Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 01. Feb. 2017 - 5 Sa 195/15

ECLI:ECLI:DE:LAGST:2017:0201.5SA195.15.0A
bei uns veröffentlicht am01.02.2017

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 06.03.2015 (Az.: 7 Ca 351/14) teilweise abgeändert:

I.

Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 1.050,21 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.08.2016 zu zahlen.

II.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

III.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 6/7 und das beklagte Land 1/7.

IV.

Die Revision wird für die Klägerin betreffend die teilweise Abweisung des Urlaubsabgeltungsanspruchs zugelassen.

Im Übrigen wird die Revision weder für die Klägerin noch für das beklagte Land zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zum einen über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und über die sich hieraus ergebenden Folgen für den Beginn der Freistellungsphase in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Zum anderen steht zwischen den Parteien die Abgeltung von Resturlaubsansprüchen aus dem Jahr 2012 im Streit.

2

Die am ... geborene Klägerin ist seit dem 19.03.1992 Mitarbeiterin des Landesamtes für Verbraucherschutz des beklagten Landes. Sie war zuletzt als Fach-MTA für Mikrobiologie in ... tätig. Das Vierteljahresgehalt der Klägerin betrug im Jahr 2011 ... Euro brutto.

3

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund vertraglicher Bezugnahme die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes der Länder Anwendung.

4

Mit Änderungsvertrag vom 23.11.2012 wurde das Arbeitsverhältnis der Parteien ab dem 01.05.2013 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell fortgeführt (Arbeitsphase vom 01.05.2013 bis zum 30.04.2015; Freistellungsphase vom 01.05.2015 bis 30.04.2017).

5

In dem Zeitraum vom 10.07.2013 bis einschließlich 27.09.2013 (einen Freitag) war die Klägerin arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der behandelnde Arzt diagnostizierte ... und stellte wegen dieser Erkrankung zwei Folgebescheinigungen vom 05.08.2013 und vom 19.08.2013 aus (Bl. 31 d. A.). Für die Zeit vom 20.08.2013 bis 27.09.2013 wurde die Klägerin wegen einer ... krankgeschrieben (wegen des Inhalts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 19.08.2012, 02.09.2012 und vom 23.09.2013 wird auf Blatt 32 der Akte Bezug genommen).

6

Das beklagte Land teilte der Klägerin mit Schreiben vom 29.08.2013 mit, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch am 21.08.2013 ende und die Zahlung eingestellt werde. Die Krankenkasse der Klägerin teilte dem beklagten Land auf dessen Nachfrage mit Schreiben vom 30.09.2013 mit, dass die Arbeitsunfähigkeit ab 20.08.2013 aufgrund einer neuen Diagnose ausgestellt worden sei und als Erstbescheinigung anzuerkennen sei.

7

Von ihren 30 Urlaubstagen im Jahr 2012 nahm die Klägerin im Jahr 2012 11 Urlaubstage in Anspruch. Der Resturlaub wurde auf das Kalenderjahr 2013 übertragen. Von den verbleibenden 19 Urlaubstagen für 2012 hat die Klägerin im Jahr 2013 8 Urlaubstage genommen (zuletzt am Montag, den 30.09.2013).

8

Mit Schreiben vom 02.10. und vom 25.10.2013 teilte das beklagte Land der Klägerin mit, dass ihr noch übriger Urlaubsanspruch von 11 Tagen aus dem Jahr 2012 mit Ablauf des 30.09.2013 verfallene und infolge der Erkrankung vom 21.08.2013 bis 27.09.2013 der Entgeltfortzahlungszeitraum mit 38 Tagen überschritten worden sei und sich deshalb die Arbeitsphase Blockmodell um 19 Tage verlängere.

9

Mit ihrer am 13.02.2014 beim Arbeitsgericht Halle eingegangenen Klage begehrte die Klägerin von dem beklagten Land Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 20.08.2013 bis 27.09.2013 und wandte sich gegen die Verschiebung der Freistellungsphase in ihrem Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Des Weiteren begehrte die Klägerin Abgeltung von 11 Urlaubstagen für das Jahr 2012.

10

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Arbeitsunfähigkeit vom 10.07.2013 bis zum 20.08.2013 und die ab dem 20.08.2013 festgestellte Arbeitsunfähigkeit hätten auf unterschiedlichen Erkrankungen beruht. Die erste Erkrankung sei ausgeheilt gewesen. Demnach verlagere sich auch nicht die Arbeits- bzw. die Freistellungsphase in ihrem Altersteilzeitarbeitsverhältnis.

11

Der Anspruch auf Gewährung der 11 Urlaubstage aus 2012 sei nicht mit dem 30.09.2013 verfallen. Dies habe auch die zuständige Mitarbeiterin bei dem Landesamt ihr mitgeteilt.

12

Die Klägerin hat beantragt,

13

1. festzustellen, dass der Klägerin für das Jahr 2012 noch ein Erholungsurlaub in Höhe von 11 Tagen zusteht,

14

2. das beklagte Land zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum 20.08.2013 bis 29.09.2013 Entgeltfortzahlung für 24 Tage in Höhe von 2.330,58 € brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen seit dem 06.11.2013 zu zahlen,

15

3. festzustellen, dass mit den Erkrankungen der Klägerin vom 10.07.2013 bis 19.08.2013 und 20.08.2013 bis 29.09.2013 keine Überschreitung des Entgeltfortzahlungszeitraumes gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz eingetreten ist.

16

Das beklagte Land hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei vom 10,07.2013 bis zum 27.09.2013 durchgängig arbeitsunfähig krank gewesen. Es lege ein einheitlicher Verhinderungsfall vor. Demnach hätte sich auch die Arbeitsphase im Blockmodell des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses mit der Klägerin verlängert.

19

Der Resturlaub aus dem Jahr 2012 sei spätestens mit dem 30.09.2013 erloschen.

20

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin, dass sie ab dem 20.08.2013 nicht mehr wegen ... arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, sondern wegen sonstiger Formen der..., durch Vernehmung des der Klägerin behandelnden Arztes als Zeugen.

21

Wegen des Inhaltes der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 06.03.2015 Bezug genommen (Bl. 67 bis 70 d. A.).

22

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 06.03.2015 die Klage vollumfänglich abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Resturlaub der Klägerin aus dem Jahr 2012 von 11 Urlaubstagen sei am 30.09.2013 erloschen. Sie sei nicht durchweg durch Arbeitsunfähigkeit daran gehindert gewesen, den Resturlaub von 11 Urlaubstagen in der Zeit vom 01.01.2013 bis 30.09.2013 in Anspruch zu nehmen.

23

Der Entgeltfortzahlungsanspruch ab dem 20.08.2013 bestünde nicht, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststünde, dass die Klägerin vor Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 19.08.2013 nicht arbeitsfähig war. Die Ersterkrankung sei noch nicht ausgeheilt gewesen. Da der Klägerin demnach in der Zeit vom 20.08.2013 bis 27.09.2013 keine Entgeltzahlung zustehe, verlängere sich nach den einschlägigen tariflichen Vorschriften die Arbeitsphase im Blockmodell.

24

Gegen das der Klägerin am 13.05.2015 zugestellte Urteil wendet sich die am 12.06.2015 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingegangene und am 09.07.2015 begründete Berufung der Klägerin.

25

Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, ein sog. einheitlicher Versicherungsfall läge nicht vor. Es sei eine reine Spekulation des Arbeitsgerichtes, dass sich beide Krankheiten überschritten hätten. Das von dem behandelnden Arzt am 19.08.2013 angedachte „Hamburger Modell“ setze nicht voraus, dass der Arbeitnehmer auch arbeitsunfähig ist.

26

Der Resturlaubsanspruch aus dem Jahr 2012 sei nicht am 30.09.2013 verfallen. Der Klägerin sei von einer Mitarbeiterin des Landesamtes des beklagten Landes in Dessau auf ausdrückliche Nachfrage zugesichert worden, dass sie ihren Urlaub 2012 bis zum 31.03.2014 zu nehmen habe, falls sie krank sei. Im Übrigen stünde auch Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG dem Verfall des Urlaubs aus dem Jahr 2012 zum 30.09.2013 entgegen.

27

Die Klägerin beantragt,

28

das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 06.03.2015 - 7 Ca 351/14 - abzuändern.

29

1. Das beklagte Land wird verurteilt, der Klägerin 11 Tage Urlaubsabgeltung für 2012 in Höhe von 1.650,36 Euro brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz auf den sich ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

30

2. das beklagte Land zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum 20.08.2013 bis 29.09.2013 Entgeltfortzahlung von 24 Tagen in Höhe von 2.330,58 Euro brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen seit dem 06.11.2013 zu zahlen,

31

3. festzustellen, dass die Festlegung der Arbeitsphase und der Freistellungsphase im Änderungsvertrag vom 23.11.2012 unverändert blieb.

32

Das beklagte Land beantragt,

33

die Berufung zurückzuweisen.

34

Das beklagte Land verteidigt das angegriffene Urteil. Die Klägerin hätte vor ihrer Erkrankung den Resturlaub 2012 nehmen können bzw. nehmen müssen. Das Arbeitsgericht habe auch beanstandungsfrei entschieden, dass die Klägerin vom 10.07.2013 bis 29.09.2013 durchgängig erkrankt war.

35

Wegen den weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

36

Die zulässige Berufung der Klägerin ist zum Teil begründet.

37

Die Klägerin hat im Wege des Schadensersatzanspruches Anspruch auf „Abgeltung“ von sieben Urlaubstagen aus dem Jahr 2012. Im Übrigen (Entgeltfortzahlung ab dem 20.08.2013, Urlaubsabgeltung für vier Urlaubstage tariflichen Mehrurlaubs und Verlängerung der Arbeitsphase) ist die Berufung der Klägerin unbegründet.

I.

38

Die statthafte (§§ 8, 64 Abs. 1 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG; §§ 519 Abs. 2, 520 ZPO).

II.

39

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 20.08.2013 bis 27.09.2013 abgewiesen. Wegen den Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin ergibt sich auch die notwendige Verlängerung der Arbeitsphase im Blockmodell gemäß § 8 Abs. 2 TV-ATZ-LSA.

1.

40

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 20.08.2013 bis zum 27.09.2013 aus § 22 Abs. 1 Satz TV-L.

41

Auch für § 22 Abs. 1 Satz 1 TV-L gelten die vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz.

42

Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Versicherungsfalles ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz auf die Dauer von sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit beschränkt, wenn während des Bestehens der Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer bei entsprechender Dauer der durch beide Erkrankungen verursachten Arbeitsverhinderung die Sechswochenfrist nur einmal in Anspruch nehmen. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, indem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führt. Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig war, sei es auch nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden. Maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und damit für das Ende des Versicherungsfalles ist die Entscheidung des Arztes, der die Arbeitsunfähigkeit - unabhängig von der individuellen Arbeitszeit des betreffenden Arbeitnehmers - im Zweifel bis zum Ende eines Kalendertages bescheinigen wird (BAG 25.05.2016 - 5 AZR 318/15, juris, Rz. 13).

43

Die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz trägt - nach allgemeinen Grundsätzen - der Arbeitnehmer. Ebenso wie er für die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit als solcher beweispflichtig ist, trifft ihn auch für deren Beginn und Ende die objektive Beweislast (BAG 25.05.2016 - 5 AZR 318/15, juris, Rz. 20).

44

Die Klägerin konnte nicht den Beweis erbringen, dass die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in der die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führte. Nach der Zeugenaussage des der Klägerin behandelnden Arztes steht gerade nicht fest, dass die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung im Zeitpunkt der weiteren Erkrankung beendet war. Nach der Aussage des Zeugen habe „der Ansatz bestanden, die Klägerin wieder auf Arbeit zu schicken, aber im Rahmen eines Hamburger Modells. Es gab auch noch mehrere Varianten“. Dieser Aussage ist nicht zu entnehmen, dass die erste Erkrankung tatsächlich am 19.08.2013 ausgeheilt war.

2.

45

Der zulässige Feststellungsantrag (Antrag zu 3.) ist unbegründet.

46

Nach § 8 Abs. 2 TV-ATZ-LSA hat sich die Arbeitsphase um die Hälfte des dem Entgeltfortzahlungszeitraums übersteigenden Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit verlängert und die Freistellungsphase entsprechend verkürzt.

III.

47

Die Klägerin hat Anspruch aus §§ 280, 283, 249, 251 Abs. 1 BGB auf Zahlung für nicht genommene 7 Tage Mindesturlaub aus dem Jahr 2012 in Höhe von 1.050,21 Euro brutto:

48

Hingegen besteht kein Anspruch der Klägerin auf Zahlung für 4 Tage tariflichen Mehrurlaub aus §§ 280, 283, 249, 251 Abs. 1 BGB:

1.

49

Der Mindesturlaub von 7 Urlaubstagen ist nicht mit Ablauf des 30.09.2012 verfallen. Wegen des Eintritts der Freistellungsphase kann der Urlaub nicht mehr genommen werden. Wegen der endgültigen Erfüllungsverweigerung des beklagten Landes mit dem Schreiben vom 02.10.2013 wandelte sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch und besteht in Höhe einer Urlaubsabgeltung für 7 Urlaubstage.

1.1.

50

Von den verbleibenden 11 Urlaubstagen aus dem Jahr 2012 sind 7 Urlaubstage der Mindesturlaub und 4 Urlaubstage der tarifliche Mehrurlaub. Dies ergibt sich unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 07.08.2012 - 9 AZR 760/10, juris, Rz. 11, 17; BAG 17.11.2015 - 9 AZR 275/14, juris, Rz. 17).

51

Die Klägerin hat im Jahr 2012 30 Urlaubstage, § 26 Abs. 1 Satz 2 TV-L. § 26 TV-L differenziert dabei nicht zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem übergesetzlichen Mehrurlaub.

52

Von diesen 30 Urlaubstagen hat die Klägerin im Jahr 2012 11 Urlaubstage und im Jahr 2013 8 Urlaubstage genommen. Der Arbeitgeber erfüllt mit der Freistellung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung ohne ausdrückliche oder konkludente Tilgungsbestimmung beide Ansprüche teilweise. Das heißt, von den 19 genommenen Urlaubstagen wurden 12,6 Tage Mindesturlaub und 6,33 Tage tariflichen Mehrurlaub erfüllt. Daher entfallen auf die verbleibenden 11 Urlaubstage 7,4 Mindesturlaubstage und 3,67 tarifliche Mehrurlaubstage; gerundet 7 Mindesturlaubstage und 4 tarifliche Mehrurlaubstage.

1.2.

53

Der Mindesturlaub ist nicht erloschen. Er hätte bis zum 31.03.2014 genommen werden können.

54

Im Hinblick auf die besondere Bedeutung des Urlaubsanspruches und dessen Verankerung in die Grundrechtscharta (Artikel 31 Abs. 2 EU-GR Charta) kann nach Auffassung des EuGH eine nationale Bestimmung, bei der ein Übertragungszeitraum festgelegt wird, nicht das Erlöschen des Anspruchs des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub vorsehen, wenn der Arbeitnehmer - wie im Falle der Arbeitsunfähigkeit - nicht tatsächlich die Möglichkeit hatte, diesen Anspruch auszuüben (EuGH 20.01.2009, „Schulz-Hoff“, NzA 2009, 135). Allerdings hat der EuGH einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten nicht beanstandet (EuGH 22.11.2011 „KHS“, NzA 2011, 1333).

55

Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des EuGH zum Anlass genommen, die Befristungsregelung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG unionsrechtskonform so auszulegen, dass der gesetzliche Anspruch mit Ablauf eines Zeitraumes von 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seinen Arbeitsleistungen gehindert war.

56

Die unionsrechtlichen Vorgaben betreffen hingegen ausschließlich den gesetzlichen Urlaubsanspruch von 4 Wochen. Die Tarifvertragsparteien können Urlaubsansprüche, die darüber hinausgehen, frei regeln und eine kürzere Befristung des tariflichen Mehrurlaubes vorsehen (BAG 05.08.2014 - 9 AZR 77/13, BAG 12.11.2013, NZA 2014, 383; zusammenfassend Schaub/Linck Arb-R-HB, § 104, Rz. 6, 7, 88 m. w. N).

57

Der Klägerin war es wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit vom 10.07.2013 bis zum 27.09.2013 nicht möglich, innerhalb des Übertragungszeitraumes die verbleibenden 7 gesetzlichen Urlaubstage zu nehmen. Nur ab Montag, den 30.09.2013, nahm sie einen Urlaubstag. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin nicht während des gesamten Bezugszeitraumes krankgeschrieben war. Maßgeblich ist, dass sie ab dem 10 07.2013 bis zum 30.09.2013 wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit nur noch einen Tag nehmen konnte (vgl. auch Schaub/Linck a. a. O. Rz. 87).

58

Mit der Erfüllungsverweigerung der Beklagten (Schreiben vom 02.10.2013) wandelte sich der Erfüllungsanspruch auf Gewährung des Urlaubs in einen Schadensersatzanspruch, der nach Eintritt in die Freistellungsphase in Geld zu ersetzen ist.

59

Die Berechnungsgrundlage für die „Urlaubsabgeltung“ ist von der Klägerin zutreffend erstellt worden. Für einen Tag ergibt dies 150,03 Euro brutto.

60

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

2.

61

Es besteht hingegen kein Anspruch der Klägerin auf „Abgeltung“ der 4 nicht genommenen tariflichen Mehrurlaubstage aus dem Jahr 2012 aus §§ 280, 283, 249, 251 Abs. 1 BGB.

2.1

62

Der tarifliche Mehrurlaub ist mit Ablauf des 30.09.2013 erloschen. Dem stehen unionsrechtliche Erwägungen nicht entgegen. Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG schützt einen bezahlten Mindestjahresurlaub von 4 Wochen.

2.2

63

Das beklagte Land war - jedenfalls für den übergesetzlichen Mehrurlaub - auch nicht verpflichtet, den Urlaubsanspruch der Klägerin von sich aus zu erfüllen.

a.

64

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12.06.2014 - 21 Sa 221/14 - und die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München vom 06.05.2015 - 8 Sa 982/14 stehen dem nicht entgegen.

65

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg begründet seine Entscheidung maßgeblich damit, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch dem Gesundheitsschutz des Beschäftigten dient und arbeitsschutzrechtlichen Charakter hat (LAG Berlin-Brandenburg 12.06.2014, juris, Rz. 39, 42). Das Landesarbeitsgericht München folgt den Erwägungen des Landesarbeitsgerichts Berlin (LAG München 06.05.2015 - 8 Sa 982/14, juris, Rz. 60).

66

Beide Entscheidungen beziehen sich auf den gesetzlichen Mindesturlaub und nicht - wie hier-auf den tariflichen Mehrurlaub.

b.

67

Zudem hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit zutreffender Begründung eine Pflicht des Arbeitgebers zur Urlaubserteilung ohne Antrag des Arbeitnehmers verneint (LAG Schleswig-Holstein 09.02.2016 - 1 Sa 321/15, juris, Rz. 71).

68

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein führt in seiner Entscheidung aus:

69

„b) Der Klägerin steht auch kein Anspruch gemäß den §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB zu, weil der Beklagte seine Pflicht zur Urlaubserteilung verletzt hat.

70

aa) Eine Rechtspflicht des Arbeitgebers, auch ohne entsprechenden Antrag des Arbeitnehmers im laufenden Kalenderjahr Urlaub zu erteilen nimmt das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in einem Urteil vom 12.06.2014 - 21 Sa 221/14 - Juris sowie auch in anderen Entscheidungen an und begründet dies im Wesentlichen damit, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers diene und der Wortlaut des § 7 BUrlG der entsprechenden Auslegung nicht entgegenstehe.

71

bb) Das Bundesarbeitsgericht geht demgegenüber nicht von einer Pflicht des Arbeitgebers zur Urlaubsgewährung im laufenden Kalenderjahr aus. Vielmehr verfällt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Urlaub am Jahresende, nur unter den Voraussetzungen des Verzugs entsteht der oben dargestellte Ersatzurlausanspruch (BAG v. 14.05.2013 - 9 AZR 760/11 -).

72

Dieser Auffassung des Bundesarbeitsgerichts folgt auch das Berufungsgericht. Gerade aus Sicht des Gesundheitsschutzes hält es eine Lösung für vorzugswürdig, nach der der Arbeitnehmer zumindest gehalten ist, einen Urlaubsantrag zu stellen. Folgt man der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg, befördert das nämlich nach Einschätzung der Kammder das Anhäufen von Urlaubsansprüchen im bestehenden Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer wird von der Stellung rechtzeitiger Urlaubsanträge abgehalten, die er um Streitigkeiten wegen der Urlaubsgewährung zu vermeiden, nicht stellt. Unter Berücksichtigung der Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg erwüchse ihm hieraus kein Nachteil. Er kann das Stellen von Urlaubsanträgen einfach unterlassen mit dem Argument, er kann den Urlaub hinterher - spätestens nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses - immer noch nehmen. Dieses Herausschieben der Urlaubsgewährung dient aber gerade nicht dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers, der nur verwirklicht wird, wenn der Urlaub auch tatsächlich genommen wird. Selbstverständlich ist es nicht besser, wenn der Arbeitnehmer wegen des Verfalls am Jahresende gar keinen Urlaub erhält. Droht aber der Verfall seines Urlaubs, wird der Arbeitnehmer gezwungen, zumindest einen Urlaubsantrag zu stellen, um den Verzug des Arbeitgebers auszulösen. Das ist das Warnsignal auch für den Arbeitgeber, die Urlaubsgewährung zu Ermöglichen. Weiß der Arbeitnehmer, dass ihm ohne Urlaubsantrag der komplette Verlust seines Urlaubs droht, wird er ehe Maßnahmen zur tatsächlichen Urlaubsgewährung ergreifen.

73

Im Übrigen setzt nach § 7 Abs. 1 BUrlG die Gewährung des Urlaubs voraus, dass die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind. Das wiederum ist nur möglich, wenn der Arbeitnehmer zuvor einen Urlaubsantrag gestellt hat.“

74

Die Kammer folgt den Erwägungen des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein.

c.

75

Es bestehen auch keine unionsrechtlichen Bedenken, dass der Arbeitgeber nach Deutschen Urlaubsrecht nicht verpflichtet ist, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des übergesetzlichen Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraumes festzulegen. Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments des Rates vom 04. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG) bezieht sich auf den Mindesturlaub von 4 Wochen im Jahr und nicht auf den tariflichen Mehrurlaub.

76

Aus diesem Grund kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit auch nicht auf die Beantwortung des EuGH auf die Fragen des Bundesarbeitsgerichts in seinem Vorlagebeschluss vom 13.12.2016 an.

77

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 13.12.2016 in dem Revisionsverfahren 9 AZR 541/15 (a) (Revision gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München vom 06.05.2015), dem EuGH folgende Fragen vorgelegt:

78

„1. Steht Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG) oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) einer nationalen Regelung wie der in § 7 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) entgegen, die als Modalität für die Wahrnehmung des Anspruchs auf Erholungsurlaub vorsieht, dass der Arbeitnehmer unter Angabe seiner Wünsche bezüglich der zeitlichen Festlegung des Urlaubs diesen beantragen muss, damit der Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums nicht ersatzlos untergeht, und die den Arbeitgeber damit nicht verpflichtet, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen?

79

2. Falls die Frage zu 1. bejaht wird:

80

Gilt dies auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen bestand?“

81

Die Vorlage des Bundesarbeitsgerichts bezieht sich auf den Mindesturlaub von vier Wochen.

IV.

82

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

V.

83

Die Revision war für die Klägerin hinsichtlich der teilweisen Klageabweisung betreffend der vier übergesetzlichen Urlaubstage zuzulassen. Der Rechtsstreit hat diesbezüglich grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraumes auch für den übergesetzlichen Urlaub festzulegen, ist klärungsfähig und klärungsbedürftig.

84

Für die weiteren Streitgegenstände war hingegen die Revision weder für die Klägerin noch für das beklagte Land zuzulassen, da insofern die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.


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(1) Im ersten Rechtszug sind die Arbeitsgerichte zuständig, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet die Berufung an die Landesarbeitsgerichte nach Maßgabe des § 64 Abs. 1 statt.

(3) Gegen die Urteile der Landesarbeitsgerichte findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 72 Abs. 1 statt.

(4) Gegen die Beschlüsse der Arbeitsgerichte und ihrer Vorsitzenden im Beschlußverfahren findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 87 statt.

(5) Gegen die Beschlüsse der Landesarbeitsgerichte im Beschlußverfahren findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 92 statt.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26. März 2015 - 16 Sa 1711/14 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

2

Der 1951 geborene Kläger war vom 2. November 2010 bis zum 31. Oktober 2013 bei der Beklagten als Arbeiter beschäftigt gegen eine Bruttomonatsvergütung von 1.900,00 Euro.

3

Vom 9. September bis einschließlich Sonntag, den 20. Oktober 2013, war der Kläger von seinem Hausarzt Dr. L wegen eines lumbalen Facettensyndroms arbeitsunfähig krankgeschrieben. Am 17. Oktober 2013 suchte der Kläger seinen Hausarzt erneut auf, ua. wegen zunehmender Schulterschmerzen. Eine (zusätzliche) Krankschreibung erfolgte an diesem Tag nicht. Am Montag, dem 21. Oktober 2013 attestierte Dr. L dem Kläger wegen Schulterschmerzen mit einer Erstbescheinigung Arbeitsunfähigkeit bis zunächst 5. November 2013, mit einer Folgebescheinigung bis voraussichtlich 1. Dezember 2013.

4

Für den Monat Oktober 2013 zahlte die Beklagte dem Kläger 1.266,67 Euro brutto, Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 21. bis zum 31. Oktober 2013 leistete sie nicht.

5

Der Kläger hat geltend gemacht, er sei ab dem 21. Oktober 2013 aufgrund einer neuen Krankheit arbeitsunfähig gewesen. Bis dahin habe eine im Frühjahr 2013 bei einem Arbeitsunfall erlittene Schulterverletzung trotz gelegentlicher leichterer Beschwerden und Wetterfühligkeit Arbeitsunfähigkeit nicht verursacht. Am Montag, dem 21. Oktober 2013, sei er beim Anziehen mit der Schulter an einen Türrahmen gestoßen und habe wegen starker Schmerzen nicht zur Arbeit gehen können.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 633,33 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2013 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Kläger sei bereits am 17. Oktober 2013 wegen seiner Schulterverletzung arbeitsunfähig gewesen. Nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls habe ihre Entgeltfortzahlungspflicht mit dem Ablauf von sechs Wochen am 20. Oktober 2013 geendet.

8

Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung des behandelnden Arztes Dr. L der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht der Berufung der Beklagten stattgegeben. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat für die Zeit vom 21. bis zum 31. Oktober 2013 keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

10

I. Wird der Arbeitnehmer nach wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit erneut krankheitsbedingt arbeitsunfähig, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, entsteht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG grundsätzlich ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Krankheit beruht. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt:

11

1. Stellt sich die neue Erkrankung als eine Fortsetzung der früheren Erkrankung dar, weil - trotz verschiedener Krankheitssymptome - die wiederholte Arbeitsunfähigkeit auf demselben nicht behobenen Grundleiden beruht, liegt eine Fortsetzungserkrankung vor (BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 389/04 - zu I 4 der Gründe, BAGE 115, 206; 14. November 1984 - 5 AZR 394/82 - zu 1 der Gründe, BAGE 47, 195). Bei einer solchen ist der Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG nur dann zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war(Nr. 1) oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist (Nr. 2).

12

Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab dem 21. Oktober 2013 war nicht durch eine Fortsetzungserkrankung bedingt. Das steht zwischen den Parteien (nunmehr) außer Streit. Das lumbale Facettensyndrom, das die Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 9. September bis zum 20. Oktober 2013 begründete, und die Erkrankung der Schulter beruhten nicht auf einem einheitlichen Grundleiden.

13

2. Nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG auf die Dauer von sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer bei entsprechender Dauer der durch beide Erkrankungen verursachten Arbeitsverhinderung die Sechs-Wochen-Frist nur einmal in Anspruch nehmen. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führt (BAG 10. September 2014 - 10 AZR 651/12 - Rn. 13, BAGE 149, 101; 13. Juli 2005 - 5 AZR 389/04 - zu I 4 der Gründe, BAGE 115, 206). Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig war, sei es auch nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden (BAG 12. Juli 1989 - 5 AZR 377/88 - zu II 2 der Gründe mwN). Maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und damit für das Ende des Verhinderungsfalls ist die Entscheidung des Arztes, der Arbeitsunfähigkeit - unabhängig von der individuellen Arbeitszeit des betreffenden Arbeitnehmers - im Zweifel bis zum Ende eines Kalendertags bescheinigen wird (anders noch BAG 12. Juli 1989 - 5 AZR 377/88 - zu III 1 der Gründe mwN, hieran wird nicht festgehalten). Dabei ist es unerheblich, ob das Ende der Arbeitsunfähigkeit auf einen Arbeits- oder arbeitsfreien Tag fällt (vgl. BAG 10. September 2014 - 10 AZR 651/12 - Rn. 17 mwN, BAGE 149, 101; 14. September 1983 - 5 AZR 70/81 - zu 2 b der Gründe, BAGE 43, 291).

14

a) Der vom Bundesarbeitsgericht erstmals in der Entscheidung vom 12. September 1967 (- 1 AZR 367/66 - BAGE 20, 90) entwickelte Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls (seither st. Rspr., vgl. zB BAG 2. Dezember 1981 - 5 AZR 89/80 - BAGE 37, 172; 2. Februar 1994 - 5 AZR 345/93 - BAGE 75, 340; 13. Juli 2005 - 5 AZR 389/04 - BAGE 115, 206) hat im Schrifttum weitgehend Zustimmung gefunden (sh. nur ErfK/Reinhard 16. Aufl. § 3 EFZG Rn. 43; HWK/Schliemann 7. Aufl. § 3 EFZG Rn. 93; Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 98 Rn. 54; Schmitt EFZG 7. Aufl. § 3 Rn. 285, jeweils mwN) und ist vom Gesetzgeber bei mehrfachen Novellierungen des Rechts der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht korrigiert worden. Ihm liegt die Erwägung zugrunde, dass die Sechs-Wochen-Frist, innerhalb derer der Arbeitnehmer in Abweichung vom allgemeinen Schuldrecht aus sozialen Gründen das Arbeitsentgelt trotz Nichtleistung der Arbeit erhalten soll, nicht an die Krankheit (in der früheren Begrifflichkeit: das Unglück), sondern an die Arbeitsverhinderung anknüpft und es deshalb nicht darauf ankommt, ob den Arbeitnehmer während einer krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung „ein neues Unglück trifft“, das seinerseits zu einer Arbeitsverhinderung geführt hätte, wenn eine solche nicht bereits aufgrund des früheren Unglücks (der früheren Krankheit) bestanden hätte (BAG 12. September 1967 - 1 AZR 367/66 - BAGE 20, 90; vgl. zur Entwicklung im Einzelnen BAG 10. September 2014 - 10 AZR 651/12 - Rn. 14 - 17, BAGE 149, 101).

15

b) Nach der nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen, für den Senat bindenden (§ 559 Abs. 2 ZPO)Feststellung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger kurz vor dem Ende der wegen des lumbalen Facettensyndroms attestierten Arbeitsunfähigkeit am 17. Oktober 2013 seinen Hausarzt erneut und auch wegen zunehmender Schulterschmerzen aufgesucht. Ob der krankhafte Zustand der Schulter des Klägers (zum Begriff der Krankheit vgl. etwa BAG 9. Januar 1985 - 5 AZR 415/82 - zu I 1 der Gründe, BAGE 48, 1; ErfK/Reinhard § 3 EFZG Rn. 4 ff.; HWK/Schliemann § 3 EFZG Rn. 34 ff., jeweils mwN) bereits vor dem 21. Oktober 2013 die Arbeitsunfähigkeit des Klägers bedingt hat, ist zwischen den Parteien streitig geblieben und konnte durch die Vernehmung des behandelnden Arztes nicht geklärt werden.

16

II. Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Beweislastentscheidung im Ergebnis zu Recht angenommen, das Risiko, nicht (mehr) feststellen zu können, ob Arbeitsunfähigkeit infolge einer bestimmten Krankheit erst ab dem vom behandelnden Arzt attestierten Zeitpunkt bestanden hat oder schon während einer unmittelbar vorangehenden sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer anderen Krankheit eingetreten ist, habe der Arbeitnehmer zu tragen.

17

1. Für ihre gegenteilige - auch vom Arbeitsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten - Auffassung kann sich die Revision nicht auf die Rechtsprechung zur Fortsetzungserkrankung stützen.

18

Die rechtliche Bewertung der Fortsetzungserkrankung in § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG ist eine durch Gesetz zugunsten des Arbeitgebers getroffene Ausnahmeregelung von dem allgemeinen Grundsatz der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall(vgl. BAG 4. Dezember 1985 - 5 AZR 656/84 - zu I 2 der Gründe). Zwar muss der Arbeitnehmer, der innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG länger als sechs Wochen arbeitsunfähig ist, darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegt und - bestreitet der Arbeitgeber den Eintritt einer neuen Krankheit - den Arzt von der Schweigepflicht entbinden. Doch hat die Folgen der Nichterweislichkeit einer Fortsetzungserkrankung der Arbeitgeber zu tragen, weil nach der sprachlichen Fassung des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG ihn und nicht den Arbeitnehmer die objektive Beweislast trifft(BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 389/04 - zu I 5 der Gründe, BAGE 115, 206; ebenso die hM im Schrifttum, vgl. nur ErfK/Reinhard § 3 EFZG Rn. 44; HWK/Schliemann § 3 EFZG Rn. 111; Schaub/Linck ArbR-HdB § 98 Rn. 61; Schmitt EFZG § 3 Rn. 293, jeweils mwN).

19

2. Im Unterschied dazu betrifft der Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls nicht eine vom Arbeitgeber einzuwendende Ausnahme, sondern eine der Voraussetzungen des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Meldet sich der Arbeitnehmer in unmittelbarem Anschluss an den ausgeschöpften Sechs-Wochen-Zeitraum des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG erneut mit einer Erstbescheinigung arbeitsunfähig krank, bestreitet der Arbeitgeber mit der Berufung auf den Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls, dass Arbeitsunfähigkeit infolge der „neuen“ Krankheit erst jetzt eingetreten sei.

20

Die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG trägt - nach allgemeinen Grundsätzen - der Arbeitnehmer(BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 389/04 - zu I 6 der Gründe, BAGE 115, 206; 26. Februar 2003 - 5 AZR 112/02 - zu I 1 der Gründe, BAGE 105, 171). Ebenso wie er für die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit als solcher beweispflichtig ist, trifft ihn auch für deren Beginn und Ende die objektive Beweislast.

21

3. Für Darlegung und Nachweis von Beginn und Ende einer auf einer bestimmten Krankheit beruhenden Arbeitsunfähigkeit kann sich der Arbeitnehmer zunächst auf die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stützen (zu deren Beweiswert sh. BAG 26. Februar 2003 - 5 AZR 112/02 - zu I 1 der Gründe, BAGE 105, 171; zu den neuen Vordrucken für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vgl. Kleinebrink ArbRB 2016, 93).

22

Ist jedoch unstreitig oder bringt der Arbeitgeber gewichtige Indizien dafür vor, dass die erneute Arbeitsunfähigkeit auf einer Krankheit beruht, die bereits vor dem attestierten Beginn der Arbeitsunfähigkeit bestanden hat, und zu einer Krankheit, wegen derer der Arbeitnehmer bereits durchgehend sechs Wochen arbeitsunfähig war, hinzugetreten ist, muss der Arbeitnehmer als Voraussetzung des Entgeltfortzahlungsanspruchs den von ihm behaupteten Beginn der „neuen“ krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung beweisen. Dafür steht ihm das Zeugnis des behandelnden Arztes als Beweismittel zur Verfügung.

23

4. Der Kläger konnte nicht beweisen, erst am 21. Oktober 2013 wegen der Schulterverletzung arbeitsunfähig geworden zu sein. Davon hat der Senat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auszugehen.

24

Danach suchte der Kläger vor dem Ende der Arbeitsunfähigkeit wegen des lumbalen Facettensyndroms am 17. Oktober 2013 jedenfalls auch wegen zunehmender Schulterschmerzen erneut seinen Hausarzt auf, der sich notierte: „Schulterschmerzen nehmen zu. Am Montag geht er zum Orthopäden“. Dr. L konnte als - erstinstanzlich vernommener - Zeuge weder bestätigen noch ausschließen, dass der Kläger wegen der schmerzenden Schulter erst am 21. Oktober 2013 arbeitsunfähig wurde und nicht schon am 17. Oktober 2013 war. Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Beweisaufnahme - im Einklang mit der Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts - in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ein non liquet angenommen.

25

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Volk    

        

        

        

    Dombrowsky    

        

    Mattausch    

                 

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen. § 281 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 5 findet entsprechende Anwendung.

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.

(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen. § 281 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 5 findet entsprechende Anwendung.

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.

(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. September 2010 - 5 Sa 353/10 - teilweise aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Teil- und Schlussurteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 27. Januar 2010 - 7 Ca 1179/09 - insgesamt zurückgewiesen.

2. Die Kosten der ersten Instanz und der Berufung hat die Klägerin zu 31 % und die Beklagte zu 69 % zu tragen. Die Kosten der Revision hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über einen Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung für weitere zehn Urlaubstage aus dem Jahr 2007 sowie einen Anspruch auf Zahlung restlichen Urlaubsgelds für dieses Jahr.

2

Die Klägerin war vom 1. Februar 1986 bis zum 28. Februar 2009 bei der Beklagten als Büroangestellte beschäftigt und im Rahmen einer Fünftagewoche mit den Aufgaben einer Sachbearbeiterin für die Lohn- und Gehaltsabrechnungen betraut. In dem für das Arbeitsverhältnis aufgrund vertraglicher Bezugnahme geltenden Manteltarifvertrag für das Installateur- und Heizungsbauer-, Klempner-, Behälter- und Apparatebauer-Handwerk im Land Nordrhein-Westfalen vom 13. August 2007 (MTV), gültig ab 1. Juli 2007, heißt es ua.:

        

„§ 6   

        

Grundsätze der Urlaubsgewährung

        

1.    

Jeder Arbeitnehmer hat nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen in jedem Urlaubsjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.

                 

Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

        

…       

                 
        

§ 7     

        

Allgemeine Urlaubsbestimmungen

        

1.    

Der Zeitpunkt des Urlaubs richtet sich nach dem aufgestellten Urlaubsplan. Soweit kein Urlaubsplan besteht, kann der Urlaubsanspruch, abgesehen vom Eintrittsjahr, ab 1. April in voller Höhe geltend gemacht werden.

        

…       

        

6.    

Der Urlaubsanspruch erlischt drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde oder dass der Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht genommen werden konnte.

                 

Liegt eine ununterbrochene Krankheit während eines gesamten Kalenderjahres vor und dauert diese Krankheit auch noch am 31.03. des folgenden Kalenderjahres an, so erlischt der Anspruch für das zurückliegende Kalenderjahr, es sei denn, die Arbeitsunfähigkeit ist durch einen Betriebsunfall/Wegeunfall im Sinne des SGB (Sozialgesetzbuch) verursacht.

        

7.    

Der Anspruch auf bezahlten Urlaub wird um so viel Tage gekürzt, wie der Arbeitnehmer seit seinem letzten Urlaub oder, falls er noch keinen Urlaub genommen hat, seit seinem Eintritt in den Betrieb unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben ist (Fehltage). Der Mindesturlaub gem. Bundesurlaubsgesetz darf jedoch nicht unterschritten werden.

                 
        

§ 8     

        

Urlaubsdauer

        

1.    

Der Urlaub beträgt für alle Arbeitnehmer 30 Arbeitstage.

        

2.    

Der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte regelt sich nach den gesetzlichen Bestimmungen.

        

…       

                 
        

§ 9     

        

Urlaubsvergütung

        

1.    

Bei der Berechnung der Urlaubsvergütung sind zugrunde zu legen

                 

100 % des Arbeitsentgelts plus 40 % zusätzliches Urlaubsgeld, ausgehend von der tariflichen Arbeitszeit von 7,4 Stunden pro Tag.

        

…“    

3

Die Beklagte gewährte der Klägerin im Jahr 2007 15 Tage Urlaub und zahlte ihr für dieses Jahr tarifliches Urlaubsgeld iHv. 1.049,71 Euro brutto. Vom 29. April 2008 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses war die Klägerin durchgehend arbeitsunfähig krank. Sie verlangte mit Schreiben vom 20. Februar 2009 von der Beklagten ohne Erfolg ua. die Abgeltung von 15 Urlaubstagen aus dem Jahr 2007 sowie die Zahlung von weiterem tariflichen Urlaubsgeld für dieses Jahr.

4

Die Klägerin hat behauptet, es bestehe bei der Beklagten eine betriebliche Übung, wonach Urlaub bis zum 31. Dezember des Folgejahres genommen werden könne. Da die Beklagte bei der Urlaubsgewährung im Jahr 2007 keine Tilgungsbestimmung getroffen habe, finde § 366 Abs. 2 BGB Anwendung mit dem Ergebnis, dass mit der Gewährung von 15 Urlaubstagen der tarifliche Mehrurlaubsanspruch von zehn Urlaubstagen und der gesetzliche Urlaubsanspruch in Höhe von fünf Urlaubstagen erfüllt worden sei. Demzufolge habe die Beklagte noch 15 Tage gesetzlichen Urlaub aus dem Jahr 2007 abzugelten, der aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen sei. Neben der Urlaubsabgeltung stehe ihr das beanspruchte weitere tarifliche Urlaubsgeld für das Jahr 2007 zu.

5

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zur Zahlung weiterer 1.537,89 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. März 2009 zu verurteilen.

6

Die Beklagte hat zu ihrem Antrag auf Klageabweisung die Auffassung vertreten, der übergesetzliche Mehrurlaub für das Jahr 2007 sei angesichts der eigenständigen Regelung in § 7 MTV verfallen. § 366 BGB sei weder direkt noch analog anwendbar. Im Übrigen wäre bei einer Anwendung dieser Norm von einer konkludenten Tilgungsbestimmung dergestalt auszugehen, dass sie mit der Freistellung der Klägerin im Jahr 2007 zunächst den gesetzlichen Urlaubsanspruch erfüllt habe.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und der Klägerin ua. Urlaubsabgeltung für fünf Tage gesetzlichen Resturlaub aus dem Jahr 2007 sowie für diese fünf Tage weiteres tarifliches Urlaubsgeld zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte zur Abgeltung weiterer zehn Urlaubstage aus dem Jahr 2007 sowie zur Zahlung weiteren tariflichen Urlaubsgelds für diese zehn Tage verurteilt. Die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht weder Urlaubsabgeltung für weitere zehn Urlaubstage aus dem Jahr 2007 zu, noch hat sie Anspruch auf weiteres tarifliches Urlaubsgeld für dieses Jahr.

9

I. Ein Anspruch der Klägerin auf Abgeltung von weiteren zehn Tagen gesetzlichen Urlaub aus dem Jahr 2007 folgt nicht aus § 7 Abs. 4 BUrlG, wonach der Urlaub abzugelten ist, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Da keine Arbeitspflicht an sechs Tagen in der Woche bestand, sondern die Klägerin im Rahmen einer Fünftagewoche beschäftigt war, standen dieser im Kalenderjahr nach § 3 Abs. 1 BUrlG 20 Urlaubstage zu. Darüber, dass die Beklagte der Klägerin insgesamt 15 Urlaubstage aus dem Jahr 2007 gewährte, besteht kein Streit. Demzufolge hatte die Beklagte gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG nur fünf Tage gesetzlichen Urlaub abzugelten, wozu sie das Arbeitsgericht rechtskräftig verurteilt hat.

10

1. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin gewährte die Beklagte mit der Freistellung der Klägerin von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung im Jahr 2007 zunächst nicht nur den tariflichen Mehrurlaub. Auf eine Tilgungsbestimmung der Beklagten kam es nicht an. Mit der Freistellung der Klägerin von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung an 15 Tagen im Jahr 2007 hat die Beklagte sowohl den gesetzlichen als auch den tariflichen Urlaubsanspruch gemäß § 362 Abs. 1 BGB teilweise zum Erlöschen gebracht.

11

2. Der Hinweis der Klägerin auf die Regelung in § 366 Abs. 2 BGB gibt kein anderes Ergebnis vor. Allerdings trifft es zu, dass der Senat in seiner Entscheidung vom 5. September 2002 (- 9 AZR 244/01 - zu B III 2 b aa der Gründe, BAGE 102, 321) auf diese Bestimmung zurückgegriffen und angenommen hat, nach der Auslegungsregel des § 366 Abs. 2 BGB sei davon auszugehen, dass ein Arbeitgeber zunächst auf den gesetzlichen und sodann auf den tariflichen/vertraglichen Urlaubsanspruch leiste, wenn er Urlaubsansprüche erfülle. Wenn eine arbeits- oder tarifvertragliche Regelung hinsichtlich des Umfangs des Urlaubsanspruchs nicht zwischen gesetzlichen und arbeits- oder tarifvertraglichen Urlaubsansprüchen unterscheidet und den Arbeitnehmern einen über den gesetzlichen Anspruch hinausgehenden Anspruch auf Erholungsurlaub einräumt, kommt entgegen der Rechtsansicht des Landesarbeitsgerichts ein Rückgriff auf die Auslegungsregel in § 366 Abs. 2 BGB jedoch ebenso wenig in Betracht wie eine analoge Anwendung dieser Vorschrift.

12

a) In Konstellationen wie der vorliegenden sind die Anwendungsvoraussetzungen des § 366 Abs. 2 BGB nicht erfüllt. Die Norm regelt den Fall, dass der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist und das von ihm Geleistete zur Tilgung sämtlicher Schulden nicht ausreicht. Voraussetzung ist mithin eine Mehrheit von Schuldverhältnissen, wobei § 366 BGB das Schuldverhältnis im engeren Sinne meint(vgl. Staudinger/Olzen (2011) § 366 Rn. 14). § 366 BGB gilt auch bei einer Mehrheit von Forderungen aus demselben Schuldverhältnis(Palandt/Grüneberg BGB 71. Aufl. § 366 Rn. 2; MüKoBGB/Fetzer 6. Aufl. § 366 Rn. 2). Aus dem systematischen Verhältnis zu § 367 BGB folgt jedoch, dass es sich um selbstständige Forderungen handeln muss(Staudinger/Olzen aaO mwN). Treffen gesetzliche und tarif- oder arbeitsvertragliche Erholungsurlaubsansprüche zusammen, handelt es sich, soweit sich diese Ansprüche decken, grundsätzlich nicht um selbstständige Urlaubsansprüche (vgl. Hessisches LAG 26. April 2010 - 17 Sa 1772/09 -; LAG Berlin-Brandenburg 2. Dezember 2009 - 17 Sa 621/09 - zu II 1 der Gründe; Natzel NZA 2011, 77, 78; Powietzka/Rolf BUrlG § 1 Rn. 4). Insoweit handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch auf Erholungsurlaub, der auf verschiedenen Anspruchsgrundlagen beruht (vgl. AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. Bd. 2 § 7 BUrlG Rn. 53; Leinemann/Linck Urlaubsrecht 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 15; HWK/Schinz 5. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 14). Anders verhält es sich bei unterschiedlichen Urlaubsansprüchen, zB dem Anspruch auf Erholungsurlaub einerseits und dem Anspruch auf Bildungs- oder Sonderurlaub andererseits (vgl. BAG 1. Oktober 1991 - 9 AZR 290/90 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 68, 308; HWK/Schinz aaO).

13

b) Die Regelungen des § 366 BGB sind auch nicht analog mit dem Ergebnis anzuwenden, dass zunächst ausschließlich auf den den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigenden, nur tarifvertraglich begründeten Teil des Urlaubsanspruchs geleistet wird(aA ErfK/Gallner 12. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 54). Dies würde das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke voraussetzen. Eine solche Lücke ist nach dem Regelungsplan des Gesetzes nicht zu erkennen (vgl. Natzel NZA 2011, 77, 79). Die Unabdingbarkeit des gesetzlichen Urlaubsanspruchs spricht dafür, dass die Freistellung zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub - zumindest auch - in Bezug auf das Bundesurlaubsgesetz als Anspruchsgrundlage erfolgt (vgl. Leinemann/Linck § 7 BUrlG Rn. 15; AnwK-ArbR/Düwell § 7 BUrlG Rn. 53).

14

3. Der Urlaubsanspruch aus § 6 Ziff. 1 iVm. § 8 Ziff. 1 MTV, wonach der Erholungsurlaub in jedem Kalenderjahr für alle Arbeitnehmer 30 Arbeitstage beträgt, ist gegenüber dem gesetzlichen Anspruch auf Erholungsurlaub gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG kein eigenständiger Anspruch, soweit sich beide Ansprüche decken.

15

a) § 8 Ziff. 1 MTV differenziert schon seinem Wortlaut nach bei der Festlegung der Höhe des Urlaubsanspruchs nicht zwischen dem gesetzlichen Mindest- und dem tariflichen Mehrurlaub. Die Vorschrift bestimmt, dass der Urlaub für alle Arbeitnehmer 30 Arbeitstage beträgt. Dieser Urlaub soll erkennbar nicht zusätzlich zum gesetzlichen Erholungsurlaub gewährt werden, sondern schließt diesen mit ein.

16

b) Auch die sonstigen tariflichen Urlaubsregelungen des MTV enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass die in § 8 Ziff. 1 MTV angeordnete Urlaubsdauer sich erst aus der Addition zweier eigenständiger Urlaubsansprüche ergibt, nämlich dem gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch einerseits und einem diesen aufstockenden, gesonderten tariflichen Urlaubsanspruch andererseits. Aus der Regelung in § 7 Ziff. 7 MTV folgt nichts anderes. Danach wird der Anspruch auf bezahlten Urlaub zwar um so viele Tage gekürzt, wie der Arbeitnehmer seit seinem letzten Urlaub oder, falls er noch keinen Urlaub genommen hat, seit seinem Eintritt in den Betrieb unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben ist, jedoch darf der Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz nicht unterschritten werden. Die inhaltliche Differenzierung zwischen dem Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz und dem Mehrurlaub zwingt noch nicht zu der Annahme, dass, soweit sich die Urlaubsansprüche decken, zwei selbstständige Urlaubsansprüche nebeneinander bestehen. Hätten die Tarifvertragsparteien des MTV insoweit neben dem gesetzlichen Anspruch auf Erholungsurlaub einen eigenständigen tariflichen Urlaubsanspruch regeln wollen, hätte die Möglichkeit, den Urlaub zu kürzen, nicht in § 7 Ziff. 7 Satz 2 MTV eingeschränkt werden dürfen, sondern bereits in § 7 Ziff. 7 Satz 1 MTV auf den tariflichen Mehrurlaub beschränkt werden können und müssen, weil der gesetzliche Mindesturlaub gemäß § 13 Abs. 1 BUrlG nicht gekürzt werden darf. Dass den Tarifvertragsparteien Letzteres bewusst war, zeigt die Regelung in § 7 Ziff. 7 Satz 2 MTV. Wenn sie die Kürzungsregelung in § 7 Ziff. 7 Satz 1 MTV nicht auf den tariflichen Mehrurlaub bezogen und in § 7 Ziff. 7 Satz 2 MTV nur klargestellt haben, dass der Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz nicht unterschritten werden darf, wird daraus deutlich, dass sie von einem einheitlichen Urlaubsanspruch ausgegangen sind, soweit sich die gesetzlichen und tariflichen Urlaubsansprüche decken. Dieses Verständnis der Tarifvertragsparteien des MTV kommt zudem in der Formulierung: „Der Anspruch auf bezahlten Urlaub wird um so viel Tage gekürzt ...“, zum Ausdruck.

17

4. Der Annahme, dass es keiner Tilgungsbestimmung des Arbeitgebers bedarf und dieser mit der Freistellung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung sowohl den gesetzlichen als auch den übergesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Erholungsurlaub ganz oder teilweise erfüllt, wenn im Arbeits- oder Tarifvertrag nicht hinreichend deutlich zwischen gesetzlichem und übergesetzlichem Urlaub unterschieden wird, steht nicht entgegen, dass ein arbeits- oder tarifvertraglicher Mehrurlaub bezüglich seiner Entstehungsvoraussetzungen, seiner Übertragung, seiner Kürzung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, seines Verfalls oder seiner Abgeltung eigenen Regeln unterliegen kann (vgl. Natzel NZA 2011, 77, 78 f.). Diese Fragen sind jeweils getrennt zu betrachten (vgl. BAG 22. Mai 2012 - 9 AZR 618/10 - Rn. 24, NZA 2012, 987; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 27, BAGE 137, 328).

18

II. Die Beklagte ist auch nicht nach § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 8 Ziff. 1 MTV verpflichtet, tariflichen Mehrurlaub im Umfang von zehn Tagen abzugelten. Soweit der tarifliche Urlaubsanspruch nicht durch Freistellung erfüllt worden war, verfiel er noch vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9; im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie) gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln(vgl. EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 34 ff. mwN, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 8 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 9; BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 21, BAGE 137, 328). Diese Befugnis schließt die Befristung des Mehrurlaubs ein. Nach § 7 Ziff. 6 MTV erlosch der Urlaubsanspruch der Klägerin am 31. März 2008. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin noch nicht arbeitsunfähig erkrankt.

19

III. Die tariflichen Mehrurlaubsansprüche sind auch dann vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen, wenn zugunsten der Klägerin davon ausgegangen wird, dass bei der Beklagten die betriebliche Übung besteht, nach der Urlaubsansprüche entgegen der Regelung in § 7 Ziff. 6 MTV auch ohne das Vorliegen besonderer Übertragungsgründe nicht nur bis zum 31. März, sondern bis zum 31. Dezember des Folgejahres übertragen werden. Dabei kann unentschieden bleiben, ob eine solche betriebliche Übung bezüglich des gesetzlichen Mindesturlaubs mit § 13 Abs. 1 BUrlG vereinbar ist oder die grundsätzliche Bindung des Urlaubs an das Urlaubsjahr zulasten der Arbeitnehmer in unzulässiger Weise auflöst(zur Übertragung des Urlaubs durch betriebliche Übung bei Vorliegen von Übertragungsgründen: vgl. BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 200/04 - zu II 3 b bb der Gründe, AP InsO § 55 Nr. 11 = EzA BUrlG § 7 Nr. 114). Denn die noch nicht erfüllten tariflichen Mehrurlaubsansprüche aus dem Jahr 2007 verfielen jedenfalls mit Ablauf des Übertragungszeitraums am 31. Dezember 2008. Der nur aufgrund der Verlängerung des Übertragungszeitraums durch betriebliche Übung fortbestehende Urlaubsanspruch verfiel, obwohl die Klägerin zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig krank war.

20

Durch eine betriebliche Übung entstehen vertragliche Ansprüche (vgl. BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 200/04 - zu II 3 b aa der Gründe, AP InsO § 55 Nr. 11 = EzA BUrlG § 7 Nr. 114). Die Arbeitsvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und von § 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Mindestjahresurlaubsanspruch von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Ihre Regelungsmacht ist nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche erforderliche richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG beschränkt. Dem Verfall des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs steht nach dem klaren Richtlinienrecht und der gesicherten Rechtsprechung des EuGH kein Unionsrecht entgegen (vgl. BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 81 mwN, BAGE 130, 119). Insofern ist es vorliegend auch unerheblich, dass ein Übertragungszeitraum nach der Rechtsprechung des EuGH die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten muss (EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 38, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 41, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 8 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 9). Auch diese Rechtsprechung des EuGH ist nur von Bedeutung für den durch die Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten Mindestjahresurlaub von vier Wochen. Dieser Mindesturlaub ist der Klägerin teilweise gewährt worden und, soweit er nicht mehr gewährt werden konnte, ist die Beklagte vom Arbeitsgericht rechtskräftig zur Abgeltung dieses Urlaubs verurteilt worden. Durch die geltend gemachte betriebliche Übung wäre der Mehrurlaub bis zum 31. Dezember 2008, nicht jedoch darüber hinaus aufrechterhalten worden. Er wäre damit jedenfalls noch vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen, sodass ein Abgeltungsanspruch nicht entstehen konnte.

21

IV. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Urlaubsgeld für weitere zehn Urlaubstage aus dem Jahr 2007. Ist das Urlaubsgeld zum Urlaub und zur Urlaubsvergütung akzessorisch, wird es nur geschuldet, wenn auch ein Anspruch auf Urlaubsvergütung besteht (vgl. BAG 12. Oktober 2010 - 9 AZR 531/09 - Rn. 21, 25, BAGE 136, 46). Da der Anspruch der Klägerin auf weitere zehn Tage Urlaub spätestens am 31. Dezember 2008 verfiel, steht ihr auch ein Anspruch auf Urlaubsgeld für diese Tage nicht zu. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass das im MTV geregelte Urlaubsgeld zum Urlaub und zur Urlaubsvergütung akzessorisch ist. Die Tarifvertragsparteien haben die Akzessorietät von Urlaubsanspruch und Urlaubsgeld bereits im Wortlaut des § 9 MTV mit der Formulierung „zusätzliches Urlaubsgeld“ deutlich zum Ausdruck gebracht. Nach § 9 Ziff. 1 MTV ist das „zusätzliche Urlaubsgeld“ darüber hinaus ein Bestandteil der Urlaubsvergütung. Diese haben die Tarifvertragsparteien um das „zusätzliche Urlaubsgeld“ aufgestockt, indem sie festgelegt haben, dass der Urlaubsvergütung „100 % des Arbeitsentgelts plus 40 % zusätzliches Urlaubsgeld“ zugrunde zu legen sind.

22

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Neumann    

        

    Matth. Dipper    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 25. März 2014 - 7 Sa 423/13 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Aschaffenburg - vom 16. Mai 2013 - 5 Ca 295/13 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 1979 bei der Beklagten beschäftigt. Die Parteien wenden auf ihr Arbeitsverhältnis den Manteltarifvertrag für die chemische Industrie vom 24. Juni 1992 idF vom 16. März 2009 (MTV) an. Dort heißt es auszugsweise:

        

§ 12 

        

Urlaub

        

I.    

        

Urlaubsanspruch

        

…       

        

1.    

Der Arbeitnehmer hat für jedes Kalenderjahr Anspruch auf einen bezahlten Urlaub.

        

2.    

Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

        

…       

        
        

11.     

Der Urlaub ist spätestens bis 31. März des folgenden Kalenderjahres zu gewähren.

                 

Der Urlaubsanspruch erlischt, wenn er nicht bis dahin geltend gemacht worden ist.“

2

Die Regelung in § 12 Abschn. I Ziff. 11 MTV war bereits in dem Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in der chemischen Industrie vom 24. März 1979 unter § 12 Abschn. I Ziff. 10 wortgleich enthalten.

3

In einer gemeinsamen Erläuterung der Tarifvertragsparteien vom 23. März 1984 zu diesem Manteltarifvertrag heißt es dazu:

        

„§ 12 I Ziffer 10 Satz 1 des Manteltarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in der chemischen Industrie vom 24. März 1979 wird von den Manteltarifvertragsparteien wie folgt authentisch interpretiert:

                 

Nach übereinstimmender Auffassung der Tarifvertragsparteien regelt § 12 I Ziffer 10 Satz 1 MTV keine generelle Übertragbarkeit des Urlaubs. Vielmehr ist der Urlaub im jeweiligen Kalenderjahr zu nehmen bzw. zu gewähren. Ausnahmsweise ist eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr nur aus dringenden betrieblichen Gründen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen möglich.“

        
4

Der Kläger war ab Mitte Oktober 2010 bis zum 31. Mai 2011 ununterbrochen arbeitsunfähig krank. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er 27 Urlaubstage genommen. Er beantragte am 25. Oktober 2011 gegenüber der Beklagten, ihm in der Zeit vom 21. bis zum 30. November 2011 seine acht Resturlaubstage aus dem Jahr 2010 zu gewähren. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 28. Oktober 2011 ab.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die aus dem Jahr 2010 stammenden Urlaubsansprüche seien nicht am 31. März 2011 verfallen. Seine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit habe den Verfall gehindert. Insoweit sei von einem Gleichlauf von gesetzlichen und tarifvertraglichen Urlaubsansprüchen auszugehen. § 12 Abschn. I Ziff. 11 MTV enthalte hinsichtlich der Übertragbarkeit und des Verfalls des Urlaubs keine vom BUrlG abweichende Regelung.

6

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm Resturlaub aus dem Jahr 2010 iHv. acht Tagen zu gewähren.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der MTV habe ein eigenständiges, vom BUrlG abweichendes Fristenregime. Deshalb sei der tarifliche Urlaub des Klägers trotz seiner fortdauernden Arbeitsunfähigkeit spätestens am 31. März 2011 verfallen.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und den Urteilstenor geändert. Es hat festgestellt, dass der Kläger Anspruch auf acht Tage bezahlte Freistellung hat. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

9

A. Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass ihm aus dem Jahr 2010 weitere acht Ersatzurlaubstage zustehen.

10

I. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, dass ihm gegen die Beklagte noch aus dem Jahr 2010 resultierende Urlaubsansprüche zustehen (§ 256 Abs. 1 ZPO). Die Feststellungsklage ist nicht wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig (grundlegend BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 bis 15, BAGE 137, 328).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatzurlaub von acht Tagen gemäß § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Seine Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2010 waren verfallen, bevor Verzug hätte eintreten können.

12

1. Zu Beginn seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Mitte Oktober 2010 standen dem Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gegenüber der Beklagten noch acht Urlaubstage zu.

13

2. Entgegen der Auffassung des Klägers sind diese Urlaubsansprüche am 31. März 2011 verfallen.

14

a) Der aus dem Jahr 2010 stammende Urlaub hätte - soweit es den gesetzlichen Mindesturlaub betrifft - unbeschadet des Umstands, dass der Übertragungszeitraum grundsätzlich am 31. März 2011 endete (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG), fortbestanden. Aufgrund der Vorgaben des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) ist § 7 Abs. 3 BUrlG unionsrechtskonform dahin gehend auszulegen, dass der gesetzliche Urlaub nicht vor Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums krank und deshalb arbeitsunfähig ist(grundlegend BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 23 ff., BAGE 142, 371). Da die Arbeitsunfähigkeit des Klägers von Mitte Oktober 2010 bis zum 31. Mai 2011 und somit über den 31. März 2011 fortdauerte, wäre der gesetzliche Urlaub aus dem Jahr 2010 in das Jahr 2011 übertragen worden.

15

b) Diese Grundsätze gelten nicht für den hier streitgegenständlichen tariflichen Mehrurlaub. Dieser ging trotz der Arbeitsunfähigkeit des Klägers gemäß § 12 Abschn. I Ziff. 11 MTV am 31. März 2011 unter. Die Parteien wenden den MTV auf ihr Arbeitsverhältnis an.

16

c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts streiten die Parteien nicht über den gesetzlichen Mindest-, sondern über tariflichen Mehrurlaub.

17

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe mit der Gewährung des Urlaubs vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit des Klägers den tariflichen Urlaubsanspruch analog § 366 Abs. 2 BGB erfüllt, da eine Leistungsbestimmung nicht erfolgt sei. Dies widerspricht der Rechtsprechung des Senats. Mit der Urlaubsgewährung im Jahr 2010 brachte die Beklagte den gesetzlichen und teilweise den tariflichen Urlaubsanspruch gemäß § 362 Abs. 1 BGB zum Erlöschen.

18

bb) Wenn eine arbeits- oder tarifvertragliche Regelung hinsichtlich des Umfangs des Urlaubsanspruchs nicht zwischen gesetzlichen und arbeits- oder tarifvertraglichen Urlaubsansprüchen unterscheidet und den Arbeitnehmern einen über den gesetzlichen Anspruch hinausgehenden Anspruch auf Erholungsurlaub einräumt, kommt entgegen der Rechtsansicht des Landesarbeitsgerichts ein Rückgriff auf die Auslegungsregel in § 366 Abs. 2 BGB ebenso wenig in Betracht wie eine analoge Anwendung dieser Vorschrift. Es handelt sich um einen einheitlichen Anspruch auf Erholungsurlaub, der auf verschiedenen Anspruchsgrundlagen (Anspruchsgrundlagenhäufung) beruht, und nicht um selbstständige Urlaubsansprüche (BAG 7. August 2012 - 9 AZR 760/10 - Rn. 12, BAGE 143, 1).

19

cc) Der tarifliche Urlaubsanspruch des Klägers ist nach diesen Grundsätzen gegenüber dem gesetzlichen Anspruch auf Erholungsurlaub gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG kein eigenständiger Anspruch, soweit sich beide Ansprüche decken.

20

(1) Der MTV differenziert schon seinem Wortlaut nach bei der Festlegung der Höhe des Urlaubsanspruchs nicht zwischen dem gesetzlichen Mindest- und dem tariflichen Mehrurlaub. Der tarifliche Urlaub soll erkennbar nicht zusätzlich zum gesetzlichen Erholungsurlaub gewährt werden, sondern schließt diesen mit ein.

21

(2) Auch die sonstigen tariflichen Urlaubsregelungen des MTV enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass die im MTV angeordnete Urlaubsdauer sich erst aus der Addition zweier eigenständiger Urlaubsansprüche ergibt, nämlich dem gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch einerseits und einem diesen aufstockenden, gesonderten tariflichen Urlaubsanspruch andererseits.

22

(3) Der Annahme, dass es keiner Tilgungsbestimmung des Arbeitgebers bedarf und dieser mit der Freistellung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung sowohl den gesetzlichen als auch den übergesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Erholungsurlaub ganz oder teilweise erfüllt, wenn im Arbeits- oder Tarifvertrag nicht hinreichend deutlich zwischen gesetzlichem und übergesetzlichem Urlaub unterschieden wird, steht nicht entgegen, dass ein arbeits- oder tarifvertraglicher Mehrurlaub bezüglich seiner Entstehungsvoraussetzungen, seiner Übertragung, seiner Kürzung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, seines Verfalls oder seiner Abgeltung eigenen Regeln unterliegen kann. Diese Fragen sind jeweils getrennt zu betrachten (vgl. BAG 22. Mai 2012 - 9 AZR 618/10 - Rn. 24, BAGE 141, 374).

23

(4) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Frage, ob § 366 Abs. 2 BGB auf Urlaubsansprüche anzuwenden ist, werde vom Senat nicht einheitlich beantwortet, geht sein Hinweis auf die Entscheidungen vom 16. Juli 2013 (- 9 AZR 914/11 -) und 15. Oktober 2013 (- 9 AZR 302/12 -) fehl. In diesen Entscheidungen ging es nicht um die Erfüllung von gesetzlichen und tariflichen Urlaubsansprüchen, sondern um eine (etwaige) Tilgungsbestimmung des Arbeitgebers iSv. § 366 Abs. 1 BGB bei der Zahlung von Urlaubsabgeltung.

24

d) Dem Untergang des tariflichen Mehrurlaubs am 31. März 2011 steht die bis zum 31. Mai 2011 andauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht entgegen.

25

aa) Die Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln(vgl. EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 34 ff. mwN; BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 21, BAGE 137, 328). Diese Befugnis schließt die Befristung des tariflichen Mehrurlaubs ein (BAG 7. August 2012 - 9 AZR 760/10 - Rn. 18, BAGE 143, 1). Die Tarifvertragsparteien des MTV haben von dieser Regelungsbefugnis Gebrauch gemacht.

26

bb) Für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, den tariflichen Mehrurlaub einem eigenen, von dem des gesetzlichen Mindesturlaubs abweichenden Fristenregime zu unterstellen, müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen solche, ist von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub auszugehen. Ein Gleichlauf ist nicht gewollt, wenn die Tarifvertragsparteien entweder bei der Befristung und Übertragung bzw. beim Verfall des Urlaubs zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichem Mehrurlaub unterschieden oder sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige, vom BUrlG abweichende Regelungen zur Befristung und Übertragung bzw. zum Verfall des Urlaubsanspruchs getroffen haben (BAG 22. Mai 2012 - 9 AZR 575/10 - Rn. 12).

27

cc) Die Tarifvertragsparteien des MTV haben den tariflichen Mehrurlaub einem eigenständigen, vom BUrlG abweichenden Fristenregime unterstellt.

28

(1) Nach dem Wortlaut des § 12 Abschn. I Ziff. 11 MTV ist der Urlaub bis spätestens 31. März des folgenden Jahres zu gewähren (Satz 1) und erlischt, wenn er nicht bis dahin geltend gemacht worden ist (Satz 2). Damit wird der Wille der Tarifvertragsparteien deutlich, der Arbeitnehmer könne seinen Urlaub ohne besondere Gründe und ohne die Notwendigkeit der Übertragung vom 1. Januar eines Kalenderjahres bis zum 31. März des Folgejahres geltend machen. Dies ist eine wesentliche Abweichung von § 7 Abs. 3 Satz 1 bis 3 BUrlG. Nach dessen Regime geht der nicht genommene Urlaub grundsätzlich am 31. Dezember des Urlaubsjahres unter und wird nur bei Vorliegen der gesetzlichen Übertragungsgründe bis zum 31. März des Folgejahres übertragen. Damit unterscheidet sich die tarifliche Regelung von der des BUrlG insoweit, als der Urlaubsanspruch ohne Übertragungsvoraussetzungen und ohne Übertragungsnotwendigkeit zumindest bis zum 31. März des Folgejahres besteht (so schon zum gleichlautenden § 12 Abschn. I Ziff. 10 MTV vom 22. Februar 1973 idF vom 1. Juli 1975 BAG 13. Mai 1982 - 6 AZR 12/80 - zu B I 4 b der Gründe) und genommen werden kann. Insofern unterscheidet sich die tarifliche Regelung des MTV von einer anderen tariflichen Regelung, bei der der Senat einen Gleichlauf angenommen hat. Dort hat der Tarifvertrag nicht auf eine Übertragung, sondern ausschließlich auf das Vorliegen von Übertragungsgründen verzichtet (BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 29 ff., BAGE 137, 328).

29

(2) Diese Auslegung widerspricht der gemeinsamen Erläuterung der Tarifvertragsparteien vom 23. März 1984 zu § 12 Abschn. I Ziff. 10 Satz 1 MTV vom 24. März 1979. Diese haben die Tarifregelung entgegen dem Wortlaut „authentisch interpretiert“. Es solle keine generelle Übertragbarkeit des Urlaubs geregelt sein. Der Urlaub sei vielmehr im jeweiligen Kalenderjahr zu nehmen. Eine Übertragung in das nächste Kalenderjahr sei nur aus dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen möglich. Diese Interpretation der Tarifvertragsparteien entspricht § 7 Abs. 3 Satz 1 bis 3 BUrlG und würde zu einem Gleichlauf zwischen gesetzlichem und tariflichem Urlaub führen. Für die Tarifauslegung kann diese gemeinsame Erläuterung jedoch nicht herangezogen werden.

30

(a) Gemeinsame Erläuterungen können für die Auslegung eines Tarifvertrags Bedeutung gewinnen. Auch wenn ihnen selbst nicht der Charakter einer Tarifnorm zukommt, kann ihr Inhalt zur Ergänzung und Bestätigung einer Tarifauslegung herangezogen werden (BAG 19. Juni 1974 - 4 AZR 436/73 - BAGE 26, 198). Ein hieraus ersichtlicher Wille der Tarifvertragsparteien muss jedoch stets im Tarifwerk selbst einen objektiven Niederschlag gefunden haben. Der Inhalt gemeinsamer Erläuterungen darf nicht im Widerspruch zum Wortlaut und Sinn des Tarifvertrags stehen (BAG 5. Dezember 2001 - 10 AZR 242/01 - zu II 1 e der Gründe).

31

(b) So ist es hier. Der Inhalt der gemeinsamen Erläuterung steht im Widerspruch zum Wortlaut des § 12 Abschn. I Ziff. 10 Satz 1 MTV vom 24. März 1979 sowie zu dem des § 12 Abschn. I Ziff. 11 Satz 1 MTV. Danach ist der Urlaub bis spätestens 31. März des folgenden Kalenderjahres zu gewähren. Die Notwendigkeit der Übertragung des Urlaubs in das folgende Kalenderjahr hat im Wortlaut keinen Niederschlag gefunden. Dies gilt erst recht für das Erfordernis betrieblicher oder in der Person des Arbeitnehmers liegender Übertragungsgründe. Zudem haben die Tarifvertragsparteien davon Abstand genommen, ihre gemeinsame Erläuterung in den nachfolgenden Manteltarifverträgen umzusetzen. Dies könnte so auszulegen sein, dass sie hiervon wieder Abstand genommen haben.

32

(c) Im Übrigen haben die Tarifvertragsparteien lediglich § 12 Abschn. I Ziff. 10 Satz 1 MTV vom 24. März 1979 interpretiert, nicht aber dessen Satz 2. Danach erlischt der Urlaubsanspruch, wenn er nicht bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres geltend gemacht worden ist. Der Wortlaut von § 12 Abschn. I Ziff. 10 Satz 2 MTV vom 24. März 1979 spricht sogar dafür, dass der Urlaub nicht bis zum 31. März des Folgejahres genommen sein muss, sondern auch dann nicht erlischt, wenn er bis zum 31. März des Folgejahres, wenn auch für einen nachfolgenden Zeitraum, geltend gemacht wird (offengelassen für den gleichlautenden MTV vom 22. Februar 1973 idF vom 1. Juli 1975 in BAG 13. Mai 1982 - 6 AZR 12/80 - zu B I 4 b der Gründe). Damit reicht es aus, dass der Urlaub bis zu diesem Zeitpunkt verlangt wird. Demgegenüber muss er nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden.

33

e) Der Kläger machte seine streitgegenständlichen Resturlaubsansprüche aus dem Kalenderjahr 2010 erst im Oktober 2011 geltend. Zu diesem Zeitpunkt waren sie gemäß § 12 Abschn. I Ziff. 11 Satz 2 MTV bereits verfallen. Ersatzurlaubsansprüche aus Verzug konnten nicht entstehen.

34

B. Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Brühler    

        

    Klose     

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Brühler    

        

    H. Anthonisen     

                 

(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.

(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 19. November 2012 - 7 Sa 16/12 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 21. Dezember 2011 - 8 Ca 168/11 - teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Klägerin aus dem Jahr 2010 acht Urlaubstage als Ersatzurlaub zustehen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu 8/11, die Klägerin zu 3/11 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin aus dem Jahr 2010 elf Urlaubstage als Ersatzurlaub zustehen.

2

Die Klägerin ist seit dem 15. Februar 2009 bei der Beklagten als Bäckereifachverkäuferin zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt ca. 1.586,00 Euro im Rahmen einer Sechstagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand bis zum 31. Mai 2013 kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten einschließlich der Auszubildenden in Betrieben des Bäckerhandwerks in Schleswig-Holstein und Hamburg vom 16. September 2005 Anwendung (im Folgenden: MTV), in dessen § 11 ua. geregelt ist:

        

        

„…    

                 

9.    

Der Erholungsurlaub ist zusammenhängend zu gewähren, wenn nicht wichtige betriebliche oder persönliche Gründe entgegenstehen.

                          

Wird der Urlaub in der Zeit vom 1. Juni bis 30. September genommen, können jedoch zusammenhängend nur 3 Wochen beansprucht werden.

                          

Der in einem Urlaubsjahr nicht gewährte Urlaub kann auf das nächste Urlaubsjahr nur übertragen werden, wenn die Gewährung aus außergewöhnlichen betrieblichen Gründen bis zum Ablauf des alten Urlaubsjahres nicht möglich war.

                          

Der Urlaubsanspruch erlischt drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht worden ist.

                 

…“    

        
3

Nach dem MTV hatte die Klägerin im Jahr 2010 einen Urlaubsanspruch von 27 Werktagen. Davon nahm sie im Urlaubsjahr 16 Tage in Anspruch. Die restlichen elf Tage konnte sie aufgrund einer Erkrankung in der Zeit vom 22. November 2010 bis zum 7. Januar 2011 nicht in Anspruch nehmen. Betriebliche Gründe standen der Gewährung des Urlaubsanspruchs nicht entgegen.

4

Die Klägerin machte mit dem Urlaubsantrag vom 15. Februar 2011 und mit den Schreiben vom 20. Februar 2011 und 1. März 2011 den Resturlaub von elf Tagen aus dem Jahr 2010 erfolglos geltend.

5

Mit ihrer am 13. April 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Gewährung von elf Urlaubstagen aus dem Jahr 2010 begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, § 11 Ziff. 9 MTV widerspreche den unionsrechtlichen Vorgaben zum Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Der nicht in Anspruch genommene Urlaub aus dem Jahr 2010 sei daher entsprechend § 7 Abs. 3 BUrlG in das Folgejahr übertragen worden.

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass ihr restliche elf Urlaubstage aus dem Jahr 2010 zustehen,

                 

hilfsweise

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihr für das Jahr 2010 restliche elf Urlaubstage zu gewähren.

7

Zu ihrem Klageabweisungsantrag hat die Beklagte die Auffassung vertreten, Urlaubsansprüche der Klägerin aus dem Jahr 2010 seien mit Ablauf des 31. Dezember 2010 erloschen. Die Regelung in § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV stehe zwar nicht im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben, dies sei aber nach dem deutschen Urlaubsrecht unerheblich. Eine richtlinienkonforme Auslegung des MTV oder des Bundesurlaubsgesetzes komme nicht in Betracht. Eine unmittelbare Geltung des Unionsrechts zwischen Privaten sei nicht gegeben.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist teilweise begründet. Soweit die Klägerin die Feststellung eines (Ersatz-)Urlaubsanspruchs aus dem Jahr 2010 im Umfang von acht Tagen begehrt, hat das Landesarbeitsgericht ihre Berufung zu Unrecht zurückgewiesen.

10

A. Der Hauptantrag ist zulässig und teilweise begründet.

11

I. Der Feststellungsantrag ist zulässig.

12

1. Er bedarf der Auslegung. Die Klägerin begehrt die Feststellung des Bestehens eines Urlaubsanspruchs aus einem in der Vergangenheit liegenden Urlaubsjahr. Ein solcher Antrag ist dahin gehend zu verstehen, dass von ihm sowohl der Urlaubsanspruch als Primäranspruch erfasst wird als auch ggf. ein Schadensersatzanspruch auf Gewährung von Urlaub (vgl. BAG 11. Juli 2006 - 9 AZR 535/05 - Rn. 15). Da die Beklagte den Anspruch auf Urlaubstage aus dem Jahr 2010 als Ersatzurlaub in Abrede stellt, besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

13

2. Dem Feststellungsbegehren steht auch nicht der Vorrang der Leistungsklage entgegen. Zwar zeigt der Hilfsantrag, dass sich das Klagebegehren grundsätzlich auch in einen Leistungsantrag fassen lässt. Im Hinblick auf die voranschreitende Zeit lässt sich jedoch im Rahmen des Leistungsantrags der Zeitpunkt des Urlaubsbeginns nicht festlegen. Insofern ist ein solcher Leistungsantrag regelmäßig so zu verstehen, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Festlegung des Urlaubszeitraums überlässt (vgl. ErfK/Gallner 14. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 31 f. mwN). Dies steht jedoch im Widerspruch zum gesetzlichen Modell des § 7 Abs. 1 BUrlG. Der Arbeitnehmer darf auch nicht über das Prozessrecht dazu gezwungen werden, die Bestimmung der Lage des Urlaubs allein dem Arbeitgeber zu überlassen. Vor diesem Hintergrund ist der Leistungsantrag auf Gewährung einer bestimmten Anzahl von Urlaubstagen nicht vorrangig gegenüber dem Feststellungsantrag (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 15, BAGE 137, 328).

14

II. Das Feststellungsbegehren ist im Umfang von acht Werktagen begründet. Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch wurde - soweit er nicht durch Urlaubsgewährung erfüllt worden ist - gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG in das Folgejahr übertragen. Insoweit konnten die Tarifvertragsparteien - anders als in Bezug auf den tariflichen Mehrurlaub - die gesetzliche Regelung zur Übertragungsfrist nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer abändern. Der übertragene Urlaubsanspruch ist nach der Genesung der Klägerin zwar am 31. März 2011 untergegangen, an seine Stelle trat jedoch ein entsprechender Schadensersatzanspruch auf Urlaub, der weiterhin besteht.

15

1. Der gesetzliche Mindesturlaub wurde im Umfang von acht Werktagen in das Jahr 2011 übertragen.

16

a) Der in einer Sechstagewoche beschäftigten Klägerin stand am 31. Dezember 2010 noch ein gesetzlicher Urlaubsanspruch in Höhe von acht Tagen zu. Die Klägerin hatte zu Beginn des Jahres 2010 gemäß den §§ 1, 3 Abs. 1, § 4 BUrlG einen Urlaubsanspruch im Umfang von 24 Werktagen erworben. Die Beklagte gewährte der Klägerin 16 Urlaubstage. Mit der Gewährung des Urlaubs wurde auch der gesetzliche Urlaubsanspruch in diesem Umfang erfüllt (vgl. BAG 7. August 2012 - 9 AZR 760/10 - Rn. 11 ff., BAGE 143, 1), sodass ein Resturlaubsanspruch von acht Tagen verblieb.

17

b) Diese acht Werktage gesetzlicher Urlaub sind nicht am 31. Dezember 2010 untergegangen, sondern wurden in das erste Quartal des Folgejahres übertragen. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG wird der Urlaub in das nächste Kalenderjahr übertragen, wenn in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ist der typische Fall des personenbedingten Grundes, der der Inanspruchnahme von Urlaub entgegenstehen kann (vgl. BAG 13. Mai 1982 - 6 AZR 360/80 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 39, 53; Arnold/Tillmanns/Arnold BUrlG 3. Aufl. § 7 Rn. 123). Die Klägerin konnte aufgrund einer Erkrankung in der Zeit vom 22. November 2010 bis zum 7. Januar 2011 den Urlaub nicht in Anspruch nehmen.

18

c) Der Übertragung des noch bestehenden gesetzlichen Urlaubsanspruchs in das Folgejahr steht der MTV nicht entgegen. § 7 Abs. 3 BUrlG ist durch § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV nicht wirksam dahin gehend abgeändert worden, dass der nicht gewährte gesetzliche Urlaub auf das nächste Jahr nur übertragen werden kann, wenn die Gewährung aus außergewöhnlichen betrieblichen Gründen bis zum Ablauf des alten Urlaubsjahres nicht möglich war. Die Tarifnorm widerspricht § 13 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 1, 2, 3 Abs. 1 BUrlG und ist insofern unwirksam.

19

aa) Zwar ist § 7 Abs. 3 BUrlG in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht bei den Normen genannt, von denen in Tarifverträgen nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden darf. Es ist jedoch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass auch von den anderen Vorschriften des BUrlG in Tarifverträgen nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden darf, soweit sich ihr Regelungsgehalt bereits unmittelbar aus den §§ 1, 2 und § 3 Abs. 1 BUrlG ergibt. So hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts mit Urteil vom 10. Februar 1987 (- 8 AZR 529/84 - zu 3 a der Gründe, BAGE 54, 184) entschieden, dass eine tarifliche Regelung, nach der Abgeltungsansprüche nur entstehen, wenn der Urlaub vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betrieblichen Gründen nicht gewährt werden konnte, unwirksam ist, soweit durch sie der Urlaubsabgeltungsanspruch im Umfange des gesetzlichen Urlaubs nach den §§ 1, 3 BUrlG und § 44 SchwbG gemindert wird, obwohl auch § 7 Abs. 4 BUrlG in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht genannt ist(vgl. auch BAG 15. Dezember 2009 - 9 AZR 887/08 - Rn. 15 und 15. Januar 2013 - 9 AZR 465/11 - Rn. 20 mwN [zur Berechnung des Urlaubsentgelts]; 29. November 1984 - 6 AZR 238/82 - zu 2 a der Gründe, BAGE 47, 268 [zur Urlaubsabgeltung beim Übergang vom Ausbildungs- zum Arbeitsverhältnis]; 8. März 1984 - 6 AZR 442/83 - zu 1 b der Gründe, BAGE 45, 199 und zuletzt 18. Februar 2014 - 9 AZR 765/12 - Rn. 13 mwN [zur Zwölftelung des Urlaubs bei Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte]; vgl. zu weiteren Beispielen Arnold/Tillmanns/Zimmermann § 13 Rn. 53 ff.). In solchen Fällen greift die abweichende Tarifnorm im Ergebnis (mittelbar) in den Regelungsbereich der §§ 1, 2 und § 3 Abs. 1 BUrlG ein und ist damit insoweit unwirksam.

20

bb) Indem der MTV keinen Übertragungszeitraum für den Fall vorsieht, dass der Arbeitnehmer den Urlaub im Urlaubsjahr ohne sein Verschulden nicht in Anspruch nehmen konnte, greift der Tarifvertrag in das durch § 1 BUrlG gewährte Recht auf bezahlten Jahresurlaub ein. Dies ergibt die richtlinienkonforme Auslegung der §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG(ähnlich Arnold/Tillmanns/Zimmermann § 13 Rn. 61; vgl. auch ErfK/Gallner § 13 BUrlG Rn. 13).

21

(1) Entgegen der Auffassung der Revision kann es offenbleiben, ob und ggf. wie der in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Art. 31 Abs. 2 verankerte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub zwischen den Parteien unmittelbare Wirkung entfaltet(vgl. dazu Vorlage der Cour de cassation an den EuGH vom 10. Juni 2013, anhängig unter - C-316/13 - [Fenoll] mit Anm. Stiebert/Schmidt ZESAR 2013, 413, dazu Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi vom 12. Juni 2014, wo unter Rn. 60 auf die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak in der Sache - C-282/10 - [Dominguez] Bezug genommen wird). Die Frage, ob eine nationale Bestimmung wegen ihrer Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht unangewendet bleiben muss, stellt sich nur dann, wenn eine unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist (EuGH 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 23; BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 30, BAGE 142, 371; vgl. Wißmann FS Bepler 2012 S. 649, 654). Ermöglicht es das nationale Recht durch Anwendung seiner Auslegungsmethoden, eine innerstaatliche Bestimmung so auszulegen, dass eine Kollision mit einer anderen Norm innerstaatlichen Rechts vermieden wird, sind die nationalen Gerichte verpflichtet, die gleichen Methoden anzuwenden, um das von der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 58 mwN, BAGE 130, 119; vgl. auch EuGH 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 24 mwN). Mehrere mögliche Auslegungsmethoden sind daher hinsichtlich des Richtlinienziels bestmöglich anzuwenden im Sinne eines Optimierungsgebots (BVerfG 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 2 BvR 469/07 - Rn. 46, BVerfGK 19, 89). Allerdings unterliegt der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts Schranken. Die Pflicht zur Verwirklichung eines Richtlinienziels im Auslegungsweg findet zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten (BVerfG 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 2 BvR 469/07 - Rn. 47, aaO). Sie darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (EuGH 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 25 mwN; BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 31, BAGE 142, 371; 17. November 2009 - 9 AZR 844/08 - Rn. 26, BAGE 132, 247).

22

(2) Der Inhalt des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9, im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie) ist, soweit vorliegend von Bedeutung, durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 26, Slg. 2011, I-11757; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff ua.] Rn. 43, Slg. 2009, I-179). Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie steht zwar grundsätzlich einer nationalen Regelung nicht entgegen, die für die Ausübung des mit dieser Richtlinie ausdrücklich verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten vorsieht, die sogar den Verlust dieses Anspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums umfassen. Allerdings hat der EuGH dieser grundsätzlichen Feststellung die Voraussetzung hinzugefügt, dass der Arbeitnehmer, dessen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erloschen ist, grundsätzlich tatsächlich die Möglichkeit gehabt haben muss, den ihm mit der Richtlinie verliehenen Anspruch auszuüben. Das nationale Recht kann aber Übertragungszeiträume vorsehen, an deren Ende auch bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit der Urlaubsanspruch entfällt. Ein solcher Übertragungszeitraum muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten (EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 41; 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 38, aaO). Die Regelung des § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV steht nicht im Einklang mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben. Dies sieht auch die Beklagte so.

23

(3) Im Hinblick auf die dargestellte Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass tarifliche Regelungen, die bei fortbestehender Krankheit einen Verfall des unionsrechtlich geschützten Mindesturlaubsanspruchs vor Ablauf des gebotenen Übertragungszeitraums vorsehen, gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1, § 1 BUrlG unwirksam sind(vgl. BAG 12. November 2013 - 9 AZR 551/12 - Rn. 10; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 27, BAGE 137, 328). Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist § 13 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 1, 2, 3 Abs. 1 BUrlG richtlinienkonform auszulegen. Zwar enthalten die §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG keine ausdrückliche Regelung zur Übertragbarkeit und zum Verfall von Urlaubsansprüchen. Diese nationalen Normen entsprechen jedoch weitgehend der Regelung des Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie, wonach die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. Nach Auffassung des EuGH gehört die Festlegung eines Übertragungszeitraums zu den Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub und fällt somit grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff ua.] Rn. 42, Slg. 2009, I-179). Allerdings stellt es eine unzulässige Beeinträchtigung des Rechts auf bezahlten Urlaub dar, wenn der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder am Ende eines zu kurzen Übertragungszeitraums verfallen kann, ohne dass der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, ihn in Anspruch zu nehmen (EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff ua.] Rn. 45, aaO). Der durch die §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG gewährte Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub im Umfang von 24 Werktagen ist nach Inhalt und Umfang richtlinienkonform so zu verstehen wie der durch die Arbeitszeitrichtlinie in Art. 7 Abs. 1 gewährte Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen. Damit folgt im deutschen Recht aus § 13 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch von 24 Werktagen durch eine tarifliche Regelung grundsätzlich nicht am Ende des Urlaubsjahres verfallen darf, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich nicht die Möglichkeit hatte, ihn in Anspruch zu nehmen.

24

Eine solches richtlinienkonformes Verständnis von § 13 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG ist nicht contra legem. Zwar lässt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG ableiten, dass die Tarifvertragsparteien grundsätzlich auch die Vorgaben des § 7 Abs. 3 BUrlG zulasten der Arbeitnehmer abändern können sollen. Der Gesetzgeber hat dieses sogenannte Vorrangprinzip der Tarifautonomie bewusst aufgestellt, ein Günstigkeitsvergleich ist nicht durchzuführen (vgl. BAG 9. Juli 1964 - 5 AZR 463/63 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 16, 155). Jedoch ist nicht erkennbar, dass der gesetzgeberische Wille auch die Möglichkeit umfasste, die Übertragbarkeit des Urlaubs bei vom Arbeitnehmer unverschuldeter Unmöglichkeit der Inanspruchnahme des Urlaubs tarifvertraglich ausschließen zu können.

25

(4) § 11 Ziff. 9 MTV sieht eine Ausnahme für die Fälle der unverschuldeten Unmöglichkeit der Inanspruchnahme des Urlaubs im Urlaubsjahr nicht vor. Er ist damit jedenfalls insoweit unwirksam, als er „nur“ dann eine Übertragung in das Folgejahr zulässt, wenn die Gewährung des Urlaubs aus außergewöhnlichen betrieblichen Gründen bis zum Ablauf des Urlaubsjahres nicht möglich war. Insofern haben die Tarifvertragsparteien die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG nicht wirksam zulasten der Arbeitnehmer abgeändert. Der am 31. Dezember 2010 noch bestehende gesetzliche Urlaubsanspruch konnte von der Klägerin daher noch bis zum 31. März 2011 in Anspruch genommen werden.

26

2. Der übertragene Urlaubsanspruch ist zwar am 31. März 2011 untergegangen. Der Klägerin steht jedoch ein Anspruch auf Gewährung von acht Tagen Urlaub unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zu. Die Beklagte befand sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug und ist gemäß § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB verpflichtet, der Klägerin acht Werktage Ersatzurlaub für verfallenen Urlaub aus dem Jahr 2010 zu gewähren. Die Klägerin hat den Urlaub rechtzeitig geltend gemacht. Die Beklagte hat die Gewährung des Urlaubs verweigert.

27

III. Soweit die Klägerin die Feststellung des Bestehens eines Anspruchs auf weitere drei Urlaubstage begehrt, ist die Klage unbegründet.

28

1. Zwar stand der Klägerin im Jahr 2010 ein tariflicher Urlaubsanspruch von 27 Werktagen zu, der nur im Umfang von 16 Tagen durch bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung erfüllt worden war, sodass über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinaus drei weitere Tage tariflicher Mehrurlaub am 31. Dezember 2010 bestanden.

29

2. Der tarifliche Mehrurlaubsanspruch ist - anders als der gesetzliche Urlaubsanspruch - mit dem 31. Dezember 2010 gemäß § 11 Ziff. 9 MTV untergegangen.

30

a) Die unionsrechtlichen Vorgaben betreffen ausschließlich den gesetzlichen Urlaubsanspruch von vier Wochen. Die Tarifvertragsparteien können Urlaubsansprüche, die darüber hinausgehen, frei regeln (vgl. EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 34 ff. mwN; BAG 12. November 2013 - 9 AZR 551/12 - Rn. 10 mwN). Ihre Regelungsmacht schließt die Befristung des Mehrurlaubs ein. Unionsrecht steht einem tariflich angeordneten Verfall des Mehrurlaubs nicht entgegen. Eine Vorlage an den EuGH zwecks Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV ist deshalb nicht erforderlich.

31

b) Indem § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV „nur“ dann eine Übertragung in das Folgejahr zulässt, wenn die Gewährung aus außergewöhnlichen betrieblichen Gründen bis zum Ablauf des Urlaubsjahres nicht möglich war, ist klar zum Ausdruck gebracht, dass die gesetzliche Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG insoweit nicht zur Anwendung kommen soll, als dort eine Übertragung auch für den Fall vorgesehen ist, dass der Urlaub aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen nicht in Anspruch genommen werden konnte. Nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien sollte (auch) der tarifliche Urlaubsanspruch untergehen, wenn er im Urlaubsjahr aus krankheitsbedingten Gründen nicht in Anspruch genommen werden konnte. Nach der Konzeption des MTV soll der Arbeitnehmer das Risiko tragen, dass der Anspruch auf Mehrurlaub infolge Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllbar ist.

32

c) Unerheblich ist, dass die eigenständige Tarifregelung im Hinblick auf den gesetzlichen Mindesturlaub unwirksam ist. Für den vom gesetzlichen Urlaub abtrennbaren Teil der einheitlich geregelten Gesamturlaubsdauer, den tariflichen Mehrurlaub, bleibt sie wirksam (st. Rspr., vgl. BAG 12. November 2013 - 9 AZR 551/12 - Rn. 13; 22. Mai 2012 - 9 AZR 618/10 - Rn. 18, BAGE 141, 374).

33

B. Der Hilfsantrag ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Er ist nur für den Fall gestellt, dass der Hauptantrag als unzulässig abgewiesen wird. Dies hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

34

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Neumann    

        

    Mehnert    

                 

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen. § 281 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 5 findet entsprechende Anwendung.

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.

(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 21.07.2015 - 3 Ca 733/14 - teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 4.828,61 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.03.2014 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien je zu Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren nur noch über Ansprüche auf Überstundenvergütung sowie Urlaubsabgeltung für das Jahr 2013.

2

Die Klägerin war vom 10.12.2009 bis zum 28.02.2014 auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags (Bl. 7 - 11 d. A.) zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.500,-- € beim Beklagten als Pflegedienstleiterin beschäftigt. Ausweislich des Arbeitsvertrags war eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden und eine monatliche Arbeitszeit von 173 Stunden vereinbart. Die Arbeit erfolgte nach Dienstplan. Vereinbart waren ferner 30 Arbeitstage Jahresurlaub.

3

Die Beklagte betreibt zwei Pflegeeinrichtungen: Das „Haus M.“ (HM) und das Haus „U. V.“ (UV). In den Jahren 2013 und 2014 wurde der Klägerin kein Urlaub gewährt. Die Beklagte zahlte an die Klägerin insgesamt 1.500,-- € aus, von denen sich die Klägerin 1.000,-- € auf die hier geltend gemachten Ansprüche anrechnen lässt.

4

Mit Teil-Urteil vom 14.10.2014 hat das Arbeitsgericht den Beklagten verurteilt, der Klägerin die sie betreffenden Teile der Dienstpläne des HM für das Jahr 2013 auszuhändigen. Nach Aushändigung hat die Klägerin ihr Zahlungsbegehren im Wesentlichen mit folgendem Vortrag begründet:

5

Aus den Dienstplänen der Einrichtung UV ergebe sich im Zeitraum von Januar 2012 bis Dezember 2013 ein Stundenplus von 334,16. Hierfür verlange sie ausgehend von einem Stundenlohn von 14,88 € Vergütung in Höhe von 4.934,80 €. Für das HM ergäben sich aus den Dienstplänen für das Jahr 2013 weitere 91,68 Überstunden, wofür ihr weitere 1.364,19 € zustünden.

6

Die Überstunden im Jahr 2012 seien erforderlich gewesen, weil im Mai 2012 die Kündigung der Versorgungsverträge der Einrichtungen gedroht habe und sie die Unterlagen zur Aufrechterhaltung der Betriebserlaubnis habe erstellen müssen. Daneben habe sie im pflegerischen Bereich immer wieder für ausgefallene Fachkräfte einspringen müssen. Teilweise habe sie auch für die Bewohner gekocht.

7

Sie habe gelegentlich am PC gespielt, keineswegs die überwiegende Zeit. Wenn sie ihre Tätigkeit im HM beendet gehabt habe, habe sie sich zum Haus UV begeben, das Gerät angestellt, und gespielt, um die Zeit für andere Termine zu überbrücken.

8

Die nachträglich ausgehändigten Dienstpläne des HM seien vom Beklagten manipuliert worden. So fehlten Eintragungen der Ist-Zeiten ab September 2013; weitere Eintragungen stammten nicht von Frau N., die für das Eintragen der Stunden zuständig gewesen sei. Die Dienstpläne seien für beide Häuser auch nur zu Beginn des Jahres 2012 durch Frau B. einheitlich erstellt worden, danach habe es stets getrennte Dienstpläne gegeben. Sie könne daher kumulativ die in den beiden Dienstplänen ausgewiesenen Plusstunden geltend machen.

9

Urlaub habe sie wegen des hohen Arbeitsanfalls im gesamten Jahr 2013 nicht nehmen können. Er sei - wie auch für 2014 - abzugelten. Der Beklagte schulde daher eine Abgeltung für 35 Urlaubstage in Höhe von 4.038,30 €.

10

Die Klägerin hat beantragt,

11

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 10.337,29 € brutto abzüglich 1.000,-- € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit auf 8.973,10 € und auf 1.364,19 €.

12

Der Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Er hat erwidert:

15

Überstunden seien von ihm nicht angeordnet und auch nicht erforderlich gewesen. So gehöre das Erstellen von Unterlagen zur Aufrechterhaltung der Versorgungsverträge zu den vertraglich geschuldeten Aufgaben einer Pflegedienstleitung und sei in der regelmäßigen Arbeitszeit zu erledigen. Die Klägerin sei in der Pflege tätig gewesen, obwohl bereits eine Fachkraft anwesend gewesen sei. Das sei allein von Januar bis August 2012 an 87 Tagen der Fall gewesen.

16

Die Dienstpläne des HM seien für die Anzahl der geleisteten Stunden nicht maßgeblich. Sämtliche Arbeitszeiten der Klägerin seien in den Plänen des UV erfasst. Diese sei bis Juli 2013 täglich nur ca. 15 Minuten im HM gewesen und dann in UV gewechselt. Erst ab August 2013 habe er die Klägerin aufgefordert, mehr in HM tätig zu sein. Dass sein Vortrag zutreffe, zeige sich besonders deutlich am Dienstplan für Dezember 2013, in dem für die Klägerin im Dienstplan von UV 217 Ist-Stunden ausgewiesen seien und die Klägerin wegen Arbeiten in derselben Arbeitszeit weitere 133 Ist-Stunden im HM behaupte.

17

Er schulde aber auch deswegen keine weitere Vergütung, weil er erst nachträglich - im April 2015 - erfahren habe, dass die Klägerin den ganz überwiegenden Teil der im Dienstplan eingetragenen Zeiten mit exzessivem Spielen am PC verbracht habe. Sie sei von den weiteren Arbeitskollegen im Dienstzimmer ganz regelmäßig beim Spielen angetroffen worden.

18

Urlaubsansprüche für 2013 seien verfallen. Vom 13. bis 31.05.2013 sei für die Klägerin Urlaub vorgesehen gewesen. Die Klägerin habe diesen Urlaub aber nicht genommen, sondern sich noch nachträglich für die Frühschicht eingetragen.

19

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

20

Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung von zwei Zeugen die Klage mit Ausnahme des Urlaubsabgeltungsanspruchs für 5 Tage aus 2014 abzüglich gezahlter 1.000,-- € abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin könne keine Überstundenvergütung verlangen, weil die beiden Zeuginnen überzeugend ausgeführt hätten, dass die Klägerin regelmäßig vertragswidrig nicht gearbeitet habe. Urlaubsabgeltungsansprüche für das Jahr 2013 seien verfallen.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf das angefochtene Schluss-Urteil Bezug genommen.

22

Gegen das am 04.08.2015 zugestellte Schluss-Urteil hat die Klägerin am 31.08.2015 Berufung eingelegt und diese am 01.10.2015 begründet.

23

Sie trägt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags ergänzend wie folgt vor:

24

Sie wende sich insbesondere gegen die Beurteilung der Zeugenaussagen durch das Arbeitsgericht und rüge, dass die von ihr benannten Gegenzeugen nicht gehört worden seien. Die Zeugin K. habe im Übrigen die Behauptungen des Beklagten gerade nicht bestätigt. Sie habe sich falsch und widersprüchlich geäußert. Beide Zeuginnen seien auch nicht regelmäßig bei der Übergabe der Nachttätigkeit anwesend gewesen. Die Zeugin K. habe im Übrigen selbst gespielt, etwa im Nachtdienst oder an Wochenenden. Auch bezögen sich ihre Angaben erkennbar erst auf den Zeitraum ab August 2013.

25

Auch die Aussage der Zeugin B. sei nicht glaubhaft. Diese habe keine Veranlassung gehabt, das Dienstzimmer aufzusuchen. Sie habe dieses Zimmer allenfalls zwei bis dreimal am Tag für wenige Minuten betreten, um Kaffee zu bringen. Sie sei im Jahr 2012 auch nicht in UV, sondern in HM eingesetzt gewesen und könne daher zu ihrer - Klägerin - Tätigkeit nichts sagen.

26

Ihr stehe auch der Urlaubsabgeltungsanspruch zu, da der Beklagte von sich aus verpflichtet gewesen sei, ihr Urlaub im Jahr 2013 zu gewähren und dies nicht getan habe.

27

Ihrer Darlegungslast sei sie durch Vorlage der Dienstpläne nachgekommen. Der Beklagte habe seinen Vortrag nicht ausreichend substantiiert.

28

Die Klägerin beantragt,

29

das Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 21.07.2015 - 3 Ca 733/14 - teilweise abzuändern und den Beklagten zu verurteilen an die Klägerin weitere 9.760,37 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

30

Der Beklagte beantragt,

31

die Berufung zurückzuweisen.

32

Er erwidert:

33

Er bleibe dabei, dass die Dienstzeiten der Klägerin vollständig im Dienstplan für UV erfasst seien. Bis Juli 2013 sei die Klägerin auch nur wenige Minuten täglich im HM gewesen. Das Arbeitsgericht habe fehlerfrei festgestellt, dass die Klägerin regelmäßig privat gespielt habe. Er tritt insoweit der Würdigung der Zeugenaussagen durch die Klägerin im Einzelnen entgegen. Die Klägerin räume im Übrigen in der Berufungsbegründung selbst ein, dass sie während der Arbeitszeit regelmäßig und nicht nur ausnahmsweise privat gespielt habe. Urlaubsabgeltungsansprüche für 2013 habe das Arbeitsgericht zutreffend abgelehnt.

34

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.

Entscheidungsgründe

35

Die gemäß § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und begründete und damit zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Der Klägerin stehen noch Vergütungsansprüche für einen Teil der von ihr geltend gemachten Überstunden zu. Urlaubsabgeltungsansprüche bestehen, soweit nicht das Arbeitsgericht bereits rechtskräftig zu Gunsten der Klägerin entschieden hat, nicht mehr.

I.

36

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Überstundenvergütung in Höhe von 6.298,99 € zuzüglich Zinsen ist zu einem Teil, nämlich in Höhe von 4.828,61 € begründet, im Übrigen unbegründet.

37

1. Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 3 des Arbeitsvertrags der Klägerin. Nach § 3 letzter Satz ihres Arbeitsvertrags wird Mehrarbeit der Klägerin „vorrangig in Freizeit ausgeglichen“. Daraus kann im Wege der Auslegung der Rückschluss gezogen werden, dass in dem Fall, dass ein Freizeitausgleich nicht möglich ist, die Überstunden auszubezahlen sind.

38

2. Den Umfang der von ihr geleisteten Überstunden hat die Klägerin aber nur zum Teil schlüssig dargelegt.

39

a) Ausgehend von den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts i. V. m. § 614 BGB gilt im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“. Verlangt der Arbeitnehmer gemäß § 611 BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er deshalb darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt. Da die konkret zu leistende Arbeit in der Regel vom Arbeitgeber durch Weisungen zu bestimmen ist (§ 106 GewO), genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereit gehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Deshalb hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und ob der Arbeitnehmer den Weisungen nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden (BAG, Urt. v. 18.04.2012 - 5 AZR 248/11 - Juris, Rn 4).

40

Nichts anderes gilt für die Behauptung des Arbeitnehmers, er habe die geschuldete Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet. Auch insoweit genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen nicht nachgekommen ist (BAG, Urt. v. 16.05.2012 - 5 AZR 347/11 - Juris, Rn 27).

41

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin schlüssig dargelegt, dass sie im Haus UV 334,16 Stunden Mehrarbeit geleistet hat. Ihr Vortrag zur Mehrarbeit im HM im Umfang von 91,68 weiteren Überstunden ist hingegen nicht schlüssig. Der Beklagte hat den schlüssigen Vortrag der Klägerin nicht ausreichend bestritten.

42

aa) Der Vortrag der Klägerin zu der von ihr abgeleisteten Mehrarbeit ist nur teilweise ausreichend substantiiert. Sie hat zwar ausreichend zum Umfang der im UV abgeleisteten Überstunden, nicht aber zu den im HM angefallenen Überstunden vorgetragen.

43

(1) Mit der Vorlage der Dienstpläne für die Einrichtung UV genügt die Klägerin den vom BAG aufgestellten Anforderungen für die Darlegungslast. Die Klägerin hat die Dienstpläne für die Einrichtung UV von Januar 2012 bis Dezember 2013 durchgehend eingereicht. Aus den in den Dienstplänen enthaltenen Schichten verbunden mit der Legende, in der die Arbeitszeiten zu diesen Schichten hinterlegt sind, ergibt sich für jeden einzelnen Tag der Jahre 2012 und 2013 für welchen Zeitraum die Klägerin behauptet sich zur Arbeitsleistung für den Beklagten bereit gehalten zu haben. Der Vortrag ist auch ausreichend substantiiert, insbesondere auch für den Beklagten einlassungsfähig. Dieser hat selbst wiederholt ausgeführt, (ausschließlich) die Dienstpläne der Einrichtung UV gäben die Dienstzeiten der Klägerin wieder.

44

Soweit der Beklagte im Berufungstermin darauf abgestellt hat, im Dienstplan für Mai 2013 seien nachträglich Eintragungen vorgenommen worden, steht das der Schlüssigkeit des Vorbringens nicht entgegen. Der Beklagte hat insoweit nur behauptet, die Klägerin habe den für sie vorgesehenen Urlaub nicht wahrgenommen und sich stattdessen in den Dienstplan eingetragen. Damit hat der Beklagte aber ausdrücklich nicht gesagt, dass die Klägerin die von ihr für den Zeitraum 13.05. bis 31.05. 2013 eingetragene Frühschicht nicht tatsächlich wahrgenommen hat. Auch im Übrigen geht der Beklagte davon aus, dass sich die Klägerin zu den im Dienstplan hinterlegten Zeiten in seinem Betrieb aufgehalten hat.

45

(2) Dagegen genügt die Vorlage des Dienstplans betreffend die Einrichtung HM allein nicht, um ausreichend darzulegen, dass die Klägerin weitere 91,68 Überstunden geleistet hat.

46

Der Beklagte hat ausdrücklich bestritten, dass die im Dienstplan HM eingetragenen Zeiten zusätzlicher von der Klägerin angeforderter Arbeitsleistung darstellen. Er hat insoweit darauf hingewiesen, dass die dort wiedergegebenen Zeiten in beiden Dienstplänen aufgeführt sind.

47

Das Gericht ist diesem Vortrag im Berufungstermin unter Einsichtnahme in den Originaldienstplan für die Einrichtung HM und Abgleich mit dem Dienstplan für die Einrichtung UV nachgegangen. Dabei hat es übereinstimmend mit den beiden Prozessbevollmächtigten festgestellt, dass etwa im August 2013 sämtliche Dienste - Frühdienste -, die für die Klägerin in der Einrichtung UV eingetragen waren, auch in der Einrichtung HM eingetragen worden sind und im Dienstplan der Einrichtung UV mit dem Zusatz „HM“ versehen waren. Ferner sind bei der Addition der geleisteten Arbeitsstunden im August im Dienstplan von UV sämtliche Arbeitsstunden herangezogen worden. Sonst käme man nicht auf die dort ausgewiesene Stundenzahl von 189 geleisteten Stunden. Die Klägerin kann daher etwa die im August 2013 im HM ausgewiesenen Arbeitsstunden nicht zusätzlich als geleistete Arbeit geltend machen. Vergleichbares gilt für den Monat Dezember 2013 oder auch den April 2013. Allerdings hat das Berufungsgericht auch festgestellt, dass für einzelne Tage und in einzelnen Monaten die Dienstpläne für die Einrichtung HM Zeiten für die Klägerin ausweisen, die nicht im Dienstplan der Einrichtung UV ausgewiesen sind und damit grundsätzlich deren Vortrag bestätigen.

48

Im Rahmen der Darlegung der von ihr geleisteten Mehrarbeit genügt es dann aber nicht, wenn die Klägerin pauschal auf den Dienstplan der Einrichtung HM Bezug nimmt und damit weitere Überstunden begründet. Vielmehr hätte dann für jeden einzelnen Tag des Jahres 2013 vorgetragen werden müssen, ob dieser bereits im Dienstplan der Einrichtung UV enthalten ist oder nicht. Daran fehlt es.

49

(3) Im Ergebnis sind damit nur 334,16 Stunden aus UV ausreichend dargelegt.

50

bb) Die Ableistung dieser Stunden hat die Beklagte nicht ausreichend bestritten. Sie gelten daher nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als zugestanden.

51

(1) Der Beklagte kann zunächst einmal nicht mit seinem ursprünglichen erstinstanzlichen Vortrag gehört werden, die Ableistung der entsprechenden Stunden sei nicht erforderlich gewesen; die Klägerin hätte die Arbeit auch in kürzerer Zeit erledigen können. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin ausschließlich Stunden geltend macht, in denen sie nach dem Dienstplan und ihrem Arbeitsvertrag zur Ableistung verpflichtet war. Die Klägerin hat diese Dienstpläne - das ist unstreitig - auch nicht selbst erstellt, sondern die weiteren Mitarbeiterinnen des Beklagten B. und N. . Aus welchen Gründen es dazu gekommen ist, dass die Klägerin in so großem Umfang zu Diensten herangezogen wurde, ist hier nicht weiter aufzuklären. Jedenfalls war dem Beklagten der Umfang der geleisteten Dienste auch jederzeit bekannt. Unstreitig hat er die Dienstpläne monatlich gesehen und zur Abrechnung an den Steuerberater weiter geleitet.

52

(2) Soweit der Beklagte einwendet, die Klägerin habe während ihrer Arbeitszeit am Computer gespielt, ist sein Vortrag nicht ausreichend substantiiert. Die vom Bundesarbeitsgericht geforderten Angaben dazu, an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann seinen Weisungen nicht nachgekommen ist, fehlen vollständig. Der Beklagte hat sich vielmehr auf den pauschalen Vortrag beschränkt, die Klägerin habe die überwiegende Zeit gespielt. Das ist nach dem vorstehend Ausgeführten unsubstantiiert.

53

(3) Vor diesem Hintergrund hätte das Arbeitsgericht auch nicht Beweis erheben dürfen. Dennoch ist eine durchgeführte Beweisaufnahme vom Berufungsgericht zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hat die Beweisaufnahme aber nicht ergeben, dass die Klägerin während ihrer Arbeitszeit durchgehend - also ausschließlich - gespielt hat oder aber an welchen Tagen in welchem zeitlichen Umfang dies der Fall war.

54

Die Zeugen konnten zu einzelnen Tagen und zum zeitlichen Umfang des Spielens im Einzelnen nichts sagen. So hat die Zeugin K. zum Umfang des Spielens der Klägerin am PC Angaben gemacht, die sich keinem bestimmten zeitlichen Zeitraum zuordnen lassen. So heißt es in ihrer Aussage unter anderem, die Klägerin habe dreimal in der Woche gespielt, dann im nächsten Satz, wenn sie dreimal im Dienstzimmer gewesen sei, lief zweimal der PC. Zur Frage, wie häufig der PC lief, hat sie dann weiter ausgeführt, das sei schwer zu sagen, es sei in den letzten Monaten häufiger gewesen. Bei Arbeiten am Qualitätshandbuch habe die Klägerin zwischendurch gespielt, länger als eine halbe Stunde bestimmt, das sei etwa einmal die Woche gewesen. Unstreitig ist, dass sich die Äußerungen der Zeugin allein auf den Zeitraum ab August 2013, also auf fünf der hier in Rede stehenden 24 Monate bezogen haben. Ebenso wenig ergiebig war die Aussage der Zeugin Bö., die gesagt hat, die Klägerin habe, wenn sie (Zeugin) ihr einen Kaffee gebracht habe, meistens gespielt. Dies sei nach der Übergabe des Nachtdienstes meistens so gewesen. Die Klägerin habe meistens gespielt, aber - so die Zeugin einen Satz später - sie habe auch nebenbei ihre Akten gemacht und auch nicht gespielt, wenn der Beklagte im Haus gewesen sei.

55

Aus diesen Zeugenaussagen lässt sich nicht im Ansatz ein bestimmter Zeitraum ermitteln, in dem die Klägerin ihrer arbeitsvertraglichen Pflicht konkret nicht nachgekommen ist. Der Beklagte hat im Übrigen auch an keiner Stelle behauptet, dass Arbeiten der Klägerin nicht erledigt oder von anderen Mitarbeitern miterledigt worden seien. Vielmehr hat er selbst vorgetragen, die Klägerin sei etwa von Januar bis August des Jahres 2012 an 87 Tagen neben einer weiteren Fachkraft in der Pflege tätig gewesen und ausgeführt, dies sei nicht nötig gewesen. Dass in diesem Zeitraum dann an bestimmten Tagen nicht so viel zu tun ist, und die Klägerin Gelegenheit hat, auch zu spielen, liegt auf der Hand. Dem muss aber der Beklagte durch eine entsprechende Gestaltung des Dienstplans entgegentreten und die Klägerin nicht für Zeiten einteilen lassen, in denen sie gar nicht benötigt wird.

56

Die Kammer sieht auch keine Möglichkeit einen etwaigen Anteil der Klägerin an Zeiten des PC-Spielens nach Maßgabe des § 287 ZPO zu schätzen. Die Zeugenaussagen liefern hierfür keine ausreichende Grundlage.

57

(4) Mangels substantiierten Vortrags des Beklagten kam auch eine Wiederholung der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme nicht in Betracht. Auf die Anfordernisse an die jeweilige Darlegungslast sind die Parteien mit Verfügung des Gerichts vom 12.11.2015 hingewiesen worden, ohne dass der Beklagte hieraus weitere Konsequenzen gezogen hat. Im Übrigen ist er auch erkennbar zu substantiierterem Vortrag schon aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr in der Lage.

58

3. Danach steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung restlicher Vergütung in Höhe von 4.828,61 € brutto zu.

59

a) Auszugehen ist entgegen der Berechnung der Klägerin nicht von einem Stundenlohn von 14,88 € brutto, sondern von einem Stundenlohn von 14,45 € brutto. Die Parteien haben keine monatliche Arbeitszeit von 168 Stunden vereinbart, sondern ausdrücklich von 173 Stunden. Demzufolge ermittelt sich der Stundenlohn der Klägerin auch durch folgende Division: 2.500,-- € : 173. Die Klägerin legt bei ihrer Berechnung ersichtlich einen Zeitraum von vier Wochen zugrunde. Vier Wochen sind aber weniger als ein Monat.

60

b) 334,16 Stunden multipliziert mit 14,45 € brutto ergibt 4.828,61 €.

61

4. Zinsen stehen der Klägerin ab dem 19.03.2014 gemäß den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB zu.

II.

62

Ein weiterer Anspruch auf Urlaubsgeltung für 30 Tage aus dem Jahr 2013 gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG besteht nicht.

63

1. Nach § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen.

64

a) Der Jahresurlaub der Klägerin aus dem Jahr 2013 ist nicht in das Jahr 2014 übertragen worden. Die Klägerin hat zum Vorliegen betrieblicher Gründe im Sinne des § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG nicht ausreichend vorgetragen.

65

aa) Dringende betriebliche Gründe im Sinne des § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG liegen vor, wenn die Interessen des Arbeitgebers an einer Gewährung von Urlaub im Übertragungszeitraum anstelle des im Urlaubsjahr zu gewährenden Urlaubs das Interesse des Arbeitnehmers an der fristgerechten Inanspruchnahme des Urlaubs noch innerhalb des Kalenderjahres überwiegen. Das ist z. B. dann gegeben, wenn die Auftragslage zum Jahresende die Anwesenheit des Arbeitnehmers erfordert, eine besonders arbeitsintensive Zeit bevorsteht, bereits anderen Arbeitnehmern Urlaub gewährt worden ist usw.. Von der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber eine entsprechende Erklärung abgegeben hat, insbesondere ein Urlaubswunsch des Arbeitnehmers zum Jahresende abgelehnt hat (Erf.-Komm., 16. Aufl., § 7 BUrlG, Rn 61). Die Darlegungslast für das Vorliegen eines Übertragungstatbestands liegt beim Arbeitnehmer (LAG Schl.-Holst. - 6 Sa 492/06 - Juris, Rn 48).

66

bb) Danach hat die Klägerin keine ausreichenden dringenden betrieblichen Gründe dargelegt, die eine Übertragung ihres Urlaubs in das erste Kalenderquartal 2014 rechtfertigen. Weder hat sie konkret zur Personalsituation zum Ende des Jahres hin vorgetragen, noch ist ein Urlaubswunsch von ihr abschlägig beschieden worden. Im Berufungsverfahren hat sie sich auf die Übertragung des Urlaubs auch nicht mehr bezogen.

67

b) Ohne Übertragungstatbestand erlischt der Urlaubsanspruch am Jahresende (Erf.-Komm., a. a. O., Rn 39).

68

2. Der Klägerin steht auch kein Schadensersatzanspruch auf Urlaubsabgeltung zu.

69

a) Anerkannt ist, dass dem Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber ein Verzugsschadensersatz dann zusteht, wenn er rechtzeitig, aber erfolglos die Freistellung im Urlaubsjahr verlangt und damit den Arbeitnehmer gemahnt und in Verzug gesetzt hat (Erf.-Komm., a. a. O., Rn 40).

70

Die Voraussetzungen eines Verzugsschadensersatzanspruchs liegen nicht vor. Die Klägerin hat den Beklagten nicht durch einen konkreten Urlaubsantrag mit der Erteilung des Urlaubs in Verzug gesetzt.

71

b) Der Klägerin steht auch kein Anspruch gemäß den §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB zu, weil der Beklagte seine Pflicht zur Urlaubserteilung verletzt hat.

72

aa) Eine Rechtspflicht des Arbeitgebers, auch ohne entsprechenden Antrag des Arbeitnehmers im laufenden Kalenderjahr Urlaub zu erteilen nimmt das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in einem Urteil vom 12.06.2014 - 21 Sa 221/14 - Juris sowie auch in anderen Entscheidungen an und begründet dies im Wesentlichen damit, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers diene und der Wortlaut des § 7 BUrlG der entsprechenden Auslegung nicht entgegenstehe.

73

bb) Das Bundesarbeitsgericht geht demgegenüber nicht von einer Pflicht des Arbeitgebers zur Urlaubsgewährung im laufenden Kalenderjahr aus. Vielmehr verfällt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Urlaub am Jahresende, nur unter den Voraussetzungen des Verzugs entsteht der oben dargestellte Ersatzurlaubsanspruch (BAG v. 14.05.2013 - 9 AZR 760/11 -).

74

Dieser Auffassung des Bundesarbeitsgerichts folgt auch das Berufungsgericht. Gerade aus Sicht des Gesundheitsschutzes hält es eine Lösung für vorzugswürdig, nach der der Arbeitnehmer zumindest gehalten ist, einen Urlaubsantrag zu stellen. Folgt man der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg, befördert das nämlich nach Einschätzung der Kammer das Anhäufen von Urlaubsansprüchen im bestehenden Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer wird von der Stellung rechtzeitiger Urlaubsanträge abgehalten, die er um Streitigkeiten wegen der Urlaubsgewährung zu vermeiden, nicht stellt. Unter Berücksichtigung der Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg erwüchse ihm hieraus kein Nachteil. Er kann das Stellen von Urlaubsanträgen einfach unterlassen mit dem Argument, er kann den Urlaub hinterher - spätestens nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses - immer noch nehmen. Dieses Herausschieben der Urlaubsgewährung dient aber gerade nicht dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers, der nur verwirklicht wird, wenn der Urlaub auch tatsächlich genommen wird. Selbstverständlich ist es nicht besser, wenn der Arbeitnehmer wegen des Verfalls am Jahresende gar keinen Urlaub erhält. Droht aber der Verfall seines Urlaubs, wird der Arbeitnehmer gezwungen, zumindest einen Urlaubsantrag zu stellen, um den Verzug des Arbeitgebers auszulösen. Das ist das Warnsignal auch für den Arbeitgeber, die Urlaubsgewährung zu ermöglichen. Weiß der Arbeitnehmer, dass ihm ohne Urlaubsantrag der komplette Verlust seines Urlaubs droht, wird er eher Maßnahmen zur tatsächlichen Urlaubsgewährung ergreifen.

75

Im Übrigen setzt nach § 7 Abs. 1 BUrlG die Gewährung des Urlaubs voraus, dass die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind. Das wiederum ist nur möglich, wenn der Arbeitnehmer zuvor einen Urlaubsantrag gestellt hat.

III.

76

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

77

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die hier streitige Rechtsfrage zum Urlaubsrecht ist vom Bundesarbeitsgericht in der jüngeren Vergangenheit im Sinne der Berufungskammer entschieden worden. Anlass deswegen die Revision zuzulassen, sieht die Kammer nicht.


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.

(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Februar 2011 - 16 Sa 406/10 - teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 19. Januar 2010 - 3 Ca 401/09 - teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger bezahlten Ersatzurlaub von jeweils 30 Arbeitstagen aus den Jahren 2006, 2007 und 2008 zu gewähren.

3. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen. Die Kosten der ersten und der zweiten Instanz hat der Kläger zu sechs Zehnteln zu tragen, die Beklagte zu vier Zehnteln.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten, ihm jeweils 30 Arbeitstage Ersatzurlaub für verfallenen Urlaub aus den Jahren 2006, 2007 und 2008 zu gewähren.

2

Die Beklagte beschäftigt den Kläger als Gruppenleiter Qualitätsmanagement. Dieser hat Anspruch auf 30 Arbeitstage Jahresurlaub. Mit Schreiben vom 1. Februar 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2006. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und machte in der Klageschrift vom 6. Februar 2006 seinen Urlaubsanspruch geltend. Der Kündigungsschutzklage wurde rechtskräftig stattgegeben. In der Folgezeit führten die Parteien mehrere Rechtsstreite, die jedenfalls bis zum 31. Dezember 2008 nicht zu einer Beendigung oder Änderung ihrer Rechtsbeziehung führten. Die Beklagte gewährte dem Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2008 keinen Urlaub.

3

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub zu leisten, weil sie sich seit Zustellung der Klageschrift mit der Urlaubsgewährung im Verzug befunden habe.

4

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm bezahlten Ersatzurlaub von jeweils 30 Arbeitstagen aus den Jahren 2006, 2007 und 2008 zu gewähren.

5

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 8. September 2011 zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch auf Ersatzurlaub weiter.

6

Mit Schreiben vom 15. Februar 2012 stellte die Beklagte den Kläger von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Das Schreiben enthält ua. folgende Erklärung:

        

„Die Freistellung erfolgt … unter Anrechnung auf etwa noch be- und entstehende Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche … Außerhalb der für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs gewährten Freistellung findet § 615 Satz 2 BGB Anwendung.“

7

Unter dem 30. Januar 2013 stellte die Beklagte den Kläger erneut mit dem Hinweis frei:

        

„Diese Freistellung erfolgt unter Anrechnung auf etwa noch bestehende und noch entstehende Urlaubsansprüche. Sollten Ihnen, wie von Ihnen behauptet, tatsächlich noch Urlaubsansprüche für die Jahre 2006, 2007 und 2008 zustehen, werden auch diese etwaigen Urlaubsansprüche angerechnet. Außerhalb der für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs gewährten Freistellung findet § 615 Satz 2 BGB Anwendung.“

Entscheidungsgründe

8

A. Die Revision des Klägers ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Beklagte ist gemäß § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Kläger 90 Arbeitstage Ersatzurlaub für verfallenen Urlaub aus den Jahren 2006 bis 2008 zu gewähren.

9

I. Hat der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt, wandelt sich der im Verzugszeitraum verfallene Urlaubsanspruch in einen auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch um (vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 11, BAGE 138, 58). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

10

II. Der Urlaub des Klägers aus den Jahren 2006 bis 2008 verfiel nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG). Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Beklagte mit der Urlaubsgewährung im Verzug. Ohne dass es einer Mahnung bedurfte, trat der Verzug nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB ein, weil die Beklagte die Erfüllung des vom Kläger in seiner Klageschrift vom 6. Februar 2006 geltend gemachten Urlaubsanspruchs ernsthaft und endgültig verweigerte.

11

1. Die Beklagte war ungeachtet der zwischen den Parteien in den Jahren 2006 bis 2008 geführten Kündigungsschutzverfahren verpflichtet, dem Kläger Urlaub zu gewähren. Der Anspruch war erfüllbar. Der Arbeitgeber ist rechtlich nicht gehindert, einem Arbeitnehmer in einem nicht wirksam gekündigten und deshalb fortbestehenden Arbeitsverhältnis vorbehaltlos bezahlten Urlaub zu erteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Parteien einen Rechtsstreit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses führen.

12

2. An die Annahme, der Schuldner verweigere ernsthaft und endgültig die Erfüllung einer ihm obliegenden Leistung, sind in der Regel strenge Anforderungen zu stellen. Eine Erfüllungsverweigerung liegt vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen. Das ist regelmäßig nur anzunehmen, wenn dieser sich beharrlich weigert, die Leistung zu erbringen. In diesem Fall entbehrt eine Mahnung ihres Sinnes, den Schuldner zu vertragsgerechtem Verhalten anzuhalten (BAG 13. Dezember 2011 - 9 AZR 420/10 - Rn. 44).

13

a) Der Kündigungserklärung eines Arbeitgebers kann deshalb nicht ohne Weiteres der Inhalt beigemessen werden, dieser werde die für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nötige Freistellung von der Arbeitspflicht verweigern, wenn der Arbeitnehmer den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend macht. Denn der Arbeitgeber hat regelmäßig ein wirtschaftliches Interesse daran, einem Arbeitnehmer auf dessen Wunsch Urlaub zu erteilen, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern (vgl. BAG 14. August 2007 - 9 AZR 934/06 - Rn. 15; offengelassen von BAG 13. Dezember 2011 - 9 AZR 420/10 - Rn. 45).

14

b) Anders verhält es sich in aller Regel jedoch, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses streiten und der Arbeitnehmer den Arbeitgeber erfolglos aufgefordert hat, ihm während des Kündigungsrechtsstreits Urlaub zu gewähren. Stellt der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Bestand des Arbeitsverhältnisses in Abrede und erteilt er trotz einer entsprechenden Aufforderung des Arbeitnehmers den verlangten Urlaub nicht, entbehrt eine Mahnung des Arbeitnehmers regelmäßig ihres Sinnes. Wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die dem entgegenstehen, darf der Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen, er werde ihm keinen Urlaub gewähren. Eine Mahnung erwiese sich in diesem Falle als eine bloße Förmelei.

15

c) Daran gemessen durfte der Kläger nach seiner erfolglosen Aufforderung in der Klageschrift vom 6. Februar 2006, ihm Urlaub zu gewähren, annehmen, die Beklagte beharre auf der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und werde sich weiterhin weigern, ihm während der im Klagezeitraum geführten Bestandsstreitigkeiten Urlaub zu gewähren. Besondere Umstände, die dieser Annahme entgegenstehen könnten, sind nicht festgestellt. Die Beklagte hat solche auch nicht behauptet.

16

3. Wird es dem Arbeitgeber während des Verzugs infolge der Befristung des Urlaubsanspruchs unmöglich, dem Arbeitnehmer Urlaub zu gewähren, richtet sich der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis gemäß § 249 Abs. 1 BGB auf die Gewährung von Ersatzurlaub(vgl. BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 251/04 - zu II 3 der Gründe, BAGE 114, 313). Demzufolge hat die Beklagte dem Kläger jeweils 30 Arbeitstage Ersatzurlaub für verfallenen Urlaub aus den Jahren 2006, 2007 und 2008 und somit insgesamt 90 Ersatzurlaubstage zu gewähren.

17

III. Mit der vom 15. Februar 2012 datierenden Freistellungserklärung hat die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Ersatzurlaub nicht erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Erfüllung eines Anspruchs auf Erholungsurlaub setzt voraus, dass der Arbeitnehmer durch eine sog. Freistellungserklärung des Arbeitgebers zu Erholungszwecken von seiner sonst bestehenden Arbeitspflicht befreit wird (BAG 19. Januar 2010 - 9 AZR 246/09 - Rn. 27). Diese Voraussetzungen erfüllt weder die Freistellungserklärung der Beklagten vom 15. Februar 2012 noch die Erklärung der Beklagten vom 30. Januar 2013. Diese Erklärungen lassen nicht erkennen, an welchen Tagen die Beklagte den Kläger zum Zwecke der Gewährung von Erholungsurlaub und an welchen Tagen sie ihn zu anderen Zwecken von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellte. Diese Differenzierung ist von Bedeutung, weil die Freistellung des Klägers zu anderen Zwecken ausdrücklich unter Anrechnung auf den Zwischenverdienst (§ 615 Satz 2 BGB) erfolgte (vgl. hierzu BAG 19. März 2002 - 9 AZR 16/01 - zu II 2 b bb (2) der Gründe). Deshalb oblag es der Beklagten, den Urlaubszeitraum konkret festzulegen. Daran fehlt es.

18

B. Die Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen. Die Kosten der ersten und zweiten Instanz haben die Parteien entsprechend ihrem Obsiegen bzw. Unterliegen zu tragen (§ 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    Ropertz    

        

    Anthonisen    

                 

(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.

(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.