Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 20. Juni 2017 - 5 TaBV 17/16

bei uns veröffentlicht am20.06.2017

Tenor

1. Auf die Beschwerde des beteiligten Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 01.06.2016 - 11 BV 7/16 - abgeändert.

Der Antrag wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs zum Auszahlungszeitpunkt einer Sonderzahlung sowie zu den Abstufungen einer Entgeltordnung.

2

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) betreibt im A-Stadt eine Rehabilitationseinrichtung, die D. Klinik, mit rund 120 Beschäftigten. Sie ist nicht tarifgebunden. Der Betriebsrat der D. Klinik (Beteiligter zu 2) besteht aus sieben Mitgliedern.

3

Die Arbeitgeberin stellte am 22.12.1995 eine ab 01.01.1996 gültige Sozialordnung auf, die folgende Regelung enthält:

4

"…

5

§ 12
Gratifikation

6

Der Arbeitgeber gewährt allen Mitarbeitern, die sich in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden, pro Jahr zum Mai und November eine Gratifikationszahlung. Die Höhe der Gratifikation beträgt 50% des jeweiligen durchschnittlichen Monatsgehalts.

7

Die Berechnung der Gratifikation erfolgt nach den durchschnittlichen festen Monatsbezügen des jeweiligen Kalenderhalbjahres (Summe feste Bruttobezüge Januar bis Juni : 12, bzw. Summe feste Bruttobezüge Juli bis Dezember : 12).

8

9

Mitarbeiter, die vor dem 01.09. des Kalenderjahres ausscheiden, haben die im Mai ausbezahlte; Mitarbeiter die vor dem 01.03. des folgenden Jahres ausscheiden, die im November ausbezahlte Gratifikation zurückzuzahlen.

10

Zeiten, in denen kein Anspruch auf Vergütung besteht, mindern die Gratifikation entsprechend, z. B. unbezahlter Urlaub, Wehrdienst, Wehrdienstübungen, unentschuldigte Fehlzeiten, Zeiten ohne Lohnfortzahlung, Erziehungsurlaub.

11

…"

12

Die Arbeitgeberin verabschiedete am 02.04.2014 rückwirkend zum 01.04.2014 eine Gehaltsrichtlinie für die D. Klinik, die nach insgesamt 15 Berufsgruppen unterscheidet und für jede Gruppe ein bestimmtes, nach Dauer der Berufserfahrung gestaffeltes Monatsbruttogehalt vorsieht.

13

Nach Einführung des Mindestlohns zum 01.01.2015 verzichtete die Arbeitgeberin bei denjenigen Arbeitnehmern, deren Stundenlohn € 10,50 oder weniger betrug, auf eine Rückzahlung der Gratifikation aus der Sozialordnung vom 22.12.1996.

14

Am 18.11.2015 schlossen die Beteiligten nach Anrufung der Einigungsstelle eine Betriebsvereinbarung über ein betriebliches Entgeltsystem (im Folgenden nur: BV Entgeltsystem). Nach § 3 Abs. 1 BV Entgeltsystem setzt sich das monatliche Entgelt aus dem Grundgehalt, Zulagen, Zuschlägen, vermögenswirksamen Leistungen und evtl. sonstigen Zahlungen nach der Sozialordnung vom 22.12.1995 sowie einer Arbeitsordnung vom 22.12.1995 zusammen. Die Betriebsvereinbarung enthält ein Entgeltgruppenschema mit insgesamt 13 Gruppen, die auf Qualifikationen und Tätigkeiten aufbauen (Anlage 3 zu § 4 BV Entgeltsystem).

15

Da sich die Beteiligten nicht über alle strittigen Punkte einigen konnten, fasste die Einigungsstelle ebenfalls am 18.11.2015 den folgenden Beschluss:

16

"Im Spruchwege ergangene

Betriebsvereinbarung Tabellenentgelte
in Ergänzung der Betriebsvereinbarung Entgeltsystem sowie

Zahlungstermine der Gratifikation
nach § 12 Sozialordnung vom 22. Dezember 1995

17

18

§ 2 Grundgehalt nach Tabelle

19

Das Verhältnis der Höhe der Grundgehälter nach den Entgeltgruppen im Sinne der Betriebsvereinbarung Entgeltsystem vom 18. November 2015 ergibt sich aus der Anlage 1 zu dieser Betriebsvereinbarung.

20

Der Arbeitgeber bestimmt mitbestimmungsfrei die Höhe des Basisentgelts der EG 1. Die Höhe der Grundgehälter nach den EG 2 bis 13 ergibt sich, indem das Basisentgelt mit den aus der Anlage 1 ersichtlichen Faktoren multipliziert wird. …

21

§ 3 Zahlung Gratifikation

22

Die dem Grunde und der Höhe nach gemäß den Voraussetzungen des § 12 der Sozialordnung des Arbeitgebers vom 22. Dezember 1995 (SO) zu gewährende Gratifikation wird entsprechend des Wortlauts des vorgenannten § 12 SO pro Jahr zum Mai und November ausgezahlt.

23

24

Anlage 1

25

Tabelle BV Entgeltsystem M. (Abstände in Prozent)

26

Entgeltgruppe           

        

1         

100,00

2         

105,38

3         

109,11

4         

119,62

5         

131,16

6         

134,20

7         

139,58

8         

148,00

9         

204,69

10       

235,50

11       

329,86

12       

426,04

13       

503,24 bis 564,24

27

…"

28

Die Prozentsätze errechnete die Einigungsstelle anhand der Abstände zwischen den jeweiligen Einstiegsgehältern gemäß Gehaltsrichtlinie der Arbeitgeberin vom 02.04.2014. Der vom Vorsitzenden eigenhändig unterzeichnete Einigungsstellenspruch ging der Arbeitgeberin am 25.11.2015 zu. Mit dem am 09.12.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat sie den Spruch gerichtlich angegriffen.

29

Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, die Einigungsstelle habe bei beiden Regelungsgegenständen das ihr zustehende Ermessen überschritten.

30

Die Gratifikation sei grundsätzlich auf den Mindestlohnanspruch anrechenbar. Da die Einigungsstelle nicht wie von der Arbeitgeberin beantragt eine monatliche Auszahlung der Gratifikation beschlossen habe, laufe die Arbeitgeberin Gefahr, gegen die Fälligkeitsregelung des Mindestlohngesetzes (§ 2 MiLoG) zu verstoßen. Um dies zu vermeiden, müsse die Arbeitgeberin das Entgelt erhöhen, was zu einer erheblichen, nicht auffangbaren finanziellen Belastung bei den Personalkosten führe, zumal auch noch größere Investitionen in die Klinikausstattung erforderlich seien. Entgegen dem Betriebsverfassungsgesetz nehme der Betriebsrat damit indirekt Einfluss auf die gerade nicht mitbestimmungspflichtige Höhe der Löhne. Die Arbeitgeberin habe bei Aufstellung der Sozialordnung im Jahr 1995 nicht ansatzweise mit der Einführung eines Mindestlohns rechnen können. Die Geschäftsgrundlage habe sich mit dem Mindestlohn geändert.

31

Ebenso wenig habe die Einigungsstelle bei Festsetzung der Prozentsätze in der Entgeltordnung Rücksicht auf die Finanzsituation der Arbeitgeberin genommen. Die Einigungsstelle sei willkürlich über den Vorschlag der Arbeitgeberin hinweggegangen, der nach Gruppen gestaffelt eine Steigerung auf insgesamt 360,61 % in der EG 12 und ein Entgelt von € 5.800,- bis € 6.500,- in der EG 13 bei Oberärzten vorgesehen habe. Die damalige Arbeitsmarktsituation habe dies so erforderlich gemacht. Durch die Einführung des Mindestlohns habe sich das Gehaltsgefüge deutlich verschoben.

32

Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich beantragt

33

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle mit Datum vom 18. November 2015 zur Betriebsvereinbarung Tabellenentgelte in Ergänzung der Betriebsvereinbarung Entgeltsystem sowie Zahlungstermine der Gratifikation nach § 12 Sozialordnung vom 22. Dezember 1995 mitsamt der ebenfalls im Spruchweg verabschiedeten Anlage 1 "Tabelle BV Entgeltsystem M. (Abstände in Prozent)" unwirksam ist.

34

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Der Einigungsstellenspruch sei nicht zu beanstanden. Er verstoße weder gegen zwingendes höherrangiges Recht noch sei er ermessensfehlerhaft.

35

Die Einigungsstelle habe zu Recht den von der Arbeitgeberin vorgegebenen Sinn und Zweck der Gratifikation berücksichtigt. Die Gratifikation diene nicht nur der Entlohnung der geleisteten Arbeit, sondern solle auch die Betriebstreue fördern (sog. Mischcharakter). Es gebe keinen Grund, gerade bei den Niedriglohnempfängern den Charakter der Gratifikation zu ändern und so die Belegschaft zu spalten. Abgesehen davon handele es sich um arbeitsvertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer, die der Betriebsrat ohnehin nicht ändern könne.

36

Bei dem Entgeltgruppenschema habe die Einigungsstelle die von der Arbeitgeberin festgelegten Abstände der Gruppen zueinander übernommen. Es gebe keine Anhaltspunkte für Änderungen bei den Wertigkeiten der Tätigkeiten. Eine Neubewertung sei nicht erforderlich gewesen.

37

Der Betriebsrat hat am 29.04.2016 beim Arbeitsgericht Stralsund ein weiteres Beschlussverfahren (Aktenzeichen 2 BV 7/16) eingeleitet mit dem Antrag, der Arbeitgeberin aufzugeben, die Höhe des Basisentgeltes der Entgeltgruppe 1 der BV Entgeltsystem rückwirkend zum 18.11.2015 zu bestimmen und dem Betriebsrat bekannt zu geben. Daraufhin übersandte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit Schreiben vom 09.05.2016 den neuen, ab 01.04.2016 gültigen Vergütungsrahmen, der in der Entgeltgruppe 1 ein Monatsbruttogehalt von € 1.209,- vorsieht.

38

Das Arbeitsgericht Stralsund hat mit Beschluss vom 01.06.2016 festgestellt, dass der Einigungsstellenspruch vom 18.11.2015 unwirksam ist. Der Spruch verstoße gegen § 2 MiLoG, da er eine Anrechnung der Gratifikation auf den Mindestlohnanspruch nur in den Auszahlungsmonaten Mai und November zulasse, nicht aber in den übrigen Monaten. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats reiche nicht so weit, Lohnerhöhungen zu erzwingen.

39

Hiergegen wendet sich der Betriebsrat mit seiner fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde. Er ist der Ansicht, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einem Verstoß gegen das Mindestlohngesetz ausgegangen. Die Einführung des Mindestlohns sei kein sachlicher Grund, den Charakter der Sonderzahlung zu ändern. Erst recht habe es keinen Anlass für eine Ungleichbehandlung der Belegschaft gegeben.

40

Der Betriebsrat beantragt,

41

den Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 01.06.2016 - 11 BV 7/16 - abzuändern und den Antrag der Arbeitgeberin zurückzuweisen.

42

Die Arbeitgeberin beantragt,

43

die Beschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.

44

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und verweist darauf, dass nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.05.2016 - 5 AZR 135/16 - eine Sonderzahlung auf den Mindestlohn anrechenbar sei. Der Einigungsstellenspruch dürfe nicht dazu führen, dass die Arbeitgeberin gezwungen sei, gegen ihren Willen höhere Gehälter an die Mitarbeiter zu zahlen.

45

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle und auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen.

II.

46

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Einigungsstellenspruch vom 18.11.2015 ist rechtmäßig. Die Einigungsstelle hat bei beiden Regelungsgegenständen die Grenzen der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats und die Grenzen ihres Regelungsermessens gewahrt.

47

1. Auszahlungszeitpunkt der Gratifikation

48

a) Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen bei Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte.

49

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG erfasst die Regelung des Zeitpunkts, zu dem die Arbeitsvergütung zu zahlen ist (BAG, Beschluss vom 22. Juli 2014 - 1 ABR 96/12 - Rn. 12, juris = NZA 2014, 1151). Es entfällt, soweit zwingende gesetzliche Regelungen bestehen und kein Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien mehr verbleibt. Das Mitbestimmungsrecht kann durch eine abschließende gesetzliche Regelung zur Auszahlung des Mindestentgelts verdrängt werden (BAG, Beschluss vom 22. Juli 2014 - 1 ABR 96/12 - Rn. 13, juris = NZA 2014, 1151).

50

Das Mitbestimmungsrecht des beteiligten Betriebsrats zum Auszahlungszeitpunkt der Gratifikation aus der Sozialordnung vom 22.12.1995 ist weder durch § 2 Abs. 1 MiLoG ausgeschlossen noch verstößt die Regelung der Einigungsstelle gegen diese Vorschrift.

51

Nach § 1 Abs. 1 MiLoG hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber. Nach § 2 Abs. 1 MiLoG ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Mindestlohn zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit, spätestens aber am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, zu zahlen. Wird keine Vereinbarung über die Fälligkeit getroffen, bleibt § 614 BGB unberührt. Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam (§ 3 Satz 1 MiLoG).

52

Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigen-ständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt (BAG, Urteil vom 29. Juni 2016 - 5 AZR 716/15 - Rn. 18, juris = NZA 2016, 1332; BAG, Urteil vom 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 22, juris = NZA 2016, 1327). Vorrangiger Zweck des gesetzlichen Mindestlohns ist es, jedem Arbeitnehmer ein existenzsicherndes Monatseinkommen zu gewährleisten (BT-Drs. 18/1558 S. 28; BAG, Urteil vom 21. Dezember 2016 - 5 AZR 374/16 - Rn. 23, juris = NZA 2017, 378). Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben alle Arbeitnehmer, auch wenn ihre durch Arbeits- oder Tarifvertrag geregelte Vergütung über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt (BAG, Urteil vom 21. Dezember 2016 - 5 AZR 374/16 - Rn. 16, juris = NZA 2017, 378).

53

Das Mindestlohngesetz zielt nicht darauf ab, die bisherigen Vergütungsmodelle mit ihren unterschiedlichen Lohnbestandteilen einzuschränken. Auch nach der Einführung des Mindestlohns ist es zum Beispiel weiterhin möglich, Stück- und Akkordlöhne zu vereinbaren (BT-Drucks. 18/1558 S. 34). Der Gesetzgeber hat weder eine bestimmte Methode der Lohnermittlung vorgegeben noch einen festen Grundlohn. Den Arbeitsvertrags- und den Tarifvertragsparteien steht es frei, im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit bzw. Tarifautonomie unterschiedliche Entlohnungsformen zu vereinbaren (ErfK/Franzen, 17. Aufl. 2017, § 1 MiLoG, Rn. 5). Ebenso steht es ihnen frei, Jahressonderzahlungen so auszugestalten, dass sie geeignet sind, den gesetzlichen Mindestlohnanspruch Monat für Monat zu erfüllen. Zwingend ist das hingegen nicht. Das Mindestlohngesetz hat den Zweck, für eine monatliche Mindestabsicherung zu sorgen, nicht aber, darüber hinausgehende Zahlungen zu beschränken. Das Gesetz schützt die Arbeitnehmer, zielt jedoch nicht darauf ab, finanzielle Mehrbelastungen des Arbeitgebers durch Mindestlohnansprüche so gering wie möglich zu halten.

54

§ 2 Abs. 1 MiLoG legt nicht abschließend einen konkreten Zahlungstermin fest, sondern bestimmt lediglich einen Endtermin ("spätestens"), der nicht überschritten werden darf. Das eröffnet einen Regelungsspielraum. Den Arbeitsvertragsparteien steht es ebenso wie den Betriebspartnern im Rahmen des Mitbestimmungsrechts frei, den Fälligkeitszeitpunkt nach vorn zu verschieben.

55

Die Betriebspartner sind nicht gezwungen, die Fälligkeit einer Jahressonderzahlung dem Fälligkeitszeitpunkt des Mindestlohnes anzupassen und damit eine monatliche Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch zu ermöglichen. Eine derartige betriebliche Regelung ist zwar zulässig (BAG, Urteil vom 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 46 ff., juris = NZA 2016, 1327), aber nicht von § 2 Abs. 1 MiLoG vorgegeben. Das Mindestlohngesetz greift gerade nicht in arbeits- und tarifvertragliche Entgelt- und Fälligkeitsregelungen ein. Es stellt vielmehr einen eigenständigen gesetzlichen Anspruch neben die arbeits- und tarifvertraglichen Ansprüche. Evtl. Mindestlohnansprüche von Arbeitnehmern beruhen auf dem Mindestlohngesetz und nicht auf Beteiligungsrechten des Betriebsrats (vgl. LAG Sachsen, Beschluss vom 27.07.2016 - 8 TaBV 1/16 - Rn. 52, juris = EzA-SD 2017, Nr. 4, 14).

56

b) Die Einigungsstelle fasst ihre Beschlüsse gemäß § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen.

57

Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle des von der Einigungsstelle ausgeübten Ermessens ist, ob die Regelung im Verhältnis zwischen den Betriebsparteien untereinander einen billigen Ausgleich der Interessen von Arbeitgeber und Betriebsrat als Sachwalter der Belegschaft darstellt. Die gerichtliche Beurteilung bezieht sich allein auf die getroffene Regelung als solche. Eine Überschreitung der Grenze des Ermessens muss in der Regelung selbst als Ergebnis des Abwägungsvorgangs liegen, nicht in den von der Einigungsstelle angestellten Erwägungen, sofern diese überhaupt bekannt gegeben worden sind (BAG, Beschluss vom 14. Januar 2014 - 1 ABR 49/12 - Rn. 23, juris = NZA-RR 2014, 356). Es ist für die Ausübung des Regelungsermessens ohne Bedeutung, ob sich der Einigungsstellenvorsitzende in der Einigungsstelle ausreichend mit den von der Arbeitgeberin erhobenen Einwendungen auseinandergesetzt hat (BAG, Beschluss vom 14. Januar 2014 - 1 ABR 49/12 - Rn. 25, juris = NZA-RR 2014, 356).

58

Die Regelungen zu § 3 des Einigungsstellenspruchs vom 18.11.2015 (Zahlung Gratifikation) sind nicht ermessensfehlerhaft.

59

Die Beibehaltung der bisherigen Auszahlungstermine Mai und November missachtet nicht die berechtigten Interessen der Arbeitgeberin. Ihre wirtschaftliche Existenz ist durch die Entscheidung der Einigungsstelle nicht gefährdet. Die Arbeitgeberin selbst hat den Zweck der Gratifikation seinerzeit festgelegt und dementsprechend die Auszahlungstermine bestimmt. Die Gratifikation ist einerseits ein zusätzliches Entgelt für die erbrachte Arbeitsleistung und dient andererseits dazu, die Betriebstreue zu fördern, was sich aus der Rückzahlungsklausel ergibt. Die Gratifikation wird nach Festlegung der Arbeitgeberin in zwei gleichen Teilen gezahlt, und zwar zu einer Zeit, in der Arbeitnehmer regelmäßig einen finanziellen Mehrbedarf haben (Urlaub, Weihnachten). An dieser Interessenlage hat sich nach der Einführung des Mindestlohns nichts geändert. Soweit die Arbeitgeberin daran interessiert ist, Aufstockungsansprüche aus dem Mindestlohngesetz bei Mitarbeitern im unteren Lohnbereich so gering wie möglich zu halten, ist dieser Wunsch durchaus verständlich. Ebenso nachvollziehbar ist es aber auch, es unter Berücksichtigung des Zwecks der Sonderzahlung bei einer Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer im Betrieb zu belassen.

60

2. Entgeltgruppensystem

61

Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen.

62

a) Entlohnungsgrundsätze sind die abstrakt-generellen Grundsätze zur Lohnfindung. Sie bestimmen das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Entlohnungsgrundsätze sind damit die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs in abstrakter Weise ergibt. Zu ihnen zählen neben der Grundentscheidung für eine Vergütung nach Zeit oder nach Leistung die daraus folgenden Entscheidungen über die Ausgestaltung des jeweiligen Systems. Der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegt die Einführung von Entlohnungsgrundsätzen und deren Änderung. Die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts wird nicht vom Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfasst (BAG, Beschluss vom 21. Februar 2017 - 1 ABR 12/15 - Rn. 23, juris = EzA-SD 2017, Nr. 10, 11-13).

63

Die Regelungen zu § 2 des Einigungsstellenspruchs vom 18.11.2015 (Grundgehalt nach Tabelle) erfassen nicht die Höhe des Arbeitsentgelts. Die Höhe des Arbeitsentgelts legt gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 des Spruchs mitbestimmungsfrei die Arbeitgeberin fest. Die Einigungsstelle hat gerade nicht das Basisentgelt bestimmt, insbesondere nicht auf das Mindestlohngesetz verwiesen. Die Arbeitgeberin ist nicht gezwungen, das Basisentgelt mit dem Mindestlohn festzusetzen. Sie ist lediglich gezwungen, Mindestlohnansprüche zu erfüllen, durch welche Lohnbestandteile auch immer, sofern diese anrechenbar sind. Rechtsgrundlage hierfür ist das Mindestlohngesetz, nicht das Betriebsverfassungsgesetz.

64

b) Die Regelungen zu § 2 des Einigungsstellenspruchs sind nicht ermessensfehlerhaft. Die Beibehaltung der bisherigen Abstufungen zwischen den Entgeltgruppen erscheint unter Berücksichtigung der arbeitgeberseitigen Interessen nicht unbillig. Es liegen keine Umstände vor, die eine Neubewertung der Abstände zwischen den Gruppen veranlassen könnten. Die Abstufungen richten sich nach der Qualifikation und den Tätigkeiten der Arbeitnehmer. Das Verhältnis der Gruppen zueinander hat sich seit der arbeitgeberseitig aufgestellten Gehaltsrichtlinie vom 02.04.2014 nicht wesentlich verändert. Am Arbeitsmarkt haben sich seit Erlass der Gehaltsrichtlinie keine kurzfristigen Entwicklungen ergeben, die eine Neubewertung erfordert hätten.

65

Die Einführung des Mindestlohnes bietet keinen Anlass für eine Verringerung der Abstände zwischen den Entgeltgruppen. Das von der Arbeitgeberin festzulegende Basisentgelt muss nicht zwangsläufig dem Mindestlohn entsprechen, was der Arbeitgeberin durchaus bewusst ist, da sie das monatliche Basisentgelt mit € 1.209,- angegeben hat, was unter Mindestlohn liegt. Das Mindestlohngesetz erweitert nicht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu den Entgeltgrundsätzen.

66

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Das Verfahren wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

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(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer den Mindestlohn

1.
zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit,
2.
spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde,
zu zahlen. Für den Fall, dass keine Vereinbarung über die Fälligkeit getroffen worden ist, bleibt § 614 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unberührt.

(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehenden und auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns auszugleichen, soweit der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden nach § 1 Absatz 1 nicht bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen. Die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Wertguthabenvereinbarungen im Sinne des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Satz 1 gilt entsprechend für eine im Hinblick auf den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vergleichbare ausländische Regelung.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Januar 2016 - 19 Sa 1851/15 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs durch Sonderzahlungen und die Auswirkungen des Mindestlohngesetzes auf arbeitsvertraglich vereinbarte Entgeltbestandteile.

2

Die Klägerin ist seit 1992, zuletzt als Mitarbeiterin in der Cafeteria, bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin in Vollzeit beschäftigt.

3

Der schriftliche Arbeitsvertrag regelt - inhaltsgleich mit weiteren Arbeitsverträgen der Arbeitnehmer der Beklagten - ua.:

        

        

㤠3 Lohn; Gehalt

        

a)    

Der Arbeitnehmer … erhält auf der Basis eines Stundensatzes von 13,50 DM einen Monatslohn … von 2.347,92 DM. Der Lohn … wird jeweils am 10. des Monats für den Vormonat … gezahlt. …

        

b)    

… Die über die regelmäßige monatliche betriebsübliche Arbeitszeit hinaus angeordnete und geleistete Arbeit wird mit dem vereinbarten Stundensatz zuzüglich des nachstehenden Zuschlages berechnet. …

                 

Überstundenzuschlag: 25 %

                 

…       

        

c)    

Für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen wird ein Zuschlag in nachstehender Höhe des vereinbarten Stundenlohns gezahlt. …

                 

Sonntagszuschlag: 30 %

                 

Feiertagszuschlag: 100 %

        

d)    

Für die Arbeit in der Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr (Nachtarbeit) erhält der Arbeitnehmer … einen Zuschlag in nachstehender Höhe des vereinbarten Stundenlohns.

                 

Nachtzuschlag: 10 %

        

…       

        
                 

§ 4 Urlaubsgeld, Zuwendung

                 

Hat das Arbeitsverhältnis seit Beginn des laufenden Kalenderjahres bestanden, erhält der Arbeitnehmer … zur Lohnzahlung Mai ein zusätzliches Urlaubsgeld des im Fälligkeitsmonat vereinbarten Entgelts entsprechend § 3 des Arbeitsvertrages und mit der Gehaltszahlung im Monat November ein Weihnachtsgeld des zu diesem Zeitpunkt vereinbarten Lohns als Sonderzuwendung in nachstehender Höhe.

                 

Urlaubsgeld: 50 %

                 

Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld): 50 %

                 

Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im laufenden Kalenderjahr oder hat der Arbeitnehmer … nicht während des gesamten Jahres Bezüge von der Einrichtung erhalten, vermindert sich das zusätzliche Urlaubsgeld sowie die Sonderzuwendung um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, in dem kein Arbeitsverhältnis bestanden oder für den keine Bezüge beansprucht wurden. Eventuell zuviel gezahltes Urlaubsgeld und / oder Sonderzuwendung sind zurückzuzahlen.“

4

Die Beklagte schloss mit dem Betriebsrat am 8./10. Dezember 2014 eine „Betriebsvereinbarung Inkrafttreten Mindestlohngesetz“ (im Folgenden BV Mindestlohn), die ua. bestimmt:

        

„Fälligkeit Sonderzahlungen Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld

                 

Arbeitsvertraglich vereinbarte Jahressonderzahlungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld) sind in Höhe von 1/12 für jeden Kalendermonat zur betriebsüblichen Fälligkeit der Monatsvergütung zur Zahlung fällig.

        

Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen

                 

Die Arbeitgeberin verpflichtet sich für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2017 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. …“

5

Mitte Dezember 2014 bot die Beklagte allen Arbeitnehmern Änderungsverträge an, die eine Erhöhung des Monatsentgelts um 2 % ab 1. Januar 2015 und eine anteilige Zahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds in jedem Monat vorsahen. Die Klägerin lehnte dies, anders als die weit überwiegende Mehrheit der Belegschaft, ab. Ende Januar 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die arbeitsvertragliche Regelung zur Rückzahlung zu viel gezahlten Urlaubs- und Weihnachtsgelds entfalle ersatzlos rückwirkend zum Jahresbeginn.

6

Ab Januar 2015 zahlte die Beklagte der Klägerin neben dem Bruttogehalt iHv. 1.391,36 Euro monatlich weitere jeweils 57,97 Euro brutto, die sie mit „Urlaubsgeld 1/12“ und „Sonderzuwendung 1/12“ abrechnet, insgesamt 1.507,30 Euro brutto. Nacht-, Überstunden-, Sonn- und Feiertagszuschlägen legt die Beklagte den vertraglichen Bruttostundenlohn iHv. 8,00 Euro zugrunde. Im Februar, April und Juni 2015 angefallene Überstunden vergütete die Beklagte ebenfalls auf der Basis von 8,00 Euro brutto/Stunde.

7

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin Zahlungs- und Feststellungsklage erhoben. Sie fordert weitere Vergütung für den Zeitraum von Januar bis November 2015.

8

Die Klägerin meint, die Beklagte zahle den gesetzlichen Mindestlohn nicht in voller Höhe. Bei durchschnittlich 173,33 Stunden im Monat müsse das Bruttomonatsgehalt 1.473,33 Euro betragen. Die Jahressonderzahlungen seien nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar. Deren arbeitsvertraglich vereinbarte Fälligkeit könne nicht verändert werden. Die BV Mindestlohn sei unwirksam. Alle Entgeltbestandteile seien auf der Grundlage des Mindestlohns von 8,50 Euro/Stunde zu berechnen, Überstunden mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten.

9

Die Klägerin hat - soweit für die Revision relevant - sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 927,21 Euro brutto zuzüglich Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen,

        

2.    

festzustellen, dass die Abrechnung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte von 1/12 Urlaubsgeld iHv. 57,97 Euro brutto und 1/12 Sonderzuwendung iHv. 57,97 Euro brutto durch Entgeltabrechnung für den jeweiligen Kalendermonat seit Januar 2015 unwirksam ist,

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Urlaubsgeld iHv. 736,67 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 695,64 Euro zuzüglich Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen,

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Weihnachtsgeld iHv. 736,67 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 695,64 Euro brutto zuzüglich Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn sei erfüllt, die Zwölftelung der Jahressonderzahlungen zulässig. Zuschläge und Sonderzahlungen würden durch die gesetzliche Mindestlohnregelung nicht berührt und seien weiterhin nach dem arbeitsvertraglich Vereinbarten geschuldet.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin im Wesentlichen zurückgewiesen und ihr (rechtskräftig) nur Nachtarbeitszuschläge iHv. 0,80 Euro brutto zugesprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen. Der Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Mindestlohn ist erfüllt. Das Mindestlohngesetz hat die arbeitsvertraglich vereinbarten Entgeltbestandteile - wie Sonderzahlungen und Zuschläge für Sonderformen der Arbeit oder Arbeit zu besonderen Zeiten - nicht erhöht. Verzugszinsen kann die Klägerin nicht beanspruchen.

13

I. Die Klage ist in den Zahlungsanträgen zulässig. Dagegen ist der Feststellungsantrag unzulässig.

14

1. Die Zahlungsanträge sind zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie sind auf konkrete Vergütungsdifferenzen über eine Zeit von elf Monaten gerichtet. Die Klage ist für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 626/13 - Rn. 12).

15

2. Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag zutreffend als unzulässig abgewiesen.

16

a) Die von der Klägerin begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Abrechnung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds betrifft kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO(zu den Anforderungen vgl. BAG 24. Februar 2016 - 7 ABR 23/14 - Rn. 12 mwN). Zwar sind die Gerichte gehalten, Anträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass hierdurch eine erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird (BAG 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 - Rn. 12 mwN). Doch scheitert jede Auslegung - etwa dahingehend, die Fälligkeit der Jahressonderzahlungen solle geklärt werden - am Wortlaut des Antrags.

17

b) Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang eine Verletzung der Hinweispflicht rügt, genügt die Revisionsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen (vgl. dazu BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109,145). Die Klägerin hat nicht dargelegt, welchen anderen Antrag sie auf welchen Hinweis des Landesarbeitsgerichts gestellt hätte, und auch in der Revisionsinstanz unverändert an dem vom Berufungsgericht als unzulässig beanstandeten Feststellungsantrag festgehalten.

18

II. Die Klage ist unbegründet.

19

1. Sie ist bereits unschlüssig, weil die Klägerin ihre Forderung nicht nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, sondern anhand eines monatlichen Stundendurchschnitts begründet hat. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG). Dies erfordert die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Die Behauptung einer aus dem Durchschnitt eines Zeitraums ermittelten Stundenzahl ersetzt diesen Vortrag nicht. Insbesondere wenn in dieser Stundenzahl Zeiten ohne Arbeitsleistung, aber fortbestehendem Vergütungsanspruch (zB Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen oder Urlaub) enthalten sind, für die das Mindestlohngesetz mangels tatsächlicher Arbeitsleistung keine Ansprüche begründet. Insofern ist Sachvortrag nach den jeweils einschlägigen Normen zu leisten. Der Senat braucht aber nicht auf eine entsprechende Ergänzung des Vortrags der Klägerin hinzuwirken, weil die Zahlungsanträge in jedem Fall unbegründet sind.

20

2. Der Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG ist durch Erfüllung erloschen.

21

a) Die Beklagte hat den Mindestlohnanspruch der Klägerin in der streitgegenständlichen Zeit jedenfalls durch allmonatliche Zahlung des Bruttogehalts und eines Zwölftels der Jahressonderzahlungen erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

22

b) Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt(hM Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 2; Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 4; BT-Drs. 18/1558 S. 34). Das Mindestlohngesetz greift in die Entgeltvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien und anwendbarer Entgelttarifverträge nur insoweit ein, als sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten. § 3 MiLoG führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch.

23

aa) Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn haben alle Arbeitnehmer, auch wenn ihre durch Arbeits- oder Tarifvertrag geregelte Vergütung über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt (HK-MiLoG/Düwell § 1 Rn. 18). Das Mindestlohngesetz schafft in seinem Geltungsbereich eine eigenständige Anspruchsgrundlage für alle Arbeitnehmer (ErfK/Franzen 16. Aufl. § 1 MiLoG Rn. 2; aA Waltermann AuR 2015, 166, 170; HK-MiLoG/Schubert § 20 Rn. 10).

24

bb) Erreicht die vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn nicht, begründet dies von Gesetzes wegen einen Anspruch auf Differenzvergütung, wenn der Arbeitnehmer in der Abrechnungsperiode für die geleisteten Arbeitsstunden im Ergebnis nicht mindestens den in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG vorgesehenen Bruttolohn erhält(Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 31; Lembke NZA 2016, 1, 4; vgl. zu einem tariflichen Mindestlohn BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 8/08 - Rn. 28, BAGE 128, 119).

25

Dabei scheiden längere Berechnungszeiträume als ein Kalendermonat für die Frage, ob ein Anspruch auf Differenzvergütung entstanden ist, aus (Kocher AuR 2015, 173, 175; Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 78; aA Waltermann AuR 2015, 166, 171: „zweimonatlich“; wohl auch ErfK/Franzen 16. Aufl. § 1 MiLoG Rn. 8). Denn mit dem Mindestlohngesetz soll den in Vollzeit tätigen Arbeitnehmern ein Monatseinkommen „oberhalb der Pfändungsfreigrenze“ gesichert werden (BT-Drs. 18/1558 S. 28). Um regelmäßigen Zahlungspflichten nachkommen zu können, regelt § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG konsequenterweise die Fälligkeit des Mindestlohns spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde.

26

cc) Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro ergibt. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Arbeitgeber den Mindestlohn stets rechtzeitig leistet, auch verspätete Zahlungen können Erfüllungswirkung haben. Dies belegt § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG, wonach der Arbeitgeber ordnungswidrig handelt, wenn er den Mindestlohn nicht oder „nicht rechtzeitig zahlt“. Im Übrigen wäre der Anspruch auf den Mindestlohn nicht klagbar, würde man nachträglichen Zahlungen die Erfüllungswirkung absprechen. Leistet der Arbeitgeber den Mindestlohn nach Fälligkeit (§ 2 Abs. 1 MiLoG), kann der Arbeitnehmer Verzugszinsen sowie den Ersatz eines sonstigen Verzugsschadens verlangen, §§ 288, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

27

dd) Erfüllung iSv. § 362 Abs. 1 BGB tritt beim Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn - wie in jedem Schuldverhältnis - ein, wenn die geschuldete Leistung bewirkt wird. Diese Leistung liegt in der Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts, denn der gesetzliche Mindestlohn ist das als Gegenleistung für die Arbeit (mindestens) zu erbringende Entgelt.

28

(1) Der Gesetzesbegriff des Mindestlohns bedarf der Auslegung. Maßgebend ist dafür der in der Norm zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Regelung hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (st. Rspr., vgl. nur BVerfG 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2 BvR 2155/11 - Rn. 66, BVerfGE 133, 168).

29

Ausgehend von dem in § 1 Abs. 1 MiLoG verwendeten Begriff des Mindestlohns und der in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG bestimmten Höhe in Form eines Bruttobetrags, handelt es sich um eine Bruttoentgeltschuld des Arbeitgebers. Dabei ist es unerheblich, dass der Gesetzgeber - im Unterschied zu anderen arbeitsrechtlichen Regelungen - nicht den Begriff „Entgelt“ (vgl. zB § 10 Abs. 1 Satz 5 AÜG „Arbeitsentgelt“, § 5 Satz 1 Nr. 1 AEntG „Mindestentgeltsätze“), sondern „Lohn“ verwendet. Diese nicht mehr zeitgemäße, auf die Vergütung gewerblicher Arbeitnehmer abstellende Terminologie erklärt sich mit dem Sprachgebrauch in der politischen Diskussion vor Verabschiedung des Gesetzes (vgl. Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 7). Eine Beschränkung des Geltungsbereichs auf Arbeiter, die noch im Stundenlohn vergütet werden, war und ist nicht gewollt. Es sollten umfassend alle Arbeitnehmer vor den Folgen einer unangemessen niedrigen Vergütung geschützt werden. Dieser in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Zweck zielt darauf ab, jedem Arbeitnehmer ein existenzsicherndes Monatseinkommen zu gewährleisten (BT-Drs. 18/1558 S. 28). Diesem Ziel entsprechend fordern §§ 1 und 2 MiLoG mit dem Begriff der „Zahlung“ und der Nennung eines Eurobetrags in „brutto“ eine Entgeltleistung in Form von Geld(Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 81 ff.; Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 127; Sittard RdA 2015, 99, 105).

30

Der Mindestlohn beträgt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG 8,50 Euro brutto „je Zeitstunde“. Das Gesetz macht den Anspruch nicht von der zeitlichen Lage der Arbeit oder den mit der Arbeitsleistung verbundenen Umständen oder Erfolgen abhängig (vgl. Lembke NZA 2015, 70, 76). Die Normierung eines angemessenen Verhältnisses von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt bezweckt die Existenzsicherung durch Arbeitseinkommen als Ausdruck der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG), die letztlich auch die sozialen Sicherungssysteme entlasten soll (BT-Drs. 18/1558 S. 28; Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 16. Aufl. § 66 Rn. 2; Sittard NZA 2015, 78, 79 f.; Greiner/Strippelmann BB 2015, 949, 950; Jares DB 2015, 307, 309; Heuschmid/Hlava NJW 2015, 1719, 1722).

31

(2) Bei einer Geldschuld wird die geschuldete Leistung mangels anderer Vereinbarung nur dann bewirkt, wenn der Gläubiger den Geldbetrag, den er beanspruchen kann, endgültig zur freien Verfügung übereignet oder überwiesen erhält. Darf er den Betrag nicht behalten, tritt der Leistungserfolg nicht ein (vgl. BGH 23. Januar 1996 - XI ZR 75/95 - zu 1 der Gründe; Jauernig/Stürner BGB 16. Aufl. § 362 Rn. 1; Staudinger/Olzen (2016) § 362 BGB Rn. 27). Daher erfüllt der Arbeitgeber den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn durch die im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen nur, soweit diese dem Arbeitnehmer endgültig verbleiben.

32

(3) Gilt somit ein umfassender Entgeltbegriff, sind alle im Synallagma stehenden Geldleistungen des Arbeitgebers geeignet, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Von den im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers (vgl. Bayreuther NZA 2014, 865, 869; Lembke NZA 2015, 70, 76) fehlt folglich nur solchen Zahlungen die Erfüllungswirkung, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (zB § 6 Abs. 5 ArbZG, der einen Zuschlag auf das dem Arbeitnehmer zustehende Bruttoarbeitsentgelt vorsieht, vgl. BAG 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 51, BAGE 148, 68) beruhen. Letzteres folgt aus der Gleichrangigkeit der Normen des Bundesrechts. Ist eine Zuordnung der Zahlung erforderlich, finden die Regelungen des § 366 BGB Anwendung(vgl. Thüsing/Greiner MiLoG 2. Aufl. § 3 Rn. 13; aA wohl Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 82 ff.).

33

c) Danach sind die Mindestlohnansprüche der Klägerin in den Kalendermonaten Januar bis November 2015 erfüllt. Denn neben dem monatlichen Bruttogehalt kommt auch den vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat zu 1/12 geleisteten Jahressonderzahlungen Erfüllungswirkung zu. Sie sind eine im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis stehende Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeit. Denn nach § 4 Arbeitsvertrag mindern sie sich um jeweils ein Zwölftel für Kalendermonate ohne Entgeltanspruch. Einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegen die Jahressonderzahlungen nicht. Eine Rückforderung ist der Beklagten aufgrund ihrer vorprozessualen Erklärung vom Januar 2015 verwehrt.

34

3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erhöhte Jahressonderzahlungen. Diese sind nicht auf der Grundlage des aktuellen Mindestlohns zu berechnen. Nach § 4 Arbeitsvertrag betragen Urlaubs- und Weihnachtsgeld jeweils 50 % des „vereinbarten Entgelts“ bzw. des „vereinbarten Lohns“. Das Landesarbeitsgericht ist deshalb zutreffend davon ausgegangen, die Berechnung richte sich nach der in § 3 Arbeitsvertrag bestimmten Vergütung. Der Wortlaut der Vereinbarung lässt keinen anderen Schluss zu. Das Mindestlohngesetz hat daran nichts geändert. Der gesetzliche Mindestlohn tritt neben den arbeits- bzw. tarifvertraglichen Vergütungsanspruch, lässt aber die Vergütungsvereinbarung unberührt (vgl. Rn. 22). Eine bestimmte Höhe von Sonderzahlungen sieht das Mindestlohngesetz nicht vor.

35

4. Die Klägerin kann keine höheren als die arbeitsvertraglich vereinbarten Zuschläge für Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit verlangen. Diese sind nicht auf der Grundlage der in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG bestimmten 8,50 Euro, sondern des vertraglich vereinbarten Bruttostundenentgelts zu berechnen.

36

Die Zuschlagspflicht für Überstunden und Arbeit an besonderen Tagen folgt allein aus § 3 Buchst. b und c Arbeitsvertrag und knüpft an den „vereinbarten Stundenlohn“ an. Das ist der in § 3 Buchst. a Arbeitsvertrag festgehaltene Betrag. Der Wortlaut der Vereinbarung lässt nur diesen Schluss zu. Auf die Ausführungen in Rn. 34 wird verwiesen. Daran hat das Mindestlohngesetz nichts geändert.

37

5. Die Klägerin hat aufgrund des Mindestlohngesetzes keinen Anspruch auf weitere Überstundenvergütungen.

38

In den Monaten mit Überstundenleistung hat die Beklagte den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn durch Zahlung des Bruttomonatsgehalts, der in Zwölfteln geleisteten Jahressonderzahlungen und der jeweiligen Überstundenvergütung iHv. 8,00 Euro brutto/Stunde erfüllt.

39

Im Februar 2015 leistete die Klägerin eine Überstunde, für die die Beklagte neben der Vergütung weitere 8,00 Euro brutto, mithin 1.515,30 Euro brutto geleistet hat. Im April 2015 erbrachte die Klägerin vier Überstunden, für die sie neben der Vergütung weitere 32,00 Euro brutto, mithin 1.539,30 Euro brutto erhalten hat. Im Juni 2015 leistete die Klägerin 4,5 Überstunden, für die die Beklagte neben der Vergütung weitere 36,00 Euro brutto, mithin 1.543,30 Euro brutto geleistet hat. Die Klägerin hat in keinem der Fälle vorgetragen, sie habe über die damit jedenfalls in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns abgegoltenen 178,27 bzw. 181,09 bzw. 181,56 Arbeitsstunden im Monat weitere Arbeit erbracht.

40

6. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Verzugszinsen wegen verspäteter Jahressonderzahlungen besteht nicht. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, Ansprüche auf Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen nicht rechtzeitiger Leistung der Jahressonderzahlungen bestünden nicht. Die Regelung der Fälligkeit der BV Mindestlohn mit jeweils 1/12 für jeden Kalendermonat verdrängt die arbeitsvertragliche Fälligkeitsvereinbarung.

41

a) Die von der Klägerin erhobenen Rügen gegen die formelle Wirksamkeit der BV Mindestlohn greifen nicht durch.

42

aa) Die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe das Bestreiten eines wirksamen Betriebsratsbeschlusses übergangen, ist unzulässig. Der pauschale Hinweis auf ein Bestreiten genügt den Anforderungen an eine Gehörsrüge nicht. Darüber hinaus brauchen die Gerichte nicht jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu behandeln (vgl. BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10). Die Klägerin hat keine besonderen Umstände deutlich gemacht, wonach das Landesarbeitsgericht ihr Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen haben soll. Tatsächlich setzt sich das Landesarbeitsgericht mit dem streitigen Thema auseinander, hält das Bestreiten der Klägerin aber nicht mehr für erheblich.

43

bb) Die Rüge, der angebotene Zeugenbeweis sei nicht erhoben worden, ist ebenfalls unzulässig, denn ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Allein die Rüge, ein Beweis sei nicht erhoben worden, ist unzureichend, wenn die Klägerin - wie hier - nicht vorgetragen hat, wo und bei welcher Gelegenheit sie ein den Anforderungen des § 373 ZPO entsprechendes Beweisangebot gemacht habe(vgl. BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 380/99 - zu II 2 b cc (3) der Gründe, BAGE 96, 123).

44

cc) Die Würdigung der Beschlussfassung des Betriebsrats durch das Landesarbeitsgericht verletzt nicht § 286 ZPO. Danach haben die Tatsacheninstanzen unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer ggf. durchgeführten Beweisaufnahme nach ihrer freien Überzeugung darüber zu befinden, ob sie eine tatsächliche Behauptung für wahr erachten oder nicht. Die Würdigung muss vollständig, widerspruchsfrei und umfassend sein. Mögliche Zweifel müssen überwunden, brauchen aber nicht völlig ausgeschlossen zu werden (vgl. BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 35 mwN). Revisionsrechtlich ist diese Würdigung allein daraufhin zu überprüfen, ob alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht Denk- und Erfahrungsgrundsätze verletzt wurden.Gemessen daran hat das Landesarbeitsgericht § 286 ZPO nicht verletzt. Es hat, basierend auf dem Beklagtenvortrag zur Beschlussfassung des Betriebsrats, seine Überzeugungsbildung ausreichend dargelegt. Das Berufungsgericht durfte das weitere, lediglich pauschale Bestreiten der Klägerin für unerheblich halten.

45

dd) Schließlich hat das Landesarbeitsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen Verstoß gegen § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG verneint. Nach dieser Bestimmung hat der Vorsitzende die Mitglieder des Betriebsrats zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden. Für ein verhindertes Betriebsratsmitglied hat er nach § 29 Abs. 2 Satz 6 BetrVG das Ersatzmitglied zu laden. Die Einhaltung dieser Vorschriften ist wesentlich für die Wirksamkeit eines in der Sitzung gefassten Beschlusses. Eine mangels Übermittlung der Tagesordnung verfahrensfehlerhafte Ladung zu einer Betriebsratssitzung kann allerdings durch die im Übrigen ordnungsgemäß geladenen Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats in einer Betriebsratssitzung geheilt werden, wenn dieser beschlussfähig iSd. § 33 Abs. 2 BetrVG ist und die Anwesenden einstimmig beschließen, über einen Regelungsgegenstand zu beraten und abzustimmen. Nicht erforderlich ist, dass an dieser Sitzung alle Betriebsratsmitglieder teilnehmen (vgl. BAG 4. November 2015 - 7 ABR 61/13 - Rn. 32 mwN; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 30, BAGE 148, 26).

46

b) Die BV Mindestlohn ist auch materiell wirksam.

47

aa) Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG greift nicht, denn es handelt sich um eine Angelegenheit, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt(BAG GS 3. Dezember 1991 -  GS 2/90  - zu C I 4 der Gründe, BAGE 69, 134 ; BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09  - Rn. 30 , BAGE 138 ,68).

48

Es liegt ein Fall der erzwingbaren Mitbestimmung vor. Die BV Mindestlohn beinhaltet eine Fälligkeitsbestimmung. Fälligkeit bezeichnet bei (Arbeits-)Vergütung den Zeitpunkt, wann diese zu entrichten ist (vgl. § 614 BGB). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG erfasst die Regelung des Zeitpunkts, zu dem die Arbeitsvergütung zu zahlen ist(vgl. BAG 22. Juli 2014 - 1 ABR 96/12 - Rn. 12, BAGE 148, 341). Eine die Beklagte bindende tarifliche Regelung besteht nicht.

49

bb) Die arbeitsvertragliche Fälligkeitsregelung wird durch die der BV Mindestlohn verdrängt, denn sie ist betriebsvereinbarungsoffen.

50

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) handelt es sich bei den arbeitsvertraglichen Regelungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die hiergegen erhobene Gehörsrüge der Klägerin genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Klägerin hat nicht konkret vortragen, welcher Vortrag übergangen sein soll (vgl. BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - Rn. 36, BAGE 109, 145).

51

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei unterliegt die Auslegung der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BAG 17. April 2013 - 10 AZR 281/12 - Rn. 12; 19. August 2015 - 5 AZR 450/14 - Rn. 14).

52

Die Arbeitsvertragsparteien können ihre vertraglichen Absprachen dahingehend gestalten, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Das kann ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen und ist nicht nur bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich, sondern auch bei einzelvertraglichen Abreden (vgl. BAG 17. Februar 2015 - 1 AZR 599/13 - Rn. 27). Eine konkludente Vereinbarung darf angenommen werden, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und einen kollektiven Bezug hat. Mit der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen macht der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar deutlich, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen. Eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen stünde dem entgegen. Da Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet sind, kann aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen um solche handelt, die einer Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbaren, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen (vgl. BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 60).

53

Danach ist die arbeitsvertragliche Fälligkeitsregelung der Jahressonderzahlungen betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet. Es handelt sich um von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen mit kollektivem Bezug. Der Auszahlungszeitpunkt der Jahressonderzahlungen soll betriebseinheitlich geregelt werden. Dass der Vereinbarung der Fälligkeitsregelung in § 4 Arbeitsvertrag eine betriebsvereinbarungsfeste Individualvereinbarung zugrunde liegt, ist nicht ersichtlich.

54

c) Der Beklagten ist es nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht verwehrt, sich auf die Fälligkeitsregelung der BV Mindestlohn zu berufen. Ein widersprüchliches Verhalten der Beklagten liegt nicht vor. Entgegen der Revision ist § 242 BGB nicht deshalb anzuwenden, weil die Beklagte die Wirkung der BV Mindestlohn unter die Bedingung gestellt habe, dass mit sämtlichen Arbeitnehmern Änderungsverträge zustande kommen. Die BV Mindestlohn selbst enthält keine solche Bedingung. Eine außerhalb der kollektiven Vereinbarung einseitig von der Beklagten formulierte Bedingung hätte überdies keinen rechtlichen Einfluss auf den Inhalt einer zwischen den Betriebspartnern geschlossenen Betriebsvereinbarung. Gleiches gilt für die Schreiben der Beklagten vom Dezember 2014 und Januar 2015.

55

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Volk    

        

        

        

    Dombrowsky    

        

    Mattausch    

                 

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. August 2012 - 4 TaBV 958/12 - aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. Februar 2012 - 56 BV 17912/11 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass § 3 des Spruchs der Einigungsstelle vom 11. November 2011 über eine Betriebsvereinbarung über Art und Zeitpunkt der Auszahlung des Entgelts unwirksam ist.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer durch Spruch der Einigungsstelle beschlossenen Regelung über den Auszahlungstermin für die Vergütung.

2

Die Arbeitgeberin betreibt in Berlin eine Pflegeeinrichtung, für die der beteiligte Betriebsrat gewählt ist. Sie zahlt den dort beschäftigten Arbeitnehmern eine Vergütung, die höher ist als das in der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Pflegearbeitsbedingungenverordnung vom 15. Juli 2010 - PflegeArbbV - BAnz. 2010 Nr. 110 S. 2571) festgelegte Mindestentgelt. Durch Einigungsstellenspruch vom 11. November 2011 kam es zu einer „Betriebsvereinbarung über den Zeitpunkt und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte“. Darin ist - neben dem Geltungsbereich (§ 1), der Art der Zahlung (§ 2) und dem Inkrafttreten (§ 4) - bestimmt:

        

§ 3 Auszahlungstermin für Vergütung

        

Die Arbeitgeberin überweist den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen jeweils zum ersten des Folgemonats, die aus festen Bestandteilen bestehende monatliche Vergütung auf ein vom Arbeitnehmer mitzuteilendes Konto bei einem Geldinstitut. Im Laufe eines Monats verdiente variable Vergütungsbestandteile insbesondere Zeitzuschläge werden jeweils am ersten des übernächsten Monats auf dieses Konto überwiesen.“

3

Mit einem am 24. November 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Arbeitgeberin den Einigungsstellenspruch angefochten und geltend gemacht, die Festlegung des Auszahlungstermins für die Vergütung sei unwirksam. Die Einigungsstelle habe insoweit ihre Regelungskompetenz überschritten. Die gesetzliche Fälligkeitsbestimmung für das Mindestentgelt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV schließe ein dahingehendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus.

4

Die Arbeitgeberin hat beantragt

        

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 11. November 2011 über eine Betriebsvereinbarung über den Zeitpunkt und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte nichtig ist;

        

hilfsweise

        

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 11. November 2011 über eine Betriebsvereinbarung über den Zeitpunkt und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte unwirksam ist.

5

Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Er hat gemeint, § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV sei unwirksam; dem Verordnungsgeber fehle es insoweit an einer Regelungskompetenz. Ungeachtet dessen gelte die PflegeArbbV nicht für Betriebe, in denen eine über dem Mindestentgelt liegende Vergütung bezahlt werde. Auch sei die durch den Spruch der Einigungsstelle geregelte Fälligkeit für die Arbeitnehmer günstiger.

6

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihr Begehren weiter.

7

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Die Vorinstanzen haben ihre als ein Feststellungsbegehren zu verstehenden Anträge zu Unrecht abgewiesen.

8

I. Die Anträge sind zulässig.

9

1. Mit den auf Feststellung der Nichtigkeit und hilfsweise der Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle vom 11. November 2011 gerichteten Anträgen hat die Arbeitgeberin von Anfang an nur ein Antragsziel verfolgt. Aus der zur Antragsauslegung heranzuziehenden Antragsbegründung und ihrem sonstigen Vorbringen ergibt sich, dass sie sich allein gegen § 3 des Spruchs der Einigungsstelle wendet. Das hat ihr Verfahrensbevollmächtigter im Termin zur Anhörung vor dem Senat ebenso klargestellt wie den Umstand, dass mit dem Feststellungsbegehren der Nichtigkeit keine über die Teilanfechtung des Spruchs hinausgehende Rechtsfolge erstrebt wird.

10

2. Gegen die so verstandene Teilanfechtung des Spruchs der Einigungsstelle vom 11. November 2011 bestehen keine Bedenken. Sie bezieht sich auf eine eigenständige Teilregelung. Das Feststellungsbegehren ist die zutreffende Verfahrensart. Ein Spruch der betrieblichen Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Die Betriebsparteien streiten im Fall seiner Anfechtung um das (Nicht-)Bestehen eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Die begehrte gerichtliche Entscheidung hat feststellende, nicht rechtsgestaltende Wirkung. Dementsprechend ist die Feststellung der (Teil-)Unwirksamkeit des Spruchs zu beantragen und nicht seine Aufhebung (vgl. BAG 13. März 2012 - 1 ABR 78/10 - Rn. 10, BAGE 141, 42).

11

II. Der Antrag ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen begründet. § 3 des Spruchs der Einigungsstelle vom 11. November 2011 ist unwirksam. Die mit der Regelung getroffene Fälligkeitsbestimmung auch für Pflegekräfte iSv. § 1 Abs. 3 PflegeArbbV verstößt gegen § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG. Das führt zu ihrer gesamten Unwirksamkeit.

12

1. § 3 des Spruchs der Einigungsstelle betrifft eine nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG mitbestimmungspflichtige Angelegenheit. Die Regelung legt Termine für die Überweisung der „aus festen Bestandteilen bestehenden monatlichen Vergütung“ (Satz 1) und der „im Laufe eines Monats verdienten variablen Vergütungsbestandteile insbesondere Zeitzuschlägen“ (Satz 2) fest. Es handelt sich um eine Fälligkeitsbestimmung. Fälligkeit bezeichnet bei (Arbeits-)Vergütung den Zeitpunkt, wann diese zu entrichten ist (vgl. § 614 BGB). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG erfasst die Regelung des Zeitpunkts, zu dem die Arbeitsvergütung zu zahlen ist(vgl. BAG 25. April 1989 - 1 ABR 91/87 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 62, 1).

13

2. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats wird aber vorliegend durch den Gesetzesvorbehalt in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen, soweit es um die Festlegung eines Zeitpunkts für die Überweisung desjenigen Arbeitsentgelts geht, das Mindestentgelt iSv. § 2 Abs. 1 PflegeArbbV ist.

14

a) Nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG hat der Betriebsrat ua. nicht nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen, soweit die betreffende Angelegenheit gesetzlich geregelt ist. Das beruht auf der Erwägung, dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr verbleibt, wenn eine den Arbeitgeber bindende und abschließende gesetzliche Vorschrift vorliegt. Wird der Mitbestimmungsgegenstand durch diese inhaltlich und abschließend geregelt, fehlt es an einer Ausgestaltungsmöglichkeit durch die Betriebsparteien. Verbleibt dem Arbeitgeber dagegen trotz der bestehenden normativen Regelung ein Gestaltungsspielraum, ist ein darauf bezogenes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eröffnet (BAG 11. Dezember 2012 - 1 ABR 78/11 - Rn. 19, BAGE 144, 109).

15

b) Gesetz im Sinne des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ist jedes förmliche oder materielle Gesetz, soweit es sich um eine zwingende Regelung handelt. Eine zwingende Regelung liegt auch dann vor, wenn von einer bestehenden gesetzlichen Regelung nur nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden kann. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass mit dieser Regelung den berechtigten Interessen und dem Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer Rechnung getragen worden ist. Für einen weiteren Schutz durch Mitbestimmungsrechte besteht dann kein Bedürfnis mehr (BAG 28. Mai 2002 - 1 ABR 37/01 - zu B II 2 c cc der Gründe, BAGE 101, 203).

16

c) Hiernach schränkt § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG ein.

17

aa) Die am 1. August 2010 in Kraft getretene Pflegearbeitsbedingungenverordnung ist ein Gesetz im materiellen Sinn. Sie bindet die Arbeitgeberin unmittelbar, enthält eine zwingende Anordnung und ist daher geeignet, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG einzuschränken (vgl. zu einer Verordnung der Europäischen Union BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 63/10 - Rn. 24, BAGE 140, 343).

18

bb) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV wird das in § 2 PflegeArbbV festgelegte Mindestentgelt für die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zum 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den das Mindestentgelt zu zahlen ist. Es handelt sich um eine abschließende gesetzliche Regelung ohne Gestaltungsspielraum für die Betriebsparteien.

19

cc) § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV ist nicht mangels Kompetenz des Verordnungsgebers zur Regelung des Fälligkeitszeitpunkts für das Mindestentgelt unwirksam.

20

(1) Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG kann die Exekutive durch ein Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmendes Gesetz ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Widerspricht die Verordnung dem - gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnden - Inhalt und Zweck der Ermächtigung, hat dies ihre Unwirksamkeit zur Folge. Ob eine Rechtsverordnung durch ihre Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist, beurteilt grundsätzlich das zuständige Fachgericht im Rahmen einer Inzidenterkontrolle. Das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG gilt für Rechtsverordnungen nicht(BAG 26. September 2012 - 4 AZR 5/11 - Rn. 21 mwN).

21

(2) Die verordnungsrechtliche Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV ist von einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Im Bereich der Pflegebranche (vgl. § 10 AEntG) kann der Verordnungsgeber nach § 11 Abs. 1 AEntG bestimmen, dass die von einer nach § 12 AEntG errichteten Kommission vorgeschlagenen Arbeitsbedingungen nach § 5 Nr. 1 und Nr. 2 AEntG auf alle Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die unter den Geltungsbereich einer Empfehlung nach § 12 Abs. 4 AEntG fallen, Anwendung finden. § 5 Nr. 1 AEntG benennt als Arbeitsbedingungen Mindestentgeltsätze, die nach Art der Tätigkeit, Qualifikation der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und Regionen differieren können, einschließlich der Überstundensätze. Die Norm umfasst aber - wie ihre Auslegung ergibt - auch Regelungen zur Fälligkeit des Mindestentgelts (vgl. Koberski/Asshoff/Eustrup/Winkler Arbeitnehmerentsendegesetz Mindestarbeitsbedingungengesetz 3. Aufl. § 5 AEntG Rn. 19).

22

(a) Der Wortlaut des § 5 Nr. 1 AEntG gebietet kein Verständnis, dass Fälligkeitsfestlegungen (Mindest-)Arbeitsbedingungen sind. Er schließt ein solches Verständnis aber auch nicht aus.

23

(b) Systematische Erwägungen vermitteln kein eindeutiges Bild. Immerhin ist aber nach § 13 iVm. § 9 Satz 3 AEntG die Möglichkeit eröffnet, in einer Rechtsverordnung iSv. § 11 AEntG Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Anspruchs auf das Mindestentgelt zu regeln, wobei die Frist mindestens sechs Monate betragen muss. Häufigster Fall des Fristbeginns für Ausschlussfristen ist die Fälligkeit des Anspruchs (ErfK/Preis 14. Aufl. §§ 194-218 BGB Rn. 52). Wenn der Verordnungsgeber einerseits Mindestentgeltsätze einschließlich der Überstundensätze und andererseits Ausschlussfristen für solche Ansprüche regeln kann, spricht dies eher für die Annahme, dass er auch zur Regelung über die Fälligkeit der Ansprüche befugt sein soll.

24

(c) Die Gesetzeshistorie spricht nicht gegen ein solches Normenverständnis. Die Gesetzentwürfe der Bundesregierung zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz in seiner ursprünglichen Fassung vom 26. Februar 1996 (BGBl. I S. 227; hierzu BT-Drs. 13/2414) und in seiner Neufassung vom 20. April 2009 (BGBl. I S. 799; hierzu BT-Drs. 16/10486) verhalten sich in ihren Begründungen nicht zu der Frage, ob Fälligkeitsregelungen zu den Mindestarbeitsbedingungen zählen. Nach der Begründung eines nachfolgenden Gesetzentwurfs zu dem mit Art. 6 Nr. 4 Tarifautonomiestärkungsgesetz de lege ferenda dem § 5 Nr. 1 AEntG anzufügenden Satz 2, wonach die (Mindest-)Arbeitsbedingungen auch Regelungen zur Fälligkeit entsprechender Ansprüche einschließlich hierzu vereinbarter Ausnahmen und deren Voraussetzungen umfassen, soll es sich insoweit um eine Klarstellung handeln(vgl. BT-Drs. 18/1558 S. 61).

25

(d) Unter dem Gesichtspunkt der unionsrechtskonformen Auslegung von § 5 Nr. 1 AEntG ist ein Verständnis dahingehend, dass hiervon Fälligkeitsfestlegungen erfasst sind, weder geboten noch ausgeschlossen. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Entsenderichtlinie) nennt als zu garantierende Aspekte der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen „Mindestlohnsätze einschließlich der Überstundensätze; dies gilt nicht für die zusätzlichen betrieblichen Altersversorgungssysteme“. Art. 3 Abs. 7 der Entsenderichtlinie enthält weitere Regelungen zum Mindestlohn. Bestimmungen zur Fälligkeit sind nicht aufgeführt.

26

(e) Sinn und Zweck des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes geben aber vor, den Fälligkeitszeitpunkt für das Mindestentgelt als eine (Mindest-)Arbeitsbedingung iSv. § 5 Nr. 1 AEntG anzusehen. Dessen Ziele sind nach § 1 Satz 1 AEntG die Schaffung und Durchsetzung angemessener Mindestarbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie die Gewährleistung fairer und funktionierender Wettbewerbsbedingungen. Unter anderem durch Rechtsverordnung sollen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen adäquate Mindestarbeitsbedingungen geschaffen werden, was gleichermaßen für die Regelung innerstaatlicher wie grenzüberschreitender Sachverhalte gilt ( BT-Drs. 16/10486 S. 1 und 11). Die Verwirklichung dieser Ziele soll - neben der Wahrung der Ordnungs- und Befriedungsfunktion der Tarifautonomie - zugleich den Erhalt sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gewährleisten ( BT-Drs. 16/10486 S. 11). Zur wirksamen Verfolgung beider Ziele gehört die Festlegung der Fälligkeit von Mindestansprüchen. Würde diese nicht reguliert, käme es zum einen zu dem Arbeitnehmerschutzzweck zuwiderlaufenden Differenzierungen. Zum anderen könnte sich ein Arbeitgeber Wettbewerbsvorteile verschaffen, indem er die Zahlung von Mindestentgeltsätzen einschließlich der Überstundensätze später vornimmt als seine Konkurrenten. Lohnkosten für die Beschäftigten - zumal im personalkostenintensiven Dienstleistungsbereich - sind ein erheblicher Teil der wettbewerbsrelevanten Unternehmenskosten (vgl. ErfK/Schlachter AEntG § 1 Rn. 1 und - für die Pflegebranche - § 10 Rn. 1). Die Intention einerseits von arbeitsmarktpolitischen Wirkungen und andererseits eines Ausgleichs von Wettbewerbsnachteilen durch die verbindliche Festlegung von Mindeststandards bedingt es daher, unter Arbeitsbedingung iSv. § 5 Nr. 1 AEntG auch die Fälligkeit der dort näher festgelegten Mindestansprüche zu verstehen.

27

dd) Der Betrieb der Arbeitgeberin unterfällt der Pflegearbeitsbedingungenverordnung.

28

(1) Dem steht nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern ein über dem Mindestentgelt nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV liegendes Entgelt zahlt. Wie die Auslegung der PflegeArbbV ergibt, bestimmt sich ihr Geltungsbereich ausschließlich territorial, betrieblich-fachlich und persönlich und nicht in Abhängigkeit von der Einhaltung der in ihr festgelegten Arbeitsbedingungen.

29

(a) § 1 PflegeArbbV regelt ausweislich seiner Überschrift den Geltungsbereich der Verordnung, während § 2 PflegeArbbV eine Rechtsfolge - das Mindestentgelt - festlegt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass § 1 PflegeArbbV den Geltungsbereich der Verordnung nicht abschließend bestimmt.

30

(b) Der Regelungssystematik von §§ 1 und 2 PflegeArbbV entsprechen §§ 10 und 11 AEntG. § 10 AEntG legt den Anwendungsbereich des Abschnitts für die Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche fest, während § 11 AEntG bestimmt, welche Arbeitsbedingungen in einer Rechtsverordnung geregelt werden können.

31

(c) Auch Sinn und Zweck der Pflegearbeitsbedingungenverordnung gebieten eine Erstreckung auf Arbeitgeber, die eine über dem Mindestentgelt liegende Vergütung zahlen. Eine gegenteilige Sichtweise liefe den mit dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und der Pflegearbeitsbedingungenverordnung verfolgten Zielen einer Gewährleistung von Arbeitnehmerschutzstandards und der Sicherung eines fairen Wettbewerbs zuwider. Durch einheitliche Regelungen für das Mindestentgelt - auch im Hinblick auf Verzicht, Verwirkung und Verfall gemäß §§ 13 und 9 AEntG - werden die Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer bis zu dieser Höhe gleich behandelt und geschützt. Ein Arbeitgeber wird hierdurch gehindert, sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, indem er aufgrund einer vertraglich vereinbarten, ggf. nur geringfügig das Mindestentgelt überschreitenden Vergütung diese Arbeitsbedingungen insgesamt unterschreitet.

32

(d) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Geltung der Pflegearbeitsbedingungenverordnung auch für Pflegekräfte, deren vereinbartes Entgelt das Mindestentgelt iSv. § 2 Abs. 1 PflegeArbbV übersteige, bedinge die fiktive Aufspaltung eines einheitlichen Gehaltsanspruchs, zwingt nicht zu einer Beschränkung des persönlichen oder betrieblichen Geltungsbereichs der Verordnung. Hierbei handelt es sich allenfalls um einen Umstand, den die Betriebsparteien bei der Festlegung eines von § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV abweichenden Fälligkeitszeitpunktes für die das Mindestentgelt nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV übersteigende vertragliche Vergütung zu beachten hätten. Ungeachtet dessen ist es - zumal im Bereich gesetzlicher Mindestansprüche - nichts Ungewöhnliches, dass unterschiedliche Anspruchsgrundlagen und Regelungsregime bestehen. Hat etwa ein Arbeitnehmer einen über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruch, können gesetzlicher und übergesetzlicher Urlaubsanspruch unterschiedlichen Regelungssystemen unterliegen.

33

(2) Die von der Arbeitgeberin in Berlin betriebene Einrichtung unterfällt dem territorialen Geltungsbereich nach § 1 Abs. 1 PflegeArbbV, wonach die Verordnung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gilt. Der betrieblich-fachliche Geltungsbereich ist gleichfalls eröffnet. Die Arbeitgeberin betreibt einen Pflegebetrieb iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 PflegeArbbV, für den nach § 1 Abs. 2 Satz 1 PflegeArbbV die Verordnung gilt. Davon ist das Landesarbeitsgericht - ebenso wie die Einigungsstelle ausweislich der Begründung ihres Spruchs - ausgegangen; die Beteiligten sind dem nicht entgegengetreten. Persönlich gilt die Verordnung für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die überwiegend pflegerische Tätigkeiten in der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SGB XI erbringen, vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 PflegeArbbV. Die Beteiligten haben nicht in Abrede gestellt, dass die Arbeitgeberin Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt, die überwiegend grundpflegerische Verrichtungen ausüben.

34

ee) § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV ist eine zwingende gesetzliche Bestimmung iSv. § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG. Eine von § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV abweichende Regelung zugunsten der Arbeitnehmer ist zwar nach §§ 13, 8 Abs. 1 AEntG möglich. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats kann der Arbeitgeber durch die Einigungsstelle aber nicht gezwungen werden, Regelungen hinzunehmen, die für die Arbeitnehmer günstiger sind als die gesetzlichen (st. Rspr. BAG 28. Mai 2002 - 1 ABR 37/01 - zu B II 2 c cc der Gründe, BAGE 101, 203).

35

3. § 3 des Spruchs der Einigungsstelle verstößt damit insoweit gegen den Gesetzesvorbehalt nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG, als auch für das den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer iSv. § 1 Abs. 3 PflegeArbbV nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV zu zahlende Mindestentgelt eine von § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV abweichende Fälligkeit festgelegt ist. Das darin liegende Überschreiten der Grenzen des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG bedingt die (Gesamt-)Unwirksamkeit der kollektiven Fälligkeitsbestimmung. Eine teilweise Aufrechterhaltung des Auszahlungstermins für die über dem Mindestentgelt liegende Vergütung bzw. für die Vergütung der nicht der PflegeArbbV unterfallenden Beschäftigten enthielte keine in sich geschlossene Regelung. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Einigungsstelle nach ihrem eigenen Regelungsplan eine so verstandene Fälligkeit bestimmen wollte; ausweislich der Begründung des Spruchs hat sie zwei Fälligkeitszeitpunkte als „unpraktikabel“ angesehen.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    Hromadka    

        

   Olaf Kunz    

                 

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer den Mindestlohn

1.
zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit,
2.
spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde,
zu zahlen. Für den Fall, dass keine Vereinbarung über die Fälligkeit getroffen worden ist, bleibt § 614 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unberührt.

(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehenden und auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns auszugleichen, soweit der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden nach § 1 Absatz 1 nicht bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen. Die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Wertguthabenvereinbarungen im Sinne des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Satz 1 gilt entsprechend für eine im Hinblick auf den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vergleichbare ausländische Regelung.

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.

(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer den Mindestlohn

1.
zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit,
2.
spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde,
zu zahlen. Für den Fall, dass keine Vereinbarung über die Fälligkeit getroffen worden ist, bleibt § 614 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unberührt.

(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehenden und auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns auszugleichen, soweit der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden nach § 1 Absatz 1 nicht bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen. Die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Wertguthabenvereinbarungen im Sinne des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Satz 1 gilt entsprechend für eine im Hinblick auf den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vergleichbare ausländische Regelung.

Die Vergütung ist nach der Leistung der Dienste zu entrichten. Ist die Vergütung nach Zeitabschnitten bemessen, so ist sie nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten.

Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Absatz 1 nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen.

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.

(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 15. Oktober 2015 - 8 Sa 540/15 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung von Bereitschaftszeiten.

2

Die Beklagte betreibt einen Rettungsdienst. Der Kläger ist bei ihr als Rettungsassistent beschäftigt. Er leistet im Rahmen einer Vier-Tage-Woche mit Zwölfstundenschichten einschließlich Bereitschaftszeiten durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 2.680,31 Euro nebst Zulagen.

3

Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag zugrunde, der ua. bestimmt:

        

„Aufgrund der Überführung des Beschäftigungsverhältnisses auf die tarifvertraglichen Regelungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) treten zum 01.01.2012 an die Stelle der bestehenden Arbeitsbedingungen folgende arbeitsvertraglichen Regelungen:

        

§ 1

        

Herr … wird unter Eingruppierung in Entgeltgruppe 5, Stufe 6, TVöD als vollbeschäftigter Rettungsassistent unbefristet weiterbeschäftigt. …

        

§ 2

        

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach den Vorschriften des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.

        

…       

        

§ 3

        

Bei Beschäftigten im Rettungsdienst fallen regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten an. Aus diesem Grunde wird die wöchentliche Arbeitszeit unter Anwendung der Sonderregelung im Anhang zu § 9 TVöD auf durchschnittlich 48 Stunden festgesetzt. …“

4

Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 idF des Änderungstarifvertrags vom 1. April 2014 (im Folgenden TVöD) regelt ua.:

        

§ 6

        

Regelmäßige Arbeitszeit

        

(1)     

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen für

                 

a)    

die Beschäftigten des Bundes durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich,

                 

b)    

die Beschäftigten der Mitglieder eines Mitgliedsverbandes der VKA im Tarifgebiet West durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich, ...

                 

…       

        
        

(2)     

Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. …

        

…       

        
        

§ 9

        

Bereitschaftszeiten

        

(1)     

Bereitschaftszeiten sind die Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auch auf Anordnung, aufzunehmen und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Für Beschäftigte, in deren Tätigkeit regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten fallen, gelten folgende Regelungen:

                 

a)    

Bereitschaftszeiten werden zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet (faktorisiert).

                 

b)    

Sie werden innerhalb von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit nicht gesondert ausgewiesen.

                 

c)    

Die Summe aus den faktorisierten Bereitschaftszeiten und der Vollarbeitszeit darf die Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 nicht überschreiten.

                 

d)    

Die Summe aus Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten darf durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten.

        

…       

                 
        

§ 15

        

Tabellenentgelt

        

(1)     

Die/Der Beschäftigte erhält monatlich ein Tabellenentgelt. Die Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in die sie/er eingruppiert ist, und nach der für sie/ihn geltenden Stufe. …

        

…       

        

Anhang zu § 9

        

…       

        

B.    

Bereitschaftszeiten im Rettungsdienst und in Leitstellen

                 

(1)     

Für Beschäftigte im Rettungsdienst und in den Leitstellen, in deren Tätigkeit regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten fallen, gelten folgende besondere Regelungen zu § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD:

                          

Die Summe aus den faktorisierten Bereitschaftszeiten und der Vollarbeitszeit darf die Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 nicht überschreiten. Die Summe aus Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten darf durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. Bereitschaftszeiten sind die Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auch auf Anordnung, aufzunehmen und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Bereitschaftszeiten werden zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet(faktorisiert). Bereitschaftszeiten werden innerhalb von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit nicht gesondert ausgewiesen.

                 

(2)     

Die zulässige tägliche Höchstarbeitszeit beträgt zwölf Stunden zuzüglich der gesetzlichen Pausen.

                 

(3)     

Die allgemeinen Regelungen des TVöD zur Arbeitszeit bleiben im Übrigen unberührt.

        

…“      

5

Nach erfolgloser Geltendmachung weiterer Vergütung von Bereitschaftszeiten hat der Kläger im Februar 2015 Zahlungsklage erhoben, welche die Monate Januar und Februar 2015 umfasst.

6

Der Kläger meint, die Beklagte vergüte die Bereitschaftszeiten nicht mit dem gesetzlichen Mindestlohn. Die arbeitsvertraglich einbezogene tarifliche Vergütungsregelung sei aufgrund des Inkrafttretens des Mindestlohngesetzes unwirksam geworden. Folge sei ein Anspruch auf die übliche Vergütung in Höhe des tariflichen Tabellenentgelts von 15,81 Euro brutto/Stunde.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.237,30 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 618,65 Euro ab 1. Februar und 1. März 2015 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn sei erfüllt. Das Tabellenentgelt vergüte die Arbeitsleistung des Klägers, die aus Vollarbeit und Bereitschaftszeit bestehe.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Der Anspruch des Klägers auf Vergütung der Bereitschaftszeiten ist erfüllt.

11

I. Die Zahlungsklage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie ist auf konkrete Vergütungsdifferenzen über eine Zeit von zwei Monaten gerichtet. Die Klage ist für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 626/13 - Rn. 12).

12

II. Die Klage ist unbegründet.

13

1. Sie ist bereits unschlüssig, weil der Kläger seine Forderung nicht nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, sondern anhand eines Stundendurchschnitts begründet hat. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG). Dies erfordert die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Die Behauptung einer aus dem Durchschnitt eines Zeitraums ermittelten Stundenzahl ersetzt diesen Vortrag nicht (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 19). Der Senat braucht aber nicht auf eine entsprechende Ergänzung des Vortrags des Klägers hinzuwirken, weil der Zahlungsantrag in jedem Fall unbegründet ist.

14

2. Der Kläger kann für Bereitschaftszeiten keine weitere Zahlung von 7,90 Euro brutto pro Stunde fordern. Ein Anspruch auf die übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB besteht nicht.

15

a) Nach § 612 Abs. 2 BGB wird die übliche Vergütung geschuldet, wenn die arbeitsvertragliche Entgeltabrede im Streitzeitraum unwirksam war oder unwirksam geworden ist. Denn bei Unwirksamkeit einer Vergütungsvereinbarung ist die Höhe der für die versprochenen Dienste vom Arbeitgeber zu leistenden Vergütung (§ 611 Abs. 1 BGB) nicht (mehr) bestimmt, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf die übliche Vergütung hat (vgl. BAG 19. August 2015 - 5 AZR 500/14 - Rn. 23, BAGE 152, 228).

16

b) Die arbeitsvertraglich einbezogene tarifliche Vergütungsregelung ist nicht wegen des Inkrafttretens des Mindestlohngesetzes unwirksam geworden.

17

aa) Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet nach § 2 Arbeitsvertrag der TVöD Anwendung. Der Kläger ist gemäß § 1 Arbeitsvertrag in die Entgeltgruppe 5, Stufe 6 TVöD eingruppiert.

18

bb) Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt(hM Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 2; Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 4; BT-Drs. 18/1558 S. 34). Das Mindestlohngesetz greift in die Entgeltvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien und anwendbarer Entgelttarifverträge nur insoweit ein, als sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten. § 3 MiLoG führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch(vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 22).

19

Erreicht die vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn nicht, begründet dies von Gesetzes wegen einen Anspruch auf Differenzvergütung, wenn der Arbeitnehmer in der Abrechnungsperiode für die geleisteten Arbeitsstunden im Ergebnis nicht mindestens den in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG vorgesehenen Bruttolohn erhält(BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 24 mwN; vgl. zu einem tariflichen Mindestlohn BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 8/08 - Rn. 28, BAGE 128, 119).

20

c) § 612 Abs. 2 BGB gibt dem Kläger keinen Anspruch auf weitere Vergütung für Januar und Februar 2015. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen nicht vor. Das Mindestlohngesetz hat weder die arbeitsvertragliche noch die tarifvertragliche Vergütungsregelung in ihrer Wirksamkeit berührt. Vielmehr regelt es eigenständig die Rechtsfolge einer Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns, indem mit § 1 Abs. 1 MiLoG eine Anspruchsgrundlage formuliert wird(vgl. Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 4; ErfK/Franzen 16. Aufl. § 3 MiLoG Rn. 1a).

21

3. Der Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG ist durch Erfüllung erloschen.

22

a) Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro ergibt (BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 26).

23

b) Erfüllung iSv. § 362 Abs. 1 BGB tritt beim Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn - wie in jedem Schuldverhältnis - ein, wenn die geschuldete Leistung bewirkt wird. Diese Leistung liegt in der Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts, denn der gesetzliche Mindestlohn ist das als Gegenleistung für die Arbeit (mindestens) zu erbringende Entgelt (BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 27). Ausgehend von dem in § 1 Abs. 1 MiLoG verwendeten Begriff des Mindestlohns und der in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG bestimmten Höhe in Form eines Bruttobetrags, handelt es sich um eine Bruttoentgeltschuld des Arbeitgebers(zur Auslegung vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 28 f.).

24

c) Der Arbeitgeber schuldet den gesetzlichen Mindestlohn für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde. Der Mindestlohn ist für alle Stunden, während derer der Arbeitnehmer die gemäß § 611 Abs. 1 BGB geschuldete Arbeit erbringt, zu zahlen.

25

aa) Die Arbeitszeit des Klägers richtet sich nach § 3 Arbeitsvertrag iVm. § 9 Abs. 1 Satz 2 TVöD iVm. dem Anhang zu § 9 B TVöD. Danach wird die in § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD geregelte Arbeitszeit für Mitarbeiter im Rettungsdienst modifiziert. Die Bereitschaftszeiten werden zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet (faktorisiert), wobei die Summe aus diesen faktorisierten Bereitschaftszeiten und sog. Vollarbeit nicht die in § 6 Abs. 1 TVöD genannten 39 Stunden pro Woche überscheiten darf. Darüber hinaus darf die Summe aus Vollarbeit und Bereitschaftszeit durchschnittlich 48 Stunden pro Woche nicht überschreiten.

26

Die Tätigkeit als Rettungsassistent umfasst einen gewissen Anteil an Bereitschaftszeiten iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 TVöD(vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsvertrag). Es handelt sich dabei um Zeiten, in denen sich der Kläger am Arbeitsplatz oder an einer anderen von der Beklagten bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auf Anordnung aufzunehmen, und in denen Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen.

27

bb) Bereitschaftszeit ist mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten.

28

Bereitschaftszeit ist nicht nur arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG), sondern vergütungspflichtige Arbeit iSv. § 611 Abs. 1 BGB. Denn dazu zählt nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause (§ 4 ArbZG) noch Freizeit hat. Diese Voraussetzung ist bei der Bereitschaftszeit, die gemeinhin beschrieben wird als Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung, gegeben. Der Arbeitnehmer muss sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort (innerhalb oder außerhalb des Betriebs) bereithalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (vgl. BAG 19. November 2014 - 5 AZR 1101/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 150, 82).

29

Die gesetzliche Vergütungspflicht des Mindestlohngesetzes differenziert nicht nach dem Grad der tatsächlichen Inanspruchnahme (Thüsing/Bayreuther MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 50; Lembke NZA 2015, 70, 76; ders. NZA 2016, 1, 5; Schubert/Jerchel/Düwell Das neue Mindestlohngesetz Rn. 96; Viethen NZA-Beilage 2014, 143, 146; aA Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 66; ErfK/Franzen 16. Aufl. § 1 MiLoG Rn. 4a; diff. Thüsing/Hütter NZA 2015, 970, 973). Leistet der Arbeitnehmer vergütungspflichtige Arbeit, gibt das Gesetz einen ungeschmälerten Anspruch auf den Mindestlohn. Das Mindestlohngesetz enthält keine abweichende Regelung. Insbesondere ist auf eine Regelung verzichtet worden, wie sie die zum 1. Januar 2015 in Kraft getretene Zweite Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (2. PflegeArbbV) vom 27. November 2014 verwendet hat (§ 2 Abs. 3 für Bereitschaftsdienste und § 2 Abs. 4 für Rufbereitschaft), über deren Vereinbarkeit mit dem Mindestlohngesetz (§ 1 Abs. 3, § 24 Abs. 1 Satz 2 MiLoG) hier nicht zu entscheiden ist. Ohne eine solche im Gesetz selbst niedergelegte Staffelung fehlt es an einer Legitimation, Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne mit weniger als dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten. Zumal das Bundesrecht mit der 2. PflegeArbbV zeigt, wie eine derartige Regelung ausgestaltet sein könnte.

30

Werden Bereitschaftszeiten tariflich oder arbeitsvertraglich nur anteilig als Arbeitszeit berücksichtigt, ändert dies nichts daran, dass jede so erbrachte Zeitstunde mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten ist. Der gesetzliche Mindestlohn ist zwingend und kann nicht einzel- oder tarifvertraglich gemindert oder abbedungen werden (§ 3 MiLoG). Folglich vermag eine abweichende arbeits- oder tarifvertragliche Regelung nicht den gesetzlichen Mindestlohn zu erfassen.

31

d) Die Beklagte hat den Mindestlohnanspruch des Klägers für die Monate Januar und Februar 2015 bereits durch die allmonatliche Zahlung des Bruttogehalts iHv. 2.680,31 Euro erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

32

In diesen Monaten überschritt die gezahlte Bruttovergütung iHv. 2.680,31 Euro das Produkt der nach Behauptung des Klägers jeweils - einschließlich Bereitschaftszeit - geleisteten 208,7 Arbeitsstunden multipliziert mit 8,50 Euro (= 1.773,95 Euro brutto). Dies gilt selbst im Fall der denkbaren 228 Arbeitsstunden, die der Kläger in dem für ihn geregelten Arbeitszeitmodell mit Vollarbeit und Bereitschaftszeit in einem Kalendermonat an 19 Arbeitstagen maximal leisten kann. Auch dann übersteigt die Monatsvergütung den gesetzlichen Mindestlohn (228 Stunden zu 8,50 Euro = 1.938,00 Euro brutto), womit in jedem Fall sein Mindestlohnanspruch erfüllt ist.

33

III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber    

        

    Volk    

        

        

        

    Feldmeier    

        

    Reinders    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Januar 2016 - 19 Sa 1851/15 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs durch Sonderzahlungen und die Auswirkungen des Mindestlohngesetzes auf arbeitsvertraglich vereinbarte Entgeltbestandteile.

2

Die Klägerin ist seit 1992, zuletzt als Mitarbeiterin in der Cafeteria, bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin in Vollzeit beschäftigt.

3

Der schriftliche Arbeitsvertrag regelt - inhaltsgleich mit weiteren Arbeitsverträgen der Arbeitnehmer der Beklagten - ua.:

        

        

㤠3 Lohn; Gehalt

        

a)    

Der Arbeitnehmer … erhält auf der Basis eines Stundensatzes von 13,50 DM einen Monatslohn … von 2.347,92 DM. Der Lohn … wird jeweils am 10. des Monats für den Vormonat … gezahlt. …

        

b)    

… Die über die regelmäßige monatliche betriebsübliche Arbeitszeit hinaus angeordnete und geleistete Arbeit wird mit dem vereinbarten Stundensatz zuzüglich des nachstehenden Zuschlages berechnet. …

                 

Überstundenzuschlag: 25 %

                 

…       

        

c)    

Für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen wird ein Zuschlag in nachstehender Höhe des vereinbarten Stundenlohns gezahlt. …

                 

Sonntagszuschlag: 30 %

                 

Feiertagszuschlag: 100 %

        

d)    

Für die Arbeit in der Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr (Nachtarbeit) erhält der Arbeitnehmer … einen Zuschlag in nachstehender Höhe des vereinbarten Stundenlohns.

                 

Nachtzuschlag: 10 %

        

…       

        
                 

§ 4 Urlaubsgeld, Zuwendung

                 

Hat das Arbeitsverhältnis seit Beginn des laufenden Kalenderjahres bestanden, erhält der Arbeitnehmer … zur Lohnzahlung Mai ein zusätzliches Urlaubsgeld des im Fälligkeitsmonat vereinbarten Entgelts entsprechend § 3 des Arbeitsvertrages und mit der Gehaltszahlung im Monat November ein Weihnachtsgeld des zu diesem Zeitpunkt vereinbarten Lohns als Sonderzuwendung in nachstehender Höhe.

                 

Urlaubsgeld: 50 %

                 

Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld): 50 %

                 

Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im laufenden Kalenderjahr oder hat der Arbeitnehmer … nicht während des gesamten Jahres Bezüge von der Einrichtung erhalten, vermindert sich das zusätzliche Urlaubsgeld sowie die Sonderzuwendung um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, in dem kein Arbeitsverhältnis bestanden oder für den keine Bezüge beansprucht wurden. Eventuell zuviel gezahltes Urlaubsgeld und / oder Sonderzuwendung sind zurückzuzahlen.“

4

Die Beklagte schloss mit dem Betriebsrat am 8./10. Dezember 2014 eine „Betriebsvereinbarung Inkrafttreten Mindestlohngesetz“ (im Folgenden BV Mindestlohn), die ua. bestimmt:

        

„Fälligkeit Sonderzahlungen Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld

                 

Arbeitsvertraglich vereinbarte Jahressonderzahlungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld) sind in Höhe von 1/12 für jeden Kalendermonat zur betriebsüblichen Fälligkeit der Monatsvergütung zur Zahlung fällig.

        

Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen

                 

Die Arbeitgeberin verpflichtet sich für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2017 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. …“

5

Mitte Dezember 2014 bot die Beklagte allen Arbeitnehmern Änderungsverträge an, die eine Erhöhung des Monatsentgelts um 2 % ab 1. Januar 2015 und eine anteilige Zahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds in jedem Monat vorsahen. Die Klägerin lehnte dies, anders als die weit überwiegende Mehrheit der Belegschaft, ab. Ende Januar 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die arbeitsvertragliche Regelung zur Rückzahlung zu viel gezahlten Urlaubs- und Weihnachtsgelds entfalle ersatzlos rückwirkend zum Jahresbeginn.

6

Ab Januar 2015 zahlte die Beklagte der Klägerin neben dem Bruttogehalt iHv. 1.391,36 Euro monatlich weitere jeweils 57,97 Euro brutto, die sie mit „Urlaubsgeld 1/12“ und „Sonderzuwendung 1/12“ abrechnet, insgesamt 1.507,30 Euro brutto. Nacht-, Überstunden-, Sonn- und Feiertagszuschlägen legt die Beklagte den vertraglichen Bruttostundenlohn iHv. 8,00 Euro zugrunde. Im Februar, April und Juni 2015 angefallene Überstunden vergütete die Beklagte ebenfalls auf der Basis von 8,00 Euro brutto/Stunde.

7

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin Zahlungs- und Feststellungsklage erhoben. Sie fordert weitere Vergütung für den Zeitraum von Januar bis November 2015.

8

Die Klägerin meint, die Beklagte zahle den gesetzlichen Mindestlohn nicht in voller Höhe. Bei durchschnittlich 173,33 Stunden im Monat müsse das Bruttomonatsgehalt 1.473,33 Euro betragen. Die Jahressonderzahlungen seien nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar. Deren arbeitsvertraglich vereinbarte Fälligkeit könne nicht verändert werden. Die BV Mindestlohn sei unwirksam. Alle Entgeltbestandteile seien auf der Grundlage des Mindestlohns von 8,50 Euro/Stunde zu berechnen, Überstunden mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten.

9

Die Klägerin hat - soweit für die Revision relevant - sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 927,21 Euro brutto zuzüglich Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen,

        

2.    

festzustellen, dass die Abrechnung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte von 1/12 Urlaubsgeld iHv. 57,97 Euro brutto und 1/12 Sonderzuwendung iHv. 57,97 Euro brutto durch Entgeltabrechnung für den jeweiligen Kalendermonat seit Januar 2015 unwirksam ist,

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Urlaubsgeld iHv. 736,67 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 695,64 Euro zuzüglich Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen,

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Weihnachtsgeld iHv. 736,67 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 695,64 Euro brutto zuzüglich Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn sei erfüllt, die Zwölftelung der Jahressonderzahlungen zulässig. Zuschläge und Sonderzahlungen würden durch die gesetzliche Mindestlohnregelung nicht berührt und seien weiterhin nach dem arbeitsvertraglich Vereinbarten geschuldet.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin im Wesentlichen zurückgewiesen und ihr (rechtskräftig) nur Nachtarbeitszuschläge iHv. 0,80 Euro brutto zugesprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen. Der Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Mindestlohn ist erfüllt. Das Mindestlohngesetz hat die arbeitsvertraglich vereinbarten Entgeltbestandteile - wie Sonderzahlungen und Zuschläge für Sonderformen der Arbeit oder Arbeit zu besonderen Zeiten - nicht erhöht. Verzugszinsen kann die Klägerin nicht beanspruchen.

13

I. Die Klage ist in den Zahlungsanträgen zulässig. Dagegen ist der Feststellungsantrag unzulässig.

14

1. Die Zahlungsanträge sind zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie sind auf konkrete Vergütungsdifferenzen über eine Zeit von elf Monaten gerichtet. Die Klage ist für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 626/13 - Rn. 12).

15

2. Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag zutreffend als unzulässig abgewiesen.

16

a) Die von der Klägerin begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Abrechnung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds betrifft kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO(zu den Anforderungen vgl. BAG 24. Februar 2016 - 7 ABR 23/14 - Rn. 12 mwN). Zwar sind die Gerichte gehalten, Anträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass hierdurch eine erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird (BAG 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 - Rn. 12 mwN). Doch scheitert jede Auslegung - etwa dahingehend, die Fälligkeit der Jahressonderzahlungen solle geklärt werden - am Wortlaut des Antrags.

17

b) Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang eine Verletzung der Hinweispflicht rügt, genügt die Revisionsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen (vgl. dazu BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109,145). Die Klägerin hat nicht dargelegt, welchen anderen Antrag sie auf welchen Hinweis des Landesarbeitsgerichts gestellt hätte, und auch in der Revisionsinstanz unverändert an dem vom Berufungsgericht als unzulässig beanstandeten Feststellungsantrag festgehalten.

18

II. Die Klage ist unbegründet.

19

1. Sie ist bereits unschlüssig, weil die Klägerin ihre Forderung nicht nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, sondern anhand eines monatlichen Stundendurchschnitts begründet hat. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG). Dies erfordert die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Die Behauptung einer aus dem Durchschnitt eines Zeitraums ermittelten Stundenzahl ersetzt diesen Vortrag nicht. Insbesondere wenn in dieser Stundenzahl Zeiten ohne Arbeitsleistung, aber fortbestehendem Vergütungsanspruch (zB Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen oder Urlaub) enthalten sind, für die das Mindestlohngesetz mangels tatsächlicher Arbeitsleistung keine Ansprüche begründet. Insofern ist Sachvortrag nach den jeweils einschlägigen Normen zu leisten. Der Senat braucht aber nicht auf eine entsprechende Ergänzung des Vortrags der Klägerin hinzuwirken, weil die Zahlungsanträge in jedem Fall unbegründet sind.

20

2. Der Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG ist durch Erfüllung erloschen.

21

a) Die Beklagte hat den Mindestlohnanspruch der Klägerin in der streitgegenständlichen Zeit jedenfalls durch allmonatliche Zahlung des Bruttogehalts und eines Zwölftels der Jahressonderzahlungen erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

22

b) Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt(hM Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 2; Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 4; BT-Drs. 18/1558 S. 34). Das Mindestlohngesetz greift in die Entgeltvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien und anwendbarer Entgelttarifverträge nur insoweit ein, als sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten. § 3 MiLoG führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch.

23

aa) Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn haben alle Arbeitnehmer, auch wenn ihre durch Arbeits- oder Tarifvertrag geregelte Vergütung über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt (HK-MiLoG/Düwell § 1 Rn. 18). Das Mindestlohngesetz schafft in seinem Geltungsbereich eine eigenständige Anspruchsgrundlage für alle Arbeitnehmer (ErfK/Franzen 16. Aufl. § 1 MiLoG Rn. 2; aA Waltermann AuR 2015, 166, 170; HK-MiLoG/Schubert § 20 Rn. 10).

24

bb) Erreicht die vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn nicht, begründet dies von Gesetzes wegen einen Anspruch auf Differenzvergütung, wenn der Arbeitnehmer in der Abrechnungsperiode für die geleisteten Arbeitsstunden im Ergebnis nicht mindestens den in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG vorgesehenen Bruttolohn erhält(Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 31; Lembke NZA 2016, 1, 4; vgl. zu einem tariflichen Mindestlohn BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 8/08 - Rn. 28, BAGE 128, 119).

25

Dabei scheiden längere Berechnungszeiträume als ein Kalendermonat für die Frage, ob ein Anspruch auf Differenzvergütung entstanden ist, aus (Kocher AuR 2015, 173, 175; Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 78; aA Waltermann AuR 2015, 166, 171: „zweimonatlich“; wohl auch ErfK/Franzen 16. Aufl. § 1 MiLoG Rn. 8). Denn mit dem Mindestlohngesetz soll den in Vollzeit tätigen Arbeitnehmern ein Monatseinkommen „oberhalb der Pfändungsfreigrenze“ gesichert werden (BT-Drs. 18/1558 S. 28). Um regelmäßigen Zahlungspflichten nachkommen zu können, regelt § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG konsequenterweise die Fälligkeit des Mindestlohns spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde.

26

cc) Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro ergibt. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Arbeitgeber den Mindestlohn stets rechtzeitig leistet, auch verspätete Zahlungen können Erfüllungswirkung haben. Dies belegt § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG, wonach der Arbeitgeber ordnungswidrig handelt, wenn er den Mindestlohn nicht oder „nicht rechtzeitig zahlt“. Im Übrigen wäre der Anspruch auf den Mindestlohn nicht klagbar, würde man nachträglichen Zahlungen die Erfüllungswirkung absprechen. Leistet der Arbeitgeber den Mindestlohn nach Fälligkeit (§ 2 Abs. 1 MiLoG), kann der Arbeitnehmer Verzugszinsen sowie den Ersatz eines sonstigen Verzugsschadens verlangen, §§ 288, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

27

dd) Erfüllung iSv. § 362 Abs. 1 BGB tritt beim Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn - wie in jedem Schuldverhältnis - ein, wenn die geschuldete Leistung bewirkt wird. Diese Leistung liegt in der Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts, denn der gesetzliche Mindestlohn ist das als Gegenleistung für die Arbeit (mindestens) zu erbringende Entgelt.

28

(1) Der Gesetzesbegriff des Mindestlohns bedarf der Auslegung. Maßgebend ist dafür der in der Norm zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Regelung hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (st. Rspr., vgl. nur BVerfG 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2 BvR 2155/11 - Rn. 66, BVerfGE 133, 168).

29

Ausgehend von dem in § 1 Abs. 1 MiLoG verwendeten Begriff des Mindestlohns und der in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG bestimmten Höhe in Form eines Bruttobetrags, handelt es sich um eine Bruttoentgeltschuld des Arbeitgebers. Dabei ist es unerheblich, dass der Gesetzgeber - im Unterschied zu anderen arbeitsrechtlichen Regelungen - nicht den Begriff „Entgelt“ (vgl. zB § 10 Abs. 1 Satz 5 AÜG „Arbeitsentgelt“, § 5 Satz 1 Nr. 1 AEntG „Mindestentgeltsätze“), sondern „Lohn“ verwendet. Diese nicht mehr zeitgemäße, auf die Vergütung gewerblicher Arbeitnehmer abstellende Terminologie erklärt sich mit dem Sprachgebrauch in der politischen Diskussion vor Verabschiedung des Gesetzes (vgl. Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 7). Eine Beschränkung des Geltungsbereichs auf Arbeiter, die noch im Stundenlohn vergütet werden, war und ist nicht gewollt. Es sollten umfassend alle Arbeitnehmer vor den Folgen einer unangemessen niedrigen Vergütung geschützt werden. Dieser in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Zweck zielt darauf ab, jedem Arbeitnehmer ein existenzsicherndes Monatseinkommen zu gewährleisten (BT-Drs. 18/1558 S. 28). Diesem Ziel entsprechend fordern §§ 1 und 2 MiLoG mit dem Begriff der „Zahlung“ und der Nennung eines Eurobetrags in „brutto“ eine Entgeltleistung in Form von Geld(Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 81 ff.; Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 127; Sittard RdA 2015, 99, 105).

30

Der Mindestlohn beträgt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG 8,50 Euro brutto „je Zeitstunde“. Das Gesetz macht den Anspruch nicht von der zeitlichen Lage der Arbeit oder den mit der Arbeitsleistung verbundenen Umständen oder Erfolgen abhängig (vgl. Lembke NZA 2015, 70, 76). Die Normierung eines angemessenen Verhältnisses von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt bezweckt die Existenzsicherung durch Arbeitseinkommen als Ausdruck der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG), die letztlich auch die sozialen Sicherungssysteme entlasten soll (BT-Drs. 18/1558 S. 28; Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 16. Aufl. § 66 Rn. 2; Sittard NZA 2015, 78, 79 f.; Greiner/Strippelmann BB 2015, 949, 950; Jares DB 2015, 307, 309; Heuschmid/Hlava NJW 2015, 1719, 1722).

31

(2) Bei einer Geldschuld wird die geschuldete Leistung mangels anderer Vereinbarung nur dann bewirkt, wenn der Gläubiger den Geldbetrag, den er beanspruchen kann, endgültig zur freien Verfügung übereignet oder überwiesen erhält. Darf er den Betrag nicht behalten, tritt der Leistungserfolg nicht ein (vgl. BGH 23. Januar 1996 - XI ZR 75/95 - zu 1 der Gründe; Jauernig/Stürner BGB 16. Aufl. § 362 Rn. 1; Staudinger/Olzen (2016) § 362 BGB Rn. 27). Daher erfüllt der Arbeitgeber den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn durch die im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen nur, soweit diese dem Arbeitnehmer endgültig verbleiben.

32

(3) Gilt somit ein umfassender Entgeltbegriff, sind alle im Synallagma stehenden Geldleistungen des Arbeitgebers geeignet, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Von den im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers (vgl. Bayreuther NZA 2014, 865, 869; Lembke NZA 2015, 70, 76) fehlt folglich nur solchen Zahlungen die Erfüllungswirkung, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (zB § 6 Abs. 5 ArbZG, der einen Zuschlag auf das dem Arbeitnehmer zustehende Bruttoarbeitsentgelt vorsieht, vgl. BAG 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 51, BAGE 148, 68) beruhen. Letzteres folgt aus der Gleichrangigkeit der Normen des Bundesrechts. Ist eine Zuordnung der Zahlung erforderlich, finden die Regelungen des § 366 BGB Anwendung(vgl. Thüsing/Greiner MiLoG 2. Aufl. § 3 Rn. 13; aA wohl Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 82 ff.).

33

c) Danach sind die Mindestlohnansprüche der Klägerin in den Kalendermonaten Januar bis November 2015 erfüllt. Denn neben dem monatlichen Bruttogehalt kommt auch den vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat zu 1/12 geleisteten Jahressonderzahlungen Erfüllungswirkung zu. Sie sind eine im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis stehende Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeit. Denn nach § 4 Arbeitsvertrag mindern sie sich um jeweils ein Zwölftel für Kalendermonate ohne Entgeltanspruch. Einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegen die Jahressonderzahlungen nicht. Eine Rückforderung ist der Beklagten aufgrund ihrer vorprozessualen Erklärung vom Januar 2015 verwehrt.

34

3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erhöhte Jahressonderzahlungen. Diese sind nicht auf der Grundlage des aktuellen Mindestlohns zu berechnen. Nach § 4 Arbeitsvertrag betragen Urlaubs- und Weihnachtsgeld jeweils 50 % des „vereinbarten Entgelts“ bzw. des „vereinbarten Lohns“. Das Landesarbeitsgericht ist deshalb zutreffend davon ausgegangen, die Berechnung richte sich nach der in § 3 Arbeitsvertrag bestimmten Vergütung. Der Wortlaut der Vereinbarung lässt keinen anderen Schluss zu. Das Mindestlohngesetz hat daran nichts geändert. Der gesetzliche Mindestlohn tritt neben den arbeits- bzw. tarifvertraglichen Vergütungsanspruch, lässt aber die Vergütungsvereinbarung unberührt (vgl. Rn. 22). Eine bestimmte Höhe von Sonderzahlungen sieht das Mindestlohngesetz nicht vor.

35

4. Die Klägerin kann keine höheren als die arbeitsvertraglich vereinbarten Zuschläge für Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit verlangen. Diese sind nicht auf der Grundlage der in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG bestimmten 8,50 Euro, sondern des vertraglich vereinbarten Bruttostundenentgelts zu berechnen.

36

Die Zuschlagspflicht für Überstunden und Arbeit an besonderen Tagen folgt allein aus § 3 Buchst. b und c Arbeitsvertrag und knüpft an den „vereinbarten Stundenlohn“ an. Das ist der in § 3 Buchst. a Arbeitsvertrag festgehaltene Betrag. Der Wortlaut der Vereinbarung lässt nur diesen Schluss zu. Auf die Ausführungen in Rn. 34 wird verwiesen. Daran hat das Mindestlohngesetz nichts geändert.

37

5. Die Klägerin hat aufgrund des Mindestlohngesetzes keinen Anspruch auf weitere Überstundenvergütungen.

38

In den Monaten mit Überstundenleistung hat die Beklagte den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn durch Zahlung des Bruttomonatsgehalts, der in Zwölfteln geleisteten Jahressonderzahlungen und der jeweiligen Überstundenvergütung iHv. 8,00 Euro brutto/Stunde erfüllt.

39

Im Februar 2015 leistete die Klägerin eine Überstunde, für die die Beklagte neben der Vergütung weitere 8,00 Euro brutto, mithin 1.515,30 Euro brutto geleistet hat. Im April 2015 erbrachte die Klägerin vier Überstunden, für die sie neben der Vergütung weitere 32,00 Euro brutto, mithin 1.539,30 Euro brutto erhalten hat. Im Juni 2015 leistete die Klägerin 4,5 Überstunden, für die die Beklagte neben der Vergütung weitere 36,00 Euro brutto, mithin 1.543,30 Euro brutto geleistet hat. Die Klägerin hat in keinem der Fälle vorgetragen, sie habe über die damit jedenfalls in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns abgegoltenen 178,27 bzw. 181,09 bzw. 181,56 Arbeitsstunden im Monat weitere Arbeit erbracht.

40

6. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Verzugszinsen wegen verspäteter Jahressonderzahlungen besteht nicht. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, Ansprüche auf Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen nicht rechtzeitiger Leistung der Jahressonderzahlungen bestünden nicht. Die Regelung der Fälligkeit der BV Mindestlohn mit jeweils 1/12 für jeden Kalendermonat verdrängt die arbeitsvertragliche Fälligkeitsvereinbarung.

41

a) Die von der Klägerin erhobenen Rügen gegen die formelle Wirksamkeit der BV Mindestlohn greifen nicht durch.

42

aa) Die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe das Bestreiten eines wirksamen Betriebsratsbeschlusses übergangen, ist unzulässig. Der pauschale Hinweis auf ein Bestreiten genügt den Anforderungen an eine Gehörsrüge nicht. Darüber hinaus brauchen die Gerichte nicht jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu behandeln (vgl. BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10). Die Klägerin hat keine besonderen Umstände deutlich gemacht, wonach das Landesarbeitsgericht ihr Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen haben soll. Tatsächlich setzt sich das Landesarbeitsgericht mit dem streitigen Thema auseinander, hält das Bestreiten der Klägerin aber nicht mehr für erheblich.

43

bb) Die Rüge, der angebotene Zeugenbeweis sei nicht erhoben worden, ist ebenfalls unzulässig, denn ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Allein die Rüge, ein Beweis sei nicht erhoben worden, ist unzureichend, wenn die Klägerin - wie hier - nicht vorgetragen hat, wo und bei welcher Gelegenheit sie ein den Anforderungen des § 373 ZPO entsprechendes Beweisangebot gemacht habe(vgl. BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 380/99 - zu II 2 b cc (3) der Gründe, BAGE 96, 123).

44

cc) Die Würdigung der Beschlussfassung des Betriebsrats durch das Landesarbeitsgericht verletzt nicht § 286 ZPO. Danach haben die Tatsacheninstanzen unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer ggf. durchgeführten Beweisaufnahme nach ihrer freien Überzeugung darüber zu befinden, ob sie eine tatsächliche Behauptung für wahr erachten oder nicht. Die Würdigung muss vollständig, widerspruchsfrei und umfassend sein. Mögliche Zweifel müssen überwunden, brauchen aber nicht völlig ausgeschlossen zu werden (vgl. BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 35 mwN). Revisionsrechtlich ist diese Würdigung allein daraufhin zu überprüfen, ob alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht Denk- und Erfahrungsgrundsätze verletzt wurden.Gemessen daran hat das Landesarbeitsgericht § 286 ZPO nicht verletzt. Es hat, basierend auf dem Beklagtenvortrag zur Beschlussfassung des Betriebsrats, seine Überzeugungsbildung ausreichend dargelegt. Das Berufungsgericht durfte das weitere, lediglich pauschale Bestreiten der Klägerin für unerheblich halten.

45

dd) Schließlich hat das Landesarbeitsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen Verstoß gegen § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG verneint. Nach dieser Bestimmung hat der Vorsitzende die Mitglieder des Betriebsrats zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden. Für ein verhindertes Betriebsratsmitglied hat er nach § 29 Abs. 2 Satz 6 BetrVG das Ersatzmitglied zu laden. Die Einhaltung dieser Vorschriften ist wesentlich für die Wirksamkeit eines in der Sitzung gefassten Beschlusses. Eine mangels Übermittlung der Tagesordnung verfahrensfehlerhafte Ladung zu einer Betriebsratssitzung kann allerdings durch die im Übrigen ordnungsgemäß geladenen Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats in einer Betriebsratssitzung geheilt werden, wenn dieser beschlussfähig iSd. § 33 Abs. 2 BetrVG ist und die Anwesenden einstimmig beschließen, über einen Regelungsgegenstand zu beraten und abzustimmen. Nicht erforderlich ist, dass an dieser Sitzung alle Betriebsratsmitglieder teilnehmen (vgl. BAG 4. November 2015 - 7 ABR 61/13 - Rn. 32 mwN; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 30, BAGE 148, 26).

46

b) Die BV Mindestlohn ist auch materiell wirksam.

47

aa) Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG greift nicht, denn es handelt sich um eine Angelegenheit, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt(BAG GS 3. Dezember 1991 -  GS 2/90  - zu C I 4 der Gründe, BAGE 69, 134 ; BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09  - Rn. 30 , BAGE 138 ,68).

48

Es liegt ein Fall der erzwingbaren Mitbestimmung vor. Die BV Mindestlohn beinhaltet eine Fälligkeitsbestimmung. Fälligkeit bezeichnet bei (Arbeits-)Vergütung den Zeitpunkt, wann diese zu entrichten ist (vgl. § 614 BGB). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG erfasst die Regelung des Zeitpunkts, zu dem die Arbeitsvergütung zu zahlen ist(vgl. BAG 22. Juli 2014 - 1 ABR 96/12 - Rn. 12, BAGE 148, 341). Eine die Beklagte bindende tarifliche Regelung besteht nicht.

49

bb) Die arbeitsvertragliche Fälligkeitsregelung wird durch die der BV Mindestlohn verdrängt, denn sie ist betriebsvereinbarungsoffen.

50

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) handelt es sich bei den arbeitsvertraglichen Regelungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die hiergegen erhobene Gehörsrüge der Klägerin genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Klägerin hat nicht konkret vortragen, welcher Vortrag übergangen sein soll (vgl. BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - Rn. 36, BAGE 109, 145).

51

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei unterliegt die Auslegung der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BAG 17. April 2013 - 10 AZR 281/12 - Rn. 12; 19. August 2015 - 5 AZR 450/14 - Rn. 14).

52

Die Arbeitsvertragsparteien können ihre vertraglichen Absprachen dahingehend gestalten, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Das kann ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen und ist nicht nur bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich, sondern auch bei einzelvertraglichen Abreden (vgl. BAG 17. Februar 2015 - 1 AZR 599/13 - Rn. 27). Eine konkludente Vereinbarung darf angenommen werden, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und einen kollektiven Bezug hat. Mit der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen macht der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar deutlich, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen. Eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen stünde dem entgegen. Da Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet sind, kann aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen um solche handelt, die einer Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbaren, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen (vgl. BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 60).

53

Danach ist die arbeitsvertragliche Fälligkeitsregelung der Jahressonderzahlungen betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet. Es handelt sich um von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen mit kollektivem Bezug. Der Auszahlungszeitpunkt der Jahressonderzahlungen soll betriebseinheitlich geregelt werden. Dass der Vereinbarung der Fälligkeitsregelung in § 4 Arbeitsvertrag eine betriebsvereinbarungsfeste Individualvereinbarung zugrunde liegt, ist nicht ersichtlich.

54

c) Der Beklagten ist es nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht verwehrt, sich auf die Fälligkeitsregelung der BV Mindestlohn zu berufen. Ein widersprüchliches Verhalten der Beklagten liegt nicht vor. Entgegen der Revision ist § 242 BGB nicht deshalb anzuwenden, weil die Beklagte die Wirkung der BV Mindestlohn unter die Bedingung gestellt habe, dass mit sämtlichen Arbeitnehmern Änderungsverträge zustande kommen. Die BV Mindestlohn selbst enthält keine solche Bedingung. Eine außerhalb der kollektiven Vereinbarung einseitig von der Beklagten formulierte Bedingung hätte überdies keinen rechtlichen Einfluss auf den Inhalt einer zwischen den Betriebspartnern geschlossenen Betriebsvereinbarung. Gleiches gilt für die Schreiben der Beklagten vom Dezember 2014 und Januar 2015.

55

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Volk    

        

        

        

    Dombrowsky    

        

    Mattausch    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. April 2016 - 10 Sa 2139/15 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 5. Oktober 2015 - 19 Ca 8090/15 - wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs.

2

Die Klägerin ist seit 2006 bei der Beklagten als Telefonistin im Schichtdienst acht Stunden täglich zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 1.280,00 Euro beschäftigt.

3

Der seit mehreren Jahren gekündigte, zwischen der Beklagten und ver.di abgeschlossene Vergütungstarifvertrag vom 24. August 2001 enthält eine Regelung, wonach sich das monatliche Bruttogrundgehalt einer Telefonistin bei nachgewiesener Befähigung und Fertigkeit der selbständigen Funkkanalbedienung um 30,68 Euro je Kanal (max. 122,71 Euro) erhöht, unabhängig von deren tatsächlicher Bedienung.

4

Gemäß einer Betriebsvereinbarung vom 22. Juli 1999 erhalten Angestellte der Beklagten Leistungsprämien, die entweder durch eine Kennziffer bemessen werden, die aus verschiedenen Auftragsarten der Telefonannahme und Funkvermittlung im Vergleich aller Mitarbeiter ermittelt wird (Leistungsprämie LP1), oder sich nach allgemeinen Kriterien wie Sprache, Höflichkeit, Korrektheit und Zuverlässigkeit (Leistungsprämie LP2) richtet.

5

In den Monaten Januar bis Juli 2015 zahlte die Beklagte der Klägerin jeweils neben dem Bruttogrundgehalt iHv. 1.280,00 Euro, Wechselschichtzulagen iHv. 243,75 Euro brutto, Funkprämien iHv. 122,71 Euro brutto sowie zwei Leistungsprämien iHv. 81,81 Euro brutto (LP1) und 51,13 Euro brutto (LP2).

6

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin Zahlungsklage erhoben. Sie fordert weitere Vergütung für den Zeitraum von Januar bis Juli 2015. Die Klägerin meint, die Beklagte erfülle nicht den gesetzlichen Mindestlohn. Bei durchschnittlich 182,5 Stunden im Monat müsse der monatliche Bruttogrundlohn 1.551,25 Euro betragen. Die Zulagen und Prämien würden den gesetzlichen Mindestlohn nicht erfüllen.

7

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.898,75 Euro brutto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil zu Unrecht abgeändert. Die Beklagte hat den Anspruch der Klägerin auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns erfüllt.

11

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Ansprüche sind auf konkrete Vergütungsdifferenzen über eine Zeit von sieben Monaten gerichtet. Die Klage ist für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 626/13 - Rn. 12; 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 14).

12

II. Die Klage ist unbegründet.

13

1. Die Klagebegründung ist bereits unschlüssig, weil die Klägerin ihre Forderung nicht nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, sondern anhand der arbeitsvertraglich vereinbarten monatlichen Stundenzahl berechnet hat. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG). Dies erfordert die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Die Behauptung einer aus dem Durchschnitt eines Zeitraums ermittelten Stundenzahl ersetzt diesen Vortrag nicht. Dies gilt insbesondere, wenn in dieser Stundenzahl Zeiten ohne Arbeitsleistung, aber fortbestehendem Vergütungsanspruch (zB Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen oder Urlaub) enthalten sind, für die das Mindestlohngesetz mangels tatsächlicher Arbeitsleistung keine Ansprüche begründet. Insofern ist Sachvortrag nach den jeweils einschlägigen Normen zu leisten (BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 19). Der Senat braucht aber nicht auf eine entsprechende Ergänzung des Vortrags der Klägerin hinzuwirken, weil der Zahlungsantrag in jedem Fall unbegründet ist.

14

2. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG ist durch Erfüllung erloschen.

15

a) Die Beklagte hat den Mindestlohnanspruch der Klägerin durch monatliche Zahlung des Bruttogehalts sowie der weiteren Zulagen und Prämien erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

16

aa) Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt(BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 22 mwN). § 3 MiLoG führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch. Dabei scheiden längere Berechnungszeiträume als ein Kalendermonat für die Frage, ob ein Anspruch auf Differenzvergütung entstanden ist, aus (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 25 mwN). Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben alle Arbeitnehmer, auch wenn ihre durch Arbeits- oder Tarifvertrag geregelte Vergütung über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 23 mwN).

17

bb) Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro ergibt (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 26).

18

Erfüllung iSv. § 362 Abs. 1 BGB tritt beim Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn ein mit Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts, denn der gesetzliche Mindestlohn ist das als Gegenleistung für die Arbeit (mindestens) zu erbringende Entgelt(vgl. zur Auslegung des Begriffs Mindestlohn BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 28 ff.).

19

b) Entgegen dem Landesarbeitsgericht gebietet die Entstehungsgeschichte des Mindestlohngesetzes kein anderes Auslegungsergebnis.

20

aa) Für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (BVerfG 17. Mai 1960 - 2 BvL 11/59 und 11/60 - zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 11, 126; 20. März 2002 - 2 BvR 794/95 - zu B II 1 a der Gründe, BVerfGE 105, 135; 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 ua. - Rn. 66, BVerfGE 133, 168). Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Der Wortlaut gibt nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich. Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt daneben den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine Indizwirkung zu (vgl. BVerfG 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 ua. - Rn. 66, aaO).

21

bb) Im Gesetzgebungsverfahren hatte der Bundesrat zu Recht darauf verwiesen (BT-Drs. 18/1558 S. 61 ff.), dass das Mindestlohngesetz selbst nicht klarstellt, welche Lohnbestandteile auf das Mindestentgelt anzurechnen sind, und deshalb diese Klärung der Rechtsprechung überantwortet würde. Die Antwort der Bundesregierung (Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates vom 23. Mai 2014, BT-Drs. 18/1558 S. 67 ff.) widersprach dem nicht, sondern verwies auf die bereits vorliegende Rechtsprechung des EuGH und des Bundesarbeitsgerichts. Diese Rechtsprechung wurde von der Bundesregierung in ihrer Antwort interpretiert. Doch unterblieb eine Konkretisierung des Normtextes, insbesondere wurde nicht der Begriff der „Normalleistung“ in den Wortlaut des Mindestlohngesetzes aufgenommen. Dies wäre aber notwendig gewesen, wenn die Bundesregierung abweichend von der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 18/1558 S. 34) für ausschließlich leistungs- oder erfolgsabhängig vergütete Arbeitnehmer eigene Regeln hätte schaffen wollen. Gerade diese Arbeitnehmer bestimmen durch ihre Kenntnisse und Fertigkeiten, ihr Engagement, ihren Einsatz, ihre Freundlichkeit oder andere weiche Faktoren die Höhe ihres Verdienstes, der nach dem beschlossenen und verkündeten Gesetz in voller Höhe das geschuldete Mindestentgelt zu erfüllen vermag.

22

Bestimmt sich der Mindestlohnbegriff nach den Regeln des Arbeitnehmerentsenderechts (Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996), rechtfertigt dies den Verweis der Bundesregierung auf die frühere Rechtsprechung des EuGH, wonach Zulagen und Zuschläge, die durch die nationalen Rechtsvorschriften oder Praktiken des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird, nicht als Bestandteile des Mindestlohns definiert werden und die das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers auf der einen und der ihm erbrachten Gegenleistung auf der anderen Seite verändern, nicht als Bestandteile des Mindestlohns betrachtet werden können (EuGH 14. April 2005 - C-341/02 - [Kommission/Deutschland] Rn. 39; 7. November 2013 - C-522/12 - [Isbir] Rn. 38). Doch hat der EuGH mit einem der Antwort der Bundesregierung und der Verabschiedung des Mindestlohngesetzes zeitlich nachfolgenden Urteil seine Rechtsprechung fortgeführt und weiter präzisiert. Nach dieser national bindenden Entscheidung sind alle „zwingend und transparent geregelten Gegenleistungen des Arbeitgebers“ für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers „Bestandteile des Mindestlohns“ (vgl. EuGH 12. Februar 2015 - C-396/13 - [Sähköalojen ammattiliitto] Rn. 42, 44 sowie 68). Mit der am 25. Mai 2016 begonnenen Rechtsprechung zum Mindestlohngesetz folgt der Senat dieser Begriffsbestimmung und berücksichtigt dabei die Zweckrichtung des gesetzlichen Mindestlohns.

23

Vorrangiger Zweck des gesetzlichen Mindestlohns ist es, jedem Arbeitnehmer ein existenzsicherndes Monatseinkommen zu gewährleisten (BT-Drs. 18/1558 S. 28; BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 29). Diesem Zweck vermag jede dem Arbeitnehmer verbleibende Vergütungszahlung des Arbeitgebers zu dienen, unabhängig davon, zu welcher Tageszeit, unter welchen Umständen oder in welcher Qualität die Arbeit erbracht wurde (vgl. Sittard RdA 2015, 99, 102). Folglich fehlt von den im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis zu erbringenden Entgeltzahlungen des Arbeitgebers nur solchen die Erfüllungswirkung, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (zB § 6 Abs. 5 ArbZG) beruhen (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 32). Diese normzweckorientierte Auslegung des Mindestlohnbegriffs erfüllt die vom EuGH geforderte Transparenz, denn sie erlaubt es auch ausländischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, sich rechtssicher auf das deutsche Mindestlohnrecht einzustellen.

24

Zudem wird diese normzweckorientierte Auslegung des Mindestlohnbegriffs durch das spätere Verhalten des Bundesrates nach Bekanntwerden der ersten Entscheidungen des Senats zum Mindestlohngesetz bestätigt. Der Bundesrat hat entgegen der Initiative einzelner Bundesländer eine Entschließung zur Klarstellung des Mindestlohnbegriffs gerade nicht gefasst und damit die ab Mai 2016 eingeleitete Auslegung des Gesetzes durch die Rechtsprechung akzeptiert (vgl. die Initiative einzelner Bundesländer nach der Entscheidung des Senats vom 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - und die Entscheidung des Bundesrates vom 23. September 2016, BR-Drs. 361/16).

25

c) Danach sind die Mindestlohnansprüche der Klägerin in den Kalendermonaten Januar bis Juli 2015 erfüllt. Neben dem monatlichen Bruttogehalt kommt auch den vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat gezahlten Zulagen und Prämien Erfüllungswirkung zu.

26

aa) Die Wechselschichtzulage ist eine im Synallagma stehende Geldleistung der Beklagten. Die Klägerin erhält diese als Bruttovergütung ergänzend zum Monats(grund)lohn. Zu keinem anderen Ergebnis führt, dass die Beklagte die Zulage ohne Rücksicht auf die Lage der Arbeitszeit der Klägerin monatlich in gleichbleibender Höhe zahlt. Denn dies spricht allenfalls dafür, dass die Zulage allgemeiner Natur ist und nicht eine Erschwernis der Arbeitserbringung in Wechselschicht ausgleichen soll. Selbst dann wäre die Zulage aber eine für die Arbeitsleistung erbrachte Zahlung. Einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegt die Wechselschichtzulage nicht. In § 6 Abs. 5 ArbZG werden besondere Zahlungspflichten lediglich für Nachtarbeitnehmer vorgesehen. Eine entsprechende Regelung für Schichtarbeitnehmer enthält das Gesetz nicht.

27

bb) Bei der Funkprämie handelt es sich um ein im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachtes Entgelt. Die Beklagte zahlt diese Prämien ohne Rücksicht darauf, ob die Klägerin einzelne Kanäle im Abrechnungszeitraum tatsächlich bedient hat. Damit honoriert sie vorgehaltene Fähigkeiten zur Erbringung der Arbeitsleistung, also die Arbeitsleistung selbst.

28

cc) Schließlich sind die Leistungszulagen LP1 und LP2 im Synallagma stehende Geldleistungen der Beklagten, die den Mindestlohnanspruch der Klägerin miterfüllen. Dahinstehen kann, ob sie - wie ursprünglich in der Betriebsvereinbarung vom 22. Juli 1999 vorgesehen - anlässlich einer besonderen Leistung der Klägerin gezahlt werden oder ob es sich dabei um pauschale Zahlungen handelt. Jedenfalls werden die Leistungszulagen als Gegenleistung für die Arbeitsleistung der Klägerin gezahlt und unterfallen daher dem umfassenden Entgeltbegriff des Mindestlohngesetzes.

29

III. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung nach § 97 Abs. 1 ZPO und die der Revision nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Volk    

        

        

        

    Mandrossa    

        

    Bormann    

                 

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer den Mindestlohn

1.
zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit,
2.
spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde,
zu zahlen. Für den Fall, dass keine Vereinbarung über die Fälligkeit getroffen worden ist, bleibt § 614 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unberührt.

(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehenden und auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns auszugleichen, soweit der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden nach § 1 Absatz 1 nicht bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen. Die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Wertguthabenvereinbarungen im Sinne des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Satz 1 gilt entsprechend für eine im Hinblick auf den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vergleichbare ausländische Regelung.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Januar 2016 - 19 Sa 1851/15 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs durch Sonderzahlungen und die Auswirkungen des Mindestlohngesetzes auf arbeitsvertraglich vereinbarte Entgeltbestandteile.

2

Die Klägerin ist seit 1992, zuletzt als Mitarbeiterin in der Cafeteria, bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin in Vollzeit beschäftigt.

3

Der schriftliche Arbeitsvertrag regelt - inhaltsgleich mit weiteren Arbeitsverträgen der Arbeitnehmer der Beklagten - ua.:

        

        

㤠3 Lohn; Gehalt

        

a)    

Der Arbeitnehmer … erhält auf der Basis eines Stundensatzes von 13,50 DM einen Monatslohn … von 2.347,92 DM. Der Lohn … wird jeweils am 10. des Monats für den Vormonat … gezahlt. …

        

b)    

… Die über die regelmäßige monatliche betriebsübliche Arbeitszeit hinaus angeordnete und geleistete Arbeit wird mit dem vereinbarten Stundensatz zuzüglich des nachstehenden Zuschlages berechnet. …

                 

Überstundenzuschlag: 25 %

                 

…       

        

c)    

Für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen wird ein Zuschlag in nachstehender Höhe des vereinbarten Stundenlohns gezahlt. …

                 

Sonntagszuschlag: 30 %

                 

Feiertagszuschlag: 100 %

        

d)    

Für die Arbeit in der Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr (Nachtarbeit) erhält der Arbeitnehmer … einen Zuschlag in nachstehender Höhe des vereinbarten Stundenlohns.

                 

Nachtzuschlag: 10 %

        

…       

        
                 

§ 4 Urlaubsgeld, Zuwendung

                 

Hat das Arbeitsverhältnis seit Beginn des laufenden Kalenderjahres bestanden, erhält der Arbeitnehmer … zur Lohnzahlung Mai ein zusätzliches Urlaubsgeld des im Fälligkeitsmonat vereinbarten Entgelts entsprechend § 3 des Arbeitsvertrages und mit der Gehaltszahlung im Monat November ein Weihnachtsgeld des zu diesem Zeitpunkt vereinbarten Lohns als Sonderzuwendung in nachstehender Höhe.

                 

Urlaubsgeld: 50 %

                 

Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld): 50 %

                 

Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im laufenden Kalenderjahr oder hat der Arbeitnehmer … nicht während des gesamten Jahres Bezüge von der Einrichtung erhalten, vermindert sich das zusätzliche Urlaubsgeld sowie die Sonderzuwendung um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, in dem kein Arbeitsverhältnis bestanden oder für den keine Bezüge beansprucht wurden. Eventuell zuviel gezahltes Urlaubsgeld und / oder Sonderzuwendung sind zurückzuzahlen.“

4

Die Beklagte schloss mit dem Betriebsrat am 8./10. Dezember 2014 eine „Betriebsvereinbarung Inkrafttreten Mindestlohngesetz“ (im Folgenden BV Mindestlohn), die ua. bestimmt:

        

„Fälligkeit Sonderzahlungen Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld

                 

Arbeitsvertraglich vereinbarte Jahressonderzahlungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld) sind in Höhe von 1/12 für jeden Kalendermonat zur betriebsüblichen Fälligkeit der Monatsvergütung zur Zahlung fällig.

        

Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen

                 

Die Arbeitgeberin verpflichtet sich für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2017 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. …“

5

Mitte Dezember 2014 bot die Beklagte allen Arbeitnehmern Änderungsverträge an, die eine Erhöhung des Monatsentgelts um 2 % ab 1. Januar 2015 und eine anteilige Zahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds in jedem Monat vorsahen. Die Klägerin lehnte dies, anders als die weit überwiegende Mehrheit der Belegschaft, ab. Ende Januar 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die arbeitsvertragliche Regelung zur Rückzahlung zu viel gezahlten Urlaubs- und Weihnachtsgelds entfalle ersatzlos rückwirkend zum Jahresbeginn.

6

Ab Januar 2015 zahlte die Beklagte der Klägerin neben dem Bruttogehalt iHv. 1.391,36 Euro monatlich weitere jeweils 57,97 Euro brutto, die sie mit „Urlaubsgeld 1/12“ und „Sonderzuwendung 1/12“ abrechnet, insgesamt 1.507,30 Euro brutto. Nacht-, Überstunden-, Sonn- und Feiertagszuschlägen legt die Beklagte den vertraglichen Bruttostundenlohn iHv. 8,00 Euro zugrunde. Im Februar, April und Juni 2015 angefallene Überstunden vergütete die Beklagte ebenfalls auf der Basis von 8,00 Euro brutto/Stunde.

7

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin Zahlungs- und Feststellungsklage erhoben. Sie fordert weitere Vergütung für den Zeitraum von Januar bis November 2015.

8

Die Klägerin meint, die Beklagte zahle den gesetzlichen Mindestlohn nicht in voller Höhe. Bei durchschnittlich 173,33 Stunden im Monat müsse das Bruttomonatsgehalt 1.473,33 Euro betragen. Die Jahressonderzahlungen seien nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar. Deren arbeitsvertraglich vereinbarte Fälligkeit könne nicht verändert werden. Die BV Mindestlohn sei unwirksam. Alle Entgeltbestandteile seien auf der Grundlage des Mindestlohns von 8,50 Euro/Stunde zu berechnen, Überstunden mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten.

9

Die Klägerin hat - soweit für die Revision relevant - sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 927,21 Euro brutto zuzüglich Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen,

        

2.    

festzustellen, dass die Abrechnung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte von 1/12 Urlaubsgeld iHv. 57,97 Euro brutto und 1/12 Sonderzuwendung iHv. 57,97 Euro brutto durch Entgeltabrechnung für den jeweiligen Kalendermonat seit Januar 2015 unwirksam ist,

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Urlaubsgeld iHv. 736,67 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 695,64 Euro zuzüglich Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen,

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Weihnachtsgeld iHv. 736,67 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 695,64 Euro brutto zuzüglich Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn sei erfüllt, die Zwölftelung der Jahressonderzahlungen zulässig. Zuschläge und Sonderzahlungen würden durch die gesetzliche Mindestlohnregelung nicht berührt und seien weiterhin nach dem arbeitsvertraglich Vereinbarten geschuldet.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin im Wesentlichen zurückgewiesen und ihr (rechtskräftig) nur Nachtarbeitszuschläge iHv. 0,80 Euro brutto zugesprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen. Der Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Mindestlohn ist erfüllt. Das Mindestlohngesetz hat die arbeitsvertraglich vereinbarten Entgeltbestandteile - wie Sonderzahlungen und Zuschläge für Sonderformen der Arbeit oder Arbeit zu besonderen Zeiten - nicht erhöht. Verzugszinsen kann die Klägerin nicht beanspruchen.

13

I. Die Klage ist in den Zahlungsanträgen zulässig. Dagegen ist der Feststellungsantrag unzulässig.

14

1. Die Zahlungsanträge sind zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie sind auf konkrete Vergütungsdifferenzen über eine Zeit von elf Monaten gerichtet. Die Klage ist für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 626/13 - Rn. 12).

15

2. Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag zutreffend als unzulässig abgewiesen.

16

a) Die von der Klägerin begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Abrechnung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds betrifft kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO(zu den Anforderungen vgl. BAG 24. Februar 2016 - 7 ABR 23/14 - Rn. 12 mwN). Zwar sind die Gerichte gehalten, Anträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass hierdurch eine erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird (BAG 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 - Rn. 12 mwN). Doch scheitert jede Auslegung - etwa dahingehend, die Fälligkeit der Jahressonderzahlungen solle geklärt werden - am Wortlaut des Antrags.

17

b) Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang eine Verletzung der Hinweispflicht rügt, genügt die Revisionsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen (vgl. dazu BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109,145). Die Klägerin hat nicht dargelegt, welchen anderen Antrag sie auf welchen Hinweis des Landesarbeitsgerichts gestellt hätte, und auch in der Revisionsinstanz unverändert an dem vom Berufungsgericht als unzulässig beanstandeten Feststellungsantrag festgehalten.

18

II. Die Klage ist unbegründet.

19

1. Sie ist bereits unschlüssig, weil die Klägerin ihre Forderung nicht nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, sondern anhand eines monatlichen Stundendurchschnitts begründet hat. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG). Dies erfordert die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Die Behauptung einer aus dem Durchschnitt eines Zeitraums ermittelten Stundenzahl ersetzt diesen Vortrag nicht. Insbesondere wenn in dieser Stundenzahl Zeiten ohne Arbeitsleistung, aber fortbestehendem Vergütungsanspruch (zB Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen oder Urlaub) enthalten sind, für die das Mindestlohngesetz mangels tatsächlicher Arbeitsleistung keine Ansprüche begründet. Insofern ist Sachvortrag nach den jeweils einschlägigen Normen zu leisten. Der Senat braucht aber nicht auf eine entsprechende Ergänzung des Vortrags der Klägerin hinzuwirken, weil die Zahlungsanträge in jedem Fall unbegründet sind.

20

2. Der Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG ist durch Erfüllung erloschen.

21

a) Die Beklagte hat den Mindestlohnanspruch der Klägerin in der streitgegenständlichen Zeit jedenfalls durch allmonatliche Zahlung des Bruttogehalts und eines Zwölftels der Jahressonderzahlungen erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

22

b) Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt(hM Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 2; Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 4; BT-Drs. 18/1558 S. 34). Das Mindestlohngesetz greift in die Entgeltvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien und anwendbarer Entgelttarifverträge nur insoweit ein, als sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten. § 3 MiLoG führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch.

23

aa) Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn haben alle Arbeitnehmer, auch wenn ihre durch Arbeits- oder Tarifvertrag geregelte Vergütung über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt (HK-MiLoG/Düwell § 1 Rn. 18). Das Mindestlohngesetz schafft in seinem Geltungsbereich eine eigenständige Anspruchsgrundlage für alle Arbeitnehmer (ErfK/Franzen 16. Aufl. § 1 MiLoG Rn. 2; aA Waltermann AuR 2015, 166, 170; HK-MiLoG/Schubert § 20 Rn. 10).

24

bb) Erreicht die vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn nicht, begründet dies von Gesetzes wegen einen Anspruch auf Differenzvergütung, wenn der Arbeitnehmer in der Abrechnungsperiode für die geleisteten Arbeitsstunden im Ergebnis nicht mindestens den in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG vorgesehenen Bruttolohn erhält(Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 31; Lembke NZA 2016, 1, 4; vgl. zu einem tariflichen Mindestlohn BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 8/08 - Rn. 28, BAGE 128, 119).

25

Dabei scheiden längere Berechnungszeiträume als ein Kalendermonat für die Frage, ob ein Anspruch auf Differenzvergütung entstanden ist, aus (Kocher AuR 2015, 173, 175; Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 78; aA Waltermann AuR 2015, 166, 171: „zweimonatlich“; wohl auch ErfK/Franzen 16. Aufl. § 1 MiLoG Rn. 8). Denn mit dem Mindestlohngesetz soll den in Vollzeit tätigen Arbeitnehmern ein Monatseinkommen „oberhalb der Pfändungsfreigrenze“ gesichert werden (BT-Drs. 18/1558 S. 28). Um regelmäßigen Zahlungspflichten nachkommen zu können, regelt § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG konsequenterweise die Fälligkeit des Mindestlohns spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde.

26

cc) Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro ergibt. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Arbeitgeber den Mindestlohn stets rechtzeitig leistet, auch verspätete Zahlungen können Erfüllungswirkung haben. Dies belegt § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG, wonach der Arbeitgeber ordnungswidrig handelt, wenn er den Mindestlohn nicht oder „nicht rechtzeitig zahlt“. Im Übrigen wäre der Anspruch auf den Mindestlohn nicht klagbar, würde man nachträglichen Zahlungen die Erfüllungswirkung absprechen. Leistet der Arbeitgeber den Mindestlohn nach Fälligkeit (§ 2 Abs. 1 MiLoG), kann der Arbeitnehmer Verzugszinsen sowie den Ersatz eines sonstigen Verzugsschadens verlangen, §§ 288, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

27

dd) Erfüllung iSv. § 362 Abs. 1 BGB tritt beim Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn - wie in jedem Schuldverhältnis - ein, wenn die geschuldete Leistung bewirkt wird. Diese Leistung liegt in der Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts, denn der gesetzliche Mindestlohn ist das als Gegenleistung für die Arbeit (mindestens) zu erbringende Entgelt.

28

(1) Der Gesetzesbegriff des Mindestlohns bedarf der Auslegung. Maßgebend ist dafür der in der Norm zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Regelung hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (st. Rspr., vgl. nur BVerfG 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2 BvR 2155/11 - Rn. 66, BVerfGE 133, 168).

29

Ausgehend von dem in § 1 Abs. 1 MiLoG verwendeten Begriff des Mindestlohns und der in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG bestimmten Höhe in Form eines Bruttobetrags, handelt es sich um eine Bruttoentgeltschuld des Arbeitgebers. Dabei ist es unerheblich, dass der Gesetzgeber - im Unterschied zu anderen arbeitsrechtlichen Regelungen - nicht den Begriff „Entgelt“ (vgl. zB § 10 Abs. 1 Satz 5 AÜG „Arbeitsentgelt“, § 5 Satz 1 Nr. 1 AEntG „Mindestentgeltsätze“), sondern „Lohn“ verwendet. Diese nicht mehr zeitgemäße, auf die Vergütung gewerblicher Arbeitnehmer abstellende Terminologie erklärt sich mit dem Sprachgebrauch in der politischen Diskussion vor Verabschiedung des Gesetzes (vgl. Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 7). Eine Beschränkung des Geltungsbereichs auf Arbeiter, die noch im Stundenlohn vergütet werden, war und ist nicht gewollt. Es sollten umfassend alle Arbeitnehmer vor den Folgen einer unangemessen niedrigen Vergütung geschützt werden. Dieser in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Zweck zielt darauf ab, jedem Arbeitnehmer ein existenzsicherndes Monatseinkommen zu gewährleisten (BT-Drs. 18/1558 S. 28). Diesem Ziel entsprechend fordern §§ 1 und 2 MiLoG mit dem Begriff der „Zahlung“ und der Nennung eines Eurobetrags in „brutto“ eine Entgeltleistung in Form von Geld(Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 81 ff.; Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 127; Sittard RdA 2015, 99, 105).

30

Der Mindestlohn beträgt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG 8,50 Euro brutto „je Zeitstunde“. Das Gesetz macht den Anspruch nicht von der zeitlichen Lage der Arbeit oder den mit der Arbeitsleistung verbundenen Umständen oder Erfolgen abhängig (vgl. Lembke NZA 2015, 70, 76). Die Normierung eines angemessenen Verhältnisses von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt bezweckt die Existenzsicherung durch Arbeitseinkommen als Ausdruck der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG), die letztlich auch die sozialen Sicherungssysteme entlasten soll (BT-Drs. 18/1558 S. 28; Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 16. Aufl. § 66 Rn. 2; Sittard NZA 2015, 78, 79 f.; Greiner/Strippelmann BB 2015, 949, 950; Jares DB 2015, 307, 309; Heuschmid/Hlava NJW 2015, 1719, 1722).

31

(2) Bei einer Geldschuld wird die geschuldete Leistung mangels anderer Vereinbarung nur dann bewirkt, wenn der Gläubiger den Geldbetrag, den er beanspruchen kann, endgültig zur freien Verfügung übereignet oder überwiesen erhält. Darf er den Betrag nicht behalten, tritt der Leistungserfolg nicht ein (vgl. BGH 23. Januar 1996 - XI ZR 75/95 - zu 1 der Gründe; Jauernig/Stürner BGB 16. Aufl. § 362 Rn. 1; Staudinger/Olzen (2016) § 362 BGB Rn. 27). Daher erfüllt der Arbeitgeber den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn durch die im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen nur, soweit diese dem Arbeitnehmer endgültig verbleiben.

32

(3) Gilt somit ein umfassender Entgeltbegriff, sind alle im Synallagma stehenden Geldleistungen des Arbeitgebers geeignet, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Von den im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers (vgl. Bayreuther NZA 2014, 865, 869; Lembke NZA 2015, 70, 76) fehlt folglich nur solchen Zahlungen die Erfüllungswirkung, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (zB § 6 Abs. 5 ArbZG, der einen Zuschlag auf das dem Arbeitnehmer zustehende Bruttoarbeitsentgelt vorsieht, vgl. BAG 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 51, BAGE 148, 68) beruhen. Letzteres folgt aus der Gleichrangigkeit der Normen des Bundesrechts. Ist eine Zuordnung der Zahlung erforderlich, finden die Regelungen des § 366 BGB Anwendung(vgl. Thüsing/Greiner MiLoG 2. Aufl. § 3 Rn. 13; aA wohl Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 82 ff.).

33

c) Danach sind die Mindestlohnansprüche der Klägerin in den Kalendermonaten Januar bis November 2015 erfüllt. Denn neben dem monatlichen Bruttogehalt kommt auch den vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat zu 1/12 geleisteten Jahressonderzahlungen Erfüllungswirkung zu. Sie sind eine im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis stehende Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeit. Denn nach § 4 Arbeitsvertrag mindern sie sich um jeweils ein Zwölftel für Kalendermonate ohne Entgeltanspruch. Einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegen die Jahressonderzahlungen nicht. Eine Rückforderung ist der Beklagten aufgrund ihrer vorprozessualen Erklärung vom Januar 2015 verwehrt.

34

3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erhöhte Jahressonderzahlungen. Diese sind nicht auf der Grundlage des aktuellen Mindestlohns zu berechnen. Nach § 4 Arbeitsvertrag betragen Urlaubs- und Weihnachtsgeld jeweils 50 % des „vereinbarten Entgelts“ bzw. des „vereinbarten Lohns“. Das Landesarbeitsgericht ist deshalb zutreffend davon ausgegangen, die Berechnung richte sich nach der in § 3 Arbeitsvertrag bestimmten Vergütung. Der Wortlaut der Vereinbarung lässt keinen anderen Schluss zu. Das Mindestlohngesetz hat daran nichts geändert. Der gesetzliche Mindestlohn tritt neben den arbeits- bzw. tarifvertraglichen Vergütungsanspruch, lässt aber die Vergütungsvereinbarung unberührt (vgl. Rn. 22). Eine bestimmte Höhe von Sonderzahlungen sieht das Mindestlohngesetz nicht vor.

35

4. Die Klägerin kann keine höheren als die arbeitsvertraglich vereinbarten Zuschläge für Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit verlangen. Diese sind nicht auf der Grundlage der in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG bestimmten 8,50 Euro, sondern des vertraglich vereinbarten Bruttostundenentgelts zu berechnen.

36

Die Zuschlagspflicht für Überstunden und Arbeit an besonderen Tagen folgt allein aus § 3 Buchst. b und c Arbeitsvertrag und knüpft an den „vereinbarten Stundenlohn“ an. Das ist der in § 3 Buchst. a Arbeitsvertrag festgehaltene Betrag. Der Wortlaut der Vereinbarung lässt nur diesen Schluss zu. Auf die Ausführungen in Rn. 34 wird verwiesen. Daran hat das Mindestlohngesetz nichts geändert.

37

5. Die Klägerin hat aufgrund des Mindestlohngesetzes keinen Anspruch auf weitere Überstundenvergütungen.

38

In den Monaten mit Überstundenleistung hat die Beklagte den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn durch Zahlung des Bruttomonatsgehalts, der in Zwölfteln geleisteten Jahressonderzahlungen und der jeweiligen Überstundenvergütung iHv. 8,00 Euro brutto/Stunde erfüllt.

39

Im Februar 2015 leistete die Klägerin eine Überstunde, für die die Beklagte neben der Vergütung weitere 8,00 Euro brutto, mithin 1.515,30 Euro brutto geleistet hat. Im April 2015 erbrachte die Klägerin vier Überstunden, für die sie neben der Vergütung weitere 32,00 Euro brutto, mithin 1.539,30 Euro brutto erhalten hat. Im Juni 2015 leistete die Klägerin 4,5 Überstunden, für die die Beklagte neben der Vergütung weitere 36,00 Euro brutto, mithin 1.543,30 Euro brutto geleistet hat. Die Klägerin hat in keinem der Fälle vorgetragen, sie habe über die damit jedenfalls in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns abgegoltenen 178,27 bzw. 181,09 bzw. 181,56 Arbeitsstunden im Monat weitere Arbeit erbracht.

40

6. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Verzugszinsen wegen verspäteter Jahressonderzahlungen besteht nicht. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, Ansprüche auf Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen nicht rechtzeitiger Leistung der Jahressonderzahlungen bestünden nicht. Die Regelung der Fälligkeit der BV Mindestlohn mit jeweils 1/12 für jeden Kalendermonat verdrängt die arbeitsvertragliche Fälligkeitsvereinbarung.

41

a) Die von der Klägerin erhobenen Rügen gegen die formelle Wirksamkeit der BV Mindestlohn greifen nicht durch.

42

aa) Die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe das Bestreiten eines wirksamen Betriebsratsbeschlusses übergangen, ist unzulässig. Der pauschale Hinweis auf ein Bestreiten genügt den Anforderungen an eine Gehörsrüge nicht. Darüber hinaus brauchen die Gerichte nicht jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu behandeln (vgl. BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10). Die Klägerin hat keine besonderen Umstände deutlich gemacht, wonach das Landesarbeitsgericht ihr Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen haben soll. Tatsächlich setzt sich das Landesarbeitsgericht mit dem streitigen Thema auseinander, hält das Bestreiten der Klägerin aber nicht mehr für erheblich.

43

bb) Die Rüge, der angebotene Zeugenbeweis sei nicht erhoben worden, ist ebenfalls unzulässig, denn ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Allein die Rüge, ein Beweis sei nicht erhoben worden, ist unzureichend, wenn die Klägerin - wie hier - nicht vorgetragen hat, wo und bei welcher Gelegenheit sie ein den Anforderungen des § 373 ZPO entsprechendes Beweisangebot gemacht habe(vgl. BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 380/99 - zu II 2 b cc (3) der Gründe, BAGE 96, 123).

44

cc) Die Würdigung der Beschlussfassung des Betriebsrats durch das Landesarbeitsgericht verletzt nicht § 286 ZPO. Danach haben die Tatsacheninstanzen unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer ggf. durchgeführten Beweisaufnahme nach ihrer freien Überzeugung darüber zu befinden, ob sie eine tatsächliche Behauptung für wahr erachten oder nicht. Die Würdigung muss vollständig, widerspruchsfrei und umfassend sein. Mögliche Zweifel müssen überwunden, brauchen aber nicht völlig ausgeschlossen zu werden (vgl. BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 35 mwN). Revisionsrechtlich ist diese Würdigung allein daraufhin zu überprüfen, ob alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht Denk- und Erfahrungsgrundsätze verletzt wurden.Gemessen daran hat das Landesarbeitsgericht § 286 ZPO nicht verletzt. Es hat, basierend auf dem Beklagtenvortrag zur Beschlussfassung des Betriebsrats, seine Überzeugungsbildung ausreichend dargelegt. Das Berufungsgericht durfte das weitere, lediglich pauschale Bestreiten der Klägerin für unerheblich halten.

45

dd) Schließlich hat das Landesarbeitsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen Verstoß gegen § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG verneint. Nach dieser Bestimmung hat der Vorsitzende die Mitglieder des Betriebsrats zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden. Für ein verhindertes Betriebsratsmitglied hat er nach § 29 Abs. 2 Satz 6 BetrVG das Ersatzmitglied zu laden. Die Einhaltung dieser Vorschriften ist wesentlich für die Wirksamkeit eines in der Sitzung gefassten Beschlusses. Eine mangels Übermittlung der Tagesordnung verfahrensfehlerhafte Ladung zu einer Betriebsratssitzung kann allerdings durch die im Übrigen ordnungsgemäß geladenen Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats in einer Betriebsratssitzung geheilt werden, wenn dieser beschlussfähig iSd. § 33 Abs. 2 BetrVG ist und die Anwesenden einstimmig beschließen, über einen Regelungsgegenstand zu beraten und abzustimmen. Nicht erforderlich ist, dass an dieser Sitzung alle Betriebsratsmitglieder teilnehmen (vgl. BAG 4. November 2015 - 7 ABR 61/13 - Rn. 32 mwN; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 30, BAGE 148, 26).

46

b) Die BV Mindestlohn ist auch materiell wirksam.

47

aa) Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG greift nicht, denn es handelt sich um eine Angelegenheit, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt(BAG GS 3. Dezember 1991 -  GS 2/90  - zu C I 4 der Gründe, BAGE 69, 134 ; BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09  - Rn. 30 , BAGE 138 ,68).

48

Es liegt ein Fall der erzwingbaren Mitbestimmung vor. Die BV Mindestlohn beinhaltet eine Fälligkeitsbestimmung. Fälligkeit bezeichnet bei (Arbeits-)Vergütung den Zeitpunkt, wann diese zu entrichten ist (vgl. § 614 BGB). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG erfasst die Regelung des Zeitpunkts, zu dem die Arbeitsvergütung zu zahlen ist(vgl. BAG 22. Juli 2014 - 1 ABR 96/12 - Rn. 12, BAGE 148, 341). Eine die Beklagte bindende tarifliche Regelung besteht nicht.

49

bb) Die arbeitsvertragliche Fälligkeitsregelung wird durch die der BV Mindestlohn verdrängt, denn sie ist betriebsvereinbarungsoffen.

50

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) handelt es sich bei den arbeitsvertraglichen Regelungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die hiergegen erhobene Gehörsrüge der Klägerin genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Klägerin hat nicht konkret vortragen, welcher Vortrag übergangen sein soll (vgl. BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - Rn. 36, BAGE 109, 145).

51

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei unterliegt die Auslegung der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BAG 17. April 2013 - 10 AZR 281/12 - Rn. 12; 19. August 2015 - 5 AZR 450/14 - Rn. 14).

52

Die Arbeitsvertragsparteien können ihre vertraglichen Absprachen dahingehend gestalten, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Das kann ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen und ist nicht nur bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich, sondern auch bei einzelvertraglichen Abreden (vgl. BAG 17. Februar 2015 - 1 AZR 599/13 - Rn. 27). Eine konkludente Vereinbarung darf angenommen werden, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und einen kollektiven Bezug hat. Mit der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen macht der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar deutlich, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen. Eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen stünde dem entgegen. Da Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet sind, kann aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen um solche handelt, die einer Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbaren, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen (vgl. BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 60).

53

Danach ist die arbeitsvertragliche Fälligkeitsregelung der Jahressonderzahlungen betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet. Es handelt sich um von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen mit kollektivem Bezug. Der Auszahlungszeitpunkt der Jahressonderzahlungen soll betriebseinheitlich geregelt werden. Dass der Vereinbarung der Fälligkeitsregelung in § 4 Arbeitsvertrag eine betriebsvereinbarungsfeste Individualvereinbarung zugrunde liegt, ist nicht ersichtlich.

54

c) Der Beklagten ist es nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht verwehrt, sich auf die Fälligkeitsregelung der BV Mindestlohn zu berufen. Ein widersprüchliches Verhalten der Beklagten liegt nicht vor. Entgegen der Revision ist § 242 BGB nicht deshalb anzuwenden, weil die Beklagte die Wirkung der BV Mindestlohn unter die Bedingung gestellt habe, dass mit sämtlichen Arbeitnehmern Änderungsverträge zustande kommen. Die BV Mindestlohn selbst enthält keine solche Bedingung. Eine außerhalb der kollektiven Vereinbarung einseitig von der Beklagten formulierte Bedingung hätte überdies keinen rechtlichen Einfluss auf den Inhalt einer zwischen den Betriebspartnern geschlossenen Betriebsvereinbarung. Gleiches gilt für die Schreiben der Beklagten vom Dezember 2014 und Januar 2015.

55

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Volk    

        

        

        

    Dombrowsky    

        

    Mattausch    

                 

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer den Mindestlohn

1.
zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit,
2.
spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde,
zu zahlen. Für den Fall, dass keine Vereinbarung über die Fälligkeit getroffen worden ist, bleibt § 614 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unberührt.

(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehenden und auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns auszugleichen, soweit der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden nach § 1 Absatz 1 nicht bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen. Die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Wertguthabenvereinbarungen im Sinne des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Satz 1 gilt entsprechend für eine im Hinblick auf den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vergleichbare ausländische Regelung.

(1) Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat ist bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. Durch Betriebsvereinbarung kann eine ständige Einigungsstelle errichtet werden.

(2) Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so bestellt ihn das Arbeitsgericht. Dieses entscheidet auch, wenn kein Einverständnis über die Zahl der Beisitzer erzielt wird.

(3) Die Einigungsstelle hat unverzüglich tätig zu werden. Sie fasst ihre Beschlüsse nach mündlicher Beratung mit Stimmenmehrheit. Bei der Beschlussfassung hat sich der Vorsitzende zunächst der Stimme zu enthalten; kommt eine Stimmenmehrheit nicht zustande, so nimmt der Vorsitzende nach weiterer Beratung an der erneuten Beschlussfassung teil. Die Beschlüsse der Einigungsstelle sind schriftlich niederzulegen und vom Vorsitzenden zu unterschreiben oder in elektronischer Form niederzulegen und vom Vorsitzenden mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen sowie Arbeitgeber und Betriebsrat zuzuleiten.

(4) Durch Betriebsvereinbarung können weitere Einzelheiten des Verfahrens vor der Einigungsstelle geregelt werden.

(5) In den Fällen, in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt, wird die Einigungsstelle auf Antrag einer Seite tätig. Benennt eine Seite keine Mitglieder oder bleiben die von einer Seite genannten Mitglieder trotz rechtzeitiger Einladung der Sitzung fern, so entscheiden der Vorsitzende und die erschienenen Mitglieder nach Maßgabe des Absatzes 3 allein. Die Einigungsstelle fasst ihre Beschlüsse unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen. Die Überschreitung der Grenzen des Ermessens kann durch den Arbeitgeber oder den Betriebsrat nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Zuleitung des Beschlusses an gerechnet, beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden.

(6) Im übrigen wird die Einigungsstelle nur tätig, wenn beide Seiten es beantragen oder mit ihrem Tätigwerden einverstanden sind. In diesen Fällen ersetzt ihr Spruch die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nur, wenn beide Seiten sich dem Spruch im voraus unterworfen oder ihn nachträglich angenommen haben.

(7) Soweit nach anderen Vorschriften der Rechtsweg gegeben ist, wird er durch den Spruch der Einigungsstelle nicht ausgeschlossen.

(8) Durch Tarifvertrag kann bestimmt werden, dass an die Stelle der in Absatz 1 bezeichneten Einigungsstelle eine tarifliche Schlichtungsstelle tritt.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 23. Mai 2012 - 5 TaBV 2/12 - aufgehoben.

Die Beschwerde der zu 1. beteiligten Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 30. November 2011 - 4 BV 62/11 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs.

2

Die Arbeitgeberin und die ursprünglich zu 2. beteiligte Arbeitgeberin betreiben als Gemeinschaftsbetrieb eine Rehabilitationsklinik in E. Auf Antrag der Arbeitgeberin wurde eine Einigungsstelle zum Thema „Jahresmitarbeitergespräche und Personalbeurteilung“ eingesetzt. Diese beschloss am 25. Juli 2011 eine Betriebsvereinbarung „Mitarbeitergespräche und Personalbeurteilung“ (BV Mitarbeitergespräche), deren § 4 lautet:

        

„(1) Die Beurteilung dient der systematischen Einschätzung von Mitarbeitern durch ihren Vorgesetzten im Hinblick auf Leistung, Verhalten und Persönlichkeit. Der Inhalt des Beurteilungsverfahrens ergibt sich aus dem ‚Beurteilungsbogen‘.

        

(2) Das Beurteilungsverfahren findet im Abstand von jeweils zwei Jahren auf der Basis einer vom Arbeitgeber angefertigten und dem Mitarbeiter vorliegenden Stellenbeschreibung statt. …

        

(3) Zur Beurteilung des Mitarbeiters wird das Formular ‚Beurteilungsbogen‘ verwendet. …“

3

Die Arbeitgeberinnen haben mit am 3. und am 5. August 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsätzen den nur der Arbeitgeberin am 27. Juli 2011 zugeleiteten Einigungsstellenspruch angefochten. Sie haben gemeint, die Einigungsstelle habe mit der in § 4 Abs. 2 Satz 1 BV Mitarbeitergespräche enthaltenen Verpflichtung zur Anfertigung von Stellenbeschreibungen die Grenzen des Mitbestimmungsrechts aus § 94 Abs. 2 BetrVG überschritten sowie das ihr eingeräumte Ermessen nur unzureichend ausgeübt.

4

Die Arbeitgeberinnen haben beantragt

        

festzustellen, dass der Beschluss der Einigungsstelle vom 25. Juli 2011 unwirksam ist.

5

Der Betriebsrat hat die Abweisung der Anträge beantragt.

6

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat nur die Arbeitgeberin Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat ihrem Feststellungsantrag entsprochen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses in dem noch rechtshängigen Umfang.

7

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin zu Unrecht entsprochen. Der Einigungsstellenspruch vom 25. Juli 2011 ist wirksam.

8

I. Gegenstand des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist allein der Feststellungsantrag der Arbeitgeberin. Das Arbeitsgericht hat die ursprünglich von beiden Arbeitgeberinnen erhobenen Anträge abgewiesen. Dagegen hat nur die Arbeitgeberin Beschwerde eingelegt. Gegenüber der ursprünglich zu 2. beteiligten Arbeitgeberin ist die antragsabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts in Rechtskraft erwachsen.

9

II. Der Feststellungsantrag der Arbeitgeberin ist unbegründet.

10

1. Ihr innerhalb der Frist des § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG erhobener Antrag ist zulässig. Dieser ist zutreffend auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs gerichtet. Eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle hat feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Deshalb ist die Feststellung seiner Unwirksamkeit und nicht seine Aufhebung zu beantragen (BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR 19/12 - Rn. 11).

11

2. Der Antrag hat jedoch keinen Erfolg. Der Einigungsstellenspruch vom 25. Juli 2011 wahrt die Grenzen des sich aus § 94 Abs. 2 BetrVG ergebenden Mitbestimmungsrechts. Die Einigungsstelle hat auch das ihr eingeräumte Ermessen nicht überschritten.

12

a) Die durch § 4 Abs. 2 BV Mitarbeitergespräche begründete Pflicht der Arbeitgeberin wird vom Zustimmungsrecht des Betriebsrats umfasst.

13

aa) Nach § 94 Abs. 2 BetrVG bedarf die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze der Zustimmung des Betriebsrats. Allgemeine Beurteilungsgrundsätze iSv. § 94 BetrVG sind Regelungen, die eine Bewertung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer objektivieren oder vereinheitlichen und an Kriterien ausrichten sollen, die für die Beurteilung jeweils erheblich sind. Beurteilungsgrundsätze sind stets auf die Person eines oder mehrerer bestimmter Arbeitnehmer bezogen. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist danach die Frage, nach welchen Gesichtspunkten Arbeitnehmer insgesamt oder in Teilen ihrer Leistung oder ihres Verhaltens beurteilt werden sollen. Mit solchen allgemeinen Grundsätzen soll ein einheitliches Vorgehen bei der Beurteilung und ein Bewerten nach einheitlichen Maßstäben ermöglicht und so erreicht werden, dass die Beurteilungsergebnisse miteinander vergleichbar sind (BAG 18. April 2000 - 1 ABR 22/99 - zu B II 3 der Gründe; 23. Oktober 1984 - 1 ABR 2/83 - zu B II 5 b der Gründe, BAGE 47, 96).

14

bb) Das Landesarbeitsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass nach der Senatsrechtsprechung die Erstellung von Stellenbeschreibungen ohne Bezug zu anderen betrieblichen Maßnahmen des Arbeitgebers regelmäßig nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegt. Das Beschwerdegericht hat jedoch die in § 4 Abs. 2 BV Mitarbeitergespräche begründete Pflicht der Arbeitgeberin unzutreffend bestimmt. Diese muss zur Durchführung des in § 4 BV Mitarbeitergespräche normierten Beurteilungsverfahrens lediglich eine Tätigkeitsbeschreibung für die zu beurteilenden Arbeitnehmer erstellen. Dies folgt aus der Auslegung der Vorschrift. Mit diesem Inhalt überschreitet der Einigungsstellenspruch vom 25. Juli 2011 nicht die Grenzen des sich aus § 94 Abs. 2 BetrVG ergebenden Mitbestimmungsrechts.

15

(1) Eine Stellenbeschreibung legt die Funktion einer bestimmten Stelle innerhalb des betrieblichen Geschehens fest. Sie definiert die Aufgabe und die Kompetenz dieser Stelle und beschreibt, welche Tätigkeiten dort im Einzelnen zu ihrer Erfüllung verrichtet werden müssen. Die Stellenbeschreibung ist Teil der Personalplanung, die nicht dem Mitbestimmungsrecht unterliegt, sondern über die der Betriebsrat nach § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur zu unterrichten ist. Stellenbeschreibungen sind auch weder Auswahlrichtlinien noch Teile derselben, bei deren Aufstellung der Betriebsrat unter den in § 95 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG bestimmten Voraussetzungen mitzubestimmen hat(BAG 14. Januar 1986 - 1 ABR 82/83 - zu B II 1 a und d der Gründe, BAGE 50, 337; 31. Januar 1984 - 1 ABR 63/81 - zu B II 3 der Gründe). Allerdings ist der Senat davon ausgegangen, dass die in Stellenbeschreibungen festgelegten Funktionen der Arbeitnehmer eine tatsächliche Grundlage für die Leistungsbeurteilung abgeben können. Er hat lediglich das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der Erstellung der Funktionsbeschreibung abgelehnt, wenn noch nicht feststeht, ob Stellenbeschreibungen die Grundlage einer Leistungsbeurteilung iSd. § 94 Abs. 2 BetrVG sein sollen(BAG 14. Januar 1986 - 1 ABR 82/83 - zu B II 1 c der Gründe, aaO).

16

(2) Die Arbeitgeberin ist entgegen der anderslautenden Formulierung in § 4 Abs. 2 Satz 1 BV Mitarbeitergespräche nicht zur Erstellung von Stellenbeschreibungen verpflichtet. Die gegenteilige Auffassung des Landesarbeitsgerichts beruht auf einer unzutreffenden Auslegung des Einigungsstellenspruchs vom 25. Juli 2011. Die für das Beurteilungsverfahren maßgeblichen Kriterien werden nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BV Mitarbeitergespräche in dem von der Einigungsstelle beschlossenen und der BV Mitarbeitergespräche als Anlage 3 beigefügten Formular „Beurteilungsbogen“ festgelegt(§ 4 Abs. 3 Satz 1 BV Mitarbeitergespräche). Danach muss die Arbeitgeberin bei der Durchführung des Beurteilungsverfahrens nur die Tätigkeitsinhalte der zu beurteilenden Arbeitnehmer in dem dafür maßgeblichen Zeitraum dokumentieren.

17

(a) Nach dem Formular „Beurteilungsbogen“ erfolgt die Beurteilung der Arbeitnehmer nach den Kriterien „Arbeitsleistung und Fachkenntnisse“, „Verhalten gegenüber Patienten, Angehörigen und Dritten“, „Zusammenarbeit“, „Information und Kommunikation“, „Selbständigkeit und Initiative“ sowie „Belastbarkeit und Flexibilität“.

18

(b) Danach wird die Arbeitgeberin durch § 4 Abs. 2 Satz 1 BV Mitarbeitergespräche nur zur Erstellung einer Aufgabenbeschreibung für den maßgeblichen Beurteilungszeitraum verpflichtet. Für das durch § 4 Abs. 1 und Abs. 2 BV Mitarbeitergespräche ausgestaltete Beurteilungsverfahren bedarf es keiner Stellenbeschreibung. Die Bewertung von Leistung und Verhalten des zu beurteilenden Arbeitnehmers erfolgt auf der Grundlage der im Formular „Beurteilungsbogen“ angeführten Kriterien. Für diese sind nur die ihm von der Arbeitgeberin zugewiesenen Aufgaben maßgeblich. Die Darstellung der Entscheidungsbefugnisse einer bestimmten Stelle und ihre Einbindung in die betriebliche Organisation sind für die Bewertung von Arbeitsleistung und Verhalten des Arbeitnehmers ohne Bedeutung.

19

(3) Die Pflicht zur Anfertigung einer Aufgabenbeschreibung ist vom Beteiligungsrecht aus § 94 Abs. 2 BetrVG gedeckt.

20

(a) Das Mitbestimmungsrecht soll sicherstellen, dass ein Arbeitnehmer nur nach seiner Arbeitsleistung und der persönlichen Eignung für seine berufliche Entwicklungsmöglichkeit im Betrieb beurteilt wird (Richardi/Thüsing 14. Aufl. § 94 Rn. 53). Die Aufstellung abstrakter Kriterien dient zur Verobjektivierung der Bewertung und soll diese für die zu beurteilenden Arbeitnehmer transparent ausgestalten (BT-Drucks. VI/1786 S. 50). Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich auch auf die Grundlage der Beurteilung und damit auf die Tatsachen, die für die Bewertung der Leistung herangezogen werden sollen (GK-BetrVG/Raab 10. Aufl. § 94 Rn. 56). Es besteht daher nicht nur für die Einführung und Festlegung der materiellen Beurteilungsmerkmale, sondern auch für deren Anwendung, dh. bei der Ausgestaltung des Beurteilungsverfahrens (DKKW/Klebe 13. Aufl. § 94 Rn. 33; Fitting 27. Aufl. § 94 Rn. 30; Richardi/Thüsing § 94 Rn. 64).

21

(b) Die in § 4 Abs. 2 Satz 1 BV Mitarbeitergespräche vorgesehene Anfertigung von Aufgabenbeschreibungen ist als Teil des Beurteilungsverfahrens vom Mitbestimmungsrecht aus § 94 Abs. 2 BetrVG umfasst. Die Dokumentation der tatsächlichen Beurteilungsgrundlagen gehört zu den Verfahrensregelungen, auf denen die Bewertung der Arbeitsergebnisse der Arbeitnehmer beruht. Sie dient der Verobjektivierung der an den Arbeitnehmer gestellten Anforderungen und gewährleistet, dass nur die von der Arbeitgeberin zugewiesenen Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit der Beurteilung zugrunde gelegt werden. Das Formerfordernis, eine Aufgabenbeschreibung zumindest in Textform zu erstellen, fördert ein einheitliches Vorgehen bei der Beurteilung. Sowohl für den Arbeitnehmer wie auch für einen Dritten wird erkennbar, von welcher Aufgabenzuweisung der Beurteilende bei seiner Bewertung ausgeht. Die Ermittlung der tatsächlichen Beurteilungsgrundlage für die Bewertungen der Arbeitsleistung und des Verhaltens wird auf diese Weise eindeutig beschrieben.

22

b) Die Einigungsstelle hat auch ihr Regelungsermessen (§ 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG) nicht überschritten.

23

aa) Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle des von der Einigungsstelle ausgeübten Ermessens ist, ob die Regelung im Verhältnis zwischen den Betriebsparteien untereinander einen billigen Ausgleich der Interessen von Arbeitgeber und Betriebsrat als Sachwalter der Belegschaft darstellt. Die gerichtliche Beurteilung bezieht sich allein auf die getroffene Regelung als solche. Eine Überschreitung der Grenze des Ermessens iSv. § 76 Abs. 5 Satz 4, § 94 Abs. 2 BetrVG muss in der Regelung selbst als Ergebnis des Abwägungsvorgangs liegen, nicht in den von der Einigungsstelle angestellten Erwägungen, sofern diese überhaupt bekannt gegeben worden sind. Ein rechtlich erheblicher Fehler iSv. § 76 Abs. 5 Satz 4, § 94 Abs. 2 BetrVG liegt nur vor, wenn sich die von der Einigungsstelle getroffene Regelung nicht als angemessener Ausgleich der Belange des Betriebs und Unternehmens auf der einen und der betroffenen Arbeitnehmer auf der anderen Seite erweist. Dagegen ist ohne Bedeutung, ob die von der Einigungsstelle angenommenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zutreffen und ihre weiteren Überlegungen frei von Fehlern sind und eine erschöpfende Würdigung aller Umstände zum Inhalt haben (BAG 24. August 2004 - 1 ABR 23/03 - zu B III 2 b der Gründe, BAGE 111, 335).

24

bb) Diesen Anforderungen genügt der Einigungsstellenspruch vom 25. Juli 2011.

25

(1) Es ist für die Ausübung des Regelungsermessens ohne Bedeutung, ob sich der Einigungsstellenvorsitzende in der Einigungsstelle ausreichend mit den von der Arbeitgeberin erhobenen Einwendungen auseinandergesetzt oder sich vorzeitig auf die später beschlossene Fassung von § 4 BV Mitarbeitergespräche festgelegt hat. Dies allein stellt die Eignung des von der Einigungsstelle beschlossenen Verfahrens für den Betrieb der Arbeitgeberin nicht in Frage. Dies gilt gleichermaßen für ihren Einwand, wonach es für die Heranziehung einer Stellenbeschreibung zur Beurteilung von Arbeitnehmern noch Alternativen gegeben hätte. Ebenso ist der nicht näher mit substanziellen Sachvortrag belegte Hinweis der Arbeitgeberin auf die Besonderheiten des Krankenhausbetriebs und die ständig wechselnden Tätigkeitsinhalte des Pflegepersonals nicht geeignet, einen Ermessensfehler der Einigungsstelle zu begründen. Auf den mit der Erstellung von Stellenbeschreibungen verbundenen wirtschaftlichen Aufwand hat sich die Arbeitgeberin innerhalb der Anfechtungsfrist nicht berufen. Zudem fehlt es für die Annahme einer wirtschaftlichen Unvertretbarkeit an substantiiertem Tatsachenvortrag.

26

(2) Die Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 1 BV Mitarbeitergespräche ist auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Einigungsstelle auf eine Ausgestaltung der formellen Anforderungen für die Aufgabenbeschreibungen verzichtet hat. Deren inhaltliche Gestaltung konnte sie der Arbeitgeberin überlassen. Ein Formblatt für die Dokumentation der im Beurteilungszeitraum übertragenen Tätigkeiten musste die Einigungsstelle nicht beschließen. Durch den Freiraum für dessen Ausgestaltung wird der Arbeitgeberin nicht das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffnet (vgl. dazu BAG 8. Juni 2004 - 1 ABR 4/03 - zu B III 4 a der Gründe, BAGE 111, 48).

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Schäferkord    

        

    N. Schuster    

                 

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 24. Februar 2015 - 14 TaBV 5/14 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Gehaltserhöhungen.

2

Die nicht tarifgebundene Arbeitgeberin unterhält in Deutschland drei Produktionsstandorte. Der Beteiligte zu 2. ist der Betriebsrat des Werks R.

3

Die Arbeitgeberin vereinbarte mit ihrem Gesamtbetriebsrat im Juni 2011 eine Gesamtbetriebsvereinbarung zum Vergütungssystem für die sog. Jobfamilien „Functional Specialist“ und „Functional Leader“ (FS/FL) und „Technician“, „Technologist“ und „Administration“ (TT/A) (GBV 2011). Danach bestehen für die Arbeitnehmer der jeweiligen Jobfamilien unterschiedliche Gehaltsgruppen („Dow Job Point Level“). Für jedes Level gibt es einen sog. Gehaltsmedian. Die Gehaltsbandbreite jedes Levels beträgt 80 vH bis 120 vH des Medians und wird „zu Administrationszwecken“ in fünf gleiche Bänder („Quintile“) unterteilt (Nr. 2.1.3 GBV 2011). In Nr. 3 GBV 2011 sind außerdem „Grundsätze der jährlichen Gehaltsanpassung“ geregelt. Danach bestimmt die Arbeitgeberin jährlich das allgemeine zur Verteilung im Rahmen der Gehaltserhöhung für alle Arbeitnehmer (FS/FL und TT/A) zur Verfügung stehende Volumen und teilt dies nach Genehmigung durch das „Board“ des herrschenden Konzernunternehmens dem Gesamtbetriebsrat mit (Nr. 3.1 GBV 2011). Die Verteilung der Gehaltsanpassung erfolgt nach Nr. 3.3 GBV 2011 leistungsabhängig. Für die Festlegung der individuellen prozentualen Gehaltsanpassung des einzelnen Arbeitnehmers sind die Ergebnisse einer - auf der Grundlage einer bei der Arbeitgeberin geltenden Gesamtbetriebsvereinbarung durchzuführenden - jährlichen Leistungsbeurteilung und seine Position innerhalb der Gehaltsbandbreite maßgebend.

4

Die Umsetzung der Gehaltserhöhungen erfolgt durch Betriebsvereinbarungen mit den örtlichen Betriebsräten. In diesen vereinbaren die Beteiligten ua., um welchen Prozentsatz sich der Median jedes Levels erhöht. Zudem legen sie einen Verteilungsschlüssel fest, nach dem sich die individuelle leistungsorientierte Gehaltsanpassung bestimmt. In diesem werden in tabellarischer Form für die fünf Quintilen eines Gehaltsbandes und die einzelnen Leistungsgruppen („Performance Segment“) jeweils die Prozentsätze bestimmt, um die die Vergütung des einzelnen Arbeitnehmers mindestens und höchstens ansteigt. Die jeweilige Betriebsvereinbarung gilt befristet und endet mit Ablauf des 28. Februar eines jeden Jahres.

5

Nachdem das herrschende Unternehmen der Arbeitgeberin erstmals entschieden hatte, alle Arbeitnehmer, die dem Geschäftsbereich „Dow Building Solutions“ (DBS) zugeordnet sind, von der Gehaltsanpassung für das Jahr 2014 auszunehmen, stritten die Beteiligten, ob die Arbeitgeberin den Adressatenkreis der Gehaltsanpassung mitbestimmungsfrei vorgeben kann. Im Februar 2014 schlossen die Beteiligten die Betriebsvereinbarung „Umsetzung Gehaltsanpassung 2014 für die Job Familien Tech/Tech und Admin“ (BV 2014) ab. Diese gilt nach ihrer Nr. 1.1 nicht für die Mitarbeiter, die zum Stichtag der Gehaltsrunde 2014 - dem 1. März 2014 - dem Geschäftsbereich DBS zugeordnet sind.

6

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, dem Betriebsrat stehe bei der Entscheidung, ob Arbeitnehmer eines bestimmten Geschäftsbereichs von der Gehaltsanpassung ausgenommen werden, kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu. Es handele sich um eine freiwillige Leistung, deren Adressatenkreis sie mitbestimmungsfrei vorgeben könne.

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Die Arbeitgeberin hat beantragt

        

festzustellen, dass die dem Geschäftsbereich „Dow Building Solutions“ zugeordneten Arbeitnehmer der Arbeitgeberin am Standort R von der Gehaltsrunde 2014 ausgeschlossen werden dürfen, ohne dass dem Betriebsrat des Werks R insoweit ein Mitbestimmungsrecht zusteht.

8

Der Betriebsrat hat Antragsabweisung beantragt.

9

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat ihn abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihr Antragsbegehren weiter.

10

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

11

I. Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin hat die Rechtsbeschwerde nicht deshalb Erfolg, weil bereits die Beschwerde des Betriebsrats unzulässig ist. Die Beschwerdebegründung genügt den gesetzlichen Anforderungen.

12

1. Nach § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO ist Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Beschwerdebegründung die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Die Beschwerdebegründung muss sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Beschlusses befassen. Allgemeine, formelhafte Wendungen genügen hierfür nicht. Auch darf sich der Beschwerdeführer nicht darauf beschränken, seine Rechtsausführungen aus den Vorinstanzen zu wiederholen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Beschwerdeführer die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage durchdenkt (vgl. BAG 30. Oktober 2012 - 1 ABR 64/11 - Rn. 11 mwN).

13

2. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung gerecht.

14

a) Die Beschwerde des Betriebsrats lässt erkennen, dass sie sich nicht nur gegen die Abweisung der in den Vorinstanzen noch verfahrensgegenständlichen Wideranträge des Betriebsrats durch das Arbeitsgericht, sondern auch gegen die Stattgabe des Antrags der Arbeitgeberin richtet. Der auf die vollständige „Aufhebung“ der erstinstanzlichen Entscheidung gerichtete Antrag und die Ausführungen des Betriebsrats unter Nr. 3 der Beschwerdebegründung zeigen, dass er mit der Beschwerde auch sein auf die Abweisung des Antrags der Arbeitgeberin gerichtetes Begehren weiter verfolgen wollte.

15

b) Der Betriebsrat hat sich auch hinreichend mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt.

16

aa) Das Arbeitsgericht hat angenommen, dem Betriebsrat stehe kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu, da es der mitbestimmungsfreien Entscheidung der Arbeitgeberin obliege, ob sie den Arbeitnehmern des Geschäftsbereichs DBS eine freiwillige Entgelterhöhung gewähre und wie sie den Adressatenkreis dieser Leistung bestimme. Ein etwaiger Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz wirke sich auf den Umfang der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht aus.

17

bb) Die Beschwerdebegründung wendet sich zwar nicht gegen die grundsätzliche Annahme des Arbeitsgerichts, der Arbeitgeber könne den Dotierungsrahmen bei freiwilligen Leistungen mitbestimmungsfrei festlegen und innerhalb der Zweckbestimmung auch mitbestimmungsfrei über deren Adressatenkreis bestimmen. Die Ausführungen des Betriebsrats lassen jedoch erkennen, dass er die Annahme des Arbeitsgerichts, der Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz wirke sich nicht auf den Umfang des Mitbestimmungsrechts aus, für unzutreffend hält. Der Betriebsrat macht insoweit geltend, ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestehe auch bei der Entscheidung des Arbeitgebers über die Festlegung des begünstigten Personenkreises bei freiwilligen Leistungen, wenn - wie vorliegend - für die vom Arbeitgeber vorgenommene Gruppenbildung kein sachlicher Grund bestehe. Damit zeigt die Beschwerde in ausreichendem Maße auf, aus welchen Gründen sie die tragenden Erwägungen des Arbeitsgerichts für unzutreffend hält. Ob die Argumentation des Betriebsrats schlüssig ist, ist für die Zulässigkeit der Beschwerde unerheblich (vgl. BAG 11. Juni 2013 - 9 AZR 855/11 - Rn. 12).

18

II. Der zulässige Antrag der Arbeitgeberin ist unbegründet.

19

1. Der Antrag ist nach gebotener Auslegung zulässig.

20

a) Nach seinem Wortlaut bezieht er sich lediglich auf die Feststellung, dass dem Betriebsrat bei der Herausnahme der dem Geschäftsbereich DBS zugeordneten Arbeitnehmer „aus der Gehaltsrunde 2014“ kein Mitbestimmungsrecht zusteht. Die Antragsbegründung und die Erklärung der Arbeitgeberin im Anhörungstermin vor dem Landesarbeitsgericht zeigen jedoch, dass sich ihr Antragsbegehren nicht lediglich auf den im Antrag angeführten Anlassfall beschränkt. Vielmehr möchte die Arbeitgeberin unabhängig davon geklärt wissen, ob sie jeweils mitbestimmungsfrei vorgeben kann, Arbeitnehmer, die einem bestimmten Geschäftsbereich zugeordnet sind, von der Verteilung des für eine Gehaltsanpassung zur Verfügung gestellten Verteilungsvolumens auszunehmen. Sie erstrebt danach die Feststellung, dass dem Betriebsrat bei der mit ihm durch Betriebsvereinbarung festzulegenden Umsetzung einer Gehaltsanpassung kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Frage zusteht, ob im Betrieb tätige Arbeitnehmer eines Geschäftsbereichs hiervon ausgenommen werden.

21

b) Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er lässt erkennen, hinsichtlich welcher konkreten betrieblichen Angelegenheit das Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts festgestellt werden soll (zu diesem Erfordernis BAG 23. Februar 2016 - 1 ABR 18/14 - Rn. 18). Das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO ist trotz der geschlossenen BV 2014 aufgrund des fortbestehenden Konflikts zwischen den Betriebsparteien, ob die Arbeitgeberin mitbestimmungsfrei Arbeitnehmer eines Geschäftsbereichs von einer künftigen Gehaltsanpassung ausnehmen kann, gegeben.

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2. Der Antrag ist unbegründet. Dem Betriebsrat steht bei der Entscheidung, ob im Betrieb tätige Arbeitnehmer eines Geschäftsbereichs von einer Gehaltsanpassung ausgenommen werden, ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu.

23

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, mitzubestimmen. Die betriebliche Lohngestaltung betrifft die Festlegung abstrakter Kriterien zur Bemessung der Leistung des Arbeitgebers, die dieser zur Abgeltung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers oder sonst mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis insgesamt erbringt. Mitbestimmungspflichtig sind die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen. Entlohnungsgrundsätze iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sind die abstrakt-generellen Grundsätze zur Lohnfindung. Sie bestimmen das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Entlohnungsgrundsätze sind damit die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs in abstrakter Weise ergibt. Zu ihnen zählen neben der Grundentscheidung für eine Vergütung nach Zeit oder nach Leistung die daraus folgenden Entscheidungen über die Ausgestaltung des jeweiligen Systems. Der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegt die Einführung von Entlohnungsgrundsätzen und deren Änderung. Die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts wird nicht vom Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfasst(vgl. BAG 5. Mai 2015 - 1 AZR 435/13 - Rn. 15 mwN).

24

b) Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG wird bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber durch die Tarifsperre des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG, wonach der Betriebsrat nur mitbestimmen kann, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, weder beschränkt noch ausgeschlossen. Der tarifungebundene Arbeitgeber kann daher kollektivrechtlich das gesamte Volumen der von ihm für die Vergütung der Arbeitnehmer bereitgestellten Mittel mitbestimmungsfrei festlegen. Mangels Tarifgebundenheit leistet er in diesem Fall sämtliche Vergütungsbestandteile „freiwillig“, dh. ohne hierzu normativ verpflichtet zu sein. Bei der Verteilung der Gesamtvergütung hat der nicht tarifgebundene Arbeitgeber einen Entscheidungsspielraum, bei dessen Ausgestaltung der Betriebsrat mitzubestimmen hat. Die Betriebsparteien haben für die gesamten Vergütungsbestandteile Entlohnungsgrundsätze iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aufzustellen, durch die eine am Normzweck des Mitbestimmungsrechts ausgerichtete Verteilung erfolgt. Dabei unterliegt nicht nur die Einführung, sondern auch die Änderung der im Betrieb für die Verteilung der Gesamtvergütung aufgestellten Entlohnungsgrundsätze dem Mitbestimmungsrecht (BAG 18. März 2014 - 1 ABR 75/12 - Rn. 17 mwN, BAGE 147, 313).

25

c) Nach diesen Grundsätzen unterliegt die Entscheidung, ob im Betrieb tätige Arbeitnehmer eines Geschäftsbereichs von einer Gehaltsanpassung ausgenommen werden, dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

26

aa) Die Entscheidung der Arbeitgeberin, Arbeitnehmer bestimmter Geschäftsbereiche von einer Gehaltsanpassung auszunehmen, führt zu einer Änderung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze. Sie hat zur Folge, dass sich der relative Abstand der jeweiligen Vergütungen der Arbeitnehmer des Betriebs zueinander ändert. Das ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig.

27

(1) Bei einer Gehaltsanpassung richtet sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs nach dem mit dem Betriebsrat für die Umsetzung der Gehaltsanpassung vereinbarten Verteilungsschlüssel. Dieser legt - in Abhängigkeit der jährlichen Leistungsbeurteilung und der Position der Arbeitnehmer innerhalb des Gehaltsbandes - fest, um welchen vH-Satz das Gehalt der Arbeitnehmer mindestens und höchstens ansteigt. Damit bildet der in der Betriebsvereinbarung bestimmte Verteilungsschlüssel einen Entlohnungsgrundsatz iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, nach dem sich die Höhe der Vergütung abstrakt bemisst. Gleichzeitig legen die Betriebsparteien mit dem Verteilungsschlüssel den relativen Abstand der einzelnen Vergütungen im Betrieb zueinander fest. Schließen sie bei einer nachfolgenden Gehaltsanpassung eine neue Betriebsvereinbarung, bestimmen sie damit neue generell-abstrakte Grundsätze, nach denen sich die einzelnen Vergütungen und deren Relation zueinander bemessen.

28

Nimmt die Arbeitgeberin Mitarbeiter eines bestimmten Geschäftsbereichs von der Umsetzung einer nachfolgenden Gehaltsanpassung im Betrieb aus, sind deren Gehälter von einer weiteren prozentualen Steigerung - wie sie dem neuen Verteilungsschlüssel entspräche - ausgeschlossen. Dies hat zugleich zur Folge, dass sich der relative Abstand der jeweiligen Vergütungen der Arbeitnehmer im Betrieb zueinander zwischen derjenigen Arbeitnehmergruppe, die von der Gehaltsanpassung ausgenommen wurden, und den übrigen Arbeitnehmern, für die aufbauend auf den bisherigen Entlohnungsgrundsätzen der vorangegangenen Betriebsvereinbarung eine Steigerung um neue, weitere vH-Sätze vereinbart werden soll, ändert.

29

(2) Dem steht nicht entgegen, dass sich - wie die Betriebsvereinbarungen aus den Jahren 2013 und 2014 zeigen - die prozentuale individuelle Gehaltsanpassung in bestimmten Leistungsstufen und Gehaltsbandbreitenpositionen auf „mindestens“ 0 vH beläuft und damit bei einigen Arbeitnehmern keine Gehaltserhöhung stattfindet. Die Verteilung eines von der Arbeitgeberin für die Gehaltsanpassung zur Verfügung gestellten Volumens schließt es denknotwenig aus, dass im Rahmen eines zwischen den Betriebsparteien vereinbarten neuen Verteilungsschlüssels bei keinem Arbeitnehmer des Betriebs eine prozentuale Gehaltserhöhung vorzunehmen ist. Nur dann würde eine Veränderung der Verteilungsrelationen ausscheiden.

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bb) Die Arbeitgeberin kann nicht mit Erfolg geltend machen, sie könne den Adressatenkreis der Gehaltsanpassung mitbestimmungsfrei vorgeben. Zwar kann der Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung grundsätzlich mitbestimmungsfrei darüber entscheiden kann, ob er die Leistung gewährt, welchen Dotierungsrahmen er dafür zur Verfügung stellen will und an welchen Empfängerkreis er diese zu erbringen bereit ist (vgl. BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 454/06 - Rn. 23, BAGE 123, 152; 11. Februar 1992 - 1 ABR 51/91 - zu B II der Gründe). Die Arbeitgeberin stellt allerdings bei einer Gehaltsanpassung nicht erstmals ein bestimmtes Volumen für einen bestimmten Leistungszweck zur Verfügung, sondern erhöht dadurch lediglich das auch schon bisher für die Vergütung der Arbeitnehmer bereitgestellte gesamte Dotierungsvolumen.

        

    Schmidt    

        

    Treber    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    Fasbender    

        

    Berg