Landgericht Bielefeld Urteil, 03. Apr. 2014 - 011 Ns-401 Js 2531/12-6/14
Gericht
Tenor
Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von
1 Jahr 9 Monaten
verurteilt wird.
Dem Angeklagten wird die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein wird eingezogen. Die Verwaltungsbehörde wird angewiesen, ihm vor Ablauf von noch 1 Jahr 6 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Der Angeklagte trägt die Kosten der Berufung sowie die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin.
Angewandte Vorschriften:
§§ 222, 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2, 52, 69 Abs. 1, 69 a, 21, 49 Abs. 1 StGB.
Gründe:
1
Gründe:
2I.
3Der Angeklagte ist durch das Urteil des Amtsgerichts Gütersloh – Strafrichters – wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Ihm ist die Fahrerlaubnis entzogen und sein Führerschein eingezogen worden. Die Verwaltungsbehörde ist angewiesen worden, ihm vor Ablauf von 2 Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld form- und fristgerecht Berufung eingelegt, die sie auf das Strafmaß mit dem Ziel beschränkt hat, dass die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung entfällt. Die Kammer hat die Strafmaßberufung für unwirksam erachtet, da die Feststellungen des angefochtenen Urteils keine ausreichend tragfähige Grundlage für den Schuldspruch bilden.
4Die Berufung der Staatsanwaltschaft hat ganz überwiegend Erfolg.
5In der erneuten Hauptverhandlung, deren Umfang und Förmlichkeiten sich aus der Sitzungsniederschrift ergeben, hat die Kammer im Einzelnen die folgenden Feststellungen getroffen:
6II.
7Der inzwischen 26 Jahre alte Angeklagte wurde am xx in W. geboren. Er hat noch 3 Halbgeschwister, 2 Brüder und eine Schwester. Altersgerecht wurde er eingeschult. Er besuchte zunächst die Grund-, anschließend die Hauptschule, die er nach Erreichen des Hauptschulabschlusses beendete. Er durchlief danach erfolgreich eine Ausbildung zum Fleischer bei der Firma Z.. Er wurde übernommen und ist seit dem dort in seinem erlernten Beruf beschäftigt. Er erzielt ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 1.400,00 bis 1.500,00 €. Er wohnt bei seinen Eltern. Er zahlt an sie 400,00 € Kostgeld. Er zahlt monatlich noch Raten in Höhe von 418,00 € für seinen BMW 325 i mit dem amtlichen Kennzeichen xx. Desweiteren zahlt er monatlich 100,00 € an seine Kfz-Haftpflichtversicherung, die ihn in Höhe von 5.000,00 € in Regress nimmt.
8Straf- und Verkehrsrechtlich ist er bislang noch nicht in Erscheinung getreten.
9III.
10Am Samstag den 10.11.2012 arbeitete der Angeklagte morgens von 04.00 bis 10.00 Uhr bei der Firma Z.. Anschließend war er mit seiner Mutter einkaufen. Nicht ausschließbar legte er sich anschließend ca. 4 bis 5 Stunden schlafen.
11Abends kurz nach 21.00 Uhr fuhr er mit seinem BMW Typ 325 i mit einer Leistung von 155 kw und dem amtlichen Kennzeichen xx von W. nach C., wo er einen Freund abholte, mit dem er zu der Diskothek „F.“ in C., H.er Straße xx fuhr. Seit ca. 1 Jahr arbeitete der Angeklagte dort gelegentlich aushilfsweise als Diskjockey. Die Nebenbeschäftigung übte er auch in dieser Nacht aus.
12Das Musikauflegen begann richtig erst etwa gegen Mitternacht oder kurz danach. Zwischen 23.00 und 24.00 Uhr hatte der Angeklagte begonnen, Whisky Cola zu trinken. Er war glücklich, weil alles in seinem Leben gut lief.
13Der Angeklagte war alkoholgewöhnt. Er trank ab und an Alkohol, meistens aber nur kleinere Mengen. Es kam aber gelegentlich aber auch vor, dass er etwas größere Mengen konsumierte.
14Die genaue Menge und Art des Alkohols, den der Angeklagte im Verlaufe der Nacht konsumiert hat, hat nicht festgestellt werden können. Er hatte die Möglichkeit, einen seiner Brüder anzurufen, der ihn abgeholt und nach Hause gebracht hätte.
15Am 11.11.2012 kurz nach 5.30 Uhr bestieg der Angeklagte seinen BMW, um von der Diskothek F. nach W. zum Haus seiner Eltern zurückzufahren. Die Entfernung beträgt etwa knapp 30 Kilometer. Sein Freund, den er am Abend zuvor noch mitgenommen hatte, hatte zu diesem Zeitpunkt die Diskothek bereits verlassen.
16Der Angeklagte war betrunken. Bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen und ihm möglichen Sorgfalt hätte er erkennen können, dass er in Folge des konsumierten Alkohols nicht mehr in der Lage war, sein Fahrzeug sicher zu steuern.
17Von C.-A. aus fuhr er über V. in Richtung N.. Nach Auffassung des Zeugen PK T. handelte es sich nicht um die kürzeste, wohl aber die schnellste Strecke nach W.. Kurz nach V. schloss der Angeklagte zu dem in gleicher Fahrtrichtung vor ihm fahrenden Zeugen U. auf, der sein Fahrzeug mit 70 bis 80 km/h steuerte. Der Angeklagte fuhr bis auf wenige Meter sehr dicht auf, bremste ab, ließ sich zurückfallen und fuhr erneut sehr dicht auf. Dabei betätigte er auch mehrfach die Lichthupe. Der Zeuge U. fühlte sich unter Druck gesetzt. Diese Fahrweise des Angeklagten zog sich über eine Strecke von ca. 2 Kilometern hin. Etwa 800 Meter nach einem Terraristikgeschäft überholte der Angeklagte den Zeugen U. zügig in einer Kurve, die aber gut einsehbar war. Die Fahrbahn war nass. Der Zeuge U. hatte die Scheibenwischer aber nicht eingeschaltet. Er brauchte sie auch nicht zu benutzen, als er von dem Angeklagten überholt wurde.
18Bei dem Überholvorgang konnte der Zeuge U. das Nummernschild am Wagen des Angeklagten nicht ablesen. Aufgrund der Form der Rückleuchten war er sich aber sicher, dass es sich bei dem überholenden Fahrzeug um einen BMW der 3er oder 5er Serie handeln müsste. Er bemerkte auch, dass der Angeklagte das Fernlicht einschaltete, als er ihn passierte.
19Der Zeuge U. hatte die Rücklichter des sich entfernenden Fahrzeugs des Angeklagten weiter im Blickfeld, auch wenn sich der Abstand vergrößerte. Als er auf der N.straße nach einer kleinen Kurve, durch die er den Pkw vorübergehend aus den Augen verloren hatte, auf die Kreuzung mit der E.er Straße zuvor, sah er die Rücklichter des Wagens wieder in der passenden Entfernung vor ihm auftauchen. Er bemerkte, dass das Fahrzeug leicht abbremsen musste, ehe die Ampel auf Grün umsprang und der Angeklagte gerade aus weiter fahrend die Kreuzung überquerte. Der Zeuge U. fuhr nun seinerseits auf die Kreuzung zu. Er musste ebenfalls etwas abbremsen, konnte aber, da die Ampel umsprang, bei Grünlicht weiter fahren. Die Rücklichter des Wagens des Angeklagten waren plötzlich verschwunden. Andere Fahrzeuge befuhren zu diesem Zeitpunkt den Kreuzungsbereich E.er Straße/N.straße nicht.
20Es war inzwischen etwa 5.54 Uhr. Die Phase der „astronomischen Dämmerung“, der ersten der insgesamt 3 Dämmerungsphasen hatte begonnen.
21Hinter der Kreuzung mit der E.er Straße verläuft die N.straße in Fahrtrichtung N. 350 Meter lang gerade aus. Es schließt sich eine langgezogene Rechtskurve an, die in eine Linkskurve übergeht. Die N.straße verfügt in diesem Bereich über einen jeweils ca. 3,15 Meter breiten Fahrstreifen je Fahrtrichtung. Die Fahrtstreifen sind durch eine unterbrochene Leitlinie voneinander getrennt. Die Fahrbahn wird rechts und links durch eine Fahrbahnrandmarkierung begrenzt. Rechts und links der Fahrbahn befindet sich ein unbefestigter Seitenstreifen, der auf beiden Seiten in einen Graben bzw. eine Böschung übergeht. Eine Straßenbeleuchtung ist nicht vorhanden. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 100 km/h.
22Zur gleichen Zeit gegen 5.54 Uhr befuhr der am xx geborene N. M. auf einem Mountain-Bike des Hersteller Specialized ebenfalls die N.straße von der E.er Straße kommend in gleicher Fahrtrichtung wie der Angeklagte. Er war ca. 1,78 Meter groß und ca. 75 kg schwer. Er war verheiratet und Vater von drei Kindern. Er befand sich ca. 350 Meter hinter der Kreuzung mit der E.er Straße. Er hatte die Zufahrt zu dem Haus Nr. 390 passiert. Sein Seitenabstand zum rechten Fahrbahnrand betrug ca. 1,20 Meter.
23Herr M. war professionell bekleidet. Er trug mehrere Schichten Unterwäsche, eine schwarze lange Radhose, ein X.-blaues kurzärmliges Radtrikot, darüber noch ein weiteres im Brustbereich helles, langärmeliges Radtrikot. Er benutzte Click-Radschuhe, die an den Fahrradpedalen eingeclickt werden können. Darüber hatte er Regenüberschuhe angezogen, die an der Rückseite mit jeweils einem kleinen rechteckigen Reflektorstreifen versehen waren. Um den linken Knöchel trug ein gelbes Reflektorband, das bei Anleuchtung aus ca. 50 Meter Entfernung zu erkennen ist. Die Hände waren mit 2 Paar Handschuhen bedeckt. Außerdem trug er einen gelb-schwarzen Helm der Marke „Giro“. In der eingenähten Rückentasche des Trikots führte er Lebensmittel (Brot/Snickers) eine Miniluftpumpe, ein Reparaturset für das Fahrrad, ein blaues Handy Sony/Ericsson sowie einen Schlüsselbund bei sich.
24An der Sattelstütze war ein batteriebetriebenes rotes Rücklicht befestigt, dass eingeschaltet war und hell leuchtete. In der Dunkelheit war es auf eine Entfernung von 200 bis 300 Metern gut zu erkennen. Vorne war das Fahrrad auch mit einer batteriebetriebenen Halogenlampe ausgerüstet. Ob diese Lampe ebenfalls zum Unfallzeitpunkt eingeschaltet war, konnte nicht mehr festgestellt werden, da sie bei der Kollision komplett zerstört wurde.
25Ausgehend von dem vom Sachverständigen Dipl.-Ing. I. gewählten Vermaßungsbezugspunkt am – in Fahrtrichtung N. gesehen – rechten Fahrbahnrand in Höhe des Beginns der Einfahrt zu Haus Nr. 390 erfasste in einer Entfernung dazu von ca. 48,1 Meter der in gleicher Fahrtrichtung mit seinem BMW fahrende Angeklagte Herrn M.. Der seitliche Abstand des BMW zum rechten Fahrbahnrand betrug ca. 0,8 Meter. Der Angeklagte steuerte sein Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von mindestens 98 km/h.
26Herr M. war für den Angeklagten über einen längeren Zeitraum vor der Kollision deutlich sichtbar. Die N.straße verläuft von der Kreuzung mit der E.er Straße über eine Strecke von ca. 350 Metern bis zur Unfallstelle geradeaus. Das Rücklicht, das an der Sattelstütze unterhalb des Sattels am Mountain-Bike befestigt war, funktionierte einwandfrei. Zudem befand sich das Reflektorband am bewegenden linken Knöchel des Herrn M..
27Der Angeklagte war jedoch absolut fahruntüchtig. Für den Unfallzeitpunkt errechnet sich für die Frage der Fahrtüchtigkeit eine Blutalkoholkonzentration von 2,0 Promille. Dabei ist zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen worden, dass die Alkoholaufnahme erst unmittelbar vor dem Unfallgeschehen beendet war. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen ist. Für die Frage der Schuldfähigkeit errechnet sich eine Blutalkoholkonzentration von 2,69 Promille. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte aufgrund seiner alkoholischen Beeinflussung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen ist.
28Infolge seiner erheblichen alkoholischen Beeinflussung nahm der Angeklagte den vor ihm fahrenden Herrn M. nicht oder nicht richtig wahr. Bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen und ihm möglichen Sorgfalt hätte er den vor ihm fahrenden Radfahrer rechtzeitig wahrnehmen und sein Fahrverhalten entsprechend einrichten können. Er hätte in einem ausreichenden Sicherheitsabstand Herrn M. überholen können.
29Infolge der Kollision mit dem Pkw wurde das Fahrrad im hinteren Bereich massiv beschädigt. Die linke obere Hinterradschwinge brach komplett ab. Das Hinterrad sowie das Schaltwerk wurden komplett zerstört. Die an der Sattelstütze angebrachte Rückleuchte brach ab und er Sattel löste sich linksseitig vom Sattelträger. Die vordere Halogenlampe riss ebenfalls vom Fahrrad ab. Die Vorderradfelge wurde in Höhe des Reifenventils leicht eingedrückt. Das Vorderrad erlitt eine deutliche Deformation in Form einer „Acht“.
30Bei der Kollision wurde das Mountain-Bike beim Anstoß von hinten unter Herrn M. weggestoßen. Das Hinterrad des Fahrrades zeichnete in Fahrbahnlängsrichtung ca. 48,1 Meter hinter dem Vermaßungsbezugspunkt eine ca. 0,6 Meter lange Reifenspur auf die Fahrbahn. Auf der vorderen Stoßfängerverkleidung des BMW entstanden in einem Abstand von ca. 48 cm von der Fahrzeugmitte stärkere Kerb- und Riebspuren. Zudem riss die Stoßfängerverkleidung in diesem Bereich auf einer Länge von ca. 8 bis 9 cm in vertikaler Richterung ein. Sie entstanden durch Kontakt des Stoßfängers mit dem Zahnkranz des Hinterrades des Fahrrades.
31Bei der Kollision wurde das Fahrrad beim Anstoß von hinten unter dem Radfahrer Herrn M. weggestoßen. Er wurde auf den Pkw aufgeladen und prallte mit dem Oberkörper gegen die Windschutzscheibe und die vordere Dachkante. Die Windschutzscheibe wurde in Folge dessen rechtsseitig zerstört und in den Fahrzeuginnenraum zurückgedrückt. Die Dachvorderkante wurde rechtsseitig im Bereich der Anbindung an die A-Säule stark deformiert und faltbeulenartig nach hinten zurückgedrückt. Diese Beschädigung erstreckte sich über eine Länge von ca. 60 bis 70 cm. Zudem wurde die rechte Dachleiste aus ihrer Verankerung gerissen.
32Das Vorderrad des Fahrrades wurde durch die Kollision angehoben und das Fahrrad in eine Rotationsbewegung versetzt. Der Sattel prallte auf die Motorhaube. Es entstanden im Bereich der Haubenvorderkante 2 ca. 3 cm lange Kerbspuren in einem Abstand von ca. 37 cm bzw. 47 cm zur Fahrzeugmitte. Eine weitere ca. 40 cm lange Kerb- und Riebspur bildete sich in einem Abstand von ca. 48 cm von der Haubenvorderkante und in einem Abstand von ca. 60 cm zur Fahrzeugmitte. Sie vertiefte sich zunehmend und ging in eine deutliche Eindrückung verbunden mit einer Durchdringung der Motorhaube in Form eines Loches über. Das Loch entstand durch den Sattelträger. Zur Verdeutlichung der vorgenannten Schäden an dem BMW wird auf die Bilder 21, 23 bis 25, 27 und 30 bis 33, wegen der Schäden am Fahrrad auf die Bilder 36 bis 39 sowie wegen der Rekonstruktion der Kollisionsstellung und der Schadenszuordnung auf die Lichtbilder 40 bis 43 der Fotoanlage zum Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. I. gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen.
33Herr M. wurde bei der Kollision auf die Geschwindigkeit des BMW beschleunigt. Er gelangte über das Dach des ungebremst unter ihm durchfahrenden Pkws, prallte auf die Fahrbahn und gelangte rutschend in seine Endlage. In einem Abstand von in Längsrichtung ca. 73 bis 77,4 Metern zum VBP blieben Gewebespuren der Bekleidung des Herrn M. auf der Straße zurück. Herr M. zeichnete in einem Abstand von in Längsrichtung ca. 82,3 Metern zum VBP über eine Länge von 2,70 Meter eine deutlich sichtbare Rutschspur, die durch eine breitere Blutspur am Spurbeginn und schmalere Kratzspuren am Spurenende gekennzeichnet war. Die Rutschspur setzte sich intervallartig in geradliniger Richtung bis hin zur Endlage des Herrn M. in einem Abstand von in Längsrichtung ca. 109,9 Metern zum VBP fort. Herr M. erlitt u. a. massive Kopf- und Schädelverletzungen. Im linken Stirnbereich trug er eine große und tiefe Kopfplatzwunde bei starkem Blutaustritt davon, im unteren Rückenbereich zusätzlich eine ca. 20 cm lange große Platzwunde, die offenbar durch die in der hinteren Trikottasche mitgeführte Fahrradhandpumpe beim Aufprall entstanden sein könnte. Er verstarb an der Unfallstelle. Bei der Leichenschau am Vormittag des 11.11.2012 in der Leichenhalle des Friedhofs an der J.er Straße in H. stellte EPHK N. fest, dass der gesamte Kopfbereich rund herum blutig war. Im Rachenraum und in beiden Ohren befand sich eine größere Menge an Blut. Wegen der Endlage des getöteten M. wird auf das Bild 6 der Fotoanlage zum Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. I. und Bild 30 Bl. 34 d. A., wegen der beiden erwähnten Platzwunden auf die Lichtbilder Bl. 82 d. A. gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen.
34Das Rücklicht des Fahrrades wurde abgerissen und blieb in einem Abstand von in Längsrichtung ca. 50,3 Meter zum VBP in der Böschung rechts neben der Fahrbahn liegen. Es war noch in Betrieb, als der Sachverständige Herr Dipl.-Ing. I. am Unfallort eintraf. In diesem Bereich befanden sich zu dem einige leichtere Helmteile sowie der rechte Handschuh des Herrn M., der in einem Abstand von in Längsrichtung ca. 39,5 Metern und in Querrichtung ca. 9,0 Meter zum VBP auf der rechts neben der Fahrbahn angrenzenden Weidefläche lag. Teile der rechtsseitigen Dachleiste des BMW sowie ein zur Dachleiste gehörendes Befestigungsteil aus Kunststoff wurden rechts neben der Fahrbahn in einem Abstand von in Längsrichtung ca. 59,1 Metern und 61,1 Metern zum VBP aufgefunden.
35Das Fahrrad des Herrn M. blieb in einem Abstand von in Längsrichtung ca. 82,9 Metern und in Querrichtung ca. 3,9 Meter zum VBP rechtsseitig neben der Fahrbahn im Graben liegen. Die Frontlampe des Fahrrades wurde in den linksseitig an der Fahrbahn angrenzenden Graben in einer Längsrichtung von ca. 84,0 Metern zum VBP abgeschleudert. Das Gehäuse der Fahrradfrontlampe wurde in dem die Fahrbahn unterquerenden Bach auf der rechten Seite der Fahrbahn in einem Abstand von in Längsrichtung ca. 113,0 Meter zum VBP aufgefunden. Wegen der im Einzelnen aufgefundenen Fahrzeug- und Fahrradteile, Bekleidungsstücke und sonstigen Spuren wird auf die Anlage 2 a – Unfallstellenskizze Teil 1 – Bereich Primärkollision – zum Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ingenieur I. Bl. 180 d. A. gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen.
36Der Angeklagte kam wenig später in einem Abstand von in Fahrbahnlängsrichtung ca. 295,9 Metern zum VBP mit seinem Fahrzeug von der Fahrbahn ab. An dieser Stelle begann auf dem rechten Seitenstreifen eine dem rechten Vorderrad des BMW zuzuordnende Reifenspur. Die Geschwindigkeit des Wagens betrug im Zeitpunkt des Abkommens von der Fahrbahn mindestens 85 km/h. Die Spurenzeichnung des linken Vorderrades begann auf dem Seitenstreifen in einem Abstand von in Längsrichtung ca. 318,4 Meter zum VBP. Etwa in diesem Bereich ca. 318 Meter Abstand in Längsrichtung zum VBP und ca. 3,50 Meter in Seitenrichtung lag ein getötetes Reh im Graben. Es lag dort bereits seit ca. 2 bis 3 Tagen. Es war schon aufgebläht und an der Bauchdecke grünlich.
37Die Reifenspuren verliefen über eine Länge von ca. 48,3 Metern auf dem Seitenstreifen bzw. in der Böschung, ehe sie in einem Abstand von in Längsrichtung ca. 344 Metern zum VBP in eine tiefe Wühlspur übergingen. Diese endete in einem Abstand von in Längsrichtung ca. 376 Metern zum VBP. In einem Abstand von in Längsrichtung ca. 383 Meter und in Querrichtung von ca. 7,0 Metern zum VBP blieb der BMW, nachdem er sich überschlagen hatte, auf der rechts neben der Fahrbahn angrenzenden Ackerfläche auf dem Dach liegen. Die Front zeigte dabei schräg in Richtung E.er Straße. Wegen der Spurenzeichnung des Fahrzeugs wird auf die Anlage 2 b – Unfallstellenskizze Teil 2 – Bereich Sekundärkollision – zum Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ingenieur I. Bl. 181 d. A., wegen der Endlage des BMW auf die Fotos Bl. 36 und 161 d. A. gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen. Der Angeklagte erlitt bei dem Überschlag mit seinem Wagen eine Prellung im linken Kopfbereich. Ca. 2 Tage später wurde auch noch eine Bänderverletzung im Schulterbereich festgestellt.
38Er war in seinem Wagen eingeklemmt und konnte sich nicht selbst befreien. Mit seinem Handy rief er um 06.03 Uhr 11 Sekunden lang die Notrufnummer 110 an. Der Anruf lief bei der Leitstelle in C. auf.
39Der Angeklagte hatte den Radfahrer Herrn M. vor dem Anstoß wahrgenommen. Ebenso hatte er beim Abkommen von der Fahrbahn das im Graben liegende tote Reh gesehen. Warum der Angeklagte erst ca. 250 Meter nach dem Unfall mit dem Radfahrer und nicht schon früher nach rechts von der Fahrbahn abgekommen ist, hat nicht sicher festgestellt werden können.
40In der Zwischenzeit hatte der Zeuge U. auf der N.straße die Kreuzung E.er Straße ebenfalls passiert. Er traf etwa gut eine Minute nach dem Zusammenstoß zwischen dem Angeklagten und dem getöteten Herrn M. an der Unfallstelle ein.
41Unmittelbar zuvor hatte bereits die Zeugin L. aus der Gegenrichtung kommend die Unfallörtlichkeit erreicht. Ca. 1 ½ bis 2 Kilometer von der Unfallstelle entfernt im Bereich der Firma V. war ihr ein anderes Fahrzeug zuvor mit hoher Geschwindigkeit entgegen kommen, das etwas auf ihre Fahrbahnhälfte herüber gezogen war, wodurch sie sich heftig erschrocken hatte. Den Wagen des Angeklagten hatte sie nicht bemerkt, da sie ihr Augenmerk nach rechts der Fahrbahn gerichtet hatte. Grund dafür war, dass von dort des öfteren Rehe die Fahrbahn passieren.
42Herrn M. hatte sie aber noch rechtzeitig auf der Fahrbahn liegend erkennen können. Sie steuerte ihr Fahrzeug vorsichtig rechts über den unbefestigten Seitenstreifen an ihm vorbei und hielt es einige Meter vor ihm an. Rasch verließ sie ihren Wagen und eilte zu Herrn M.. Aufgrund ihrer beruflichen Erfahrung, sie ist Krankenschwester, stellte sie sofort fest, dass er bereits verstorben war.
43In diesem Moment erreichte auch bereits der Zeuge U. die Unfallstelle. Er stoppte sein Fahrzeug und stieg aus. Er sah Herrn M. in einer großen Blutlache auf der Straße liegen. In Abstimmung mit Frau L. verständigte er sofort über Handy den Notarzt.
44Kurz danach erreichte eine Kinderkrankenschwester aus Fahrtrichtung N. die Unfallstelle. Sie berichtete ihnen davon, dass ein Stückchen entfernt ein Wagen auf der Wiese liege. Da sie nicht wusste, ob sich eventuell noch jemand im Wagen befinden würde, begaben sich die Zeugin L. und der Zeuge U. zum Wagen des Angeklagten. Die Zeugin L. hatte das am Fahrbahnrand liegende abgerissene, aber noch brennende Rücklicht des Fahrrades bemerkt. Die Kinderkrankenschwester verblieb bei dem getöteten Herrn M.. Dort traf auch wenig später die Zeugin O. ein.
45Während dessen erreichten der Zeuge U. und die Zeugin L. den Wagen des Angeklagten. Als der Zeuge U. den BMW auf dem Dach liegend erblickte, meinte er, dass es das Fahrzeug war, das ihn kurz zuvor auf der N.straße bedrängt und überholt hatte. Seine Überzeugungsbildung beruhte darauf, dass er anhand der Rücklichter des ihn überholenden Fahrzeugs dieses als einen BMW erkannt hatte. Hinzu kam, dass er auch noch die Rücklichter des Wagens hatte sehen können, als dieser die Kreuzung N.straße/E.er Straße passiert und weiter geradeaus gefahren war, ehe die Rücklichter plötzlich verschwunden waren. Ein weiteres Fahrzeug hatte er zu dem Zeitpunkt weder auf der N.straße noch auf der E.er Straße bemerkt.
46In dem BMW fand der Zeuge U. den Angeklagten vor, dessen Beine im vorderen, sein Körper im hinteren Wagenbereich lagen. Ein Fuß des Angeklagten war offenbar eingeklemmt. Der Angeklagte streckte seine Hände durch die Heckscheibe auf der Beifahrerseite. Er machte auf den Zeugen U. einen verwirrten Eindruck. Als er mit dem Angeklagten sprach, antwortete dieser ihm nicht in Deutsch. Der Zeuge U. hatte den Eindruck, dass der Angeklagte etwas lallend sprach. Er sah Red Bull Dosen im Wagen. Da es zu dem nach Alkohol roch, gewann er den Eindruck, der Angeklagte könnte eher betrunken sein und nicht Schmerzen haben. Der Zeuge U. rief erneut die Polizei an.
47Als sich die Zeugin L. neben den Wagen kniete, bat der Angeklagte sie mehrfach, ihm zu helfen. Sie bemerkte keine alkoholische Beeinflussung. Sie hatte eher den Eindruck, dass er unter Schock stehen würde.
48Der Zeuge PHK T. befand sich in dem zweiten Streifenwagen, der an der Unfallstelle eintraf. Er verblieb an der Unfallstelle, wo Herr M. verstorben auf der Fahrbahn lag. Bei seinem Eintreffen waren bereits die Feuerwehr H., 2 Rettungswagen sowie der Notarztwagen vor Ort. Er bemerkte auch das neben der Fahrbahn liegende, noch brennende Rücklicht des Fahrrades. Zur Abklärung des Unfallhergangs befragte er die Zeuginnen O. und L. sowie den Zeugen U..
49Der Zeuge PK X. war unter anderem damit beauftragt, sich mit dem verunfallten BMW und dessen Endlage zu befassen. Er wirkte an der Vermaßung der Unfallstelle im Monobildverfahren mit. Er sprach auch mit dem angeforderten Jagdpächter, dem Zeugen K., wegen des an der Unfallstelle aufgefundenen getöteten Rehs. Als geklärt war, dass das Reh bereits 2 bis 3 Tage Tod war, wurde es in Absprache mit dem Sachverständigen Herrn I. dem Jagdpächter übergeben.
50Der Sachverständige Dipl.-Ing. I. wurde gegen 8.15 Uhr von der Einsatzleitstelle der Kreispolizeibehörde H. zur Unfallstelle gerufen. Er begab sich direkt dorthin. Gemeinsam mit den unfallaufnehmenden Polizeibeamten führte er eine Spurensicherung und Vermessung der Unfallstelle durch. Bei seinem Eintreffen brannte das Rücklicht des Fahrrades noch immer. In der Oberbekleidung des getöteten Herrn M. stellte er Glassplitter fest. Wegen der von ihm im Einzelnen festgestellten und vermessenen Unfallspuren wird auf die Anlagen 2 a – Unfallstellenskizze Teil 1 – Bereich Primärkollision – und die 2 b – Unfallstellenskizze Teil 2 – Bereich Sekundärkollision – seines Gutachtens Bl. 180, 181 d. A. gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen.
51Der Dienstgruppenleiter der Zeugen PK T. und PK C. wandte sich an den Eildienst der Staatsanwaltschaft Bielefeld. Staatsanwältin Y. beantragte daraufhin um 06.54 Uhr beim richterlichen Eildienst die Entnahme einer Blutprobe, die Richter Q. um 7.01 Uhr anordnete.
52Die Zeugen PK T. und PK C. suchten gegen 7.30 Uhr das städtische Klinikum in H. auf, in das der Angeklagte verbracht worden war. Zum damaligen Zeitpunkt fanden dort Umbaumaßnahmen statt.
53Der Angeklagte lag auf der Intensivstation. Das Personal ließ sie zum ihm. Er lag auf einem Krankenbett. Schläuche waren nicht angeschlossen. Er war ruhig, zeigte keine alkoholtypischen Ausfallerscheinungen und wies nur gerötete Augen auf. Alkoholgeruch war kaum wahrzunehmen. Beide Polizeibeamte gingen aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes und des im Rahmen der Unterhaltung von ihm gewonnenen Eindrucks davon aus, dass er allenfalls leicht unter Alkoholeinfluss stehen würde. Als sie einige Tage später das Ergebnis der Blutprobe erfuhren, waren sie sehr überrascht. Einen solch hohen Wert hatten sie nicht erwartet.
54Im Rahmen der informatorischen Befragung zum Unfallhergang gab er an, dass er auf dem Weg nach Haus mit irgendetwas zusammengestoßen sei. Dabei könnte es sich um ein Reh gehandelt haben. Er wurde sodann als Beschuldigter einer fahrlässigen Tötung belehrt. Er gab an, von Freitag auf Samstag bei der Firma Z. von 04.00 Uhr bis 10.00 Uhr Nachtschicht gehabt zu haben. Seit gestern Abend gegen 22.00 Uhr habe er als Diskjockey in der Diskothek „F.“ in C.-A. gearbeitet. Dazwischen habe er so gut wie nicht geschlafen. Zur Einnahme von Alkohol oder Betäubungsmitteln befragt äußerte er, er habe in der Diskothek am 10.11.2012 gegen 23.00 Uhr ein Glas Whiskey mit Cola getrunken. Weiteren Alkohol oder Betäubungsmittel hätte er nicht zu sich genommen.
55Weiterhin gab er an, mit seinem BMW mit dem Kennzeichen xx die N.straße aus Richtung C. in Fahrtrichtung N. befahren zu haben. Er sei einem vor ihm fahrenden Fahrradfahrer, der ebenfalls in Richtung N. gefahren sei, ausgewichen. Danach sei alles dunkel geworden und er habe mit seinem PKW auf dem Dach im Straßengraben gelegen. Aus dem PKW heraus habe er über Notruf die Polizei angerufen. Unmittelbar im Anschluss an diese Einlassung gab er an, er könne auch vielleicht mit einem Reh zusammengestoßen sein.
56Seine persönlichen Sachen lagen auf einem Tisch im Krankenzimmer. Der Angeklagte erklärte dem Zeugen T., wie sein Handy einzuschalten und zu bedienen war. Daraufhin konnte dieser das Handy überprüfen und feststellen, dass am 11.11.2012 um 06.03 Uhr ein 11 Sekunden dauernder Anruf zu dem Notruf 110 geführt worden war.
57Danach dauerte es noch längere Zeit, bis die Zeugen PK T. und PK C. endlich einen Arzt erreichten, der die Blutprobenentnahme durchführte. Um 08.51 Uhr entnahm die diensthabende Ärztin Frau U. eine Blutprobe. In dem ärztlichen Bericht kreuzte sie an, dass bei dem Angeklagten ein Schock vorliege. Sie vermerkte, das er zwischen 06.00 Uhr bis 09.00 Uhr 1000 ml Infusion Ringerazetat und intravenös das Medikament Midazolam, ein Beruhigungsmittel, erhalten habe. Sein Körpergewicht wurde auf 65 bis 70 kg, seine Körpergröße auf 1,70 Meter geschätzt. Als bestehende Verletzungen wurde eine Kontusion links parietal angegeben. Ferner vermerkte sie, dass die Sprache deutlich, die Pupillen unauffällig, die Pupillenlichtreaktion prompt, das Bewusstsein benommen und die Stimmung depressiv war. Eine Erinnerung an den Vorfall bestehe nicht. Der äußerliche Anschein des Einflusses von wurde mit leicht angegeben, wobei das Wort leicht mit einem Fragezeichen versehen wurde. Nicht angekreuzt war, das der Einfluss sich auf Alkohol, Drogen oder Medikamente beziehen sollte.
58Die dem Angeklagten um 08.51 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine mittlere Blutalkoholkonzentration von 1,91 Promille.
59Anschließend suchten die Zeugen PK T. und PK C. nochmals die Unfallstelle auf, um den Führerschein des Angeklagten einzusehen, der sich noch im Wagen befand. Die Papiere des Angeklagten wurden sichergestellt.
60Vom 13.11. bis zum 06.12.2012 wurde der Angeklagte stationär in der LWL-Klinik H. behandelt, nachdem er im Krankenhaus mit einem Seelsorger gesprochen hatte. Es standen auch suizidale Absichten im Raum. Seit dem 20.12.2012 ist er in Behandlung bei der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Frau F. O. in R.. Er leidet weiterhin unter einer sehr schweren reaktiven Depression. Er kann sich nicht mehr freuen, schläft schlecht und seine Gedanken kreisen noch oft um das Vorfallsgeschehen. Gelegentlich nimmt er Beruhigungstabletten.
61Bei der Firma Z. ist, wie seinem Halbbruder dem Zeugen D. bekannt ist, der dort ebenfalls, allerdings in einer anderen Abteilung beschäftigt ist, mit seinem Abteilungsleiter abgesprochen, dass er sich eine viertel Stunde oder halbe Stunde zurückziehen kann, falls bei ihm Erinnerungen an das Geschehen wieder hoch kommen sollten. Ob er diese Möglichkeit schon in Anspruch genommen hat, ist nicht bekannt. Seinen Mitarbeitern hatte der Abteilungsleiter gesagt, sie sollten den Angeklagten nicht auf das Vorfallsgeschehen ansprechen.
62Bei der Dipl.-Psychologin Frau H. bei M. GmbH & Co. KG, einer Unternehmensgruppe des TÜV Nord, hat er am 15.04.2013 eine Doppelstunde sowie am 29.04., 21.05. und 24.06.2013 jeweils eine Einzelstunde psychologische Gespräche in Anspruch genommen.
63Da ein Seelsorger dem Angeklagten geraten hatte, der Ehefrau des Getöteten einen Brief zu schreiben, fand er nach einigen Monaten die Kraft, sich an Frau M. zu wenden. Im April 2013 übersandte er ihr eine Beileidskarte, in der er sich unter anderem für das Geschehen entschuldigte, aber auch gleichzeitig darauf hin wies, dass es dafür keine Entschuldigungen und auch passenden Worte geben würde.
64IV.
65Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, am 10.11.2012 morgens von 04.00 Uhr bis 10.00 Uhr bei der Firma Z. in Frühschicht gearbeitet zu haben. Anschließend sei er mit seiner Mutter einkaufen gewesen. Er habe auch von ihr erfahren, dass er anschließend ca. 4 bis 5 Stunden geschlafen habe. Abends gegen 21.00 Uhr habe er einen Freund abgeholt, mit dem er in die Diskothek „F.“ in C.-A. gefahren sei. Dort habe er seit ca. 1 Jahr gelegentlich als Diskjockey gearbeitet.
66An diesem Abend sei ein Live Sänger da gewesen. Um 22.00 Uhr sei es los gegangen. Mit dem Musik auflegen habe er aber erst gegen 24.00 Uhr bis 0.30 Uhr richtig anfangen müssen. Sein Laptop habe er mitgenommen und angeschlossen gehabt. Etwa ab 24.00 Uhr habe er Whiskey mit Cola getrunken. Wie viel wisse er nicht, auch nicht, ob er noch andere Getränke konsumiert habe. Der Grund für den Alkoholkonsum sei gewesen, dass alles positiv gelaufen sei, mit seiner Familie und auch seiner Arbeit. Zuvor habe er ab und an auch schon Alkohol getrunken, aber nicht in dieser Menge. Es sei das erste Mal gewesen, dass er so viel getrunken habe. Er wusste, dass er seinen Bruder hätte anrufen können, der ihn abgeholt und nach Hause gefahren hätte.
67Er wisse nicht mehr, ob er vergessen habe, seinen Bruder anzurufen. Er sei betrunken gewesen. Er sei einfach ins Auto gestiegen und los gefahren. Normaler weise fahre er über die B 68, dann durch Steinhagen nach W.. Er habe keine konkrete Erinnerung daran, wo er langgefahren sei. Von der Fahrt wisse er jetzt nichts mehr. Er könne sich nur noch an einen Knall erinnern. Er sei am Schweben gewesen. Als er wieder aufgewacht sei, habe der Wagen auf dem Kopf gelegen. An der linken Kopfseite habe er eine Prellung erlitten, dort hätte sich später eine große Beule gebildet. Nach 1 bis 2 Tagen hätte er Schmerzen in der Schulter gehabt. Im Krankenhaus habe er mit Polizeibeamten gesprochen. Nach dem Geschehen habe er nicht mehr in den Spiegel schauen können, hätte auch keinen Kontakt mehr haben wollen. Im Krankenhaus habe er mit einem Seelsorger gesprochen, der ihm Hilfe in der LWL-Klinik empfohlen habe. Er denke noch immer an den Unfall. Er nehme auch ab und an Beruhigungstabletten. Auch während der Arbeit komme gelegentlich das Unfallgeschehen wieder hoch. Da ihm ein Seelsorger auch geraten habe, der Familie des Getöteten einen Brief zu schreiben, habe er nach ein paar Monaten die Kraft gefunden, sich an die Familie zu wenden. Im April 2013 habe er ihr eine Beileidskarte übersandt. Bei dem TÜV Nord habe er die in der vorgelegten Bescheinigung genannten Gespräche geführt. Er sei noch immer bei Frau O. in Behandlung und sehe zu, dass er einmal in der Woche einen Gesprächstermin bei ihr wahrnehmen könne.
68Sein BMW habe einen Totalschaden erlitten. Die Versicherung habe den Schaden reguliert. In Höhe von 5.000,00 € habe ihn die Versicherung in Regress genommen.
69V.
70Diese Einlassung ist, soweit sie zu den getroffenen Feststellungen in Widerspruch steht, zur sicheren Überzeugung der Kammer widerlegt.
71Ihre Überzeugungsbildung zum Unfallhergang, zur Kollisionsgeschwindigkeit des BMW, seiner Geschwindigkeit vor der Sekundärkollision, die Sichtbarkeit des Radfahrers für den Angeklagten und zur nachkollisionären Bewegung des Angeklagten gründet die Kammer ganz überwiegend auf das verkehrstechnische Sachverständigengutachten zur Unfallrekonstruktion des Verkehrssachverständigen Dipl.-Ing. V. I.. Er hat ermittelt, die N.straße verfüge im Unfallstellenbereich über einen jeweils ca. 3,15 Meter breiten Fahrstreifen je Fahrtrichtung. Die Fahrstreifen seien durch eine Leitlinie voneinander getrennt. Die Fahrbahn werde rechts und links durch eine Fahrbahnrandmarkierung begrenzt. Rechts und links der Fahrbahn befinde sich ein unbefestigter Seitenstreifen, der auf beiden Seiten in einen Graben bzw. eine Böschung übergehe. Die Unfallstelle befinde sich im außerörtlichen Bereich, ca. 350 Meter hinter der Kreuzung mit der E.er Straße. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Unfallstellenbereich betrage 100 km/h. Die Fahrbahn sei zum Unfallzeitpunkt gemäß den Angaben in der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige nass gewesen. Der Unfall habe sich gegen 05.54 Uhr während der Phase der „astronomischen Dämmerung“, der ersten der insgesamt 3 Dämmerungsphasen ereignet. Eine Straßenbeleuchtung sei im Unfallstellenbereich nicht vorhanden.
72Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, die an den Fahrzeugen vorhandenen Beschädigungen seien zueinander kompatibel und ließen sich eindeutig einander zuordnen. Bei der Kollision sei das Fahrrad beim Anstoß von hinten unter dem Radfahrer weggestoßen worden. Der Kollisionsort lasse sich exakt bestimmen, da das Hinterrad des Fahrrades im Moment der Kollision die auf dem Fahrstreifen in Fahrtrichtung N. vorhandene Reifenspur gezeichnet habe. Der Kollisionsort habe sich demnach in Fahrbahnlängsrichtung ca. 48,1 Meter bis 48,7 Meter hinter dem gewählten Vermaßungsbezugspunkt befunden. Das Fahrrad habe sich gegenüber dem PKW zum Zeitpunkt der Kollision in einer fahrzeuglängsachsenparallelen Ausrichtung befunden. Der Wagen sei auf das Heck des in gleicher Fahrtrichtung befindlichen Fahrrades aufgefahren. Die Längsachse des Fahrrades habe sich zum Kollisionszeitpunkt in einem Abstand von ca. 1,2 Meter zum rechten Fahrbahnrand befunden. Der seitliche Abstand des BMW zum rechten Fahrbahnrand habe zum selben Zeitpunkt ca. 0,8 Meter betragen. Die durch die Kollision gezeichnete Reifenspur des Fahrrades in Fahrbahnlängsrichtung, die Kerb- und Riebspuren auf der Motorhaube in Fahrzeuglängsrichtung und auch der Abwurf des Radfahrers in Längsrichtung deuteten darauf hin, dass keinerlei Ausweichmanöver des Angeklagten vor der Primärkollision stattgefunden habe, weil andernfalls bei den genannten Faktoren Richtungsänderungen festzustellen gewesen wären.
73Die stärkeren Kerb- und Riebspuren und der Einriss an der rechten Seite der vorderen Stoßfängerverkleidung seien einem Kontakt mit dem Zahnkranz des Hinterrades des Fahrrades zuzuordnen. Das Vorderrad sei durch die Kollision angehoben und das Fahrrad in eine Rotationsbewegung versetzt worden, wodurch der Sattel auf die Motorhaube aufgeprallt sei. Die Kerb- und Riebspuren im vorderen Bereich der Motorhaube seien durch den Kontakt mit dem Sattel des Fahrrades entstanden. Das Loch in der Motorhaube sei eindeutig durch den Sattelträger hervorgerufen worden.
74Der getötete Radfahrer sei auf den Pkw aufgeladen und mit dem Oberkörper gegen die Windschutzscheibe und die vordere Dachkante geprallt. Die Windschutzscheibe sei dadurch eingedrückt worden. Auf Grund der starken kollisionsbedingten Beschädigungen an der Dachvorderkante des Pkw könne von einem Vollstoß ausgegangen werden. Auf der Rückseite der Oberbekleidung des Radfahrers seien Einrisse und Glassplitter vorhanden gewesen, die dem Aufprall an der Windschutzscheibe zugeordnet werden könnten. Der getötete Radfahrer Herr M. sei demzufolge bei der Kollision auf die Geschwindigkeit des Pkw beschleunigt worden. Im weiteren Verlauf der Kollision sei er über das Dach des ungebremst unter ihm durchfahrenden Pkws gelangt, hinter dem Pkw auf die Fahrbahn geprallt und habe rutschend seine Endlage erreicht. Die Wurfweite des Radfahrers zwischen Kollisionsort und Endlage habe in Fahrbahnlängsrichtung ca. 61,2 bis 61,8 Meter betragen.
75Falls der Radfahrer nach dem Aufladen auf den Pkw durch dessen Abbremsen vor dem Wagen auf die Fahrbahn geschleudert worden wäre, hätte der Pkw den Radfahrer überfahren müssen, da dieser auf der Fahrlinie des Wagens zum Liegen gekommen wäre. Es seien jedoch keine Hinweise auf ein nachkollisionäres Überfahren des Radfahrers vorhanden.
76Nach den Wurfweitenkurven gemäß Burg/Rau ergebe sich aus der Wurfweite eine Kollisionsgeschwindigkeit des BMW im Bereich von ca. 103 bis 137 km/h, wobei die Kurve für die Geschwindigkeitsobergrenze beim Diagramm extrapoliert worden sei, da in dem Geschwindigkeitsbereich oberhalb von 110 km/h keine Werte zur Verfügung gestanden hätten. Da den Wurfweitenkurven trockene Fahrbahnbedingungen zugrunde lägen, vorliegend die Straße jedoch nass gewesen sei, müsse von weiteren Rutschwerten ausgegangen werden. Der Kollisionsgeschwindigkeitsbereich verschiebe sich daher auf Werte von ca. 98 bis 132 km/h.
77Die Wurfweite des Fahrrades zwischen Kollisionsort und Endlage habe in Fahrbahnlängsrichtung ca. 34,2 bis 34,8 Meter betragen. Es sei vom Pkw zwar voll erfasst und auf die Geschwindigkeit des Wagens beschleunigt, dann aber in die Böschung geschleudert worden, wo es im Gestrüpp bzw. tiefen Gras liegen geblieben sei. Der gestörte Auslauf führe zu einer geringeren Wurfweite. Zur Ermittlung der Kollisionsgeschwindigkeit sei die Wurfweite des Fahrrades deshalb im vorliegenden Fall nicht geeignet.
78Zur Eingrenzung der Kollisionsgeschwindigkeit des Pkw seien Vergleichsversuche aus der DEKRA-Datenbank herangezogen worden. Bei Vergleichsversuch 1 handele es sich um einen Auffahrunfall im Längsverkehr. Ein Renault 21 sei mit einer Geschwindigkeit von ca. 95 km/h gegen einen stehenden Radfahrer auf einem Damenrad gefahren. Der Anstoß sei rechtsseitig an der Fahrzeugfront erfolgt. Der Dummy sei gegen die Windschutzscheibe und die Dachvorderkante geprallt. Die Schäden am Pkw hätten eine zum vorliegenden Fall leicht geringere Intensität aufgewiesen.
79Auch bei Vergleichsversuch 2 habe es sich um einen Auffahrunfall im Längsverkehr gehandelt. Bei diesem Versuch sei ein Pkw Opel Vectra B mit einer Geschwindigkeit von ca. 98 km/h gegen das Heck eines stehenden Radfahrers auf einem Mountain-Bike gefahren. Die Schäden am Pkw hätten bei diesem Versuch eine zum vorliegenden Fall vergleichbare bis leicht geringere Intensität aufgewiesen.
80Bei Vergleichsversuch 3 sei ein Pkw Ford Scorpio mit einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h schräg von hinten gegen einen stehenden Radfahrer auf einem Herrenrad gefahren. Der Anstoß sei rechtsseitig an der Fahrzeugfront erfolgt. Der Dummy sei gegen die Windschutzscheibe und die Dachvorderkante geprallt. Insbesondere die faltbeulenartige Eindrückung der Dachvorderkante entspräche gut den Beschädigungen am Pkw des Angeklagten. Die Schäden am Pkw hätten demzufolge eine zum vorliegenden Fall vergleichbare Intensität aufgewiesen.
81Da keine Vergleichsversuche im Geschwindigkeitsbereich oberhalb von 100 km/h zur Verfügung gestanden hätten, sei eine Ermittlung der Obergrenze der Kollisionsgeschwindigkeit des Wagens anhand der Vergleichsversuche nicht möglich gewesen. Es könne daher nur eine Untergrenze der Kollisionsgeschwindigkeit des Pkw des Angeklagten von ca. 100 km/h ermittelt werden. Wegen der Vergleichsversuche im Einzelnen wird auf die Lichtbilder Bl. 182 bis 188 d. A. gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen.
82Da im Bereich der Unfallstelle der Primärkollision auf der Fahrbahn keinerlei Reifenspuren des BMW hätten festgestellt werden können, müsse davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte vor der Primärkollision keine Abbremsung durchgeführt habe. Die Ausgangsgeschwindigkeit entspräche demnach der ermittelten Kollisionsgeschwindigkeit von 98 bis 132 km/h.
83Der BMW des Angeklagten habe auf seiner Bahnlinie zwischen seiner Position zum Zeitpunkt des Abkommens von der Fahrbahn bis in seine Endlage eine Wegstrecke von ca. 90 Metern zurückgelegt. Nach ca. 51 Metern auf dem Seitenstreifen und in der Böschung habe eine tiefere Wühlspur begonnen. Bereits vor dem Ende der Wühlspur, ca. 70 Meter nach dem Abkommen von der Fahrbahn, müsse das Überschlagen des Fahrzeugs begonnen haben, da in diesem Bereich der erste abgerissene Außenspiegel aufgefunden worden sei. Der BMW habe beim Überschlagen bis in seine Endlage eine Wegstrecke von ca. 20 Meter zurückgelegt.
84Bei Zugrundelegung einer mittleren Verzögerung von 2,0 bis 3,5 m/s² für die Wegstrecke von 51 Meter auf dem Seitenstreifen und in der Böschung, einer mittleren Verzögerung von 6,0 bis 8,0 m/s² für die 19 Meter lange Wegstrecke beim Zeichnen der tiefen Wühlspur und einer mittleren Verzögerung von 3,0 bis 4,0 m/s² während der 20 Meter langen Überschlagstrecke errechne sich für den BMW zum Zeitpunkt des Abkommens von der Fahrbahn eine Geschwindigkeit von ca. 85 bis 103 km/h. Es könne im nach hinein nicht mehr festgestellt werden, ob der Angeklagte seinen Wagen nach der Primärkollision noch abgebremst, beschleunigt oder ob er mit konstanter Geschwindigkeit weiter gefahren sei. Daher könne hieraus die Kollisionsgeschwindigkeit des Wagens bei der Primärkollision nicht näher bestimmt werden.
85Das Fahrrad sei vorne und hinten mit batteriebetriebenen Lampen ausgerüstet gewesen. Ob die vordere Halogenlampe zum Unfallzeitpunkt funktioniert habe, habe nicht mehr festgestellt werden können, da die Lampe bei der Kollision komplett zerstört worden sei. Das Rücklicht sei im Zeitpunkt der Unfallaufnahme noch eingeschaltet gewesen und habe beim Auffinden in der Böschung rechts neben der Fahrbahn hell geleuchtet. Der getötete Radfahrer habe am linken Knöchel ein Reflektorband getragen. Für den Angeklagten hätte der getötete Radfahrer Herr M. bei normalen Sehvermögen über einen längeren Zeitraum vor der Kollision deutlich sichtbar seien müssen. Die N.straße verlaufe über eine Strecke von ca. 350 Metern vor der Unfallstelle schnurgerade. Das Rücklicht habe einwandfrei funktioniert und zudem habe sich der Reflektor am sich bewegenden linken Knöchel des Radfahrers befunden. Außerdem könne vom Angeklagten verlangt werden, außerhalb geschlossener Ortschaften das Fernlicht einzuschalten.
86Da keine Hinweise auf eine mangelnde Sichtbarkeit und damit Wahrnehmbarkeit des Radfahrers für den Angeklagten vorlägen, sei ein lichttechnisches Gutachten im vorliegen Fall entbehrlich.
87Unter technischen Gesichtspunkten sei auch nicht nachvollziehbar, warum der Angeklagte sein Fahrzeug nach der Kollision nicht abgebremst und vor dem Abkommen von der Fahrbahn zum Stillstand gebracht habe. Er habe zwischen der Primärkollision und dem Abkommen von der Fahrbahn eine Wegstrecke von ca. 247 Metern zurückgelegt und hierfür bei der ermittelten Kollisionsgeschwindigkeit von ca. 98 bis 132 km/h eine Zeitdauer von ca. 6,7 bis 9,0 Sekunden benötigt.
88Nach den Untersuchungen von Georgiadis erhöhe sich zwar die Reaktionsgrunddauer unter Alkoholeinfluss. Bei Männern sei bei einem Alkoholgehalt über 1,2 bis 1,8 Promille eine Erhöhung um bis zu 105 % zugrunde zu legen. Falls bei dem Angeklagten ein Blutalkoholgehalt von 2,69 Promille zugrunde zu legen sei, müsste eine weitere Erhöhung der Reaktionsgrunddauer angenommen werden. Selbst wenn eine Erhöhung von bis zu 150 % und einer sich daraus ergebenden Reaktionsdauer von bis zu 2 Sekunden ausgegangen werde, könne technisch nicht nachvollzogen werden, warum eine Reaktion des Angeklagten auf die Primärkollision in Form einer stärkeren Abbremsung des Wagens ausgeblieben sei.
89Um seinen BMW bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 98 bis 132 km/h zum Stillstand zu bringen, hätte der Angeklagte bei einer zugrunde gelegten Reaktionsdauer von 2 Sekunden und einer mittleren Verzögerung von 5,0 m/s² auf der nassen Straße eine Wegstrecke von ca. 128 bis ca. 215 Meter benötigt.
90Dass sich der Angeklagte unerlaubt von der Unfallstelle entfernen wollte, kann nach Auffassung der Kammer nicht sicher festgestellt werden. Angesichts der erheblichen alkoholischen Beeinflussung des Angeklagten kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass er möglicherweise durch den massiven Aufprall des Radfahrers kurzzeitig vor Schreck wie gelähmt und zu keiner situationsadäquaten Reaktion in der Lage gewesen ist.
91Die Ausführungen des Sachverständigen waren bis auf seine Darlegungen zu den Vergleichsversuchen aus der DEKRA-Datenbank in sich stimmig und gut nachvollziehbar. Bei diesen Vergleichsversuchen war zu berücksichtigen, dass die Fahrzeuge keine BMWs, sondern Modelle anderer Hersteller gewesen sind. Die Dachsteifigkeit ist daher nicht identisch gewesen. Die vom Sachverständigen herangezogenen Dachverformungen sind daher auch nur bedingt aussagekräftig.
92Desweiteren kommt hinzu, dass bei den Vergleichsversuchen die Fahrzeuge auf stehende Radfahrer aufgefahren sind. Im vorliegenden Verfahren befand sich der getötete Radfahrer Herr M. in Bewegung. Mit welcher Geschwindigkeit er sein Fahrrad fuhr, kann nicht festgestellt werden. Wenn bei realistischer Betrachtungsweise eine Geschwindigkeit von 25 km/h herangezogen würde, müsste, um eine Aufprallgeschwindigkeit von 100 km/h zugrunde legen zu können, von einer Geschwindigkeit des Angeklagten im Bereich von 125 km/h ausgegangen werden. Da aber gerade zu der Geschwindigkeit des Herrn M. keine sicheren Anhaltspunkte vorliegen, die Vergleichsversuche zu dem die vorgenannten Unterschiede zur Unfallsituation im vorliegenden Verfahren aufweisen, hat die Kammer davon abgesehen, die Werte der Vergleichsversuche für die Untergrenze der Kollisionsgeschwindigkeit des BMW heranzuziehen.
93Dipl.-Ing. I. ist ein forensisch erfahrener, sachkundiger und sorgfältig arbeitender Verkehrsunfallsachverständiger. Auch bei näherer Hinterfragung des Sachverständigengutachtens in der Berufungshauptverhandlung haben sich keine Anhaltspunkte gefunden, die Anlass hätten geben können, die Ausführungen des Sachverständigen im Übrigen in Zweifel zu ziehen. Die Kammer hat deshalb die Bewertungen des Sachverständigen übernommen und ist im Rahmen der eigenen Überzeugungsbildung ebenfalls zu der Auffassung gelangt, dass das Fahrrad und der BMW sich zum Zeitpunkt der Kollision in einer fahrzeuglängsachsenparallelen Ausrichtung befunden haben, wobei die Ausgangsgeschwindigkeit und die Kollisionsgeschwindigkeit des BMW mindestens 98 km/h betragen hat, wobei das Rücklicht am Fahrrad des getöteten Radfahrers eingeschaltet gewesen ist und der Angeklagte den Radfahrer rechtzeitig hätte erkennen und ihm ausweichen können.
94Angesichts der trotz der ersten Dämmerungsphase noch herrschenden Dunkelheit war der Radfahrer gleich wohl gerade aufgrund des hell leuchtenden Rücklichts, aber auch wegen der hellen Oberbekleidung, des Reflektorbandes am linken Knöchel und der Reflektorstreifen am Fersenbereich der Überschuhe rechtzeitig und gut zu erkennen gewesen.
95Die Kammer hat unter diesen Umständen keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte alkoholbedingt Herrn M. nicht oder nicht richtig wahrgenommen und auch nicht adäquat reagiert hat.
96Ihre Überzeugungsbildung gründet die Kammer im Übrigen ganz überwiegend auf die Bekundungen der Zeugen U., T., X., T., C., K., D., O. und L., die sie für glaubwürdig, deren Angaben für glaubhaft und damit als verlässliche Grundlage für die Urteilsfindung erachtet.
97Die Zeugen sind erkennbar um eine möglichst objektive Schilderung des von ihnen Wahrgenommenen bemüht gewesen. Ihre Beobachtungen haben sie im Wesentlichen stets gleichbleibend und konstant geschildert. Offen und ohne zu zögern haben sie die Details eingeräumt, an die sie keine konkrete Erinnerung mehr haben. Sie haben zudem allesamt keinerlei besonderen Belastungseifer erkennen lassen, sondern ruhig und gelassen ausgesagt.
98Das im Graben rechts neben der Fahrbahn aufgefundene Reh ist weder für die Primärkollision des Angeklagten mit dem Radfahrer noch für das Abkommen des Angeklagten von der Fahrbahn ursächlich gewesen. Wie insbesondere der Jagdpächter, der Zeuge K., in sich stimmig und gut nach vollziehbar beschrieben hat, war das Reh bereits 2 bis 3 Tage tot gewesen, wie aufgrund von äußerlichen Anzeichen, Verfärbungen im Bauchbereich, erkennbar gewesen sei.
99Aufgrund der Bekundungen des Zeugen U. und die daraus von der Kammer gezogenen Schlussfolgerungen steht zur sicheren Überzeugung der Kammer fest, dass es der Angeklagte gewesen ist, der eine Zeitlang drängend hinter dem Zeugen U. hergefahren war, ehe er ihn überholt hatte. Der Zeuge U. war sich sehr sicher, dass es sich bei dem ihn überholenden Pkw um einen BMW der 3er oder 5er Serie gehalten habe. Anschaulich hat er dies an der Form und Ausgestaltung der Rückleuchten festgemacht. Entscheidend kommt aber hinzu, dass er, nach dem von dem Fahrzeug überholt worden war, dessen Rücklichter, bis auf den Bereich der kleinen Kurve kurz vor der Kreuzung N.straße/E.er Straße, stets vor sich gesehen hat, auch wenn sich der Abstand zunehmend vergrößert hatte. Insbesondere hatte er noch wahrnehmen können, wie der Wagen nach kurzem Abbremsen die Kreuzung N.straße/E.er Straße in Geradeausrichtung weiter gefahren war. Da auf der E.er Straße und auch auf der N.straße im Blickfeld des Zeugen O. kein weiteres Fahrzeug unterwegs gewesen war, vielmehr die Rücklichter des Überholers plötzlich verschwunden gewesen waren, lässt dies nur den Schluss zu, dass das plötzliche Unsichtbarwerden der Rückleuchten auf das Abkommen des Angeklagten von der Fahrbahn und dem Überschlagen des Wagens zurückzuführen war. In diesem Zusammenhang ist auch der Zeitfaktor mit zu berücksichtigen. Der Zeuge U. war bereits ca. gut eine Minute später an der Unfallstelle.
100Die festgestellte Blutalkoholkonzentration des Angeklagten von 2,0 Promille zur Tatzeit um 5.54 Uhr beruht auf dem Endbefund des Labor Krone vom 14.11.2012, der eine mittlere Blutalkoholkonzentration von 1,91 Promille ausweist, basierend auf der um 08.51 Uhr am 11.11.2012 entnommenen Blutprobe.
101Die Entnahme der Blutprobe erfolgte 2 Stunden 57 Minuten nach dem Unfallgeschehen. Für die Frage der Fahrtüchtigkeit darf während der Resorptionsphase, die in der Regel 2 Stunden beträgt, nicht zurückgerechnet werden. Für die ersten 2 Stunden nach Trinkende ist daher grundsätzlich auf jede Rückrechnung zu verzichten. Da vorliegend das Trinkende nicht genau feststeht, ist zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen worden, dass die Alkoholaufnahme erst unmittelbar vor dem Unfall abgeschlossen war.
102Ein Nachtrunk des Angeklagten hat nicht stattgefunden. Die Zeugin L. und der Zeuge U. waren wenige Minuten nach dem Unfall bei dem Angeklagten, der in seinem Fahrzeug eingeklemmt war. Wenig später war auch die Polizei vor Ort, sowie die Feuerwehr und die Rettungskräfte. Bis zu dem Transport mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus ist der Angeklagte durchgehend nicht unbeaufsichtigt gewesen.
103Wird zu Gunsten des Angeklagten das Trinkende mit dem Unfallzeitpunkt angenommen, kann aber für einen Zeitraum von 57 Minuten zurückgerechnet werden. Zu Gunsten des Angeklagten ist von dem niedrigst möglichen Abbauwert von 0,1 Promille in der Stunde auszugehen. Für 57 Minuten errechnet sich ein BAK-Wert von 0,09 Promille. Wird dieser Wert zu der vom Labor Krone ermittelten Blutalkoholkonzentration von 1,91 Promille hinzugerechnet, ergibt sich ein BAK-Wert von 2,0 Promille.
104Für die Frage der Anwendbarkeit des § 21 StGB ist zu Gunsten des Angeklagten auch innerhalb der Resorptionsphase eine Rückrechnung zulässig. Ausgehend von dem Blutalkoholbefund des Labors Krone von 1,91 Promille errechnet sich für die Tatzeit gegen 5.54 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 2,69 Promille. Zu Gunsten des Angeklagten ist mit dem höchstmöglichen Abbauwert von 0,2 Promille in der Stunde und einem einmaligen Sicherheitszuschlag von 0,2 Promille gerechnet worden (vgl. dazu Salger, Zur korrekten Berechnung der Tatzeit-Blutalkoholkonzentration, DRiZ 1989, 174). Im Einzelnen stellt sich die Berechnung wie folgt dar:
105Die Zeitspanne zwischen dem Unfall um ca. 5.54 Uhr bis zur Entnahme der Blutprobe um 08.51 Uhr beträgt 177 Minuten. Wird der Abbauwert von 0,2 Promille durch 60 dividiert und mit 177 multipliziert, ergibt sich für den genannten Zeitraum ein BAK-Wert von 0,58 Promille. Einschließlich des Sicherheitszuschlags von 0,2 Promille sind deshalb zu dem BAK-Wert 1,91 Promille noch 0,78 Promille zu addieren. Insgesamt errechnet sich eine Blutalkoholkonzentration von 2,69 Promille.
106Zwar kann allein aufgrund einer BAK von zur Tatzeit 2 Promille an aufwärts nicht vom Vorliegen eines mittleren oder schweren Alkoholrausches ausgegangen werden, der als krankhafte seelische Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB zu bewerten ist. Denn nach medizinischer Erfahrung wirkt eine durch den Blutalkohol angezeigte, wirksam in den Blutkreislauf aufgenommene Alkoholmenge auf jeden Menschen unterschiedlich. Es sind deshalb auch psycho-diagnostische Beurteilungskriterien im Rahmen einer Gesamtwürdigung mit einzubeziehen.
107Zwar waren nur dem Zeugen U. bei dem Angeklagten Ausfallerscheinungen aufgefallen, da er seine Sprechweise als lallend empfunden hatte. Die Zeugin L., die fast zeitgleich mit dem Zeugen U. am verunfallten Wagen eingetroffen war, hatte solche Sprachauffälligkeiten hingegen nicht wahrgenommen.
108Bei Entnahme der Blutprobe durch die Ärztin Frau U. um 8.51 Uhr war die Sprache des Angeklagten deutlich, seine Pupillen unauffällig, seine Pupillenlichtreaktion prompt, sein Bewusstsein benommen, der Denkablauf geordnet und seine Stimmung depressiv. Er schien nach ihrem Eindruck äußerlich offenbar nur leicht unter dem Einfluss berauschender Mittel zu stehen. In diesem Zusammenhang darf allerdings nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Ärztin ihn als unter Schock stehend bezeichnet hatte. Er hatte zudem das Beruhigungsmittel Midazolam erhalten.
109Auch die Zeugen C. und T. haben bei der Befragung des Angeklagten im Krankenhaus keinerlei Ausfallerscheinungen bemerkt. Beide Zeugen sind beruflich bedingt mit den Folgen alkoholischer Beeinflussung vertraut. Als Polizeibeamte haben sie fast täglich mit alkoholisierten Personen zu tun. Nach dem äußeren Eindruck, den er ihnen vermittelte, hatten sie seine alkoholische Beeinflussung nur gering, im Bereich von ca. 1 Promille eingeordnet. Der Angeklagte hatte auch dem Zeugen T. genau die Funktion seines Handys erklären können, damit der Zeuge in der Lage war, die Absendung eines Notrufes von dem Handy zu überprüfen.
110Gleichwohl reichen diese Gesichtspunkte auch in ihrer Gesamtheit letztendlich nicht aus, um eine krankhafte seelische Störung des Angeklagten durch Alkoholrausch auszuschließen. Die errechnete BAK von 2,69 Promille ist immerhin ein ganz wichtiges Indiz für das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit.
111Demgegenüber kann ausgeschlossen werden, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 20 StGB aufgehoben gewesen ist. Er hat sich zielgerichtet im Rahmen seiner verantwortlichen Befragung mit den Zeugen C. und T. unterhalten, hat zudem dem Zeugen T. detailliert die Funktionen seines Handys erklärt. Gerade daran wird deutlich, dass der Angeklagte noch zielgerichtet, wenn auch eingeschränkt, hat handeln können.
112Andererseits lässt das Fehlen nahezu jeglicher Ausfallerscheinungen bei dem hohen Promillewert auch unter Berücksichtigung des Schockzustandes des Angeklagten und des ihm verabreichten Beruhigungsmittel den sicheren Schluss darauf zu, dass der Angeklagte alkoholgewohnt gewesen sein muss. Anderenfalls hätten bei ihm deutlich prägnantere Ausfallerscheinungen aufgetreten seien müssen.
113Aufgrund der Bekundungen der Zeugen PK T. und PK C. hat die Kammer auch keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte den Unfall mit dem Radfahrer Herrn M. wahrgenommen hat. Immerhin hat er ihnen gegenüber angegeben, er sei einem vor ihm fahrenden Fahrradfahrer, der in gleicher Richtung unterwegs gewesen sei, ausgewichen. Überraschenderweise hat er wenig später erwähnt, er könne vielleicht auch mit einem Reh zusammengestoßen seien. Das lässt darauf schließen, dass er beim Abkommen mit seinem Wagen das bereits tot im Graben liegende Reh wahrgenommen hat.
114Soweit der Angeklagte gegenüber den Polizeibeamten sich dahin eingelassen hat, einem Radfahrer nur ausgewichen zu sein, handelt es sich nach Auffassung der Kammer um eine Schutzbehauptung. Bei der von dem Angeklagten gefahrenen Geschwindigkeit von mindestens 98 km/h ist der Aufprall des getöteten Herrn M. gegen den Wagen äußerst wuchtig gewesen. Die Frontscheibe des BMW ist durch den Aufprall des Menschen im Bereich der Beifahrerseite zersplittert, das Dach zu dem in diesem Bereich faltbeulenartig zusammengestaucht worden. Die damit einhergehende Geräuschkulisse ist ganz enorm gewesen und konnte dem Angeklagten, trotz seiner erheblichen Alkoholisierung, nicht entgangen sein.
115VI.
116Der Angeklagte hat sich danach einer fahrlässigen Tötung gemäß § 222 StGB in Tateinheit mit einer fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2 StGB schuldig gemacht.
117VII.
118Bei der Strafzumessung war für die gegen den Angeklagten zu verhängende Strafe gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB zunächst vom Regelstrafrahmen des § 222 StGB auszugehen, der Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe innerhalb des Rahmens des § 40 StGB vorsieht. Dieser Strafrahmen droht gegenüber dem des § 315 c Abs. 3 StGB die schwerere Strafe an, da diese Vorschrift nur einen Strafrahmen von einem Monat bis zu 2 Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe umfasst.
119Die Kammer hat jedoch von der fakultativen Strafmilderungsmöglichkeit gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht, da der Angeklagte in seiner Steuerungsfähigkeit nicht ausschließbar erheblich vermindert gewesen ist. Danach war die Strafe dem gemilderten Strafrahmen des § 222 StGB zu entnehmen, der Freiheitsstrafe von 1 Monat bis zu 3 Jahren 9 Monaten oder Geldstrafe bis zu 270 Tagessätzen vorsieht.
120Zu Gunsten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass er noch unbestraft ist und auch im Verkehrszentralregister keine Eintragungen aufweist. Er hat sich zudem im Wesentlichen geständig gezeigt. Er bereut sein Fehlverhalten. Zudem lebt er sozial integriert. Hinzukommt, dass er bei dem Unfall selbst verletzt worden ist. Er hat auch einen wirtschaftlichen Schaden erlitten, da die Versicherung bei ihm Rückgriff nimmt. Das Tatgeschehen hat ihn psychisch stark belastet. Er war vom 13.11. bis 06.12.2012 stationär im LWL-Klinikum H.. Er befindet sich wegen der noch andauernden schweren reaktiven Depression weiterhin bei Frau O. in psychologischer und psychiatrischer Behandlung. Auch war nicht zu verkennen, dass er sich im April 2013 in einem Beileidsschreiben an die Familie des Getöteten gewandt und sich entschuldigt hat.
121Demgegenüber fiel zu seinen Lasten ins Gewicht, das seine Blutalkoholkonzentration recht hoch gewesen ist. Sie belief sich bezogen auf die Frage der Fahrtüchtigkeit immerhin auf 2 Promille zur Tatzeit. Hinzukommt, dass der Angeklagte 2 Straftatbestände verwirklicht hat. Auch war nicht zu verkennen, dass der getötete Radfahrer Herr M. verheiratet und Vater von 3 Kindern gewesen ist. Seinen Familienangehörigen ist der Ehemann und der Vater genommen worden.
122Bei umfassender Würdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und unter Beachtung der Strafzumessungstatsachen gemäß § 46 StGB hat die Kammer die vom Amtsgericht festgesetzte Freiheitsstrafe von 2 Jahren etwas ermäßigt, da das Amtsgericht die nicht ausschließbar erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten gemäß § 21 StGB nicht berücksichtigt hatte. Die Kammer hat eine Freiheitsstrafe in Höhe von
1231 Jahr 9 Monaten
124für tat- und schuldangemessen erachtet.
125Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe kann nicht gemäß § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Dem Angeklagten kann zwar eine günstige Sozialprognose gestellt werden, denn er ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten, lebt sozial integriert und bereut sein Versagen.
126Es liegen jedoch bei Gesamtwürdigung der Tat und der Person des Angeklagten keine besonderen Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vor. Zwar brauchen die zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigenden Tatsachen keinen Ausnahmecharakter haben, die der Tat den Stempel des Außergewöhnlichen aufdrücken. Vielmehr sind als besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB schon solche Milderungsgründe heranzuziehen, die im Vergleich zu gewöhnlichen, durchschnittlichen, allgemeinen oder einfachen Milderungsgründen von so besonderem Gewicht sind, dass sie eine Strafaussetzung trotz des insgesamt erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts der Tat als nicht unangebracht und als den allgemeinen vom Strafrecht geschützten Interessen nicht zuwiderlaufend erscheinen lassen. Selbst Umstände, die bei einer Einzelbewertung nur durchschnittliche und einfache Milderungsgründe wären, können durch ihr Zusammentreffen das Gewicht besonderer Umstände erlangen.
127Sich besonders abhebende Milderungsgründe sind bei Gesamtbewertung von Tat und Täterpersönlichkeit nicht gegeben. Die Kammer verkennt nicht, dass der Angeklagte strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten ist. Er hat sich im Wesentlichen geständig gezeigt und bereut sein Fehlverhalten. Zu seinen Gunsten war nicht auszuschließen, dass er in Folge des Alkoholkonsums in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen ist. Er ist selbst bei dem Unfallgeschehen verletzt worden und hat wirtschaftliche Nachteile erlitten. Er lebt sozial integriert. Er befindet sich zudem noch immer in Behandlung bei der Psychologin und Psychiaterin Frau O., da bei ihm die schwere reaktive Depression noch andauert. Zudem hatte er sich vom 13.11. bis zum 06.12.2012 im LWL-Klinikum in H. stationär behandeln lassen. Außerdem hat er im April 2013 der Familie des Getöteten eine Beileidskarte zukommen lassen und sich für sein Versagen entschuldigt.
128Andererseits kann aber nicht verkannt werden, dass dem Angeklagten ein erheblicher Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten zur Last fällt. In Bezug auf die Frage der Fahrtüchtigkeit ist von einer Blutalkoholkonzentration von 2 Promille auszugehen. Er hat 2 Straftatbestände verletzt. Zudem war der Getötete Herr M. verheiratet und Vater dreier Kinder.
129Die umfassende Würdigung der Tat, der Persönlichkeit des Angeklagten und seines Nachtatverhaltens führt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ihm eine günstige Sozialprognose zu stellen ist, nicht dazu, dass das Zusammentreffen der Milderungsgründe ein solches Gewicht erlangt, dass sie in ihrer Gesamtheit die Bedeutung besonderer Umstände gewinnen, die den beträchtlichen Unrechtsgehalt der Tat überlagern. Angesichts der erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten und der katastrophalen Folgen der Tat für die Familie des Getöteten müsste eine Strafaussetzung zur Bewährung als unangebracht und den allgemeinen vom Strafrecht geschützten Interessen zu widerlaufend erscheinen.
130Die vorstehend vorgenommene Gesamtbewertung der Tat und der Täterpersönlichkeit führt auch zu dem Ergebnis, dass die Verteidigung der Rechtsordnung gemäß § 56 Abs. 3 StGB die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gebietet. Die Erhaltung der Rechtstreue der Bevölkerung ist das entscheidende Merkmal für die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung, die Verhinderung der Erschütterung ihres Vertrauens in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und den Schutz der Rechtsordnung vor schwerwiegenden Angriffen, zu denen auch eine Trunkenheitsfahrt mit tödlichen Folgen zählt (BGH St 24, 64). Das günstige Persönlichkeitsbild des Angeklagten und seine psychischen Leiden unter den Folgen des Unfalls sind zwar wesentliche Faktoren. Ganz entscheidend aber ist, dass der Unfall ausschließlich auf dem massiven Verschulden des Angeklagten beruht, das durch seine alkoholbedingte Enthemmung auf Grund seiner hohen Blutalkoholkonzentration gekennzeichnet ist. Untrennbar damit verknüpft sind die verherenden Folgen für die Familie des Getöteten, die Ehefrau hat den Ehemann, die drei Kinder haben ihren Vater verloren.
131Hätte die Gesamtbevölkerung von dem gesamten Tatgeschehen Kenntnis, würde eine Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung auf völliges Unverständnis stoßen und als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Verkehrskriminalität angesehen werden.
132Da der Angeklagte durch die Gefährdung des Straßenverkehrs das Regelbeispiel gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt hat, ist er als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Die Regelwirkung entfällt auch nicht dadurch, dass der Angeklagte von April bis Juni 2013 5 Stunden psychologische Gespräche bei Frau Dipl.-Psych. H. wahrgenommen hat. Dem Angeklagten war daher die Fahrerlaubnis zu entziehen und sein Führerschein war einzuziehen. Unter Berücksichtigung des seit der Hauptverhandlung erster Instanz vergangenen Zeitraums hat die Kammer die vom Amtsgericht an sich angemessen verhängte Sperrfrist entsprechend ermäßigt und eine Sperrfrist von noch
13318 Monaten
134gemäß § 69 a Abs. 1 StGB für ausreichend aber auch erforderlich erachtet, um nachhaltig verkehrserzieherisch auf den Angeklagten einzuwirken.
135Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 473, 472 StPO.
moreResultsText
Annotations
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens dreihundertsechzig volle Tagessätze.
(2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens dreißigtausend Euro festgesetzt.
(3) Die Einkünfte des Täters, sein Vermögen und andere Grundlagen für die Bemessung eines Tagessatzes können geschätzt werden.
(4) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Tagessätze angegeben.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.
(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.
(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen
- 1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c), - 1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d), - 2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316), - 3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder - 4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Die dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen sind dem Angeklagten aufzuerlegen, wenn er wegen einer Tat verurteilt wird, die den Nebenkläger betrifft. Die notwendigen Auslagen für einen psychosozialen Prozessbegleiter des Nebenklägers können dem Angeklagten nur bis zu der Höhe auferlegt werden, in der sich im Falle der Beiordnung des psychosozialen Prozessbegleiters die Gerichtsgebühren erhöhen würden. Von der Auferlegung der notwendigen Auslagen kann ganz oder teilweise abgesehen werden, soweit es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.
(2) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, ein, so kann es die in Absatz 1 genannten notwendigen Auslagen ganz oder teilweise dem Angeschuldigten auferlegen, soweit dies aus besonderen Gründen der Billigkeit entspricht. Stellt das Gericht das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig ein, gilt Absatz 1 entsprechend.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen, die einem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsen sind. Gleiches gilt für die notwendigen Auslagen eines Privatklägers, wenn die Staatsanwaltschaft nach § 377 Abs. 2 die Verfolgung übernommen hat.
(4) § 471 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend.