Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 01. Sept. 2010 - 8 Ta 197/10
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 02.07.2010, Az.: 6 Ca 1380/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe
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Die gemäß §§ 78 ArbGG, 793 ZPO statthafte und vorliegend insgesamt zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung gegen die Beklagte zur Durchsetzung deren Verpflichtung aus dem Urteil vom 20.04.2010, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Senior-Controllerin weiterzubeschäftigen, ein Zwangsgeld sowie ersatzweise Zwangshaft festgesetzt.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen titulierten Anspruch, bis zum Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits als Senior-Controllerin weiterbeschäftigt zu werden. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte bislang unstreitig nicht nachgekommen. Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen (Titel, Klausel, Zustellung) sind erfüllt. Auf Antrag der Klägerin war daher nach § 888 Abs. 1 ZPO ein Zwangsgeld sowie ersatzweise Zwangshaft festzusetzen.
- 3
Entgegen der Ansicht der Beklagten steht der Begründetheit des Zwangsvollstreckungsantrages weder die (behauptete) Unbestimmtheit des Vollstreckungstitels entgegen, noch ist ihr die Weiterbeschäftigung der Klägerin als Senior-Controllerin unmöglich geworden. Insoweit wird - zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen - auf die Ausführungen des Beschwerdegerichts im Beschluss vom 19.07.2010 (Bl. 232 - 235 d.A.), mit welchem der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen worden ist, Bezug genommen.
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Dem titulierten Anspruch der Klägerin kann die Beklagte im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO auch nicht entgegenhalten, dass sie das Arbeitsverhältnis nach Ausspruch der vorliegend streitbefangenen Kündigung mit Schreiben vom 25.03.2010 (erneut) zum 30.06.2010 gekündigt hat. Zwar endet nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (grundlegend: Urteil vom 19.12.1985 - 2 AZR 190/85 - EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 17) der Weiterbeschäftigungsanspruch materiell-rechtlich ab dem Zeitpunkt, ab dem eine weitere ausgesprochene Kündigung wirksam werden soll, wenn diese Kündigung nicht offensichtlich unwirksam ist. Solche nachträglich entstandenen Einwendungen gegen den durch das erstinstanzliche Urteil festgestellten Anspruch kann der Arbeitgeber jedoch nur mit der Berufung oder im Wege der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend machen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 27.11.2007 - 10 Ta 263/07 - m.w.N.). Darüber hinaus erweist sich der diesbezügliche Einwand der Beklagten aber auch bereits deshalb als unbegründet, weil das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - mit Urteil vom 29.06.2010 (Az. 6 Ca 259/10) festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 25.03.2010 nicht aufgelöst worden ist und somit auch bezüglich dieser Kündigung ein erstinstanzliches, wenn auch noch nicht rechtskräftiges Urteil zu Gunsten der Klägerin existiert.
- 5
Entgegen der Ansicht der Beklagten steht der Zwangsgeldfestsetzung auch nicht entgegen, dass die Klägerin die Zwangsvollstreckung aus dem im Verfahren 6 Ca 1407/09 ergangenen Zwangsgeldbeschluss noch nicht vollständig durchgeführt hat. Zwar trifft es zu, dass eine wiederholte Zwangsgeldfestsetzung nach § 888 ZPO nur zulässig ist, wenn der Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus einem vorangegangenen Zwangsmittelbeschluss durchgeführt hat (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.04.2006 - 2 Ta 57/06 -). Dies betrifft indessen nur den Fall, dass der Gläubiger die (wiederholte) Zwangsvollstreckung aus ein und demselben Titel betreibt. Im vorliegenden Fall verfügt die Klägerin jedoch über zwei vollstreckbare Titel, die unabhängig voneinander vollstreckt werden können.
- 6
Die sofortige Beschwerde der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
- 7
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung. Diese Entscheidung ist daher unanfechtbar.
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Hinsichtlich der Beschwerde gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte oder ihrer Vorsitzenden gelten die für die Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte maßgebenden Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gilt § 72 Abs. 2 entsprechend. Über die sofortige Beschwerde entscheidet das Landesarbeitsgericht ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter, über die Rechtsbeschwerde das Bundesarbeitsgericht.
(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.
(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.
(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.
(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.
(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.
(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 21.2.2006 – 5 Ca 1549/05 - aufgehoben:
Der Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes mit Schriftsatz vom 3.2.2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten werden dem Kläger auferlegt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
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Mit der Beschwerde hatte sich die Beklagte gegen einen Zwangsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts gewandt, mit dem die Erteilung eines Zeugnisses erreicht werden sollte.
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Die Parteien hatten sich mit Vergleich vom 20.6.2005 zu Ziff. 3 wie folgt geeinigt:
- 3
3. Die Beklagte verpflichtet sich, auf der Grundlage und mit dem Inhalt des Zwischenzeugnisses vom 14.4.2005 dem Kläger ein abschließendes Zeugnis zu erteilen unter dem Datum 1.6.2005, in dessen ersten Absatz aufgenommen wird, dass der Kläger ab 1.3.2005 als Pflegedienstleiter beschäftigt worden ist. Am Ende des Zeugnisses soll ein Hinweis erfolgen, dass die Beschäftigung des Klägers als Pflegedienstleiter ab dem 1.3.2005 wegen seines hervorragenden Fachwissens erfolgt ist. Das Zeugnis soll von der Heimleitung und dem Geschäftsführer der Beklagten unterschrieben sein. Außerdem soll als Schlussklausel folgender Satz aufgenommen werden:
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Wir wünschen Herrn S. für den weiteren privaten und beruflichen Werdegang alles Gute.
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Die Beklagte hat auf Erinnerung des Klägers vom 7.7.2005 ein Zeugnis erteilt, das der Kläger beanstandet hat, weil es nicht dem Zwischenzeugnis vom 14.4.2005, sondern dem Entwurf vom 13.4.2005 entspreche. Ein weiteres Zeugnis (Bl. 31 d.A.) hat der Kläger wegen 5 Fehlern (Bl. 35 d.A.) zurückgewiesen. Ein am 22.9.2005 übersandtes Zeugnis (Bl. 37 d.A.) hat der Kläger wegen noch zweier Fehler beanstandet. Ein weiteres am 7.10.2005 zugestelltes Zeugnis enthält in 3 Zeilen Druckstörungen, die in 2 Fällen die Zeilen „verschwimmen“ lassen und in einem Fall als unsaubere Unterstreichung gewertet werden können. Der Fehler in der 12. Zeile von unten „seht“ statt „sehr“ war nicht beseitigt. Am 5.11.2005 erhielt der Kläger ein weiteres Exemplar (Bl. 48 d.A.), auf das hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 22.11.2005 gegen die Beklagte ein Zwangsgeld von 500 EUR festgesetzt, weil sie der Verpflichtung gem. Ziff. 3 des Vergleiches, dem Kläger ein (fehlerfreies und drucktechnisch einwandfreies) Zeugnis zu erteilen, nicht nachgekommen sei. Die hiergegen eingelegte Beschwerde (2 Ta 270/05) blieb erfolglos. Der Zwangsgeldbeschluss ist vom Kläger nicht vollstreckt worden.
- 6
Mit Schriftsatz vom 3.2.2006 hat der Kläger Festsetzung eines weiteren Zwangsgeldes beantragt, weil das nunmehr erteilte Zeugnis auf Seite 1 Druckschatten aufweise. Die Beklagte hat hierzu nicht Stellung genommen. Das Arbeitsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 21.2.2006 ein Zwangsgeld von 1.000 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat. Am 22.2.2006 haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers zwei Exemplare eines Zeugnisses erhalten, das ihren Anforderungen entspricht.
II.
- 7
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Das Arbeitsgericht hätte kein Zwangsgeld festsetzen dürfen.
- 8
Zwar hatte die Beklagte vor Erlass des Beschlusses vom 21.2.2006 nicht ordnungsgemäß erfüllt. Insoweit wird auf den Beschluss in gleicher Sache vom 16.12.2005 (2 Ta 270/05) verwiesen. Auch auffällige Druckschatten müssen vom Kläger nicht hingenommen werden.
- 9
Eine erneute Zwangsgeldfestsetzung hätte indes nicht erfolgen dürfen, da der Kläger nicht einmal den ersten Zwangsgeldbeschluss vollstreckt hat. Zweck eines Zwangsgeldes nach § 888 ZPO ist es, den Schuldner zur Erfüllung anzuhalten. Das geschieht durch Vollstreckung des Zwangsgeldes. Der Gläubiger hat die Vollstreckung zu Gunsten der Staatskasse vorzunehmen (Zöller Rn. 13 zu § 888 ZPO). Dem Kläger war am 29.11.2005 eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses vom 22.11.2005 erteilt worden, die er nicht genutzt hat. Eine wiederholte Zwangsgeldfestsetzung ist nur zulässig, wenn der Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus einem vorangegangenen Zwangsmittelbeschluss voll durchgeführt hat (OLG Brandenburg Beschluss vom 13.6.1997 - 10 W 37/96 - FamRZ 1998,180; Musielak Rn. 12 zu § 888 ZPO).
- 10
Der Kläger kann insoweit nicht damit gehört werden, er habe zunächst die Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 16.12.2005 abwarten wollen. Die Beschwerde hat nicht aufschiebende Wirkung (Zöller Rn. 15 zu § 888 ZPO. § 570 Abs. 1 ZPO betrifft nicht die Vollstreckung eines Zwangsgeldes, sondern eines Ordnungs- oder Zwangsmittels (Putzo Rn. 1 zu § 570 ZPO).
- 11
Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben.
- 13
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.
- 14
gez. …
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)