinbarung eines Bearbeitungsentgelts den Verbraucher unangemessen im Sinne des§ 307 Absatz 2 Nr. 1 BGB benachteiligt (vgl. dazu etwa OLG Bamberg, Urt. v. 04.08.2010 – Az. 3 U 78/10; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 21.02.2011 – Az. 4 U 174/10; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.02.2011 – Az. 6 U 162/10; OLG Karlsruhe, Urt. v. 03.05.2011 – Az. 17 U 192/10; OLG Frankfurt, Urt. v. 27.07.2011 – Az. 17 U 59/11; OLG Dresden, Urt. v. 29.09.2011 – Az. 8 U 562/11; OLG Celle, Beschl. v. 13.10.2011 – Az. 3 W 86/11; OLG Hamm, Urt. v. 17.09.2012 – Az. 31 U 60/12), worauf sich der BGH im selben Zeitraum mit dieser Frage bereits auseinander gesetzt hat und in seinen Entscheidungen vom 15.06.2010 (XI ZR 309/09) und 07.12.2010 (XI ZR 348/09) den Kurs der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung bestätigte. Spätestens mit Veröffentlichung dieser Entscheidungen im Jahre 2010/2011 lag eine Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor (vgl. hierzu auch BGH Urt. vom 28.10.2014 - Az. XI ZR 17/14), so dass jedenfalls mit Schluss des Jahres 2014 (31.12.2014) die Verjährung eintrat. Selbst dieser für die Kläger günstige (spätere) Verjährungsbeginn führt allerdings dazu, dass ein etwaiger Anspruch der Kläger bereits verjährt ist. Eine Hemmung der Verjährung im Sinne von § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB durch Zustellung eines Mahnbescheides ist vorliegend nicht gegeben. Die Kläger können sich hierzu nicht auf die Vorlage des Antragsformulars auf Erlass eines Mahnbescheides vom 31.12.2014 (Anl. K6, Bl. 38 ff. GA) beschränken. Dieser Vortrag genügt den Anforderungen von § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht. So ist zum Mahnverfahren selbst nichts bekannt, insbesondere fehlt vorliegend das Aktenzeichen des zentralen Mahngerichts I. Die Kläger sind ihrer Darlegungspflicht im Sinne von § 138 Abs. 1 ZPO nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Zu einer etwaigen Zustellung eines Mahnbescheides ist nichts vorgetragen worden. Dabei kommt es für die Hemmung allein auf die Zustellung und nicht die Rechtshängigkeit des Mahnbescheides an (BGH, NJW 2009, 1213).
89II.
90Die Kostenentscheidung ergeht im Hinblick auf die teilweise Klagerücknahme und die übereinstimmende Erledigungserklärung nach § 91 a I ZPO i. V. m. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO analog.
91Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
92Streitwert: bis 5.999,68 Euro.
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden der Beklagten auferlegt mit Ausnahme der durch die Streithilfe verursachten Kosten, die die Streithelferin trägt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Darlehens, das ihm die Rechtsvorgängerin der beklagten Bank (im Folgenden: Beklagte) zur Finanzierung der Beteiligung an einer Immobilienfondsgesellschaft gewährt hat.
- 2
- Der Kläger, ein damals 38 Jahre alter Diplomingenieur, wurde im Dezember 2002 von einem Vermittler geworben, sich über eine Treuhän- derin an der F. GmbH & Co. KG (im Folgenden : Fondsgesellschaft) mit einem Anteil von 40.000 € zuzüglich 5% Agio zu beteiligen. Er leistete am 30. Dezember 2002 eine Eigenkapitalzahlung in Höhe von 10.000 € an die Fondsgesellschaft. Den Restbetrag finanzierte er über ein Darlehen bei der Beklagten, die dem Kläger hierzu ein von ihr am 14. Februar 2003 unterzeichnetes, mit "Darlehensvertrag" überschriebenes und mit einer Widerrufsbelehrung versehenes Darlehensangebot über einen Nettokreditbetrag von 32.000 € unterbreitete. In dem Vertragsformular war die Provision von 1% des Darlehensnennbetrags (323,23 €), die die Beklagte für die Darlehensvermittlung an die Fondsgesellschaft gezahlt hatte, als „Bearbeitungsgebühr“ ausgewiesen.
- 3
- Mit Datum vom 22. Februar 2003 bestätigte der Kläger den Empfang des Vertragsangebots und der beigefügten Widerrufsbelehrung. Diese lautete auszugsweise wie folgt: "Jeder Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (...) widerrufen. Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer diese Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages zur Verfügung gestellt wurde. … Von dieser Widerrufsbelehrung habe/n ich/wir Kenntnis genommen : ................ ........................................ Ort, Datum Unterschrift R. B. "
- 4
- Am 15. März 2003 unterzeichnete der Kläger den Darlehensvertrag sowie - durch gesonderte Unterschrift - die Erklärung über die Kenntnisnahme der Widerrufsbelehrung. Er übersandte die Vertragsurkunde der Beklagten, erbrachte bis zum 30. Dezember 2005 auf das valutierte Darlehen ratenweise Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 10.065,48 € und erhielt in diesem Zeitraum Fondsausschüttungen in Höhe von 5.600 €. Nachdem die Fondsgesellschaft im Frühjahr 2005 in Insolvenz geraten war, widerrief der Kläger mit Schreiben vom 5. August 2005 seine Darlehensvertragserklärung.
- 5
- Mit seiner Klage hat er die Beklagte auf Rückgewähr der auf das Darlehen geleisteten Zahlungen - hilfsweise Zug um Zug gegen Übertragung seiner Gesellschaftsanteile - sowie auf Ersatz der ihm entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch genommen und die Feststellung begehrt, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag keine Ansprüche mehr zustehen. Zur Begründung hat er sich unter Hinweis auf die für fehlerhaft gehaltene Widerrufsbelehrung auf den Widerruf seiner Darlehensvertragserklärung gestützt und sich ergänzend auf die Formnichtigkeit des Darlehensvertrags wegen fehlender Pflichtangaben zu den Vermittlungskosten berufen. Auch sei er durch die Fondsverantwortlichen arglistig getäuscht worden. Dies könne er der Beklagten entgegenhalten , da Kreditvertrag und Fondsbeitritt ein verbundenes Geschäft seien. Sein Anspruch auf Rückzahlung der Annuitätenleistungen sei mit Rücksicht auf die von ihm erklärte Aufrechnung mit seinem Anspruch auf Rückzahlung der Eigenkapitalleistung nicht um die von ihm empfangenen Ausschüttungen zu kürzen.
- 6
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der Feststellungsklage und der Zahlungsklage im Hauptantrag stattgegeben mit Ausnahme der begehrten Anwaltskosten. Mit der - vom Berufungsgericht für die Beklagte zugelassenen - Revision erstrebt diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision ist unbegründet.
I.
- 8
- Berufungsgericht Das hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit es der Klage stattgegeben hat, im Wesentlichen ausgeführt:
- 9
- Zwar sei der Darlehensvertrag wirksam zustande gekommen und auch nicht wegen fehlender Pflichtangaben zu den Vermittlungskosten nichtig. Der Kläger habe aber seine Darlehensvertragserklärung wirksam widerrufen. Der Widerruf sei insbesondere rechtzeitig gewesen, da der Kläger über sein aus § 495 Abs. 1 BGB folgendes Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß (§ 355 Abs. 2 BGB) belehrt worden sei. Die ihm erteilte Widerrufsbelehrung sei irreführend gewesen. Sie erwecke bei einem unbefangenen und rechtsunkundigen Leser den falschen Eindruck, die Widerrufsfrist beginne unabhängig davon, von wem der "Darlehensantrag" stamme, einen Tag, nachdem der Verbraucher das Angebot der Beklagten mit der beigefügten Widerrufsbelehrung erhalten habe. Zudem sei die Belehrung verfrüht, da sie erteilt worden sei, bevor der Kläger seine bindende Vertragserklärung abgegeben habe. Der Kläger könne als Rechtsfolge seines Widerrufs von der Beklagten die Rückgewähr der Zahlungen verlangen, die er auf die Darlehensschuld erbracht habe. Die empfangenen Fondsausschüttungen, die er sich grundsätzlich anrechnen lassen müsse, minderten den eingeklagten Betrag mit Rücksicht auf die von ihm erklärte Aufrechnung mit seinem Anspruch auf Rückerstattung der Eigenkapitalzahlung nicht. Auf diesen könne er sich auch gegenüber der Beklagten berufen, da Darlehensvertrag und Fondsbeitritt ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB seien.
II.
- 10
- Berufungsurteil Das hält rechtlicher Überprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Rückzahlungsanspruch des Klägers bejaht und festgestellt, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag vom 14. Februar/15. März 2003 keine Ansprüche mehr zustehen.
- 11
- 1. Entgegen der Auffassung des Klägers ist sein Rückzahlungsbegehren allerdings nicht bereits wegen Formnichtigkeit des Vertrags gemäß § 494 Abs. 1, § 492 Abs. 1 Satz 5 Nr. 4 BGB gerechtfertigt. Dabei kommt es auf die vom Berufungsgericht erörterte Frage, ob die Ausweisung der Vermittlungskosten als "Bearbeitungsgebühr" einen Formverstoß darstellt, nicht an. Die von ihm begehrte Rückabwicklung des Vertrags kann der Kläger mit diesem Vorbringen schon deshalb nicht erreichen , weil - worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist - der Vertrag durch die Inanspruchnahme des Darlehens gemäß § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB jedenfalls geheilt worden ist.
- 12
- 2. Zutreffend ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Rückabwicklungsbegehren des Klägers jedoch mit Rücksicht auf den von ihm erklärten Widerruf seiner Darlehensvertragserklärung begründet ist. Nach den nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts steht dem Kläger ein Widerrufsrecht gemäß § 495 Abs. 1, § 355 BGB zu. Dieses konnte er entgegen der Auffassung der Revision mit seinem am 5. August 2005 erklärten Widerruf noch wirksam ausüben. Eine Widerrufsfrist hatte gemäß § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB in der hier anwendbaren Fassung des OLG-Vertretungsänderungsgesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I, S. 2850) nicht zu laufen begonnen, da die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach.
- 14
- b) Eine den Vorgaben des § 355 BGB entsprechende Widerrufsbelehrung hat sie - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - nicht erteilt. Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren (Senatsurteil vom 13. Januar 2009 - XI ZR 118/08, WM 2009, 350, 351, Tz. 14; BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, WM 2002, 1989, 1991).
- 15
- aa) Deren Lauf hängt bei einem Vertrag, der wie der streitgegenständliche Verbraucherdarlehensvertrag schriftlich abzuschließen ist (§ 492 BGB), davon ab, dass dem Verbraucher über die Widerrufsbelehrung hinaus (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB) auch eine Vertragsurkunde oder sein eigener schriftlicher Antrag im Original bzw. in Abschrift zur Verfügung gestellt wird (§ 355 Abs. 2 Satz 3 BGB). Der Widerrufsbelehrung muss bei Schriftform des Vertrags also eindeutig zu entnehmen sein, dass der Lauf der Widerrufsfrist zusätzlich zu dem Empfang der Widerrufsbelehrung voraussetzt, dass der Verbraucher im Besitz einer seine eigene Vertragserklärung enthaltenden Urkunde ist. § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB trägt insofern dem mit der Belehrung verfolgten Ziel Rechnung, dem Verbraucher sein Widerrufsrecht klar und deutlich vor Augen zu führen. Nur wenn der Verbraucher eine Vertragserklärung bereits abgegeben hat oder zumindest zeitgleich mit der Belehrung abgibt, wenn sich also die Belehrung auf eine konkrete Vertragserklärung des Verbrauchers bezieht , kann er die ihm eingeräumte Überlegungsfrist sachgerecht wahrnehmen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, WM 2002, 1989, 1992; vgl. auch zu § 7 VerbrKrG Senatsurteil vom 13. Januar 2009 - XI ZR 118/08, WM 2009, 350, 351, Tz. 18).
- 16
- bb) Diesen Anforderungen genügt die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung nicht. Sie belehrt den Verbraucher über den nach § 355 Abs. 2 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist nicht richtig, weil sie - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - das unrichtige Verständnis nahe legt, die Widerrufsfrist beginne bereits einen Tag nach Zugang des mit der Widerrufsbelehrung versehenen Darlehensangebots der Beklagten zu laufen. Durch die Formulierung der in dem von der Beklagten übersandten Vertragsangebot enthaltenen Belehrung , die Widerrufsfrist beginne „einen Tag“ nach Mitteilung „dieser“ Belehrung und Zurverfügungstellung einer Vertragsurkunde, entsteht aus der Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Kunden, auf den abzustellen ist (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2009 - XI ZR 118/08, WM 2009, 350, 351, Tz. 16; BGH, Urteil vom 18. April 2005 - II ZR 224/04, WM 2005, 1166, 1168), der Eindruck, diese Voraussetzungen seien bereits mit der Übermittlung des die Widerrufsbelehrung enthaltenden Vertragsantrags der Beklagten erfüllt und die Widerrufsfrist beginne ohne Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach Zugang des Angebots der Beklagten zu laufen. Dies gilt umso mehr, als das Angebot der Beklagten mit "Darlehensvertrag" überschrieben ist, so dass für den unbefangenen Leser der Eindruck entsteht, es handele sich bei dieser Urkunde unabhängig von der Annahmeerklärung des Klägers um die in der Widerrufsbelehrung genannte Vertragsurkunde , die dem Kläger zur Verfügung gestellt wurde. Auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob das Berufungsgericht zu Recht in dem Angebot der Beklagten einen "Darlehensantrag" gesehen hat, kommt es daher nicht an. Entscheidend ist, dass die von der Beklagten verwendete Formulierung der Widerrufsbelehrung dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht entspricht, weil sie die unzutreffende Vorstellung hervorrufen kann, die Widerrufsfrist beginne unabhängig von einer Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach dem Zugang des Angebots der Beklagten nebst Widerrufsbelehrung.
- 17
- cc) Die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung hat schon aus diesem Grund den Lauf der Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt. Auf die vom Berufungsgericht zusätzlich erörterte Frage, ob die Widerrufsbelehrung auch zu früh erteilt worden war (hierzu BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, WM 2002, 1989 ff.), oder ob es insoweit - wie die Revision geltend macht - ausreichte, dass der Kläger - wie das von ihm bei der Unterschrift angegebene Datum ausweist - von der Widerrufsbelehrung jedenfalls zeitgleich mit der Vertragsannahme Kenntnis genommen hat, kommt es daher nicht an.
- 18
- dd) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist in der Rechtsprechung bereits geklärt, dass ein Kenntnisnahmevermerk, wie ihn der Kläger hier unterschrieben hat, der Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrung nicht entgegen steht. Richtig ist zwar, dass die Widerrufsbelehrung nach § 355 BGB grundsätzlich keine anderen Erklärungen enthalten darf, um die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung des Rechts zum Widerruf nicht zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, WM 2002, 1989, 1991). Zulässig sind diesem Zweck entsprechend allerdings Ergänzungen, die keinen eigenen Inhalt aufweisen und den Inhalt der Widerrufsbelehrung verdeutlichen (Senatsurteile vom 11. März 2008 - XI ZR 317/06, WM 2008, 828, 829, Tz. 13 und vom 13. Januar 2009 - XI ZR 118/08, WM 2009, 350, 351, Tz. 14, jeweils m.w.N.; BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, aaO). Hierzu gehört auch der Zusatz, der Verbraucher habe von der Widerrufsbelehrung Kenntnis genommen. Ihm kommt kein weiterer Erklärungsinhalt zu, als dass der Darlehensnehmer auf die Widerrufsbelehrung - neben dem eigentlichen Vertragsinhalt - gesondert hingewiesen worden ist und um sein Widerrufsrecht weiß (vgl. Senatsurteile vom 13. Januar 2009 - XI ZR 508/07 und XI ZR 509/07, jeweils Umdruck S. 14, Tz. 25). Die vom Kläger erbetene Unterschrift sieht das neue Widerrufsrecht als Wirksamkeitsvoraussetzung der Belehrung zwar nicht mehr vor. Sie ist jedoch auch weiter unbedenklich und aus Beweisgründen empfehlenswert (Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 355 Rn. 15; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2004, § 355 Rn. 51).
- 19
- 3. Durch den wirksamen Widerruf hat sich der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag gemäß § 357 Abs. 1, § 346 BGB ex nunc in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt.
- 20
- a) Die Beklagte schuldet dem Kläger danach die Rückgewähr der von ihm aus seinem Vermögen erbrachten Zins- und Tilgungsraten (vgl. Senat, BGHZ 172, 147, 153, Tz. 22). Dies zieht auch die Revision als Rechtsfolge eines wirksamen Widerrufs zu Recht nicht in Zweifel. Sie wendet sich jedoch dagegen, dass das Berufungsgericht den vom Kläger eingeklagten Betrag von 10.065,48 € nicht um die empfangenen Fondsausschüttungen in Höhe von 5.600 € gekürzt hat. Auch insoweit bleibt sie aber ohne Erfolg.
- 21
- aa) Zutreffend ist allerdings, dass sich der Darlehensnehmer nach einem Widerruf seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung die an ihn oder an die Bank direkt geflossenen Fondsausschüttungen nach den Regeln des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen muss, da er andernfalls besser stünde, als er ohne die Betei- ligung an dem Fonds gestanden hätte (Senat, BGHZ 172, 147, 153, Tz. 22; 167, 252, 267 f., Tz. 41).
- 22
- bb) Dies hat auch das Berufungsgericht richtig gesehen. Zu Recht hat es jedoch angenommen, dass der Kläger gegenüber dem Anspruch der Beklagten auf Herausgabe der ihm zugeflossenen Fondsausschüttungen (5.600 €) wirksam mit seiner Forderung auf Rückzahlung der an den Fonds erbrachten Eigenkapitalzahlung von 10.000 € aufgerechnet hat.
- 23
- Soweit (1) die Revision hiergegen einwendet, der Anspruch auf Rückzahlung der Eigenkapitalleistung sei nicht rechtshängig, übersieht sie, dass der Kläger nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts , gegen die die Revision nichts Erhebliches vorbringt, im Rechtsstreit die unbedingte Aufrechnung mit seinem Anspruch auf Rückzahlung der Eigenkapitalleistung erklärt hat. Gegen die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, mit dieser Aufrechnungserklärung habe der Kläger seine Rechte aus § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB im Rahmen der Rückabwicklung der Fondsbeteiligung (§ 358 Abs. 2 Satz 1 BGB) geltend gemacht, ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern, zumal sie damit in Einklang steht, dass der Kläger bereits in erster Instanz von der Beklagten im Rahmen der Rückabwicklung des verbundenen Geschäfts ausdrücklich die Rückzahlung der erbrachten Eigenkapitalleistung abzüglich der erhaltenen Fondsausschüttungen verlangt hat. Auch die Revision bringt hiergegen nichts Beachtliches vor.
- 24
- (2) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass der Kläger mit seinem ursprünglich gegen die Fondsgesellschaft gerich- teten Anspruch auf Rückzahlung seiner Eigenkapitalleistung gegenüber der Beklagten aufrechnen kann.
- 25
- (a) Da es sich nach den von der Revision nicht angegriffenen und aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts bei dem Darlehensvertrag und dem Fondsbeitritt um ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 358 BGB handelt, führt der Widerruf der Darlehensvertragserklärung zugleich dazu, dass der Kläger gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1 BGB auch nicht mehr an den finanzierten Vertrag , hier also den Beitritt zu der Fondsgesellschaft, gebunden ist. § 358 Abs. 2 BGB gilt auch für den finanzierten Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, sofern - wie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hier der Fall - die Voraussetzungen eines verbundenen Geschäfts nach § 358 Abs. 3 BGB vorliegen (MünchKommBGB/Habersack, 5. Aufl., § 358 Rn. 14; Palandt/Grüneberg, aaO, § 358 Rn. 7; ebenso die gefestigte Rechtsprechung zu § 3 HWiG, § 9 VerbrKrG: vgl. BGHZ 156, 46, 50 ff.; 159, 294, 309 f.; 167, 252, 256, Tz. 12).
- 26
- Die (b) Rückabwicklungsansprüche, die dem Kläger infolge der Erstreckung der Widerrufsfolgen auf das finanzierte Geschäft zustehen, kann er - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - gemäß § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB der finanzierenden Bank, hier also der Beklagten , entgegenhalten. Sofern - wie hier - das auszuzahlende Darlehen bereits ganz oder teilweise dem Unternehmer zugeflossen ist, sieht § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB eine bilaterale Rückabwicklung allein im Verhältnis zwischen Darlehensgeber und Verbraucher vor. Der Darlehensgeber tritt in diesem Fall anstelle des Unternehmers in dessen Rechte und Pflichten aus dem verbundenen Vertrag ein und wird an dessen Stelle Gläubiger und Schuldner des Verbrauchers im Abwicklungsverhältnis (MünchKomm BGB/Habersack, aaO, Rn. 82; Palandt/Grüneberg, aaO, § 358 Rn. 21; Staudinger/Kessal-Wulf, aaO, § 358 Rn. 67; ebenso zu § 9 VerbrKrG BGHZ 131, 66, 72 f.). Ziel des § 358 BGB ist es, den Verbraucher vor Risiken zu schützen, die ihm durch die Aufspaltung eines wirtschaftlich einheitlichen Vertrags in ein Bargeschäft und einen damit verbundenen Darlehensvertrag drohen (Palandt/Grüneberg, aaO, § 358 Rn. 1; Staudinger/Kessal-Wulf, aaO). Der Gesetzgeber hat hiermit die in der Vergangenheit zum Widerruf im Rahmen des Verbraucherkreditgesetzes und des Haustürwiderrufsgesetzes entwickelte Rechtsprechung (vgl. BGHZ 131, aaO; 133, 254, 259 ff.; 152, 331, 337; 167, 252, 256 f., Tz. 12) aufgegriffen, nach welcher der Verbraucher innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist frei und ohne Furcht vor finanziellen Nachteilen die Entscheidung soll treffen können, ob er an seinen eine wirtschaftliche Einheit bildenden Verpflichtungserklärungen festhalten will oder nicht (st. Rspr., Senat, BGHZ 167, 252, 256, Tz. 12 m.w.N.). Dieses Ziel stellt § 358 BGB im Falle des Widerrufs der Darlehensvertragserklärung dadurch sicher, dass der Verbraucher auch an seine auf den Abschluss des mit dem Verbraucherdarlehensvertrag verbundenen Vertrags gerichtete Willenserklärung insgesamt nicht mehr gebunden ist und sich im Rahmen der Rückabwicklung beider Verträge hinsichtlich sämtlicher Ansprüche ausschließlich dem Darlehensgeber als Gläubiger und Schuldner gegenüber sieht, der an Stelle des Unternehmers in das Abwicklungsverhältnis eingetreten ist.
- 27
- Verbraucher Der hat daher - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - gegen die finanzierende Bank einen Anspruch auf Rückerstattung aller aus seinem Vermögen an Darlehensgeber und Unternehmer erbrachten Leistungen. Hierzu gehören sowohl die an den Darlehensgeber erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen als auch eine Anzahlung, die der Verbraucher aus eigenen Mitteln an den Unternehmer geleistet hat (Bamberger/Roth/C. Möller, BGB, 2. Aufl., § 358 Rn. 28, 34; Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 6. Aufl., § 495 Rn. 290; Erman/ Saenger, BGB, 12. Aufl., § 358 Rn. 28; MünchKommBGB/Habersack, aaO, Rn. 84 f.; Staudinger/Kessal-Wulf, aaO; ebenso schon zum AbzG: BGHZ 131, 66, 72 f.). Ist also die Beteiligung an der Fondsgesellschaft - wie hier - nicht vollständig fremdfinanziert, hat der Darlehensgeber dem Verbraucher auch dessen aus eigenen Mitteln an die Gesellschaft gezahlten Eigenanteil zu erstatten (Erman/Saenger, aaO; MünchKommBGB /Habersack, aaO, Rn. 85).
- 28
- Dies hat das Berufungsgericht zutreffend gesehen und hat daher zu Recht die Aufrechnung des Klägers mit seinem Anspruch auf Rückgewähr der von ihm aus eigenen Mitteln geleisteten Bareinlage gegenüber der Forderung der Beklagten auf Anrechung der Fondsausschüttungen für durchgreifend erachtet.
- 29
- b) Zutreffend - und von der Revision unbeanstandet - hat es dem Kläger des weiteren einen Anspruch auf Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zuerkannt. Der Anspruch folgt aus § 357, § 346 Abs. 1 BGB. Zwar sind nach § 346 Abs. 1 BGB nur tatsächlich gezogene Nutzungen herauszugeben. Bei Zahlungen an eine Bank besteht aber eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss (vgl. zu § 818 Abs. 1 BGB Senat, BGHZ 172, 147, 157, Tz. 35 m.w.N.).
- 30
- c) Von der Revision zu Recht hingenommen, hat das Berufungsgericht die Beklagte auch nicht lediglich Zug um Zug gegen Abtretung der Fondsanteile des Klägers verurteilt. Die Beklagte hat sich auf ein Zurückbehaltungsrecht nicht berufen und es war auch nicht von Amts wegen zu berücksichtigen (Senat, BGHZ 174, 334, 344, Tz. 35).
Ellenberger Matthias
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 13.10.2006 - 5 O 277/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 28.12.2007 - 17 U 397/06 -
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von bis zu 230.000,00 € bis zum 31.03.2015 und von bis zu 95.000,00 € seitdem.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin verlangt mit der vorliegenden Klage die Rückabwicklung zweier Verbraucherdarlehensverträge nach erklärtem Widerruf.
3Am 09.09./11.09.2008 schlossen die Klägerin, seinerzeit noch unter ihrem Geburtsnamen H, und ihr späterer (und zwischenzeitlich geschiedener) Ehemann L2 mit der Beklagten einen Wohnungsbaudarlehensvertrag über einen Nettokreditbetrag von 159.000,00 €; der Darlehensbetrag wurde durch eine Buchgrundschuld in Höhe von 219.000,00 € auf dem Finanzierungsobjekt C-Straße 69 in X, einem Einfamilienhaus, gesichert (im Folgenden: Hauptdarlehensvertrag, Einzelheiten: Anlage K1 = Bl. 7-23 d.A.). Daneben schlossen die Darlehensnehmer mit der Beklagten einen weiteren Darlehensvertrag aus einer L-Förderung über einen Nettokreditbetrag von 60.000,00 € (im Folgenden: L-Darlehensvertrag, Einzelheiten: Anlage K2 = Bl. 24-26 d.A.).
4Beide Verträge enthielten in jeweils separater Anlage eine Widerrufsbelehrung.
5Die Widerrufsbelehrung zum Hauptdarlehensvertrag ist inhaltlich und optisch wie folgt gestaltet (Bl. 12 f. d.A.):
6Hier folgt eine Widerrufsbelehrung.
7Die Widerrufsbelehrung zum L-Darlehensvertrag ist inhaltlich und optisch wie folgt gestaltet (Bl. 25 f. d.A.):
8Hier folgt eine Widerrufsbelehrung.
9Im Juni 2013 beantragten die Klägerin und ihr Ehemann nach Scheidung die Entlassung des Ehemanns aus der Schuldhaft.
10Mit Schreiben an die Beklagte vom 23.06.2014 (Anlage K3 = Bl. 27 d.A.) widerrief die Klägerin (nicht auch zugleich ihr Ehemann) den Hauptdarlehensvertrag. Mit anwaltlichem Schreiben an die Beklagte vom 06.11.2014 wiederholte sie die Widerrufserklärung, und zwar nunmehr ausdrücklich bezogen auf den Hauptdarlehensvertrag „nebst eingeschlossener Mittel aus einer L-Förderung“ (Anlage K5 = Bl. 30-33 d.A.).
11Die Klägerin ist der Ansicht, dass die von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrungen nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprächen, weshalb der Lauf der Widerrufsfristen nicht in Gang gesetzt worden sei.
12Ursprünglich – mit der Klageschrift vom 04.02.2015 – hat die Klägerin die Feststellung beantragt, dass sie ihre Vertragserklärungen zum Abschluss des Haupt- und des L-Darlehensvertrages wirksam widerrufen hat. Auf entsprechenden Hinweis des Gerichts mit Verfügung vom 25.02.2015 (Bl. 36 d.A.) hat die Klägerin die Klage mit Schriftsatz vom 30.03.2015 dahingehend umgestellt, dass sie die Beklagte nunmehr auf Rückzahlung erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen Zug um Zug gegen Rückgewähr der Nettokreditbeträge in Anspruch nimmt; mit späterem Schriftsatz (vom 28.05.2015) hat sie den Zahlungsbetrag aus dem Schriftsatz vom 30.03.2015 um 3.461,44 € auf 81.755,70 € reduziert. Daneben begehrt sie die Feststellung, dass der Beklagten aus den Darlehensverträgen keine Ansprüche mehr gegen die Klägerin zustehen. Schließlich verlangt sie die Bezahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
13Nach entsprechender Teilklagerücknahme hinsichtlich des nachfolgenden Klageantrags zu Ziff. 1. beantragt die Klägerin nunmehr:
14- 15
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 81.755,70 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 321,56 € seit dem 05.01.2009 sowie aus weiteren 672,22 € seit dem 02.02.2009 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 02.03.2009 sowie aus weiteren 1.560,90 € seit dem 31.03.2009 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 30.04.2009 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 01.06.2009 sowie aus weiteren 1.560,90 € seit dem 30.06.2009 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.07.2009 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.08.2009 sowie aus weiteren 1.560,90 € seit dem 30.09.2009 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 02.11.2009 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 30.11.2009 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 30.12.2009 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 01.02.2010 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 01.03.2010 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 31.03.2010 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 30.04.2010 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.05.2010 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 30.06.2010 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 02.08.2010 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.08.2010 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 30.09.2010 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 01.11.2010 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 30.11.2010 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 30.12.2010 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.01.2011 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 28.02.2011 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 31.03.2011 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 02.05.2011 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem31.05.2011 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 30.06.2011 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 01.08.2011 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.08.2011 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 30.09.2011 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.10.2011 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 30.11.2011 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 30.12.2011 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.01.2012 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 29.02.2012 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 02.04.2012 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 30.04.2012 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.05.2012 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 02.07.2012 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.07.2012 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.08.2012 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 01.10.2012 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.10.2012 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 30.11.2012 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 02.01.2013 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.01.2013 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 28.02.2013 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 01.04.2013 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 30.04.2013 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.05.2013 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 01.07.2013 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.07.2013 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 02.09.2013 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 30.09.2013 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.10.2013 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 02.12.2013 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 30.12.2013 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.01.2014 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 28.02.2014 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 31.03.2014 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 30.04.2014 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 02.06.2014 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 30.06.2014 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.07.2014 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 01.09.2014 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 30.09.2014 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 31.10.2014 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 01.12.2014 sowie aus weiteren 1.730,72 € seit dem 30.12.2014 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 02.02.2015 sowie aus weiteren 810,90 € seit dem 02.03.2015 Zug um Zug gegen Zahlung von 219.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5,12 Prozentpunkten aus 144.000,00 € vom 02.01.2009 bis zum 23.06.2014 sowie weiteren 15.000,00 € vom 09.01.2009 bis zum 23.06.2014 sowie 5,0 Prozentpunkten aus 60.000,00 € vom 02.01.2009 bis zum 23.06.2014 sowie 2,5 Prozentpunkten aus 219.000,00 seit dem 24.06.2014 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagten gegen die Klägerin aus dem Darlehensvertrag zu der Hauptdarlehensnummer ########## sowie dem L-Darlehensvertrag zur Konto-Nr. ########## (Hauptdarlehensnummer ##########) keine Ansprüche zustehen.
17- 18
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.822,96 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie ist der Ansicht, dass der Widerruf der Klägerin verfristet sei. Ferner hält die Beklagte das Widerrufsrecht für verwirkt und wendet überdies eine unzulässige Rechtsausübung bzw. Rechtsmissbrauch ein.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe:
24I.
25Die Klage ist mit dem Klageantrag zu Ziff. 1. zwar zulässig, aber unbegründet.
261.
27Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückzahlung erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen Zug um Zug gegen Rückgewähr empfangener Nettokreditbeträge gemäß §§ 346, 357 BGB a.F. zu. Ein wirksamer Widerruf der auf Abschluss der beiden Darlehensverträge (d.h. des Hauptdarlehensvertrages mit der Nr. ########## und des L-Darlehensvertrages mit der Nr. ##########) gerichteten Willenserklärungen liegt nicht vor.
28Dass hier nur die Klägerin – als eine von zwei Darlehensnehmern – die Darlehensverträge widerrufen hat, ist unschädlich. Ist nämlich am Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages eine Mehrheit von Verbrauchern beteiligt, so können sie das Widerrufsrecht grundsätzlich unabhängig voneinander ausüben (vgl. MüKo-Masuch, BGB, 6. Auflage 2012, § 355 Rn. 29).
29Zwar stand der Klägerin im Zusammenhang mit dem Abschluss der beiden Darlehensverträge ein Widerrufsrecht nach Maßgabe der §§ 495, 355 Abs. 1 S. 2 u. Abs. 2 S. 1 u. S. 3 BGB a.F. zu. Der streitgegenständliche Widerruf aus dem Jahre 2014 entfaltet allerdings keine Wirkung, da die Frist des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. im Zeitpunkt der Absendung der Widerrufserklärung bereits längst abgelaufen war.
30Die von der Beklagten in beiden Darlehensverträgen (Anlagen K1 und K2) verwendeten Widerrufsbelehrungen genügen in ihrer (optischen und) inhaltlichen Gestaltung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB i.d.F. vom 08.12.2004 bis 10.06.2010. Die von der Klägerin eingewandten Bedenken inhaltlicher Art lassen die Belehrungen nicht falsch erscheinen. Im Einzelnen:
31a.
32Dass die Widerrufsbelehrungen vorsorglich Angaben für verbundene Geschäfte beinhalten, ist unschädlich. Diese Angaben – mögen sie im Streitfall auch überflüssig sein – sind jedenfalls nicht geeignet, bei einem Verbraucher einen Irrtum über den Umfang und die Folgen seines Widerrufsrechts hervorzurufen. Aufgrund der jeweils ausführlichen Erläuterungen dazu, wann eine wirtschaftliche Einheit und ein verbundenes Geschäft vorliegen, die sogar in Fettdruck hervorgehoben sind, war die Belehrung hinreichend transparent (vgl. LG Bonn, Urt. v. 05.11.2014 – 3 O 278/14 – Anlage U1, dort UA S. 9 = BeckRS 2015, 07086; bestätigt durch OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 23.03.2015 – 13 U 168/14 – Anlage U2, dort BA S. 4 = BeckRS 2015, 08374).
33b.
34Die Hinweise in den Widerrufsbelehrungen zum Beginn der Widerrufsfrist entsprechen den gesetzlichen Vorgaben des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. Der Beginn der Widerrufsfrist ist nach Auffassung des Gerichts auch hinreichend erläutert worden, wobei der letzte Spiegelstrich und der Zusatz „jedoch nicht vor dem Tag des Vertragsabschlusses“ auf § 312d Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 BGB (in der Fassung ab dem 29.07.2009) zurückgehen, da der Vertragsschluss im Wege eines Fernabsatzgeschäftes erfolgte. § 355 Abs. 1 u. Abs. 3 BGB a.F. erforderte auch keine weitergehenden Erläuterungen zum Tag des Fristbeginns unter Berücksichtigung der Regelung des § 187 BGB. Denn ein Hinweis auf diese Regelung ist nicht erforderlich, vielmehr genügt es, wenn die Widerrufsbelehrung zutreffend und unzweideutig das Ereignis benennt, das nach dem Gesetz den Lauf der Frist auslöst, und dazu den Gesetzeswortlaut zitiert, was hier geschehen ist (vgl. LG Bonn, a.a.O., UA S. 8; bestätigt durch OLG Köln, a.a.O., BA S. 3).
35c.
36Dass die Beklagte in den beiden streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen statt der in der seinerzeit gültigen Musterwiderrufsbelehrung (Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 u. 3 BGB-InfoV i.d.F. vom 01.04.2008 bis 03.08.2009) eigentlich vorgesehenen Anredeform „Sie können (…)“ die neutrale Form „Der Darlehensnehmer kann (…)“ gewählt hat, macht die Belehrungen nicht falsch. Es handelt sich um eine nach dem Dafürhalten der Kammer unschädliche grammatikalische Anpassung (vgl. auch OLG Frankfurt, Urt. v. 29.12.2014 – 23 U 80/14 – BeckRS 2015, 13565, Rn. 18). Der Gesetzgeber selbst lässt mittlerweile in der derzeit gültigen Musterwiderrufsbelehrung (Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 u. § 12 Abs. 1 EGBGB) eine Verwendung beider Anredeformen ausdrücklich zu:„Der Darlehensnehmer* kann (…) * Die Vertragsparteien können auch direkt angesprochen werden (z.B. „Sie“, „Wir“).“
37Der Verweis der Klägerin auf eine Stelle in dem Urteil des BGH vom 01.12.2010 (Az.: VIII ZR 82/10; NJW 2011, 1061, 1062, Rn. 16: „Die Belehrung wendet sich auch nicht, wie es das Muster vorsieht, konkret an den Adressaten der Belehrung („Sie“), sondern ist abstrakt formuliert („Verbraucher“), ohne den Rechtsbegriff „Verbraucher“ zu erläutern.“) verfängt ersichtlich nicht, da sich die vorliegenden Belehrungen gerade nicht abstrakt an einen „Verbraucher“ wenden (so auch: LG Lübeck, Urt. v. 31.10.2014 – 3 O 288/13 – Anlage U6, dort UA S. 7).
38Da der von der Klägerin im Jahre 2014 erklärte Widerruf nicht innerhalb der Widerrufsfrist erfolgt ist, kam es für die Entscheidung dieses Rechtsstreits auf Fragen der Verwirkung und/oder des Rechtsmissbrauchs nicht an.
392.
40Der (negative Feststellungs-)Antrag zu Ziff. 2. und der Klageantrag zu Ziff. 3. auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten sind damit, da sie dem Schicksal des Hauptantrages zu Ziff. 1. folgen, ebenfalls unbegründet.
41II.
42Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
43Den Streitwert hat das Gericht gemäß den §§ 48 GKG, 3, 5 ZPO festgesetzt, wobei sich die Klageumstellung mit Wirkung zum 31.03.2015 streitwertermäßigend ausgewirkt hat. Die spätere teilweise Klagerücknahme bewegte sich innerhalb derselben Gebührenstufe (nämlich bis 95.000,00 €), weshalb eine weitere Streitwertabstufung nicht geboten war.
44III.
45Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 u. S. 2 ZPO.
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über die Verpflichtung einer Bank zur Rückzahlung einer geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung.
3Die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann, Herr H, nahmen bei der Beklagten im Jahre 2009 ein Wohnungsbaudarlehen über 100.000,00 € auf. Dieses wurde über einen Herrn L vermittelt, der nach dem unwidersprochenen Beklagtenvortrag Mitarbeiter des selbständigen Finanzberatungsunternehmens O GMBH war und die Vermittlung über die D GmbH, eine Handelsvertreterin und Vertriebspartnerin der Beklagten, vorgenommen hatte. Die Korrespondenz über die D GmbH erfolgte ausschließlich auf schriftlichem Wege. Einen persönlichen Kontakt zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann einerseits und der Beklagten andererseits gab es nicht.
4Die Klägerin und ihr Ehemann unterzeichneten unter dem 11.08.2009 einen von der Beklagten vorgefertigten schriftlichen Darlehensantrag, auf dessen Wortlaut Bezug genommen wird (Anlage B2, Bl. ## ff. d.A.). Der Darlehensantrag enthält eine Widerrufsbelehrung mit folgendem Wortlaut:
5Widerrufsrecht
6Widerrufsrecht
7Der Darlehensnehmer kann seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung innerhalb von zwei Wochen widerrufen.
8Form des Widerrufs
9(…)
10Beginn der Widerrufsfrist
11Die Widerrufsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Darlehensnehmer
12 ein Exemplar dieser Belehrung
13 eine Urkunde oder eine Abschrift des Darlehensvertrages oder das Vertrags-/Darlehensangebot des Darlehensnehmers, das alle Vertragsbedingungen enthält, - im Original oder in Abschrift - mit der Annahmeerklärung der Bank sowie die Finanzierungsbedingungen
14 und die Informationen zu Fernabsatzverträgen (§ 312c BGB, § 1 BGB InfoV)
15erhalten hat, jedoch nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses.
16Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
17Adressat des Widerrufs
18(…)
19Der Darlehensnehmer kann den Widerspruch auch unter Verwendung der E-Mail Adresse Widerruf@#######.de senden.
20Widerrufsfolgen
21(…)
22Der nachfolgende Hinweis ist nur einschlägig, wenn ein verbundenes Geschäft vorliegt.
23Verbundene Geschäfte
24Widerruf der Darlehensnehmer diesen Darlehensvertrag, mit dem er seine Verpflichtungen aus einem anderen Vertrag finanziert, so ist er auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. (…)
25Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn die E Bank selbst das Grundstück oder das grundstücksgleiche Recht verschafft oder wenn die E Bank über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinausgeht und das Grundstücksgeschäft des Darlehensnehmers durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördert, indem sie sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projektes Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt (…).
26Ziffer 27 der Finanzierungsbedingungen, die Anlage zu dem Darlehensvertragsangebot waren (Anlage B1, Bl. ## ff. d.A.), enthält die Aussage, dass Personen, die den Darlehensvertrag vermitteln oder bei der Vertragsabwicklung tätig werden, weder Vertreter noch Erfüllungsgehilfen der Bank seien und eine Haftung der Bank für diese Personen ausgeschlossen sei.
27Die Beklagte nahm den Darlehensantrag mit Schreiben vom 14.08.2009 (Anlagen B3, B4, Bl. ## ff. d.A.) an.
28Als die Klägerin und ihr Ex-Mann im Jahre 2013 in die Immobilie veräußern wollten, verlangte die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 11.492,72 EUR. Die Beklagte übersandte der Klägerin und ihrem Ehemann unter dem 21.05.2014 einen Vertragsentwurf über die vorzeitige Vertragsaufhebung (Bl. #d d.A.), den die Klägerin und ihr Ehemann letztlich zwar unterzeichneten und die darin geforderte Zahlung leisteten, vorab jedoch anwaltlich mit Schreiben vom 08.07.2013 mitteilen ließen, dass sie sich vorbehalten, die Vorfälligkeitsentschädigung zurückzufordern (Bl. #b d.A.).
29Herr H hat der Klägerin seinen Anspruch gegen die Beklagte in Bezug auf einen einbehaltenen Betrag von 11.492,72 EUR mit Vereinbarung vom 17.09.2013 abgetreten.
30Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 02.09.2014 ließ die Klägerin während des laufenden Prozesses über die Rückforderung der Vorfälligkeitsentschädigung den Widerruf des Darlehensvertrages erklären.
31Die Klägerin behauptet, sie sei über Herrn I, ihren heutigen Lebensgefährten, in Kontakt zu Herrn L gelangt, der als Finanzierungsmittler vor Ort gewesen sei und zunächst einen Bausparvertrag angeboten habe. In diesem Gespräch habe die Klägerin erwähnt, dass sie ihr Haus nicht mehr halten könne und mit dem Gedanken spiele, es zu verkaufen. Herr L habe angegeben, dass es die Möglichkeit einer Umfinanzierung gebe, welche die monatliche Belastung senken würde. Die Klägerin sei mit ihrem Ex-Mann übereingekommen, dass eine Umfinanzierung sinnvoll sei, damit die Kinder bis zum Ende der Schulausbildung im Haus wohnen könnten. Die Schulausbildung des jüngeren Sohnes sei für das Jahr 2013 angestrebt gewesen. Herr L sei bei Abschluss des Vertrages mehrfach gefragt worden, ob eine Vorfälligkeitsentschädigung anfalle, wenn der Vertrag im Jahre 2013 durch die Veräußerung der Immobilie vorzeitig getilgt werde, was Herr L verneint habe. Als man dann bei Abschluss des Vertrages in X zusammen am Tisch gesessen habe, habe Herr H nochmals angesprochen, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht zu zahlen sei, was Herr L, der über die gesamten persönlichen Umstände und den beabsichtigten Verkauf informiert gewesen sei, bestätigt habe. Die Klägerin ist der Ansicht, aufgrund dieser Vereinbarung seien sie und ihr Ex-Mann nicht verpflichtet gewesen, eine irgendwie geartete Vorfälligkeitsentschädigung zu leisten, zumal der Darlehensvertrag lediglich der Zwischenfinanzierung gedient habe.
32Die Klägerin ist darüber hinaus der Ansicht, der im Prozess erklärte Widerruf des Darlehensvertrages sei noch möglich gewesen, da die Widerrufsklausel unwirksam sei. Diese entspreche nicht dem gesetzlichen Muster und weise eine Reihe von Mängeln auf. Das Widerrufsrecht sei in seiner Form nicht deutlich hervorgehoben gewesen. Für den Beginn der Widerrufsfrist sei nicht ausreichend dargestellt worden, ob für den Lauf der Frist der Tag des Erhalts der Widerrufsklausel mitzähle oder nicht und der Textzusatz „jedoch nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses“ sei unklar und intransparent, weil nicht offen hervortrete, ob der Tag des Abschlusses mitzählen soll oder nicht, was einen Verstoß gegen § 187 Abs. 1 BGB darstelle. Im Rahmen der Mitteilung, dass ein Widerruf auch unter Verwendung der E-Mail-Adresse erfolgen kann, sei fälschlicherweise der Begriff „Widerspruch“ verwendet worden. Zudem könne der Verbraucher nicht entscheiden, ob die Hinweise für ein verbundenes Geschäft einschlägig seien; der Darlehensgeber müsse deutlich aufführen, ob ein verbundenes Geschäft vorliegt oder nicht, ansonsten sei die Widerrufsklausel intransparent.
33Die Klägerin rügt zudem, dass die Berechnungsgrundlagen der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung von der Beklagten nicht angegeben worden seien und deswegen eine intransparente Berechnung vorliege; der Betrag sei bei weitem übersetzt.
34Die Klägerin beantragt,
351.
36die Beklagte zu verurteilen, an sie 11.492,72 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit 01.10.2013 zu bezahlen.
372.
38die Beklagte zu verurteilen, vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 837,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
39Die Beklagte beantragt,
40die Klage abzuweisen.
41Die Beklagte bestreitet den Zweck der Darlehensaufnahme und die geführten Gespräche mit Nichtwissen. Sie wisse nur, dass das streitgegenständliche Darlehen – was an sich unstreitig ist - dazu gedient habe, ein Darlehen der M, drei Darlehen der Q Bank und vier Darlehen der Beklagten abzulösen. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt die Zusage gegeben, bei einem späteren Verkauf des Hauses auf eine Vorfälligkeitsentschädigung zu verzichten. Es sei nicht ansatzweise ersichtlich, warum die Beklagte sich etwaige Zusagen des Herrn L zurechnen lassen müsse. Weder die O GmbH noch die D GmbH habe die Befugnis, die Beklagte zu vertreten oder sonstige Erklärungen für die Beklagte abzugeben oder Darlehenszusagen zu machen; dies sei in den Finanzierungsbedingungen auch ausdrücklich klargestellt. Es sei auch schwer vorstellbar, dass ein Finanzierungsberater derartige Zusagen mache. Ebenfalls sei es verwunderlich, dass sich die Klägerin und ihr Ehemann die angebliche Zusage nicht haben schriftlich bestätigen lassen.
42Die Beklagte ist der Ansicht, ein Widerruf des Darlehensvertrages sei nicht mehr möglich gewesen. Blatt 5 des Darlehensantrags vom 11.08.2009 zeige, dass die Darlehensnehmer deutlich und unübersehbar auf ihr Widerrufsrecht hingewiesen worden seien. Die Darstellung des Beginns der Widerrufsfrist verstoße auch nicht gegen § 187 Abs.1 BGB. Vielmehr entspreche sie dem Wortlaut des §§ 355 Abs. 2 S. 3 BGB, dessen Voraussetzungen hier – was an sich unstreitig ist – auch erfüllt gewesen seien. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass die Frist, sollte die Belehrung vor Vertragsschluss erfolgt sein, erst nach Vertragsschluss zu laufen beginne und darüber zu belehren wäre. Die Verwendung des Wortes „Widerspruch“ sei unschädlich, da aufgrund des übrigen Textes unzweifelhaft deutlich werde, dass es in dem Hinweis um den „Widerruf“ gehe. Auf Blatt 6 des Darlehensvertrages sei auch unmissverständlich erläutert, wann eine wirtschaftliche Einheit als Voraussetzung eines verbundenen Geschäfts vorliege, so dass der durchschnittliche Verbraucher problemlos erkennen könne, dass der Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrages kein verbundenes Geschäft darstellt.
43Die Beklagte ist der Ansicht, ein Widerrufsrecht sei auch aufgrund der Abgeltungsklausel in der Vertragsaufhebungsvereinbarung vom 21.05.2013 ausgeschlossen. Ein Widerruf könne ohnehin nur in einem bestehenden Vertragsverhältnis und nicht bei erloschenen Vertragsverhältnissen erfolgen. Darüber hinaus sei die Ausübung eines Widerrufsrechts auch rechtsmissbräuchlich und verwirkt, weil im Zeitpunkt der Widerrufserklärung der Vertragsschluss mehr als fünf Jahre zurück lag und das Darlehen bereits aufgrund der Vereinbarung vom 21.05.2013 zurückgezahlt wurde.
44Im Hinblick auf die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung legt die Beklagte umfassend dar, wie sie zu der errechneten Summe gekommen ist (Bl. ## ff. d.A und Anlage B5, Bl. ## ff. d.A.).
45Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2014 Bezug genommen.
46Entscheidungsgründe:
47Die zulässige Klage ist unbegründet.
48Der Klägerin steht aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Rückforderung der Vorfälligkeitsentschädigung zu.
49Der Beklagten stand aufgrund der vorzeitigen Vertragsablösung nach § 490 Abs. 2 S. 3 BGB ein Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zu. Gegen die Höhe der abgerechneten Vorfälligkeitsentschädigung hat die Klägerin, nachdem die Beklagte im Prozess ihre Berechnungsmethode, die sich an den Vorgaben des Bundesgerichtshofs orientiert, genau offengelegt hat, auch keine substantiierten Einwendungen mehr erhoben, so dass die Anspruchshöhe als zugestanden gilt.
50Ein Ausschluss des Anspruchs der Beklagten aufgrund einer Verzichtsvereinbarung im Jahre 2009 ist von der Klägerin nicht schlüssig vorgetragen worden. Die Vermittlung des Darlehens erfolgte unstreitig über einen selbständigen Finanzierungsvermittler, der regelmäßig keine Vertretungsmacht für die Geschäfte einer Bank besitzt. Die für eine solche Verzichtsvereinbarung beweisbelastete Klägerin hat auch nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass und weswegen der Vermittler hier ausnahmsweise für Zusagen im Namen der Beklagten bevollmächtigt gewesen sein sollte.
51Der Klägerin steht wegen etwaiger falscher Zusagen des Finanzierungsvermittlers auch kein Schadensersatzanspruch zu, den sie der Forderung einer Vorfälligkeitsentschädigung entgegenhalten könnte. Denn nach dem Klagevortrag ist nicht ersichtlich, weswegen der Finanzierungsvermittler als Erfüllungsgehilfe der Beklagten i.S.v. § 278 BGB einzustufen sein sollte, dessen Pflichtverletzungen die Beklagte sich zurechnen lassen müsste. Erfüllungsgehilfe ist, wer mit Wissen und Wollen einer anderen Person in deren Pflichtenkreis tätig wird (Palandt, BGB, 72. Aufl., § 278 Rz. 7 m.w.N.). Denn § 278 BGB setzt voraus, dass sich jemand einer anderen Person zur Erfüllung seiner Verbindlichkeitenbedient. Hier liegen nach dem Klagevortrag aber keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass Herr L mit Wissen und Wollen der Beklagten tätig wurde, zumal er Mitarbeiter eines selbständigen Finanzberatungsunternehmens war und sich – nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Beklagtenvortrag – an ein weiteres selbständiges Vermittlungsunternehmen gewandt hatte. Sein Handeln dürfte deshalb ausschließlich im Auftrag und Interesse der Klägerin und ihres Ehemannes erfolgt sein und nicht der Beklagten zuzurechnen sein. Die der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2014 gesetzte Frist zur Ergänzung ihres Sachvortrags ist fruchtlos verstrichen.
52Darüber hinaus wäre auch nicht ersichtlich, welcher konkrete Schaden durch eine entsprechende Pflichtverletzung entstanden sein sollte, da ein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Angaben bei Vertragsschluss nach § 280 BGB nur auf das sog. negative Interesse und nicht auf das sog. positive Interesse in Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung gerichtet sein könnte.
53Der Klägerin stand am 02.09.2014 auch kein Recht zum Widerruf des Darlehensvertrages mehr zu. Die Widerrufsbelehrung begegnet in ihrer optischen und inhaltlichen Gestaltung keinen durchgreifenden Bedenken, so dass der Klägerin lediglich eine zweiwöchige Widerrufsfrist zustand. Die maßgebliche Widerrufsbelehrung, die sich auf den Seiten 5 und 6 des Darlehensantrages mit fettgedruckten Überschriften in einem separaten Kasten befindet, in welchem gesonderte Unterschriften der Darlehensnehmer erfolgen mussten, ist optisch deutlich genug hervorgehoben worden und genügt den Anforderungen des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB (in der Fassung 2004-2010). Der Beginn der Widerrufsfrist ist nach Auffassung des Gerichts auch hinreichend erläutert worden, weil er exakt den gesetzlichen Vorgaben des § 355 Abs. 2 S. 3 BGB (in der Fassung 2004-2010) entspricht, wobei der letzte Spiegelstrich und der Zusatz „nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses“ auf § 312d Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 BGB (in der Fassung ab dem 29.07.2009) zurückgehen, da der Vertragsschluss im Wege eines Fernabsatzgeschäftes i.S.v. § 312 d BGB erfolgte. Entgegen der Auffassung der Klägerin erforderte § 355 Abs. 1 und Abs. 3 BGB (in der Fassung 2004-2010) keine weitergehenden Erläuterungen zum Tag des Fristbeginns unter Berücksichtigung der Regelung des § 187 BGB. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Hinweis auf § 187 BGB nicht erforderlich, vielmehr genügt es, wenn die Widerrufsbelehrung zutreffend und unzweideutig das Ereignis benennt, das nach dem Gesetz den Lauf der Frist auslöst, und dazu den Gesetzeswortlaut zitiert (BGH, Urteil v. 05.11.1997 – VIII ZR 351/96, BGHZ 137, 115 ff. zum damaligen VerbrKrG), was hier geschehen ist. Darüber hinaus begegnet auch die einmalige Verwendung des Wortes „Widerspruch“ keinen Bedenken, da aus der dazugehörigen Überschrift und dem Gesamtkontext der Angaben auf Seite 5 des Darlehensvertrages unmissverständlich hervorgeht, dass hier Aussagen zu einem Widerrufsrecht getroffen werden. Ebenso wenig kann beanstandet werden, dass die Belehrung vorsorglich Angaben für verbundene Geschäfte beinhaltet. Aufgrund der ausführlichen Erläuterungen dazu, wann eine wirtschaftliche Einheit und ein verbundenes Geschäft vorliegen, die sogar in Fettdruck hervorgehoben sind, war die Belehrung hinreichend transparent und nicht geeignet, bei einem Verbraucher einen Irrtum über den Umfang und die Folgen seines Widerrufsrechts hervorzurufen.
54Da nach dem unwidersprochenen Beklagtenvortrag alle Voraussetzungen des § 355 Abs. 2 S. 3 BGB (in der Fassung 2004-2010) erfüllt waren und der Darlehensantrag nebst Anlagen auch den Anforderungen des § 312c BGB (in der Fassung 2004-2010) i.V.m. Art. 240 EGBGB und § 1 InfoV (in der Fassung 2004 – 2010) genügt, ist das Widerrufsrecht der Klägerin bereits im Jahre 2009 erloschen.
55Die Entscheidungen über die Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
56Streitwert: 11.492,72 €.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 5. November 2014 (3 O 278/14) wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe:
2I.
3Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO in Verbindung mit § 522 Abs. 3 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
4II.
51. Die Berufung unterliegt der Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO.
6a) Die Berufung der Klägerin ist nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich unbegründet. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf seine Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 23. März 2015, denen die Klägerin nicht mehr entgegengetreten ist.
7b) Wie ebenfalls im Hinweisbeschluss ausgeführt, hat die Sache auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil.
8c) Schließlich erscheint auch eine mündliche Verhandlung angesichts des gegebenen Sach- und Streitstands und der relevanten rechtlichen Fragen nicht geboten, so dass die Berufung - wie bereits im Beschluss vom 23. März 2015 angekündigt – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen ist.
9d) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 Satz 2 in Verbindung mit § 713 ZPO.
102. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 11.492,72 €
11festgesetzt.
Tenor
1.
Es wird festgestellt, dass der Darlehensvertrag vom 02.11./05.11.2007 über einen Nennbetrag in Höhe von 25.000,00 Euro mit der Darlehensnummer ########## (Unterkontonummer -###) wirksam widerrufen und in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wurde.
2.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 70% und die Beklagte zu 30%.
4.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger macht Ansprüche wegen des Widerrufs seiner auf Abschluss zweier Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen geltend.
3Der Kläger schloss mit der Beklagten am 22.10/07.11.2007 im sogenannten Antragsverfahren einen Darlehensvertrag mit der Darlehensnummer ########## (Unterkontonummer -###) über einen Nennbetrag in Höhe von 95.000,00 Euro zu einem Nominalzinssatz von 4,73% p.a. Die Widerrufsbelehrung zu diesem Darlehensvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
4„ Beginn der Widerrufsfrist
5Die Widerrufsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Darlehensnehmer
6 ein Exemplar dieser Belehrung
7 eine Urkunde oder eine Abschrift des Darlehensvertrages oder das Vertrags-/Darlehensangebot des Darlehensnehmer, das alle Vertragsbedingungen enthält, - im Original oder in Abschrift – mit der Annahmeerklärung der Bank sowie die Finanzierungsbedingungen
8 und die Informationen zu Fernabsatzverträgen (§§ 312c BGB, § 1 BGB-InfoV)
9erhalten hat, jedoch nicht vor dem Tag des Vertragsabschlusses.“
10Für die Einzelheiten des Vertrages und des Wortlauts der Widerrufsbelehrung wird auf den Darlehensvertrag (Anlage L 1,Bl. ## ff. d.A.) verwiesen. Der Kläger erhielt zu diesem Darlehensvertrag ein Informations- und Merkblatt zum Baufinanzierungsdarlehen für Verbraucher, welches eine weitere Widerrufsbelehrung enthielt. Diese lautet u.a. wie folgt: „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Informations- und Merkblatt (Anlage B 1, Bl. ### ff. d.A.) verwiesen.
11Der Kläger schloss mit der Beklagten im sogenannten Angebotsverfahren am 02.11./05.11.2007 einen weiteren Darlehensvertrag mit der Darlehensnummer ########## (Unterkontonummer -###) über einen Nominalbetrag in Höhe von 25.000,00 Euro zu einem Nominalzinssatz in Höhe von 4,8% p.a. Auch diese Widerrufsbelehrung lautet auszugsweise wie folgt:
12„ Beginn der Widerrufsfrist
13Die Widerrufsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Darlehensnehmer
14 ein Exemplar dieser Belehrung
15 eine Urkunde oder eine Abschrift des Darlehensvertrages oder das Vertrags-/Darlehensangebot des Darlehensnehmer, das alle Vertragsbedingungen enthält, - im Original oder in Abschrift – mit der Annahmeerklärung der Bank sowie die Finanzierungsbedingungen
16 und die Informationen zu Fernabsatzverträgen (§§ 312c BGB, § 1 BGB-InfoV)
17erhalten hat, jedoch nicht vor dem Tag des Vertragsabschlusses.“
18Für die Einzelheiten des Vertrages und des Wortlauts der Widerrufsbelehrung wird auf den Darlehensvertrag (Anlage L 2, Bl. ## ff. d.A.) verwiesen.
19Beide Darlehen wurden mit einer Buchgrundschuld abgesichert.
20Am 21./23.02.2001 trafen die Parteien eine Änderung der Tilgungsvereinbarung für das Darlehen über einen Nennbetrag in Höhe von 95.000,00 Euro. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Änderung der Tilgungsvereinbarung wird auf die Anlage B 2, Bl. ### ff. d.A. Bezug genommen. Am 21./29.11.2012 schlossen die Parteien eine weitere Änderungsvereinbarung für das Darlehen über einen Nennbetrag in Höhe von 95.000,00 Euro. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Änderung der Tilgungsvereinbarung wird auf die Anlage B 3, Bl. ### ff. d.A. Bezug genommen.
21Mit Schreiben vom 26.11.2014 widerrief der Kläger seine auf Abschluss des Darlehensvertrages über einen Nennbetrag in Höhe von 95.000,00 Euro gerichteten Willenserklärungen (Anlage L 3 und L 4, BL. ## f. d.A.). In der Klageschrift vom 01.04.2015 erklärte der Kläger erneut den Widerruf beider auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen.
22Der Kläger ist der Auffassung, der von ihm erklärte Widerruf sei wirksam, da er nie ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht informiert worden sei. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsbelehrung könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie eine selbständig formulierte Widerrufsbelehrung verwendet habe. Zudem sei die Belehrung über die Widerrufsfolgen falsch, da nur einseitig auf die Pflicht zum Wertersatz und die Pflicht der Beklagten zur Erstattung binnen 30 Tagen hingewiesen werde. Die Bezeichnung „Widerspruch“ sowie die Angaben zu verbundenen Geschäften seien falsch und verwirrend. Der Hinweis zum Widerruf bei mehreren Darlehensnehmern unter der Unterschrift des Darlehensnehmers sei ebenfalls verwirrend. Jedenfalls aufgrund der abweichenden Widerrufsbelehrung in dem Informations- und Merkblatt sei der Kläger nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden. Der Kläger behauptet zudem, die Information zu Fernabsatzverträgen nur für den Darlehensvertrag vom 22.10./07.11.2007 erhalten zu haben, nicht aber für den Darlehensvertrag vom 02.11./05.11.2007.
23Der Kläger beantragt,
241. festzustellen, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensverträge vom 22.10.2007 und 02.11.2007 mit der Hauptdarlehensnummer ########## wirksam widerrufen wurden und in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wurden,
252. die Beklagte zu verurteilen, ihn von einer Forderung seiner Prozessbevollmächtigten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 2.217,45 Euro freizustellen.
26Die Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klage mangels Feststellungsinteresse unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sei. Die streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen entsprächen in allen Punkten den gesetzlichen Vorgaben. Darüber hinaus sei die Ausübung des Widerrufsrechts rechtsmissbräuchlich bzw. verwirkt.
29Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger einen Betrag in Höhe von 2.217,45 Euro an seine Prozessbevollmächtigten gezahlt hat.
30Mit Beschluss vom 17.09.2015 hat das Gericht den Übergang ins schriftliche Verfahren angeordnet und eine Schriftsatzfrist bis zum 29.10.2015 gesetzt.
31Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.09.2015 (Bl. ### ff. d.A.) Bezug genommen.
32Entscheidungsgründe
33Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
34I. Der Klageantrag zu 1) ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
351. Die Klage ist zulässig.
36Gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen keine Bedenken. Der Antrag zielt ausdrücklich auf die Klärung eines zwischen den Parteien geführten Streits über ein Rechtsverhältnis. Mit der Feststellung, dass sich das Darlehensverhältnis durch den Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat, begehrt der Kläger Feststellungen zum (Nicht-) Bestehen eines Rechtsverhältnisses und nicht nur die Klärung bezüglich einer Vorfrage. Das Feststellungsinteresse des Klägers entfällt auch nicht im Hinblick auf den Vorrang einer Leistungsklage. Auf eine solche Leistungsklage ist der Kläger nicht zu verweisen, denn im Rahmen des Rückabwicklungsverhältnisses wird sich bei einer Aufrechnung der wechselseitigen Zahlungsansprüche aufgrund der Höhe der von Klägerseite zu erstattenden Darlehensvaluta im Ergebnis ein negativer Saldo zu Lasten des Klägers ergeben. Auch ist zu erwarten, dass die Beklagte als Bankinstitut im Falle eines zusprechenden Urteils der tenorierten Feststellung bei der Darlehensabwicklung Rechnung tragen wird.
372. Die Klage ist nur teilweise begründet
38a. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung, dass der Darlehensvertrag mit der Darlehensnummer ########## (Unterkontonummer -###) vom 22.10./07.11.2007 über einen Nennbetrag in Höhe von 95.000,00 Euro wirksam widerrufen und in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wurde.
39Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger rechtsmissbräuchlich oder verwirkt ist. Der Widerruf des Klägers vom 26.11.2014 war jedenfalls verfristet.
40Nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB (in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung) beginnt die Widerrufsfrist mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutliche Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist. Voraussetzung für eine wirksame Widerrufsbelehrung ist, dass der Verbraucher umfassend, unmissverständlich und in für ihn eindeutiger Form über seine Rechte belehrt wird. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Hierfür bedarf es einer eindeutigen Information über den Beginn der Widerrufsfrist (BGH, Urt. v. 13.01.2009, XI ZR 118/08; OLG Hamm, Beschl. v. 25.08.2014, 31 U 79/14).
41Die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung ist gemessen daran nicht zu beanstanden.
42Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die Widerrufsbelehrung nicht der Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsbelehrung gem. Anlage 2 zu §14 Abs. 1 BGB-InfoV in der maßgeblichen Fassung unterfällt, da sie von dieser inhaltlich abweicht.
43Indes ist dies nicht relevant. Es bestand für die Beklagte keine Verpflichtung, die Musterbelehrung zu verwenden. Die Verwendung einer Musterbelehrung ist nur fakultativ. Es genügt vielmehr, dass die Belehrung den gesetzlichen Vorgaben der §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. entspricht, was hier der Fall ist.
44Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung macht die Rechte eines Verbrauchers im Zusammenhang mit dem ihm zustehenden Widerrufsrecht hinreichend deutlich (vgl. § 355 Abs. 2 BGB a.F.).
45Insbesondere entspricht die Formulierung den Vorgaben des § 355 Abs. 2 S. 3 BGB (in der Fassung vom 08.12.2004 – 10.06.2010) sowie § 312c BGB (in der Fassung 2004-2010) i.V.m. Art. 240 EGBGB und § 1 BGB-InfoV (in der Fassung 2004 – 2010). Letztlich erfordert § 355 Abs. 1 und Abs. 3 BGB (in der Fassung 2004-2010) keine weitergehenden Erläuterungen zum Tag des Fristbeginns unter Berücksichtigung der Regelung des § 187 BGB. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Hinweis auf § 187 BGB nicht erforderlich, vielmehr genügt es, wenn die Widerrufsbelehrung zutreffend und unzweideutig das Ereignis benennt, das nach dem Gesetz den Lauf der Frist auslöst, und dazu den Gesetzeswortlaut zitiert (BGH, Urteil v. 05.11.1997 – VIII ZR 351/96, BGHZ 137, 115 ff. zum damaligen VerbrKrG), was hier geschehen ist (vgl. LG Bonn, Urt. v. 05.11.2014, 3 O 278/14; Urt. v. 13.07.2015, 3 O 209/14; OLG Köln, Hinweis v. 23.03.2015 und Urteil v. 22.04.2015, 13 U 168/14; Beschl. v. 30.09.2015, 13 W 33/15).
46Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die von dem Kläger beanstandete Belehrung über die Folgen eines Widerrufs. Entgegen der Auffassung der Kläger, die Belehrung sei unvollständig und missverständlich, genügt die erteilte Belehrung den gesetzlichen Anforderungen. Sie ist zutreffend, hinreichend vollständig und aus Verbrauchersicht nicht irreführend (vgl. LG Bonn, Urt. v. 05.11.2014, 3 O 278/14; Urt. v. 13.07.2015, 3 O 209/14). Aus der Widerrufsbelehrung lässt sich eindeutig und unzweifelhaft entnehmen, dass beide Seiten – Darlehensnehmer und Darlehensgeber – zur Rückgewährung der empfangenen Leistungen verpflichtet sind und zudem ggf. gezogene Nutzungen herauszugeben haben. Dies ist ausreichend, um den Anforderungen der § 355 Abs. 2 BGB sowie § 312c Abs. 1 BGB a.F. und § 1 Abs. 1 Nr. 10 Info-V in der Fassung bis 10.06.2010 zu entsprechen (vgl. OLG Köln, Beschluss v. 30.09.2015, 13 W 33/15; LG Bonn, a.a.O.; LG Bielefeld, Urt. v. 22.08.2014, 1 O 268/13, Rn. 82, zitiert nach juris).
47Soweit der Kläger beanstandet, dass in der Folge missverständlich und fälschlicherweise nur auf die Pflicht des Darlehensnehmer hingewiesen werde, Zahlungen innerhalb von 30 Tages zu erstatten, dringt er mit diesem Einwand gegen die Ordnungsgemäßheit der Widerrufsbelehrung nicht durch. Eine besondere Hinweispflicht über die grundsätzlichen Pflichten des Darlehensgebers zur Rückerstattung empfangener Leistungen und ggf. Zahlung von Nutzungsersatz hinaus traf die Beklagte nicht (vgl. OLG Köln, Beschluss v. 30.09.2015, 13 W 33/15). Aus der gewählten Formulierung ergeben sich Rechte und Pflichten der Parteien hinreichend vollständig und verständlich. Der den Darlehensgeber grundsätzlich ebenfalls treffenden Erstattungspflicht innerhalb von 30 Tagen kommt in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation vom Vertrag gesehen her keine Bedeutung zu. Bei einem widerrufenen Realkredit hat der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber die ausgezahlte Darlehensvaluta nebst marktüblicher Verzinsung zurückzuzahlen (BGHZ 152,331), welche die erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen regelmäßig übersteigt. Damit verbleibt nach erfolgter Saldierung der wechselseitigen Ansprüche ein Anspruch der Bank auf Erstattung der restlichen Darlehensvaluta zuzüglich Zinsen (vgl. zur Saldierungsfolge OLG Hamm, Urt. v. 14.09.1981, 2 U 43/81 zu § 325 BGB a.F., BGH, Urt. v. 20.02.2008, VIII ZR 334/06, LG Hagen, Urt. v. 30.10.2014, 9 O 9 O 73/14, Rn. 27, zitiert nach juris), während ein Erstattungsanspruch des Darlehensnehmers in der vorliegenden Konstellation mit wenigen, hier nicht einschlägigen Ausnahmen praktisch ausgeschlossen ist (vgl. LG Bielefeld, a.a.O., Rn. 80, zitiert nach juris). Auf solche, vom Vertrag nicht vorgesehene, Konstellationen muss durch den Darlehensgeber nicht hingewiesen werden (LG Dortmund, Urt. v. 05.02.2015, Az. 7 O 274/14, Rdnr. 39 - juris).
48Selbst wenn man vorliegend Gegenteiliges vertreten würde, würde nichts anderes gelten. Denn der angegriffene Teil der Belehrung hatte aus Sicht der Kläger nämlich insofern keine Relevanz, als die Widerrufsfrist bereits abgelaufen war, bevor durch den Kläger Leistungen aufgrund des Darlehensvertrages erbracht wurden (vgl. dazu LG Bielefeld, a.a.O., Rn. 83; LG Dortmund, a.a.O., Rn. 35). Ein anderer Ablauf war nach der tatsächlichen Vertragsgestaltung ausgeschlossen, da Bereitstellungszinsen erst ab dem 22.01.2008 und Tilgungsleistungen nicht vor den auf die Vollauszahlung folgenden Monat zu erbringen waren.
49Sinn und Zweck des § 312 c Abs. 1 BGB a.F. und des § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV ist es insofern, den Verbraucher nicht nur vor den mit Fernabsatzverträgen einhergehenden Gefahren zu schützen, sondern ihm eine gesicherte Grundlage für die Entscheidung zu geben, ob er das Widerrufsrecht ausüben will oder nicht (KG Berlin, Beschl. v. 09.11.2007, 5 W 276/07). Wenn er jedoch – anderes ist weder ersichtlich noch vertraglich vorgesehen noch vorgetragen worden – bei Ablauf der Widerrufsfrist noch keine Leistung erbracht bzw. zu erbringen hat, die die Darlehensgeberin zurückgewähren müsste, ist es für ihn für die Frage nach der Ausübung des Widerrufsrechts schlicht unerheblich, binnen welcher Frist die Rückgewähr etwaiger Leistungen durch die Darlehensgeberin zu erfolgen hat.
50Es ist entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht zu beanstanden, dass die Widerrufsbelehrung Angaben für verbundene Geschäfte beinhaltet, obwohl ein verbundenes Geschäft hier unstreitig nicht vorlag. Aufgrund der ausführlichen Erläuterungen dazu, wann eine wirtschaftliche Einheit und ein verbundenes Geschäft vorliegen, ist die Belehrung hinreichend transparent und nicht geeignet, bei einem Verbraucher einen Irrtum über den Umfang und die Folgen seines Widerrufsrechts hervorzurufen. Die Textpassage suggeriert auch nicht, dass ein verbundenes Geschäft vorliegt. Durch den vorstehenden und mittels Fettdruck besonders hervorgehobenen Hinweis „Der nachfolgende Hinweis ist nur einschlägig, wenn ein verbundenes Geschäft vorliegt.“ wird unmissverständlich deutlich gemacht, dass diese Textpassage lediglich musterhaft eingefügt ist und keinen Bezug zu den konkret vorliegenden Vertragsumständen darstellt. Dass der Darlehensnehmer selbst prüfen muss, ob diese Ausführungen gelten, ist unschädlich, solange sie – wie vorliegend – so transparent sind, dass die Gefahr eines Irrtums über den Umfang und die Folgen des Widerrufsrechts nicht besteht (OLG Köln Beschluss v. 23.03.2015, 13 U 168/14 [BeckRS 2015, 08374, Rz. 7]). Unzulässig sind lediglich verwirrende oder ablenkende Zusätze (vgl. BGH, Urteil v. 04.07.2002, I ZR 55/00), die vorliegend jedoch nicht festzustellen sind.
51Schließlich begegnet auch die einmalige Verwendung des Wortes „Widerspruch“ keinen Bedenken, da aus der dazugehörigen Überschrift und dem Gesamtkontext der Angaben des Darlehensvertrages unmissverständlich hervorgeht, dass hier Aussagen zu einem Widerrufsrecht getroffen werden.
52Auch der Hinweis zum Widerruf bei mehreren Darlehensnehmern war nicht geeignet, den Kläger von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 30.09.2015, 13 W 33/15).
53Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus dem Umstand, dass in dem Informations- und Merkblatt eine fehlerhafte „frühestens“-Belehrung enthalten war (vgl. dazu BGH, Urt. v. 09.12.2009 - VIII ZR 219/08; Urt. v. 01.12. 2010, VIII ZR 82/10; Urt. v. 01.03.2012, III ZR 83/11, OLG Köln, Urt. v. 23.01.2013, 13 U 69/12 - BeckRS 2013, 04235 jeweils m.w.N.). Bei dem Informations- und Merkblatt handelt es sich eindeutig nicht um eine zur Vertragserklärung gehörende Belehrung, sondern um eine allgemeine Information (vgl. LG Köln, Urt. v. 05.08.2010, 15 O 601/09, Rn. 19 - juris).
54b. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung, dass der Darlehensvertrag vom 02.11./05.11.2007 über einen Nennbetrag in Höhe von 25.000,00 Euro mit der Darlehensnummer ########## (Unterkontonummer -###) wirksam widerrufen und in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wurde.
55Der Darlehensvertrag hat sich aufgrund des vom Kläger wirksam erklärten Widerrufs gem. §§ 346 Abs. 1, 355 Abs. 1, § 495 BGB a. F. in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Der Widerruf des Klägers war nicht verfristet, da die Widerrufsfrist nie zu laufen begonnen hatte. Es kann dahingestellt bleiben, ob die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung auch im Angebotsverfahren den gesetzlichen Anforderungen genügte. Die Frist hat jedenfalls nicht zu laufen begonnen, weil der Kläger bestritten hat, das Informations- und Merkblatt, an dessen Erhalt der Beginn der Widerrufsfrist geknüpft ist, zu diesem Darlehensvertrag erhalten zu haben. Die Beklagte hat den ihr obliegenden Beweis, dass die Widerrufsfrist ordnungsgemäß in Gang gesetzt worden ist, nicht erbracht, da der Kläger lediglich den Erhalt des Informationsblatts zu dem Darlehensvertrag vom 22.10/07.11.2007 bestätigt hat (vgl. Anlage B 2, Bl. ### d.A.).
56Die Ausübung des Widerrufsrechts ist weder rechtsmissbräuchlich noch verwirkt.
57Insbesondere begründen die etwaigen Motive der Klägerseite für den Widerruf keinen Rechtsmissbrauch. Das Gericht folgt insofern nicht der zum Teil in der Rechtsprechung und Literatur vertretenen abweichenden Ansicht, wonach u.a. die Motivation des Widerrufenden den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung rechtfertigen kann. Nach Auffassung des Gerichts haben die Motive für eine Widerrufserklärung keinen Einfluss auf deren Wirksamkeit (vgl. zur Unbeachtlichkeit der Motivlage: BGH NJW 1986, 1679, 1681; Habersack/Schürnbrand ZIP 2014, 749, 756 m.w.N.). Vielmehr trägt das Risiko, dass bei unzureichender Belehrung auch auf eine lange Laufzeit angelegte Verträge widerrufen werden können, wenn sich die wirtschaftliche Entwicklung für den Verbraucher nachteilig darstellt, nach der Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen der Unternehmer (OLG Oldenburg, Urt. v. 28.05.2009 - 14 U 60/08- Rz. 51 – zitiert nach juris; Habersack/Schürnbrand ZIP 2014, 749, 756).
58Auch die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Widerrufsrechts sind vorliegend nach Ansicht des Gerichts nicht gegeben.
59Die Verwirkung eines Rechts tritt ein, wenn es vom Berechtigten über längere Zeit nicht geltend gemacht worden ist und der andere Teil sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einstellen durfte und sich auch tatsächlich darauf eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (BGH, Urt. v. 23.01.2014 - VII ZR 177/13; Urt. v. 14.06. 2004 - II ZR 395/01). Ob das notwendige Zeitmoment angesichts der Zeitspanne zwischen Abschluss des Darlehensvertrags und der Widerrufserklärung vorliegend zu bejahen ist, kann offen bleiben, da es jedenfalls am Umstandsmoment fehlt. Der Vertrauenstatbestand kann nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden (BGH, Urt. v. 09.10.2013 - XII ZR 59/12). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen zu dem reinen Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (BGH, Urt. v. 09.10.2013 a.a.O.). Hierzu bot das Verhalten der Klägerseite indes keinen Anlass. Nach Ansicht des Gerichts kann ein Umstandsmoment nicht darin gesehen werden, dass die Klägerseite ihre Pflichten aus dem Darlehensvertrag erfüllt und vereinbarungsgemäß die Darlehensraten gezahlt hat. Die Änderung der Tilgungsvereinbarung, die im Rahmen des Umstandsmoments berücksichtigt werden kann, bezieht sich nur auf den Darlehensvertrag vom 22.10./07.11.2007.
60I. Der Klageantrag zu 2) ist unbegründet.
61Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.217,45 Euro aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB. Nur der Widerruf des Darlehensvertrages vom 02.11./05.11.2007 war wirksam. Insoweit fehlt es jedoch an einem kausalen Schaden, da der Widerruf diesbezüglich erst in der Klageschrift erklärt worden ist. Selbst wenn der Kläger bereits mit Schreiben vom 26.11.2014 (Anlage L 3 und L 4) den Widerruf auch für den Darlehensvertrag vom 02.11./05.11.2007 erklärt haben sollte, fehlt es an einem Verzug der Beklagten, da der Kläger die Beklagte lediglich zur Stellungnahme, nicht aber zur Leistung aufgefordert hat.
62Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte folgt auch nicht aus § 280 Abs. 1 BGB, da es keine allgemeine Vertragspflicht gibt, die richtige Rechtsansicht zu vertreten (OLG Köln, Hinweis v. 19.08.2015, 13 U 19/15).
63Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.
64Die Rechtsausführungen im Schriftsatz des Klägers vom 10.11.2015 gaben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO.
65Der Streitwert wird auf bis zu 80.000,00 Euro festgesetzt.
66Rechtsbehelfsbelehrung:
67Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Bonn statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
(1) Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind Verträge,
- 1.
die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist, - 2.
für die der Verbraucher unter den in Nummer 1 genannten Umständen ein Angebot abgegeben hat, - 3.
die in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen werden, bei denen der Verbraucher jedoch unmittelbar zuvor außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers persönlich und individuell angesprochen wurde, oder - 4.
die auf einem Ausflug geschlossen werden, der von dem Unternehmer oder mit seiner Hilfe organisiert wurde, um beim Verbraucher für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu werben und mit ihm entsprechende Verträge abzuschließen.
(2) Geschäftsräume im Sinne des Absatzes 1 sind unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. Gewerberäume, in denen die Person, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelt, ihre Tätigkeit dauerhaft oder für gewöhnlich ausübt, stehen Räumen des Unternehmers gleich.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger, ein gemäß § 4 Abs. 1 UKlaG in die Liste qualifizierter Einrichtungen des Bundesverwaltungsamts eingetragener Verbraucherschutzverband , verlangt von der Beklagten, es zu unterlassen, in einer bestimmten Vertriebsform Mobiltelefone und Telefondienstleistungsverträge abzusetzen, ohne auf das Widerrufsrecht nach dem Fernabsatzrecht hinzuweisen.
Der Vertrieb vollzieht sich wie folgt: Die Beklagte bew irbt durch Anzeigen ein "Multimedia-Paket", mit dem sie ein Mobiltelefon zusammen mit einem sogenannten Kartenvertrag anbietet. Die Anzeige, die Ende 2000 erschien,
enthält eine kurze Beschreibung des angebotenen Geräts und die Mitteilung seines Werts. Außerdem sind in ihr unter anderem die Anschluß- und Grundgebühren , die einzelnen Tarife für Telefonate in das deutsche Festnetz und in das gleiche Mobilfunknetz, der Rahmen für die Verbindungspreise in andere Mobilfunknetze sowie die 24 Monate betragende Laufzeit des Kartenvertrags angegeben. Ferner ist in der Annonce die Nummer einer "Bestell-Hotline" aufgeführt , bei der das beworbene Leistungspaket angefordert werden kann. Auf entsprechenden Anruf eines Interessenten bereitet die Beklagte einen schriftlichen Vertrag vor, dem sie auch ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen beifügt. Eine Belehrung über ein Widerrufsrecht enthalten die Unterlagen nicht. Das Vertragsformular bringt sie zusammen mit dem Mobilfunkgerät und der dazu gehörenden Chipkarte zum Versand. Sie bedient sich hierfür des Postident 2-Verfahrens der Deutschen Post AG. Der Postzusteller identifiziert dabei anhand eines Ausweises den Kunden, holt dessen Unterschrift unter das Vertragsformular der Beklagten ein, händigt die Sendung aus und benachrichtigt anschließend die Beklagte hiervon. Diese schaltet sodann den Anschluß frei.
Der Kläger ist der Ansicht, diese Form des Vertriebs stel le einen Fernabsatz dar mit der Folge, daß den Kunden der Beklagten ein Widerrufsrecht zustehe, über das sie belehren müsse.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufung sgericht hat die Beklagte im wesentlichen antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidu ng ausgeführt , der Kunde gebe in dem Telefonat mit der "Bestell-Hotline" ein bindendes Vertragsangebot ab, das die Beklagte durch die Versendung der Unterlagen und des Mobilfunkgeräts nebst Chipkarte nach § 151 BGB annehme. Da sich diese Vorgänge allein im Wege der Fernkommunikation vollzögen, vertreibe die Beklagte ihre Leistungen im Fernabsatz. Es bestehe deshalb ein Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1 BGB, auf das die Beklagte hinzuweisen habe. Falls der Vertrag hingegen erst mit der Unterschrift des Kunden unter das von der Beklagten übersandte Formular zustande käme, läge ein Umgehungsgeschäft (§ 312f Satz 2 BGB) vor.
II.
Dies rügt die Revision vergeblich.
1. Der Kläger ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 UKlaG befugt, den Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte geltend zu machen. Insoweit erhebt die Revision auch keine Beanstandungen.
2. Das Berufungsgericht hat auf den Sachverhalt zutreffend nicht mehr die im Jahr 2000 geltenden Vorschriften angewandt, obgleich die Anzeige bereits in diesem Zeitraum erschienen war. Da die Unterlassung für die Zukunft verlangt wird, richtet sich der Anspruch des Klägers trotz Art. 229 §§ 5, 9 EGBGB nach §§ 312b bis 312d BGB in der seit dem 1. August 2002 geltenden Fassung (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2004 - I ZR 90/01 - NJW-RR 2004, 841, 842).
3. Das Berufungsgericht hat den mit der Klage verfolgten Unterlassungsanspruch mit Recht zuerkannt, da das Vorgehen der Beklagten bei Anbahnung und Abschluß der mit der Anzeige beworbenen Verträge unter die für den Fernabsatz geltenden besonderen Vorschriften fällt. Die Kunden der Beklagten haben deshalb ein Widerrufsrecht gemäß § 312d Abs. 1 Satz 1 und § 355 BGB. Über dieses Recht hat die Beklagte zu informieren (§ 312c Abs. 1 und 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 BGB-InfoV).
a) Allerdings teilt der Senat nicht die Auffassung der Vorinstanz, daß der Telefondienstleistungsvertrag und der Kaufvertrag über das Mobilfunkgerät bereits mit der Absendung der Vertragsunterlagen und des Telefons zustande kommt. Es kann dabei auf sich beruhen, ob der Kunde, der aufgrund der Anzeige der Beklagten unter der Nummer der "Bestell-Hotline" anruft, bereits in diesem Telefonat ein verbindliches Angebot auf Abschluß der in der Annonce beworbenen Verträge abgibt.
aa) Hiergegen spricht, daß die Erklärung des Kunden, zu den in der Anzeige der Beklagten genannten Bedingungen das sogenannte MultimediaPaket bestellen zu wollen, aus Sicht eines objektiven Empfängers nicht mit dem für das Vorliegen eines Vertragsangebots (§ 145 BGB) erforderlichen
Rechtsbindungswillen abgegeben werden dürfte. Dem durchschnittlich informierten und aufmerksamen Verbraucher ist, für einen objektiven Empfänger erkennbar, bewußt, daß es sich bei einem auf mindestens 24 Monate Laufzeit angelegten Telefondienstleistungsvertrag um ein Rechtsverhältnis handelt, dem typischerweise ein detailliertes Regelungswerk zugrunde liegt, dessen Bedingungen in der Anzeige nicht erschöpfend aufgeführt sein können. Er stellt sich deshalb darauf ein, von dem Anbieter noch ein Vertragsformular mit weiteren Regelungen zu erhalten. Der Empfänger der telefonischen Bestellung wird aus diesem Grund nicht annehmen können, daß sich der Kunde bereits in dem Telefonat zu den Bedingungen der Beklagten vertraglich binden will, obgleich ihm diese noch nicht bekannt sind.
bb) Legt man hingegen die Auffassung des Berufungsgeri chts zugrunde, daß die telefonische Bestellung des Multimedia-Pakets ein bindendes Angebot des Kunden darstellt, zu den in der Anzeige aufgeführten Bedingungen mit der Beklagten einen Telefondienstleistungs- und Kaufvertrag zu schließen, fehlt es an der Annahme dieser Offerte. Die Versendung des Mobilfunkgeräts nebst Chipkarte und schriftlichen Vertragsunterlagen ist keine Annahme ohne Erklärung gegenüber dem Antragenden gemäß § 151 Satz 1 BGB.
(1) Nach dieser Vorschrift kommt ein Vertrag durch die A nnahme eines Angebots zustande, ohne daß dies dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet hat. Allerdings bedarf es für das Zustandekommen des Vertrages auch in den Fällen des § 151 Satz 1 BGB der Annahme, das heißt eines als Willensbetätigung zu wertenden, nach außen hervortretenden Verhaltens des Angebotsempfängers, aus dem sich dessen Annahmewille unzweideutig ergibt
botsempfängers, aus dem sich dessen Annahmewille unzweideutig ergibt (z.B.: BGHZ 111, 97, 101; BGH, Urteil vom 12. Oktober 1999 - XI ZR 24/99 - NJW 2000, 276, 277 m.w.N.; Bamberger/Roth/Eckert, BGB, § 151 Rn. 3) In welchen Handlungen eine ausreichende Betätigung des Annahmewillens zu finden ist, kann nur in Würdigung des konkreten Einzelfalls entschieden werden. Dabei ist mangels Empfangsbedürftigkeit der Willensbetätigung nicht auf den Empfängerhorizont (§ 157 BGB) abzustellen, sondern darauf, ob das Verhalten des Angebotsadressaten vom Standpunkt eines unbeteiligten objektiven Dritten aufgrund aller äußeren Indizien auf einen wirklichen Annahmewillen (§ 133 BGB) schließen läßt (BGH aaO; Bamberger/Roth/Eckert aaO).
(2) Der Versendung des Geräts und der Vertragsunterlag en ist der Wille der Beklagten, ein etwaiges telefonisches Angebot des jeweiligen Kunden zu den Bedingungen der Anzeige uneingeschränkt akzeptieren, nicht zu entnehmen. Im Gegenteil gibt die Beklagte aus Sicht eines objektiven Dritten dadurch, daß sie der Sendung den schriftlichen Vertragstext unter Einschluß ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Unterschrift des Kunden beifügt, zu erkennen, daß sie hierzu nicht bereit ist. Vielmehr geht ihr nach außen zutage getretener Wille dahin, den ihr angesonnenen Vertrag nur unter Einbeziehung der in den Unterlagen enthaltenen zusätzlichen Bedingungen zu schließen. Der Versand des Geräts und des Vertragstexts stellt sich damit nicht als Betätigung des Annahmewillens der Beklagten, sondern als Abgabe eines neuen Antrags (§ 150 Abs. 2 BGB) dar.
b) Hiernach gibt die Beklagte durch die Versendung des Mobilfunkgeräts und des Vertragstexts ein Angebot auf Abschluß eines Telefondienstleistungsund Kaufvertrags ab. Dabei handelt es sich, je nach rechtlicher Bewertung der
telefonischen Bestellung des Kunden, entweder um ein erstmaliges Angebot oder um eine neue Offerte gemäß § 150 Abs. 2 BGB. Der Vertrag kommt durch die Annahme des jeweiligen Kunden zustande, die er mit der von dem Postmitarbeiter eingeholten Unterschrift auf dem Vertragsformular der Beklagten erklärt. Dieser Vertragsschluß erfolgt bei wertender Betrachtung unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (§ 312b Abs. 1, 2 BGB) im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems.
aa) Fernkommunikationsmittel sind nach § 312b Abs. 2 BGB Kommunikationsmittel , die zur Anbahnung oder zum Abschluß eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können, insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails sowie Rundfunk-, Teleund Mediendienste.
bb) Bei Anbahnung und Abschluß der Telefondienstleistu ngs- und Kaufverträge finden in dem hier in Rede stehenden Vertriebsweg ausschließlich Fernkommunikationsmittel im Sinne von § 312b Abs. 2 BGB, und zwar Telefon und Postversand, Verwendung. Das von der Beklagten in Anspruch genommene Postident 2-Verfahren vermittelt im Gegensatz zu der von ihr vertretenen Auffassung nicht die gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien nach § 312b Abs. 2 BGB.
(1) Entgegen der in der Literatur feststellbaren Ten denz (Härting, Fernabsatzgesetz , 2000, § 1 Rn. 37 f; Lütcke, Fernabsatzrecht, 2002, § 312b Rn. 67; MünchKommBGB/Wendehorst, 4. Aufl., § 312b Rn. 42, siehe jedoch auch Rn. 44: bei Einschaltung von Angestellten eines Logistikunternehmens
soll § 312f Satz 2 BGB eingreifen; Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 312b Rn. 8; nicht eindeutig: Reich EuZW 1997, 581, 583: "Repräsentanten" schließen Anwendung des Fernabsatzrechts aus; anders wohl Bamberger/Roth/ Schmidt-Räntsch, BGB, § 312b Rn. 22) bedeutet der Einsatz von Boten beim Vertragsschluß oder bei seiner Anbahnung nicht stets, daß Direktkommunikationsmittel Verwendung finden.
(a) Der Schutzzweck der §§ 312b bis 312d BGB gebietet es, es als Einsatz von Fernkommunikationsmitteln zu bewerten, wenn bei Vertragsschluß oder -anbahnung ein Bote beauftragt wird, der zwar dem Verbraucher in unmittelbarem persönlichen Kontakt gegenüber tritt, jedoch über den Vertragsinhalt und insbesondere über die Beschaffenheit der Vertragsleistung des Unternehmers keine näheren Auskünfte geben kann und soll.
§§ 312b bis 312d BGB sowie das zuvor geltende inhaltsgle iche Fernabsatzgesetz beruhen auf der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz - FernAbsRL (Abl. EG Nr. L 144 vom 4. Juni 1997, S. 19). Nach Nr. 14 der Erwägungsgründe der Richtlinie war Anlaß für die Schaffung von besonderen Vorschriften für den Fernabsatz, daß der Verbraucher in der Praxis keine Möglichkeit hat, vor Abschluß des Vertrages das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung im einzelnen zur Kenntnis zu nehmen. Die Fernabsatzvorschriften sollen dementsprechend zwei für Distanzgeschäfte typische Defizite ausgleichen (BGHZ 154, 239, 242 f; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch aaO, Rn. 24; vgl. auch MünchKommBGB/ Wendehorst aaO, Rn. 47): Der Verbraucher kann vor Abschluß des Vertrages die Ware oder die Dienstleistung nicht prüfen, und er kann sich an keine natür-
liche Person wenden, um weitere Informationen zu erlangen (Bamberger/ Roth/Schmidt-Räntsch aaO). Diese Defizite vermag eine Person, deren Rolle sich auf die Botenfunktion in dem oben geschilderten engen Sinn beschränkt, trotz ihrer körperlichen Anwesenheit nicht zu beheben. Der Verbraucher ist in diesen Fällen ebenso schutzwürdig wie bei einem Vertragsschluß durch den Austausch von Briefen, bei dem er dem Post- oder Kurierboten nicht notwendig persönlich gegenüber steht. In diesen Fällen sieht das Gesetz ausdrücklich die Anwendbarkeit der Schutzvorschriften des Fernabsatzrechts vor (§ 312b Abs. 2 BGB; vgl. auch Begründung der Bundesregierung zum Fernabsatzgesetz vom 9. Februar 2000, BT-Drucks. 14/2658 S. 31 zu § 1 Abs. 2).
(b) Etwas anderes dürfte gelten, wenn die eingeschalte te Person nicht darauf beschränkt ist, Willenserklärungen und Waren zu überbringen und entgegenzunehmen , sondern in der Lage und damit beauftragt ist, dem Verbraucher in einem persönlichen Gespräch nähere Auskünfte über die angebotene Ware oder Dienstleistung zu geben. Dies kann beispielsweise bei Vermittlern, Verhandlungsgehilfen oder sonstigen Repräsentanten des Unternehmens, die wegen der Einzelheiten der Leistung Rede und Antwort stehen (vgl. MünchKommBGB /Wendehorst aaO), der Fall sein.
(2) Das Postident 2-Verfahren vermittelt dem mit dessen Ausführung betrauten Mitarbeiter der Deutschen Post AG jedoch lediglich die Stellung eines bloßen Boten. Er ist nicht befugt und in aller Regel auch nicht in der Lage, den Kunden der Beklagten über die Vertragsleistung Auskunft zu geben.
(a) Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deut schen Post AG über den Postident-Service umfaßt der Postident 2-Dienst lediglich die
Identifikation natürlicher Personen anhand des Personalausweises oder Reisepasses , die Erfassung der Ausweisnummer, die Einholung von zwei eigenhändigen Unterschriften des Empfängers zu den vom Auftraggeber definierten Zwecken und die Aushändigung von Unterlagen an den Empfänger (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Abs. 2 der AGB). Zum Leistungsumfang gehört hingegen nicht die Abgabe von Erklärungen rechtlicher oder tatsächlicher Natur für den Auftraggeber gegenüber dem Empfänger der Sendung.
(b) Der Postmitarbeiter besitzt zudem - von denkbaren Zu fällen abgesehen - nicht die tatsächlichen und rechtlichen Kenntnisse, die erforderlich sind, um etwaige Fragen des Kunden zu den von der Beklagten angebotenen Leistungen beantworten zu können. Der Zusteller muß im Laufe einer Lieferfahrt in aller Regel eine Vielzahl verschiedenartiger Sendungen aushändigen und ist weder in der Lage noch mit dieser Zielsetzung beauftragt, sich mit dem Inhalt der einzelnen Aufträge zu befassen oder sich gar Wissen anzueignen, das über die Informationen, die der Auftraggeber dem Empfänger über das versandte Produkt zukommen läßt, hinausgeht. Zudem verfügt er nicht über die nötige Zeit, um abzuwarten, daß der Empfänger die übersandte Ware prüft und sich mit den Vertragsbedingungen des Versenders vertraut macht, um sodann gegebenenfalls weitergehende Informationen zu verlangen.
c) Die Beklagte handelt mit dem hier fraglichen Absatz der Mobilfunkgeräte und Kartenverträge im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems, wie es weitere Voraussetzung für die Anwendung der Vorschriften über Fernabsatzverträge ist (§ 312b Abs. 1, 2. Halbsatz BGB). Hierfür ist erforderlich, daß der Unternehmer durch die personelle und sachliche Ausstattung innerhalb seines Betriebs die organisatorischen Bedingungen ge-
schaffen hat, die notwendig sind, um regelmäßig im Fernabsatz zu tätigende Geschäfte zu bewältigen (Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Fernabsatzgesetzes aaO, S. 30; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch aaO, Rn. 11 m.w.N.; MünchKommBGB/Wendehorst aaO, Rn. 49 m.w.N.; Fuchs ZIP 2000, 1273, 1275; Lorenz JuS 2000, 833, 838; Meents CR 2000, 610, 611). Diese Voraussetzung ist erfüllt, da sich die Beklagte durch die Angabe der "Bestell -Hotline" systematisch die Technik der Fernkommunikation zunutze macht und für ihren Betriebsablauf in personeller und sächlicher Hinsicht ein eingespieltes Verfahren entwickelt hat, um den Abschluß und die Ausführung des Vertrages regelmäßig im Postwege zu vollziehen.
4. Soweit die Revision meint, die Verurteilung sei in jedem Fall zu weit gehend , da auch Fälle erfaßt würden, in denen dem Kunden bei der telefonischen Bestellung erläutert werde, daß der Vertragsschluß erst durch Unterzeichnung des Vertragsformulars und dessen Übergabe an den Postmitarbeiter erfolge, ist dem nicht zu folgen. Für die rechtliche Bewertung des von der Beklagten gewählten Vertriebswegs als Fernabsatzgeschäft ist es ohne Bedeutung, ob dem Verbraucher das Verfahren bei Vertragsanbahnung erklärt wird.
Schlick Wurm Streck
Dörr Herrmann
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250 000 Euro nicht übersteigen.
(2) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über eine Million Euro angenommen werden.
(3) Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.
BUNDESGERICHTSHOF
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Februar 2017 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Joeres und Dr. Matthias sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Dauber
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die aus eigenem Recht eingelegte Gegenvorstellung der Verkehrsanwälte der Kläger gibt keinen Anlass, den Streitwert heraufzusetzen.
- 2
- Zwar ist die Gegenvorstellung in entsprechender Anwendung des § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthaft und auch innerhalb der analog geltenden sechsmonatigen Frist des § 68 Abs. 1 Satz 3, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG eingelegt worden.
- 3
- Sie ist aber unbegründet. Für die Bewertung des Streitwerts sind die Grundsätze maßgeblich, die der Senat in dieser Sache mit Beschluss vom 12. Januar 2016 (XI ZR 366/15, WM 2016, 434 Rn. 4 ff.) aufgestellt hat. Der Streitwert bestimmt sich demgemäß nach den Zins- und Tilgungsleistungen, die die Kläger auf die in Streit stehenden Verträge bis zum Widerruf vom 20. Juni 2014 erbracht haben. Dies sind die Verträge mit den Nummern 005 … , 015 … und 055 … . Allein über die Rückabwicklung dieser Verträge haben die Vorinstanzen, was der Senat durch Auslegung selbst bestimmen kann (Senatsurteil vom 16. März 1999 - XI ZR 209/98, NJW-RR 1999, 1006 unter II. 2; BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 559/14, NJW 2016, 3244 Rn. 29), erkannt. Die Zins- und Tilgungsleistungen belaufen sich auf insgesamt 137.388,66 €, so dass der Streitwert wie geschehen auf bis 140.000 € festzusetzen war.
- 4
- Anders als von den Verkehrsanwälten der Kläger beantragt, besteht auch kein Anlass, den Streitwert der Vorinstanzen gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG abzuändern (BGH, Beschlüsse vom 17. März 2015 - II ZR 391/13, juris Rn. 1 ff. und vom 8. Oktober 2015 - I ZB 10/15, juris Rn. 1).
LG Stuttgart, Entscheidung vom 13.02.2015 - 8 O 278/14 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 21.07.2015 - 6 U 41/15 -