Landgericht Arnsberg Urteil, 22. Dez. 2015 - 2 O 262/15
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung bis zu einer Höhe von 250.000,00 € oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten es zu unterlassen, die Berufsbezeichnung Architekt insbesondere auch in der Form „Arch. Dipl. Ing. (TU)“ zu führen.
Der Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Kosten in Höhe von 1.171,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.05.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin macht als Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und als Körperschaft des öffentlichen Rechts einen Anspruch gegen den Beklagten auf Unterlassung einer E-Mail Signatur geltend.
3Mit Zeugnis der technischen Universität Berlin vom 15. Juni 1978 bestand der Beklagte die Diplomhauptprüfung in der Studienrichtung Architektur. Seit 1978 ist der Beklagte selbstständig und firmiert seit dieser Zeit unter der Bezeichnung „Planungsbüro U“. Er war jahrelang Mitglied der Architektenkammer, beendete seine Mitgliedschaft jedoch nach Streitigkeiten mit dem Versorgungswerk der Kammer.
4Bereits im Jahre 2003 führten die Parteien vor dem Landgericht Arnsberg unter dem Aktenzeichen 2 O 283/03 einen Rechtsstreit um die Verwendung einer E-Mail-Adresse und um die Verwendung des Begriffes Architektur. Der Beklagte verwendete seinerzeit die Bezeichnung „Dipl.-Ing. (TU) für Architektur und Stadtbau“. Die Verwendung dieser Bezeichnung durch den Beklagten ist gemäß Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 29.10.2003 und Urteil des OLG Hamm vom 13.05.2004 zulässig.
5Mit E-Mail vom 03.03.2015 verwendet der Beklagte nunmehr die Bezeichnung „Arch.Dipl.Ing. (TU)“.
6Die Klägerin forderte mit Schreiben vom 31.03.2015 den Beklagten auf, diese Bezeichnung zu unterlassen. Der Beklagte wurde aufgefordert bis zum 15. April 2015 eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben. Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 15.05.2015 ließ die Klägerin die Aufforderung wiederholen. Zudem wurde der Beklagte zur Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.171,67 EUR sowie zur Zahlung vorgerichtlicher Bearbeitungskosten i.H.v. 135 EUR aufgefordert. Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die Ablichtungen der E-Mail (Bl. 4 der Akten), des Schreibens vom 31. März 2015 (Bl. 5 ff. der Akten) sowie auf des Schreibens vom 15.05.2015 (Bl. 8 ff. Akten) Bezug genommen.
7Die Klägerin ist der Ansicht, die Abkürzung „Arch.“ lege die Annahme nahe, dass es sich bei dem Beklagten um einen Architekten handele. Die betroffenen Verkehrskreise würden zu dieser Annahme neigen. Falls die Abkürzung „Arch.“ Architektur stehen sollte, hätte es nahe gelegen, diese anzufügen, statt diese voranzustellen.
8Die Klägerin beantragt,
91)
10den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, die Berufsbezeichnung Architekt zu führen insbesondere auch in der Form „Arch. Dipl. Ing. (TU)“ oder eine ähnliche Bezeichnung zu führen,
112)
12dem Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 250.000,00 € oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen ihn festgesetzt wird,
133)
14den Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Kosten in Höhe von 1.306,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 135,00 € seit dem 16.04.2015 und aus 1.171,67 € seit dem 28.05.2015 zu zahlen.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Er ist der Ansicht dass er nicht unzulässigerweise die Berufsbezeichnung Architekt benutze. Lediglich die Benutzung dieser Berufsbezeichnung sei durch § 2 (1) BauKaG geschützt. Eine Irreführung finde nicht statt. Der Beklagte habe eine Regelstudienzeit von zehn Semestern absolviert und die Gesamtnote „sehr gut“ erzielt.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache im Wesentlichen Erfolg.
20Die Klägerin ist klagebefugt gemäß §§ 13 Abs. 1 UWG und § 9 Nr. 1 BauKaG NW, den Beklagten auf Unterlassung der Verwendung der genannten Bezeichnung in Anspruch zu nehmen. Denn zu den ihr übertragenen Aufgaben gehört es, die beruflichen Belange der Gesamtheit ihrer Mitglieder zu wahren, insbesondere auch einen gegen § 2 BauKaG NW verstoßenden, nicht rechtmäßigen Gebrauch der Berufsbezeichnung zu verhindern; denn dabei handelt es sich um eine legitime öffentliche Aufgabe, die unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit der Klägerin übertragen werden konnte, (so auch BGHZ, Urt. v. 27.01.1980 AZ I ZR 41/78).
21In der Sache hat die Klage Erfolg. Gegen den Beklagten besteht ein Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der E-Mail Signatur gemäß § 2 Abs. 1 BauKaG NW. Nach der genannten Norm darf die Berufsbezeichnung „Architekt“ führen, wer in die Architektenliste der jeweiligen Fachrichtung oder die Stadtplanerliste eingetragen ist oder wem die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung nach § 6 BauKaG NW zusteht. Der Beklagte gehört unstreitig nicht zu dem in § 2 Abs. 1 BauKaG NW genannten Personenkreis. Er ist nicht Architektenliste eingetragen, nachdem er aus der Kammer ausgetreten ist und verfügt auch sonst nicht über eine der in § 2 Abs. 1 BauKaG NW genannten Berechtigungen. Hiernach ist er zur Unterlassung der Verwendung der E-Mail Signatur, unabhängig von seiner Qualifikation auf dem Gebiet der Bauplanung, verpflichtet.
22Die Regelung hat auch den gemäß § 1 UWG notwendigen Wettbewerbsbezug. Denn das Erfordernis, sich in die Architektenliste eintragen zu lassen, um die Berufsbezeichnung „Architekt“ führen zu dürfen, dient dem Verbraucherschutz, der einen selbständigen Schutzzweck i.S.d. § 1 UWG darstellt. Dadurch soll dem Publikum gegenüber gewährleistet sein, dass es nicht nur auf einen fachkundigen, sondern auch auf einen beruflich integeren Berufsangehörigen trifft. Das wird insbesondere bei den Umständen, aus denen gemäß § 4 Abs. 6 und 7 BauKaG eine Eintragung in die Architektenliste versagt werden kann, deutlich (OLG Hamm Urt. v. 13.05.2004 – 4 U 140/03).
23Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen diese Regelung nicht. Sie bedarf auch keiner verfassungskonformen, einschränkenden Auslegung. Dies ist in der Rechtsprechung geklärt. Die Regelung ist mit dem Grundgesetz, insbesondere mit den Art. 12 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG vereinbar. Es handelt sich insoweit um eine Berufsausübungsregelung, der weder Bedeutung für den Zugang zum Architektenberuf noch für Art und Weise der beruflichen Betätigungsmöglichkeiten zukommt. Die Regelung ist vielmehr dem Grunde nach geeignet und erforderlich, um einen Titelschutz zu gewährleisten (OLG Düsseldorf 2 b Ss (Owi) 128/02 – (Owi) 72/92; BVerfG NJW-RR 1997,50; BVerfG BauR 2000,1143).
24Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung geklärt, dass eine unbefugte Führung der Bezeichnung „Architekt“ bereits vorliegt, wenn der Eindruck erweckt wird, der Betroffene sei als Architekt tätig. Dieser Eindruck kann auch durch die Verwendung des Wortes „Architektur“ entstehen (vgl. hierzu BGH MDR 1980, MDR Jahr 1980 Seite 910 OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28. Juli 1999, 13 U 61/99, in Juris Nr. KORE548369900; LG Düsseldorf, Urteil vom 25. September 1991, 34 O 73/91, in Juris Nr. KORE580449200; LG Freiburg i.Br., Beschluss vom 21. Februar 2001, 12 O 156/00, in Juris Nr. KORE402022001; LG Heidelberg, Urteil vom 18. Dezember 2001 in Juris Nr. KORE563582002; siehe hierzu auch Prinz in Rechtshandbuch für Ingenieure und Architekten, herausgegeben von Sangenstedt, 1999, Abschnitt D I Rdnr. 6). Dazu kann auch die Verwendung von Abkürzungen wie „Archt.“ ausreichen (OLG Düsseldorf aaO).
25Durch die Verwendung der Bezeichung „Arch.Dipl.Ing. (TU)“ hat der Beklagte den Eindruck erweckt, als Architekt tätig zu sein, obwohl er nicht in die Architektenliste eingetragen ist. Der Beklagte hat die Abkürzung „Arch.“ der Berufsbezeichnung gerade vorangestellt. Die Bezeichnung erweckt den Eindruck einer zusammenhängenden Berufsbezeichnung. Die Abkürzung „Arch.“ ist bei objektiver Betrachtungsweise nicht als Kennzeichnung für das Wort „Architektur“, sondern für die Berufsbezeichnung „Architekt“ zu verstehen. Die Auslegung ist naheliegend, da der Beklagte ein Planungsbüro betreibt. Insbesondere macht der Beklagte nicht mehr durch die Verwendung des Wortes „für“ (Architektur) deutlich, dass er lediglich auf seine akademische Qualifikation und sein Tätigkeitsfeld hinweisen will.
262.
27Die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten begründen sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges. Der Beklagte war vor Beauftragung der Klägervertreter unter Fristsetzung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert worden. Der eigene im Rahmen der Rechtsverfolgung entstandene Aufwand ist der Klägerin dagegen nicht gemäß § 9 UWG zu erstatten (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 30 Aufl., § 9 Rdnr. 1.29).
28II.
29Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 92 Abs. 2 ZPO einerseits und aus § 709 ZPO andererseits.
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(1) Die zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten sollen den Schuldner vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen.
(2) In der Abmahnung muss klar und verständlich angegeben werden:
- 1.
Name oder Firma des Abmahnenden sowie im Fall einer Vertretung zusätzlich Name oder Firma des Vertreters, - 2.
die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Absatz 3, - 3.
ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet, - 4.
die Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände, - 5.
in den Fällen des Absatzes 4, dass der Anspruch auf Aufwendungsersatz ausgeschlossen ist.
(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und den Anforderungen des Absatzes 2 entspricht, kann der Abmahnende vom Abgemahnten Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen.
(4) Der Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen nach Absatz 3 ist für Anspruchsberechtigte nach § 8 Absatz 3 Nummer 1 ausgeschlossen bei
- 1.
im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten oder - 2.
sonstigen Verstößen gegen die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) und das Bundesdatenschutzgesetz durch Unternehmen sowie gewerblich tätige Vereine, sofern sie in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen.
(5) Soweit die Abmahnung unberechtigt ist oder nicht den Anforderungen des Absatzes 2 entspricht oder soweit entgegen Absatz 4 ein Anspruch auf Aufwendungsersatz geltend gemacht wird, hat der Abgemahnte gegen den Abmahnenden einen Anspruch auf Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen. Der Anspruch nach Satz 1 ist beschränkt auf die Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs, die der Abmahnende geltend macht. Bei einer unberechtigten Abmahnung ist der Anspruch nach Satz 1 ausgeschlossen, wenn die fehlende Berechtigung der Abmahnung für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar war. Weitergehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, ist den Mitbewerbern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und hierdurch Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, ist ihnen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht für unlautere geschäftliche Handlungen nach den §§ 3a, 4 und 6 sowie nach Nummer 32 des Anhangs.
(3) Gegen verantwortliche Personen von periodischen Druckschriften kann der Anspruch auf Schadensersatz nach den Absätzen 1 und 2 nur bei einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung geltend gemacht werden.
(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.
(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
Tenor
1
Tatbestand
2Die Klägerin, eine Innungskrankenkasse, nimmt den Beklagten als Gesellschafter-Geschäftsführer wegen unterlassener Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen der in Konkurs gefallenen Firma P Bau GmbH in Anspruch und zwar für den Zeitraum von Februar 1995 bis Juli 1995.
3Die GmbH war nach den Feststellungen des Konkursverwalters M spätestens ab 10. Februar 1995 zahlungsunfähig. Am 10.05.1995 beantragte die Klägerin Eröffnung des Konkursverfahrens. Der Konkurs wurde am 01.08.1995 eröffnet.
4Die GmbH schuldete für den Zeitraum von Februar bis Juli 1995 Gesamtversicherungsbeiträge in Höhe von 62.185,83 DM. Im Laufe des Rechtsstreits wurden aus der Konkursmasse insgesamt 15.949,19 DM gezahlt, so daß an Rückständen 46.236,64 DM verbleiben. In diesem Betrag sind Arbeitnehmeranteile in Höhe von 21.740,07 DM enthalten (Schriftsätze der Klägerin vom 20.11.1998 und 21.05.1999).
5Der Beklagte wurde durch Strafbefehle des Amtsgerichts Dortmund vom 29.12.1995 - 73 Js 1384/95 - wegen Konkursverschleppung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 50,00 DM verurteilt.
6Die Klägerin hat in Höhe des aus der Konkursmasse gezahlten Betrages von 15.949,19 DM den Rechtsstreit für erledigt erklärt und im übrigen in Höhe von 46.236,64 DM Zahlung verlangt. Der Beklagte hat in erster Instanz keine Sachdarstellung abgegeben.
7Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 GmbHG bestehe nicht. Zwar könne die Klägerin grundsätzlich das negative Interesse ersetzt verlangen. Hier sei die Klägerin aber wie eine Deliktsgläubigerin zu behandeln, so daß die Rechtsprechung zu den sogenannten Neugläubigern auf sie keine Anwendung finde. Ansprüche aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 a) StGB stünden der Klägerin ebenfalls nicht zu, da die GmbH spätestens ab dem 10.02.1995 zahlungsunfähig gewesen sei und so die Arbeitnehmeranteile nicht mehr habe abführen können.
8Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die meint, es komme auf eine Unterscheidung zwischen vertraglichen Gläubigern und Deliktsgläubigern nicht an. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile abzuführen. Da er dies nicht getan habe, sei er zum Schadensersatz verpflichtet. Mit weiterem Schriftsatz vom 07.07.1999 stützt die Klägerin ihre Ansprüche auf alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen, insbesondere im Hinblick auf ein Schaden der Arbeitnehmer aus übergegangenem Recht gemäß §§ 115 ff, 119 SGB.
9Die Klägerin beantragt,
10unter Abänderung des angefochtenen Urteils
111.
12den Beklagten zu verurteilen, an sie 46.236,64 DM nebst
134 % Zinsen ab dem 22.03.1997 zu zahlen.
142.
15festzustellen, daß im übrigen der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
16Der Beklagte beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil mit näherer Begründung.
19Entscheidungsgründe
20Die Berufung ist unbegründet.
21Der Klägerin steht aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Zahlungsanspruch gegen den Beklagten zu.
221.
23Der geltend gemachte Zahlungsanspruch folgt nicht aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG.
24a)
25Zwar hat der Beklagte den Tatbestand des § 64 Abs. 1 GmbHG, der nach einhelliger Meinung Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist (vgl. Palandt, BGB, 58.Aufl., § 823 Rn. 146 m.w.N.) erfüllt. Dies ist unter den Parteien auch nicht im Streit. Streitig ist, ob der von der Klägerin geltend gemachte Schaden in den Schutzbereich des § 64 GmbHG fällt.
26Nach der neueren Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 94, 2220 = BGHZ 126, 181) hat der Geschäftsführer einem Neugläubiger, der in der Phase der Konkursverschleppung Forderungen gegen die GmbH erlangt hat, das negative Interesse zu ersetzen. Während Altgläubiger den sogenannten Quotenschaden ersetzt bekommen, d.h. den Betrag, um den sich die Konkursquote des Gläubigers durch Verzögerung der Konkurseröffnung gemindert hat, erhält der Neugläubiger den Schaden ersetzt, der ihm dadurch entsteht, daß er mit der konkursreifen GmbH noch in Rechtsbeziehung getreten ist. Der danach zu ersetzende Schaden besteht nicht in dem Erfüllungsanspruch des Gläubigers. Denn das wäre das grundsätzlich nicht geschützte positive Interesse. Zu ersetzen ist vielmehr nur das negative Interesse bzw. der Vertrauensschaden, der z.B. in Form von Vorleistungen oder Aufwendungen, die der vertragliche Neugläubiger in Folge des Vertragsschlusses mit der konkursreifen GmbH erbracht hat, entstanden sein könnte (vgl. BGH NJW 99, 2182; Baumbach-Hoeck, GmbHG, § 64 Rn. 26; Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 37 ff).
27Ein solches negatives Interesse hat die Klägerin, die die Stellung eines vertraglichen Neugläubigers beansprucht, nicht geltend gemacht. Sie verlangt nicht Ersatz ihres Vertrauensschadens, sondern vielmehr die ersatzweise Erfüllung ihrer Beitragsforderung. Sie will so gestellt werden, als wäre die GmbH für den hier streitigen Zeitraum noch solvent gewesen. Das aber wird im Rahmen der §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG nicht geschützt.
28b)
29Ein Zahlungsanspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG läßt sich auch nicht damit begründen, daß die Klägerin bei rechtzeitiger Konkursantragstellung durch den Beklagten oder entsprechend früherer Entlassung der Arbeitnehmer der GmbH für diese keinen Sozialversicherungsschutz mehr hätte bereitstellen müssen. Ein Schaden käme nur insoweit in Betracht, wie die Klägerin konkrete Leistungen erbracht hätte. Abgesehen davon, daß hierzu konkreter Vortrag fehlt, fällt dieser Schaden auch nicht in den Schutzbereich des § 64 Abs. 1 GmbHG. Der Sozialversicherungsträger ist nämlich nicht wie ein vertraglicher Neugläubiger anzusehen. Der Schutzzweck des § 64 GmbHG besteht darin, die konkursreife GmbH vom Geschäftsverkehr fernzuhalten. In diesen Schutzzweck ist der Sozialversicherungsträger nicht einbezogen, da er seine Gläubigerstellung allein im Hinblick auf das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis erhalten hat. Diese Rechtsbeziehung der Beteiligten sind zunächst unabhängig von Konkurs und von der Versäumung der Konkursantragspflicht (vgl. im einzelnen dazu BGH NJW 99, 2183).
302.
31Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB, 266 a StGB in Höhe der Arbeitnehmeranteile besteht nicht.
32Zwar hat der Beklagte die geschuldeten Arbeitnehmeranteile nicht abgeführt. § 266 a StGB verlangt aber ein "Vorenthalten" der Arbeitnehmeranteile. Da § 266 a StGB ein echtes Unterlassungsdelikt ist, setzt die Verwirklichung des Tatbestandes voraus, daß die Erfüllung der Handlungspflicht dem Geschäftsführer tatsächlich möglich gewesen sein muß, d.h. der Geschäftsführer muß trotz Zahlungsfähigkeit der GmbH nicht gezahlt haben (BGH NJW 97, 130, 132; NJW 97, 133, 134; Dreher, StGB, § 266 a Rn. 12; Lackner, StGB, 22. Aufl., § 266 a Rn. 10). Da der Gläubiger im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB sämtliche Voraussetzungen des Tatbestandes des Schutzgesetzes beweisen muß, muß er daher auch die Zahlungsfähigkeit der GmbH nachweisen (Holzkämper, BB 96, 2142, 2143). Eine Umkehr der Beweislast (so OLG Düsseldorf VersR 99, 372) ist nicht gerechtfertigt. Der Sozialversicherungsträger hat über den Konkursverwalter genügend Möglichkeiten, die tatsächliche Zahlungsfähigkeit der GmbH feststellen zu können.
33Die Klägerin ist dieser Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Sie hat zur tatsächlichen Zahlungsfähigkeit der GmbH keine konkreten Angaben gemacht. Der Konkursverwalter hat nach gründlicher Sichtung der vorhandenen Unterlagen und der "völlig desolaten Buchhaltung" festgestellt, daß die GmbH spätestens ab dem 10.02.1995 zahlungsunfähig gewesen sei. Löhne und Gehälter sind ab März 1995 nicht mehr gezahlt worden (Seite 16 des Gutachtens M vom 11.09.1995). Daß der GmbH gleichwohl noch irgendwelche Geldmittel zur Verfügung gestanden haben sollen, ist von der Klägerin nicht dargelegt und aus den Unterlagen auch nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin behauptet, es seien noch in dem hier in Rede stehenden Zeitraum von Februar bis Juli 1995 Löhne gezahlt worden, reicht dieser pauschale Vortrag nicht aus. Er ist durch nichts belegt und stellt eine Behauptung ins Blaue hinein dar. Aus den Unterlagen, die dem Konkursverwalter zur Verfügung standen, ergibt sich dafür nichts. Der Konkursverwalter stellt im Gegenteil fest, daß die Löhne ab März nicht mehr gezahlt worden sind. Soweit die Klägerin im Senatstermin dargelegt hat, sie habe die Arbeitnehmer mit einem Fragebogen angeschrieben und habe von einem ausländischen Arbeitnehmer die Mitteilung erhalten, er habe im Juli 1995 Lohn bekommen, reicht auch dieser Vortrag im Hinblick auf den vom Sachverständigen festgestellten Sachverhalt nicht aus. Erforderlich ist, daß die GmbH noch über tatsächliche Geldmittel verfügte. Dies ist nicht konkret anhand von Buchungsbelegen oder Kontoauszügen dargetan. Der Vortrag, ein Arbeitnehmer habe noch im Juli 95 Lohn erhalten, belegt dies nicht.
343.
35Soweit die Klägerin Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht der Arbeitnehmer geltend macht, fehlt es auch hier an einem substantiierten Vortrag. Zwar gehören die Sozialversicherungsbeiträge bei wirtschaftlicher Betrachtung zu dem vom Arbeitgeber geschuldeten Arbeitsentgelt. Es ist aber nicht dargetan, welcher durch den Beklagten verursachte Schaden den Arbeitnehmern entstanden sein soll. Soweit den Arbeitnehmern keine Löhne mehr gezahlt worden sind, besteht ein Anspruch der Arbeitnehmer gegen die GmbH. Insoweit handelt es sich um Masseschulden, die mit entsprechender Konkursquote zu begleichen sind. Soweit die Klägerin an einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB denkt (vgl. Schulin, Sozialversicherungsrecht, § 11 Rn. 172) ist nichts zum Schaden dargetan. Versicherungsleistungen in der Krankenversicherung und in der Arbeitslosenversicherung bestehen unabhängig von den Beitragszahlungen. Im übrigen könnte auch hier ein Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer persönlich nur bestehen, wenn es ihm wegen der noch vorhandenen Liquidität der GmbH möglich war, die Beiträge zu überweisen. Dafür ist die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig. Konkrete Ausführungen zur Zahlungsfähigkeit aber fehlen.
36Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
37Die Beschwer für den Feststellungsantrag beträgt 2.000,00 DM.
38Der Streitwert bei einseitiger Erledigungserklärung beurteilt sich nach dem Kosteninteresse (BGH NJW-RR 96, 1210 = WM 96, 1563; BGHN ZM 99, 21).
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, ist den Mitbewerbern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und hierdurch Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, ist ihnen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht für unlautere geschäftliche Handlungen nach den §§ 3a, 4 und 6 sowie nach Nummer 32 des Anhangs.
(3) Gegen verantwortliche Personen von periodischen Druckschriften kann der Anspruch auf Schadensersatz nach den Absätzen 1 und 2 nur bei einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung geltend gemacht werden.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.