Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 21. Feb. 2017 - 7 Sa 441/16

bei uns veröffentlicht am21.02.2017

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 26.08.2016 ‒ 12 Ca 978/16 ‒ wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Entfernung einer Abmahnung.

Der Kläger ist seit 05.05.1980 bei der Beklagten beschäftigt. Er ist als Verkehrsmeister tätig.

Bei der Beklagten besteht ein Betriebsrat.

Die Betriebsparteien schlossen unter dem 01.11.2013 eine Betriebsvereinbarung zum Umgang mit Informations- und Kommunikationsanlagen. Wegen des Inhalts wird auf die vorgelegte Kopie Bezug genommen (Bl. 10 ff d.A.).

Bei der Beklagten wird als Software zur E-Mailkommunikation Microsoft Outlook verwendet. Im November 2015 wurde in der Funktionsmailbox bmt@a… ein Gruppenkalender „Tram“ eingerichtet. Auf den Gruppenkalender haben neben dem Kläger noch drei weitere Personen Zugriff, auch Vorgesetzte.

Am 24.11.2015 wurde der Kläger von seinem Gruppenleiter, Herrn S…, angewiesen, den Gruppenkalender „Tram“ für die Verwaltung der betrieblichen Termine benutzen. Der Kläger lehnt dies ab.

Die Beklagte führte in einem Schreiben vom 04.12.2015 an den Kläger aus, er widersetze sich der Aufforderung, geschäftliche Termine in den Funktionskalender „Tram“ einzutragen. Sie wies den Kläger darauf hin, dass er verpflichtet sei, den Weisungen seiner Führungskraft nachzukommen. Für den Fall eines weiteren vergleichbaren Vorfalles kündigte sie weitergehende arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zur Kündigung an.

Der Kläger erhob am 24.02.2016 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht Nürnberg, mit der er die Rücknahme der Abmahnung und ihre Entfernung aus der Personalakte verlangt.

Mit Endurteil vom 26.08.2016 gab das Arbeitsgericht der Klage statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der Kläger sei nicht verpflichtet gewesen, der Weisung, den Gruppenkalender zu benutzen, nachzukommen, da die Einrichtung des Gruppenkalenders ohne die erforderliche Beteiligung des Betriebsrats erfolgt sei.

Das Urteil wurde der Beklagten am 02.09.2016 zugestellt.

Die Beklagte legte gegen das Urteil am 26.09.2016 Berufung ein und begründete sie am 26.10.2016.

Die Beklagte macht geltend, bei dem Gruppenkalender handele es sich nicht um eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG.

Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht habe, sei dieses mit der Betriebsvereinbarung vom 01.11.2013 gewahrt. Dort hätten die Betriebsparteien in § 3 Satz 3 geregelt, dass der Arbeitgeber Zugang zu allen relevanten dienstlichen Informationen habe.

Die Beklagte hat im Berufungsverfahren folgende Anträge gestellt:

I.

Das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 26.08.2016 (Az. 12 Ca 978/16) wird aufgehoben.

II.

Die Klage wird abgewiesen.

III.

Der Kläger und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Kläger hat beantragt,

die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger rügt, die Beklagte habe sich nicht ausreichend mit dem Ersturteil auseinandergesetzt. Er führt aus, mit dem Gruppenkalender lasse sich im Verlauf zahlreicher Monate ein Verabredungsprofil erstellen.

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Gründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 und Absatz 2b ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt worden, § 66 ArbGG. Die Berufung ist auch in der gesetzlich erforderlichen Weise begründet worden, § 520 Absatz 3 ZPO.

Die Beklagte stützt die Berufung darauf, das Erstgericht habe den Anwendungsbereich des § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG nicht zutreffend gesehen. Darüber hinaus hat sie geltend gemacht, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats durch die Betriebsvereinbarung vom 01.11.2013 gewahrt sei. Damit hat sie sich mit der Begründung des Erstgerichts in ausreichendem Maße auseinandergesetzt.

Die Berufung ist unbegründet.

Der Kläger kann insbesondere die Herausnahme der ihm erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen. Hinsichtlich der hierzu bestehenden ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt das erkennende Gericht den zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts, § 69 Absatz 2 ArbGG.

Die Beklagte hat dem Kläger zu Unrecht eine Abmahnung erteilt.

Die Beklagte ist zwar grundsätzlich im Rahmen des ihr zustehenden Direktionsrechts (§ 106 GewO) berechtigt, dem Kläger die Anweisung zu erteilen, den bei ihr eingerichteten Gruppenkalender zu benutzen. Es handelt sich dabei um eine Anordnung, die die Art und Weise betrifft, wie der Kläger die von ihm zu erbringende Arbeitsleistung gestaltet. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers bezieht sich insbesondere auch darauf, dass die Arbeitnehmer technische Einrichtungen, die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden, verwenden.

Die Beklagte war indes bei der Einrichtung des Gruppenkalenders nicht völlig frei. Im Betrieb der Beklagten besteht ein Betriebsrat. Dieser wäre gemäß § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG zu beteiligen gewesen.

Der Gruppenkalender stellt eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG dar.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das erkennende Gericht folgt, stellt Computersoftware in Verbindung mit dem Rechner, der mit ihr betrieben wird, eine technische Einrichtung iSd. § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG dar. Dabei ist es unerheblich, ob der verwendete Rechner bereits vor der Anschaffung der im Streit befindlichen Software im Betrieb vorhanden war und in anderer Weise genutzt wurde. Erst die entsprechende Software ermöglicht die Nutzung einer EDV-Anlage zu einem bestimmten Zweck (Bundesarbeitsgericht ‒ Beschluss vom 26.07.1994 ‒ 1 ABR 6/94; juris).

Der Gruppenkalender ist zur Überwachung der Benutzer „bestimmt“.

Nach § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat u.a. mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Überwachung im Sinne der genannten Vorschrift ist ein Vorgang, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers erhoben und - jedenfalls in der Regel - aufgezeichnet werden, um sie auch späterer Wahrnehmung zugänglich zu machen. Die Informationen müssen auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden, so dass sie zumindest für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben und vom Arbeitgeber herangezogen werden können. Die Überwachung muss aber durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden. Dazu muss diese aufgrund ihrer technischen Natur unmittelbar, d.h. wenigstens in ihrem Kern die Überwachung vornehmen, indem sie das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer kontrolliert. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG setzt daher voraus, dass die technische Einrichtung selbst und automatisch die Daten über bestimmte Vorgänge verarbeitet. Ausreichend ist, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer technischen Einrichtung erfolgt. Zur Überwachung „bestimmt“ sind technische Einrichtungen dann, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens- oder Leistungsinformationen der Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen; auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an (Bundesarbeitsgericht ‒ Beschluss vom 10.12.2013 ‒ 1 ABR 43/12; juris).

Der Gruppenkalender ermöglicht es der Beklagten, eine Auswertung der Leistungen des Klägers im Hinblick auf die Koordination seiner Termine oder der Terminsdichte vorzunehmen. Insbesondere ist ihr dies möglich, ohne dass der Kläger hiervon Kenntnis erhält.

Der Betriebsrat ist vor der Einrichtung des Gruppenkalenders nicht beteiligt worden. Insbesondere stellt die Betriebsvereinbarung zum Umgang mit Informations- und Kommunikationsanlagen vom 01.11.2013 keine (vorweggenommene) Zustimmung des Betriebsrats zum Gruppenkalender dar.

Zum einen regelt die Betriebsvereinbarung in erster Linie die private Nutzung der IuK-Anlagen. So wird zwar in § 3 der Betriebsvereinbarung festgestellt, dass die IuK-Anlagen grundsätzlich für dienstliche Zwecke bestimmt sind und der Arbeitgeber Zugang zu allen relevanten dienstlichen Informationen hat. Es befassen sich die Abschnitte III (Nutzungsbedingungen) und IV (Kontrollen) indes ausschließlich mit der privaten Nutzung der IuK-Anlagen.

Die Betriebsvereinbarung regelt lediglich den (privaten) Umgang mit IuK-Anlagen. Bereits daraus wird deutlich, dass es nicht darum geht, dass und ob eine bestimmte Hardware oder Software eingeführt wird. Vielmehr setzt die Betriebsvereinbarung denknotwendig voraus, dass solche Anlagen (samt zugehöriger Software) bereits vorhanden sind.

Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass die Betriebsvereinbarung bereits im November 2013 abgeschlossen, der Gruppenkalender aber erst im November 2015 eingerichtet wurde.

Die fehlende Beteiligung des Betriebsrats führt zur Unwirksamkeit der Abmahnung. Abgemahnt werden können nur Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten. Da der Betriebsrat bei der Einführung des Gruppenkalenders nicht beteiligt wurde, war der Kläger berechtigt, der Anordnung der Beklagten, den Gruppenkalender zu nutzen, nicht Folge zu leisten.

Nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls zur Unwirksamkeit von Maßnahmen oder Rechtsgeschäften, die den Arbeitnehmer belasten. Das soll verhindern, dass der Arbeitgeber dem Einigungszwang mit dem Betriebsrat durch Rückgriff auf arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten ausweicht. Dem Arbeitgeber darf aus einer betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtwidrigkeit auch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses kein Vorteil erwachsen (Bundesarbeitsgericht ‒ Urteil vom 23.02.2016 ‒ 1 AZR 73/14; juris).

Da die Abmahnung daher unberechtigt war, ist sie aus der Personalakte zu entfernen.

Die Berufung der Beklagten war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 72 Absatz 2 ArbGG.

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(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 87 Mitbestimmungsrechte


(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: 1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;2. Beginn und Ende der täglichen A

Gewerbeordnung - GewO | § 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers


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Arbeitsgericht Nürnberg Endurteil, 26. Aug. 2016 - 12 Ca 978/16

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Tenor 1. Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Datum vom 4.12.2015 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. 2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3

Bundesarbeitsgericht Urteil, 23. Feb. 2016 - 1 AZR 73/14

bei uns veröffentlicht am 23.02.2016

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 29. November 2013 - 10 Sa 696/13 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

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Tenor Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 2. Mai 2012 - H 6 TaBV 103/11 - wird zurückgewiesen.

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Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Datum vom 4.12.2015 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 4.094 € festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Abmahnung. Der Kläger ist seit dem 5.5.1980 zuletzt als Verkehrsmeister bei der Beklagten zu einem Bruttomonatsgehalt von 4.094,00 € beschäftigt. Zu seinen Aufgaben zählt die Planung und Umsetzung von Baumaßnahmen, wozu auch die Vereinbarung von Terminen mit internen und externen Stellen gehört.

Seit 1.11.2013 gilt bei der Beklagten eine „Betriebsvereinbarung zum Umgang mit Informations- und Kommunikationsanlagen“ (Bl. 8 ff. d.A.). Diese regelt in Abschnitt I ihren sachlichen und persönlichen Geltungsbereich. In sachlicher Hinsicht lautet die Regelung, soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung:

§ 1 Sachlicher Geltungsbereich

Diese Betriebsvereinbarung enthält grundsätzliche Bestimmungen und Richtlinien zum Umgang mit Infomations- und Kommunikationsanlagen (IuK-Anlagen). IuK-Anlagen im Sinne dieser Regelung sind alle bei der VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft zur Verfügung gestellten Dienste sowie die Endgeräte zu deren Nutzung.

Abschnitt II (Grundsätze) lautet auszugsweise, soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung:

§ 3 Dienstliche Nutzung

Die zur Verfügung gestellten IuK-Anlagen sind grundsätzlich für dienstliche Zwecke bestimmt. Dienstlichen Zwecken dienen alle Tätigkeiten, die die Arbeitnehmer in Erfüllung ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit für den Arbeitgeber erledigen. Der Arbeitgeber hat dabei Zugang zu allen relevanten dienstlichen Informationen. […]

§ 4 Einwilligung in die Nutzungsbedingungen bei Privatnutzung

(1) Die private Nutzung von dienstlich überlassenen IuK-Anlagen ist nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer eine individuelle Einwilligung in die Nutzungsbedingungen (Nutzungsvereinbarung, vgl. Anlage 1) unterzeichnet. Diese wird in der Personalakte dokumentiert.

(2) Die Nutzungsbedingungen sind in den folgenden Abschnitten III und IV geregelt.

Die Abschnitte III und IV betreffen die Nutzungsbedingungen für die Privatnutzung sowie Kontrollen durch den Arbeitgeber. Abschnitt V enthält eine salvatorische Klausel sowie Schlussbestimmungen zum Inkrafttreten und zur Beendigung der Betriebsvereinbarung und zu ihrer Fortschreibung sowie einen Verweis auf die Anlagen.

Bei der Beklagten wird die Bürosoftware Microsoft Office eingesetzt, die unter anderem die Möglichkeit der Terminverwaltung in einem persönlichen Kalender bietet. Außerdem nutzt die Beklagte die Funktion sog. Gruppenkalender, auf die mehrere Personen Zugriff haben. Im November 2015 richtete die Beklagte einen Gruppenkalender „Tram“ ein. Am 24.11.2015 wies der Gruppenleiter des Klägers die Verkehrsmeister Baumaßnahmen/Sonderverkehre, unter ihnen den Kläger, an, den Gruppenkalender „Tram“ für die Verwaltung der betrieblichen Termine zu nutzen. In einem Gespräch am selben Tag wiederholte der Gruppenleiter diese Aufforderung; der Kläger lehnte dies ab. In einem weiteren Gespräch am 30.11.2015 hielt der Kläger an seiner Ablehnung fest.

Mit Schreiben vom 4.12.2015 (Bl. 6 f. d.A.) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung, weil er sich entgegen der erteilten Anweisung weigere, geschäftliche Termine in den Funktionskalender „Tram“ einzutragen. Der Kläger sei verpflichtet, Weisungen seiner Führungskraft Folge zu leisten. Mit seiner Arbeitsverweigerung habe er seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt.

Mit seiner am 24.2.2016 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen diese Abmahnung. Er meint, die Anweisung zur Nutzung des Funktionskalenders verletze den Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil nur wenige bestimmte und nicht alle Mitarbeiter der Beklagten dieses System nutzen sollten. Die Einführung des Kalendersystems sei jedenfalls unverhältnismäßig, da er anstehende Termine im Falle der Arbeitsunfähigkeit auch per Fax übermitteln könne; in dringenden betrieblichen Fällen könne die Beklagte die Informationen seines persönlichen Kalenders nach der Betriebsvereinbarung auch ohne sein Einverständnis einsehen.

Darüber hinaus vertritt der Kläger die Auffassung, das Kalendersystem sei in rechtswidriger Weise eingeführt worden, da das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht beachtet worden sei.

Die Weisung sei daher ebenfalls rechtswidrig, infolgedessen liege der Abmahnung eine falsche rechtliche Bewertung zugrunde. Sie sei deshalb zu widerrufen und aus seiner Personalakte zu entfernen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, die ihm mit Datum vom 4.12.2015 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus seiner Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt für sich ein legitimes Interesse an der Kenntnis von betrieblichen Terminen des Klägers in Anspruch. Zweck der Maßnahme sei keine Kontrolle des Klägers. Eine Einsichtnahme in den Kalender des Klägers im Verhinderungsfall sei technisch aufwendig und schon deshalb kein gleich geeignetes Mittel.

Die Betriebsvereinbarung vom 1.11.2013 verwende einen sehr weiten Begriff der IuK-Anlage. Da die Nutzung der Endgeräte wie Computer und Laptop ohne Software keinen Sinn ergebe, falle zumindest Standard-Bürosoftware, also auch Microsoft Office, unter die Vereinbarung. Eine besondere Schutzbedürftigkeit des Klägers sei auch nicht ersichtlich, zumal die Beklagte unstreitig die Verwendung eines Papierkalenders anordnen könnte. Zudem verwende auch der Betriebsrat einen elektronischen Gruppenkalender.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien und der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 495 Abs. 1, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle der Güteverhandlung vom 22.3.2016 sowie der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 26.8.2016 Bezug genommen.

Gründe

A.

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG eröffnet. Das Arbeitsgericht Nürnberg ist gemäß §§ 12, 17 ZPO örtlich zuständig, da die Beklagte ihren Sitz in Nürnberg hat.

B.

Die zulässige Klage ist begründet.

I. Die Kammer versteht den klägerischen Antrag auf Rücknahme und Entfernung der Abmahnung der Personalakte als einheitliches Begehren. Rücknahme und Entfernung sind keine separaten Handlungen; vielmehr verlangt der Kläger die Rücknahme der Abmahnung aufgrund ihrer Rechtswidrigkeit; diese Abmahnung manifestiert sich in der Entfernung.

II. Ein solcher Rücknahme- und Entfernungsanspruch steht dem Kläger zu.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die erkennende Kammer folgt, kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen (BAG 27.11.2008 - 2 AZR 675/07 - NZA 2009, 842; BAG 22.02.2001 - 6 AZR 398/99 - EzBAT BAT § 11 Nr. 10; BAG 27.11.1985 - 5 AZR 101/84 - NZA 1986, 227). Bei der Abmahnung handelt es sich um die Ausübung eines arbeitsvertraglichen Gläubigerrechts durch den Arbeitgeber. Als Gläubiger der Arbeitsleistung weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rügefunktion). Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, wenn ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion) (BAG 27.11.2008 - 2 AZR 675/07 - NZA 2009, 842; BAG 15.07.1992 -7 AZR 466/91 - NZA 1993, 220). Eine solche missbilligende Äußerung des Arbeitgebers in Form einer Abmahnung ist geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. Deshalb kann der Arbeitnehmer die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält oder auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, wenn sie sie statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, sowie wenn kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht (BAG 27.11.2008 - 2 AZR 675/07 - NZA 2009, 842 m.w.N.).

2. Die Abmahnung vom 4.12.2015 beruht auf einer unrichtigen rechtlichen Bewertung. Die Weisung zur Benutzung des Gruppenkalenders ist nicht vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 Satz 1 GewO gedeckt, weil die Einführung des Gruppenkalen-dersystems ohne die erforderliche Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 GewO erfolgte.

a) Die Nutzung der Gruppenkalenderfunktion bedarf der Mitbestimmung des Betriebsrats. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat dieser mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die technische Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Eine solche Einrichtung stellt auch der Gruppenkalender dar, den der Kläger nach dem Willen der Beklagten verwenden soll.

§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dient dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen und Gefahren durch die Möglichkeit der jederzeitigen Leistungs- und Verhaltenskontrolle aufgrund der Technisierung sowie den damit verbundenen Überwachungsdruck. Die Gefahren der technischen Überwachung liegen vor allem darin begründet, dass praktisch dauernd und ununterbrochen eine große Anzahl von Daten erhoben werden kann. Die technisierte Ermittlung von Verhaltens- und Leistungsdaten ist darüber hinaus für den Arbeitnehmer in vielen Fällen nicht wahrnehmbar, seine Abwehrreaktionen und -mechanismen gegen eine Überwachung und Kontrolle sind hierdurch ausgeschaltet. Der Arbeitnehmer kann sich der Beobachtung durch technische Geräte, die Informationen ermitteln sollen, praktisch nicht entziehen. Auf technischem Wege ermittelte Informationen werden regelmäßig aufgezeichnet und festgehalten mit der Folge, dass sie stets verfügbar bleiben. All diese Umstände bergen die Gefahr in sich, dass in Persönlichkeitsbereiche des Arbeitnehmers eingedrungen wird, die einer nichttechnischen Überwachung nicht zugänglich sind, und dass der Arbeitnehmer zum Objekt einer Überwachungstechnik gemacht wird, der er sich nicht entziehen kann (BAG 14.9.1984 - 1 ABR 23/82 - BAGE 46, 367).

Mit Blick auf diesen Normzweck kommt es nach der zutreffenden h.M. nicht auf eine Kontrollabsicht des Arbeitgebers an. Zur Überwachung bestimmt ist eine technische Einrichtung dann, wenn diese aufgrund des verwendeten Programmes Verhaltens- oder Leistungsdaten selbst erhebt und aufzeichnet unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die durch die technische Einrichtung erfassten und festgehaltenen Verhaltens- und Leistungsdaten auch auswerten oder zu Reaktionen auf festgestellte Verhaltens- oder Leistungsweisen verwenden will. Das gilt auch, wenn die leistungs- oder verhaltensbezogenen Daten nicht auf technischem Wege (durch die Einrichtung selbst) gewonnen werden, sondern dem System zum Zwecke der Speicherung und Verarbeitung eingegeben werden müssen (BAG 14.9.1984 - 1 ABR 23/82 - BAGE 46, 367; BAG 14.11.2006 - 1 ABR 4/06 - BAGE 120, 146; Löwisch/Kaiser, BetrVG, 6. Aufl. 2010, § 87 Rn. 137 m.w.N.).

Demnach unterliegt die Einführung und Benutzung des Gruppenkalenders „Tram“ ohne Weiteres der Mitbestimmung des Betriebsrats. Der Kalender ist digital gespeichert und hält Daten zur Arbeitsleistung des Klägers, nämlich seine Terminplanung, dauerhaft fest. Er ermöglicht damit die technische Auswertung dieser Leistungsdaten unabhängig davon, dass die Beklagte erklärt, sie habe an einer Auswertung und Kontrolle kein Interesse.

b) Die Betriebspartner haben über die Einführung und Benutzung des Kalenders auch keine mitbestimmte Regelung getroffen. Die Betriebsvereinbarung vom 1.11.2013 erfasst diese Form der Kalendernutzung nicht.

aa) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 12.4.2011 - 1 AZR 412/09 -BAGE 137, 300; Richardi, BetrVG, 15. Aufl. 2016, § 87 Rn. 115 Löwisch/Ka/ser § 77 Rn. 31 m.w.N.).

bb) Der weite Wortlaut des § 3 der Betriebsvereinbarung vom 1.11.2013 erfasst auch die Nutzung eines Gruppenkalenders („Dienstlichen Zwecken dienen alle Tätigkeiten, die die Arbeitnehmer in Erfüllung ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit für den Arbeitgeber erledigen. Der Arbeitgeber hat dabei Zugang zu allen relevanten dienstlichen Informationen.“). Insoweit verweist die Beklagte mit Recht darauf, dass nach § 1 der Betriebsvereinbarung alle bei der Beklagten zur Verfügung gestellten Dienste sowie die Endgeräte zu deren Nutzung der Betriebsvereinbarung unterliegen.

cc) Der systematische Gesamtzusammenhang der Vorschriften der Betriebsvereinbarung lässt jedoch erkennen, dass deren Regelungsgegenstand nicht die Verwendung der von der Beklagten eingesetzten Software im Rahmen der Arbeitsleistung, sondern die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für eine private Nutzung der dienstlichen IuK-Anlagen. So stellt § 3 erkennbar lediglich den Grundsatz klar, dass die zur Verfügung gestellten IuK-Anlagen für dienstliche Zwecke bestimmt sind und deshalb grundsätzlich dem Zugriff des Arbeitgebers unterliegen. Alle folgenden Vorschriften (§§ 4-16) betreffen die private Nutzung der IuK-Anlagen.

dd) Eine ausdrückliche Regelung zum Zweck der Betriebsvereinbarung existiert nicht. Die Regelung in § 3 legt die Vermutung nahe, dass die Betriebspartner davon ausgegangen sind, dass die dienstliche Nutzung der IuK-Anlagen zulässig ist. Das entbindet sie aber nicht vom Erfordernis, hierzu konkret eine mitbestimmte Regelung zu treffen. Insoweit folgt die Kammer den Einlassungen der Klägervertreterin im Kammertermin am 26.8.2016. Aus einer allgemein gehaltenen Feststellung, dass IuK-Anlagen dienstlichen Zwecken dienen und der Arbeitgeber dabei Zugriff auf alle relevanten dienstlichen Informationen hat, kann nicht der Rückschluss gezogen werden, der Betriebsrat habe damit der Nutzung jeglicher Software im Betrieb zugestimmt.

Auch eine auf die Nutzung von Standard-Bürosoftware begrenzte Zustimmung lässt sich hieraus entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entnehmen. Gegen eine derart weite Interpretation der Betriebsvereinbarung sprechen neben dem bereits erörterten Gesamtzusammenhang der Regelung vor allem Bestimmtheitsgründe. Die Abgrenzung, was von der Einigung noch erfasst sein soll und was nicht, würde damit dem Anwender oder den Gerichten überantwortet. Die Betriebspartner hätten dann aber unzulässigerweise den Gegenstand der Betriebsvereinbarung nicht hinreichend bestimmt.

c) Technische Kontrolleinrichtungen, über deren Einführung und/oder Benutzung der Betriebsrat entgegen § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht mitbestimmt hat, müssen die Arbeitnehmer nicht bedienen oder verwenden (Fitting § 87 Rn. 256; Richardi § 87 Rn. 533; D/K/K/W/Klebe § 87 Rn. 166; Löwisch/Kaiser § 87 Rn. 145). Die fehlende Mitbestimmung des Betriebsrats macht die darauf gerichtete Weisung des Arbeitgebers per se unbillig und damit rechtswidrig (vgl. Staudinger/Rieble § 315 Rn. 205 f.).

Infolgedessen ist auch die Abmahnung vom 4.12.2015 rechtswidrig, da sie zu Unrecht von der Wirksamkeit der Weisung an den Kläger ausgeht, den Gruppenkalender zu verwenden.

d) Auf die Frage der Gleichbehandlung oder der Unverhältnismäßigkeit der Weisung kommt es damit nicht mehr an, obgleich die Kammer die Auffassung des Klägers insoweit nicht teilt und davon ausgeht, dass die Beklagte nicht gehindert wäre, auf der Grundlage einer mitbestimmten Regelung eine entsprechende Anweisung zu erteilen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

D.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Der Streitwert wird gemäß § 3 ZPO in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit mit einem Bruttomonatsgehalt des Klägers festgesetzt.

E.

Es ist kein Grund gegeben, die Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG gesondert zuzulassen. Die Beklagte kann nach Maßgabe folgender RechtsmittelbelehrungBerufung einlegen.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Datum vom 4.12.2015 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 4.094 € festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Abmahnung. Der Kläger ist seit dem 5.5.1980 zuletzt als Verkehrsmeister bei der Beklagten zu einem Bruttomonatsgehalt von 4.094,00 € beschäftigt. Zu seinen Aufgaben zählt die Planung und Umsetzung von Baumaßnahmen, wozu auch die Vereinbarung von Terminen mit internen und externen Stellen gehört.

Seit 1.11.2013 gilt bei der Beklagten eine „Betriebsvereinbarung zum Umgang mit Informations- und Kommunikationsanlagen“ (Bl. 8 ff. d.A.). Diese regelt in Abschnitt I ihren sachlichen und persönlichen Geltungsbereich. In sachlicher Hinsicht lautet die Regelung, soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung:

§ 1 Sachlicher Geltungsbereich

Diese Betriebsvereinbarung enthält grundsätzliche Bestimmungen und Richtlinien zum Umgang mit Infomations- und Kommunikationsanlagen (IuK-Anlagen). IuK-Anlagen im Sinne dieser Regelung sind alle bei der VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft zur Verfügung gestellten Dienste sowie die Endgeräte zu deren Nutzung.

Abschnitt II (Grundsätze) lautet auszugsweise, soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung:

§ 3 Dienstliche Nutzung

Die zur Verfügung gestellten IuK-Anlagen sind grundsätzlich für dienstliche Zwecke bestimmt. Dienstlichen Zwecken dienen alle Tätigkeiten, die die Arbeitnehmer in Erfüllung ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit für den Arbeitgeber erledigen. Der Arbeitgeber hat dabei Zugang zu allen relevanten dienstlichen Informationen. […]

§ 4 Einwilligung in die Nutzungsbedingungen bei Privatnutzung

(1) Die private Nutzung von dienstlich überlassenen IuK-Anlagen ist nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer eine individuelle Einwilligung in die Nutzungsbedingungen (Nutzungsvereinbarung, vgl. Anlage 1) unterzeichnet. Diese wird in der Personalakte dokumentiert.

(2) Die Nutzungsbedingungen sind in den folgenden Abschnitten III und IV geregelt.

Die Abschnitte III und IV betreffen die Nutzungsbedingungen für die Privatnutzung sowie Kontrollen durch den Arbeitgeber. Abschnitt V enthält eine salvatorische Klausel sowie Schlussbestimmungen zum Inkrafttreten und zur Beendigung der Betriebsvereinbarung und zu ihrer Fortschreibung sowie einen Verweis auf die Anlagen.

Bei der Beklagten wird die Bürosoftware Microsoft Office eingesetzt, die unter anderem die Möglichkeit der Terminverwaltung in einem persönlichen Kalender bietet. Außerdem nutzt die Beklagte die Funktion sog. Gruppenkalender, auf die mehrere Personen Zugriff haben. Im November 2015 richtete die Beklagte einen Gruppenkalender „Tram“ ein. Am 24.11.2015 wies der Gruppenleiter des Klägers die Verkehrsmeister Baumaßnahmen/Sonderverkehre, unter ihnen den Kläger, an, den Gruppenkalender „Tram“ für die Verwaltung der betrieblichen Termine zu nutzen. In einem Gespräch am selben Tag wiederholte der Gruppenleiter diese Aufforderung; der Kläger lehnte dies ab. In einem weiteren Gespräch am 30.11.2015 hielt der Kläger an seiner Ablehnung fest.

Mit Schreiben vom 4.12.2015 (Bl. 6 f. d.A.) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung, weil er sich entgegen der erteilten Anweisung weigere, geschäftliche Termine in den Funktionskalender „Tram“ einzutragen. Der Kläger sei verpflichtet, Weisungen seiner Führungskraft Folge zu leisten. Mit seiner Arbeitsverweigerung habe er seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt.

Mit seiner am 24.2.2016 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen diese Abmahnung. Er meint, die Anweisung zur Nutzung des Funktionskalenders verletze den Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil nur wenige bestimmte und nicht alle Mitarbeiter der Beklagten dieses System nutzen sollten. Die Einführung des Kalendersystems sei jedenfalls unverhältnismäßig, da er anstehende Termine im Falle der Arbeitsunfähigkeit auch per Fax übermitteln könne; in dringenden betrieblichen Fällen könne die Beklagte die Informationen seines persönlichen Kalenders nach der Betriebsvereinbarung auch ohne sein Einverständnis einsehen.

Darüber hinaus vertritt der Kläger die Auffassung, das Kalendersystem sei in rechtswidriger Weise eingeführt worden, da das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht beachtet worden sei.

Die Weisung sei daher ebenfalls rechtswidrig, infolgedessen liege der Abmahnung eine falsche rechtliche Bewertung zugrunde. Sie sei deshalb zu widerrufen und aus seiner Personalakte zu entfernen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, die ihm mit Datum vom 4.12.2015 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus seiner Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt für sich ein legitimes Interesse an der Kenntnis von betrieblichen Terminen des Klägers in Anspruch. Zweck der Maßnahme sei keine Kontrolle des Klägers. Eine Einsichtnahme in den Kalender des Klägers im Verhinderungsfall sei technisch aufwendig und schon deshalb kein gleich geeignetes Mittel.

Die Betriebsvereinbarung vom 1.11.2013 verwende einen sehr weiten Begriff der IuK-Anlage. Da die Nutzung der Endgeräte wie Computer und Laptop ohne Software keinen Sinn ergebe, falle zumindest Standard-Bürosoftware, also auch Microsoft Office, unter die Vereinbarung. Eine besondere Schutzbedürftigkeit des Klägers sei auch nicht ersichtlich, zumal die Beklagte unstreitig die Verwendung eines Papierkalenders anordnen könnte. Zudem verwende auch der Betriebsrat einen elektronischen Gruppenkalender.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien und der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 495 Abs. 1, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle der Güteverhandlung vom 22.3.2016 sowie der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 26.8.2016 Bezug genommen.

Gründe

A.

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG eröffnet. Das Arbeitsgericht Nürnberg ist gemäß §§ 12, 17 ZPO örtlich zuständig, da die Beklagte ihren Sitz in Nürnberg hat.

B.

Die zulässige Klage ist begründet.

I. Die Kammer versteht den klägerischen Antrag auf Rücknahme und Entfernung der Abmahnung der Personalakte als einheitliches Begehren. Rücknahme und Entfernung sind keine separaten Handlungen; vielmehr verlangt der Kläger die Rücknahme der Abmahnung aufgrund ihrer Rechtswidrigkeit; diese Abmahnung manifestiert sich in der Entfernung.

II. Ein solcher Rücknahme- und Entfernungsanspruch steht dem Kläger zu.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die erkennende Kammer folgt, kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen (BAG 27.11.2008 - 2 AZR 675/07 - NZA 2009, 842; BAG 22.02.2001 - 6 AZR 398/99 - EzBAT BAT § 11 Nr. 10; BAG 27.11.1985 - 5 AZR 101/84 - NZA 1986, 227). Bei der Abmahnung handelt es sich um die Ausübung eines arbeitsvertraglichen Gläubigerrechts durch den Arbeitgeber. Als Gläubiger der Arbeitsleistung weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rügefunktion). Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, wenn ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion) (BAG 27.11.2008 - 2 AZR 675/07 - NZA 2009, 842; BAG 15.07.1992 -7 AZR 466/91 - NZA 1993, 220). Eine solche missbilligende Äußerung des Arbeitgebers in Form einer Abmahnung ist geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. Deshalb kann der Arbeitnehmer die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält oder auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, wenn sie sie statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, sowie wenn kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht (BAG 27.11.2008 - 2 AZR 675/07 - NZA 2009, 842 m.w.N.).

2. Die Abmahnung vom 4.12.2015 beruht auf einer unrichtigen rechtlichen Bewertung. Die Weisung zur Benutzung des Gruppenkalenders ist nicht vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 Satz 1 GewO gedeckt, weil die Einführung des Gruppenkalen-dersystems ohne die erforderliche Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 GewO erfolgte.

a) Die Nutzung der Gruppenkalenderfunktion bedarf der Mitbestimmung des Betriebsrats. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat dieser mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die technische Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Eine solche Einrichtung stellt auch der Gruppenkalender dar, den der Kläger nach dem Willen der Beklagten verwenden soll.

§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dient dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen und Gefahren durch die Möglichkeit der jederzeitigen Leistungs- und Verhaltenskontrolle aufgrund der Technisierung sowie den damit verbundenen Überwachungsdruck. Die Gefahren der technischen Überwachung liegen vor allem darin begründet, dass praktisch dauernd und ununterbrochen eine große Anzahl von Daten erhoben werden kann. Die technisierte Ermittlung von Verhaltens- und Leistungsdaten ist darüber hinaus für den Arbeitnehmer in vielen Fällen nicht wahrnehmbar, seine Abwehrreaktionen und -mechanismen gegen eine Überwachung und Kontrolle sind hierdurch ausgeschaltet. Der Arbeitnehmer kann sich der Beobachtung durch technische Geräte, die Informationen ermitteln sollen, praktisch nicht entziehen. Auf technischem Wege ermittelte Informationen werden regelmäßig aufgezeichnet und festgehalten mit der Folge, dass sie stets verfügbar bleiben. All diese Umstände bergen die Gefahr in sich, dass in Persönlichkeitsbereiche des Arbeitnehmers eingedrungen wird, die einer nichttechnischen Überwachung nicht zugänglich sind, und dass der Arbeitnehmer zum Objekt einer Überwachungstechnik gemacht wird, der er sich nicht entziehen kann (BAG 14.9.1984 - 1 ABR 23/82 - BAGE 46, 367).

Mit Blick auf diesen Normzweck kommt es nach der zutreffenden h.M. nicht auf eine Kontrollabsicht des Arbeitgebers an. Zur Überwachung bestimmt ist eine technische Einrichtung dann, wenn diese aufgrund des verwendeten Programmes Verhaltens- oder Leistungsdaten selbst erhebt und aufzeichnet unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die durch die technische Einrichtung erfassten und festgehaltenen Verhaltens- und Leistungsdaten auch auswerten oder zu Reaktionen auf festgestellte Verhaltens- oder Leistungsweisen verwenden will. Das gilt auch, wenn die leistungs- oder verhaltensbezogenen Daten nicht auf technischem Wege (durch die Einrichtung selbst) gewonnen werden, sondern dem System zum Zwecke der Speicherung und Verarbeitung eingegeben werden müssen (BAG 14.9.1984 - 1 ABR 23/82 - BAGE 46, 367; BAG 14.11.2006 - 1 ABR 4/06 - BAGE 120, 146; Löwisch/Kaiser, BetrVG, 6. Aufl. 2010, § 87 Rn. 137 m.w.N.).

Demnach unterliegt die Einführung und Benutzung des Gruppenkalenders „Tram“ ohne Weiteres der Mitbestimmung des Betriebsrats. Der Kalender ist digital gespeichert und hält Daten zur Arbeitsleistung des Klägers, nämlich seine Terminplanung, dauerhaft fest. Er ermöglicht damit die technische Auswertung dieser Leistungsdaten unabhängig davon, dass die Beklagte erklärt, sie habe an einer Auswertung und Kontrolle kein Interesse.

b) Die Betriebspartner haben über die Einführung und Benutzung des Kalenders auch keine mitbestimmte Regelung getroffen. Die Betriebsvereinbarung vom 1.11.2013 erfasst diese Form der Kalendernutzung nicht.

aa) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 12.4.2011 - 1 AZR 412/09 -BAGE 137, 300; Richardi, BetrVG, 15. Aufl. 2016, § 87 Rn. 115 Löwisch/Ka/ser § 77 Rn. 31 m.w.N.).

bb) Der weite Wortlaut des § 3 der Betriebsvereinbarung vom 1.11.2013 erfasst auch die Nutzung eines Gruppenkalenders („Dienstlichen Zwecken dienen alle Tätigkeiten, die die Arbeitnehmer in Erfüllung ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit für den Arbeitgeber erledigen. Der Arbeitgeber hat dabei Zugang zu allen relevanten dienstlichen Informationen.“). Insoweit verweist die Beklagte mit Recht darauf, dass nach § 1 der Betriebsvereinbarung alle bei der Beklagten zur Verfügung gestellten Dienste sowie die Endgeräte zu deren Nutzung der Betriebsvereinbarung unterliegen.

cc) Der systematische Gesamtzusammenhang der Vorschriften der Betriebsvereinbarung lässt jedoch erkennen, dass deren Regelungsgegenstand nicht die Verwendung der von der Beklagten eingesetzten Software im Rahmen der Arbeitsleistung, sondern die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für eine private Nutzung der dienstlichen IuK-Anlagen. So stellt § 3 erkennbar lediglich den Grundsatz klar, dass die zur Verfügung gestellten IuK-Anlagen für dienstliche Zwecke bestimmt sind und deshalb grundsätzlich dem Zugriff des Arbeitgebers unterliegen. Alle folgenden Vorschriften (§§ 4-16) betreffen die private Nutzung der IuK-Anlagen.

dd) Eine ausdrückliche Regelung zum Zweck der Betriebsvereinbarung existiert nicht. Die Regelung in § 3 legt die Vermutung nahe, dass die Betriebspartner davon ausgegangen sind, dass die dienstliche Nutzung der IuK-Anlagen zulässig ist. Das entbindet sie aber nicht vom Erfordernis, hierzu konkret eine mitbestimmte Regelung zu treffen. Insoweit folgt die Kammer den Einlassungen der Klägervertreterin im Kammertermin am 26.8.2016. Aus einer allgemein gehaltenen Feststellung, dass IuK-Anlagen dienstlichen Zwecken dienen und der Arbeitgeber dabei Zugriff auf alle relevanten dienstlichen Informationen hat, kann nicht der Rückschluss gezogen werden, der Betriebsrat habe damit der Nutzung jeglicher Software im Betrieb zugestimmt.

Auch eine auf die Nutzung von Standard-Bürosoftware begrenzte Zustimmung lässt sich hieraus entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entnehmen. Gegen eine derart weite Interpretation der Betriebsvereinbarung sprechen neben dem bereits erörterten Gesamtzusammenhang der Regelung vor allem Bestimmtheitsgründe. Die Abgrenzung, was von der Einigung noch erfasst sein soll und was nicht, würde damit dem Anwender oder den Gerichten überantwortet. Die Betriebspartner hätten dann aber unzulässigerweise den Gegenstand der Betriebsvereinbarung nicht hinreichend bestimmt.

c) Technische Kontrolleinrichtungen, über deren Einführung und/oder Benutzung der Betriebsrat entgegen § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht mitbestimmt hat, müssen die Arbeitnehmer nicht bedienen oder verwenden (Fitting § 87 Rn. 256; Richardi § 87 Rn. 533; D/K/K/W/Klebe § 87 Rn. 166; Löwisch/Kaiser § 87 Rn. 145). Die fehlende Mitbestimmung des Betriebsrats macht die darauf gerichtete Weisung des Arbeitgebers per se unbillig und damit rechtswidrig (vgl. Staudinger/Rieble § 315 Rn. 205 f.).

Infolgedessen ist auch die Abmahnung vom 4.12.2015 rechtswidrig, da sie zu Unrecht von der Wirksamkeit der Weisung an den Kläger ausgeht, den Gruppenkalender zu verwenden.

d) Auf die Frage der Gleichbehandlung oder der Unverhältnismäßigkeit der Weisung kommt es damit nicht mehr an, obgleich die Kammer die Auffassung des Klägers insoweit nicht teilt und davon ausgeht, dass die Beklagte nicht gehindert wäre, auf der Grundlage einer mitbestimmten Regelung eine entsprechende Anweisung zu erteilen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

D.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Der Streitwert wird gemäß § 3 ZPO in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit mit einem Bruttomonatsgehalt des Klägers festgesetzt.

E.

Es ist kein Grund gegeben, die Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG gesondert zuzulassen. Die Beklagte kann nach Maßgabe folgender RechtsmittelbelehrungBerufung einlegen.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 2. Mai 2012 - H 6 TaBV 103/11 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Verwendung von „Google Maps“ zu Abrechnungszwecken.

2

Die Arbeitgeberin betreibt ein zum Konzern „Deutsche Post DHL“ gehörendes Logistikunternehmen. Antragsteller ist der für die Standorte Neumünster, Hamburg, Bremen und Hannover gebildete Betriebsrat.

3

Im Konzern besteht eine Konzernbetriebsvereinbarung „Informationstechnologie des Konzerns Deutsche Post AG“ vom 20. August/22. September 2004 (KBV 2004). Diese beschreibt und regelt das Verfahren für die IT-mäßige Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten (§ 1 Abs. 1 KBV 2004). Bei der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin bestand eine im Jahr 1997 abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung über die Einführung und den Betrieb EDV-gestützter Systeme (GBV 1997). Deren Regelungsgegenstand war die Planung, Einführung und Nutzung eines EDV-Systems sowie die Arbeitsorganisation (Nr. 3 GBV 1997). Die GBV 1997 ist im Jahr 2005 gekündigt worden.

4

Im Juni 2009 beantragte ein Arbeitnehmer die Erstattung von Reisekosten für die Teilnahme an einer Betriebsversammlung. Da die im Antrag angegebene Fahrtstrecke dem Niederlassungsleiter überhöht erschien, ermittelte dieser mit dem Routenplaner von „Google Maps“ die Entfernung zwischen der Wohnanschrift des Arbeitnehmers und dem Ort der Betriebsversammlung. Der betroffene Arbeitnehmer wurde auf die nach Auffassung der Arbeitgeberin überhöhte Kilometerangabe in der Reisekostenabrechnung hingewiesen und später abgemahnt.

5

Der Betriebsrat verlangte von der Arbeitgeberin daraufhin, die Anwendung von „Google Maps“ im Betrieb zu unterlassen.

6

Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Nutzung dieses Routenplaners im Betrieb unterliege nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG seinem Mitbestimmungsrecht. Das Programm sei dazu bestimmt, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.

7

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,

        

1.    

der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, im Betrieb das Programm „Google Maps“ anzuwenden, solange eine Einigung mit dem Betriebsrat hierzu nicht erzielt oder durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist;

                 

hilfsweise

                 

der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, im Betrieb das Programm „Google Maps“ unter Verwendung von personenbezogenen oder personenbeziehbaren Daten ihrer Arbeitnehmer anzuwenden, insbesondere unter Verwendung von Wohnanschriften zur Überprüfung von Fahrstreckenangaben ihrer Arbeitnehmer, solange eine Einigung mit dem Betriebsrat nicht erzielt oder durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist;

                 

höchst hilfsweise,

                 

der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Informationen, die sie unter Verwendung personenbezogener oder personenbeziehbarer Daten ihrer Arbeitnehmer durch das Programm „Google Maps“ gewonnen hat, zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle zu verwenden, solange eine Zustimmung des Betriebsrats oder des Gesamtbetriebsrats nicht vorliegt oder durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist;

        

2.    

der Arbeitgeberin für jede Zuwiderhandlung gegen die unter 1. genannte Verpflichtung ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 Euro anzudrohen.

8

Die Arbeitgeberin hat die Abweisung der Anträge beantragt.

9

Das Arbeitsgericht hat den Hauptantrag sowie den dort allein gestellten ersten Hilfsantrag und den Antrag zu 2. abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen und den in der Beschwerdeinstanz erstmals gestellten zweiten Hilfsantrag zum Antrag zu 1. abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat die ursprünglich gestellten Anträge weiter.

10

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag zu 1. und den ersten Hilfsantrag sowie den darauf bezogenen Antrag zu 2. zu Recht abgewiesen. Das beanspruchte Mitbestimmungsrecht bei der Anwendung des Routenplaners „Google Maps“ besteht nicht. Den zweiten Hilfsantrag zum Antrag zu 1. hat das Beschwerdegericht rechtskräftig abgewiesen.

11

I. Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist nicht, ob der Betriebsrat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus der KBV 2004 oder der GBV 1997 herleiten kann. Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 18. Mai 2010 (- 1 ABR 6/09 - BAGE 134, 249) einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats aus den vom Konzern- bzw. Gesamtbetriebsrat abgeschlossen Vereinbarungen mit der Begründung verneint, der Betriebsrat habe aus eigenem Recht grundsätzlich keinen Anspruch auf Durchführung einer von einer anderen Arbeitnehmervertretung in originärer Zuständigkeit abgeschlossenen Betriebsvereinbarung. Dem tritt die Rechtsbeschwerde nicht entgegen. Sie hat ihren Anspruch im Rechtsbeschwerdeverfahren allein auf die Verletzung eines aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG abgeleiteten Mitbestimmungsrechts beschränkt. Dies hat der Betriebsrat in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt. Entsprechend dem so bestimmten Verfahrensgegenstand verfolgt der Betriebsrat auch den in der Beschwerdeinstanz erhobenen zweiten Hilfsantrag zum Antrag zu 1. nicht mehr weiter.

12

II. Die zulässigen Anträge sind unbegründet.

13

1. Der Hauptantrag des Betriebsrats ist nach der gebotenen Auslegung zulässig.

14

a) Nach seinem Wortlaut ist der Hauptantrag auf die Unterlassung der Anwendung von „Google Maps“ gerichtet. Ein solches Antragsverständnis würde auch die Nutzung dieses Routenplaners im Betrieb der Arbeitgeberin umfassen, selbst wenn dabei keine leistungs- oder verhaltensbezogenen Daten von Arbeitnehmern erhoben würden. In diesem Sinn kann der Antrag jedoch nicht verstanden werden. Nach der im Hilfsantrag enthaltenen Einschränkung („insbesondere”) ist bereits der Hauptantrag entsprechend dem betrieblichen Anlassfall dahingehend zu verstehen, dass es dem Betriebsrat um die Untersagung der Nutzung dieses Routenplaners für die Ermittlung der Wegstrecke zwischen der Wohnadresse von Arbeitnehmern zum Arbeitsort geht, soweit diese Angaben für einen Abgleich in Reisekostenanträgen der Belegschaft herangezogen werden sollen. Nur hierüber geht der Streit der Beteiligten. Bei diesem Verständnis des Hauptantrags ist der erste Hilfsantrag des Betriebsrats gegenstandslos.

15

b) Der so verstandene Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Arbeitgeberin könnte bei einer Verurteilung mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, was von ihr verlangt wird.

16

c) Am Rechtsbeschwerdeverfahren sind nur der Betriebsrat und die Arbeitgeberin beteiligt.

17

aa) Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz im Einzelfall am Verfahren beteiligt sind. Beteiligte in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen ist. Die ordnungsgemäße Anhörung der Verfahrensbeteiligten ist von Amts wegen noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu prüfen (BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR 17/12 - Rn. 11).

18

bb) Aufgrund der vom Betriebsrat vorgenommenen Beschränkung des Verfahrensgegenstands in der Rechtsbeschwerdeinstanz muss der Senat die von den Vorinstanzen unterlassene Beteiligung des Konzern- und des Gesamtbetriebsrats sowie möglicher anderer Betriebsräte im Konzern der Arbeitgeberin nicht nachholen. Von der Entscheidung über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts entsprechend dem betrieblichen Anlassfall sind andere Arbeitnehmervertretungen in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung nicht unmittelbar betroffen.

19

2. Der Antrag ist unbegründet. Ein Mitbestimmungstatbestand nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG liegt nicht vor.

20

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat ua. mitzubestimmen bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. „Überwachung“ im Sinne der genannten Vorschrift ist ein Vorgang, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers erhoben und - jedenfalls in der Regel - aufgezeichnet werden, um sie auch späterer Wahrnehmung zugänglich zu machen. Die Informationen müssen auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden, so dass sie zumindest für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben und vom Arbeitgeber herangezogen werden können (BAG 27. Januar 2004 - 1 ABR 7/03 - Rn. 27, BAGE 109, 235). Die Überwachung muss aber durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden. Dazu muss diese aufgrund ihrer technischen Natur unmittelbar, dh. wenigstens in ihrem Kern die Überwachung vornehmen, indem sie das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer kontrolliert. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG setzt daher voraus, dass die technische Einrichtung selbst und automatisch die Daten über bestimmte Vorgänge verarbeitet(BAG 8. November 1994 - 1 ABR 20/94 - zu B I 1 der Gründe). Ausreichend ist, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer technischen Einrichtung erfolgt (BAG 15. Dezember 1992 - 1 ABR 24/92 - zu B Il 1 b der Gründe). Zur Überwachung „bestimmt“ sind technische Einrichtungen dann, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens- oder Leistungsinformationen der Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen; auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an.

21

b) Danach unterliegt der Einsatz des Routenplaners „Google Maps“ nicht dem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

22

aa) Dieser internetbasierte Routenplaner schlägt dem Nutzer entsprechend den von ihm gewählten Vorgaben verschiedene Routen für die von ihm eingegebene Strecke vor. Für diese Wegstrecken werden ua. die zurückzulegenden Kilometer und die von den jeweiligen Verkehrsverhältnissen sowie den eingestellten Wegstreckenparametern abhängigen geschätzten Fahrtzeiten angezeigt. Der Nutzer des Routenplaners erhält nur Angaben über die vom System vorgeschlagenen Fahrmöglichkeiten, nicht aber über eine tatsächlich zurückgelegte Wegstrecke. Diese wird vom Routenplaner nicht ermittelt. Eine Aufzeichnung von Informationen über das Fahrverhalten in Echtzeit nimmt der Routenplaner, anders als etwa GPS-Systeme, nicht vor.

23

bb) Die Vorinstanzen haben nicht aufgeklärt, ob die Arbeitgeberin den Routenplaner auch dazu einsetzt, die Entfernungsangaben der Arbeitnehmer in den Reisekostenanträgen im Sinne einer Ehrlichkeitskontrolle zu überprüfen oder nur zur Ermittlung der kürzesten Wegstrecke für die von ihr zu ersetzenden Reisekosten. Im letztgenannten Fall fehlte es schon an der Bestimmtheit der technischen Einrichtung für die Überwachung der Leistung oder des Verhaltens der Arbeitnehmer iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Die Arbeitgeberin erstattet Reisekosten nur für die kürzeste verkehrsübliche Wegstrecke zwischen dem Ausgangs- und dem Arbeitsort. Für deren Berechnung sind die Entfernungsangaben der Arbeitnehmer in ihren Erstattungsanträgen jedoch ohne Bedeutung.

24

cc) Die Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG lägen aber auch dann nicht vor, wenn zugunsten des Betriebsrats unterstellt würde, dass die Arbeitgeberin den Routenplaner von „Google Maps“ nicht ausschließlich für die Berechnung der erstattungsfähigen Reisekosten einsetzt. Es fehlt an der notwendigen Leistungs- oder Verhaltenskontrolle durch eine technische Einrichtung.

25

Die Überprüfung der in den Reisekostenanträgen enthaltenen Entfernungsangaben wird nicht durch den Routenplaner, sondern ausschließlich durch menschliches Handeln in Gang gesetzt. Der mit der Prüfung der Fahrtkostenabrechnung betraute Bearbeiter entscheidet eigenständig über den Einsatz des Routenplaners und die Verwendung der mit seiner Hilfe erzielten Informationen. Die Reaktion auf Unstimmigkeit bei der Angabe der Wegstrecke wird nicht durch die dabei gewonnenen Ergebnisse bestimmt, sondern hängt davon ab, ob der jeweilige Bearbeiter weitere Schritte zur Aufklärung der Angaben aus der Fahrtkostenabrechnung für notwendig hält. Anders als bei einer automatisierten Verhaltens- und Leistungskontrolle sind der Einsatz des Routenplaners und die Reaktion auf die durch seine Verwendung gewonnenen Erkenntnisse vom Tätigwerden einer kontrollierenden Person abhängig.

26

dd) Eine andere Auslegung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gebietet auch nicht der Normzweck.

27

(1) Sinn der Vorschrift ist es, Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich der Arbeitnehmer durch Verwendung anonymer technischer Kontrolleinrichtungen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen (BAG 27. Januar 2004 - 1 ABR 7/03 - zu B II 1 c der Gründe, BAGE 109, 235). Die auf technischem Weg erfolgte Ermittlung und Aufzeichnung von Informationen über den Arbeitnehmer bergen die Gefahr in sich, dass in dessen Persönlichkeitsbereiche eingedrungen wird, die einer nicht technischen Überwachung nicht zugänglich sind, und dass der Arbeitnehmer zum Objekt einer Überwachungstechnik gemacht wird, der er sich nicht entziehen kann (BAG 18. Februar 1986 - 1 ABR 21/84 - zu B II 3 b der Gründe, BAGE 51, 143). Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers wird bei einer technisierten Ermittlung von Verhaltens- und Leistungsdaten wegen der - gegenüber einer Überwachung durch Menschen - ungleich größeren Möglichkeit zur durchgehenden Datenverarbeitung besonders gefährdet. Darüber hinaus sind die Abläufe der technikgestützten Datenermittlung für den Arbeitnehmer vielfach nicht wahrnehmbar und es fehlt regelmäßig an einer Möglichkeit, sich ihr zu entziehen. Die Einbindung in eine von ihm nicht beeinflussbare Überwachungstechnik kann zu erhöhter Abhängigkeit führen und damit die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hindern (BAG 8. November 1994 - 1 ABR 20/94 - zu B I 1 der Gründe).

28

(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind derartige Wirkungen mit der Nutzung des internetbasierten Routenplaners bei der Überprüfung von Angaben in Fahrtkostenabrechnungen allein noch nicht verbunden. Vielmehr steht die Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Nachprüfung ebenso wie die Entscheidung über den Einsatz von weiteren Aufklärungsmitteln allein in der Entscheidungsbefugnis des Bearbeiters. Eine Automatik, dass dem Arbeitnehmer allein beim Auftreten von Differenzen in den Entfernungsangaben zwischen seiner Fahrtkostenabrechnung und der individuellen Routenplanerrecherche eines Sachbearbeiters vorgegebene Maßnahmen drohen, ist weder offensichtlich noch vom Landesarbeitsgericht festgestellt. Auch eine Einflussnahme zu einem bestimmten Verhalten, nämlich die kürzeste Fahrtstrecke zu benutzen, erfolgt allenfalls durch die arbeitgeberseitigen Vorgaben für die Erstattung von Reisekosten, nicht aber durch den Einsatz des Routenplaners.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Schäferkord    

        

    Schwitzer    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 29. November 2013 - 10 Sa 696/13 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Anrechnung tariflicher Entgelterhöhungen auf eine übertarifliche Zulage.

2

Der Kläger ist als Projektingenieur in E (Nordrhein-Westfalen) beschäftigt. Nach einer am 14./20. Januar 1988 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossenen „Anstellungsvereinbarung“ setzte sich seine Vergütung aus einem monatlichen Grundgehalt nach dem „Manteltarifvertrag der Hessischen Metallindustrie“ und einer „freiwilligen, jederzeit widerruflichen übertariflichen Zulage“ iHv. 1.686,00 DM brutto zusammen. Im Übrigen heißt es dort, dass sich „alle weiteren das Arbeitsverhältnis betreffenden Punkte … nach den jeweils gültigen Bestimmungen des Tarifvertrages der Hessischen Metallindustrie …“ richten.

3

Mit Wirkung vom 1. April 2007 ging das Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs auf die nicht tarifgebundene Beklagte über. Zu diesem Zeitpunkt erhielt der Kläger ein Tarifentgelt iHv. 3.802,00 Euro brutto, eine Leistungszulage iHv. 25 % des Tarifentgelts (940,50 Euro brutto) und eine - von beiden Parteien so bezeichnete - „freiwillige übertarifliche Zulage (FÜZ)“ iHv. 325,18 Euro brutto. Die zwischen der Industriegewerkschaft Metall und dem Verband der Metall- und Elektrounternehmen Hessen eV vereinbarten Tarifentgelterhöhungen ab 1. Juni 2007 bis einschließlich 1. April 2011 gab die Beklagte nicht an den Kläger weiter. Nachdem das Bundesarbeitsgericht in einem von einem Kollegen des Klägers angestrengten Rechtsstreit zu einer inhaltsgleichen Verweisungsklausel rechtskräftig festgestellt hatte, dass die Beklagte als Betriebserwerberin verpflichtet ist, die Entgelttarifverträge für die Hessische Metallindustrie in der jeweils gültigen Fassung anzuwenden (21. Oktober 2009 - 4 AZR 396/08 -), traf diese am 29. Juni 2010 die - auch andere Arbeitnehmer betreffende - Entscheidung, die tariflichen Entgelterhöhungen auf die freiwillige übertarifliche Zulage anzurechnen.

4

Der in dem Betrieb E gebildete Betriebsrat leitete daraufhin ein Beschlussverfahren mit dem Antrag ein, ua. „festzustellen, dass ihm ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der ungleichmäßigen Verrechnung der … freiwilligen (übertariflichen) Zulage (FÜZ) durch die Antragsgegnerin zusteht“. Das Arbeitsgericht Düsseldorf wies den Feststellungsantrag mit Beschluss vom 28. Juli 2011 ab (- 5 BV 62/11 -). Die Beschwerde des Betriebsrats vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (9. Februar 2012 5 TaBV 74/11 -) blieb ebenso ohne Erfolg wie seine Nichtzulassungsbeschwerde (BAG 24. Juli 2012 - 1 ABN 42/12 -).

5

Anlässlich der Anhebung des Tarifentgelts ab dem 1. Mai 2012 erhöhte die Beklagte das Entgelt und die Leistungszulage des Klägers um 4,3 %, kürzte allerdings die freiwillige übertarifliche Zulage um den Steigerungsbetrag.

6

Mit seiner Klage hat der Kläger - soweit für die Revision noch von Bedeutung - die ungekürzte Zahlung der freiwilligen übertariflichen Zulage für die Zeit von Oktober 2008 bis Oktober 2012 iHv. insgesamt 14.242,89 Euro brutto sowie für den Zeitraum vom Mai 2012 bis Oktober 2012 iHv. weiteren 1.226,16 Euro brutto geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Anrechnung der Tarifentgelterhöhung sei mangels Beteiligung des Betriebsrats unwirksam. Die rechtskräftige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 9. Februar 2012 (- 5 TaBV 74/11 -) sei für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Einfluss. Er sei an diesem Beschlussverfahren nicht beteiligt gewesen.

7

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - in der Sache - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen,

        

1.    

an ihn (weitere) 14.242,89 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. November 2012 zu zahlen,

        

2.    

an ihn 1.226,16 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. November 2012 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

9

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag zu 1., mit dem der Kläger erstinstanzlich eine Gesamtforderung von 27.236,74 Euro erhoben hat, in Höhe von 12.993,85 Euro stattgegeben; dies betrifft die Differenz zwischen dem für die Zeit Oktober 2008 bis Oktober 2012 beanspruchten tariflichen Entgelt einschließlich einer in ihrer Höhe davon abhängigen Leistungszulage unter Anrechnung der Tariferhöhung auf die freiwillige übertarifliche Zulage zuzüglich der für diesen Zeitraum beanspruchten tariflichen Sonderzahlungen und der Differenzen zwischen tariflichem und gezahltem Weihnachtsgeld sowie Urlaubsgeld, bei denen die Beklagte keine Verrechnung mit der Zulage angebracht hat. Das Landesarbeitsgericht hat die nur von dem Kläger eingelegte Berufung mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage im Übrigen abgewiesen wird. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger die von seinen Anträgen zu 1. und zu 2. umfassten ursprünglichen Zahlungsziele weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem Klageantrag zu 1. zu Recht nicht in der geltend gemachten Höhe entsprochen. Bei dem Klageantrag zu 2. ist die Revision bereits deshalb unbegründet, weil es insoweit an einer zulässigen Berufung des Klägers gegen die arbeitsgerichtliche Entscheidung fehlt.

11

I. Der Kläger kann die mit dem Klageantrag zu 1. verfolgte ungekürzte Zahlung der freiwilligen übertariflichen Zulage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beanspruchen.

12

1. Er hat im Streitzeitraum keinen vertraglichen Anspruch auf die erstrebte weitere Vergütung.

13

a) Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien ein Entgelt, das sich aus einem Tarifentgelt und einer Zulage zusammensetzt, und erweist sich später das Tarifentgelt aus Rechtsgründen als zu niedrig angesetzt, besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Leistung der unverminderten Zulage neben dem erhöhten Tarifentgelt nur dann, wenn die Zulage als selbständiger, anrechnungsfester Bestandteil der Gesamtvergütung vereinbart ist (vgl. BAG 3. September 2014 - 5 AZR 109/13 - Rn. 12, BAGE 149, 78).

14

b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Parteien keinen eigenständigen und damit anrechnungsfesten Vergütungsbestandteil „freiwillige übertarifliche Zulage (FÜZ)“ iHv. 325,18 Euro brutto monatlich vereinbart haben. Dafür fehlt es nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts an Anhaltspunkten, zumal die Gesamtvergütung des Klägers - jedenfalls seit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs auf die Beklagte - auch eine „Leistungszulage“ enthielt. Dies hindert die Annahme eines besonderen Leistungszwecks der freiwilligen übertariflichen Zulage, der einer Anrechenbarkeit entgegenstehen könnte. Weiterhin hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Anrechnung individualrechtlich zulässig war. Gegenteiliges macht der Kläger mit seiner Revision auch nicht mehr geltend.

15

2. Die Beklagte ist auch nicht nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung verpflichtet, dem Kläger die begehrte ungekürzte freiwillige übertarifliche Zulage zu zahlen.

16

a) Nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls zur Unwirksamkeit von Maßnahmen oder Rechtsgeschäften, die den Arbeitnehmer belasten. Das soll verhindern, dass der Arbeitgeber dem Einigungszwang mit dem Betriebsrat durch Rückgriff auf arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten ausweicht. Dem Arbeitgeber darf aus einer betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtwidrigkeit auch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses kein Vorteil erwachsen (BAG 22. Oktober 2014 - 5 AZR 731/12 - Rn. 31, BAGE 149, 343). Verletzt der Arbeitgeber bei einer Anrechnung von Tarifsteigerungen auf Zulagen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, hat dies die Unwirksamkeit der Anrechnung zur Folge (vgl. BAG 22. Mai 2012 - 1 AZR 94/11 - Rn. 29 mwN).

17

b) Die Beklagte hat bei der Anrechnung der Tarifentgelterhöhungen auf die freiwillige übertarifliche Zulage kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt. Dies steht aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (9. Februar 2012 - 5 TaBV 74/11 -) in dem vom Betriebsrat angestrengten Beschlussverfahren fest und schließt eine abweichende gerichtliche Beurteilung zu einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anrechnungsentscheidung der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit aus.

18

aa) Der Betriebsrat hatte bei der Anrechnungsentscheidung der Arbeitgeberin nach rechtskräftiger Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen.

19

(1) Nach dem auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 322 Abs. 1 ZPO sind Beschlüsse der Rechtskraft fähig, soweit über den durch den Antrag erhobenen Anspruch entschieden ist(BAG 5. März 2013 - 1 ABR 75/11 - Rn. 12 mwN). Der Begriff des Anspruchs in § 322 Abs. 1 ZPO bezeichnet den prozessualen Anspruch im Sinn der Streitgegenstandslehre. Dieser richtet sich nach dem zur Entscheidung gestellten Antrag und dem zugehörigen Lebenssachverhalt, aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird. Dabei sind die Gründe des Beschlusses ergänzend heranzuziehen, wenn die Entscheidungsformel, wie insbesondere bei einer den Antrag abweisenden Entscheidung, den Streitgegenstand und damit den Umfang der Rechtskraft nicht erkennen lässt (BAG 5. März 2013 - 1 ABR 75/11 - Rn. 13 mwN).

20

(2) Das Landesarbeitsgericht hat rechtskräftig über das Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts bei vergangenheits-, gegenwarts- und zukunftsbezogenen Anrechnungen von Tariflohnerhöhungen auf die freiwillige übertarifliche Zulage entschieden. In dem von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Betriebsrat des E Betriebs ua. ein Mitbestimmungsrecht bei der „ungleichmäßigen Verrechnung der … freiwilligen (übertariflichen) Zulage“ (FÜZ) durch die Arbeitgeberin reklamiert. Die erstrebte Feststellung bezog sich - zumindest auch - auf die am 29. Juni 2010 getroffene Entscheidung der Beklagten, Tariferhöhungen auf übertarifliche Zulagen anzurechnen. Für diese Angelegenheit ist mit der rechtskräftigen Antragsabweisung ein Mitbestimmungsrecht verneint worden.

21

bb) Der Kläger muss das rechtskräftige Ergebnis über ein fehlendes Beteiligungsrecht des Betriebsrat bei der Anrechnungsentscheidung gegen sich gelten lassen. Dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 9. Februar 2012 (- 5 TaBV 74/11 -) kommt insoweit eine präjudizielle Bindungswirkung zu.

22

(1) Rechtskräftige Beschlüsse im Beschlussverfahren über betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten können für spätere Individualstreitigkeiten auch dann präjudizielle Bindungswirkung entfalten, wenn der Arbeitnehmer am Beschlussverfahren nicht beteiligt gewesen ist. So ist etwa bei Entscheidungen über die Mitbestimmungspflichtigkeit einer Betriebsänderung für nachfolgende Ansprüche auf Nachteilsausgleich (§ 113 Abs. 3 BetrVG) oder eine Maßnahme des Arbeitgebers nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eine aus der Rechtskraft folgende Präklusionswirkung anzunehmen(vgl. BAG 10. März 1998 - 1 AZR 658/97 -; 31. Januar 1990 - 1 ABR 39/89 - BAGE 65, 28; 10. November 1987 - 1 AZR 360/86 - BAGE 56, 304). Unabhängig von Abgrenzungsfragen und terminologischen Unterschieden im Einzelnen ist eine präjudizielle Bindungswirkung oder Präklusionswirkung - auch außerhalb vom Bestehen ausdrücklicher Präklusionsnormen und des vom Wortlaut des § 325 ZPO vorgegebenen Rahmens - dann gerechtfertigt, wenn die Rechtslage des Arbeitnehmers primär durch eine kollektivrechtliche Vorfrage geprägt und daher seine individuelle Position in ein übergreifendes Bezugssystem eingebettet ist(vgl. BAG 18. Oktober 2006 - 2 AZR 434/05 - Rn. 44). Insoweit gründet sich die Bindungswirkung von Entscheidungen im Beschlussverfahren für einen nachfolgenden Individualrechtsstreit vor allem in der materiell- und verfahrensrechtlichen Kompetenz der Betriebsparteien. Allein dem Betriebsrat und nicht dem einzelnen Arbeitnehmer ist die Mitbestimmung in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten zugewiesen. In der Folge können einzelne Arbeitnehmer nicht gegenüber dem Betriebsrat verlangen, in einem bestimmten Sinn tätig zu werden, also etwa die Zustimmung zu einer mitzubestimmenden Maßnahme zu verweigern. Nur den Betriebsparteien - nicht den jeweiligen Arbeitnehmern - kommt die Befugnis zu, in einem Beschlussverfahren das (Nicht-)Bestehen von Mitbestimmungsrechten klären zu lassen. Entsprechend kann sich der einzelne Arbeitnehmer auch dann, wenn er an dem vorherigen Beschlussverfahren nicht beteiligt war, im nachfolgenden Individualprozess nicht darauf berufen, die Entscheidung über die kollektivrechtliche Streitfrage, die als Vorfrage auch im Individualprozess zu beantworten ist, sei unrichtig entschieden (vgl. BAG 10. März 1998 - 1 AZR 658/97 - zu III 2 a bb der Gründe; 3. Juli 1996 - 2 AZR 813/95 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 83, 267; 23. November 1993 - 1 AZR 441/93 - zu I 1 a der Gründe; 17. Februar 1992 - 10 AZR 448/91 - BAGE 69, 367; 10. November 1987 - 1 AZR 360/86 - zu 2 c der Gründe, BAGE 56, 304).

23

(2) Von einer präjudiziellen Wirkung ist daher auch auszugehen, wenn - wie im vorliegenden Rechtsstreit - in einem vorangegangenen Beschlussverfahren rechtskräftig über das Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Anrechnung von Tarifentgelterhöhungen auf freiwillige übertarifliche Zulagen befunden worden ist. Der Arbeitnehmer kann den auf die kollektivrechtliche Unwirksamkeit der Anrechnung gestützten Anspruch auf ungekürzte Zulagenzahlung nicht unabhängig von der für die Betriebsparteien rechtskräftigen betriebsverfassungsrechtlichen Beurteilung des Anrechnungstatbestands geltend machen. Die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung bezweckt den Schutz des Mitbestimmungsrechts. Ein hierauf gestützter Anspruch setzt ein mitbestimmungswidriges Verhalten des Arbeitgebers voraus. Ist in einem Beschlussverfahren allerdings rechtskräftig geklärt, dass kein Beteiligungsrecht des Betriebsrats besteht, fehlt es an einem zu schützenden Mitbestimmungsrecht, das durch die Anerkennung der (individualrechtlich wirkenden) Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung zu flankieren oder zu sichern wäre.

24

(3) Die Präjudizialität der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über das Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Anrechnung der Tarifentgelterhöhungen auf die freiwillige übertarifliche Zulage verletzt den am Beschlussverfahren nicht beteiligten Kläger - entgegen der Auffassung der Revision - nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Sind auf die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung gestützte Ansprüche eines Arbeitnehmers auf eine ungeschmälerte Zulagenzahlung allein von der kollektivrechtlichen Beteiligung des Betriebsrats bei der Anrechnung von Tariferhöhungen abhängig, betrifft der Streit der Betriebsparteien über den Bestand eines Mitbestimmungsrechts und eine gerichtliche Entscheidung hierüber nur die Betriebsparteien. In einem solchen Beschlussverfahren sind die Arbeitnehmer ebenso wenig aus Gründen des rechtlichen Gehörs zu beteiligen, wie sie etwa vom Betriebsrat vor einer Zustimmung zur Anrechnung gehört werden müssten. Die Bindung an die in einem Beschlussverfahren ergangene Entscheidung verkürzt auch keine originäre individuelle Rechtsposition der Arbeitnehmer. Sie bewirkt lediglich, dass im Hinblick auf die abschließend geklärte betriebsverfassungsrechtliche Fragestellung kein Anwendungsfall der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung vorliegt.

25

(4) Der Präjudizialität einer rechtskräftigen Entscheidung über den Bestand eines Mitbestimmungsrechts bei der Anrechnung steht die Entscheidung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Januar 1987 (- 6 AZR 589/84 -) nicht entgegen. Zwar hat der Sechste Senat hierin ausgeführt, trotz rechtskräftiger Abweisung eines Antrags des Personalrats auf Feststellung, der Arbeitgeber habe bei der Kürzung eines Essenzuschusses Mitbestimmungsrechte verletzt, seien die Gerichte für Arbeitssachen befugt, im Individualrechtsstreit selbständig zu prüfen, ob solche Mitbestimmungsrechte bestünden oder nicht. Seine Ausführungen zur Ablehnung einer Bindungswirkung waren aber nicht tragend; seine die Klage abweisende Entscheidung beruhte auf anderen Gründen.

26

II. Die Revision ist in Bezug auf den Klageantrag zu 2. bereits deshalb unbegründet, weil insoweit die Berufung des Klägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil unzulässig war. Es fehlt damit an einer - vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfenden - Prozessfortsetzungsvoraussetzung. Unerheblich ist, dass das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers insgesamt als zulässig angesehen hat (BAG 13. Oktober 2015 - 1 AZR 429/14 - Rn. 35 mwN).

27

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Bezieht sich das Rechtsmittel auf mehrere Ansprüche im prozessualen Sinn, ist zu jedem Anspruch eine ausreichende Begründung zu geben. Fehlen Ausführungen zu einem Anspruch, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig (BAG 13. Oktober 2015 - 1 AZR 429/14 - Rn. 36).

28

2. Diesen Grundsätzen genügte die Berufungsbegründung des Klägers bezogen auf den mit dem Antrag zu 2. eigenständig erhobenen Streitgegenstand nicht. Das Arbeitsgericht hat hierzu ausgeführt, die tatsächliche Entgelterhöhung im Mai 2012 sei nicht anspruchserhöhend zu werten, denn der Kläger habe die jeweiligen Tariferhöhungen bereits bei seiner Berechnung der monatlichen Entgeltdifferenzen ab Mai 2012 berücksichtigt. Damit setzt sich die Berufungsbegründung nicht auseinander.

        

    Schmidt    

        

    Treber    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    Sibylle Spoo    

        

    Hann    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.