Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 14. Sept. 2017 - 2 Sa 81/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0914.2Sa81.17.00
bei uns veröffentlicht am14.09.2017

Tenor

I. Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 01.02.2017 - 4 Ca 1983/16 - werden zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 72 % und die Beklagte zu 28 %.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Vergütung von Überstunden und die Zahlung eines 13. Monatsgehalts.

2

Der Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 01. März 2001 (Bl. 10 - 14 d. A.) in der Zeit vom 01. August 1992 bis zum 31. März 2016 als Grafiker gegen ein Bruttomonatsentgelt von 4.618,00 EUR im Jahr 2013, 5.018,00 EUR seit dem 01. Januar 2014 und 5.518,00 EUR seit dem 01. Januar 2016 beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 01. März 2001 enthält u.a. folgende Regelungen:

"§ 3

3

Arbeitszeit

4

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 38,5 Stunden wöchentlich.

5

(2) Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und die Pausen richten sich nach der Übung des Betriebes.

§ 4

6

Vergütung

7

Herr/Frau A. erhält für seine/ihre vertragliche Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von

8

6.000,00 DM.

9

Die Vergütung ist jeweils am Letzten des Monats fällig. Die Zahlung erfolgt bargeldlos. Zusätzlich wird als freiwillige Leistung ein 13. Monatsgehalt gezahlt, das je zur Hälfte als Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld ausbezahlt wird.

§ 5

10

Über- und Mehrarbeit

11

(1) Durch die monatliche Vergütung sind 10 etwaige Über- oder Mehrarbeitsstunden abgegolten.

12

(2) Der Ausgleich von Über- und Mehrarbeitsstunden, soweit nicht gem. Abs. 1 abgegolten, erfolgt grundsätzlich durch Gewährung von Freizeit oder, wenn dies aus betrieblichen oder krankheitsbedingten Gründen nicht möglich ist, durch Abgeltung."

13

Bis zum Jahr 2001 erhielt der Kläger das 13. Monatsgehalt. Ab dem Jahr 2002 wurden die Zahlungen eingestellt. Hierzu hatte Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeitern im Jahr 2002 in einer Mitarbeiterversammlung erklärt, dass sich das Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinde und kein Weihnachtsgeld gezahlt werde, solange diese wirtschaftlichen Schwierigkeiten anhalten würden.

14

In den Jahren 2006 und 2007 zahlte die Beklagte jeweils mit dem Novembergehalt eine Jahres-Sonderzuwendung in Höhe von 30 % des Monatsentgelts an diejenigen Mitarbeiter - darunter auch der Kläger -, die am 1. Dezember des jeweiligen Jahres eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von mindestens elf Monaten hatten und sich an diesem Tag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befanden (Bl. 314, 315 d. A.)

15

Unter dem 04. Mai 2012 wurde dem Kläger folgende "Ergänzung zum Anstellungsvertrag vom 01. März 2001" (Bl. 186 d. A.) vorgelegt, die er jedoch nicht unterzeichnete:

16

"Folgende Punkte sind - wirksam ab dem 01. Juli 2012 - zusätzlich zum Arbeitsvertrag festzuhalten:

17

§ 4 (1) Vergütung ändert sich wie folgt:

18

Herr A. erhält für seine vertragliche Tätigkeit eine Erhöhung seines Bruttogehalts um 400,00 EUR auf ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 4.418,00 EUR. Weiterhin wird eine zusätzliche Anhebung des Bruttogehalts zum 01.01.2013 auf 4.518,00 EUR vereinbart.

19

§ 5 Über- und Mehrarbeit ändert sich wie folgt:

20

Durch die monatliche Vergütung sind sämtliche Über- oder Mehrarbeitsstunden abgegolten. Es besteht außerdem kein Anspruch auf Freizeitausgleich.

21

(…)"

22

Mit seiner am 24. Juni 2016 beim Arbeitsgericht Koblenz eingereichten Klage hat der Kläger die Zahlung des 13. Monatsgehalts für die Jahre 2013, 2014 und 2015 in Höhe von insgesamt 14.654,00 EUR brutto sowie Überstundenvergütung für die Zeit vom 01. Januar 2013 bis zum 31. März 2016 in Höhe von insgesamt 37.282,63 EUR brutto mit der Begründung geltend gemacht, er habe nach der als Anlage zur Klageschrift vorgelegten "Jobplanung" der Beklagten in diesem Zeitraum insgesamt 1.230 Überstunden geleistet, die über den nach § 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrags durch die monatliche Vergütung abgegoltenen zehn Überstunden pro Monat liegen würden.

23

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 01. Februar 2017 - 4 Ca 1983/16 - und ergänzend auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

24

Der Kläger hat beantragt,

25

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.654,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen,

26

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 37.282,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen.

27

Die Beklagte hat beantragt,

28

die Klage abzuweisen.

29

Mit Urteil vom 01. Februar 2017 - 4 Ca 1983/16 - hat das Arbeitsgericht der Klage in Bezug auf die mit dem Klageantrag zu 1. geforderte Zahlung des 13. Monatsgehalts für die Jahre 2013 bis 2015 in Höhe von 14.654,00 EUR brutto nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen hinsichtlich der mit dem Antrag zu 2. beanspruchten Überstundenvergütung abgewiesen.

30

Gegen das ihm am 16. Februar 2017 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 28. Februar 2017, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 13. April 2017, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 14. März 2017, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Anschlussberufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

31

Der Kläger trägt vor, das Arbeitsgericht habe die Klage auf Überstundenvergütung zu Unrecht abgewiesen, weil es die Anforderungen an seine Darlegungslast überspannt habe. Er habe in der Zeit vom 01. Januar 2013 bis 31. März 2016 insgesamt 1.230 Überstunden geleistet. Wegen der Verteilung der Stunden auf die einzelnen Wochen in dieser Zeit verweise er auf die Klageschrift und die dieser beigefügten Unterlagen mit den Auswertungen für jede einzelne Woche. Er habe über einen Zeitraum von 169 Wochen nahtlos die von ihm erbrachten Arbeitsleistungen dargelegt. Zwar habe er sich dabei an den Jobplanungen der Beklagten orientiert. Anknüpfungspunkt sei jedoch der jeweils letzte Tag vor oder zu Beginn des jeweiligen Wochenzeitraums gewesen, weil die Meetings, auf denen die Jobplanungen festgelegt worden seien, unstreitig jede Woche entweder am Freitag vor Beginn der jeweils dargelegten Woche oder am Montag als erster Tag der jeweils dargelegten Woche stattgefunden hätten. Aufgrund dieser Anknüpfungstatsachen stehe fest, dass die Wochenplanung der Beklagten ihrem Umfang nach im Ergebnis den tatsächlich geleisteten Stunden im Wesentlichen entsprochen habe. Zwar sei es richtig, dass die Wochenplanungen der Beklagten laufend angepasst worden seien, die meisten Anpassungen hätten jedoch zwei bis vier Wochen vor dem Einsatz stattgefunden. Wenn es zu Anpassungen gekommen sei, seien zwar geplante Einsätze weggefallen, es seien aber auch ungeplante Einsätze hinzugekommen. In der Regel sei es so gewesen, dass mehr ungeplante Arbeitszeit hinzugekommen als weggefallen sei. Abgesehen davon habe er von vornherein nur einen Teil der geplanten Stunden eingeklagt und so einen etwaigen Wegfall geplanter Stunden bereits berücksichtigt. Im Übrigen bestreite er nicht, dass Planung und tatsächlicher Ablauf nicht identisch sein müssten und es daher auch vorkommen könne, dass die Beklagte mehr Stunden einplane als tatsächlich geleistet würden oder weniger. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich jedoch, dass die Beklagte ihren Mitarbeitern 169 Wochen lang Überstunden vorgebe und nie Minusstunden. Die Arbeit, die die Mitarbeiter der Beklagten zu leisten gehabt hätten, habe durchweg einen höheren Arbeitseinsatz als eingeplant erfordert, jedenfalls keinen niedrigeren. Unabhängig davon habe das Arbeitsgericht in seinem Urteil ausgeführt, ihm würde es als Schätzgrundlage genügen, wenn er für einen gewissen Zeitraum seine tatsächliche Arbeitsleistung angeben sowie weiter darlegen würde, dass die zugewiesenen Arbeiten in der vorgetragenen Zeit nicht hätten erledigt werden können. Insoweit habe das Arbeitsgericht gegen die ihm obliegenden Hinweispflichten verstoßen. Hätte das Arbeitsgericht diesen Hinweis rechtzeitig erteilt, hätte er ergänzend und exemplarisch seine Arbeitszeiten in drei Kalenderwochen, nämlich in den Wochen KW 15 aus 2013, KW 33 aus 2013 und KW 43 aus 2014 dargelegt; wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Berufungsvorbringens des Klägers wird auf seine Ausführen in seiner Berufungsbegründung (Ziffer I 1 b aa - cc = S. 5 - 17 der Berufungsbegründung) Bezug genommen. Die Beklagte habe die Überstunden auch angeordnet. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts handele es sich bei der Jobplanung der Beklagten nicht um eine stillschweigende, sondern um eine ausdrückliche Anordnung. Wenn der Arbeitgeber montags morgens per E-Mail anordne, dass in der laufenden Woche 45 Arbeitsstunden zu leisten seien ("Jobplanung"), dann liege darin bei einer geschuldeten Arbeitszeit von 38,5 Stunden die Anordnung von 6,5 Überstunden. Die Beklagte habe sich gerade nicht darauf beschränkt, für jede Woche nur die zu erledigenden Aufgaben vorzugeben, sondern habe für jedes Projekt eine Arbeitszeit vorgegeben. Auch wenn ein Kläger bei bloßer Vorgabe der zu erledigenden Arbeiten ohne Vorgabe einer konkreten Arbeitszeit darzulegen habe, in welchem Zeitraum sie normalerweise hätten erledigt werden können, könne dies aber dann nicht gelten, wenn der Arbeitgeber selbst eine höhere Stundenleistung vorgebe. Die Jobplanung der Beklagten sei im Ergebnis weitestgehend realistisch gewesen, wenn man davon absehe, dass der tatsächlich angefallene Arbeitsaufwand zumeist höher als der geplante, jedoch keinesfalls niedriger gewesen sei. Sein Anspruch auf Zahlung eines 13. Monatsgehalts sei unstreitig entstanden. Eine stillschweigende Vertragsänderung habe es nicht gegeben. Gemäß den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts könne eine Willenserklärung im Sinne eines zustimmenden Schweigens unter den konkreten Umständen nicht angenommen werden. Insbesondere wirke sich die Zahlungseinstellung nicht unmittelbar bei seiner Arbeit aus. Von einer Verwirkung des Anspruchs könne ebenfalls keine Rede sein. Wenn die Beklagte selbst vortrage, dass nur ein temporärer Ausschluss gemeint gewesen sei ("ausgesetzt", "solange") fehle es ohnehin an einem Zeitmoment. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens des Klägers wird auf seine Berufungsbegründung vom 13. April 2017 und seinen weiteren Schriftsatz vom 31. Juli 2017 verwiesen.

32

Der Kläger beantragt,

33

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 01. Februar 2017 - 4 Ca 1983/16 - abzuändern, soweit es die Klage abgewiesen hat, und die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 37.282,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen.

34

Die Beklagte beantragt,

35

die Berufung zurückzuweisen,

36

und im Wege der Anschlussberufung,

37

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 01. Februar 2017 - 4 Ca 1983/16 - abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.

38

Der Kläger beantragt,

39

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

40

Die Beklagte erwidert, der Kläger habe keinen Anspruch auf Vergütung von Überstunden in der Zeit vom 01. Januar 2013 bis zum 31. März 2016. Die Voraussetzungen für eine Schätzung des Umfangs angeblicher Überstunden nach § 287 Abs. 1 ZPO lägen nicht vor. Der Kläger sei bereits seiner Darlegungslast hinsichtlich der Erbringung von Überstunden in diesem Zeitraum nicht nachgekommen. Einen substantiierten Vortrag zur tatsächlichen Arbeitsleistung sei der Kläger schuldig geblieben. Der Kläger habe für keinen Teilzeitraum innerhalb des streitigen Zeitraums seine tatsächliche Arbeitsleistung dargelegt. Insbesondere sei dem Vortrag des Klägers sowie der von ihm vorgelegten Jobplanung weder der Beginn noch die Unterbrechungen oder das Ende seiner Arbeitszeiten zu entnehmen. Vielmehr sei der erstinstanzliche Vortrag des Klägers zu den angeblichen Arbeitszeiten widersprüchlich und daher unbeachtlich. Der Kläger erkenne selbst an, dass ihre Wochenplanungen laufend angepasst und auch mehr Stunden als tatsächlich geleistet eingeplant worden seien. Es würden jedwede konkrete Anhaltspunkte fehlen, die eine Schätzung des Umfangs etwaiger Überstunden ermöglichten. Eine Schätzung wäre willkürlich und habe daher zu unterbleiben. Es habe keine Anweisung an den Kläger gegeben, eine Arbeitsleistung von mehr als 38,5 Stunden pro Woche zu erbringen. Dementsprechend habe das Arbeitsgericht zutreffend hervorgehoben, dass bereits keine Zuweisung von Arbeit durch sie erfolgt sei, die den Kläger zur Leistung von Überstunden gezwungen hätte. Ein Hinweis des Arbeitsgerichts, dass der Kläger zumindest für einen gewissen Zeitraum seine tatsächliche Arbeitsleistung darzulegen habe, sei nicht erforderlich gewesen. Sie habe in ihren Schriftsätzen wiederholt unter Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung sowie unter Hinweis auf den fehlenden Vortrag zum Beginn, den Unterbrechungen und das Ende der tagtäglichen Arbeitszeiten die mangelnde Darlegung des Klägers hinsichtlich seiner tatsächlichen Arbeitszeit gerügt. Der ergänzende Vortrag des Klägers zur tatsächlichen Dauer seiner Arbeitszeit sei unbeachtlich. Bei dem Vortrag des Klägers zu den Arbeitszeiten an den einzelnen Arbeitstagen fehle es durchgängig an einem einlassungsfähigen Vortrag zum Inhalt der Tätigkeiten, ihrem Beginn, ihren Unterbrechungen und ihrem Ende sowie zur Erforderlichkeit der Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit. Er sei nicht geeignet, als Grundlage für eine Schätzung des Umfangs angeblicher Überstunden zu dienen und zudem unzutreffend; wegen der Einzelheiten der Erwiderung der Beklagten zu dem ergänzenden Vortrag des Klägers zur Kalenderwoche 15 in 2013, Kalenderwoche 33 in 2013 und Kalenderwoche 43 in 2014 wird auf ihre Ausführungen in der Berufungserwiderung (Ziff. 1 c = S. 5 - 10 der Berufungserwiderung) Bezug genommen. Eine Anordnung von Überstunden des Klägers liege nicht vor. Der Vortrag des Klägers, sie habe mit der Jobplanung für die kommenden Wochen seine Arbeitszeit angewiesen, sei unzutreffend. Die Jobplanungen würden lediglich interne Schätzungen des Zeitaufwandes einzelner Projekte enthalten, jedoch keine Vorgabe für eine zwingende Einhaltung dieser Arbeitszeiten. Entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts sei die Rechtsgrundlage für das zuerkannte 13. Bruttomonatsentgelt aufgrund einer stillschweigenden Vertragsänderung aufgehoben worden. Die unstreitig von ihrem Geschäftsführer im Jahr 2002 in einer Mitarbeiterversammlung angekündigte Einstellung der Zahlung des 13. Monatsgehalts sei vom Kläger widerspruchslos hingenommen worden, obgleich sich dieser Umstand unmittelbar im Arbeitsverhältnis ausgewirkt habe. Der Kläger habe seit dem Jahr 2002 mit dem Wissen weitergearbeitet, dass er die Zahlung des 13. Monatsgehaltes nicht erhalten werde. Dies habe ihm spätestens mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres bewusst gewesen sein müssen. Aufgrund dieses Verhaltens des Klägers habe sie darauf vertrauen und davon ausgehen dürfen, dass der Kläger sie bezüglich des 13. Monatsgehaltes nicht mehr in Anspruch nehmen werde. Aufgrund der erheblichen Dauer des Zeitmoments seien geringere Anforderungen an das Umstandsmoment zu stellen. Dieses liege in der beanstandungslosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, so dass die Ansprüche des Klägers auch verwirkt seien. Insbesondere würden aus Sicht des Klägers als Empfänger der Sonderzuwendungen im November 2006 und im November 2007 die erhaltenen Zahlungen kein 13. Monatsgehalt darstellen. Den jeweiligen Schreiben sei zu entnehmen gewesen, dass die Bezeichnung, die Höhe, die Voraussetzungen und der Zweck dieser Sonderzuwendungen denjenigen eines 13. Monatsgehalts nicht entsprechen würden.

41

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

42

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger der mit dem Antrag zu 2. geltend gemachte Anspruch auf Vergütung von 1.230 Überstunden in der Zeit vom 01 Januar 2013 bis 31. März 2016 aus §§ 611 Abs. 1, 612 Abs. 1 BGB nicht zusteht. Das Berufungsgericht folgt der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts (§ 69 Abs. 2 ArbGG), dass bereits die Erbringung der Arbeitsleistung vom darlegungs- und beweisbelasteten Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt worden ist und auch die Voraussetzungen für eine Schätzung eines Mindestmaßes geleisteter Überstunden nicht vorliegen (Ziff. A II 2 a - c der Gründe). Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Beurteilung.

43

Die Anschlussberufung der Beklagten ist ebenfalls unbegründet. Die Beklagte ist gemäß der zutreffenden Annahme des Arbeitsgerichts nach § 4 Abs. 2 S. 3 des Arbeitsvertrags vom 01. März 2001 zur Zahlung des mit dem Antrag zu 1. geltend gemachten 13. Monatsgehalts für die Jahre 2013 bis 2015 in Höhe von insgesamt 14.654,00 EUR brutto verpflichtet. Dieser Anspruch ist weder durch eine Vertragsänderung der Parteien aufgehoben worden noch verwirkt.

44

I. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Überstundenvergütung ist nicht begründet.

45

1. Verlangt der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist (st. Rspr., vgl. BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 27, NZA 2012, 939; BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 9, NZA 2013, 1100; BAG 21. Dezember 2016 - 5 AZR 362/16 - Rn. 23, NZA-RR 2017, 233).

46

2. Nach diesen Grundsätzen scheitert der geltend gemachte Anspruch auf Überstundenvergütung bereits daran, dass der darlegungs- und beweisbelastete Kläger die von ihm behaupteten Überstunden nicht nachvollziehbar dargelegt hat.

47

a) Der Kläger hat seiner Darlegungslast auf der 1. Stufe der Darlegung mit seiner durch Bezugnahme auf die der Klageschrift beigefügten Unterlagen ("Jobplanung" der Beklagten, Aufstellung über die geleisteten Überstunden) erfolgten Klagebegründung nicht genügt.

48

aa) Aus den vorgelegten "Jobplanungen", die nicht die tatsächlich vom Kläger geleisteten Arbeitszeiten, sondern im Rahmen einer Planung für einzelne Projekte bzw. beschriebene Arbeitsaufgaben jeweils nur eine bestimmte Stundenzahl in den angegebenen Zeiträumen ausweisen, geht nicht hervor, an welchen Tagen der Kläger von wann bis wann (Uhrzeiten) Arbeit tatsächlich geleistet bzw. sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten haben soll. Der Kläger hat mit den von ihm in Bezug genommenen "Jobplanungen" für keinen Arbeitstag im streitgegenständlichen Zeitraum dargelegt, von wann bis wann er am jeweiligen Arbeitstag (Arbeitsbeginn und Arbeitsende) tatsächlich gearbeitet haben will.

49

Im Übrigen hat die Beklagte zu Recht beanstandet, dass sich auch nicht nachvollziehen lässt, wie der Kläger die in den als Anlagen zur Klageschrift vorgelegten Aufstellungen jeweils angegebene Gesamtstundenzahl für die aufgeführten Kalenderwochen anhand der "Jobplanungen" überhaupt konkret ermittelt hat, zumal die in den Jobplanungen angegebenen Stundenzahlen und die danach errechneten bzw. handschriftlich vermerkten Stundenzahlen oftmals voneinander abweichen. Soweit der Kläger diesbezüglich angeführt hat, dass er bei der Auswertung der "Jobplanungen" solche Aufträge, die nicht in der Woche erledigt worden seien, auch nicht berücksichtigt habe, bestätigt dies lediglich, dass die tatsächlich vom Kläger geleisteten Arbeitszeiten nicht notwendigerweise mit den Planungen übereinstimmen und daher anhand der "Jobplanungen" auch nicht nachvollzogen werden können. Gleiches gilt, soweit er darauf verwiesen hat, dass er von vornherein nur einen Teil der geplanten Stunden eingeklagt und so einen etwaigen Wegfall geplanter Stunden angeblich bereits berücksichtigt habe. Im Hinblick darauf, dass der Kläger mit seiner Bezugnahme auf die "Jobplanungen" bereits der ersten Stufe der Darlegungslast nicht genügt hat, lassen sich die danach ermittelten Arbeitszeiten nicht nachvollziehen. Weiterhin hat die Beklagte zutreffend gerügt, dass noch nicht einmal die in der anliegenden Aufstellung handschriftlich angegebene Gesamtstundenzahl von 524,4 Stunden für das Jahr 2013 und 433 Stunden für das Jahr 2014 mit der in der Klageschrift (S. 5) geltend gemachten Gesamtstundenzahl für die Jahre 2013 (576 Stunden) und 2014 (533 Stunden) übereinstimmt.

50

Die Klagebegründung ist daher sowohl in tatsächlicher als auch in rechnerischer Hinsicht zur nachvollziehbaren Darlegung der geltend gemachten Überstunden unzureichend.

51

bb) Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung angenommen, dass die "Jobplanungen" der Beklagten auch keine Schätzung der vom Kläger behaupteten Überstunden ermöglichen.

52

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 18, NZA 2015, 1002) darf das Gericht den Umfang geleisteter Überstunden nach § 287 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO schätzen, wenn feststeht (§ 286 ZPO), dass Überstunden auf Veranlassung des Arbeitgebers geleistet worden sind, der Arbeitnehmer aber seiner Darlegungs- oder Beweislast für jede einzelne Überstunde nicht in jeder Hinsicht genügen kann. Eine "Überstundenschätzung" kommt danach in Betracht, wenn aufgrund unstreitigen Parteivorbringens, eigenem Sachvortrag des Arbeitgebers oder dem vom Tatrichter nach § 286 Abs. 1 ZPO für wahr erachteten Sachvortrag des Arbeitnehmers feststeht, dass Überstunden geleistet wurden, weil die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewiesene Arbeit generell oder zumindest im Streitzeitraum nicht ohne die Leistung von Überstunden zu erbringen war. Kann in einem solchen Falle der Arbeitnehmer nicht jede einzelne Überstunde belegen (etwa weil zeitnah Arbeitszeitaufschriebe fehlen, überhaupt der Arbeitgeber das zeitliche Maß der Arbeit nicht kontrolliert hat oder Zeugen nicht zur Verfügung stehen), kann und muss der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen das Mindestmaß geleisteter Überstunden schätzen, sofern dafür ausreichende Anknüpfungstatsachen vorliegen. Jedenfalls ist es nicht gerechtfertigt, dem aufgrund des vom Arbeitgeber zugewiesenen Umfangs der Arbeit im Grundsatz berechtigten Arbeitnehmer jede Überstundenvergütung zu versagen (BAG 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 21, NZA 2015, 1002)).

53

(2) Die Voraussetzungen für eine Schätzung des Mindestumfangs geleisteter Überstunden sind hier nicht erfüllt.

54

Im Streitfall lassen sich anhand der "Jobplanungen", die nicht die tatsächlich vom Kläger geleisteten Arbeitszeiten, sondern im Rahmen einer Planung für einzelne Projekte bzw. beschriebene Arbeitsaufgaben jeweils nur eine bestimmte Stundenzahl in den angegebenen Zeiträumen ausweisen, Beginn und Ende der täglichen Arbeit des Klägers nicht nachvollziehen. Wie bereits oben ausgeführt, ist die Klagebegründung sowohl in tatsächlicher als auch in rechnerischer Hinsicht zur nachvollziehbaren Darlegung der geltend gemachten Überstunden unzureichend. Im Hinblick darauf, dass sich mangels Erfüllung der ersten Stufe der Darlegungslast des Klägers bereits keine Überstundenleistungen feststellen lassen, kommt gemäß den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts (Ziff. A II 2 b u. c der Gründe) auch eine Schätzung eines (Mindest-)Umfangs geleisteter Überstunden nicht in Betracht.

55

b) Soweit der Kläger mit seiner Berufungsbegründung für drei Kalenderwochen ergänzende Angaben zu seinen Arbeitszeiten gemacht hat, ist auch dieses Vorbringen nicht als Grundlage für eine Schätzung des Umfangs der behaupteten Überstunden im streitgegenständlichen Zeitraum geeignet.

56

In Bezug auf die Kalenderwoche 15 im Jahr 2013 stimmt bereits die Anzahl der angeblichen 54,25 geleisteten Arbeitsstunden (= 15,75 Überstunden) nicht mit der als Anlage zur Klageschrift vorgelegten Aufstellung überein, in der lediglich 51 Arbeitsstunden (= 12,5 Überstunden) angegeben sind. Mit seinem Schriftsatz vom 20. Dezember 2016 hat der Kläger zudem in Widerspruch hierzu zur Kalenderwoche 15 in 2013 ausgeführt, dass er lediglich 47 Stunden gearbeitet habe und der "Job sygonix Styleguide Überarbeitung" mit acht Stunden - abweichend von der vorgelegten "Jobplanung" - nicht angefallen sei. In seiner Berufungsbegründung vom 13. April 2017 hat er hingegen die Überarbeitung des "sygonix Styleguide" mit sechs Stunden am 09. April 2013 und mit zwei Stunden am 12. April 2013 wieder aufgeführt, obwohl er doch mit seinem Schriftsatz vom 20. Dezember 2016 bereits eingeräumt hatte, dass diese Arbeit nicht angefallen sei.

57

Im Übrigen hat der Kläger zum Teil nur bestimmte Stundenzahlen für einzelne Arbeiten angegeben, ohne dass sich nachvollziehen lässt, von wann bis wann er tagtäglich (Arbeitsbeginn und Arbeitsende) gearbeitet haben will. Gleiches gilt auch für die Kalenderwoche 33 in 2013 und die Kalenderwoche 43 in 2014. Weiterhin beinhalten die drei Kalenderwochen in erheblichem Umfang verschiedene Reisezeiten und nicht etwa bestimmte regelmäßige zeitliche (Arbeits-)Abläufe. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob in den drei Kalenderwochen die angeführten Reisezeiten als Arbeitszeiten zu berücksichtigen und angeblich keinerlei Pausenzeiten in Abzug zu bringen sind. Jedenfalls sind die nur zum Teil nachvollziehbar dargelegten Arbeitszeiten in den angeführten drei Kalenderwochen keine geeignete Grundlage für eine Schätzung des Umfangs von Überstunden, die in einem mehrjährigen Zeitraum vom 01. Januar 2013 bis 31. März 2016 über die gem. § 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrags mit dem Monatsgehalt bereits abgegoltenen zehn Überstunden pro Monat angefallen sein sollen.

58

II. Der Kläger hat gemäß der zutreffenden Annahme des Arbeitsgerichts einen vertraglichen Anspruch gegen die Beklagte auf das von ihnen geltend gemachte 13. Monatsgehalt für die Jahre 2003 bis 2015 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 14.654,00 EUR brutto nebst Zinsen. Dieser Anspruch ist weder durch eine Vertragsänderung der Parteien aufgehoben worden noch verwirkt.

59

1. Mit der Formulierung "Zusätzlich wird … ein 13. Monatsgehalt gezahlt", wie sie in § 4 Abs. 2 S. 3 des Arbeitsvertrags vom 01. März 2001 verwandt wird, begründet der Arbeitgeber typischerweise einen Entgeltanspruch des Arbeitnehmers. Die Bezeichnung des 13. Monatsgehalts als "freiwillige Leistung" schließt den Rechtsanspruch auf diese Leistung nicht aus (vgl. BAG 23. August 2017 - 10 AZR 97/17 - Rn. 19, juris). Der Begriff "freiwillig" bringt lediglich zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber nicht bereits durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zur Zahlung verpflichtet ist. Er genügt nicht, um einen Rechtsanspruch auf die Leistung auszuschließen (BAG 13. Mai 2015 - 10 AZR 266/14 - Rn. 22, NZA 2015, 992).

60

2. Der in § 4 Abs. 2 S. 3 des Arbeitsvertrags begründete Anspruch wird durch die - vom Kläger nicht unterzeichnete - Änderungsvereinbarung vom 04. Mai 2012 nicht aufgehoben, weil hiervon nur § 4 Abs. 1 und § 5 des Arbeitsvertrags betroffen sind, nicht aber das in § 4 Abs. 2 festgelegte 13. Monatsgehalt.

61

3. Der arbeitsvertraglich vereinbarte Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt ist auch nicht durch eine konkludente Vertragsänderung beseitigt worden.

62

Unstreitig hat der Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeitern im Jahr 2002 in einer Mitarbeiterversammlung erklärt, dass sich das Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinde und daher kein Weihnachtsgeld gezahlt werde, solange diese wirtschaftlichen Schwierigkeiten anhalten würden. Darin liegt bereits kein Vertragsangebot i.S.v. § 145 BGB, sondern lediglich die Ankündigung der Einstellung der Zahlung für die Dauer der angeführten wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Es kann daher dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen eine widerspruchslose Fortsetzung der Tätigkeit durch den Arbeitnehmer nach einem Änderungsangebot des Arbeitgebers als konkludente Annahme der Vertragsänderung ausgelegt werden kann, weil es hier bereits an einem annahmefähigen Vertragsangebot der Beklagten i.S.v. § 145 BGB fehlt (vgl. hierzu BAG 25. November 2009 - 10 AZR 779/08 - Rn. 24, NZA 2010, 283).

63

4. Der Anspruch ist auch nicht verwirkt.

64

a) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und soll dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen. Sie hat nicht den Zweck, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen. Es müssen vielmehr zu dem Zeitmoment besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Der Berechtigte muss unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Durch die Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Die Verwirkung dient dem Vertrauensschutz (BAG 14. Februar 2007 - 10 AZR 35/06 - Rn. 20, NZA 2007, 690).

65

b) Vorliegend fehlt es jedenfalls an dem erforderlichen Umstandsmoment.

66

Entgegen der Ansicht der Beklagten sind allein aufgrund der Dauer des von ihr angeführten Zeitmoments keine derart geringen Anforderungen an das Umstandsmoment zu stellen, dass dieses bereits mit der beanstandungslosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erfüllt sein soll. Zeitablauf und Untätigkeit eines Anspruchsberechtigten reichen für sich genommen für einen Verwirkungseinwand nicht aus. Die Beklagte hat keine besonderen Umstände zur Erfüllung des erforderlichen Umstandsmoments vorgetragen. Vielmehr konnte die Beklagte nach der im Jahr 2002 abgegebenen Erklärung des Geschäftsführers gerade nicht darauf vertrauen, dass Arbeitnehmer später ihre Rechte auf die nur für die Dauer der angeführten wirtschaftlichen Schwierigkeiten eingestellte Zahlung nicht mehr geltend machen würden.

67

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

68

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 14. Sept. 2017 - 2 Sa 81/17

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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 14. Sept. 2017 - 2 Sa 81/17 zitiert 9 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 612 Vergütung


(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. (2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 145 Bindung an den Antrag


Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Dez. 2016 - 5 AZR 362/16

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. März 2015 - 5 AZR 602/13

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 10. Apr. 2013 - 5 AZR 122/12

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Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17. November 2011 - 11 Sa 867/11 - wird zurückgewiesen.

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Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.654,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Juli 2016 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 72 Prozent und die Beklagte zu 28 Prozent.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 51.936,63 Euro.

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Zahlung von Überstundenvergütung und des 13. Monatsgehalts für mehrere Jahre.

2

Der Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 1. März 2001 (Bl. 10 ff. d.A) seit dem 1. August 1992 bis zum 31. März 2016 als Grafiker bei einer Bruttomonatsvergütung von

3

4.618,00 Euro im Jahr 2013
5.018,00 Euro seit dem 1. Januar 2014 und
5.518,00 Euro seit dem 1. Januar 2016

4

beschäftigt.

5

Im Arbeitsvertrag heißt es (Bl. 11 d.A):

6

㤠4
Vergütung

7

Herr/Frau ... erhält für seine/ihre vertragliche Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von

8

6.000 DM.

9

Die Vergütung ist jeweils am letzten des Monats fällig. Die Zahlung erfolgt bargeldlos. Zusätzlich wird als freiwillige Leistung ein 13. Monatsgehalt gezahlt, das je zur Hälfte als Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld ausgezahlt wird.

10

§ 5
Über- und Mehrarbeit

11

(1) Durch die monatliche Vergütung sind 10 etwaige Über- oder Mehrarbeitsstunden abgegolten.

12

(2) Der Ausgleich von Über- und Mehrarbeitsstunden, soweit nicht gem. Abs. 1 abgegolten, erfolgt grundsätzlich durch Gewährung von Freizeit oder, wenn dies aus betrieblichen oder krankheitsbedingten Gründen nicht möglich ist, durch Abgeltung.“

13

Bis zum Jahr 2001 erhielt der Kläger das 13. Monatsgehalt. Ab dem Jahr 2002 wurden die Zahlungen eingestellt (Bl. 180 d.A).

14

Unter dem 4. Mai 2012 legte die Beklagte dem Kläger eine Vereinbarung zur Vertragsänderung vor, die der Kläger jedoch nicht unterzeichnete. In dem Schreiben heißt es (Bl. 186 d.A):

15

„Folgende Punkte sind - wirksam ab dem 1. Juli 2012 - zusätzlich zum Arbeitsvertrag festzuhalten:

16

§ 4 (1) Vergütung ändert sich wie folgt:

17

Herr ... erhält für seine vertragliche Tätigkeit eine Erhöhung seines Bruttogehalts um 400 Euro auf ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 4.418,- Euro. Weiterhin wird eine zusätzliche Anhebung des Bruttogehalts zum 1.1.2013 auf 4.518,- Euro vereinbart.

18

§ 5 Über- und Mehrarbeit ändert sich wie folgt:

19

Durch die monatliche Vergütung sind sämtliche Über- und Mehrarbeitsstunden abgegolten. Es besteht außerdem kein Anspruch auf Freizeitausgleich.“

20

Mit der Klageschrift vom 23. Juni 2016, der Beklagten zugestellt am 1. Juli 2016, fordert der Kläger ausstehende Überstundenvergütung und Zahlung des 13. Monatsgehalts.

21

Der Kläger trägt vor:

22

Die Beklagte schulde das 13. Monatsgehalt für die Jahre 2013-2015, und zwar für das Jahr 2013 einem Betrag von 4.618,00 Euro und für die Jahre 2014 und 2015 jeweils 5.018,00 Euro brutto, mithin insgesamt 14.654,00 Euro brutto (Klageantrag zu 1.).

23

Die Beklagte schulde auch Überstundenvergütung (Klageantrag 2.). Er habe entsprechend den „Arbeitsanweisungen“ der Beklagten, die wöchentlich per E-Mail an die Mitarbeiter versandt worden seien, seine Arbeitsleistung erbracht und entsprechend Überstunden geleistet. Zur Darlegung dieser Überstunden werde auf die Anlagen (Bl. 15-170 d.A) Bezug genommen. Beispielhaft ergebe sich aus der „Arbeitsanweisung“ für die Kalenderwoche 42 im Jahr 2015 (Bl. 143 d.A), wie die Überstunden vom Kläger ermittelt worden seien (Bl. 4 d.A). Ausweislich des Anlagenkonvoluts habe der Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 31. März 2016 insgesamt 1.230 Überstunden tatsächlich geleistet - dies unter Berücksichtigung der Pauschalabgeltung von 10 Stunden pro Monat gemäß § 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vom 1. März 2001. Indem die Beklagte in den wöchentlichen Planungen der Arbeit entsprechende Arbeitseinsatzpläne für die jeweils kommende Woche vorgegeben habe, habe sie zugleich die anfallenden Überstunden angeordnet (Bl. 191 d.A). Ausgehend von einem Stundenlohn von 30,31 Euro brutto ergebe sich die Klageforderung von 37.282,63 Euro brutto (Bl. 6 d.A).

24

Die Vereinbarung vom 4. Mai 2012 (Bl. 186 d.A) stehe seinen Klageforderungen nicht entgegen, denn sie sei nicht Vertragsinhalt geworden. Der Kläger habe sie - insoweit unstreitig - nicht unterzeichnet.

25

Der Kläger beantragt:

26

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.654,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen.

27

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 37.282,63 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen.

28

Die Beklagte beantragt:

29

Die Klage wird abgewiesen.

30

Die Beklagte trägt vor:

31

Die Zahlung des 13. Monatsgehalts sei als „freiwillige Leistung“ vertraglich vereinbart, weshalb ein Rechtsanspruch des Klägers nicht bestehe (Bl. 224, 179 d.A).

32

Die Vereinbarung vom 4. Mai 2012 (Bl. 186 d.A) habe dazu geführt, dass das 13. Monatsgehalt nicht mehr geschuldet sei. Wenn auch der Kläger diese Vereinbarung nicht unterzeichnet habe, so sei es doch jedenfalls stillschweigend zu einer Vertragsänderung gekommen, weil der Kläger auch nach der Einstellung der Zahlungen im Jahr 2002 sein Arbeitsverhältnis beanstandungslos fortgesetzt habe. Dies sei Ausdruck seiner Zustimmung mit der Aussetzung der Zahlung des Weihnachtsgeldes (Bl. 226 d.A).

33

Ein möglicher Anspruch auf Zahlung des 13. Monatsgehalts sei jedenfalls vom Kläger verwirkt, denn der Kläger habe seit dem Jahr 2002 widerspruchslos hingenommen, dass die Zahlungen nicht mehr erfolgt seien. Aufgrund der erheblichen Dauer des Zeitmoments seien geringe Anforderungen an das Umstandsmoment zu stellen (Bl. 229, 180 d.A). In den Jahren 2006 und 2007 habe die Beklagte kein 13. Monatsgehalt gezahlt. Bei den Zahlungen habe es sich vielmehr um Jahressonderzuwendungen in Höhe von 30 Prozent des Monatsentgelts gehandelt, die ausschließlich an Mitarbeiter gezahlt worden seien, die am 1. Dezember des jeweiligen Jahres eine Betriebszugehörigkeit von mindestens 11 Monaten hatten und in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis standen (Bl. 227 d.A).

34

Auch Überstundenvergütung sei nicht geschuldet. Der Kläger habe schon die tatsächliche Ableistung von Überstunden nicht nachvollziehbar dargelegt; die Bezugnahme auf Anlagen ersetze schriftsätzlichen Sachvortrag nicht. Der Kläger habe nicht dargelegt, an welchen Tagen und zu welcher Tageszeit er unter Berücksichtigung der Pausen tatsächlich über die normale Arbeitszeit hinaus seit dem 1. Januar 2013 tatsächlich Arbeit geleistet habe (Bl. 181, 229 ff. d.A). Das Gericht dürfe auch keine Schätzung vornehmen, weil die tatsächliche Ableistung von Überstunden zwischen den Parteien vollständig streitig sei. Im Übrigen bestehe beim Kläger keine Vergütungserwartung, weil er - insoweit unstreitig - mit Schreiben vom 28. Februar 2002 ab dem 1. März 2002 in die Geschäftsleitung der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin berufen worden sei (Bl. 179, 185 d.A).

35

Auch habe die Beklagte keine Überstunden angeordnet. Bei den vom Kläger vorgelegten „Arbeitsanweisungen“ handle es sich lediglich um die Wochenplanungen für die jeweils folgende Woche. In diesen „Jobplanungen“ seien auch Projekte aufgeführt, die nicht zeitnah umgesetzt worden seien und deshalb mehrfach in die Planung aufgenommen worden seien; ebenso seien Aufträge in der Planung enthalten, die letztlich nicht ausgeführt worden seien und auch solche, die erst in weiterer Zukunft zur Bearbeitung anstünden. Bei der Wochenplanung, die die Kläger vorgelegt habe, handele es sich lediglich um eine grobe, nicht zuverlässige Schätzung des Arbeitsaufwands durch die Beklagte (Bl. 232, 235 f. d.A).

36

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

37

Die Klage ist nur zum Teil begründet. Mit Erfolg fordert der Kläger die Zahlung des 13. Monatsgehalts, nicht jedoch Zahlung von Überstundenvergütung.

I.

38

Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung des 13. Monatsgehalts für die Jahre 2013 bis 2015 aus § 4 Abs. 2 Satz 3 des Arbeitsvertrags vom 1. März 2001 in der beantragten Höhe. Der Anspruch ergibt sich ohne weiteres aus dem Arbeitsvertrag in rechnerisch unstreitiger Höhe von 14.654,00 Euro brutto. Der Freiwilligkeitsvorbehalt schließt die Verbindlichkeit der vertraglichen Verpflichtung nicht aus, sondern verweist lediglich darauf, dass sich die Beklagte „freiwillig“ und ohne durch andere Rechtsgrundlagen hierzu verpflichtet zu sein, zur Zahlung eines 13. Monatsgehalts verpflichtet hat (BAG 17. April 2013 - 10 AZR 281/12 - Rn. 10, 16; BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 23). Im Übrigen gilt dann: pacta sunt servanda.

39

Diese vertragliche Grundlage wurde weder ausdrücklich noch konkludent geändert. Der Anspruch ist auch nicht verwirkt.

40

1. Die Anspruchsgrundlage in § 4 Abs. 2 Satz 3 des Arbeitsvertrags wurde nicht durch die Änderungsvereinbarung vom 4. Mai 2012 aufgehoben, weil dort lediglich § 4 Abs. 1 und § 5 des Arbeitsvertrags geändert werden sollten. Die Anspruchsgrundlage für das 13. Monatsgehalt ist davon nicht betroffen. Dass der Kläger die Änderungsvereinbarung vom 4. Mai 2012 zudem nicht unterzeichnet hat, ist deshalb hier nicht mehr von Bedeutung.

41

2. Die Anspruchsgrundlage wurde auch nicht durch stillschweigende Vertragsänderung der Parteien aufgehoben. Die Beklagte ist hierzu der Ansicht, dass eine konkludente Erklärung des Klägers dahingehend anzunehmen sei, weil er die Einstellung der Zahlungen mit dem Jahr 2002 stets unkommentiert hingenommen habe.

42

Die Anforderungen an eine rechtsverbindliche Willenserklärung insbesondere des Arbeitnehmers sind damit aber noch nicht erreicht. Die Annahme eines Änderungsangebots des Arbeitgeber kann gem. §§ 133, 157 BGB auch in der widerspruchslosen Weiterarbeit durch den Arbeitnehmer bestehen. Auszugehen ist jedoch von dem Grundsatz, dass Schweigen im Rechtsverkehr keinen Erklärungswert hat (vgl. zB BAG 22. Dezember 1970 - 3 AZR 52/70 - zu III 5 der Gründe), es sei denn, solches wurde vorab vereinbart oder Kaufleute handeln unter den Voraussetzungen des § 362 Abs. 1 Satz 1 HGB. Davon abgesehen hat das BAG festgehalten, dass in zwei Ausnahmefällen von einer stillschweigenden Vertragsänderung durch widerspruchslose Weiterarbeit ausgegangen werden kann, nämlich (1) wenn sich die geänderten Vertragsbedingungen „unmittelbar bei der Arbeit auswirken“ (sehr plastisch und überzeugend: BAG 17. Juli 1965 - 3 AZR 302/64 - zu 4 der Gründe; undeutlicher BAG 1. August 2001 - 4 AZR 129/00 - zu I 1 b bb 2 der Gründe: „unmittelbar im Arbeitsverhältnis auswirkt“) oder (2) wenn es sich um die Änderung komplexer Tarifwerke handelt (BAG 1. August 2001 - 4 AZR 129/00 - zu I 1 b bb 2 der Gründe).

43

Beide Ausnahmefälle liegen hier nicht vor. Insbesondere wirkt sich die Zahlungseinstellung nicht unmittelbar bei der Arbeit des Klägers aus. Erst nach Erhalt der Lohnabrechnung bzw. erst am Jahresende kann der Kläger erkennen, ob die Beklagte ihrer Zahlungsverpflichtung in vollem Umfang nachgekommen ist. Sein widerspruchsloses Arbeiten hat deshalb keinen Erklärungswert. Der Kläger ist auch nicht gezwungen, auf den Vertragsbruch der Beklagten hin irgendeinen Widerspruch zu äußern. Er kann insbesondere die regelmäßige Verjährungsfrist ausschöpfen. Schließlich ist die Einstellung des 13. Monatsgehalts auch keine komplexe Änderung des Regelwerks, wie sie bei einer Tarifvertragsänderung anzunehmen wäre.

44

3. Der (unverjährte) Anspruch des Klägers ist auch nicht verwirkt.

45

Der Verwirkungseinwand ist eine besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben iSd. § 242 BGB, ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Er greift, wenn zu einem gewissen Zeitablauf (Zeitmoment) Umstände im Verhalten des Gläubigers hinzutreten, die beim Schuldner das berechtigte Vertrauen erwecken, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Davon ist auszugehen, wenn der Gläubiger dem Schuldner zu erkennen gegeben hat, dass er den Anspruch nicht mehr verfolgen wird. Der Berechtigte muss unter Umständen untätig gewesen sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass sich der Verpflichtete darauf einstellen konnte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BAG 25. April 2001 - 5 AZR 497/99 - zu I 1 d der Gründe).

46

Diese Formulierung darf aber nicht dahingehend missverstanden werden, dass der Arbeitnehmer schon durch längeres Schweigen seinen Anspruch verwirkt. Das „Untätigsein“ bezieht sich allein auf die Geltendmachung des Anspruchs. Verwirkt ist ein Anspruch deshalb erst, wenn der Gläubiger sein Recht nicht geltend macht und - ihm zurechenbare - Umstände eingetreten sind, die beim Schuldner die berechtigte Erwartung wecken, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (zu weitgehend deshalb LAG Köln 29. Oktober 1999 - 11 Sa 658/99 - juris [widerspruchslose Hinnahme von Lohnabrechnungen soll zur Verwirkung von Überstundenvergütungsansprüchen führen]; zutreffend vielmehr: LAG Berlin-Brandenburg 3. Juni 2010 - 15 Sa 166/10 - zu B I 2 der Gründe, juris [Verwirkung nicht schon durch mehrjähriges Nicht-Geltendmachen eines Anspruchs]).

47

Auch die von der Beklagten zitierte Entscheidung des LAG Hamburg (8. Januar 2008 - 2 Sa 70/07 - juris) überzeugt nicht. Denn das LAG Hamburg geht zwar von zutreffenden Grundsätzen zur Verwirkung aus, vermischt dann aber das Umstandsmoment der Verwirkung mit dem Problem der fehlenden Vergütungserwartung iSd. § 612 Abs. 1 BGB (vgl. LAG Hamburg aaO zu I 2 der Gründe; zur Vergütungserwartung iSd. § 612 Abs. 1 BGB: BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 20 ff.). Das LAG Hamburg meint, der Anspruch auf Überstundenvergütung sei verwirkt, weil der Arbeitnehmer über sieben Jahre lang Überstunden geleistet habe, ohne hierfür jemals eine Vergütung zu fordern. Das LAG Hamburg will hieraus eine fehlende Vergütungserwartung ableiten. Das LAG Hamburg misst damit dem Schweigen im Rechtsverkehr eine rechtsgeschäftliche Bedeutung bei, die es nicht hat und nach den oben geschilderten Grundsätzen nicht haben kann. Es überzeugt schon nicht, wenn man dem Arbeitnehmer eine fehlende Vergütungserwartung gegenüber dem zahlungssäumigen Arbeitgeber unterstellt. So wird der Zahlungsverzug noch belohnt. Das ist abzulehnen.

48

4. Der Ausspruch zu den geltend gemachten Prozesszinsen beruht auf § 291 iVm. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Rechtshängigkeit trat mit Zustellung der Klageschrift bei der beklagten Partei am 1. Juli 2016 ein, vgl. §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO. Die Verzinsungspflicht für Prozesszinsen beginnt nach §§ 291, 187 Abs. 1 BGB mit dem Folgetag der Rechtshängigkeit (vgl. BAG 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 64 mwN, BAGE 127, 367).

II.

49

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Überstundenvergütung für den 1. Januar 2013 bis zum 31. März 2016 aus §§ 612, 611 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag zu.

50

Zum Anspruch auf Überstundenvergütung wurde schon die Erbringung der Arbeitsleistung nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Der an sich schon unzureichende Sachvortrag zur Erbringung der Arbeitsleistung war zudem in vollem Umfang bestritten worden. Dem Gericht lag deshalb auch keinerlei valide Grundlage für eine Schätzung der geleisteten Überstunden vor.

51

1. Verlangt der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tariflicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat, und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist (BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 9; BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 27 ff.).

52

Der Anspruch auf Vergütung von Überstunden setzt neben deren Leistung voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Arbeitnehmer.

53

Für eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat.

54

Von einer konkludenten Anordnung von Überstunden spricht das BAG, wenn die Arbeitsleistung betrieblich notwendig war. Hierzu muss der Arbeitnehmer darlegen, dass eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten oder ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte. Dabei begründet allein die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb oder an einem Arbeitsort außerhalb des Betriebs keine Vermutung dafür, Überstunden seien zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen (BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 16 f.).

55

Mit der ausdrücklichen oder konkludenten Billigung von (in der Vergangenheit geleisteten) Überstunden ersetzt der Arbeitgeber die fehlende vorherige Anordnung schon geleisteter Überstunden. Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, wer wann auf welche Weise zu erkennen gegeben habe, mit der Leistung welcher Überstunden einverstanden zu sein (BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 19).

56

Die Duldung von (künftigen) Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden künftig zu unterbinden. Dazu muss der Arbeitnehmer vortragen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Erst wenn dieses feststeht, ist es Sache des Arbeitgebers, darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat. Dabei vermag aber allein die Entgegennahme von Aufschrieben der Anwesenheitszeiten seiner Beschäftigten eine Kenntnis des Arbeitgebers von einer bestimmten Überstundenleistung noch nicht zu begründen. Erst wenn der Arbeitnehmer seine Aufzeichnungen hinsichtlich der Arbeitsleistung konkretisiert und mit einem Hinweis auf eine Überstundenleistung verbindet, ist von einer Duldung durch den Arbeitgeber auszugehen, wenn dieser dem Hinweis nicht nachgeht und gegen nicht gewollte Überstunden auch nicht einschreitet (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 21 f.; Müller-Wenner AuR 2015, 4, 6).

57

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze war bereits die Erbringung der Arbeitsleistung nicht nachvollziehbar dargelegt und ebensowenig die vermeintliche Anordnung der Überstunden.

58

a) Zunächst ist allerdings klarzustellen, dass der Kläger - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht gehindert war, seinen schriftsätzlichen Sachvortrag durch Bezugnahme auf das umfangreiche Anlagenkonvolut (Bl. 15-170 d.A) zu straffen. Zwar hat das BAG darauf hingewiesen, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, sich den mutmaßlichen Sachvortrag der Parteien aus den Anlagen zusammenzusuchen (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 29). Damit ist allerdings nicht gemeint, dass die Parteien umfangreichen Sachvortrag über mehrere hundert Seiten in den Schriftsatz hineinpressen müssten, um den Formalien des § 130 Nr. 3 und Nr. 4 ZPO zu genügen. Das BAG wendet sich im Kern lediglich dagegen, dass die Parteien ungeordnete Anlagenkonvolute vorlegen, sich selbst damit der Mühe einer ersten Ordnung des Prozessstoffes entledigen und damit das Gericht veranlassen, die unkommentierten Anlagen zu interpretieren und gleichsam den Schriftsatz selbst zu verfassen - was nicht angeht. Die Bezugnahme auf Anlagen begegnet keinen Bedenken, soweit die dortige Darstellung aus sich heraus verständlich ist (Zöller 31. Aufl. ZPO § 253 Rn. 12a; vgl. auch BGH 4. Februar 2010 - IX ZR 18/09 - Rn. 80 mwN).

59

b) Der Kläger hat jedoch auch unter Berücksichtigung der umfangreichen Anlagen nicht dargelegt, von wann bis wann er unter Berücksichtigung seiner Pausen tagtäglich seit dem 1. Januar 2013 bis zum 31. März 2016 seine Arbeitsleistung tatsächlich erbracht hat. Er zieht sich auf den Standpunkt zurück, aus den Wochenplanungsübersichten der Beklagten sei auf seine tatsächliche Arbeitsleistung zu schließen. Dem vermochte die Kammer nicht zu folgen. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die „Jobplanungen“ der Beklagten mit der tatsächlichen Arbeitsleistung des Klägers übereinstimmen. Und das ist auch der Grund dafür, dass das Gericht keine Schätzung der klägerseits behaupteten Überstunden vornehmen kann, § 287 ZPO.

60

Im Ausgangspunkt zutreffend verweist der Kläger auf die Möglichkeit der Schätzung entsprechend § 287 ZPO und die hierzu ergangene Rechtsprechung des BAG. Danach darf das Gericht den Umfang geleisteter Überstunden nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO schätzen, wenn feststeht (§ 286 ZPO), dass Überstunden auf Veranlassung des Arbeitsgebers geleistet worden sind und der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für jede einzelne Überstunde nicht in jeder Hinsicht genügen kann (BAG 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 18). Das BAG hat aber auch klargestellt, dass eine Schätzung unterbleiben darf [und muss], wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte vollkommen in der Luft hinge und daher willkürlich wäre. Eine Schätzung kommt deshalb nur in Betracht, wenn aufgrund unstreitigen Parteivorbringens, eigenen Sachvortrags des Arbeitgebers oder dem vom Tatrichter nach § 286 Abs. 1 ZPO für wahr erachteten Sachvortrag des Arbeitnehmers feststeht, dass Überstunden geleistet wurden, weil die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewiesene Arbeit generell oder zumindest im Streitzeitraum nicht ohne die Leistung von Überstunden zu erbringen war. Kann in einem solchen Fall der Arbeitnehmer nicht jede einzelne Überstunde belegen (etwa weil zeitnahe Arbeitszeitaufschriebe fehlen, überhaupt der Arbeitgeber das zeitliche Maß der Arbeit nicht kontrolliert hat oder Zeugen nicht zur Verfügung stehen), kann und muss der Tatrichter nach pflichtgemäßen Ermessen das Mindestmaß geleisteter Überstunden schätzen, sofern dafür ausreichende Anknüpfungstatsachen vorliegen. Jedenfalls ist es nicht gerechtfertigt, dem aufgrund des vom Arbeitgeber zugewiesenen Umfangs der Arbeit im Grundsatz berechtigten Arbeitnehmer jede Überstundenvergütung zu versagen (BAG 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 19 ff.).

61

c) Diese Voraussetzungen für eine Schätzung sind hier nicht gegeben. Der Kläger hat seine Arbeitsleistung schon nicht substantiiert dargelegt. Seine pauschale Behauptung der Überstundenleistung wurde von der Beklagten - zulässig, vgl. § 138 Abs. 2 ZPO - zur Gänze ebenso pauschal bestritten. Der Kläger hat weder seinen Sachvortrag ausdifferenziert noch Beweise angeboten. Grundlage für eine Schätzung durch das Gericht hätte hier zB sein können, wenn der Kläger für einen repräsentativen Zeitraum seine tatsächliche Arbeitsleistung im Einzelnen darlegt und diese unstreitig oder erwiesen ist oder wenn der Kläger nachvollziehbar darlegt, dass die zugewiesenen Arbeiten (welche konkret) nicht innerhalb der Normalarbeitszeit erledigt werden konnten. Das Gericht könnte dann die geleisteten Überstunden auf die übrigen Zeiträume „hochrechnen“. Das Gericht sieht sich jedoch nicht in der Lage, zu Gunsten des Klägers Mutmaßungen darüber anzustellen, inwiefern die Wochenplanungen der Beklagten (konkrete Arbeiten sind nicht erkennbar) mit der tatsächlichen Arbeitsleistung des Klägers übereinstimmen. Hierfür gibt es keine belastbaren Fakten. Das wäre keine Schätzung, sondern reine Spekulation.

62

d) Auch die vom Kläger behauptete Anordnung konkreter Überstunden blieb nicht völlig frei von Zweifeln. Es fällt natürlich auf, dass die „Jobplanungen“ der Beklagten ein Zeitkontingent umfassen, dass über die Normalarbeitszeit hinausgeht. Allerdings waren keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte auf dem so geplanten Arbeitszeitumfang dergestalt besteht, dass diese Arbeitszeit nicht unterschritten werden dürfte. Hier wäre es am darlegungspflichtigen Kläger gewesen, vorzutragen, dass die ihm übertragenen (welche konkret) Arbeitsaufgaben innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu schaffen waren. Ohne diese Darlegung konnte die Kammer nicht zweifelsfrei erkennen, ob die „Jobplanung“ der Beklagten zugleich die stillschweigende Anordnung von Überstunden beinhaltete.

III.

63

Einer stattgebenden Entscheidung über den im Kammertermin beantragten Schriftsatznachlass der Beklagten gemäß § 283 ZPO bedurfte es nach all dem nicht. Insbesondere war die Entscheidung über den Klageantrag zu 1. nicht von dem Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 30. Januar 2017 abhängig.

B.

64

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG iVm § 92 Abs. 1 ZPO und berücksichtigt den Anteil des Unterliegens der Parteien.

C.

65

Der nach § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzende Rechtsmittelstreitwert wurde mit dem Nennbetrag der Zahlungsklage bemessen, § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 3 ff ZPO.

D.

66

Da die Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vorliegen, war die Berufung nicht gesondert zuzulassen.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 14. Oktober 2010 - 6 Sa 343/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - soweit für die Revision von Interesse - über die Vergütung von Überstunden.

2

Der Kläger war vom 14. April 2008 bis zum 13. April 2009 bei der Beklagten aufgrund eines auf diesen Zeitraum befristeten Arbeitsvertrags als Kraftfahrer in der Lebendtierabteilung beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält ua. folgende Regelungen:

        

„Arbeitsvertrag

                 
        

(außertariflich)

                 
        

…       

        
        

§ 2 Tätigkeit

        
        

1.    

Der Arbeitnehmer wird als Kraftfahrer eingestellt und ist mit allen einschlägigen Arbeiten nach näherer Anweisung der Geschäftsleitung bzw. der Vorgesetzten beschäftigt. Er ist verpflichtet, auch andere zumutbare Tätigkeiten zu verrichten. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich zudem, während seiner Tätigkeit auf ihn zukommende Aufgaben gewissenhaft nach bestem Vermögen zu erfüllen, in jeder Hinsicht die Interessen der Firma zu wahren und seine ganze Arbeitskraft ausschließlich dem Unternehmen zu widmen.

        
        

§ 3 Vergütung

        
        

Die monatliche Vergütung des Arbeitnehmers errechnet sich wie folgt:

        
        

außertarifliches Grundgehalt/Monat (brutto):

1.100,00 €

                 
        

Euro in Worten.

Eintausendeinhundert

                                                              
        

Weiterhin erhalten Sie eine

                                            
                                                              
        

freiwillige Leistungs - und Sorgfaltsprämie/Tag (brutto):

10,00 €

                          
        

wenn und soweit unfall- und schadensfrei gefahren wird und Ordnung, Sauberkeit und Fahrzeugpflege voll gewahrt werden und fehlerfreie Fahrweise, geringen Dieselverbrauch und korrektes Auftreten beim Kunden stattfindet und festgestellt wird bei Nichteinhaltung der Voraussetzungen wird die Leistungsprämie widerrufen, siehe dazu auch den Sorgfaltskatalog.

        

freiwillige Treueprämie/Tag (brutto):

10,00 €

                          
        

für jeden gefahrenen Tag über 6 Stunden Fahr-/Lenkzeit

                 
        

freiwilliger Sonntagszuschlag/Tag (brutto):***

10,00 €

                          
                 

(steuer- u. sv-frei)

                          
        

für jeden gefahrenen Sonntag über 6 Stunden Fahr-/Lenkzeit

                 
        

freiwilliger Feiertagszuschlag/Tag (brutto):***

20,00 €

                          
                 

(steuer- u. sv-frei)

                          
        

für jeden gefahrenen Feiertag über 6 Stunden Fahr-/Lenkzeit

        
                          
        

freiwilliger Nachtzuschlag/Tag (brutto):***

10,00 €**

                 

(steuer- u. sv-frei)

        

für Nachtfahrten (in der Zeit von 22:00 - 4:00 Uhr)

        
                          
        

**    

Prämie gilt bei Besetzung der Fahrzeuge mit nur einem/ einer Fahrer/-in. Bei mehr Fahrern/Fahrerinnen wird die Prämie anteilig gezahlt.

                                                     
        

***     

wird solange steuer- und sozialversicherungsfrei gezahlt, wie es der Gesetzgeber zulässt

                                                     
                 

Bei Zusammentreffen mehrerer Zuschläge gilt der jeweils höhere Zuschlag. Die Abrechnung der Spesen erfolgt nach gesetzlichen Regelungen.

                                                     
                 
        

Die Vertragspartner sind sich darüber einig, dass eventuelle Mehrarbeit mit dem Gehalt pauschal abgegolten ist.

                 
        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält die freiwillige Leistungsprämie i. H. v. 10,00 € je gefahrenen Tag für den sorgfältigen und gewissenhaften Umgang mit den ihr anvertrauten Fahrzeugen nebst den Transportbehältnissen, sowie für den ordnungsgemäßen Umgang mit den zu beförderten Tieren. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, bei Unfällen, Verlusten und Beschädigungen unverzüglich unter Angabe sämtlicher Einzelheiten der Firma zu melden und hierüber spätestens einen Tag später schriftliche Meldung zu machen. Versäumt der Arbeitnehmer diese Meldung sowohl in mündlicher, als auch in schriftlicher Form, muss der Arbeitnehmer mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen rechnen, die aus einer verspäteten Meldung erwachsen können. Es gilt der jeweilige Sorgfaltskatalog. Ist der Fahrantritt ein Sonntag, wird dies dem Montag zugeordnet.

                          
        

…       

                                   
                                                     
        

§ 4 Arbeitszeit

                 
        

1.    

Der Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit richtet sich nach der betrieblichen Ordnung. Im Falle betrieblicher Notwendigkeit erklärt sich der Arbeitnehmer mit einer geänderten Einteilung der Arbeitszeit einverstanden (z. B. Havarie).

        

2.    

In Fällen dringenden betrieblichen Bedarfs ist der Arbeitnehmer verpflichtet, vorübergehend Mehrarbeit (Überstunden) zu leisten.

        

3.    

Bei Gehaltsempfängern sind die Überstunden, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit durch Zahlung des Gehaltes pauschal abgegolten.

        

…“    

                                                              
3

Mit der am 23. September 2009 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger zuletzt Vergütung von 978,5 Überstunden mit einem aus dem Grundgehalt abgeleiteten Stundensatz von 6,35 Euro brutto geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die pauschale Abgeltung von Überstunden sei unwirksam. Mangels einer Regelung zum Umfang der Arbeitspflicht sei auf die betriebliche Arbeitszeit im Unternehmen der Beklagten abzustellen, die 40 Stunden pro Woche betrage. Der Kläger hat unter Vorlage und Berufung auf von ihm gefertigter Listen vorgebracht, an welchem Tag er zu welcher Uhrzeit seine Arbeit im Betrieb begonnen habe, wann er vom Betrieb allein oder mit anderen Fahrern zu welchen Orten oder Mästern gefahren, er wieder in den Betrieb zurückgekehrt sei und das Fahrzeug an den Schlachthof übergeben habe. Er hat behauptet, nach einer internen Anweisung seien die Kraftfahrer der Beklagten verpflichtet, 30 bis 60 Minuten vor der geplanten Abfahrt im Betrieb zu erscheinen und die notwendigen Arbeitsvorbereitungen (technische Überprüfung, Behebung von Mängeln, Betanken etc.) vorzunehmen. Beim jeweiligen Mäster müsse dessen Personal bei der Beladung des LKW unterstützt werden. Sämtliche Fahrten seien von der Beklagten angeordnet gewesen, und zwar im Wesentlichen von der Disponentin Frau H, bei deren Verhinderung von Herrn W.

4

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.213,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Vergütung von Überstunden sei mit dem vereinbarten Gehalt abgegolten. Zudem habe der Kläger einen eventuellen Vergütungsanspruch verwirkt. Die Arbeitszeit des Klägers habe sich gemäß § 4 Arbeitsvertrag nach der betrieblichen Ordnung - also bei Vollzeit 40 Wochenstunden/173,33 Monatsstunden - und, weil es sich beim Kläger um einen Fahrer bzw. Beifahrer von LKW mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht gehandelt habe, nach den gesetzlichen Bestimmungen für Fahrpersonal in § 21a ArbZG gerichtet. Danach sei eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden zulässig und die Beifahrerzeit nicht vergütungspflichtig. Überstunden habe sie weder angeordnet noch gebilligt.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers ist begründet.

8

I. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts nicht zurückgewiesen werden. Das Landesarbeitsgericht hat nicht beachtet, dass § 21a Abs. 3 ArbZG die Vergütung von Beifahrerzeiten nicht ausschließt, und zudem die Substantiierungslast des Arbeitnehmers im Überstundenprozess überspannt.

9

1. Der Kläger hat auch während der als Beifahrer verbrachten Zeit gearbeitet und die von ihm geschuldete Tätigkeit als Kraftfahrer erbracht. Er musste sich aufgrund der Arbeitseinteilung der Beklagten an seinem Arbeitsplatz, dem LKW, aufhalten und konnte nicht frei über die Nutzung seiner Zeit bestimmen. Nach § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ArbZG ist zwar für Arbeitnehmer, die sich beim Fahren abwechseln, die während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbrachte Zeit abweichend von § 2 Abs. 1 ArbZG keine Arbeitszeit. Die Vorschrift enthält jedoch keine Modifizierung dessen, was unter Arbeit zu verstehen ist, und schließt eine Vergütung für die Arbeit als Beifahrer nicht aus (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 19 ff., AP BGB § 307 Nr. 51 = EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 3). Der Kläger kann daher auch für Beifahrertätigkeit die in § 3 Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung beanspruchen. Eine gesonderte Vergütungsregelung für die als Beifahrer verbrachte Zeit haben die Parteien nicht getroffen. Der Kläger war deshalb nicht gehalten, bei der Darlegung von Überstunden zwischen Zeiten, in denen er den LKW selbst gefahren hat, und solchen, in denen er als Beifahrer auf dem LKW mitgefahren ist, zu differenzieren.

10

2. Die Darlegung der Leistung von Überstunden ist nicht aus den vom Landesarbeitsgericht angenommenen Gründen unschlüssig.

11

Das Landesarbeitsgericht moniert, dem Vortrag des Klägers sei nicht zu entnehmen, wann er Pausen gemacht habe. Die Nichtangabe von Pausenzeiten impliziert zunächst aber nur die Behauptung, der Arbeitnehmer habe solche nicht gemacht. Bei Zweifeln hätte das Landesarbeitsgericht nach § 139 Abs. 1 Satz 1 ZPO nachfragen müssen, ob der Sachvortrag des Klägers dahingehend zu verstehen sei, er habe keine Pausen gemacht. Hätte der Kläger dies bejaht, wäre sein Vorbringen unter Berücksichtigung einer etwaigen Einlassung der Beklagten hierzu nach § 286 Abs. 1 ZPO zu würdigen gewesen. Hätte der Kläger die Frage verneint, wäre das Landesarbeitsgericht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO verpflichtet gewesen, auf eine Ergänzung des Sachvortrags hinzuwirken. Dasselbe gilt für den Vorwurf, dem Sachvortrag des Klägers sei nicht zu entnehmen, warum nach Abschluss der Fahrten regelmäßig exakt 30 Minuten bis zur Übergabe des Fahrzeugs an den Schlachthof berücksichtigt seien.

12

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.

13

1. Ein Anspruch des Klägers auf Überstundenvergütung ist nicht nach § 3 iVm. § 4 Ziff. 3 Arbeitsvertrag ausgeschlossen.

14

a) Auf die genannten Regelungen des Arbeitsvertrags sind jedenfalls § 305c Abs. 2, §§ 306 und 307 bis 309 BGB anzuwenden(§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Die Beklagte hat den Arbeitsvertrag vorformuliert, dem Kläger in dieser Form angeboten und damit im Rechtssinne gestellt. Ob es sich dabei um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen handelte (§ 305 Abs. 1 BGB), bedarf keiner weiteren Aufklärung, denn der Arbeitsvertrag ist ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB(vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 20 ff., AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10). Auf den Inhalt der vorformulierten Klausel zur Vergütung von Überstunden konnte der Kläger unstreitig keinen Einfluss nehmen.

15

b) Die in § 3 iVm. § 4 Ziff. 3 Arbeitsvertrag geregelte Pauschalabgeltung von Überstunden ist mangels hinreichender Transparenz unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

16

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistungen er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (vgl. dazu im Einzelnen zuletzt BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 14 mwN, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10; 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 15 f.).

17

Nach diesen Grundsätzen ist § 3 iVm. § 4 Ziff. 3 Arbeitsvertrag nicht klar und verständlich. Der Umfang der davon erfassten Überstunden ist im Arbeitsvertrag ebenso wenig bestimmt, wie die Voraussetzungen, unter denen Überstunden zu leisten sind, also ein „Fall dringenden betrieblichen Bedarfs“ (§ 4 Ziff. 2 Arbeitsvertrag) vorliegen soll. Insbesondere lässt sich weder der Klausel selbst noch den arbeitsvertraglichen Bestimmungen im Übrigen eine Begrenzung auf die nach § 21a Abs. 4 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit eines als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten iSv. § 21a Abs. 1 ArbZG eingesetzten Arbeitnehmers entnehmen. Die Verwendung des Begriffs „Mehrarbeit“ in § 3 und als Synonym für Überstunden in § 4 Ziff. 2 Arbeitsvertrag deuten im Gegenteil darauf hin, dass auch eine Überschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit von der Klausel erfasst sein soll, zumal die Beklagte den Kläger nach § 2 Ziff. 1 Arbeitsvertrag verpflichten wollte, seine „ganze Arbeitskraft“ der Beklagten zu widmen.

18

c) Ist im Arbeitsvertrag die Vergütung von Überstunden weder positiv noch negativ geregelt, kommt als Anspruchsgrundlage dafür nur § 612 Abs. 1 BGB in Betracht. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die danach erforderliche - objektive - Vergütungserwartung (vgl. dazu BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 20, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10; 21. September 2011 - 5 AZR 629/10 - Rn. 31, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 11, jeweils mwN) ist gegeben. Der Kläger schuldet weder Dienste höherer Art, noch erhält er eine deutlich herausgehobene Vergütung. Die ihm nach § 3 Arbeitsvertrag zustehende Vergütung liegt auch unter Berücksichtigung der nach dem Willen der Beklagten freiwillig sein sollenden Leistungs-, Sorgfalts- und Treueprämien sowie den Zuschlägen für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit ganz erheblich unter der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung(zu deren Bedeutung vgl. BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 21).

19

2. Ein Anspruch des Klägers auf Überstundenvergütung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verwirkt.

20

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie setzt voraus, dass der Gläubiger sein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat und dabei unter Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken konnten, er wolle auch künftig sein Recht nicht mehr geltend machen. Zudem muss der Verpflichtete sich darauf einstellen dürfen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BAG 23. August 2011 - 3 AZR 575/09 - Rn. 57, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 20; vgl. auch 22. April 2009 - 5 AZR 292/08 - Rn. 28, AP BGB § 611 Wegezeit Nr. 11).

21

Ob eine Verwirkung des Anspruchs auf Überstundenvergütung vor Eintritt der gesetzlichen Verjährung schon deshalb ausscheidet, weil sich der Arbeitgeber, der dem Arbeitnehmer einen Formulararbeitsvertrag anbietet, durch vertragliche Ausschlussfristen (zu den Anforderungen an deren Wirksamkeit vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19; 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - BAGE 116, 66) davor schützen kann, länger als drei Monate nach Fälligkeit des Anspruchs mit einer Geltendmachung konfrontiert zu werden, bedarf keiner Entscheidung. Denn unbeschadet der Frage, ob im Streitfall überhaupt das Zeitmoment erfüllt ist, kann sich jedenfalls ein Arbeitgeber, der - wie die Beklagte - dem Arbeitnehmer eine unwirksame Klausel zur Pauschalabgeltung von Überstunden stellt, nicht schutzwürdig darauf einrichten, der Arbeitnehmer werde die Unwirksamkeit der Klausel schon nicht erkennen und Überstundenvergütung nicht geltend machen (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 24).

22

III. Ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im erneuten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:

23

1. Der mit „Arbeitszeit“ überschriebene § 4 Arbeitsvertrag enthält zwar keine ausdrückliche Vereinbarung über eine bestimmte wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit. Über den Verweis auf die „betriebliche Ordnung“ lässt sich aber mittelbar eine Normalarbeitszeit erschließen, deren Dauer zwischen den Parteien unstreitig ist.

24

Der Kläger hat vorgetragen, die betriebliche Arbeitszeit bei der Beklagten betrage 40 Wochenstunden. Dem ist die Beklagte nicht nur nicht entgegengetreten, sondern hat selbst vorgebracht, die Arbeitszeit des Klägers richte sich gemäß § 4 Arbeitsvertrag nach der betrieblichen Ordnung und das seien bei Vollzeit 40 Wochenstunden/173,33 Stunden im Monat. Weiter hat die Beklagte gemeint, weil es sich bei dem Kläger um einen Fahrer bzw. Beifahrer von LKW mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht handele, gölten auch die gesetzlichen Bestimmungen für Fahrpersonal. Das trifft zu, führt aber nicht zu einer Erhöhung der vom Kläger geschuldeten Normalarbeitszeit. § 21a Abs. 4 ArbZG regelt nur die Arbeitszeit eines Kraftfahrers, die arbeitsschutzrechtlich nicht überschritten werden darf. Die Vorschrift ersetzt nicht eine vertragliche Vereinbarung über die Arbeitszeit und tritt bei deren Fehlen nicht an deren Stelle. Einen - als vertragliche Vereinbarung auslegbaren - Hinweis auf das Arbeitszeitgesetz, insbesondere dessen § 21a Abs. 4, enthält § 4 Arbeitsvertrag nicht.

25

2. Für die Darlegung und den Beweis der Leistung von Überstunden gelten die Grundsätze wie für die Behauptung des Arbeitnehmers, die geschuldete (Normal-)Arbeit verrichtet zu haben.

26

a) Ausgehend von den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts in Verbindung mit § 614 BGB gilt im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Verlangt der Arbeitnehmer gem. § 611 BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er deshalb darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt(zB § 1 BUrlG, §§ 615, 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 37 Abs. 2 BetrVG). Da die konkret zu leistende Arbeit in der Regel vom Arbeitgeber durch Weisungen zu bestimmen ist (§ 106 GewO), genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Deshalb hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und ob der Arbeitnehmer den Weisungen nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden (vgl. zum Ganzen BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14).

27

b) Nichts anderes gilt für die Behauptung des Arbeitnehmers, er habe die geschuldete Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet. Verlangt der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist.

28

Diese Grundsätze dürfen aber nicht gleichsam schematisch angewendet werden, sondern bedürfen stets der Berücksichtigung der im jeweiligen Streitfall zu verrichtenden Tätigkeit und der konkreten betrieblichen Abläufe. So kann ein Kraftfahrer wie der Kläger, dem vom Arbeitgeber bestimmte Touren zugewiesen werden, seiner Darlegungslast bereits dadurch genügen, dass er vorträgt, an welchen Tagen er welche Tour wann begonnen und wann beendet hat. Im Rahmen der gestuften Darlegungslast ist es dann Sache des Arbeitgebers, unter Auswertung der Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 Satz 1 ArbZG substantiiert darzulegen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer aus welchen Gründen in geringerem zeitlichen Umfang als von ihm behauptet gearbeitet haben muss.

29

c) Ihrer Darlegungslast genügen weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber durch die bloße Bezugnahme auf den Schriftsätzen als Anlagen beigefügte Stundenaufstellungen oder sonstige Aufzeichnungen. Anlagen können lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen (BGH 2. Juli 2007 - II ZR 111/05 - Rn. 25 mwN, NJW 2008, 69; vgl. auch BVerfG 30. Juni 1994 - 1 BvR 2112/93 - zu III 2 a der Gründe, NJW 1994, 2683). Die Darlegung der Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer bzw. die substantiierte Erwiderung hierauf durch den Arbeitgeber hat vielmehr entsprechend § 130 Nr. 3 und Nr. 4 ZPO schriftsätzlich zu erfolgen. Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag lediglich erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Arbeitszeiten aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen.

30

Nachdem das Landesarbeitsgericht die Art und Weise des Vorbringens der Parteien nicht beanstandet hat, muss ihnen im erneuten Berufungsverfahren Gelegenheit gegeben werden, ihrer jeweiligen Darlegungslast zur Leistung bzw. Nichtleistung von Überstunden schriftsätzlich nachzukommen.

31

3. Soweit die Beklagte bislang die Anordnung von Überstunden - pauschal - bestritten hat, ist das unbehelflich. Wenn ein Kraftfahrer für eine angewiesene Tour eine bestimmte Zeit benötigt und sie nur unter Leistung von Überstunden ausführen kann, waren die Überstunden - unabhängig von einer ausdrücklichen Anordnung - jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 a der Gründe mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung Nr. 17 = EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 1). Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber darlegen kann, dass die von ihm dem Arbeitnehmer zugewiesene Tour unter Beachtung der Rechtsordnung, insbesondere der für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten geltenden (Sozial-)Vorschriften und des Straßenverkehrsrechts, innerhalb der Normalarbeitszeit gefahren werden kann. Erst dann obliegt es wiederum dem Arbeitnehmer, besondere Umstände darzutun, die zur Überschreitung der Normalarbeitszeit geführt haben.

32

IV. Ob die Lohnabzüge wegen vermeintlich mangelnder Wagenpflege tatsächlich gerechtfertigt waren, ist wegen der beschränkten Revisionszulassung nicht mehr Gegenstand des erneuten Berufungsverfahrens.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    S. Röth-Ehrmann    

        

    Christen    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17. November 2011 - 11 Sa 867/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Vergütung von Überstunden.

2

Der 1988 geborene Kläger war seit dem 15. Januar 2010 bei der Beklagten als Handwerker im Gebäudemanagement beschäftigt. Er bezog bei einer arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 167 Stunden monatlich ein Bruttomonatsentgelt von 2.100,00 Euro. Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 28. Februar 2011.

3

Mit der am 18. März 2011 eingereichten und der Beklagten am 25. März 2011 zugestellten Klage hat der Kläger - soweit für die Revision von Belang - zuletzt Vergütung für 498 Überstunden zu einem Stundensatz von 12,5748 Euro brutto geltend gemacht und vorgetragen, er habe zusammen mit dem Mitarbeiter R das komplette Firmengebäude der Beklagten umgebaut. Dabei seien der gesamte Innenausbau sowie Arbeiten an der Außenanlage, insbesondere Pflaster- und Gartenbauarbeiten, ausgeführt worden. Die an datumsmäßig näher bezeichneten Arbeitstagen im Zeitraum Januar bis Dezember 2010 angefallenen Überstunden habe der damalige Geschäftsführer der Beklagten angeordnet, jedenfalls geduldet. Hilfsweise hat der Kläger die Vergütung für 262,47 Überstunden darauf gestützt, diese würden sich aus von der Beklagten in der Berufungserwiderung vorgelegten Excel-Tabellen ergeben.

4

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.262,25 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Kläger habe keine von ihr angeordneten oder geduldeten Überstunden geleistet. In die Excel-Tabellen habe sie ungeprüft die Angaben aus den von den Beschäftigten geführten handschriftlichen Anwesenheitslisten übernommen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet.

8

I. Die Revision rügt allerdings zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe die Anforderungen an die Darlegung der Leistung von Überstunden überspannt.

9

1. Verlangt der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tariflicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat, und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 27 ff.).

10

2. Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Klägers in der Berufungsinstanz. Der Kläger hat in der Berufungsbegründung auf über 100 Seiten für jeden einzelnen Tag des Streitzeitraums angegeben, von wann bis wann er gearbeitet haben will. Mit dem Vortrag, zu bestimmten Zeiten gearbeitet zu haben, behauptet der Arbeitnehmer regelmäßig zugleich, während der genannten Zeiten die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht zu haben. Das ist für die erste Stufe der Darlegung ausreichend. Der Kläger hat zudem den Inhalt der erbrachten Arbeitsleistung dahin gehend konkretisiert, zusammen mit einem anderen Beschäftigten das komplette Firmengebäude der Beklagten umgebaut, sämtliche Innenausbauarbeiten ausgeführt sowie Arbeiten an den Außenanlagen, insbesondere Pflaster- und Gartenbauarbeiten verrichtet zu haben. Das Landesarbeitsgericht überspannt die Anforderungen, wenn es bereits auf der ersten Stufe der Darlegung einer Überstundenleistung vom Arbeitnehmer „konkrete Tätigkeitsangaben“ für jede einzelne Überstunde verlangt.

11

3. Von der Substantiierung des Tatsachenvortrags zu trennen ist dessen Schlüssigkeit und Glaubwürdigkeit. Substantiiertes Lügen ändert nichts an der Substanz des Sachvortrags, sondern betrifft dessen Glaubwürdigkeit. Insoweit obliegt es vornehmlich den Tatsacheninstanzen, unbeschadet einer etwaigen Einlassung des Arbeitgebers im Rahmen des § 286 Abs. 1 ZPO die Glaubwürdigkeit des Sachvortrags des Arbeitnehmers zu beurteilen, etwa wenn er - wie im Streitfall der Kläger - seinen Sachvortrag mehrfach variiert, Überstunden nach Monaten „aus dem Gedächtnis“ rekonstruiert haben will oder vorprozessual dem Arbeitgeber mitteilte, die geltend gemachten Überstunden seien hauptsächlich bei der kompletten Neugestaltung des privaten Gartens des früheren Geschäftsführers entstanden.

12

II. Ob der Sachvortrag des Klägers zur Leistung von Überstunden in allen Details schlüssig und glaubwürdig ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht eine weitere Voraussetzung für die Vergütung von Überstunden verneint. Der Kläger hat die Veranlassung der Überstundenleistung durch die Beklagte nicht substantiiert dargelegt.

13

1. Der Arbeitgeber ist nach § 611 Abs. 1 BGB zur Gewährung der vereinbarten Vergütung für die vereinbarte Arbeitsleistung verpflichtet. Legen die Parteien einen bestimmten zeitlichen Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung (Regel- oder Normalarbeitszeit) fest, betrifft die Vergütungspflicht zunächst (nur) die Vergütung der vereinbarten Normalarbeitszeit. Erbringt der Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist der Arbeitgeber zu deren Vergütung nur verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Denn der Arbeitgeber muss sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen, und der Arbeitnehmer kann nicht durch überobligatorische Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vergütungspflicht für Überstunden auf arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB beruht.

14

Für diese arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung als - neben der Überstundenleistung - weitere Voraussetzung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung formuliert, Überstunden müssten vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sein (BAG 15. Juni 1961 - 2 AZR 436/60 - zu II der Gründe; 17. April 2002 - 5 AZR 644/00 - zu II 3 der Gründe; 29. Mai 2002 - 5 AZR 370/01 - zu V 1 der Gründe; 28. Januar 2004 - 5 AZR 530/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 109, 254; 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 a der Gründe). Daran hat der Senat stets und auch in seinem die Darlegung und den Beweis der Leistung von Überstunden betreffenden Urteil vom 16. Mai 2012 (- 5 AZR 347/11 - , vgl. dort Rn. 31) festgehalten.

15

2. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass geleistete Überstunden angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich waren, trägt der Arbeitnehmer als derjenige, der den Anspruch erhebt (vgl. BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 15 mwN). Dabei gelten folgende Grundsätze:

16

a) Für eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat. Dazu fehlt es an substantiiertem Sachvortrag des Klägers. Die pauschale und stereotyp wiederholte Behauptung, der frühere Geschäftsführer der Beklagten habe „die Überstunden angeordnet“, ist nicht ausreichend.

17

b) Konkludent ordnet der Arbeitgeber Überstunden an, wenn er dem Arbeitnehmer Arbeit in einem Umfang zuweist, der unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers (zu diesem Maßstab siehe BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 24 mwN) nur durch die Leistung von Überstunden zu bewältigen ist. Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, dass eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten (vgl. als Beispiel BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 31) oder ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte (vgl. als Beispiel BAG 28. November 1973 - 4 AZR 62/73 - BAGE 25, 419). Dabei begründet allein die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb oder an einem Arbeitsort außerhalb des Betriebs keine Vermutung dafür, Überstunden seien zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen (aA LAG Berlin-Brandenburg 23. Dezember 2011 - 6 Sa 1941/11 -; 10. September 2012 - 15 Ta 1766/12 -).

18

Ist wie im Streitfall eine Monatsarbeitszeit vereinbart, muss der Arbeitnehmer zudem darlegen, dass einzelne, zur Erledigung der zugewiesenen Arbeiten geleisteten Überstunden nicht innerhalb einer flexibel gehandhabten Monatsarbeitszeit ausgeglichen werden konnten. Zu alledem fehlt substantiierter Sachvortrag des Klägers.

19

c) Mit der Billigung von Überstunden ersetzt der Arbeitgeber gleichsam durch eine nachträgliche Genehmigung die fehlende vorherige Anordnung schon geleisteter Überstunden. Die Billigung von Überstunden setzt deshalb voraus, dass der Arbeitgeber zu erkennen gibt, mit der schon erfolgten Leistung bestimmter Überstunden einverstanden zu sein. Das muss nicht ausdrücklich erfolgen und kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber oder ein für ihn handelnder Vorgesetzter des Arbeitnehmers eine bestimmte Anzahl von Stunden abzeichnet und damit sein Einverständnis mit einer Überstundenleistung ausdrückt. Dazu reicht aber die widerspruchslose Entgegennahme der vom Arbeitnehmer gefertigten Arbeitszeitaufzeichnungen nicht aus (BAG 3. November 2004 - 5 AZR 648/03 - zu III 2 der Gründe; 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 c der Gründe). Vielmehr muss der Arbeitnehmer darlegen, wer wann auf welche Weise zu erkennen gegeben habe, mit der Leistung welcher Überstunden einverstanden zu sein.

20

Daran fehlt es im Streitfall. Die Übertragung der vom Kläger gefertigten Aufschriebe seiner Anwesenheitszeiten in Excel-Tabellen ist schon deshalb keine Billigung von Überstunden, weil diese Tabellen unstreitig nicht an die Mitarbeiter ausgehändigt wurden und der Kläger somit keinen Anhaltspunkt dafür hatte, die Beklagte genehmige bereits geleistete Überstunden.

21

d) Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden fürderhin zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet, sie vielmehr weiterhin entgegennimmt (BAG 6. Mai 1981 - 5 AZR 73/79 - zu II 2 der Gründe; vgl. auch - zu § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG - BAG 27. November 1990 - 1 ABR 77/89 -; 24. April 2007 - 1 ABR 47/06 - BAGE 122, 127). Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Erst wenn dieses feststeht, ist es Sache des Arbeitgebers, darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat.

22

Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Klägers nicht. Er kommt über die formelhafte Wendung, der frühere Geschäftsführer der Beklagten habe von den geleisteten Überstunden Kenntnis gehabt und diese geduldet, nicht hinaus. Allein die Entgegennahme von Aufschrieben der Anwesenheitszeiten seiner Beschäftigten vermag eine Kenntnis des Arbeitgebers von einer bestimmten Überstundenleistung nicht zu begründen. Erst wenn der Arbeitnehmer seine Aufzeichnungen hinsichtlich der Arbeitsleistung konkretisiert und mit einem Hinweis auf eine Überstundenleistung verbindet, ist der Arbeitgeber gehalten, dem nachzugehen und gegebenenfalls gegen nicht gewollte Überstunden einzuschreiten.

23

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    R. Rehwald    

        

    E. Bürger    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 7. Januar 2016 - 9 Sa 335/15 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Vergütung von Überstunden.

2

Der Kläger war vom 11. Oktober 2010 bis zum 31. Juli 2014 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Bei einer vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden erhielt er ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 1.600,00 Euro. Er war arbeitsvertraglich verpflichtet, „im gesetzlichen Rahmen Mehrarbeit zu leisten“.

3

Aufgabe des Klägers war im Wesentlichen der Transport von Baustahl im In- und Ausland. Die dabei benutzten Lastzüge der Beklagten sind mit einem digitalen Kontrollgerät ausgestattet, bei dem der Fahrer Zeiten, die nicht Lenkzeit sind, manuell als „sonstige Arbeitszeit“ oder „Pause“ kennzeichnen muss.

4

Mit der am 21. Juli 2014 eingereichten und der Beklagten am 26. Juli 2014 zugestellten Klage hat der Kläger Überstundenvergütung verlangt und geltend gemacht, im Zeitraum August 2011 bis Juni 2014 369,85 Überstunden geleistet zu haben. Diese hat er anhand seiner Fahrerkarte errechnet, deren Auswertung er als Anlage zu einem erstinstanzlichen Schriftsatz zu den Akten gereicht hat. Außerdem hat er in der Berufungsinstanz schriftsätzlich auf über 30 Seiten für den Streitzeitraum dargelegt, an welchen Tagen er von wann bis wann welche Tour gefahren sei. Bei der Höhe der Überstundenvergütung hat der Kläger in jedem Monat unterschiedliche Bruttostundenlöhne zugrunde gelegt und einen Überstundenzuschlag von 25 % angesetzt.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.101,92 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Juli 2014 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und Leistung sowie Anordnung von Überstunden bestritten. Sie könne nicht mehr nachvollziehen, welche sonstigen Arbeitszeiten außerhalb der Lenkzeiten angefallen seien, zumal nach § 21a Abs. 3 ArbZG nicht jede Wartezeit beim Be- und Entladen Arbeitszeit sei. Bei einer Arbeitszeit von 48 Wochenstunden habe der Kläger für das vereinbarte Bruttomonatsgehalt 208,8 Stunden monatlich arbeiten müssen, so dass eine Überstunde nur mit einem Bruttostundenlohn von 7,66 Euro zu vergüten wäre. Für einen Überstundenzuschlag fehle es an der Rechtsgrundlage. Jedenfalls sei ein eventueller Anspruch auf Überstundenvergütung verwirkt.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

9

I. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts nicht zurückgewiesen werden. Die Annahme, der Kläger habe seiner Darlegungslast zur Leistung von Überstunden nicht genügt, ist auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht frei von Rechtsfehlern.

10

1. Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, die Darlegung der Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer müsse entsprechend § 130 Nr. 3 ZPO schriftsätzlich erfolgen. Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag nicht ersetzen, sondern lediglich erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Arbeitszeiten aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 29, BAGE 141, 330). Diese Begründung vermag aber die Zurückweisung der Berufung nicht zu tragen. Denn der Kläger hat sich in der Berufungsinstanz nicht nur auf Anlagen berufen, sondern - wie die Revision zu Recht geltend macht (§ 551 Abs. 3 Satz 2 ZPO) - im Schriftsatz vom 10. Dezember 2015 im Einzelnen dargelegt, an welchen datumsmäßig bezeichneten Tagen er im Streitzeitraum von wann bis wann im Rahmen welcher Tour gearbeitet haben will. Diesen Sachvortrag hat das Landesarbeitsgericht offenbar nicht zur Kenntnis genommen und erwogen, anderenfalls hätte es sich damit in den Entscheidungsgründen auseinandersetzen müssen (vgl. BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

11

2. Auch die weitere Begründung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Zu Unrecht verlangt das Landesarbeitsgericht bereits auf der ersten Stufe der Darlegung der Leistung von Überstunden die Angabe, welche geschuldete Tätigkeit der Kläger erbracht habe, weil ansonsten „weder für die Beklagte noch für das Gericht (…) nachzuvollziehen (sei), ob die Betätigung der entsprechenden Tasten durch den Kläger richtig erfolgte“. Das Landesarbeitsgericht vermengt dabei strikt zu trennende Fragen der Darlegung mit solchen der Schlüssigkeit und Glaubwürdigkeit des Tatsachenvortrags (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 11). Es verkennt, dass die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Mai 2012 (- 5 AZR 347/11 - BAGE 141, 330) keine Beschränkung auf Kraftfahrer enthält, deren Fahrten täglich im Betrieb des Arbeitgebers beginnen und enden. Schließlich lässt die Bemerkung des Landesarbeitsgerichts zu Wartezeiten bei der Be- und Entladung erkennen, dass es § 21a Abs. 3 ArbZG eine vergütungsrechtliche Relevanz beimisst, die der Norm nicht zukommt(vgl. BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 24 ff. mwN, BAGE 137, 366; zur Nichtanwendung der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung auf die Vergütung der Arbeitnehmer EuGH 10. September 2015 - C-266/14 - Rn. 48 mwN).

12

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.

13

1. Die Vergütung von Überstunden setzt - bei Fehlen einer anwendbaren tarifvertraglichen Regelung - entweder eine entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarung oder eine Vergütungspflicht des Arbeitgebers nach § 612 Abs. 1 BGB voraus.

14

a) Arbeitsvertraglich haben die Parteien die Vergütung von Überstunden weder vereinbart noch ausgeschlossen. Soweit der Arbeitsvertrag den Kläger verpflichtet, „im gesetzlichen Rahmen Mehrarbeit zu leisten“, folgt allein daraus nicht der Ausschluss einer gesonderten Vergütung für Überstunden.

15

b) Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Arbeitsleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. § 612 Abs. 1 BGB bildet nicht nur in den Fällen, in denen überhaupt keine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde, sondern auch dann die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf die Vergütung, wenn der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers quantitativ mehr arbeitet als von der Vergütungsabrede erfasst(st. Rspr., vgl. zB BAG 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 17, BAGE 151, 180). Die nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche objektive Vergütungserwartung(vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 20, BAGE 139, 44; 27. Juni 2012 - 5 AZR 530/11 - Rn. 19 mwN) ergibt sich jedenfalls daraus, dass der Kläger als Kraftfahrer keine Dienste höherer Art schuldete und keine deutlich herausgehobene, über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegende Vergütung gezahlt wurde.

16

2. Der Anspruch des Klägers auf Überstundenvergütung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verwirkt.

17

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie setzt voraus, dass der Gläubiger sein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat und dabei unter Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken konnten, er wollte auch künftig seine Rechte nicht mehr geltend machen. Zudem muss der Verpflichtete sich darauf einstellen dürfen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 20, BAGE 141, 330).

18

Danach kommt eine Verwirkung vorliegend nicht in Betracht. Unbeschadet der Frage, ob - und ggf. für welchen Zeitraum - im Streitfall überhaupt das Zeitmoment erfüllt ist, ergeben sich aus dem Vorbringen der Beklagten und dem unstreitigen Sachverhalt keine Tatsachen, die geeignet wären, die Annahme zu rechtfertigen, der Beklagten sei es aufgrund eigener Disposition „unzumutbar“ geworden, die Ansprüche des Klägers zu erfüllen, oder es sei ihr aufgrund sonstiger Umstände unzumutbar, sich auf die Klage einzulassen (vgl. BAG 24. August 2016 - 5 AZR 129/16 - Rn. 60 f. mwN).

19

III. Ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung,§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

20

Im erneuten Berufungsverfahren wird Folgendes zu beachten sein:

21

1. Der Arbeitgeber ist nach § 611 Abs. 1 BGB zur Gewährung der vereinbarten Vergütung für die vereinbarte Arbeitsleistung verpflichtet. Legen die Parteien - wie im Streitfall - einen bestimmten Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung (Regel- oder Normalarbeitszeit) fest, betrifft die Vergütungspflicht zunächst (nur) die Vergütung der vereinbarten Normalarbeitszeit. Verlangt der Arbeitnehmer gestützt auf § 612 Abs. 1 BGB weitere Vergütung, treffen ihn die Darlegungs- und Beweislast dafür, über die vereinbarte Normalarbeitszeit hinaus gearbeitet zu haben und dass die Leistung von Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst worden oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist(BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 9, 13 ff.).

22

2. Der Darlegungslast für die Leistung von Überstunden hat der Kläger auf der ersten Stufe der Darlegung genügt.

23

a) Dafür ist es ausreichend, dass der Arbeitnehmer schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist (st. Rspr., vgl. zB BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 9 mwN). Lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der Sachvortrag des Arbeitnehmers als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Diese Grundsätze dürfen nicht gleichsam schematisch angewandt werden, sondern bedürfen stets der Berücksichtigung der im jeweiligen Streitfall zu verrichtenden Tätigkeit und der konkreten betrieblichen Abläufe. So kann ein Kraftfahrer wie der Kläger, dem vom Arbeitgeber bestimmte Touren zugewiesen werden, unabhängig davon, ob die zugewiesenen Fahrten jeden Tag im Betrieb des Arbeitgebers beginnen und enden, seiner Darlegungslast bereits dadurch genügen, dass er vorträgt, an welchen Tagen er welche Tour wann begonnen und wann beendet hat. Im Rahmen der gestuften Darlegungslast ist es dann Sache des Arbeitgebers, unter Auswertung der Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 Satz 1 ArbZG substantiiert darzulegen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer aus welchen Gründen im geringeren zeitlichen Umfang als von ihm behauptet gearbeitet haben muss(BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 28, BAGE 141, 330).

24

b) Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Klägers in der Berufungsinstanz. Er hat im Schriftsatz vom 10. Dezember 2015 für den Streitzeitraum dargelegt, welche Touren ihm an welchen Tagen zugewiesen waren und an welchen Tagen er im Rahmen dieser Touren von wann bis wann gearbeitet haben will. Dabei ist es zivilprozessual nicht zu beanstanden, wenn ein Arbeitnehmer, der bei Ausübung seiner Tätigkeit in verschiedenen orts- und jahreszeitabhängig bestimmten Zeitzonen Arbeit verrichten muss, Uhrzeitangaben in der Weltzeit (UTC) vorträgt. Anderenfalls könnte zB fliegendes Personal geleistete Arbeitsstunden gar nicht verständlich darlegen. Mit dem Vortrag, zu bestimmten Zeiten gearbeitet zu haben, behauptet der Arbeitnehmer zugleich, während der genannten Zeiten die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht zu haben (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 10). Zudem hat der Kläger bereits erstinstanzlich erläutert, dass er zur Arbeitszeit nicht nur die Lenkzeiten zählt, sondern auch Standzeiten, die der Arbeitsvorbereitung dienen oder beim Be- und Entladen anfallen. Weitere Angaben sind von ihm auf der ersten Stufe der Darlegung nicht zu verlangen (so bereits BAG 11. März 1981 - 5 AZR 878/78 - zu II 2 der Gründe).

25

c) Im Rahmen der gestuften Darlegungslast ist es nunmehr Sache der Beklagten, zu den behaupteten Arbeitszeiten substantiiert Stellung zu nehmen. Dafür reicht es nicht, wenn sie - wie bislang - auf eine aus ihrer Sicht fehlende Kontrollmöglichkeit hinweist und die Richtigkeit der Bedienung des digitalen Kontrollgeräts in Frage stellt.

26

aa) Als Arbeitgeberin weiß die Beklagte, welche Tätigkeit(en) sie dem Kläger in Ausübung ihres Weisungsrechts generell (zB Überprüfen des Fahrzeugs auf Verkehrssicherheit, Sicherung der Ladung, Reinigung des Fahrzeugs) und speziell (Lieferung von was an wen an welchem Tag) zugewiesen hat. Die Beklagte hat damit Kenntnis davon, mit welchen Touren sie den Kläger an welchen Tagen beauftragt hat und welche Arbeiten dabei angefallen sind und kann sich nicht auf Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) zurückziehen.

27

Weiterhin ist es Sache der Beklagten, allgemein oder im konkreten Einzelfall den Zeitaufwand für die Erledigung der zugewiesenen Arbeiten zu ermitteln. Dabei stehen ihr als Hilfsmittel die von ihr als Arbeitgeberin nach § 21a Abs. 7 Satz 1 ArbZG korrekt(vgl. § 22 Abs. 1 Nr. 9 ArbZG) zu erstellenden Aufzeichnungen zur Verfügung, die - weiter gehend als § 16 Abs. 2 ArbZG - alle Arbeitszeiten eines Kraftfahrers enthalten müssen(vgl. zum Inhalt der Aufzeichnungspflicht im Einzelnen: Buschmann/Ulber ArbZG 8. Aufl. § 21a Rn. 44 ff.; Schliemann ArbZG 3. Aufl. § 21a Rn. 39). Die mindestens zwei Jahre aufzubewahrenden (§ 21a Abs. 7 Satz 2 ArbZG) Aufzeichnungen, von denen dem Arbeitnehmer auf Verlangen eine Kopie auszuhändigen ist (§ 21a Abs. 7 Satz 3 ArbZG), dienen zwar primär der Kontrolle der Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen durch die Aufsichtsbehörden (vgl. § 17 Abs. 4 ArbZG). Zugleich sind sie aber - wie die Kontrollgeräte nach der VO (EWG) Nr. 3821/85 - für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein geeignetes Hilfsinstrument bei der Rekonstruktion und Darlegung der Arbeitszeit, ohne ihnen den Nachweis der Unrichtigkeit der Aufzeichnungen abzuschneiden.

28

Reichen die Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 ArbZG zur substantiierten Erwiderung nicht aus oder misstraut der beklagte Arbeitgeber - wie im Streitfall - der Redlichkeit seines Beschäftigten, obliegt es dem Arbeitgeber, durch geeignete organisatorische Maßnahmen oder Erkundigungen(vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 490/10 - Rn. 24, BAGE 139, 36) sicherzustellen, dass er zB weiß, bei welchem Auftrag wie lange Wartezeiten beim Be- und Entladen angefallen sind. Ferner ist es grundsätzlich seine Sache, im Voraus die Ruhepausen festzulegen und damit Kenntnis davon zu haben, an welchen Tagen der Arbeitnehmer zu welchen Zeiten weder Arbeit leisten noch sich dafür bereithalten musste und frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen konnte (vgl. zum Begriff der Pause BAG 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 - Rn. 21 mwN, BAGE 151, 45).

29

bb) Soweit die Beklagte meint, Wartezeiten beim Be- und Entladen seien unter den Voraussetzungen des § 21a Abs. 3 ArbZG generell keine vergütungspflichtige Arbeitszeit, ist das nicht zutreffend.

30

(1) Zwar ist nach § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 ArbZG die Zeit, während derer sich ein als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten beschäftigter Arbeitnehmer am Arbeitsplatz bereithalten muss, um seine Tätigkeit aufzunehmen, abweichend von § 2 Abs. 1 ArbZG keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitrechts, wenn der Zeitraum und dessen voraussichtliche Dauer im Voraus, spätestens unmittelbar vor Beginn des betreffenden Zeitraums bekannt ist. Ob die Norm in ihrer Pauschalität mit der Definition der Arbeitszeit in Art. 3 Buchst. a Nr. 1 2. Spiegelstrich Richtlinie 2002/15/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben (ABl. EG L 80 vom 23. März 2002 S. 35, im Folgenden RL 2002/15/EG) vereinbar ist (verneinend: Schliemann ArbZG 3. Aufl. § 21a Rn. 29; Buschmann/Ulber ArbZG 8. Aufl. § 21a Rn. 13; vgl. auch Baeck/Deutsch ArbZG 3. Aufl. § 21a Rn. 15; ErfK/Wank 17. Aufl. § 21a ArbZG Rn. 5; HWK/Gäntgen 7. Aufl. § 21a ArbZG Rn. 5 Fn. 6), kann dahingestellt bleiben. § 21a ArbZG hat nur arbeitszeitschutzrechtliche Bedeutung und ist für die Vergütungspflicht des Arbeitgebers ohne Belang(vgl. im Einzelnen: BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 19 ff., BAGE 137, 366; 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 9, BAGE 141, 330; Baeck/Deutsch ArbZG 3. Aufl. § 21a Rn. 21; Buschmann/Ulber ArbZG 8. Aufl. § 21a Rn. 12; ErfK/Wank 17. Aufl. § 21a Rn. 5; HWK/Gäntgen 7. Aufl. § 21a Rn. 6).

31

(2) Kann der Kläger während des Be- und Entladens durch Dritte nicht frei über seine Zeit verfügen, sondern muss sich etwa in einer Warteschlange zum Aufrücken bereithalten, leistet er vergütungspflichtige Arbeit iSv. § 611 Abs. 1 BGB. Dazu zählt nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste oder ihm zuzurechnende Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz (zum Begriff des Arbeitsplatzes bei der Beschäftigung als Fahrer oder Beifahrer im Straßentransport sh. Art. 3 Buchst. c RL 2002/15/EG) oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung seiner Zeit bestimmen kann, er also weder eine Pause (§ 4 ArbZG) noch Freizeit hat. Diese Voraussetzung ist bei Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst erfüllt (st. Rspr., vgl. nur BAG 19. November 2014 - 5 AZR 1101/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 150, 82; 29. Juni 2016 - 5 AZR 716/15 - Rn. 28), und zwar auch dann, wenn sich die Notwendigkeit von Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst aus Verzögerungen im Betriebsablauf des zu beliefernden Kunden ergibt. Denn nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber trägt das Wirtschaftsrisiko.

32

3. Soweit die Beklagte bislang pauschal die Anordnung von Überstunden bestritten hat, ist das unbehelflich. Wenn ein Kraftfahrer für eine angewiesene Tour eine bestimmte Zeit benötigt und sie nur unter Leistung von Überstunden ausführen kann, waren die Überstunden - unabhängig von einer ausdrücklichen Anordnung - jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig. Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber darlegen kann, dass die von ihm dem Arbeitnehmer zugewiesene Tour unter Beachtung der Rechtsordnung, insbesondere der für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Fahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten geltenden (Sozial-)Vorschriften und des Straßenverkehrsrechts, innerhalb der Normalarbeitszeit gefahren werden kann. Erst dann obliegt es dem Arbeitnehmer, besondere Umstände darzutun, die zur Überschreitung der Normalarbeitszeit führten (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 141, 330).

33

4. Die Berechnung der Klageforderung ist bislang nicht in jeder Hinsicht schlüssig. Der Kläger wird deshalb im erneuten Berufungsverfahren sein Rechenwerk überprüfen, näher erläutern und ggf. korrigieren müssen.

34

a) Unzutreffend legt der Kläger bei der Ermittlung der Anzahl von Überstunden eine monatliche Betrachtungsweise zugrunde. Vereinbaren die Parteien ein Monatsentgelt, muss der Arbeitnehmer dafür grundsätzlich gemäß § 611 Abs. 1 BGB Arbeit im Umfang der in einem Monat geschuldeten Arbeitszeit erbringen. Doch haben die Parteien in § 2 Arbeitsvertrag eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden vereinbart mit der Verpflichtung des Klägers, im gesetzlichen Rahmen Mehrarbeit zu leisten. Die verwendeten Termini „regelmäßige Arbeitszeit“ und „Mehrarbeit“ knüpfen an die - im Arbeitszeitgesetz nicht mehr enthaltene - Begrifflichkeit der Arbeitszeitordnung an, die in § 3 eine regelmäßige Arbeitszeit von acht Stunden werktäglich und in den §§ 6 ff. darüber hinausgehende Mehrarbeit in bestimmten Fällen vorsah. Mit einer solchen Regelung verdeutlichen die Parteien, dass die vergütungsrelevante Arbeitszeit nicht starr 48 Wochenstunden betragen, sondern in dem arbeitszeitrechtlich erlaubten Umfang geschuldet sein soll. Vereinbart ist damit auch die in § 21a Abs. 4 ArbZG eröffnete Flexibilisierungsmöglichkeit, die konstitutiver Bestandteil der öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitregelung ist. Zudem berücksichtigt ein solches Verständnis das Berufsbild eines Fernfahrers, dessen Arbeitszeit sich an den durchzuführenden Touren orientiert und der seine Arbeitsleistung nicht gleichbleibend an allen Tagen jeder Kalenderwoche erbringt (vgl. BAG 18. April 2012 - 5 AZR 195/11 - Rn. 18 ff.).

35

Überstunden fallen deshalb dann und in dem Umfang an, in dem im Ausgleichszeitraum des § 21a Abs. 4 ArbZG im Durchschnitt 48 Stunden wöchentlich überschritten werden. Hat der Arbeitgeber den Ausgleichszeitraum nicht von vornherein festgelegt, bestimmt im Überstundenprozess der Arbeitnehmer mit dem Streitzeitraum den Beginn der Ausgleichszeiträume von vier Kalendermonaten oder 16 Wochen, wobei der Arbeitgeber einwenden kann, bei einem anderen Beginn würden sich rechnerisch keine oder weniger Überstunden ergeben (vgl. - zum Gesamtvergleich bei equal pay - BAG 23. Oktober 2013 - 5 AZR 556/12 - Rn. 33).

36

b) Weil die Parteien arbeitsvertraglich als Normalvergütung eine Monatsvergütung vereinbart haben, ist diese auch für die Bezahlung von Überstunden maßgeblich. Für den Geldfaktor ist die vereinbarte Bruttomonatsvergütung durch die dafür durchschnittlich geschuldeten 208 Arbeitsstunden zu dividieren. Gewährt der Arbeitgeber über die die Normalarbeitsleistung honorierende Grundvergütung hinaus arbeitszeitunabhängige Sonderleistungen, sind diese nicht zu berücksichtigen.

37

c) Der Kläger hat bei der Berechnung der Klageforderung einen Überstundenzuschlag von 25 % angesetzt. Eine Anspruchsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich, insbesondere ergibt sich diese - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht „aus den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes“.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Mandrossa     

        

    Bormann    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 18. April 2013 - 8 Sa 1649/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Vergütung von Überstunden.

2

Die Beklagte betreibt ein Unternehmen des privaten Omnibusgewerbes. Der 1956 geborene Kläger absolvierte nach vorangegangener Arbeitslosigkeit bei ihr im April 2011 eine Maßnahme zur beruflichen Eingliederung und war anschließend vom 1. Mai 2011 bis zum 31. März 2012 als Busfahrer im Linienverkehr gegen ein Bruttomonatsgehalt von 1.800,00 Euro beschäftigt.

3

Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der Arbeitsvertrag vom 29. April 2011, in dem es ua. heißt:

        

㤠1

        

Inhalt, Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses

        

Der AN wird ab 01.05.2011 bis 01.05.2012 im Rahmen eines gewerblichen befristeten Arbeitsverhältnisses als Busfahrer in Vollzeit beschäftigt.

        

…       

        

§ 3

        

Arbeitsentgelt

        

Der Arbeitnehmer erhält monatlich 1.800,00 EURO brutto zzgl. 6,00 EURO (>8 Std.) bzw. 12,00 EURO (>14 Std.) Spesen pro Arbeitstag. Auf das Gehalt wird am 1. eines jeden Monats ein Abschlag gezahlt in Höhe von 600,00 EURO netto und das Restgehalt wird zum 15. eines Monats ausgezahlt. Zu diesem Termin werden auch die Spesen abgerechnet.

                 
        

§ 4

        

Arbeitszeit

        

Die Arbeitszeit ist dem Arbeitnehmer bekannt. Er hat im Monat 2 Samstage und jeden Sonntag frei. Dies kann durch die Geschäftsleitung, kurzfristig geändert werden, z.B. Samstag und Sonntag arbeiten, dafür freie Tage in der Woche. Der Arbeitnehmer kann auch zu anderen Arbeiten herangezogen werden z.B. Werkstatthilfe, Bürohilfe, Hausmeister, Gartenpflege etc..

        

…       

        

§ 8

        

Aufgaben des Arbeitnehmers / Betrieblicher Ablauf

        

…       

        

7.    

Vor Antritt einer jeden Fahrt ist eine Abfahrtskontrolle am Fahrzeug durchzuführen. Falls Fahrzeuge Mängel aufweisen, so ist ein Mängelzettel auszufüllen und dieser ist am Diagrammscheibenbrett auszuhängen. Bei schwerwiegenden Mängeln ist zusätzlich entweder das Büro oder die Werkstatt zu informieren.

        

8.    

Die Bus-Karteikarten müssen von jedem Fahrer ausgefüllt werden. Hierbei handelt es sich um eine Kartei, die belegt, dass eine Abfahrtskontrolle durchgeführt wurde und evtl. Mängel und Schäden am zu führenden Fahrzeug gemeldet wurden. Diese Karteikarte ist von jedem Fahrer vor Dienstantritt auszufüllen! Die Karteikarte stellt einen wichtigen Beitrag zum reibungslosen sowie sicheren Betriebsablauf dar. Die zweite Karteikarte dient als Nachweis der gefahrenen km und des getankten Treibstoffes.

        

…       

        
        

10.     

Die eingesetzten Busse sind nach jedem Dienst zu betanken, zu waschen, der Fahrgastinnenraum ist besenrein zu hinterlassen. Bei Zuwiderhandlungen müssen Sie mit Lohnkürzung (15,- € pro Vergehen) rechnen.(…)“

4

Der Kläger wurde auf 14 verschiedenen Bustouren im Linienverkehr eingesetzt, deren Beginn und Ende sich einschließlich der Wartezeiten wie folgt darstellen: Tour BRS 1 von 5:50 bis 16:19 Uhr, Tour BRS 2 von 6:54 bis 19:19 Uhr, Tour BRS 3 von 6:40 bis 17:01 Uhr, Tour BRS 4 von 6:35 bis 18:33 Uhr, Tour BRS 1 Ferien von 4:20 bis 15:15 Uhr, Tour BRS 2 Ferien von 15:15 bis 21:00 Uhr, Tour BRS 3 Ferien von 5:45 bis 19:09 Uhr, Tour BRS 4 Ferien von 6:20 bis 15:09 Uhr, Tour BRS 5 Ferien von 9:00 bis 19:59 Uhr, Tour BRS 1 samstags von 8:03 bis 20:09 Uhr, Tour BRS 2 samstags von 6:49 bis 15:28 Uhr, Tour BRS 3 samstags von 10:00 bis 19:45 Uhr, Tour BRS 4 samstags von 7:00 bis 16:24 Uhr und Tour BRS 5 samstags von 16:25 bis 0:38 Uhr. Ferner musste der Kläger vor Antritt und nach Beendigung der Fahrten die arbeitsvertraglich festgehaltenen Kontrollmaßnahmen und Reinigungstätigkeiten ausführen, deren Dauer zwischen den Parteien streitig geblieben ist. Gleiches gilt für die Fahrten vom Betrieb zur ersten Haltestellte und von der letzten Haltestelle zum Betrieb.

5

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger mit der am 15. Mai 2012 eingereichten Klage für den Beschäftigungszeitraum, ausgehend von einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden, die Vergütung von 649,65 Überstunden verlangt. Er hat dazu für jeden Arbeitstag des Zeitraums Juni 2011 bis März 2012 unter Angabe des benutzten Fahrzeugs und der gefahrenen Linie Anfang und Ende der Arbeit dargelegt und bei seiner Berechnung arbeitstäglich eine Stunde Pause berücksichtigt. Darüber hinausgehende Wartezeiten seien keine Pausen im Rechtssinne gewesen. Für jede Überstunde hat der Kläger einen mit dem Divisor 176 von dem vereinbarten Monatsentgelt heruntergerechneten Bruttostundenlohn von 10,22 Euro angesetzt.

6

Der Kläger hat in den Vorinstanzen beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.644,14 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. April 2012 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, Überstunden könnten nicht angefallen sein, weil der Kläger als Arbeitszeit die Zeit geschuldet habe, die er für die Erledigung der ihm zugewiesenen Arbeiten benötigte. Dies sei dem Kläger aufgrund der dem Arbeitsverhältnis vorangegangenen Fördermaßnahme bekannt gewesen. Im Übrigen seien bei einer überschlägigen Berechnung im Durchschnitt allenfalls rund 8,5 Stunden pro Arbeitstag angefallen. Hinzu komme eine Rüstzeit von zehn Minuten arbeitstäglich. Die im Linienverkehr anfallenden Wartezeiten seien sämtlich als Pausen zu werten.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage teilweise stattgegeben und dem Kläger unter Anwendung von § 287 ZPO für 108 geleistete Überstunden 1.103,76 Euro brutto nebst Zinsen zugesprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Sie rügt, das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht von einer Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden ausgegangen und die vorgenommene Schätzung von § 287 Abs. 2 ZPO „nicht gedeckt“. Der Kläger, der die Klageabweisung im Übrigen hat rechtskräftig werden lassen, beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand. Die Klage ist in dem noch in der Revisionsinstanz anhängigen Umfang begründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger für 108 im Zeitraum Juni 2011 bis März 2012 geleistete Überstunden weitere Vergütung in Höhe von 1.103,76 Euro brutto nebst Zinsen, § 612 Abs. 1 BGB.

10

I. Die Vergütung von Überstunden ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil solche im Arbeitsverhältnis der Parteien nicht hätten anfallen können. Der Kläger musste für die vereinbarte Vergütung nicht solange arbeiten, wie er zur Erledigung der zugewiesenen Arbeiten brauchte. Vielmehr haben die Parteien eine regelmäßige Arbeitszeit von 40 Wochenstunden vereinbart. Das ergibt die Auslegung der §§ 1, 4 Arbeitsvertrag.

11

1. Die Bestimmungen des Arbeitsvertrags zu Tätigkeit und Arbeitszeit sind wie Allgemeine Geschäftsbedingungen anhand von § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen. Die Beklagte hat schon nach dem äußeren Erscheinungsbild den Arbeitsvertrag vom 29. April 2011 vorformuliert, dem Kläger unstreitig in dieser Form angeboten und damit im Rechtssinne gestellt. Ob es sich dabei um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung handelte (§ 305 Abs. 1 BGB), bedarf keiner weiteren Aufklärung, denn der Arbeitsvertrag ist ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB(vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 20 ff.; 27. Juni 2012 - 5 AZR 530/11 - Rn. 14). Auf die vorformulierten Regelungen konnte der Kläger nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keinen Einfluss nehmen.

12

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei unterliegt die Auslegung der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (st. Rspr., vgl. zB BAG 13. Februar 2013 - 5 AZR 2/12 - Rn. 15 mwN).

13

2. Nach diesen Grundsätzen ist § 4 Satz 1 Arbeitsvertrag, wonach dem Arbeitnehmer die Arbeitszeit bekannt sei, keine Vereinbarung, sondern setzt eine solche voraus. Dieser Hinweis auf den Kenntnisstand des Arbeitnehmers kann wahr oder unwahr sein, aber nicht - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - unwirksam. Dass und in welcher Weise die Parteien durch übereinstimmende Willenserklärung eine bestimmte Dauer der Arbeitszeit vereinbart hätten, hat die Beklagte nicht dargelegt. Ihr Vorbringen, dem Kläger sei durch die vorherige, knapp einmonatige Tätigkeit im Rahmen einer Fördermaßnahme der Arbeitsverwaltung die Dauer der Arbeitszeit bekannt gewesen, lässt nicht erkennen, dass die Parteien sich über die Modalitäten der Arbeitszeit ausdrücklich rechtsgeschäftlich geeinigt hätten.

14

3. Die für das Arbeitsverhältnis gelten sollende Arbeitszeit, die den für die vereinbarte Vergütung geschuldeten zeitlichen Umfang der iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Dienste“ bestimmt, ist deshalb durch Auslegung zu ermitteln. Anknüpfungspunkt hierfür ist § 1 Arbeitsvertrag, in dem es heißt, der Kläger werde als Busfahrer „in Vollzeit“ beschäftigt. Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf „in Vollzeit“ so verstehen, dass die regelmäßige Dauer der Arbeitszeit - unter Zugrundelegung einer Fünf-Tage-Woche und der in § 3 Satz 1 ArbZG vorgesehenen acht Stunden arbeitstäglich - 40 Wochenstunden nicht übersteigt. Soll hingegen mit der Formulierung „in Vollzeit“ die nach geltendem Recht zulässige Höchstgrenze der Arbeitszeit ganz oder teilweise ausgeschöpft werden, müsste dies durch eine konkrete Stundenangabe oder zumindest eine hinreichend bestimmte Bezugnahme auf den arbeitsschutzrechtlich eröffneten Arbeitszeitrahmen klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Allein der Hinweis in § 4 Satz 2 Arbeitsvertrag, der Kläger habe „im Monat zwei Samstage und jeden Sonntag frei“, sorgt nicht für die nötige Klarheit. Denn für die Beschäftigung an Sonntagen sieht § 11 Abs. 3 Satz 1 ArbZG einen Ersatzruhetag vor. Die Nennung des Samstags als möglichen Arbeitstag besagt nicht, dass eine Sechs-Tage-Woche vereinbart sei, sondern erlaubt lediglich eine flexible Verteilung der Wochenarbeitszeit.

15

4. Weil die für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebende Arbeitszeit durch Auslegung des § 1 Arbeitsvertrag ermittelt werden kann, kommt es auf die Existenz einer betriebsüblichen Arbeitszeit(vgl. BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12 - Rn. 21; 25. Februar 2015 - 5 AZR 481/13 - Rn. 25) nicht an. Zudem lässt sich dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen, dass sie - vom Kläger abgesehen - mit ihren Beschäftigten eine konkret bestimmte Dauer der Arbeitszeit vereinbart hätte. Allein durch einseitige Anordnung des Arbeitgebers kann eine betriebsübliche Arbeitszeit nicht rechtsverbindlich begründet werden.

16

II. Die Vergütung von Überstunden setzt - bei Fehlen einer anwendbaren tarifvertraglichen Regelung - entweder eine entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarung oder eine Vergütungspflicht nach § 612 Abs. 1 BGB voraus.

17

Arbeitsvertraglich haben die Parteien die Vergütung von Überstunden weder vereinbart noch ausgeschlossen. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kann deshalb nur § 612 Abs. 1 BGB sein. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Arbeitsleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. § 612 Abs. 1 BGB bildet nicht nur in den Fällen, in denen überhaupt keine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde, sondern auch dann die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf die Vergütung, wenn der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers quantitativ mehr arbeitet als von der Vergütungsabrede erfasst(vgl. BAG 18. Mai 2011 - 5 AZR 181/10 - Rn. 17 mwN). Die nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche - objektive - Vergütungserwartung(vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 20, BAGE 139, 44; 27. Juni 2012 - 5 AZR 530/11 - Rn. 19 mwN) ergibt sich jedenfalls daraus, dass im betreffenden Wirtschaftszweig die Vergütung von Überstunden - sogar mit einem Mehrarbeitszuschlag von 25 % - tariflich vorgesehen ist, § 13 Abs. 2 MTV für die Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. Juli 2009.

18

III. Die Vergütung von Überstunden setzt weiter voraus, dass der Arbeitnehmer solche tatsächlich geleistet hat und die Überstundenleistung vom Arbeitgeber veranlasst war oder ihm zuzurechnen ist (BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 14 mwN). Für beide Voraussetzungen - einschließlich der Anzahl geleisteter Überstunden - trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 25 ff., BAGE 141, 330 zur Leistung von Überstunden und BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 15 ff. zur arbeitgeberseitigen Veranlassung von Überstunden). Steht fest (§ 286 ZPO), dass Überstunden auf Veranlassung des Arbeitsgebers geleistet worden sind, kann aber der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für jede einzelne Überstunde nicht in jeder Hinsicht genügen, darf das Gericht den Umfang geleisteter Überstunden nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO schätzen (BAG 21. Mai 1980 - 5 AZR 194/78 - zu 4 a der Gründe).

19

1. Nach § 287 Abs. 1 ZPO entscheidet der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände nach seiner Überzeugung, ob ein Schaden entstanden und wie hoch er ist. Das Gesetz nimmt dabei in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt; allerdings soll die Schätzung möglichst nahe an diese heranführen (BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 49, BAGE 125, 147; 20. September 2006 - 10 AZR 439/05 - Rn. 37, BAGE 119, 294). Der Tatrichter muss nach pflichtgemäßem Ermessen auch beurteilen, ob nach § 287 Abs. 1 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist. Eine Schätzung darf nur dann unterbleiben, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 370/10 - Rn. 19, BAGE 143, 165; BGH 17. Dezember 2014 - VIII ZR 88/13 - Rn. 46 mwN zur st. Rspr. des BGH). Die für eine Schätzung unabdingbaren Anknüpfungstatsachen muss der Geschädigte im Regelfall darlegen und beweisen (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 370/10 - Rn. 20 mwN, aaO).

20

Nach § 287 Abs. 2 ZPO gelten die Vorschriften des § 287 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten entsprechend. Die Vorschrift erlaubt damit unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen auch die Schätzung des Umfangs von Erfüllungsansprüchen (BAG 21. Mai 1980 - 5 AZR 194/78 - zu 4 a der Gründe - zum Umfang einer Überstundenleistung; 11. März 1981 - 5 AZR 878/78 - zu III der Gründe - zur Höhe einer Lohnforderung; 17. Dezember 2014 - 5 AZR 663/13 - Rn. 29 - zur Höhe der üblichen Vergütung; BGH 17. Dezember 2014 - VIII ZR 88/13 - Rn. 45 f. - zur Schätzung bei einem Mieterhöhungsverlangen nach Modernisierungsmaßnahmen).

21

2. Nach diesen Grundsätzen kommt eine „Überstundenschätzung“ in Betracht, wenn aufgrund unstreitigen Parteivorbringens, eigenem Sachvortrag des Arbeitgebers oder dem vom Tatrichter nach § 286 Abs. 1 ZPO für wahr erachteten Sachvortrag des Arbeitnehmers feststeht, dass Überstunden geleistet wurden, weil die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewiesene Arbeit generell oder zumindest im Streitzeitraum nicht ohne die Leistung von Überstunden zu erbringen war. Kann in einem solchen Falle der Arbeitnehmer nicht jede einzelne Überstunde belegen (etwa weil zeitnahe Arbeitszeitaufschriebe fehlen, überhaupt der Arbeitgeber das zeitliche Maß der Arbeit nicht kontrolliert hat oder Zeugen nicht zur Verfügung stehen), kann und muss der Tatrichter nach pflichtgemäßen Ermessen das Mindestmaß geleisteter Überstunden schätzen, sofern dafür ausreichende Anknüpfungstatsachen vorliegen. Jedenfalls ist es nicht gerechtfertigt, dem aufgrund des vom Arbeitgeber zugewiesenen Umfangs der Arbeit im Grundsatz berechtigten Arbeitnehmer jede Überstundenvergütung zu versagen (vgl. BAG 21. Mai 1980 - 5 AZR 194/78 - zu 4 a der Gründe; BGH 17. Dezember 2014 - VIII ZR 88/13 - Rn. 46).

22

3. Die Voraussetzungen für die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Schätzung des Mindestumfangs geleisteter Überstunden sind im Streitfall erfüllt. Ob auch eine weitergehende Schätzung gerechtfertigt gewesen wäre, braucht der Senat mangels Revision des Klägers nicht zu entscheiden.

23

a) Dass der Kläger - bei Zugrundelegung einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden - im Streitzeitraum zur Erledigung der ihm von der Beklagten zugewiesenen Arbeiten Überstunden geleistet hat, ist unstreitig (§ 138 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte weicht lediglich in der Bewertung ab, wenn sie von der unzutreffenden Annahme ausgeht, als Arbeitszeit sei die Zeit geschuldet gewesen, die der Kläger für die Erledigung der ihm zugewiesenen Arbeiten benötigte. Auf die substantiierte Darlegung des Klägers von Beginn und Ende der Arbeit in den Monaten Juni 2011 bis März 2012 hat die Beklagte für keinen einzigen Arbeitstag und keine einzige Buslinie dargelegt, dass unter normalen Verhältnissen die zugewiesene Arbeit innerhalb von acht Stunden zu erledigen gewesen wäre. Sie hat zur Entkräftung des Sachvortrags des Klägers weder die teilweise noch bei ihr vorhandenen Tachoscheiben ausgewertet, noch sich auf Aufzeichnungen nach § 16 Abs. 2 ArbZG berufen. Schließlich hat sie schriftsätzlich vorgebracht, „bei überschlägiger Berechnung“ sei von einem zeitlichen Umfang der Arbeit von „rund 8,5 Stunden pro Arbeitstag“ zuzüglich zehn Minuten Rüstzeit auszugehen. Dabei hat die Beklagte schon alle Wartezeiten herausgerechnet und als Pausen gewertet, ohne darzulegen, dass der Kläger dabei frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen konnte und sich nicht etwa im oder am Bus zur Arbeit bereithalten musste (zum Rechtsbegriff der Pause BAG 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 - Rn. 21 mwN).

24

b) Ob das Tatsachengericht das Mindestmaß geleisteter Überstunden „richtig“ geschätzt hat, unterliegt nur der eingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht auf Ermessensüberschreitung (BAG 21. Mai 1980 - 5 AZR 194/78 - zu 4 b der Gründe) dahingehend, ob der Tatrichter wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige oder unbewiesene Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt hat (vgl. BAG 26. September 2012 - 10 AZR 370/10 - Rn. 25 mwN, BAGE 143, 165) und damit die Schätzung mangels konkreter Anhaltspunkte völlig „in der Luft“ hängt, also willkürlich ist (vgl. BGH 17. Dezember 2014 - VIII ZR 88/13 - Rn. 46 mwN).

25

c) Diesem Überprüfungsmaßstab hält die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Schätzung stand. Die Revision zeigt keine Umstände auf, die die Schätzung des Mindestmaßes von geleisteten Überstunden auf eine halbe Stunde je Arbeitstag als - zu Lasten der Beklagten - willkürlich gegriffen erscheinen ließe. Das Landesarbeitsgericht orientiert sich an der eigenen Schätzung der Beklagten. Daran wollte diese zwar in der Berufungsverhandlung „nicht weiter festhalten“. Aus welchen Gründen ihre Schätzung fehlerhaft sein sollte, hat die Beklagte dem Landesarbeitsgericht allerdings nicht erläutert. Ohne revisiblen Rechtsfehler durfte deshalb das Landesarbeitsgericht an die Schätzung der Beklagten anknüpfen.

26

4. Gegen die Anzahl der nach Feststellung des Landesarbeitsgerichts im Streitzeitraum vom Kläger geleisteten 216 Arbeitstage und den vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegten, vom Monatsentgelt „heruntergerechneten“ Bruttostundenlohn iHv. 10,22 Euro hat die Revision Angriffe nicht erhoben.

27

IV. Verzugszinsen stehen dem Kläger in dem vom Landesarbeitsgericht ausgeurteilten Umfang nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.

28

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Buschmann    

        

    Feldmeier    

                 

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 18. April 2013 - 8 Sa 1649/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Vergütung von Überstunden.

2

Die Beklagte betreibt ein Unternehmen des privaten Omnibusgewerbes. Der 1956 geborene Kläger absolvierte nach vorangegangener Arbeitslosigkeit bei ihr im April 2011 eine Maßnahme zur beruflichen Eingliederung und war anschließend vom 1. Mai 2011 bis zum 31. März 2012 als Busfahrer im Linienverkehr gegen ein Bruttomonatsgehalt von 1.800,00 Euro beschäftigt.

3

Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der Arbeitsvertrag vom 29. April 2011, in dem es ua. heißt:

        

㤠1

        

Inhalt, Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses

        

Der AN wird ab 01.05.2011 bis 01.05.2012 im Rahmen eines gewerblichen befristeten Arbeitsverhältnisses als Busfahrer in Vollzeit beschäftigt.

        

…       

        

§ 3

        

Arbeitsentgelt

        

Der Arbeitnehmer erhält monatlich 1.800,00 EURO brutto zzgl. 6,00 EURO (>8 Std.) bzw. 12,00 EURO (>14 Std.) Spesen pro Arbeitstag. Auf das Gehalt wird am 1. eines jeden Monats ein Abschlag gezahlt in Höhe von 600,00 EURO netto und das Restgehalt wird zum 15. eines Monats ausgezahlt. Zu diesem Termin werden auch die Spesen abgerechnet.

                 
        

§ 4

        

Arbeitszeit

        

Die Arbeitszeit ist dem Arbeitnehmer bekannt. Er hat im Monat 2 Samstage und jeden Sonntag frei. Dies kann durch die Geschäftsleitung, kurzfristig geändert werden, z.B. Samstag und Sonntag arbeiten, dafür freie Tage in der Woche. Der Arbeitnehmer kann auch zu anderen Arbeiten herangezogen werden z.B. Werkstatthilfe, Bürohilfe, Hausmeister, Gartenpflege etc..

        

…       

        

§ 8

        

Aufgaben des Arbeitnehmers / Betrieblicher Ablauf

        

…       

        

7.    

Vor Antritt einer jeden Fahrt ist eine Abfahrtskontrolle am Fahrzeug durchzuführen. Falls Fahrzeuge Mängel aufweisen, so ist ein Mängelzettel auszufüllen und dieser ist am Diagrammscheibenbrett auszuhängen. Bei schwerwiegenden Mängeln ist zusätzlich entweder das Büro oder die Werkstatt zu informieren.

        

8.    

Die Bus-Karteikarten müssen von jedem Fahrer ausgefüllt werden. Hierbei handelt es sich um eine Kartei, die belegt, dass eine Abfahrtskontrolle durchgeführt wurde und evtl. Mängel und Schäden am zu führenden Fahrzeug gemeldet wurden. Diese Karteikarte ist von jedem Fahrer vor Dienstantritt auszufüllen! Die Karteikarte stellt einen wichtigen Beitrag zum reibungslosen sowie sicheren Betriebsablauf dar. Die zweite Karteikarte dient als Nachweis der gefahrenen km und des getankten Treibstoffes.

        

…       

        
        

10.     

Die eingesetzten Busse sind nach jedem Dienst zu betanken, zu waschen, der Fahrgastinnenraum ist besenrein zu hinterlassen. Bei Zuwiderhandlungen müssen Sie mit Lohnkürzung (15,- € pro Vergehen) rechnen.(…)“

4

Der Kläger wurde auf 14 verschiedenen Bustouren im Linienverkehr eingesetzt, deren Beginn und Ende sich einschließlich der Wartezeiten wie folgt darstellen: Tour BRS 1 von 5:50 bis 16:19 Uhr, Tour BRS 2 von 6:54 bis 19:19 Uhr, Tour BRS 3 von 6:40 bis 17:01 Uhr, Tour BRS 4 von 6:35 bis 18:33 Uhr, Tour BRS 1 Ferien von 4:20 bis 15:15 Uhr, Tour BRS 2 Ferien von 15:15 bis 21:00 Uhr, Tour BRS 3 Ferien von 5:45 bis 19:09 Uhr, Tour BRS 4 Ferien von 6:20 bis 15:09 Uhr, Tour BRS 5 Ferien von 9:00 bis 19:59 Uhr, Tour BRS 1 samstags von 8:03 bis 20:09 Uhr, Tour BRS 2 samstags von 6:49 bis 15:28 Uhr, Tour BRS 3 samstags von 10:00 bis 19:45 Uhr, Tour BRS 4 samstags von 7:00 bis 16:24 Uhr und Tour BRS 5 samstags von 16:25 bis 0:38 Uhr. Ferner musste der Kläger vor Antritt und nach Beendigung der Fahrten die arbeitsvertraglich festgehaltenen Kontrollmaßnahmen und Reinigungstätigkeiten ausführen, deren Dauer zwischen den Parteien streitig geblieben ist. Gleiches gilt für die Fahrten vom Betrieb zur ersten Haltestellte und von der letzten Haltestelle zum Betrieb.

5

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger mit der am 15. Mai 2012 eingereichten Klage für den Beschäftigungszeitraum, ausgehend von einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden, die Vergütung von 649,65 Überstunden verlangt. Er hat dazu für jeden Arbeitstag des Zeitraums Juni 2011 bis März 2012 unter Angabe des benutzten Fahrzeugs und der gefahrenen Linie Anfang und Ende der Arbeit dargelegt und bei seiner Berechnung arbeitstäglich eine Stunde Pause berücksichtigt. Darüber hinausgehende Wartezeiten seien keine Pausen im Rechtssinne gewesen. Für jede Überstunde hat der Kläger einen mit dem Divisor 176 von dem vereinbarten Monatsentgelt heruntergerechneten Bruttostundenlohn von 10,22 Euro angesetzt.

6

Der Kläger hat in den Vorinstanzen beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.644,14 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. April 2012 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, Überstunden könnten nicht angefallen sein, weil der Kläger als Arbeitszeit die Zeit geschuldet habe, die er für die Erledigung der ihm zugewiesenen Arbeiten benötigte. Dies sei dem Kläger aufgrund der dem Arbeitsverhältnis vorangegangenen Fördermaßnahme bekannt gewesen. Im Übrigen seien bei einer überschlägigen Berechnung im Durchschnitt allenfalls rund 8,5 Stunden pro Arbeitstag angefallen. Hinzu komme eine Rüstzeit von zehn Minuten arbeitstäglich. Die im Linienverkehr anfallenden Wartezeiten seien sämtlich als Pausen zu werten.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage teilweise stattgegeben und dem Kläger unter Anwendung von § 287 ZPO für 108 geleistete Überstunden 1.103,76 Euro brutto nebst Zinsen zugesprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Sie rügt, das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht von einer Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden ausgegangen und die vorgenommene Schätzung von § 287 Abs. 2 ZPO „nicht gedeckt“. Der Kläger, der die Klageabweisung im Übrigen hat rechtskräftig werden lassen, beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand. Die Klage ist in dem noch in der Revisionsinstanz anhängigen Umfang begründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger für 108 im Zeitraum Juni 2011 bis März 2012 geleistete Überstunden weitere Vergütung in Höhe von 1.103,76 Euro brutto nebst Zinsen, § 612 Abs. 1 BGB.

10

I. Die Vergütung von Überstunden ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil solche im Arbeitsverhältnis der Parteien nicht hätten anfallen können. Der Kläger musste für die vereinbarte Vergütung nicht solange arbeiten, wie er zur Erledigung der zugewiesenen Arbeiten brauchte. Vielmehr haben die Parteien eine regelmäßige Arbeitszeit von 40 Wochenstunden vereinbart. Das ergibt die Auslegung der §§ 1, 4 Arbeitsvertrag.

11

1. Die Bestimmungen des Arbeitsvertrags zu Tätigkeit und Arbeitszeit sind wie Allgemeine Geschäftsbedingungen anhand von § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen. Die Beklagte hat schon nach dem äußeren Erscheinungsbild den Arbeitsvertrag vom 29. April 2011 vorformuliert, dem Kläger unstreitig in dieser Form angeboten und damit im Rechtssinne gestellt. Ob es sich dabei um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung handelte (§ 305 Abs. 1 BGB), bedarf keiner weiteren Aufklärung, denn der Arbeitsvertrag ist ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB(vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 20 ff.; 27. Juni 2012 - 5 AZR 530/11 - Rn. 14). Auf die vorformulierten Regelungen konnte der Kläger nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keinen Einfluss nehmen.

12

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei unterliegt die Auslegung der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (st. Rspr., vgl. zB BAG 13. Februar 2013 - 5 AZR 2/12 - Rn. 15 mwN).

13

2. Nach diesen Grundsätzen ist § 4 Satz 1 Arbeitsvertrag, wonach dem Arbeitnehmer die Arbeitszeit bekannt sei, keine Vereinbarung, sondern setzt eine solche voraus. Dieser Hinweis auf den Kenntnisstand des Arbeitnehmers kann wahr oder unwahr sein, aber nicht - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - unwirksam. Dass und in welcher Weise die Parteien durch übereinstimmende Willenserklärung eine bestimmte Dauer der Arbeitszeit vereinbart hätten, hat die Beklagte nicht dargelegt. Ihr Vorbringen, dem Kläger sei durch die vorherige, knapp einmonatige Tätigkeit im Rahmen einer Fördermaßnahme der Arbeitsverwaltung die Dauer der Arbeitszeit bekannt gewesen, lässt nicht erkennen, dass die Parteien sich über die Modalitäten der Arbeitszeit ausdrücklich rechtsgeschäftlich geeinigt hätten.

14

3. Die für das Arbeitsverhältnis gelten sollende Arbeitszeit, die den für die vereinbarte Vergütung geschuldeten zeitlichen Umfang der iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Dienste“ bestimmt, ist deshalb durch Auslegung zu ermitteln. Anknüpfungspunkt hierfür ist § 1 Arbeitsvertrag, in dem es heißt, der Kläger werde als Busfahrer „in Vollzeit“ beschäftigt. Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf „in Vollzeit“ so verstehen, dass die regelmäßige Dauer der Arbeitszeit - unter Zugrundelegung einer Fünf-Tage-Woche und der in § 3 Satz 1 ArbZG vorgesehenen acht Stunden arbeitstäglich - 40 Wochenstunden nicht übersteigt. Soll hingegen mit der Formulierung „in Vollzeit“ die nach geltendem Recht zulässige Höchstgrenze der Arbeitszeit ganz oder teilweise ausgeschöpft werden, müsste dies durch eine konkrete Stundenangabe oder zumindest eine hinreichend bestimmte Bezugnahme auf den arbeitsschutzrechtlich eröffneten Arbeitszeitrahmen klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Allein der Hinweis in § 4 Satz 2 Arbeitsvertrag, der Kläger habe „im Monat zwei Samstage und jeden Sonntag frei“, sorgt nicht für die nötige Klarheit. Denn für die Beschäftigung an Sonntagen sieht § 11 Abs. 3 Satz 1 ArbZG einen Ersatzruhetag vor. Die Nennung des Samstags als möglichen Arbeitstag besagt nicht, dass eine Sechs-Tage-Woche vereinbart sei, sondern erlaubt lediglich eine flexible Verteilung der Wochenarbeitszeit.

15

4. Weil die für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebende Arbeitszeit durch Auslegung des § 1 Arbeitsvertrag ermittelt werden kann, kommt es auf die Existenz einer betriebsüblichen Arbeitszeit(vgl. BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12 - Rn. 21; 25. Februar 2015 - 5 AZR 481/13 - Rn. 25) nicht an. Zudem lässt sich dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen, dass sie - vom Kläger abgesehen - mit ihren Beschäftigten eine konkret bestimmte Dauer der Arbeitszeit vereinbart hätte. Allein durch einseitige Anordnung des Arbeitgebers kann eine betriebsübliche Arbeitszeit nicht rechtsverbindlich begründet werden.

16

II. Die Vergütung von Überstunden setzt - bei Fehlen einer anwendbaren tarifvertraglichen Regelung - entweder eine entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarung oder eine Vergütungspflicht nach § 612 Abs. 1 BGB voraus.

17

Arbeitsvertraglich haben die Parteien die Vergütung von Überstunden weder vereinbart noch ausgeschlossen. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kann deshalb nur § 612 Abs. 1 BGB sein. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Arbeitsleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. § 612 Abs. 1 BGB bildet nicht nur in den Fällen, in denen überhaupt keine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde, sondern auch dann die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf die Vergütung, wenn der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers quantitativ mehr arbeitet als von der Vergütungsabrede erfasst(vgl. BAG 18. Mai 2011 - 5 AZR 181/10 - Rn. 17 mwN). Die nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche - objektive - Vergütungserwartung(vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 20, BAGE 139, 44; 27. Juni 2012 - 5 AZR 530/11 - Rn. 19 mwN) ergibt sich jedenfalls daraus, dass im betreffenden Wirtschaftszweig die Vergütung von Überstunden - sogar mit einem Mehrarbeitszuschlag von 25 % - tariflich vorgesehen ist, § 13 Abs. 2 MTV für die Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. Juli 2009.

18

III. Die Vergütung von Überstunden setzt weiter voraus, dass der Arbeitnehmer solche tatsächlich geleistet hat und die Überstundenleistung vom Arbeitgeber veranlasst war oder ihm zuzurechnen ist (BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 14 mwN). Für beide Voraussetzungen - einschließlich der Anzahl geleisteter Überstunden - trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 25 ff., BAGE 141, 330 zur Leistung von Überstunden und BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 15 ff. zur arbeitgeberseitigen Veranlassung von Überstunden). Steht fest (§ 286 ZPO), dass Überstunden auf Veranlassung des Arbeitsgebers geleistet worden sind, kann aber der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für jede einzelne Überstunde nicht in jeder Hinsicht genügen, darf das Gericht den Umfang geleisteter Überstunden nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO schätzen (BAG 21. Mai 1980 - 5 AZR 194/78 - zu 4 a der Gründe).

19

1. Nach § 287 Abs. 1 ZPO entscheidet der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände nach seiner Überzeugung, ob ein Schaden entstanden und wie hoch er ist. Das Gesetz nimmt dabei in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt; allerdings soll die Schätzung möglichst nahe an diese heranführen (BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 49, BAGE 125, 147; 20. September 2006 - 10 AZR 439/05 - Rn. 37, BAGE 119, 294). Der Tatrichter muss nach pflichtgemäßem Ermessen auch beurteilen, ob nach § 287 Abs. 1 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist. Eine Schätzung darf nur dann unterbleiben, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 370/10 - Rn. 19, BAGE 143, 165; BGH 17. Dezember 2014 - VIII ZR 88/13 - Rn. 46 mwN zur st. Rspr. des BGH). Die für eine Schätzung unabdingbaren Anknüpfungstatsachen muss der Geschädigte im Regelfall darlegen und beweisen (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 370/10 - Rn. 20 mwN, aaO).

20

Nach § 287 Abs. 2 ZPO gelten die Vorschriften des § 287 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten entsprechend. Die Vorschrift erlaubt damit unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen auch die Schätzung des Umfangs von Erfüllungsansprüchen (BAG 21. Mai 1980 - 5 AZR 194/78 - zu 4 a der Gründe - zum Umfang einer Überstundenleistung; 11. März 1981 - 5 AZR 878/78 - zu III der Gründe - zur Höhe einer Lohnforderung; 17. Dezember 2014 - 5 AZR 663/13 - Rn. 29 - zur Höhe der üblichen Vergütung; BGH 17. Dezember 2014 - VIII ZR 88/13 - Rn. 45 f. - zur Schätzung bei einem Mieterhöhungsverlangen nach Modernisierungsmaßnahmen).

21

2. Nach diesen Grundsätzen kommt eine „Überstundenschätzung“ in Betracht, wenn aufgrund unstreitigen Parteivorbringens, eigenem Sachvortrag des Arbeitgebers oder dem vom Tatrichter nach § 286 Abs. 1 ZPO für wahr erachteten Sachvortrag des Arbeitnehmers feststeht, dass Überstunden geleistet wurden, weil die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewiesene Arbeit generell oder zumindest im Streitzeitraum nicht ohne die Leistung von Überstunden zu erbringen war. Kann in einem solchen Falle der Arbeitnehmer nicht jede einzelne Überstunde belegen (etwa weil zeitnahe Arbeitszeitaufschriebe fehlen, überhaupt der Arbeitgeber das zeitliche Maß der Arbeit nicht kontrolliert hat oder Zeugen nicht zur Verfügung stehen), kann und muss der Tatrichter nach pflichtgemäßen Ermessen das Mindestmaß geleisteter Überstunden schätzen, sofern dafür ausreichende Anknüpfungstatsachen vorliegen. Jedenfalls ist es nicht gerechtfertigt, dem aufgrund des vom Arbeitgeber zugewiesenen Umfangs der Arbeit im Grundsatz berechtigten Arbeitnehmer jede Überstundenvergütung zu versagen (vgl. BAG 21. Mai 1980 - 5 AZR 194/78 - zu 4 a der Gründe; BGH 17. Dezember 2014 - VIII ZR 88/13 - Rn. 46).

22

3. Die Voraussetzungen für die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Schätzung des Mindestumfangs geleisteter Überstunden sind im Streitfall erfüllt. Ob auch eine weitergehende Schätzung gerechtfertigt gewesen wäre, braucht der Senat mangels Revision des Klägers nicht zu entscheiden.

23

a) Dass der Kläger - bei Zugrundelegung einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden - im Streitzeitraum zur Erledigung der ihm von der Beklagten zugewiesenen Arbeiten Überstunden geleistet hat, ist unstreitig (§ 138 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte weicht lediglich in der Bewertung ab, wenn sie von der unzutreffenden Annahme ausgeht, als Arbeitszeit sei die Zeit geschuldet gewesen, die der Kläger für die Erledigung der ihm zugewiesenen Arbeiten benötigte. Auf die substantiierte Darlegung des Klägers von Beginn und Ende der Arbeit in den Monaten Juni 2011 bis März 2012 hat die Beklagte für keinen einzigen Arbeitstag und keine einzige Buslinie dargelegt, dass unter normalen Verhältnissen die zugewiesene Arbeit innerhalb von acht Stunden zu erledigen gewesen wäre. Sie hat zur Entkräftung des Sachvortrags des Klägers weder die teilweise noch bei ihr vorhandenen Tachoscheiben ausgewertet, noch sich auf Aufzeichnungen nach § 16 Abs. 2 ArbZG berufen. Schließlich hat sie schriftsätzlich vorgebracht, „bei überschlägiger Berechnung“ sei von einem zeitlichen Umfang der Arbeit von „rund 8,5 Stunden pro Arbeitstag“ zuzüglich zehn Minuten Rüstzeit auszugehen. Dabei hat die Beklagte schon alle Wartezeiten herausgerechnet und als Pausen gewertet, ohne darzulegen, dass der Kläger dabei frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen konnte und sich nicht etwa im oder am Bus zur Arbeit bereithalten musste (zum Rechtsbegriff der Pause BAG 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 - Rn. 21 mwN).

24

b) Ob das Tatsachengericht das Mindestmaß geleisteter Überstunden „richtig“ geschätzt hat, unterliegt nur der eingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht auf Ermessensüberschreitung (BAG 21. Mai 1980 - 5 AZR 194/78 - zu 4 b der Gründe) dahingehend, ob der Tatrichter wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige oder unbewiesene Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt hat (vgl. BAG 26. September 2012 - 10 AZR 370/10 - Rn. 25 mwN, BAGE 143, 165) und damit die Schätzung mangels konkreter Anhaltspunkte völlig „in der Luft“ hängt, also willkürlich ist (vgl. BGH 17. Dezember 2014 - VIII ZR 88/13 - Rn. 46 mwN).

25

c) Diesem Überprüfungsmaßstab hält die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Schätzung stand. Die Revision zeigt keine Umstände auf, die die Schätzung des Mindestmaßes von geleisteten Überstunden auf eine halbe Stunde je Arbeitstag als - zu Lasten der Beklagten - willkürlich gegriffen erscheinen ließe. Das Landesarbeitsgericht orientiert sich an der eigenen Schätzung der Beklagten. Daran wollte diese zwar in der Berufungsverhandlung „nicht weiter festhalten“. Aus welchen Gründen ihre Schätzung fehlerhaft sein sollte, hat die Beklagte dem Landesarbeitsgericht allerdings nicht erläutert. Ohne revisiblen Rechtsfehler durfte deshalb das Landesarbeitsgericht an die Schätzung der Beklagten anknüpfen.

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4. Gegen die Anzahl der nach Feststellung des Landesarbeitsgerichts im Streitzeitraum vom Kläger geleisteten 216 Arbeitstage und den vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegten, vom Monatsentgelt „heruntergerechneten“ Bruttostundenlohn iHv. 10,22 Euro hat die Revision Angriffe nicht erhoben.

27

IV. Verzugszinsen stehen dem Kläger in dem vom Landesarbeitsgericht ausgeurteilten Umfang nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.

28

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Buschmann    

        

    Feldmeier    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 12. Dezember 2016 - 8 Sa 43/15 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. Juni 2015 - 9 Ca 600/14 - wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Zahlung eines weiteren halben Bruttogehalts in rechnerisch unumstrittener Höhe von 784,00 Euro als Sonderzahlung für das Jahr 2014.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten zunächst aufgrund des „Befristeten Anstellungsvertrags“ vom 1. Juli 1999 (im Folgenden Arbeitsvertrag) als Mitarbeiterin im Bereich Datenerfassung tätig. Im mit „Entgelt“ überschriebenen § 3 Arbeitsvertrag heißt es:

        

„Das Bruttogehalt für 30 Std./Woche - zahlbar am 1. des folgenden Monats - beträgt DM 1.800,00 zuzüglich einer Leistungszulage in der Datenerfassung und evt. anfallender Prämie. Zusätzlich zum Grundgehalt wird - nach Ablauf der Probezeit - als freiwillige Leistung eine Weihnachtsgratifikation gezahlt, deren Höhe jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekanntgegeben wird und deren Höhe derzeit ein halbes Monatsgehalt nicht übersteigt. Sofern das Arbeitsverhältnis vor dem 1. April eines Jahres begonnen hat, soll auf die vorstehende Gratifikation im Juni dieses Jahres ein Vorschuß in Höhe von bis zu einem halben Monatsgehalt gezahlt werden. Sofern zwischen Beginn des Arbeitsverhältnisses und dem 30. November eines Jahres weniger als 11 Monate liegen, beträgt die Gratifikation 1/12 für jeden Monat des Arbeitsverhältnisses.

        

Endet das Arbeitsverhältnis bis zum 31.03. des Folgejahres, ist das Unternehmen berechtigt, die geleistete Gratifikation von der letzten Gehaltszahlung im Rahmen der Pfändbarkeit einzubehalten. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den dann noch offenen Restbetrag an die Gesellschaft zurückzuzahlen.“

3

In dem am 29. Juni/1. Juli 2000 vereinbarten „Nachtrag I zum Anstellungsvertrag vom 01.07.1999“ (im Folgenden Nachtrag I) ist ua. Folgendes geregelt:

        

„zu § 3

        

Das Bruttogehalt für 40 Std./Woche - zahlbar am 1. des folgenden Monats - beträgt DM 2.600,00.

        

Zusätzlich zum Grundgehalt wird als freiwillige Leistung (auch mehrmalige Zahlungen begründen keinen Rechtsanspruch) eine Weihnachtsgratifikation gezahlt, deren Höhe jeweils jährlich durch die Arbeitgeberin bekanntgegeben wird und deren Höhe derzeit ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt.

        

Im übrigen verbleibt es bei den Bestimmungen des Anstellungsvertrages vom 01.07.1999.“

4

Am 17. Januar 2014 vereinbarten die Parteien im „Nachtrag II zum Anstellungsvertrag vom 01.07.1999“ (im Folgenden Nachtrag II) „zu § 3“ eine Erhöhung des monatlichen Grundgehalts ab Januar 2014. Über der Unterschriftszeile befindet sich der Text:

        

„Im übrigen verbleibt es bei den Bestimmungen des Anstellungsvertrages vom 01.07.1999 und dem Nachtrag I.“

5

Bis einschließlich des Jahres 2013 leistete die Beklagte an die Klägerin in jedem Kalenderjahr eine Sonderzahlung in Höhe eines ganzen Bruttogehalts. Eine Hälfte wurde als Vorschuss mit der Vergütung für Mai und die andere Hälfte mit der Vergütung für November abgerechnet und gezahlt. Außerhalb der Verdienstabrechnungen erfolgten seitens der Beklagten keine Mitteilungen über die Weihnachtsgratifikation.

6

In der Verdienstabrechnung der Klägerin für Mai 2014 war neben dem Monatsgehalt ein als „Abschl. J-gratifikat.“ bezeichneter Betrag in Höhe eines halben Bruttogehalts ausgewiesen, der nach Abzug der Steuern und Beiträge netto an die Klägerin ausgezahlt wurde.

7

Nachdem die Beklagte im August 2014 bei einem geschätzten Aufwand von 320.000,00 bis 350.000,00 Euro für die „zweite Hälfte“ der Weihnachtsgratifikation ein negatives Betriebsergebnis vor Steuern prognostiziert hatte, entschied sie im September 2014, keine weitere Gratifikation an die Belegschaft zu zahlen. Im Oktober 2014 unterrichtete sie die Klägerin schriftlich darüber, dass „aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage …[der Beklagten] die Zahlung des zweiten Teils der Jahresendgratifikation mit der Novemberabrechnung 2014 nicht erfolgen“ könne.

8

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die arbeitsvertragliche Gratifikationsregelung sei intransparent und daher so auszulegen, dass jährlich mindestens ein Monatsgehalt als Weihnachtsgratifikation gezahlt werden müsse. Die Beklagte habe überdies bereits durch die Abrechnung und Zahlung des Abschlags im Mai 2014 zum Ausdruck gebracht, dass eine zweite Zahlung in gleicher Höhe folgen werde. Der Anspruch bestehe aufgrund der langjährigen vorbehaltlosen Zahlungspraxis der Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Übung.

9

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 784,00 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszins der EZB seit dem 1. Dezember 2014 zu zahlen.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, § 3 Arbeitsvertrag idF des Nachtrags I räume ihr in Bezug auf die endgültige Anspruchshöhe ein Leistungsbestimmungsrecht ein, das sie im September 2014 aufgrund des damals prognostizierten Betriebsergebnisses nach billigem Ermessen ausgeübt habe. Das Geschäftsergebnis sei seit Jahren rückläufig gewesen und es habe im Jahre 2014 erstmals ein Abrutschen in die Verlustzone gedroht. Dies habe allein dadurch verhindert werden können, dass sie beschlossen habe, die zweite Hälfte der Weihnachtsgratifikation nicht auszuzahlen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Klägerin könne von der Beklagten die Zahlung weiterer 784,00 Euro als Weihnachtsgratifikation für das Kalenderjahr 2014 verlangen. Die Klage ist unbegründet. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückweisung der Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts (§ 563 Abs. 3 ZPO).

13

I. Die Klägerin hat keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf den eingeklagten Betrag.

14

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe gegenüber der Klägerin bereits durch die Abrechnung im Mai 2014 und die vorbehaltlose Zahlung eines halben Bruttogehalts bekannt gegeben, dass sie im November ebenso wie in den Vorjahren ein weiteres halbes Bruttogehalt als Weihnachtsgratifikation zahlen werde. Diese Auffassung beruht auf einer fehlerhaften Auslegung der Regelungen in § 3 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Arbeitsvertrag iVm. den diesbezüglich vereinbarten Nachträgen I und II.

15

a) Bei den Bestimmungen in § 3 Arbeitsvertrag handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB. Hierfür spricht bereits das formalisierte Erscheinungsbild des Vertragstextes. Überdies haben die Parteien übereinstimmend vorgetragen, dass über die Wirksamkeit der Klausel an diversen Standorten der Beklagten eine Vielzahl von Rechtsstreiten geführt wurden und werden.

16

b) Die Regelungen zur Gestaltung der Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes sind nach der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB anzuwenden, obwohl der Arbeitsvertrag bereits im Jahr 1999 geschlossen wurde(vgl. zuletzt BAG 21. Februar 2017 - 3 AZR 297/15 - Rn. 18).

17

c) Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 19. März 2014 - 10 AZR 622/13 - Rn. 29 mwN, BAGE 147, 322).

18

d) Danach hat die Klägerin gemäß § 3 Arbeitsvertrag iVm. der „zu § 3“ in Absatz 2 getroffenen Regelung im Nachtrag I Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation, auf die im Juni ein Vorschuss zu leisten ist. Die Höhe der Weihnachtsgratifikation und des Vorschusses bestimmt die Beklagte nach billigem Ermessen (§ 315 BGB).

19

aa) Mit der Formulierung „Zusätzlich zum Grundgehalt wird … eine Weihnachtsgratifikation gezahlt“, wie sie in § 3 Abs. 1 Satz 2 Arbeitsvertrag idF des Nachtrags I verwendet wird, begründet der Arbeitgeber typischerweise einen Entgeltanspruch des Arbeitnehmers. Die Bezeichnung der Gratifikation als „freiwillige Leistung“ schließt wovon auch die Beklagte ausgeht - den Rechtsanspruch auf die Leistung ebenso wenig aus wie die Formulierung „derzeit“ (vgl. BAG 13. Mai 2015 - 10 AZR 266/14 - Rn. 22 mwN).

20

bb) Aus der Bezeichnung als „Weihnachtsgratifikation“ in § 3 Abs. 1 Satz 2 Arbeitsvertrag idF des Nachtrags I folgt, dass sie zum Ende des laufenden Kalenderjahres fällig wird. Dass sie nicht vor dem 30. November zu zahlen ist, ergibt sich aus der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 4 Arbeitsvertrag, wonach die Gratifikation 1/12 für jeden Monat des Arbeitsverhältnisses beträgt, „sofern zwischen Beginn des Arbeitsverhältnisses und dem 30. November eines Jahres weniger als 11 Monate liegen.“

21

cc) Zur Höhe der Weihnachtsgratifikation bestimmt § 3 Abs. 1 Satz 2 Arbeitsvertrag idF des Nachtrags I, dass diese „jeweils jährlich durch die Arbeitgeberin bekanntgegeben wird und … derzeit einvolles Monatsgehalt nicht übersteigt.“ Da nur der „derzeit“, dh. zur Zeit des Vertragsschlusses, ausgekehrte Betrag angegeben ist, der „ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt“, lässt die Regelung erkennbar offen, ob die Gratifikation diese Höhe auch zukünftig erreichen, höher sein oder darunterbleiben wird. Damit kann die Beklagte die Höhe der Weihnachtsgratifikation einseitig nach billigem Ermessen festsetzen (§ 315 BGB).

22

dd) Nach der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsvertrag hat die Klägerin im Juni eines jeden Kalenderjahres Anspruch auf einen Vorschuss auf die Weihnachtsgratifikation von bis zu einem halben Monatsgehalt. Unter einem Vorschuss ist eine Vorauszahlung auf nicht verdienten Lohn zu verstehen. Der Vorschussnehmer erhält Geld für eine Forderung, die entweder noch nicht oder nur aufschiebend bedingt entstanden oder zwar entstanden, aber noch nicht fällig ist (BAG 21. Januar 2015 - 10 AZR 84/14 - Rn. 21, BAGE 150, 286). Die Höhe des Vorschusses, die § 3 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsvertrag auf maximal ein halbes Monatsgehalt begrenzt, kann die Beklagte einseitig nach billigem Ermessen festsetzen(§ 315 BGB).

23

2. Dass die vertragliche Regelung der Beklagten sowohl in Bezug auf den Vorschuss als auch auf die endgültige Höhe der Weihnachtsgratifikation ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSv. § 315 BGB einräumt, ist grundsätzlich zulässig. Höhe und Art einer Sonderzahlung müssen nicht abschließend im Arbeitsvertrag festgelegt werden. Ob die vom Arbeitgeber vorgenommene Leistungsbestimmung billigem Ermessen entspricht, unterliegt dabei der vollen gerichtlichen Kontrolle (BAG 19. März 2014 - 10 AZR 622/13 - Rn. 42 mwN, BAGE 147, 322).

24

3. Die Bezeichnung des in der Vergütungsabrechnung für Mai 2014 als „Abschl. J-gratifikat.“ ausgewiesenen Vorschusses rechtfertigt nicht die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach die Beklagte ihr Leistungsbestimmungsrecht in Bezug auf die Weihnachtsgratifikation bereits im Mai 2014 mit dem Inhalt ausgeübt habe, dass diese insgesamt ein Monatsgehalt betragen sollte. Mehr als die - konkludente - Erklärung der Beklagten, im Kalenderjahr 2014 jedenfalls ein halbes Gehalt als Weihnachtsgratifikation auszahlen zu wollen, lässt sich der Vergütungsabrechnung für Mai 2014 nicht entnehmen.

25

a) Lohnabrechnungen geben nur die Höhe der aktuellen Vergütung wieder. Sie dokumentieren den konkret abgerechneten Lohn, bestimmen aber nicht den Anspruch (vgl. BAG 19. Oktober 2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 19 zur Bezeichnung einer Vergütung als „Tariflohn“).

26

b) Überdies können „Abschläge“ zwar als Geldzahlungen auf den bereits verdienten, aber noch nicht abgerechneten Lohn verstanden werden (BAG 8. Dezember 1998 - 9 AZR 623/97 - zu I 4 d der Gründe). Sie sind jedoch dadurch gekennzeichnet, dass sie nur vorläufig bis zu einer im Wege der Abrechnung festzustellenden endgültigen Vergütung zu leisten sind, und bilden insoweit lediglich (unselbstständige) Rechnungsposten der abzurechnenden Gesamtleistung, ohne dass sie auf einzelne Teilleistungen bezogen werden können. Dabei kommt ein Anspruch auf Rückzahlung in Betracht, wenn die geleisteten Abschlagszahlungen nach dem Ergebnis der vereinbarten Endabrechnung einen entsprechenden Überschuss an Abschlagsbeträgen ergeben (BGH 23. Mai 2012 - VIII ZR 210/11 - Rn. 10 mwN). Dies zeigt, dass auch einer Abschlagszahlung - ebenso wenig wie einem Vorschuss - nicht zwingend noch eine weitere Zahlung folgen muss.

27

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (§ 562 Abs. 1 ZPO).

28

1. Dem vertraglich vereinbarten Recht der Beklagten zur Leistungsbestimmung steht nicht entgegen, dass die Beklagte in der Vergangenheit stets eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Monatsgehalts gezahlt hat. Allein die gleichbleibende Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts über einen längeren Zeitraum führt - anders als die Revision meint - nicht zu einer Konkretisierung mit der Folge, dass jede andere Ausübung des Ermessens nicht mehr der Billigkeit entspräche (ebenso zum Direktionsrecht BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 26 mwN). Andere Umstände hat die Klägerin nicht benannt.

29

2. Eine den Vertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen.

30

a) Der Umstand, dass die Beklagte die Zahlungen in der Vergangenheit vorbehaltlos erbracht hat, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Soweit der Senat erkannt hat, der Arbeitnehmer könne aus der mehrmaligen vorbehaltlosen Auszahlung einer Gratifikation auf ein verbindliches Angebot des Arbeitgebers iSv. § 145 BGB schließen, in jedem Kalenderjahr eine Sonderzahlung zu leisten(BAG 13. Mai 2015 - 10 AZR 266/14 - Rn. 18), bezog sich dies auf eine Konstellation, in der es an einer ausdrücklichen Vereinbarung fehlte. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte indes durch die vorbehaltlose Zahlung der Weihnachtsgratifikation und des Vorschusses auf diese in den vergangenen Kalenderjahren nicht mehr und nicht weniger getan als die Vereinbarung im Arbeitsvertrag umzusetzen.

31

b) Dass der Vorschuss in der Vergangenheit stets mit der Vergütung für Mai abgerechnet und ausgezahlt wurde, ist gleichfalls nicht geeignet, eine den Vertrag abändernde Vereinbarung zu belegen. Nach § 3 Abs. 1 Arbeitsvertrag idF des Nachtrags I ist die Vergütung „zahlbar am 1. des folgenden Monats“. Dementsprechend wurde durch die Abrechnung des Vorschusses zusammen mit der Vergütung für Mai lediglich sichergestellt, dass dieser, wie in § 3 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsvertrag vereinbart, tatsächlich „im Juni“ gezahlt wurde.

32

c) Die Klägerin kann sich schließlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagte bei der Zahlung des Vorschusses nicht darauf hingewiesen hat, sie behalte sich die Ausübung des ihr vertraglich eingeräumten Ermessens in Bezug auf die Weihnachtsgratifikation vor. Dass die Höhe der Gratifikation jeweils von der Beklagten festgesetzt und im Juni ein Vorschuss gezahlt wird, ergibt sich bereits aus § 3 Abs. 1 Satz 3 und aus § 3 Abs. 1 Satz 2 Arbeitsvertrag idF des Nachtrags I. Der vorbehaltlosen Auszahlung des Vorschusses ohne weiteren Hinweis konnte die Klägerin mithin nicht mehr als die konkludente Erklärung der Beklagten entnehmen, sie habe sich nach Prüfung aller Umstände (auch diesmal wieder) für einen Vorschuss in Höhe eines halben Monatsgehalts entschieden.

33

3. Der Klageanspruch kann auch nicht erfolgreich auf eine betriebliche Übung gestützt werden.

34

a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und ob er auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durfte. Erbringt der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen Rechtspflicht, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden (BAG 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 43 mwN).

35

b) Im Streitfall hat die Beklagte die Entscheidung über die Zahlung und die Höhe der Weihnachtsgratifikation auf der Grundlage des Arbeitsvertrags getroffen. Nach dem Vortrag der Klägerin bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie das Verhalten der Beklagten so verstehen durfte, als werde der mit der Vergütung für Mai geleisteten Zahlung unabhängig von der vertraglichen Vereinbarung oder erkennbar aufgrund einer daneben bestehenden anderen Rechtspflicht noch eine weitere Zahlung in derselben Höhe zum Jahresende folgen.

36

III. Einer Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht bedarf es nicht. Die Voraussetzungen des § 563 Abs. 3 ZPO liegen vor. Nach dem festgestellten Sachverhältnis ist die Sache zur Endentscheidung reif. Die erheblichen Tatsachen, insbesondere auch in Bezug auf die Ermessensentscheidung der Beklagten, sind unstreitig; weiterer Tatsachenvortrag ist nicht zu erwarten. Danach ist der Anspruch der Klägerin auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Beklagte hat das ihr aus § 3 Abs. 1 Satz 2 Arbeitsvertrag idF des Nachtrags I zustehende Bestimmungsrecht in Bezug auf die Festsetzung der Höhe der Weihnachtsgratifikation für das Kalenderjahr 2014 im September 2014 ausgeübt und der Klägerin im Oktober 2014 mitgeteilt, dass die Zahlung des zweiten Teils der Gratifikation aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfolgen könne.

37

1. Ob eine einseitige Leistungsfestsetzung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten (BAG 19. März 2014 - 10 AZR 622/13 - Rn. 42, BAGE 147, 322). Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem er die Ermessensentscheidung zu treffen hat (BAG 3. August 2016 - 10 AZR 710/14 - Rn. 26 mwN).

38

2. Das Landesarbeitsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - nicht geprüft, ob die im September 2014 getroffene Entscheidung der Beklagten, im Jahr 2014 keine weitere Gratifikation zu zahlen, der Billigkeit entspricht. Der Senat kann diese grundsätzlich den Tatsachengerichten obliegende Prüfung im Streitfall jedoch ausnahmsweise selbst vornehmen, weil die für die Beurteilung maßgeblichen Tatsachen festgestellt sind (vgl. BAG 19. März 2014 - 10 AZR 622/13 - Rn. 42, BAGE 147, 322). Der insoweit maßgebliche Vortrag der Beklagten, auf den das Landesarbeitsgericht Bezug genommen hat, ist unstreitig.

39

3. Danach bestehen keine Bedenken gegen die Billigkeit der von der Beklagten getroffenen Entscheidung. Die Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, welche wirtschaftlichen Umstände sie zu der im September 2014 getroffenen Entscheidung veranlasst haben, für das Kalenderjahr 2014 insgesamt nur ein halbes Bruttogehalt als Weihnachtsgratifikation zu zahlen. Nach ihren im August 2014 angestellten prognostischen Berechnungen hätte das Betriebsergebnis vor Steuern zum Jahresende im vierstelligen Bereich unter null gelegen, falls zusätzlich zu dem bereits an die Belegschaft gezahlten Vorschuss weitere 320.000,00 bis 350.000,00 Euro für die Weihnachtsgratifikation aufgewandt worden wären. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung der Beklagten, keine weitere Weihnachtsgratifikation an die Belegschaft zu zahlen, nachvollziehbar. Die Klägerin hat weder die prognostischen Berechnungen angegriffen noch hat sie geltend gemacht, ihre Interessen hätten diejenigen der Beklagten überwogen. Sie hat auch keine sonstigen Umstände vorgetragen, die gegen die Billigkeit der Entscheidung der Beklagten sprechen würden.

40

IV. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

        

    Linck    

        

    Schlünder    

        

    Brune    

        

        

        

    Rigo Züfle    

        

    Stefan Fluri    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Oktober 2013 - 6 Sa 134/12 - aufgehoben, soweit es die Klage in Bezug auf die jährliche Sonderzahlung in Höhe von 12.500,00 Euro abgewiesen hat.

2. Insoweit wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über eine Sonderzahlung.

2

Der Kläger war vom 1. Mai 1992 bis zum 19. November 2010 bei der Beklagten als Bauleiter gegen eine monatliche Vergütung von zuletzt 5.300,00 Euro brutto beschäftigt. Der Arbeitsvertrag wurde nicht schriftlich niedergelegt. Der Kläger bekam jährlich zusammen mit der Novembervergütung ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts, das in den Jahren 2007 4.800,00 Euro brutto, 2008 5.200,00 Euro brutto und 2009 5.300,00 Euro brutto betrug. Außerdem erhielt der Kläger mit der am 10. Januar des Folgejahres ausgezahlten Vergütung für Dezember einen in den jeweiligen Abrechnungen als „Sonderzahlung“ ausgewiesenen Betrag, der sich im Jahr 2007 auf 10.000,00 Euro brutto und in den Jahren 2008 und 2009 auf jeweils 12.500,00 Euro brutto belief.

3

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe auch für das Jahr 2010 eine Sonderzahlung in Höhe von 12.500,00 Euro brutto zu. Durch die vorbehaltlose Leistung einer Sonderzahlung in drei aufeinanderfolgenden Jahren habe die Beklagte ihm gegenüber konkludent eine entsprechende Zahlungsverpflichtung begründet. Die geringere Höhe der Sonderzahlung im Jahr 2007 stehe dem für das Jahr 2010 geltend gemachten Anspruch ebenso wenig entgegen wie die unterjährige Beendigung seines Arbeitsverhältnisses.

4

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.500,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Januar 2011 zu zahlen.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

6

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat auf den Streitgegenstand Sonderzahlung beschränkt zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO).

8

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, aus dem Sachvortrag des Klägers lasse sich allenfalls ableiten, dass er infolge der mehrmaligen Gewährung einer Sonderzahlung jeweils nach Ablauf des Kalenderjahres konkludent einen Rechtsanspruch gegen die Beklagte auf eine solche Leistung für den Fall erworben habe, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien am Jahresende (Stichtag) noch bestanden habe. Da der Kläger unterjährig ausgeschieden sei, scheide auch eine anteilige Sonderzahlung für das Jahr 2010 aus.

9

II. Dem folgt der Senat nicht. Dabei kann dahinstehen, ob der Senat den Erklärungswert des vom Kläger vorgetragenen Verhaltens der Beklagten in vollem Umfang oder - etwa wegen des Einzelfallcharakters der Zahlungen - nur eingeschränkt daraufhin überprüfen kann, ob das Landesarbeitsgericht bei seiner Auslegung die dafür geltenden gesetzlichen Regeln (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt, allgemeine Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder für die Auslegung wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (vgl. BAG 17. April 2013 - 10 AZR 251/12 - Rn. 15). Die Beurteilung des Parteivortrags durch das Landesarbeitsgericht hält bereits einer eingeschränkten Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht ist von unzutreffenden rechtlichen Annahmen ausgegangen und hat nicht alle für die Auslegung wesentlichen Umstände berücksichtigt.

10

1. Für die rechtliche Einordnung des Verhaltens der Beklagten sind nach der Senatsrechtsprechung folgende Grundsätze maßgeblich:

11

a) Gewährt der Arbeitgeber zusätzlich zu dem vereinbarten monatlichen Gehalt eine einmalige Sonderzahlung, ist zunächst durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB)zu ermitteln, ob er sich nur zu der konkreten Leistung oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet hat (vgl. BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 11, BAGE 139, 156). Eine dauerhafte Verpflichtung kann sich insbesondere aus einem Verhalten mit einem Erklärungswert, wie einer betrieblichen Übung, ergeben. Auch wenn keine betriebliche Übung besteht, weil der Arbeitgeber eine Zahlung nur an einen Arbeitnehmer vorgenommen hat und damit das kollektive Element fehlt, kann für diesen durch die Leistungsgewährung ein Anspruch entstanden sein. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer aus einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers auf ein Angebot schließen konnte, das er gemäß § 151 BGB durch schlüssiges Verhalten angenommen hat(vgl. BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 12 f. mwN, aaO).

12

b) Die vom Arbeitgeber mit einer Sonderzahlung verfolgten Zwecke sind durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen zu ermitteln.

13

aa) Der Vergütungscharakter ist eindeutig, wenn die Sonderzahlung an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele geknüpft ist. Macht die Zahlung einen wesentlichen Anteil der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers aus, handelt es sich gleichfalls regelmäßig um Arbeitsentgelt, das als Gegenleistung zur erbrachten Arbeitsleistung geschuldet wird (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 15, BAGE 140, 239). Wird die Zahlung erbracht, ohne dass weitere Anspruchsvoraussetzungen vereinbart sind, spricht dies ebenfalls dafür, dass die Sonderzahlung als Gegenleistung für die Arbeitsleistung geschuldet wird (vgl. BAG 3. September 2014 - 5 AZR 1020/12 - Rn. 30). Gleiches gilt, wenn die Höhe der Leistung nach der vom Arbeitgeber getroffenen Zweckbestimmung vom Betriebsergebnis abhängt. Auch in diesem Fall handelt es sich grundsätzlich um eine Gegenleistung des Arbeitgebers für erbrachte Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers, da die synallagmatische Verknüpfung dieser Leistungen nicht durch die Abhängigkeit des gezahlten Entgelts von einem Unternehmensergebnis im maßgeblichen Bezugszeitraum in Frage gestellt wird (vgl. BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 25, BAGE 137, 300; 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 10, aaO).

14

bb) Will der Arbeitgeber andere Zwecke als die Vergütung der Arbeitsleistung verfolgen, muss sich dies deutlich aus der zugrunde liegenden Vereinbarung ergeben. So können Sonderzahlungen als Treueprämie erwiesene oder als „Halteprämie“ künftige Betriebstreue honorieren; der Arbeitgeber kann aber auch den Zweck verfolgen, sich an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen seiner Arbeitnehmer zu beteiligen. Ist die Honorierung künftiger Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Sonderzuwendung nur bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über einen Stichtag hinaus bis zum Ende eines dem Arbeitnehmer noch zumutbaren Bindungszeitraums gezahlt wird oder der Arbeitnehmer diese zurückzuzahlen hat, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf zumutbarer Bindungsfristen endet. Ist die Honorierung erwiesener Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Zahlung der Sonderzuwendung vom (ungekündigten) Bestand des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag abhängig gemacht wird. Ein weiteres Merkmal derartiger Zahlungen ist, dass sie nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung, sondern regelmäßig nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängen (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 13, BAGE 140, 239).

15

c) Gewährt der Arbeitgeber auf einseitig vorgegebener vertraglicher Grundlage eine Sonderzahlung, die auch Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung ist, kann die Sonderzahlung nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Eine solche Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Der Wert der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber hängt von ihrer Qualität und vom Arbeitserfolg ab, regelmäßig jedoch nicht von der reinen Verweildauer des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis. Die Belohnung zunehmender Beschäftigungsdauer als solcher steht nicht in einem Verhältnis zur Qualität und zum Erfolg der Arbeitsleistung. Die einmal erbrachte Arbeitsleistung gewinnt auch regelmäßig nicht durch bloßes Verharren des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis nachträglich an Wert (vgl. BAG 13. November 2013 - 10 AZR 848/12 - Rn. 31, BAGE 146, 284). Dies gilt gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch bei sog. „Einmal-Bedingungen“, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Vorformulierung oder einseitigen Vorgabe durch den Arbeitgeber auf deren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte.

16

2. Nach diesen Grundsätzen erweist sich die klageabweisende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in Bezug auf die vom Kläger verlangte Sonderzahlung als unzutreffend. Die gebotene Auslegung des Vortrags beider Parteien ergibt vielmehr, dass der Kläger aufgrund einer konkludent geschlossenen arbeitsvertraglichen Abrede mit der Beklagten einen Anspruch auf eine anteilige Sonderzahlung für das Kalenderjahr 2010 gegen die Beklagte erworben hat, der mit der Dezembervergütung fällig geworden ist und dessen Höhe die Beklagte nach billigem Ermessen zu bestimmen hatte. Der Senat kann diese Auslegung selbst vornehmen, da der insoweit maßgebliche Sachverhalt feststeht und weiterer Sachvortrag nicht zu erwarten ist (vgl. BAG 17. Juni 2014 - 3 AZR 412/13 - Rn. 55 mwN).

17

a) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, den Zahlungen in den Jahren 2007 bis 2009 sei zu entnehmen, dass die Beklagte allenfalls einen Rechtsanspruch auf die Sonderzahlung für den Fall des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses am Jahresende begründen wollte, berücksichtigt den Vortrag der Parteien nicht genügend und verstößt gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Die Beklagte hatte im zweiten Rechtszug behauptet, die Höhe der Zahlung sei vom Betriebsergebnis abhängig gewesen. Weitere Anspruchsvoraussetzungen hat sie nicht näher dargelegt. Nachdem auch der Kläger vorgetragen hat, die Zahlung sei mit keinen weiteren Anforderungen verbunden worden, liegt es fern, allein aus der Auszahlung der Sonderzuwendung mit dem Dezembergehalt den Schluss zu ziehen, weitere Anspruchsvoraussetzung hierfür sei das Bestehen des Arbeitsverhältnisses am Jahresende gewesen. Dies verstößt gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze, denn es ist viel nahe liegender, diesen Auszahlungszeitpunkt als bloßen Fälligkeitstermin zu verstehen, wenn ansonsten hierzu jeglicher Vortrag fehlt.

18

b) Für die gebotene Auslegung der Handlungen der Beklagten ist in tatsächlicher Hinsicht zugrunde zu legen, dass der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in den Jahren 2007 bis 2009 zusätzlich zum Dezembergehalt einen als „Sonderzahlung“ ausgewiesenen Betrag erhalten hat, der sich im Jahr 2007 auf 10.000,00 Euro brutto und in den Jahren 2008 und 2009 gleichbleibend auf 12.500,00 Euro brutto belief. Die Steigerung erfolgte nicht proportional zur Entwicklung der Monatsvergütung des Klägers. Aus der Bezeichnung der Leistung als „Sonderzahlung“ in den jeweiligen Abrechnungen, ihrer dreimaligen vorbehaltlosen Auszahlung jeweils zum Jahresende und ihrer unterschiedlichen Höhe konnte der Kläger verständiger Weise auf ein verbindliches Angebot der Beklagten iSv. § 145 BGB des Inhalts schließen, in jedem Kalenderjahr eine Sonderzahlung zu leisten.

19

Umstände, die dafür sprechen, dass die Beklagte nur in dem jeweiligen Auszahlungsjahr eine Sonderzahlung leisten und keine weitere Bindung eingehen wollte, sind nicht ersichtlich. Einen entsprechenden Vorbehalt hat die Beklagte auch nicht konkludent erklärt. Aus der nicht gleichförmigen Höhe der Sonderzahlung in den Jahren 2007 bis 2009 musste der Kläger nicht den Schluss ziehen, die Beklagte habe sich nicht dem Grunde nach auf Dauer binden wollen. Es ist gerade typisch für eine vom Betriebsergebnis abhängige Sonderzahlung, dass deren Höhe schwanken kann (BAG 21. April 2010 - 10 AZR 163/09 - Rn. 17). Dass die Beklagte dieses Verständnis teilt, belegt nicht zuletzt ihr Vortrag, es sei jährlich neu über die Höhe der Sonderzahlung entschieden worden. Demzufolge ging auch die Beklagte davon aus, die Sonderzahlung werde grundsätzlich geschuldet und lediglich die Festsetzung ihrer Höhe bedürfe einer jährlich neu zu treffenden Entscheidung. Soweit der Senat - allerdings im Zusammenhang mit einer betrieblichen Übung - im Urteil vom 28. Februar 1996 (- 10 AZR 516/95 -) vertreten hat, bei der Leistung einer Zuwendung in jährlich individuell unterschiedlicher Höhe fehle es bereits an einer regelmäßigen gleichförmigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen und es komme darin lediglich der Wille des Arbeitgebers zum Ausdruck, in jedem Jahr neu „nach Gutdünken“ über die Zuwendung zu entscheiden, hält er daran nicht fest.

20

c) Entgegen der Auffassung der Revision konnte der Kläger aus dem Verhalten der Beklagten jedoch nicht den Schluss ziehen, die Sonderzahlung betrage 12.500,00 Euro brutto. Dagegen spricht bereits, dass die Sonderzahlung nur in zwei der insgesamt drei aufeinanderfolgenden Jahren gleichbleibend 12.500,00 Euro brutto betragen hat und im Jahr 2009 nicht nochmals angestiegen ist, obwohl das Monatsgehalt des Klägers in jedem der drei Jahre erhöht worden war. Der Kläger musste deshalb das Verhalten der Beklagten so verstehen, dass diese Jahr für Jahr über die Höhe der Sonderzahlung neu entscheidet.

21

d) Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich, dass er das Angebot der Beklagten auf Leistung einer von ihr einseitig festzusetzenden jährlichen Sonderzahlung durch Entgegennahme der drei aufeinanderfolgenden Zahlungen in den Jahren 2007, 2008 und 2009 und damit durch schlüssiges Verhalten (§ 151 BGB) angenommen hat.

22

e) Der Einwand der Beklagten, bei der Sonderzahlung habe es sich um eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung gehandelt, steht dieser rechtlichen Bewertung nicht entgegen. Der Begriff „freiwillig“ bringt regelmäßig lediglich zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber nicht bereits durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zur Zahlung verpflichtet ist. Er genügt für sich genommen nicht, um einen Rechtsanspruch auf die Leistung auszuschließen (BAG 20. Februar 2013 - 10 AZR 177/12 - Rn. 17). Die Beklagte kann sich ebenfalls nicht mit Erfolg darauf berufen, die Sonderzahlung sei jederzeit widerruflich gewesen. Abgesehen davon, dass sie nicht vorgetragen hat, wann und auf welche Weise sie mit dem Kläger einen wirksamen Widerrufsvorbehalt vereinbart habe, hat sie nicht dargelegt, dass sie die vereinbarte Leistung für das Jahr 2010 widerrufen hat. Das bloße Unterlassen einer Zahlung ist für sich betrachtet kein Widerruf. Hinzu kommt, dass eine Leistung nicht - wie von der Beklagten behauptet - zugleich freiwillig und widerruflich sein kann (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 21 f., BAGE 139, 156).

23

3. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, einem Anspruch des Klägers auf eine Sonderzahlung für das Jahr 2010 stehe entgegen, dass ein solcher Anspruch nach dem Vortrag des Klägers vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des laufenden Jahres abhängig sei, das Arbeitsverhältnis jedoch bereits am 19. November 2010 geendet habe. Damit hat das Landesarbeitsgericht außer Acht gelassen, dass die Beklagte die Sonderzahlung als zusätzliche Vergütung für die vom Kläger im Kalenderjahr geleistete Arbeit erbracht hat. Dies ergibt sich sowohl aus den Darlegungen des Klägers als auch der Beklagten.

24

a) Nach dem Vortrag des Klägers hat die Beklagte die Zahlung vorbehaltlos und ohne weitere Leistungszweckbestimmungen vorgenommen. Nach dem Vorbringen der Beklagten war die Höhe der Sonderzahlung an das Betriebsergebnis gekoppelt. Die synallagmatische Verbindung zwischen Arbeitsleistung und Sonderzahlung wird jedoch durch deren Anknüpfung an das Betriebsergebnis nicht in Frage gestellt.

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b) Allein dem Umstand, dass die Sonderzahlung jeweils zum Ende des Kalenderjahres ausgezahlt wurde, lässt sich nicht entnehmen, dass mit ihr ausschließlich die Betriebstreue honoriert werden sollte. Will der Arbeitgeber andere Ziele als die Vergütung der Arbeitsleistung verfolgen, muss dies vielmehr deutlich aus der zugrunde liegenden, ggf. konkludent getroffenen arbeitsvertraglichen Abrede hervorgehen (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 15, BAGE 140, 239). Hierfür fehlen jegliche Anhaltspunkte. Gegen ein solches Verständnis spricht im vorliegenden Fall, dass die Sonderzahlung mit rund 15 % einen nicht unwesentlichen Teil der Gesamtvergütung ausgemacht hat und zusätzlich zu einem Weihnachtsgeld entrichtet wurde. Da die Sonderzahlung somit Gegenleistung für die im laufenden Jahr erbrachte Arbeitsleistung des Klägers war, konnte sie nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden.

26

III. Der Rechtsstreit ist nicht entscheidungsreif. Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um abschließend über die Höhe der dem Kläger anteilig für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 19. November 2010 zustehenden Sonderzahlung befinden zu können.

27

Die Beklagte hatte nach dem bisherigen Prozessverlauf keinen hinreichenden Anlass, nähere Einzelheiten dazu vorzutragen, ob und ggf. welche konkreten Vereinbarungen sie mit dem Kläger über die Bemessung der Sonderzahlung getroffen hat. Sie hat in den Vorinstanzen lediglich pauschal behauptet, die Zahlung sei vom Betriebsergebnis abhängig gewesen. Was sie hierunter konkret versteht, hat sie nicht erläutert. Da der Kläger im Rahmen der insoweit geltenden abgestuften Darlegungs- und Beweislast bereits alle Umstände zur Begründung eines Anspruchs auf die anteilige Sonderzahlung für das Kalenderjahr 2010 schlüssig dargelegt hat, deren Höhe die Beklagte nach billigem Ermessen iSd. § 315 BGB zu bestimmen hat, wird das Landesarbeitsgericht der Beklagten Gelegenheit zu geben haben, darzulegen, ob und ggf. welche konkreten Kriterien sie mit dem Kläger vereinbart hat und in welcher (anteiligen) Höhe sich bei Anwendung dieser Kriterien ein Anspruch des Klägers für die Zeit vom 1. Januar bis zum 19. November 2010 ergibt.

28

Sollte die Beklagte eine Vereinbarung mit dem Kläger über die Bemessung der Höhe der Sonderzahlung nicht darlegen können oder insoweit beweisfällig bleiben, wird das Landesarbeitsgericht der Beklagten Gelegenheit zu geben haben, ergänzend vorzutragen, dass die für das Kalenderjahr 2010 vorgenommene Leistungsbestimmung „auf Null“ billigem Ermessen entsprach (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Die Beklagte als diejenige, der das Leistungsbestimmungsrecht zustand, ist dafür darlegungs- und beweispflichtig (BAG 20. März 2013 - 10 AZR 8/12 - Rn. 33). Entspricht die Leistungsbestimmung nicht billigem Ermessen, wird sie das Landesarbeitsgericht gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB selbst vorzunehmen haben.

        

    Linck    

        

    W. Reinfelder    

        

    Brune    

        

        

        

    W. Guthier    

        

    D. Schumann    

                 

Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.