Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Apr. 2017 - 4 Sa 372/16

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0426.4Sa372.16.00
bei uns veröffentlicht am26.04.2017

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.6.2016, Az.: 7 Ca 109/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der am … 1956 geborene Kläger war seit dem 18.02.1991 zunächst befristet und sodann ab dem 01.10.1992 unbefristet bei der Beklagten, die mehrere Bankfilialen betreibt, als Kundenberater und Filialleiter beschäftigt. Er war zuletzt Ersatzmitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats und als solcher zuletzt auch für ein verhindertes Betriebsratsmitglied in den Betriebsrat nachgerückt.

3

In der vom Kläger geleiteten Filiale ist ein Alarmsystem installiert. Dieses kann durch einen im Kassenbereich befindlichen Schalter aktiviert werden. Das Büro des Klägers war von dem Kassenbereich durch einen Glasscheibe getrennt. In seinem Büro verfügte der Kläger über ein Festnetztelefon. Im Kassenbereich war eine weitere Mitarbeiterin eingesetzt, die auch für die ordnungsgemäße Verwahrung der Geldbestände verantwortlich war. Der Kläger war zeitweise auch im Kassenbereich tätig.

4

Bei der Beklagten wurde ein elektronisches Zeiterfassungssystem eingerichtet. Es existiert eine Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeitverteilung, die am 01.04.2011 in Kraft getreten ist. Die Betriebsvereinbarung enthält unter anderem unter Ziffer 3) allgemeine Regelungen zur Arbeitszeit und unter Ziffer 4) Regelungen für Arbeitnehmer, die in gleitender Arbeitszeit beschäftigt sind. Unter Ziffer 3.5.2. heißt es auszugsweise wie folgt:

5

"3.5.2. Nichtanrechenbare Fehlzeiten

6

Nicht auf die Arbeitszeit anrechenbar sind alle über die in Ziffer 3.5.1. fest-gelegten Rahmenbedingungen hinausgehenden Fehlzeiten, z.B. - Erledigung privater Besorgungen [… ]".

7

Gemäß Ziffer 4) sind die an der gleitenden Arbeitszeit teilnehmenden Mitarbeiter verpflichtet, ihre täglichen Arbeitszeiten im Zeitwirtschaftsprogramm ATOSS zu erfassen. Unter anderem heißt es unter Ziffer 4.2.:

8

"4.2. Zeiterfassung

9

[…] jeder/jede Mitarbeiter/in ist verpflichtet, seine/ihr Arbeitszeitkonto täglich zu führen in dem er/sie die entsprechenden Buchungen im Zeitwirtschaftsprogramm ARTOSS vornimmt."

10

Der Kläger war in Gleitzeit tätig.

11

Die Beklagte erteilte dem Kläger u. a. mit Schreiben vom 27.11.2012 eine Abmahnung. In dem Text des Schreibens wies die Beklagte den Kläger auf Ziffer 3.2.2.) der Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeitverteilung hin, gemäß welcher jeder Mitarbeiter der Beklagten grundsätzlich verpflichtet sei, sich bei Antritt bzw. Beendigung der Mittagspause an- bzw. abzumelden. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:

12

"Gegen diesen Punkt verstoßen sie regelmäßig, letztmalig am 23.11.2012. […] Am Freitag, dem 23.11.2012, haben Sie sich nachweislich ohne Abmeldung vom Arbeitsplatz entfernt und sind gegen 14:55 Uhr ohne eine entsprechende Anmeldung wieder an Ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt. Aus diesem Grund ist für uns nicht feststellbar, wie lange Sie sich von Ihrem Arbeitsplatz entfernt haben.

13

Unter Berücksichtigung dieses wiederholten Verstoßes sind wir gezwungen, diesen Pflichtverstoß hiermit abzumahnen.

14

Darüber hinaus fordern wir Sie auf, ab sofort die Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeitverteilung einzuhalten. Sollten Sie diese weiterhin missachten sind wir gehalten weitere arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten."

15

Wegen des weiteren Inhalts der Abmahnung im Einzelnen wird auf Bl. 127 f d. A. Bezug genommen.

16

Am 05.11.2015 wurde das Mobiltelefon des Klägers bei einem Wegeunfall beschädigt. Es blieb jedoch insofern nutzbar, als dass Anrufe sowohl getätigt als auch empfangen werden konnten.

17

Am 07.12.2015 loggte sich der Kläger im Zeitraum von 07:44 Uhr bis 13.07 Uhr und im Zeitraum von 13:50 Uhr bis 17:52 Uhr im Zeiterfassungssystem der Beklagten ein. Gegen 11.00 Uhr des betreffenden Tages verließ der Kläger seinen Arbeitsplatz, um sich - wie von ihm behauptet - ein neues Mobiltelefon zu besorgen, und befand sich gegen 11:30 Uhr in der B.er Innenstadt, wo er von einem Mitarbeiter der Beklagten gesehen wurde.

18

Nachdem dieser Mitarbeiter den Vorgesetzten des Klägers über dieses Vorkommen informiert hatte, benachrichtigte der Vorgesetzte den Vorstand der Beklagten am 15.12.2015. Mit Schreiben vom 22.12.2015 beantragte die Beklagte bei dem Betriebsrat die Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Klägers gemäß § 103 BetrVG. Wegen des Inhalts des Anhörungsschreibens im Einzelnen wird auf Bl. 29 - 31 d. A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 29.12.2015 erteilte der Betriebsrat seine Zustimmung zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung.

19

Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.12.2015, welches dem Kläger noch am selben Tag zuging.

20

Gegen diese Kündigung richtet sich die vom Kläger am 12.01.2016 beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage.

21

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.06.2016 (Bl. 185 - 192 d. A.).

22

Der Kläger hat beantragt:

23

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien seit dem 18.02.1991 bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Kündigung vom 29.12.2015 aufgelöst worden ist.

24

2. Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsschutzprozesses unverändert in seiner Funktion als Kundenberater in der Geschäftsstelle O. vertragsgerecht weiterzubeschäftigen

25

Die Beklagte hat beantragt,

26

die Klage abzuweisen.

27

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.06.2016 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 9 - 17 dieses Urteils (= Bl. 192 - 200 d. A.) verwiesen.

28

Gegen das ihm am 01.08.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.08.2016 Berufung eingelegt und diese am 28.09.2016 begründet.

29

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung sowohl die Sinnhaftigkeit der geschäftlichen Nutzung des Mobiltelefons im Interesse der Beklagten als auch die Notwendigkeit verkannt, insbesondere zu den Zeiten, zu denen er allein in der Filiale sei, aus Gründen seiner eigenen Sicherheit als auch der Sicherung der Vermögenswerte der Beklagten, ein jederzeit einsetzbares Mobiltelefon zur Verfügung zu haben. Zwar müsse er die Entscheidung der Beklagten, ihm kein Mobiltelefon zur Verfügung zu stellen, akzeptieren, es sei ihm jedoch als Zweigstellenleiter und Kundenberater mit Handlungsvollmacht zugute zu halten, dass er bestrebt gewesen sei, die Kommunikation mit seinen Kunden im Interesse der Beklagten zu optimieren. Daher habe er sich berechtigt gefühlt, sich während der Arbeitszeit um die Anschaffung eines neuen Mobiltelefons zu kümmern. Er habe nicht die Absicht gehabt, die Beklagte zu täuschen. Aus seiner Sicht habe die Besorgung eines neuen Mobiltelefons einen klaren Bezug zu seiner Arbeitsaufgabe und deren bestmöglichen Erledigung aufgewiesen. Es sei ihm ausschließlich darum gegangen, das anlässlich eines Wegeunfalls beschädigte Mobiltelefon, welches er unstreitig geschäftlich genutzt habe, durch ein neues und kostengünstiges Mobiltelefon zu ersetzen. Weil er in der Filiale, für die er verantwortlich gewesen sei, weitgehend alleine gewesen sei, habe er sich schon vor Jahren ein Mobiltelefon zugelegt, um von jeder Stelle in der Filiale schnell und unkompliziert telefonieren zu können. Das Verlassen des Arbeitsplatzes am 07.12.2015 zum Zweck der Besorgung eines neuen Mobiltelefons bei einem Elektronikmarkt in B. habe daher keineswegs ausschließlich auf privaten Gründen beruht. Dabei habe er keinerlei Täuschungsabsicht gehabt, weil er aufgrund der betreffenden Umstände davon ausgegangen sei, zur Ersatzbeschaffung des auch dienstlich genutzten Mobiltelefons während der Arbeitszeit berechtigt zu sein. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei auch nicht die vorherige Erteilung einer einschlägigen Abmahnung entbehrlich gewesen. Auf die Abmahnung vom 27.11.2012 könne sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen. Die Abmahnung beinhalte nämlich nicht nur den konkreten Vorwurf eines Fehlverhaltens vom 23.11.2012, sondern darüber hinaus auch den Vorwurf, er habe regelmäßig gegen seine An- und Abmeldepflicht verstoßen. Das mit dem Vorwurf des regelmäßigen Verstoßes verbundene Unwerturteil sei falsch und darüber hinaus auch tatbestandsmäßig nicht konkretisiert. Daher sie diese Abmahnung insgesamt unwirksam. Die Beklagte habe auch den Betriebsrat vor Kündigungsausspruch nicht ordnungsgemäß angehört. Die Unterrichtung des Betriebsrats mit Schreiben der Beklagten vom 22.12.2015 sei nämlich insofern unrichtig, als er nicht erst seit dem 01.10.1992, sondern schon seit dem 18.02.1991 beschäftigt gewesen sei. Die Unterrichtung sei weiterhin deshalb unrichtig, weil er - entgegen den im Anhörungsschreiben enthaltenen Angaben - seinem nunmehr 27 Jahre alten Sohn zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruch wegen dessen Studiums noch zum Unterhalt verpflichtet gewesen sei.

30

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbegründungsfrist vom 28.09.2016 (Bl. 261 - 280 d. A.) sowie auf den Schriftsatz des Klägers vom 01.03.2017 (Bl. 329 - 333 d. A.) Bezug genommen.

31

Der Kläger beantragt,

32

das erstinstanzliche Urteil wie folgt abzuändern:

33

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien seit dem 18.02.1991 bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29.12.2015 aufgelöst worden ist.

34

2. Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsschutzprozesses unverändert in seiner Funktion als Kundenberater in der Geschäftsstelle O. vertragsgerecht weiter zu beschäftigen.

35

Die Beklagte beantragt,

36

die Berufung zurückzuweisen.

37

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 05.12.2016 (Bl. 314 - 321 d. A.) und vom 11.04.2017 (Bl. 340 - 344 d. A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

38

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung abgewiesen.

II.

39

Die Kündigungsschutzklage ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitbefangene außerordentliche Kündigung aufgelöst worden.

40

Das Berufungsgericht folgt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen das erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Das Berufungsvorbringen des Klägers bietet lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Klarstellungen:

1.

41

Ein wichtiger Grund i. S. d. §§ 15 Abs. 1 KSchG, 626 Abs. 1 BGB, der die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds rechtfertigen kann, ist nach der allgemeinen gesetzlichen Definition gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisse fortzusetzen. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt - ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles - (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, d. h. ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis des bis zu dem gemäß § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen.

42

Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit an einem Gleitzeitmodell teilnehmender Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt der Arbeitgeber den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit dem Arbeitnehmer selbst und macht dieser bei der Dokumentation in einer elektronischen Zeiterfassung vorsätzlich falsche Angaben, verletzt er damit in erheblicher Weise seine gegenüber dem Arbeitgeber gemäß § 241 Abs. 2 BGB bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme (BAG v. 09.06.2011 - 2 AZR 381/10 - AP Nr. 234 zu § 626 BGB).

43

Vorliegend steht aufgrund des unstreitigen Sachverhalts fest, dass der Kläger am 07.12.2015 gegen 11:00 Uhr seinen Arbeitsplatz verlassen hat, ohne dies im Zeiterfassungssystem der Beklagten zu dokumentieren. Nach Maßgabe seines eigenen Sachvortrages hat er sich zu einem Elektronik-Fachmarkt in B. begeben, um sich ein neues Handy zu besorgen und ist gegen 12:20 Uhr an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt, ohne jedoch ein Handy tatsächlich gekauft zu haben. Unstreitig handelte es sich bei dem beabsichtigten Erwerb eines Mobiltelefons um eine private Angelegenheit des Klägers. Ein Dienst-Handy war ihm seitens der Beklagten zu keinem Zeitpunkt zur Verfügung gestellt worden; das zuvor am 05.11.2015 bei einem Wegeunfall beschädigte Mobiltelefon des Klägers stand in seinem privaten Eigentum.

44

Der Kläger hat damit in nicht unerheblicher Weise gegen die ihm allgemein nach § 241 Abs. 2 BGB obliegende Rücksichtnahmepflicht und damit zugleich auch gegen seine Verpflichtung nach Ziffer 4.2. der Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeitverteilung verstoßen, wonach jeder Mitarbeiter verpflichtet ist, sein Arbeitszeitkonto durch korrekte Buchungen im Zeiterfassungssystem selbst zu führen, wobei Ziffer 3.5.2. der Betriebsvereinbarung ausdrücklich bestimmt, dass die Erledigung privater Besorgungen nicht als Arbeitszeit gilt.

2.

45

Der Kläger befand sich bezüglich des betreffenden Pflichtenverstoßes nicht in einem verschuldensausschließenden unvermeidbaren Rechtsirrtum.

46

Falls der Kläger überhaupt irrtümlich davon ausging, die Besorgung eines privaten Mobiltelefons stelle zumindest auch eine dienstliche Angelegenheit dar, so war ein diesbezüglicher Irrtum keinesfalls unvermeidbar. Dabei kann zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass er ein Mobiltelefon auch im Rahmen seiner Tätigkeit als Kundenberater nutzte und den Besitz eines solchen Gerätes auch aus Gründen der Sicherheit in der von ihm geleiteten Bankfiliale als nützlich und vorteilhaft erachtete. Gleichwohl kann deshalb der Erwerb eines privaten Mobiltelefons, einem Gegenstand des alltäglichen auch privaten Gebrauchs, nicht als Dienstgeschäft qualifiziert werden. Dies war für den Kläger - ebenso wie für jedermann - problemlos erkennbar.

3.

47

Der Wirksamkeit der streitbefangenen Kündigung steht nicht das Fehlen einer vorherigen einschlägigen Abmahnung entgegen.

48

Dabei kann offen bleiben, ob es vorliegend im Hinblick auf die Schwere des Fehlverhaltens des Klägers überhaupt einer vorherigen Abmahnung bedurfte. Der Kläger war nämlich mit Schreiben der Beklagten vom 27.11.2012 (Bl. 327 f d. A.) einschlägig abgemahnt. Die Abmahnung betrifft den unstreitigen Sachverhalt, wonach sich der Kläger am 23.11.2012 ohne Abmeldung vom Arbeitsplatz entfernt und gegen 14:55 Uhr ohne eine entsprechende Anmeldung wieder an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt ist. Soweit der Kläger in seiner Stellungnahme vom 30.11.2012 (Bl. 133 d. A.) geltend gemacht hat, er habe in dem betreffenden Zeitraum von seinem häuslichen PC aus Recherchen für den Betriebsrat durchgeführt, so steht dies dem abgemahnten Fehlverhalten nicht entgegen, da sich ein Betriebsratsmitglied auch dann ordnungsgemäß abmelden muss, wenn es den Arbeitsplatz zum Zwecke der Erfüllung von Betriebsratsaufgaben verlässt (BAG v. 15.07.1992 - 7 AZR 466/91 - AP Nr. 9 zu § 611 BGB Abmahnung). Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Abmahnung sei unwirksam, weil sie neben dem konkret gerügten Pflichtenverstoß den nicht näher konkretisierten Vorwurf enthält, der Kläger habe darüber hinaus auch schon "regelmäßig" gegen die betreffende Pflicht verstoßen. Zwar hat der Kläger u. U. deshalb wegen einer insoweit gegebenen inhaltlichen Unbestimmtheit der Abmahnung einen Anspruch auf deren Entfernung aus seiner Personalakte. Gleichwohl entfaltet die Abmahnung hinsichtlich des konkret beschriebenen Fehlverhaltens vom 23.11.2012 die kündigungsrechtlich erforderliche Rüge- und Warnfunktion. Der Pflichtenverstoß des Klägers vom 23.11.2012 wird in dem betreffenden Abmahnungsschreiben konkret - auch unter Hinweis auf die einschlägige Bestimmung in der Betriebsvereinbarung - gerügt. Auch wurde der Kläger in der Abmahnung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er im Wiederholungsfall mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hat.

4.

49

Auch das Ergebnis der durchzuführenden Interessenabwägung steht der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nicht entgegen.

50

Zwar spricht für den Kläger sein fortgeschrittenes Lebensalter und insbesondere die lange Dauer seiner Betriebszugehörigkeit (seit 18.02.1991). Auch ist zu berücksichtigen, dass er im Kündigungszeitpunkt nicht nur seiner Ehefrau, sondern auch noch einem Sohn zum Unterhalt verpflichtet war. Demgegenüber fällt jedoch zugunsten der Beklagten ins Gewicht, dass es sich bei dem Arbeitszeitbetrug des Klägers um eine schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, die für den Arbeitgeber schlichtweg nicht hinnehmbar ist. Die Beklagte muss sich darauf verlassen können, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeitszeiten ordnungsgemäß dokumentiert. Dies insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - ansonsten keine durchgehende Kontrollmöglichkeit hinsichtlich der erbrachten Arbeitszeit besteht. Insoweit ist die Beklagte auf die Ehrlichkeit ihrer Mitarbeiter angewiesen. Da der Kläger bereits einschlägig abgemahnt war, bestand auch durchaus eine Wiederholungsgefahr. Die Einhaltung der fiktiven Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende war der Beklagten nicht mehr zumutbar. Insgesamt überwog das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Klägers an dessen Fortsetzung.

5.

51

Die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB hat die Beklagte unzweifelhaft eingehalten.

6.

52

Der Wirksamkeit der Kündigung steht letztlich auch nicht eine nicht ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats im Rahmen des Zustimmungsersuchens nach § 103 Abs. 1 BetrVG entgegen.

53

Die Beklagte hat den bei ihr bestehenden Betriebsrat mit Schreiben vom 22.12.2015 unter vollständiger und ausführlicher Darlegung des Kündigungsgrundes nebst der Abmahnung vom 27.11.2012 um Zustimmung zur beabsichtigten fristlosen Kündigung des Klägers ersucht. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung unstreitig vor Kündigungsausspruch erteilt. Alter und Familienstand des Klägers sind im Zustimmungsantrag korrekt wiedergegeben. Soweit die Beklagte dem Betriebsrat als Eintrittsdatum des Klägers (wohl versehentlich) den 01.10.1992, also den Beginn des unbefristeten Arbeitsverhältnisses und nicht den korrekten Zeitpunkt (18.02.1991) mitgeteilt hat, so führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Anhörung. Die zeitliche Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem dem Betriebsrat mitgeteilten Eintrittsdatum ist im Hinblick auf die gesamte Beschäftigungsdauer so geringfügig, dass sich dies nicht auf die Beurteilung der Kündigung durch den Betriebsrat auswirken konnte. Die Anhörung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte dem Betriebsrat unter der Rubrik "folgende Personaldaten sind uns bekannt:" u. a. mitgeteilt hat, der Kläger sei "nicht mehr unterhaltspflichtig", obwohl dieser seinerzeit noch gegenüber einem volljährigen Sohn zum Unterhalt verpflichtet war. Der Arbeitgeber ist nämlich im Anhörungsverfahren nur zur Angabe der ihm bekannten Daten verpflichtet, eine weitergehende Nachforschungspflicht trifft ihn diesbezüglich nicht (BAG v. 06.07.2006 - 2 AZR 520/05 - AP Nr. 80 zu § 1 KSchG 1969). Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, die Sozialdaten des Klägers, d. h dessen Unterhaltsverpflichtungen aus den ihr vorliegenden Daten (Lohnsteuerkarte, Gehaltsabrechnungen) entnommen zu haben. Darüber hinaus haben die Parteien in der Berufungsverhandlung übereinstimmend erklärt, dass in der Gehaltsabrechnung des Klägers für Dezember 2015 keine Kinderfreibeträge mehr eingetragen waren. Die Beklagte konnte daher berechtigterweise davon ausgehen, dass keine Unterhaltsverpflichtungen des Klägers mehr bestanden.

III.

54

Die Berufung des Klägers war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

55

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

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(1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Gr

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(1) Die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung und des Seebetriebsrats, des Wahlvorstands sowie von Wahlbewerbern bedarf der Zustimmung des Betriebsrats. (2) Verwe

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 09. Juni 2011 - 2 AZR 381/10

bei uns veröffentlicht am 09.06.2011

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. Januar 2010 - 9 Sa 1913/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

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(1) Die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung und des Seebetriebsrats, des Wahlvorstands sowie von Wahlbewerbern bedarf der Zustimmung des Betriebsrats.

(2) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann das Arbeitsgericht sie auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht ist der betroffene Arbeitnehmer Beteiligter.

(2a) Absatz 2 gilt entsprechend, wenn im Betrieb kein Betriebsrat besteht.

(3) Die Versetzung der in Absatz 1 genannten Personen, die zu einem Verlust des Amtes oder der Wählbarkeit führen würde, bedarf der Zustimmung des Betriebsrats; dies gilt nicht, wenn der betroffene Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist. Absatz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass das Arbeitsgericht die Zustimmung zu der Versetzung ersetzen kann, wenn diese auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des betroffenen Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen notwendig ist.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder eines Seebetriebsrats innerhalb eines Jahres, die Kündigung eines Mitglieds einer Bordvertretung innerhalb von sechs Monaten, jeweils vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(2) Die Kündigung eines Mitglieds einer Personalvertretung, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder einer Jugendvertretung ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit der in Satz 1 genannten Personen ist ihre Kündigung innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(3) Die Kündigung eines Mitglieds eines Wahlvorstands ist vom Zeitpunkt seiner Bestellung an, die Kündigung eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an, jeweils bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes oder nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist die Kündigung unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht für Mitglieder des Wahlvorstands, wenn dieser durch gerichtliche Entscheidung durch einen anderen Wahlvorstand ersetzt worden ist.

(3a) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Abs. 3, § 17a Nr. 3 Satz 2, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstands nach § 16 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4, § 17a Nr. 4, § 63 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 oder § 116 Abs. 2 Nr. 7 Satz 5 des Betriebsverfassungsgesetzes beantragt, ist vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; der Kündigungsschutz gilt für die ersten sechs in der Einladung oder die ersten drei in der Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer. Wird ein Betriebsrat, eine Jugend- und Auszubildendenvertretung, eine Bordvertretung oder ein Seebetriebsrat nicht gewählt, besteht der Kündigungsschutz nach Satz 1 vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an drei Monate.

(3b) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats oder einer Bordvertretung unternimmt und eine öffentlich beglaubigte Erklärung mit dem Inhalt abgegeben hat, dass er die Absicht hat, einen Betriebsrat oder eine Bordvertretung zu errichten, ist unzulässig, soweit sie aus Gründen erfolgt, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Der Kündigungsschutz gilt von der Abgabe der Erklärung nach Satz 1 bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Absatz 3, § 17a Nummer 3 Satz 2, § 115 Absatz 2 Nummer 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, längstens jedoch für drei Monate.

(4) Wird der Betrieb stillgelegt, so ist die Kündigung der in den Absätzen 1 bis 3a genannten Personen frühestens zum Zeitpunkt der Stillegung zulässig, es sei denn, daß ihre Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

(5) Wird eine der in den Absätzen 1 bis 3a genannten Personen in einer Betriebsabteilung beschäftigt, die stillgelegt wird, so ist sie in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, so findet auf ihre Kündigung die Vorschrift des Absatzes 4 über die Kündigung bei Stillegung des Betriebs sinngemäß Anwendung.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. Januar 2010 - 9 Sa 1913/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten seit September 2001 als Verwaltungsfachangestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 15. Oktober 1991 (MDK-T) Anwendung. Die Beklagte rechnete der Klägerin nach § 14 MDK-T eine Vorbeschäftigungszeit seit Januar 1991 an. Die Klägerin war deshalb gem. § 34 Abs. 1 MDK-T nur noch aus wichtigem Grund kündbar.

3

Bei der Beklagten besteht eine Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit. Die Mitarbeiter, die an der Gleitzeit teilnehmen, können danach in der Zeit von 06:00 Uhr bis 22:00 Uhr Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit selbst bestimmen. Nach Nr. VII der Dienstvereinbarung sind von jedem Mitarbeiter Beginn und Ende der Anwesenheitszeit minutengenau zu dokumentieren. Dies geschieht durch Eingabe in ein elektronisches Zeiterfassungssystem mit Hilfe des PCs am Arbeitsplatz. Nach § 12 Abs. 9 MDK-T beginnt und endet die Arbeitszeit „an der Arbeitsstelle“. Unter Nr. IX der Dienstvereinbarung heißt es zu „Unregelmäßigkeiten und Missbrauch“:

        

„Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die in dieser Dienstvereinbarung und den Verwaltungsanordnungen enthaltenen Grundsätze und Bestimmungen nicht einhalten, können mit Zustimmung der Personalvertretung von der GLAZ ausgeschlossen werden.

        

Jedes bewusste Unterlassen der Zeiterfassung oder jede sonstige Manipulation des Zeiterfassungsverfahrens stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die mit dieser Vereinbarung getroffenen Regelungen dar. Der Missbrauch hat grundsätzlich disziplinarische bzw. arbeitsrechtliche Maßnahmen zur Folge.“

4

Mit Schreiben vom 17. Juni 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin wegen „Arbeitszeitbetrugs“ im Zeitraum vom 26. Mai bis 2. Juni 2008, zumindest wegen eines entsprechenden Verdachts außerordentlich.

5

Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Arbeitszeit beginne jeweils bereits dann, wenn sie die Parkplatzeinfahrt durchfahren habe. Sie hat behauptet, es habe keine Anweisung bestanden, dass maßgeblich die Uhr im Eingangsbereich sei. Sie habe häufig viel Zeit mit der Suche nach einem Parkplatz verbracht, für 50 Mitarbeiter hätten nur 27 Parkplätze zur Verfügung gestanden.

6

Die Klägerin hat - soweit noch von Interesse - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 17. Juni 2008 nicht beendet wird;

        

2.    

im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Verwaltungsangestellte weiterzubeschäftigen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat in den Rechtsstreit weitere fehlerhafte Arbeitszeitabrechnungen der Klägerin für den 3. und 4. Juni 2008 eingeführt. Sie hat behauptet, die Klägerin habe an der gleitenden Arbeitszeit teilgenommen und an insgesamt sieben Arbeitstagen jeweils mindestens 13 Minuten, an einigen Tagen sogar mehr als 20 Minuten als Arbeitszeiten dokumentiert, obwohl sie noch nicht im Betrieb gewesen sei oder den Betrieb bereits verlassen hätte.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17. Juni 2008 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit ihrem Zugang aufgelöst. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

10

I. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17. Juni 2008 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang aufgelöst.

11

1. Ein wichtiger Grund iSv. § 34 Abs. 1 MDK-T, § 626 Abs. 1 BGB liegt vor.

12

a) Das Arbeitsverhältnis eines nach § 34 Abs. 1 MDK-T ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers kann nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Der Begriff des wichtigen Grundes iSv. § 34 Abs. 1 MDK-T ist inhaltsgleich mit dem des § 626 Abs. 1 BGB(BAG 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 16, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16). Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, NZA 2010, 1227; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220). Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist nur gegeben, wenn das Ergebnis dieser Gesamtwürdigung die Feststellung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ist. Bei einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer ist dabei auf die „fiktive“ Kündigungsfrist abzustellen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 827/06 - Rn. 37, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 24).

13

b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, das Verhalten der Klägerin rechtfertige an sich eine außerordentliche Kündigung.

14

aa) Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen (BAG 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - zu II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 197 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 12; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264). Dies gilt für einen vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare (vgl. BAG 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - aaO). Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch (BAG 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - aaO; 12. August 1999 - 2 AZR 832/98 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 51 = EzA BGB § 123 Nr. 53). Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit der am Gleitzeitmodell teilnehmenden Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar (BAG 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - aaO). Nicht anders zu bewerten ist es, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die geleistete Arbeitszeit mit Hilfe des Arbeitsplatzrechners in einer elektronischen Zeiterfassung zu dokumentieren, und er hierbei vorsätzlich falsche Angaben macht. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine ihm gegenüber dem Arbeitgeber bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB).

15

bb) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die Klägerin habe für den 26., 27., 28. und 29. Mai, sowie den 2., 3. und 4. Juni 2008 jeweils mindestens 13 Minuten, einmal 28 Minuten - insgesamt 135 Minuten - vorsätzlich fehlerhaft zu Lasten der Beklagten als Arbeitszeiten in der Zeiterfassung dokumentiert. Angesichts der nicht unerheblichen Abweichungen zwischen den angegebenen Arbeitszeiten und dem tatsächlichen Betreten des Dienstgebäudes könne es sich bei den Falschangaben nicht nur um fahrlässiges Handeln oder ein Versehen gehandelt haben. Die Klägerin habe im Zeitraum der Beobachtung täglich und damit systematisch fehlerhafte Angaben gemacht. Dabei sei zu ihren Gunsten berücksichtigt, dass die Uhr im Eingangsbereich im Einzelfall um einige Minuten falsch gegangen sein könnte. Ihr Vorbringen zu einer rechtlichen Information von dritter Seite über Beginn und Ende der zu dokumentierenden Anwesenheitszeit sei nicht geeignet, ihren Vorsatz in Frage zu stellen. So erklärten sich die Arbeitszeitdifferenzen von 15 bis zu 28 Minuten selbst dann nicht, wenn man mit der Klägerin das Durchfahren der Parkplatzeinfahrt zu Tagesbeginn und -ende als maßgeblich zugrunde lege.

16

cc) Gegen diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin keine beachtlichen Verfahrensrügen erhoben. Sie sind damit für den Senat bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO). Die Bewertung des Fehlverhaltens der Klägerin als vorsätzlich lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Sie liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung iSv. § 286 ZPO. Das Revisionsgericht kann bezüglich der Feststellung innerer Tatsachen nur prüfen, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und keine Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 21, NZA 2011, 571; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 27 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17). Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden. Zwar war in der Dienstvereinbarung keine Definition enthalten, wann die zu dokumentierende Anwesenheitszeit beginnt bzw. endet, und auch der Begriff der „Arbeitsstelle“ in § 12 Abs. 9 MDK-T ist auslegungsfähig. Hierauf kam es nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts aber nicht an, da die Angaben der Klägerin selbst bei weitest möglichem Begriffsverständnis nicht zu erklären seien.

17

c) Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, eine Abmahnung sei im Streitfall entbehrlich gewesen, und seine weitere Interessenabwägung sind im Ergebnis nicht zu beanstanden.

18

aa) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, NZA 2010, 1227). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, NZA 2011, 571; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO). Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37, aaO; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17). Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 29, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33 mwN, aaO).

19

bb) Eine Abmahnung war demnach im Streitfall entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht schon deswegen entbehrlich, weil das Fehlverhalten der Klägerin den Vertrauensbereich betrifft. Seine Entscheidung erweist sich im Ergebnis aber als richtig, da eine Hinnahme des Fehlverhaltens durch die Beklagte offensichtlich - auch für die Klägerin erkennbar - ausgeschlossen war.

20

Die Klägerin hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu Lasten der Beklagten an mehreren Tagen hintereinander systematisch und vorsätzlich um jeweils mindestens 13 Minuten - insgesamt 135 Minuten - falsche Arbeitszeiten angegeben und damit in beträchtlichem Umfang über die erbrachte Arbeitszeit zu täuschen versucht. Dieses auf Heimlichkeit angelegte, vorsätzliche und systematische Fehlverhalten wiegt besonders schwer. Soweit sich die Klägerin darauf berufen hat, andere Mitarbeiter hätten sie ohne Weiteres beobachten können, wenn sie noch in ihrem Pkw saß, um zu rauchen oder auf ihre Tochter zu warten, ändert dies nichts daran, dass ihre Falschangaben bei der Arbeitszeiterfassung nicht offen erfolgten. Aus den angegeben Arbeitszeiten als solchen ließ sich nicht ersehen, dass sie nicht korrekt waren. Die für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage erscheint angesichts dessen auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht mehr wiederherstellbar. Eine Hinnahme des vorsätzlichen und systematischen Fehlverhaltens durch die Beklagte war - auch für die Klägerin erkennbar - aufgrund der Schwere ihrer Pflichtverletzung unabhängig von einer Wiederholungsgefahr ausgeschlossen.

21

cc) Auch im Übrigen hält die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

22

(1) Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, NZA 2010, 1227; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 39).

23

(2) Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung und des durch sie bewirkten Vertrauensverlusts war es der Beklagten nicht zumutbar, die Klägerin auch nur bis zum Ablauf einer „fiktiven“ Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Die längste ordentliche Kündigungsfrist hätte nach § 33 MDK-T zwölf Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres betragen. Auch die langjährige unbeanstandete Betriebszugehörigkeit der Klägerin von gut 17 Jahren, ihr Alter sowie die von ihr angegebene Unterhaltspflicht für eine Person führen angesichts des mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruchs nicht zu einer Interessenabwägung zu ihren Gunsten. Die Klägerin hat nicht nur einmal in etwa nur geringem Umfang, sondern an sieben Arbeitstagen hintereinander systematisch und vorsätzlich ihre Arbeitszeit im Umfang von jeweils 13 bis 28 Minuten zu Lasten der Beklagten falsch angegeben. Die Störung des Vertrauensverhältnisses durch ihren Täuschungsversuch wiegt besonders schwer, und zwar unabhängig davon, ob eine Wiederholungsgefahr dadurch ausgeschlossen werden könnte, dass die Klägerin aus der Gleitzeit herausgenommen würde. Das Verschulden der Klägerin ist so erheblich, dass es der Beklagten nicht zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der fiktiven Kündigungsfrist fortzusetzen. Aus Nr. IX der Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit lässt sich nicht etwa die Abrede entnehmen, ein Missbrauch könne allenfalls zu einer Herausnahme des Arbeitnehmers aus der gleitenden Arbeitszeit führen. Dort ist vielmehr für diesen Fall ausdrücklich auf die Möglichkeit arbeitsrechtlicher Schritte hingewiesen.

24

2. Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt und den Personalrat ordnungsgemäß angehört. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

25

II. Der Weiterbeschäftigungsantrag für die Dauer des vorliegenden Kündigungsschutzverfahrens fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Der Rechtsstreit ist abgeschlossen.

26

III. Als unterlegene Partei hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Roeckl    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung und des Seebetriebsrats, des Wahlvorstands sowie von Wahlbewerbern bedarf der Zustimmung des Betriebsrats.

(2) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann das Arbeitsgericht sie auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht ist der betroffene Arbeitnehmer Beteiligter.

(2a) Absatz 2 gilt entsprechend, wenn im Betrieb kein Betriebsrat besteht.

(3) Die Versetzung der in Absatz 1 genannten Personen, die zu einem Verlust des Amtes oder der Wählbarkeit führen würde, bedarf der Zustimmung des Betriebsrats; dies gilt nicht, wenn der betroffene Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist. Absatz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass das Arbeitsgericht die Zustimmung zu der Versetzung ersetzen kann, wenn diese auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des betroffenen Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen notwendig ist.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)