Landgericht Aachen Beschluss, 24. Mai 2016 - 8 O 168/16

Gericht
Tenor
Der Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers vom 10.05.2016 wird zurückgewiesen.
1
Gründe:
2Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
3Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet. Es fehlt an einem Verfügungsanspruch. Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Handlungen. Ein solcher folgt insbesondere nicht aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs.1 GG oder §§ 22, 23 KunstUrhG.
4Grundsätzlich ist in der von dem Antragsteller befürchteten Filmproduktion und Ausstrahlung keine Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu sehen. Zwar ist er in seinen Persönlichkeitsrechten durchaus in erheblichem Maße betroffen, allerdings haben seine Belange in einer Abwägung gegenüber der Meinungs-, Rundfunk-, Presse- und Kunstfreiheit insoweit im Ergebnis zurückzustehen.
5Eine Berichterstattung oder Filmausstrahlung, die den Vor- und Nachnamen eines Verurteilten nennt und ihn und seine Tatbegehung durch einen Schauspieler darstellt, stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar. Auch hat ein Verurteilter nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit fortschreitendem Zeitablauf seit seiner Verurteilung ein zunehmendes Recht darauf, von weiterer Befassung der Medien mit seiner Person verschont zu werden (BVerfG, Urteil vom 05.06.1973, 1 BvR 536/72, juris, Rn. 68). Allerdings besteht selbst nach Verbüßung der Strafe kein uneingeschränktes Recht, von Berichterstattung verschont zu werden (BVerfG, Beschluss vom 10.06.2009, 1 BvR 1107/09, juris, Rn. 21). Bei schweren Straftaten überwiegt in Konflikten der vorliegenden Art grundsätzlich das Informationsinteresse der Allgemeinheit (vgl. BVerfG, Urteil vom 05.06.1973, 1 BvR 536/72, juris, Rn. 64). Hierbei sind zudem die Schwere der Tat sowie die übrigen Umstände zu berücksichtigen, insbesondere wenn die Tat sich aus der gewöhnlichen Kriminalität heraushebt (vgl. BVerfG, Urteil vom 05.06.1973, 1 BvR 536/72, juris, Rn. 63). Die von dem Antragsteller begangenen Taten haben nicht nur zu einem nachvollziehbaren Interesse der Öffentlichkeit geführt, sondern auch eine gesellschaftliche Diskussion über die Rolle der Medien und die Effektivität der staatlichen Organe ausgelöst. Das Geschehen hebt sich über die gewöhnliche Kriminalität in erheblichem Maße heraus und ist als bedeutsames zeitgeschichtliches Ereignis anzusehen. Dies nicht nur, weil es sich um eine schwere Straftat gehandelt hat, sondern auch weil die Tat eine landesweite gesellschaftspolitische Diskussion zur Folge hatte, deren Inhalt und Bedeutung über die Befassung mit der Person des Antragstellers hinausging. Die Tat unterscheidet sich damit erheblich von anderer –auch schwerer Kriminalität-, bei der an einem Täter für kurze Zeit ein hohes Medieninteresse besteht, das dann im Laufe der Zeit nachlässt und eventuell auch vollständig erlischt.
6Diese Abwägung verfassungsrechtlicher Rechtsgüter führt auch im Rahmen der §§ 22, 23 KunstUrhG nicht zu einem anderen Ergebnis. Soweit der Antragsteller die Unterlassung der Nennung seines Namens begehrt, ist hierbei zudem zu berücksichtigen, dass dieser seit Jahrzehnten allgemein bekannt ist.
7Dem Gericht ist es darüber hinaus grundsätzlich verwehrt, einen eigenen Qualitätsmaßstab in Bezug auf die Filmproduktion der Antragsgegnerin der Abwägung zugrundezulegen. Die Reichweite des Grundrechtsschutzes von einem solchen Maßstab abhängig zu machen, ist mit dem Wesen der betroffenen Grundrechte der Antragsgegnerin nicht vereinbar (vgl. BVerfG, Urteil vom 05.06.1973, 1 BvR 536/72, juris, Rn. 48). Allerdings kann die Art der Gestaltung der Filmproduktion der Antragsgegnerin von Bedeutung sein, wenn ein Konflikt mit anderen verfassungsrechtlich geschützten Gütern auftritt (vgl. BVerfG, Urteil vom 05.06.1973, 1 BvR 536/72, juris, Rn. 49). In einem solchen Fall ist die zu erwartende Wirkung durchaus von Bedeutung. Da der Inhalt der Berichterstattung, bzw. des Filmes aber noch nicht feststeht, ist eine solche Beurteilung auch nicht möglich. Es würde auch dem Wesen der betroffenen Grundrechte der Antragsgegnerin widersprechen, bereits vorsorglich Gestaltungsvorgaben zu erlassen.
8Eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Antragstellers liegt im Ergebnis auch nicht aufgrund des Zeitpunktes der Produktion und der zu erwartenden nachfolgenden Ausstrahlung vor. Zwar kann die Medienberichterstattung die Persönlichkeitsrechte eines Verurteilten verletzen, wenn diese gerade zum Zeitpunkt einer bedingten Entlassung erfolgt, da hierdurch insbesondere die Resozialisierung erschwert werden kann (BVerfG, Urteil vom 05.06.1973, 1 BvR 536/72, juris, Rn. 77). Die Resozialisierung ist auch ein Maßstab für die Beurteilung, ob durch den Zeitablauf mittlerweile das Recht eines Verurteilten überwiegt, von weiterer Medienberichterstattung über seine Person verschont zu werden. Allerdings greift vorliegend das Argument des Antragstellers, die Strafvollstreckungskammer prüfe seine bedingte Entlassung, nicht durch. Der Antragsteller ist zu lebenslanger Haft mit Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Nach § 67e Abs. 2 StGB ist das Erfordernis des weiteren Vollzuges einer Sicherungsverwahrung in Abständen von einem Jahr, bzw. neun Monaten zu überprüfen, wobei die zuständige Strafvollstreckungskammer gem. § 67e Abs. 1 StGB jederzeit eine Prüfung vornehmen kann. Die gesetzliche Regelung gebietet im Wesentlichen eine kontinuierliche Prüfung der Frage, ob die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Hieraus folgt jedoch nicht, dass eine bedingte Entlassung auch tatsächlich in nächster Zeit bevorsteht. Umstände, die hierauf schließen lassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
9Der Antragsteller hat auch keine konkreten weitergehenden negativen Folgen der beabsichtigten Filmproduktion und Ausstrahlung dargelegt. In seinem persönlichen Umfeld, also in der Strafhaft, bzw. Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, ist mit negativen Folgen nicht zu rechnen. Die Bediensteten der JVA sind ohnehin über den Antragsteller und seine Taten informiert. Gleiches dürfte zumindest für den überwiegenden Teil der Mitgefangenen gelten.
10Im Rahmen der Interessenabwägung ist schließlich auch zu berücksichtigen, dass die Filmproduktion nach dem Vortrag des Antragstellers diesen zur Zeit der Tatbegehung darstellen wird und aufgrund des Zeitablaufs von einem erheblichen Unterschied zu seinem heutigen Erscheinungsbild auszugehen ist.
11Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Schutzschrift der Antragsgegnerin auch nicht mehr an.
12Rechtsbehelfsbelehrung:
13Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben, wenn
141. der Wert der Hauptsache 600,00 EUR übersteigt,
152. das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint oder
163. das Gericht die Zahlung von Raten angeordnet hat.
17Die sofortige Beschwerde ist bei dem Landgericht Aachen oder dem Oberlandesgericht Köln schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
18Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses (Datum des Beschlusses, Geschäftsnummer und Parteien) sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
19Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb einer Notfrist von 1 Monat bei dem Landgericht Aachen, Adalbertsteinweg 92, 52070 Aachen, oder dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die sofortige Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.
(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
- 1.
Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte; - 2.
Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen; - 3.
Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben; - 4.
Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.
(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.
(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
- 1.
Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte; - 2.
Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen; - 3.
Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben; - 4.
Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.
(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.
(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen.
(2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt sechs Monate,
in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Jahr,
in der Sicherungsverwahrung ein Jahr, nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung neun Monate.
(3) Das Gericht kann die Fristen kürzen. Es kann im Rahmen der gesetzlichen Prüfungsfristen auch Fristen festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist.
(4) Die Fristen laufen vom Beginn der Unterbringung an. Lehnt das Gericht die Aussetzung oder Erledigungserklärung ab, so beginnen die Fristen mit der Entscheidung von neuem.