Tenor

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 08.02.2011 - 1 Ca 366/09 - wird abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 3.585,52 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.09.2009 zu zahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Sittenwidrigkeit einer Vergütungsvereinbarung.

2

Der Beklagte ist Inhaber eines Unternehmens, das soziale Dienstleistungen, insbesondere Kranken- und Behindertentransporte, anbietet.

3

Zum 01.03.2007 stellte er den am 18.06.1982 geborenen B. F. als Aushilfe im Krankentransport ein. Herr F. hatte ein Fernstudium Wirtschaftsinformatik aufgenommen und bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zudem war er als Inhaber der Firma A. Systems im Bereich Webdesign/Internetdienstleistungen unternehmerisch tätig. Nach dem Arbeitsvertrag vom 23.02.2007 beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 14 Wochenstunden bei einer monatlichen Vergütung von € 100,-.

4

Herr F. führte, solange sein Personenbeförderungsschein, den er während des Zivildienstes beim Arbeiter-Samariter-Bund erworben hatte, noch gültig war, nämlich bis zum 31.12.2007, Krankentransporte durch. Anschließend war er etwa zur Hälfte seiner Arbeitszeit als Beifahrer tätig, während er zur anderen Hälfte Bürotätigkeiten, z. B. Bearbeitung des Postein- und -ausgangs, wahrnahm. Insbesondere erstellte und verwaltete er die Homepage des Beklagten.

5

Am 06.02.2008 schloss der Beklagte mit Herrn F. einen Änderungsvertrag mit Wirkung zum 01.03.2008, der eine regelmäßige Arbeitszeit von 20 Wochenstunden bei einer monatlichen Vergütung von € 165,- vorsieht.

6

Im Zeitraum August 2007 bis Juni 2009 gewährte der Kläger Herrn F., während dieser bei dem Beklagten die folgenden Arbeitsstunden erbrachte, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in nachstehender Höhe:

7

Monat

Geleistete
Arbeitsstunden

Lohnzahlungen des
Beklagten in €

Leistungen des
Klägers in €

                                   

 08/07

 61,00

 100,00

 470,51

 09/07

 45,25

 100,00

 470,51

 10/07

 66,25

 100,00

 400,52

 11/07

 63,75

 100,00

 470,51

 12/07

 58,00

 100,00

 470,51

                                   

 01/08

 67,00

 100,00

 470,51

 02/08

 43,00

 100,00

 356,21

                                   

 03/08

 71,00

 165,00

 356,21

 04/08

 91,00

 165,00

 356,21

 05/08

 77,50

 165,00

 356,21

 06/08

 72,75

 165,00

 426,21

 07/08

 58,00

 165,00

 430,21

 08/08

 71,25

 165,00

 430,21

 09/08

 48,00

 165,00

 430,21

 10/08

 82,00

 165,00

 430,21

 11/08

 66,75

 165,00

 430,21

 12/08

 72,00

 165,00

 430,21

                                   

 01/09

 65,75

 165,00

 430,21

 02/09

 57,75

 165,00

 430,21

 03/09

 76,25

 165,00

 430,21

 04/09

 61,75

 165,00

 430,21

 05/09

 61,75

 165,00

 430,21

 06/09

 73,75

 165,00

 430,21

8

In diesem Zeitraum zahlte der Beklagte den Krankentransportfahrern E. B., S. S. und T. R., soweit diese in Vollzeit beschäftigt waren, einen Stundenlohn zwischen € 6,00 und € 8,07 brutto.

9

Die Statistik des Klägers zu den Arbeitsentgelten in der Wirtschaftsregion Stralsund und Umgebung, die auf den ihm bekannten Stellenbesetzungsverfahren 2007 bis 2009 beruht, weist folgende Vergütungen aus:

10

Beruf

Arbeitszeit/Woche

Entgelt/Monat

Euro/
Stunde

                                   

 Servicefahrer

 17,50

 400,00

 5,70 

 Fahrer Behinderten-/Krankentransport

 40,00

 1.040,00

 6,00 

 Fahrer Behinderten-/Krankentransport

 30,00

 1.000,00

 7,69 

 Fahrer Behinderten-/Krankentransport

 6,00 

 165,00

 6,34 

 Fahrer Behinderten-/Krankentransport

 40,00

 922,50

 5,32 

 Fahrer Behinderten-/Krankentransport

 15,00

 400,00

 6,15 

 Fahrer/Beifahrer Behinderten-/Krankentransport

 8,00 

 165,00

 5,08 

 Servicefahrer Behindertenfahrdienst

 40,00

 1.100,00

 6,35 

 Beifahrer Behinderten-/Krankentransport

 30,00

 950,00

 7,30 

 Servicefahrer Behindertenfahrdienst

 15,00

 400,00

 6,15 

 Kraftfahrer Behindertentransport

 40,00

 1.305,00

 7,52 

 Kraftfahrer Behindertentransport

 40,00

 1.100,00

 8,07 

 Servicefahrer Behindertenfahrdienst

 30,00

 853,00

 6,56 

 Fahrer Behinderten-/Krankentransport

 40,00

 890,00

 5,13 

 Fahrer Behinderten-/Krankentransport

 40,00

 1.100,00

 6,34 

 Fahrer Behinderten-/Krankentransport

 30,00

 1.100,00

 8,46 

                                   

11

Daraus errechnet sich ein durchschnittlicher Stundenlohn von € 6,51.

12

Beruf

Arbeitszeit/Woche

Entgelt/Monat

Euro/
Stunde

                                   

 Bürokraft

 40,00

 1.500,00

 8,65 

 Bürokraft

 30,00

 600,00

 4,61 

 Bürokauffrau

 40,00

 1.250,00

 7,21 

 Bürokraft

 30,00

 1.200,00

 9,23 

 Bürokauffrau

 30,00

 1.200,00

 9,23 

 Bürokraft

 40,00

 1.300,00

 7,50 

 Sekretär

 32,00

 1.071,09

 7,72 

 Bürokauffrau

 40,00

 1.000,00

 5,76 

 Sekretärin

 40,00

 1.200,00

 6,92 

 Bürokauffrau

 20,00

 700,00

 8,07 

 Bürokraft

 15,00

 520,80

 8,01 

 Bürokauffrau

 40,00

 1.090,81

 6,29 

 Bürokraft

 30,00

 1.000,00

 7,69 

 Bürokraft

 40,00

 1.293,90

 7,46 

 Bürokauffrau

 20,00

 800,00

 9,23 

 Bürohilfe

 30,00

 771,43

 5,93 

 Bürokauffrau

 40,00

 1.050,00

 6,05 

 Bürokraft

 40,00

 1.260,00

 7,26 

 Sekretärin

 40,00

 1.400,00

 8,07 

 Bürokraft

 20,00

 550,00

 6,34 

 Bürokauffrau

 30,00

 850,00

 6,53 

 Bürokraft

 30,00

 750,00

 5,76 

 Bürohilfskraft

 20,00

 410,00

 4,73 

 Bürokraft

 25,00

 875,00

 8,07 

 Bürokraft

 30,00

 820,00

 6,30 

 Bürokraft

 20,00

 616,00

 7,10 

 Bürokraft

 28,00

 880,00

 7,25 

 Bürokauffrau

 30,00

 1.050,00

 8,07 

 Bürokraft

 40,00

 1.300,00

 7,50 

 Bürohilfskraft

 35,00

 1.250,00

 8,24 

 Bürokraft

 40,00

 1.120,00

 6,46 

 Bürokraft

 40,00

 1.350,00

 7,78 

 Bürokraft

 40,00

 1.650,00

 9,51 

 Bürohilfskraft

 40,00

 1.050,00

 6,05 

 Bürokraft

 24,00

 771,43

 7,42 

 Bürokauffrau

 40,00

 1.633,83

 9,43 

 Bürokaufmann

 32,00

 1.104,00

 7,96 

 Bürokraft

 40,00

 1.425,00

 8,22 

 Bürokauffrau

 40,00

 1.600,00

 9,23 

 Bürokraft

 40,00

 1.200,00

 6,92 

 Bürokraft

 30,00

 1.200,00

 9,23 

 Bürokraft

 30,00

 1.050,00

 8,07 

 Bürokauffrau

 40,00

 1.600,00

 9,23 

 Bürokauffrau

 40,00

 950,00

 5,48 

 Bürokauffrau

 40,00

 1.050,00

 6,05 

 Bürokauffrau

 40,00

 1.300,00

 7,50 

 Bürokauffrau

 40,00

 965,00

 5,56 

 Bürokraft

 40,00

 1.100,00

 6,34 

 Bürohilfskraft

 40,00

 1.367,49

 7,88 

 Bürokauffrau

 40,00

 1.344,10

 7,75 

 Bürokraft

 22,00

 800,00

 8,39 

 Bürokraft

 40,00

 1.050,00

 6,06 

 Bürokauffrau

 40,00

 1.378,68

 7,95 

 Bürokauffrau

 40,00

 950,00

 5,48 

                                   

13

Der Mittelwert beträgt € 7,35 je Stunde.

14

Das Arbeitsverhältnis zwischen Herrn F. und dem Beklagten endete zum 30.06.2009. Mit den Schreiben vom 27.08.2009 machte der Kläger aus übergegangenem Recht Lohnansprüche gegenüber dem Beklagten geltend und forderte ihn erfolglos zur Zahlung bis spätestens 17.09.2009 auf.

15

Der Kläger ist der Ansicht, die Lohnabrede zwischen Herr F. und dem Beklagten sei sittenwidrig und deshalb nichtig. Für die Tätigkeit von Herrn F. sei zumindest eine übliche Bruttovergütung von € 6,-/Stunde anzusetzen, was einen - der Höhe nach unstreitigen - Erstattungsanspruch des Klägers von € 3.585,52 brutto ergebe. Für eine geringfügige Beschäftigung könne nichts anderes gelten, wie sich schon aus § 4 TzBfG ergebe.

16

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

17

den Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 3.585,52 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.09.2009 zu zahlen.

18

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen. Herr F. habe im Durchschnitt nie länger als zwei Stunden am Tag aktiv gearbeitet. Im Übrigen handele es sich um reine Anwesenheitszeiten, in denen er sich mit eigenen Dingen habe beschäftigen können. Es seien in erheblichem Umfang Wartezeiten angefallen, beispielsweise während der Dialysebehandlung der Patienten, die in der Regel vier bis fünf Stunden dauere. Eine geringfügige Beschäftigung könne nicht mit Vollzeit- oder sonstigen Teilzeitarbeitsverhältnissen verglichen werden, da das Lohnniveau bei geringfügig Beschäftigten allgemein stark abweiche. Jedenfalls liege keine verwerfliche Gesinnung vor. Es gebe in S. zahlreiche Fahrer/Beifahrer im Krankentransport, die ebenfalls mit etwa 12 bis 14,9 Wochenstunden bei einer monatlichen Vergütung von € 165,- beschäftigt worden seien. Zudem werde diese Tätigkeit häufig auch Zivildienstleistenden und Ein-Euro-Jobbern übertragen. Schließlich sei die Lohnabrede mit Herrn F. sowohl von dem Kläger als auch von dem Hauptzollamt S., das 2008 eine Prüfung nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und dem Arbeitnehmerentsendegesetz durchgeführt habe, geduldet worden. Auch die Deutsche Rentenversicherung Nord habe im Jahr 2009 anlässlich einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV für den Zeitraum Juli 2005 bis Dezember 2008 keine Einwände erhoben.

19

Das Arbeitsgericht Stralsund hat mit Urteil vom 08.02.2011 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass die gezahlte Vergütung zwar objektiv sittenwidrig sei, es jedoch an einer verwerflichen Gesinnung des Beklagten fehle. Da weder der Kläger noch das Hauptzollamt noch die Deutsche Rentenversicherung Nord die Beschäftigungspraktiken beanstandet hätten, könne bei dem Beklagten der Eindruck entstanden sein, seine Vorgehensweise sei rechtmäßig.

20

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt. Nach der Rechtsprechung des BAG sei von einer verwerflichen Gesinnung des Beklagten auszugehen, da zwischen der Arbeitsleistung von Herrn F. und seiner Vergütung nicht nur ein auffälliges Missverhältnis, sondern sogar ein besonders auffälliges Missverhältnis bestehe. Auf die Betriebsprüfungen seitens des Hauptzollamts und der Rentenversicherung könne sich der Beklagte nicht berufen, weil die Sittenwidrigkeit von Löhnen nicht Gegenstand dieser Prüfungen sei. Dass es auch bei Wettbewerbern des Beklagten sittenwidrige Lohnvereinbarungen gebe und gegeben habe, entlaste ihn nicht, da er keine Gleichbehandlung im Unrecht verlangen könne.

21

Der Kläger beantragt,

22

das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 08.02.2011 - 1 Ca 366/09 - abzuändern und den Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 3.585,52 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.09.2009 zu zahlen.

23

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Unter normalen Umständen sei ein Stundenlohn von € 2,50 oder weniger in der Tat sittenwidrig. Bei den von Herrn F. aufgelisteten Arbeitszeiten handele sich jedoch in großem Umfang um reine Anwesenheitsstunden, während der er z. B. seinem Studium habe nachgehen können. Der Beklagte habe sich lediglich an den auf dem Markt üblichen und offensichtlich behördlich geduldeten Gepflogenheiten orientiert.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten in der Berufungsinstanz wird auf die diesbezüglichen Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25

Die Berufung ist zulässig und begründet.

26

Der Kläger hat nach § 611 Abs. 1, § 612 BGB i. V. m. § 115 Abs. 1 SGB X einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung eines weiteren Arbeitsentgelts für die Monate August 2007 bis Juni 2009 in Höhe von insgesamt € 3.585,52 brutto.

27

Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet (§ 611 Abs. 1 BGB). Ist die Vergütungsvereinbarung unwirksam, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen (§ 612 Abs. 2 BGB).

28

Die Vergütungsvereinbarungen des Beklagten mit Herrn F. vom 23.02.2007 und 06.02.2008 sind unwirksam, da sie sittenwidrig sind.

29

Nach § 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Nichtig ist nach § 138 Abs. 2 BGB insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Der privatautonomen Rechtsgestaltung sind dort Grenzen gesetzt, wo sie nicht mehr mit den in der Rechtsordnung angelegten Wertmaßstäben vereinbar ist und sich deshalb als Missbrauch wirtschaftlicher Macht darstellt (Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl. 2011, § 138, Rn. 3). Liegen die Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 BGB nicht vor, so kann das Rechtsgeschäft dennoch als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein. Die Darlegungs- und Beweislast trägt derjenige, der sich auf die Sittenwidrigkeit beruft (BGH, Urteil vom 23.02.1995 - IX ZR 29/94 - NJW 1995, 1425).

30

Ein wucherähnliches Geschäft liegt nach § 138 Abs. 1 BGB vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände, z. B. eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten, hinzutreten (BAG, Urteil vom 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 - NZA 2009, 837).

31

Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit sind die Verhältnisse im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblich (BAG, Urteil vom 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 - NZA 2009, 837). Es kommt nicht allein auf den Vertragsschluss an, da die Sittenwidrigkeit, sofern sich die allgemeine Lohn- und Gehaltsentwicklung erheblich ändert, auch erst im Laufe des Vertragsverhältnisses eintreten kann.

32

1. Auffälliges Missverhältnis

33

Ob ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt, richtet sich nach dem jeweiligen objektiven Wert. Auffällig ist ein Missverhältnis, wenn das Ungleichgewicht ohne Weiteres ins Auge springt und nicht mehr hinnehmbar ist. Das trifft auf Löhne zu, die die übliche Vergütung dieser Arbeitsleistung in der Branche und an dem jeweiligen Ort um mehr als 1/3 unterschreiten (BAG, Urteil vom 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 - NZA 2009, 837).

34

Da es allein auf den objektiven Wert der Arbeitsleistung ankommt, ist es unerheblich, ob die Tätigkeit in Vollzeit oder in Teilzeit geleistet wird. Der Wert ändert sich auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer nur geringfügig beschäftigt ist. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Demnach ist die von einem Teilzeitbeschäftigten geleistete Arbeitsstunde genauso zu bewerten wie die eines Vollzeitbeschäftigten. Dass in der Arbeitsrechtspraxis teilweise hiergegen verstoßen wird, ändert nichts an der gesetzlichen Bewertungsvorgabe. Ein rechtswidriger Zustand kann nicht als Maßstab herangezogen werden.

35

Ausgangspunkt der Wertbestimmung sind in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden. Entspricht der Tariflohn dagegen nicht der verkehrsüblichen Vergütung, ist von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen (BAG, Urteil vom 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 - NZA 2009, 837). Die von den statistischen Ämtern der Bundesländer regelmäßig erstellte Verdienststrukturerhebung nach dem Gesetz über die Statistik der Verdienste und Arbeitskosten (Verdienststatistikgesetz) vom 21.12.2006 (vorher Lohnstatistikgesetz) ist eine geeignete Erkenntnisquelle für die Ermittlung von Durchschnittseinkommen in den dort berücksichtigten Branchen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 02.11.2010 - 5 Sa 91/10 - ArbRB 2011, 111).

36

Die übliche Vergütung für die Tätigkeit von Herrn F. als Krankentransportfahrer/-beifahrer bzw. Bürohilfe/Wegdesigner im Wirtschaftsgebiet Mecklenburg-Vorpommern lässt sich nicht aus Tariflöhnen herleiten. Einschlägige, in Mecklenburg-Vorpommern üblicherweise angewandte Entgelttarifverträge sind nicht vorhanden.

37

Welcher Bruttostundenlohn für eine Tätigkeit wie die von Herrn F. als ortsüblich anzusetzen ist, bedarf letztlich keiner Entscheidung. Ein Stundensatz von € 6,-, den der Kläger zu Grunde gelegt hat, übersteigt keinesfalls die ortsübliche Vergütung. Zum einen liegt dieser Betrag noch unter den beim Kläger registrierten Durchschnittsverdiensten sowohl für Fahrer im Kranken- und Behindertentransport als auch für Bürokräfte. Zum anderen handelt es sich um den untersten Stundenlohn, den auch der Beklagte den bei ihm vollzeitbeschäftigten Fahrern gewährt. Die Tätigkeiten von Herrn F. im Zusammenhang mit der Erstellung und Betreuung der Homepage des Beklagten sind keinesfalls geringer zu bewerten.

38

Dass es bei der Tätigkeit als Fahrer/Beifahrer zu Wartezeiten kam, in denen Herr F. lesen oder anderen Beschäftigungen nachgehen konnte, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Solche Wartezeiten sind der Tätigkeit eines Krankentransportfahrers/-beifahrers immanent. Sie fallen gleichermaßen bei Vollzeit- wie auch bei Teilzeitkräften an. Die Vergütung dieser Tätigkeit erfolgt üblicherweise nach einem einheitlichen Stundensatz, ohne dass zwischen Zeiten mit aktiver Arbeitsleistung und Wartezeiten unterschieden wird. Der eher geringe Stundensatz berücksichtigt bereits die unterschiedlichen Arbeitsintensitäten. Eine abgestufte Vergütung ähnlich einer Bereitschaftszeit erfolgt gewöhnlich nicht.

39

Der Beklagte hat ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23.02.2007 mit Herrn F. eine monatliche Vergütung von € 100,- bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden vereinbart. Daraus ergibt sich ein durchschnittlicher Stundenlohn von € 1,65 (€ 100,-/Monat : 14 Stunden/Woche : 4,33 Wochen/Monat). Mit dem Änderungsvertrag vom 06.02.2008 haben die Parteien den Stundenlohn auf € 1,91 (€ 165,-/Monat : 20 Stunden/Woche : 4,33 Wochen/Monat) erhöht.

40

Die Sollarbeitszeit von monatlich 60,62 Stunden hat Herr F. im Zeitraum August 2007 bis Februar 2008 allerdings nicht voll ausgeschöpft, da er im Durchschnitt lediglich 57,75 Stunden pro Monat arbeitete. Er erhielt deshalb tatsächlich einen Stundenlohn von € 1,73. Von März 2008 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Juni 2009 blieb er ebenfalls unter der Sollarbeitszeit, die in diesem Zeitraum 86,6 Stunden je Monat betrug. Tatsächlich leistete er durchschnittlich 69,2 Stunden pro Monat, sodass er einen Stundenlohn von € 2,39 erhielt.

41

Sämtliche Stundenlöhne unterschreiten die übliche Vergütung von € 6,- je Stunde um weit mehr als 1/3. Herr F. erhielt maximal 40 Prozent der üblichen Vergütung.

42

2. Verwerfliche Gesinnung

43

Auch das wucherähnliche Rechtsgeschäft setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der begünstigte Vertragsteil Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen hat. Seine verwerfliche Gesinnung ist nicht nur dann zu bejahen, wenn er als der wirtschaftlich oder intellektuell Überlegene die schwächere Lage des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt, sondern auch dann, wenn er sich leichtfertig der Einsicht verschließt, dass sich der andere nur wegen seiner schwächeren Lage oder unter dem Zwang der Verhältnisse auf den ungünstigen Vertrag einlässt (BAG, Urteil vom 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 - NZA 2009, 837; BAG, Urteil vom 22.03.1989 - 5 AZR 151/88 -).

44

Ein besonders auffälliges und krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spricht ohne Weiteres für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten. Im Übrigen muss sich dieser auch dann, wenn das bestehende Missverhältnis bereits einen hinreichend sicheren Schluss auf den subjektiven Tatbestand zulässt, nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen haben, es liege ein solches Missverhältnis vor (BAG, Urteil vom 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 - NZA 2009, 837; BGH, Urteil vom 13.06.2001 - XII ZR 49/99 - NJW 2002, 55). Von einem besonders auffälligen Missverhältnis ist regelmäßig auszugehen, wenn die gezahlte Vergütung nicht einmal 50 Prozent des Wertes der Arbeitsleistung erreicht (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 02.11.2010 - 5 Sa 91/10 - ArbRB 2011, 111; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.02.2011 - 11 Sa 568/10 -).

45

Dies trifft auf den Stundenlohn von Herrn F. zu, weshalb grundsätzlich eine verwerfliche Gesinnung anzunehmen ist. Umstände, die das Vorgehen des Beklagten in einem anderen Licht erscheinen lassen, liegen nicht vor.

46

Dem Beklagten war bei Abschluss des Arbeitsverhältnisses mit Herrn F. bekannt, dass die Vergütung weit unter dem Üblichen liegt, zumal er seine Vollzeitbeschäftigten deutlich besser vergütete. Er wusste durchaus, welche Vergütung für die Arbeit als Krankentransportfahrer/-beifahrer angemessen und üblich war. Dementsprechend zahlte er den Vollzeitkräften zumindest einen Stundenlohn von € 6,- brutto. Mit Herrn F. hat er hingegen einen deutlich geringeren Arbeitslohn vereinbart, da dessen Lebensunterhalt bereits durch Sozialleistungen sichergestellt war. Diesen Umstand hat der Beklagte zur Einsparung von Lohnkosten genutzt. Er hat sich jedoch lediglich an sozialrechtlichen Grenzen orientiert, ohne aber das übliche, ihm durchaus bekannte Lohnniveau zu berücksichtigen. Die fehlerhafte Vorstellung, mit Teilzeitkräften, insbesondere geringfügig Beschäftigten, anders verfahren zu können, beseitigt nicht die Verwerflichkeit, sondern bestätigt sie vielmehr. Die Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten wird von der Rechtsordnung nicht gebilligt. Der Beklagte hat sich den Bezug von Sozialleistungen zu Nutze gemacht, um Stundenlöhne zu vereinbaren, die er andernfalls, d. h. bei Vollzeitbeschäftigen, überhaupt nicht hätte durchsetzen können. Das vom Beklagten verfolgte Ziel einer Lohnkostenminimierung um jeden Preis macht die Verwerflichkeit seiner Gesinnung deutlich. Ein Stundenlohn von maximal € 2,40 ist offensichtlich und unzweifelhaft nicht angemessen.

47

Die verwerfliche Gesinnung entfällt nicht deshalb, weil andere Arbeitgeber, insbesondere Mitbewerber, ebenfalls derartige Arbeitsverhältnisse abgeschlossen haben. Daraus konnte der Beklagte nicht herleiten, dass die Rechtsordnung einen solchen Stundenlohn hinnehmen werde.

48

Da die Sittenwidrigkeit einschließlich der verwerflichen Gesinnung im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu beurteilen ist, kommt es nicht darauf an, ob und ggf. welche Schlussfolgerungen der Beklagte aus dem Verhalten des Klägers als Rechtsnachfolger seines Arbeitnehmers ziehen durfte. Weder Herr F. noch der Kläger waren verpflichtet, den Beklagten unverzüglich auf eine Sittenwidrigkeit hinzuweisen. Die verwerfliche Gesinnung des Beklagten ist bereits bei Abschluss der Verträge zu Tage getreten. Sie bestand bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses mit Herrn F. fort. Der Arbeitnehmer ist nicht gehalten, evtl. Ansprüche sofort geltend zu machen, um einen Wegfall des subjektiven Tatbestandsmerkmals zu verhindern. Maßgeblich sind allein Verjährungs- und ggf. vertragliche oder tarifvertragliche Ausschlussfristen. Für den Rechtsnachfolger gilt nichts anderes. Auch Arbeitnehmer machen Ansprüche regelmäßig erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses geltend.

49

Die späteren Betriebsprüfungen durch das Hauptzollamt und die Rentenversicherung ändern ebenfalls nichts an der Verwerflichkeit. Der Beklagte hat schon nicht dargelegt, dass diese Behörden überhaupt Feststellungen zur Wirksamkeit von Arbeitsverträgen, insbesondere mit derartig geringen Stundenlöhnen, getroffen haben. Jedenfalls aber ist nicht ersichtlich, weshalb die bei Abschluss der Verträge zu Tage getretene verwerfliche Gesinnung deshalb nicht mehr vorliegen soll. Die Beweggründe des Beklagten für die Vereinbarung und Zahlung eines Stundenlohns von maximal € 2,40 haben sich zwischenzeitlich nicht geändert.

50

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Revisionszulassungsgründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht ersichtlich.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 286 Verzug des Schuldners


#BJNR001950896BJNE027902377 (1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Z

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(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

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(1) Die Träger der Rentenversicherung prüfen bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüf

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(1) Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.

(2) Ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Befristung des Arbeitsvertrages nicht schlechter behandelt werden, als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung, die für einen bestimmten Bemessungszeitraum gewährt wird, mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Beschäftigungsdauer am Bemessungszeitraum entspricht. Sind bestimmte Beschäftigungsbedingungen von der Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen abhängig, so sind für befristet beschäftigte Arbeitnehmer dieselben Zeiten zu berücksichtigen wie für unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer, es sei denn, dass eine unterschiedliche Berücksichtigung aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist.

(1) Die Träger der Rentenversicherung prüfen bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a) mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für den Arbeitgeber zuständigen Träger der Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Absatz 2 sowie § 93 in Verbindung mit § 89 Absatz 5 des Zehnten Buches nicht. Die landwirtschaftliche Krankenkasse nimmt abweichend von Satz 1 die Prüfung für die bei ihr versicherten mitarbeitenden Familienangehörigen vor.

(1a) Die Prüfung nach Absatz 1 umfasst die ordnungsgemäße Erfüllung der Meldepflichten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz und die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Künstlersozialabgabe durch die Arbeitgeber. Die Prüfung erfolgt

1.
mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern, die als abgabepflichtige Unternehmer nach § 24 des Künstlersozialversicherungsgesetzes bei der Künstlersozialkasse erfasst wurden,
2.
mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern mit mehr als 19 Beschäftigten und
3.
bei mindestens 40 Prozent der im jeweiligen Kalenderjahr zur Prüfung nach Absatz 1 anstehenden Arbeitgeber mit weniger als 20 Beschäftigten.
Hat ein Arbeitgeber mehrere Beschäftigungsbetriebe, wird er insgesamt geprüft. Das Prüfverfahren kann mit der Aufforderung zur Meldung eingeleitet werden. Die Träger der Deutschen Rentenversicherung erlassen die erforderlichen Verwaltungsakte zur Künstlersozialabgabepflicht, zur Höhe der Künstlersozialabgabe und zur Höhe der Vorauszahlungen nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz einschließlich der Widerspruchsbescheide. Die Träger der Rentenversicherung unterrichten die Künstlersozialkasse über Sachverhalte, welche die Melde- und Abgabepflichten der Arbeitgeber nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz betreffen. Für die Prüfung der Arbeitgeber durch die Künstlersozialkasse gilt § 35 des Künstlersozialversicherungsgesetzes.

(1b) Die Träger der Rentenversicherung legen im Benehmen mit der Künstlersozialkasse die Kriterien zur Auswahl der nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 zu prüfenden Arbeitgeber fest. Die Auswahl dient dem Ziel, alle abgabepflichtigen Arbeitgeber zu erfassen. Arbeitgeber mit weniger als 20 Beschäftigten, die nicht nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 zu prüfen sind, werden durch die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung nach Absatz 1 im Hinblick auf die Künstlersozialabgabe beraten. Dazu erhalten sie mit der Prüfankündigung Hinweise zur Künstlersozialabgabe. Im Rahmen der Prüfung nach Absatz 1 lässt sich der zuständige Träger der Rentenversicherung durch den Arbeitgeber schriftlich oder elektronisch bestätigen, dass der Arbeitgeber über die Künstlersozialabgabe unterrichtet wurde und abgabepflichtige Sachverhalte melden wird. Bestätigt der Arbeitgeber dies nicht, wird die Prüfung nach Absatz 1a Satz 1 unverzüglich durchgeführt. Erlangt ein Träger der Rentenversicherung im Rahmen einer Prüfung nach Absatz 1 bei Arbeitgebern mit weniger als 20 Beschäftigten, die nicht nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 geprüft werden, Hinweise auf einen künstlersozialabgabepflichtigen Sachverhalt, muss er diesen nachgehen.

(1c) Die Träger der Rentenversicherung teilen den Trägern der Unfallversicherung die Feststellungen aus der Prüfung bei den Arbeitgebern nach § 166 Absatz 2 des Siebten Buches mit. Die Träger der Unfallversicherung erlassen die erforderlichen Bescheide.

(2) Im Bereich der Regionalträger richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz der Lohn- und Gehaltsabrechnungsstelle des Arbeitgebers. Die Träger der Rentenversicherung stimmen sich darüber ab, welche Arbeitgeber sie prüfen; ein Arbeitgeber ist jeweils nur von einem Träger der Rentenversicherung zu prüfen.

(3) Die Träger der Rentenversicherung unterrichten die Einzugsstellen über Sachverhalte, soweit sie die Zahlungspflicht oder die Meldepflicht des Arbeitgebers betreffen.

(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund führt ein Dateisystem, in dem die Träger der Rentenversicherung ihre elektronischen Akten führen, die im Zusammenhang mit der Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 1, 1a und 1c stehen. Die in diesem Dateisystem gespeicherten Daten dürfen nur für die Prüfung bei den Arbeitgebern durch die jeweils zuständigen Träger der Rentenversicherung verarbeitet werden.

(5) Die Arbeitgeber sind verpflichtet, angemessene Prüfhilfen zu leisten. Abrechnungsverfahren, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen durchgeführt werden, sind in die Prüfung einzubeziehen.

(6) Zu prüfen sind auch steuerberatende Stellen, Rechenzentren und vergleichbare Einrichtungen, die im Auftrag des Arbeitgebers oder einer von ihm beauftragten Person Löhne und Gehälter abrechnen oder Meldungen erstatten. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich im Bereich der Regionalträger nach dem Sitz dieser Stellen. Absatz 5 gilt entsprechend.

(6a) Für die Prüfung nach Absatz 1 sind dem zuständigen Rentenversicherungsträger die notwendigen Daten elektronisch aus einem systemgeprüften Entgeltabrechnungsprogramm zu übermitteln; für Daten aus der Finanzbuchhaltung kann dies nur im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber erfolgen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund bestimmt in Grundsätzen bundeseinheitlich das Nähere zum Verfahren der Datenübermittlung und der dafür erforderlichen Datensätze und Datenbausteine. Die Grundsätze bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, das vorher die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände anzuhören hat.

(7) Die Träger der Rentenversicherung haben eine Übersicht über die Ergebnisse ihrer Prüfungen zu führen und bis zum 31. März eines jeden Jahres für das abgelaufene Kalenderjahr den Aufsichtsbehörden vorzulegen. Das Nähere über Inhalt und Form der Übersicht bestimmen einvernehmlich die Aufsichtsbehörden der Träger der Rentenversicherung mit Wirkung für diese.

(8) Die Deutsche Rentenversicherung Bund führt ein Dateisystem, in dem der Name, die Anschrift, die Betriebsnummer, der für den Arbeitgeber zuständige Unfallversicherungsträger und weitere Identifikationsmerkmale eines jeden Arbeitgebers sowie die für die Planung der Prüfungen bei den Arbeitgebern und die für die Übersichten nach Absatz 7 erforderlichen Daten gespeichert sind; die Deutsche Rentenversicherung Bund darf die in diesem Dateisystem gespeicherten Daten nur für die Prüfung bei den Arbeitgebern und zur Ermittlung der nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz abgabepflichtigen Unternehmer verarbeiten. In das Dateisystem ist eine Kennzeichnung aufzunehmen, wenn nach § 166 Absatz 2 Satz 2 des Siebten Buches die Prüfung der Arbeitgeber für die Unfallversicherung nicht von den Trägern der Rentenversicherung durchzuführen ist; die Träger der Unfallversicherung haben die erforderlichen Angaben zu übermitteln. Die Datenstelle der Rentenversicherung führt für die Prüfung bei den Arbeitgebern ein Dateisystem, in dem neben der Betriebsnummer eines jeden Arbeitgebers, die Betriebsnummer des für den Arbeitgeber zuständigen Unfallversicherungsträgers, die Unternehmernummer nach § 136a des Siebten Buches des Arbeitgebers, das in der Unfallversicherung beitragspflichtige Entgelt der bei ihm Beschäftigten in Euro, die anzuwendenden Gefahrtarifstellen der bei ihm Beschäftigten, die Versicherungsnummern der bei ihm Beschäftigten einschließlich des Beginns und des Endes von deren Beschäftigung, die Bezeichnung der für jeden Beschäftigten zuständigen Einzugsstelle sowie eine Kennzeichnung des Vorliegens einer geringfügigen Beschäftigung gespeichert sind. Sie darf die Daten der Stammsatzdatei nach § 150 Absatz 1 und 2 des Sechsten Buches sowie die Daten des Dateisystems nach § 150 Absatz 3 des Sechsten Buches und der Stammdatendatei nach § 101 für die Prüfung bei den Arbeitgebern speichern, verändern, nutzen, übermitteln oder in der Verarbeitung einschränken; dies gilt für die Daten der Stammsatzdatei auch für Prüfungen nach § 212a des Sechsten Buches. Sie ist verpflichtet, auf Anforderung des prüfenden Trägers der Rentenversicherung

1.
die in den Dateisystemen nach den Sätzen 1 und 3 gespeicherten Daten,
2.
die in den Versicherungskonten der Träger der Rentenversicherung gespeicherten, auf den Prüfungszeitraum entfallenden Daten der bei dem zu prüfenden Arbeitgeber Beschäftigten,
3.
die bei den für den Arbeitgeber zuständigen Einzugsstellen gespeicherten Daten aus den Beitragsnachweisen (§ 28f Absatz 3) für die Zeit nach dem Zeitpunkt, bis zu dem der Arbeitgeber zuletzt geprüft wurde,
4.
die bei der Künstlersozialkasse über den Arbeitgeber gespeicherten Daten zur Melde- und Abgabepflicht für den Zeitraum seit der letzten Prüfung sowie
5.
die bei den Trägern der Unfallversicherung gespeicherten Daten zur Melde- und Beitragspflicht sowie zur Gefahrtarifstelle für den Zeitraum seit der letzten Prüfung
zu verarbeiten, soweit dies für die Prüfung, ob die Arbeitgeber ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, sowie ihre Pflichten als zur Abgabe Verpflichtete nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz und ihre Pflichten nach dem Siebten Buch zur Meldung und Beitragszahlung ordnungsgemäß erfüllen, erforderlich ist. Die dem prüfenden Träger der Rentenversicherung übermittelten Daten sind unverzüglich nach Abschluss der Prüfung bei der Datenstelle und beim prüfenden Träger der Rentenversicherung zu löschen. Die Träger der Rentenversicherung, die Einzugsstellen, die Künstlersozialkasse und die Bundesagentur für Arbeit sind verpflichtet, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Datenstelle die für die Prüfung bei den Arbeitgebern erforderlichen Daten zu übermitteln. Sind für die Prüfung bei den Arbeitgebern Daten zu übermitteln, so dürfen sie auch durch Abruf im automatisierten Verfahren übermittelt werden, ohne dass es einer Genehmigung nach § 79 Absatz 1 des Zehnten Buches bedarf. Soweit es für die Erfüllung der Aufgaben der gemeinsamen Einrichtung als Einzugsstelle nach § 356 des Dritten Buches erforderlich ist, wertet die Datenstelle der Rentenversicherung aus den Daten nach Satz 5 das Identifikationsmerkmal zur wirtschaftlichen Tätigkeit des geprüften Arbeitgebers sowie die Angaben über die Tätigkeit nach dem Schlüsselverzeichnis der Bundesagentur für Arbeit der Beschäftigten des geprüften Arbeitgebers aus und übermittelt das Ergebnis der gemeinsamen Einrichtung. Die übermittelten Daten dürfen von der gemeinsamen Einrichtung auch zum Zweck der Erfüllung der Aufgaben nach § 5 des Tarifvertragsgesetzes genutzt werden. Die Kosten der Auswertung und der Übermittlung der Daten nach Satz 9 hat die gemeinsame Einrichtung der Deutschen Rentenversicherung Bund zu erstatten. Die gemeinsame Einrichtung berichtet dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 1. Januar 2025 über die Wirksamkeit des Verfahrens nach Satz 9.

(9) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestimmt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über

1.
den Umfang der Pflichten des Arbeitgebers, der Beschäftigten und der in Absatz 6 genannten Stellen bei Abrechnungsverfahren, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen durchgeführt werden,
2.
die Durchführung der Prüfung sowie die Behebung von Mängeln, die bei der Prüfung festgestellt worden sind, und
3.
den Inhalt des Dateisystems nach Absatz 8 Satz 1 hinsichtlich der für die Planung der Prüfungen bei Arbeitgebern und der für die Prüfung bei Einzugsstellen erforderlichen Daten, über den Aufbau und die Aktualisierung dieses Dateisystems sowie über den Umfang der Daten aus diesem Dateisystem, die von den Einzugsstellen und der Bundesagentur für Arbeit nach § 28q Absatz 5 abgerufen werden können.

(10) Arbeitgeber werden wegen der Beschäftigten in privaten Haushalten nicht geprüft.

(11) Sind beim Übergang der Prüfung der Arbeitgeber von Krankenkassen auf die Träger der Rentenversicherung Angestellte übernommen worden, die am 1. Januar 1995 ganz oder überwiegend mit der Prüfung der Arbeitgeber beschäftigt waren, sind die bis zum Zeitpunkt der Übernahme gültigen Tarifverträge oder sonstigen kollektiven Vereinbarungen für die übernommenen Arbeitnehmer bis zum Inkrafttreten neuer Tarifverträge oder sonstiger kollektiver Vereinbarungen maßgebend. Soweit es sich bei einem gemäß Satz 1 übernommenen Beschäftigten um einen Dienstordnungs-Angestellten handelt, tragen der aufnehmende Träger der Rentenversicherung und die abgebende Krankenkasse bei Eintritt des Versorgungsfalles die Versorgungsbezüge anteilig, sofern der Angestellte im Zeitpunkt der Übernahme das 45. Lebensjahr bereits vollendet hatte. § 107b Absatz 2 bis 5 des Beamtenversorgungsgesetzes gilt sinngemäß.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

(1) Soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über.

(2) Der Übergang wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann.

(3) An Stelle der Ansprüche des Arbeitnehmers auf Sachbezüge tritt im Fall des Absatzes 1 der Anspruch auf Geld; die Höhe bestimmt sich nach den nach § 17 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Vierten Buches festgelegten Werten der Sachbezüge.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

(1) Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.

(2) Ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Befristung des Arbeitsvertrages nicht schlechter behandelt werden, als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung, die für einen bestimmten Bemessungszeitraum gewährt wird, mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Beschäftigungsdauer am Bemessungszeitraum entspricht. Sind bestimmte Beschäftigungsbedingungen von der Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen abhängig, so sind für befristet beschäftigte Arbeitnehmer dieselben Zeiten zu berücksichtigen wie für unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer, es sei denn, dass eine unterschiedliche Berücksichtigung aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird der Beklagte verurteilt, weitere 534,04 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin zu 30 Prozent und im Übrigen der Beklagte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die ARGE Stralsund, die im Gebiet der Hansestadt Stralsund für die Vergabe von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II zuständig ist, klagt aus übergegangenem Recht auf Zahlung von Arbeitsvergütung. Denn sie hat für fünf Personen über viele Monate hinweg Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (umgangssprachlich "Hartz IV" genannt) erbracht, die während des Anspruchszeitraums beim beklagten Arbeitgeber in einem geringfügigen Arbeitsverhältnis standen, dort jedoch - so die Klägerin - sittenwidrig niedrig entlohnt worden sind.

2

Der Beklagte hat im Streitzeitraum in Stralsund ein kleines Restaurant mit einem Pizzalieferservice betrieben. Bei ihm waren unter anderem die Arbeitnehmer Ol. und Fi. als Pizzaauslieferungsfahrer, die Arbeitnehmerin Ku. als Kellnerin sowie die Arbeitnehmerinnen Ka. und Wi. als Küchenhilfe beschäftigt. Die genannten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben während ihrer Tätigkeit für den Beklagten gleichzeitig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II von der Klägerin erhalten. Im Einzelnen stellen sich die Dinge wie folgt dar.

3

Der Beklagte beschäftigte den Arbeitnehmer Ol. ab Mai 2008 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Pizzafahrer. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. Das Arbeitsentgelt betrug bis einschließlich Januar 2009 konstant 80,00 EUR monatlich und ab Februar 2009 konstant 120,00 EUR monatlich. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. In einer von der Klägerin über den Arbeitnehmer angeforderten Bescheinigung des Beklagten heißt es unter der Überschrift "Arbeitsvereinbarung" im Text: "Arbeitszeit: flexibel, max. 14,9 Stunden wöchentlich". Der Arbeitnehmer hat in den hier interessierenden 11 Monaten Mai 2008 sowie Juli bis Dezember 2008 und Januar bis einschließlich April 2009 monatlich zwischen 42 und 54 Stunden - insgesamt 495 Stunden - erbracht (unter Verwertung der Zahlen von Blatt 31 der Akte). Seit Mai 2009 wird der Arbeitnehmer Ol. bei der Beklagten nur noch für durchschnittlich 20 Stunden im Monat bei gleichem Einkommen zur Arbeit herangezogen. Daher macht die Klägerin für diesen und die Folgemonate keinen Anspruchsübergang mehr gegen den Beklagten geltend.

4

Die Klägerin zahlte an den Arbeitnehmer Ol. im Juni 2008 Sozialleistungen in Höhe von 458,19 EUR, von August 2008 bis einschließlich Februar 2009 in Höhe von monatlich 607,59 EUR und im März, April und jedenfalls auch noch im Mai 2009 in Höhe von monatlich 591,28 EUR (Anlagen K 4 und K 7 - Blatt 27 und 31 d. A., ergänzt durch die Angaben im Schriftsatz vom 15. Oktober 2010, hier Blatt 479). Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diesen setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für einen Pizzafahrer mit 1.200,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 4), bzw. nach einer Tariferhöhung ab Januar 2009 mit 1.224,00 EUR brutto monatlich. Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von 2.451,64 EUR (Blatt 31).

5

Der Beklagte beschäftigte die Arbeitnehmerin Ka. ab September 2007 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Küchenhilfe. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. Das Arbeitsentgelt betrug bis einschließlich April 2009 konstant 80,00 EUR monatlich. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. In einer von der Klägerin über die Arbeitnehmerin angeforderten Bescheinigung des Beklagten heißt es unter der Überschrift "Arbeitsvereinbarung" im Text: "Arbeitszeit: flexibel wöchentlich 14 Stunden" (Anlage K 8.2, hier Blatt 33). Die Arbeitnehmerin hat in den hier interessierenden 19 Monaten Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 monatlich zwischen 36 und 56 Stunden - insgesamt 895 - erbracht. Seit Mai 2009 wird die Arbeitnehmerin Ka. bei der Beklagten nur noch für durchschnittlich 20 Stunden im Monat bei gleichem Einkommen zur Arbeit herangezogen. Daher macht die Klägerin für diesen und die Folgemonate keinen Anspruchsübergang mehr gegen den Beklagten geltend.

6

Die Klägerin zahlte an die Arbeitnehmerin Ka. von Oktober 2007 bis jedenfalls einschließlich Mai 2009 monatlich Sozialleistungen in Höhe von 825,13 EUR oder mehr (nur im Juli 2008 waren es mit 793,88 EUR weniger). Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diese setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für eine Küchenhilfe mit 887,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 1), bzw. nach einer Tariferhöhung ab Januar 2008 mit 914,00 EUR brutto sowie ab Januar 2009 mit 932,00 EUR brutto monatlich. Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von insgesamt 3.159,29 EUR (Blatt 58).

7

Der Beklagte beschäftigte die Arbeitnehmerin Wi. vom 22. Mai 2008 bis zum 30. Juni 2008 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Küchenhilfe. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. Die Arbeitnehmerin hat gegenüber der Klägerin angegeben, dass sie einer Nebenbeschäftigung im Umfang von 14,9 Stunden wöchentlich gegen ein Entgelt in Höhe von 80,00 EUR monatlich nachgehe; dem ist der Beklagte im Rechtsstreit nicht entgegengetreten. Das Arbeitsentgelt betrug für den anteiligen Mai 30,00 EUR und für Juni 80,00 EUR. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. Die Arbeitnehmerin hat im anteiligen Mai 2008 16 Stunden und im Juni 2008 38 Stunden, insgesamt also 54 Stunden gearbeitet (unter Verwertung der Zahlen von Blatt 69 der Akte). Für weitere Monate macht die Klägerin bei dieser Arbeitnehmerin keine Ansprüche geltend.

8

Die Klägerin zahlte an die Arbeitnehmerin Wi. im Juni 2008 Sozialleistungen in Höhe von 653,29 EUR (korrigierte Angabe im Schriftsatz vom 15. Oktober 2010, hier Blatt 479) und im Monat Juli 2008 in Höhe von 657,29 EUR (korrigierte Angabe im Schriftsatz vom 15. Oktober 2010, hier Blatt 479). Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diese setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für eine Küchenhilfe für 2008 mit 914,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 1). Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von insgesamt 174,75 EUR (Blatt 69).

9

Der Beklagte beschäftigte die Arbeitnehmerin Ku. ab Oktober 2007 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Kellnerin. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. In einer von der Klägerin über die Arbeitnehmerin angeforderten Bescheinigung des Beklagten heißt es unter der Überschrift "Arbeitsvereinbarung" im Text: "Arbeitszeit: max. 14 Stunden wöchentlich flexibel einsetzbar nach Vereinbarung" (Anlage K 19, hier Blatt 66). Das Arbeitsentgelt betrug von Oktober 2007 bis einschließlich Juli 2008 konstant 80,00 EUR monatlich. Von August 2008 bis einschließlich November 2008 betrug das Monatseinkommen konstant 120,00 EUR. Seit Dezember 2008 beträgt es wieder konstant 80,00 EUR monatlich. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. Die Arbeitnehmerin hat in den hier interessierenden 19 Monaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 monatlich zwischen 30 und 70 Stunden - insgesamt 859 - erbracht. Seit Mai 2009 wird die Arbeitnehmerin Ku. bei der Beklagten nur noch für durchschnittlich 20 Stunden im Monat bei gleichem Einkommen zur Arbeit herangezogen. Daher macht die Klägerin für diesen und die Folgemonate keinen Anspruchsübergang mehr gegen den Beklagten geltend.

10

Die Klägerin zahlte an die Arbeitnehmerin Ku. von Oktober 2007 jedenfalls bis einschließlich Mai 2009 monatlich Sozialleistungen in Höhe von anfangs 512,05 EUR, später ansteigend auf bis zu 978,05 EUR und zuletzt noch in Höhe von 681,05 EUR monatlich; wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung Blatt 93 und Blatt 125, verwiesen sowie - wegen der Darstellung des Versatzes zwischen dem Arbeitsmonat und dem Bedarfsmonat - auf den Schriftsatz der Klägerin vom 15. Oktober 2010 (hier Blatt 479). Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diese setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für eine Kellnerin mit 971,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 2) bzw. nach einer Tariferhöhung ab Januar 2008 mit 1.000,00 EUR brutto sowie ab Januar 2009 mit 1.020,00 EUR brutto monatlich. Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von insgesamt 3.083,04 EUR (Blatt 93) zuzüglich 185,38 EUR (Klageerweiterung vom 27. Juli 2009, Blatt 123), rechnerisch erläutert Blatt 125.

11

Der Beklagte beschäftigte schließlich den Arbeitnehmer Fi. ab September 2008 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Pizzafahrer. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. Der Arbeitnehmer hat gegenüber der Klägerin angegeben, dass er einer Nebenbeschäftigung im Umfang von durchschnittlich 14 Stunden wöchentlich mit flexibler Arbeitszeit gegen ein Entgelt in Höhe von 80,00 EUR monatlich nachgehe; dem ist der Beklagte im Rechtsstreit nicht entgegengetreten. Das Arbeitsentgelt betrug bis einschließlich April 2009 konstant 80,00 EUR monatlich. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. Der Arbeitnehmer hat in den hier interessierenden 8 Monaten von September 2008 bis einschließlich April 2009 monatlich zwischen 18 und 54 Stunden - insgesamt 362 - erbracht (unter Verwertung der Zahlen von Blatt 107 der Akte). Seit Mai 2009 wird der Arbeitnehmer Fi. bei der Beklagten nur noch für durchschnittlich 20 Stunden im Monat bei gleichem Einkommen zur Arbeit herangezogen. Daher macht die Klägerin für diesen und die Folgemonate keinen Anspruchsübergang mehr gegen den Beklagten geltend.

12

Die Klägerin zahlte an den Arbeitnehmer Fi. im Betrachtungszeitraum jedenfalls bis einschließlich Mai 2009 Sozialleistungen in Höhe von 576,22 EUR monatlich. Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diese setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für einen Pizzafahrer mit 1.200,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 4), bzw. nach einer Tariferhöhung ab Januar 2009 mit 1.224,00 EUR brutto monatlich. Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von 1.939,33 EUR (Blatt 107), den sie im Berufungsrechtszug um 47,10 EUR (resultierend aus dem Arbeitsmonat Mai 2009 bzw. dem Bedarfsmonat Juni 2009) reduziert hat (Blatt 500).

13

Die Klägerin hat den Beklagten außergerichtlich mit Schreiben vom 18. Mai 2009 zur Zahlung von 5.320,88 EUR aufgefordert (Blatt 108). Dieser Betrag bezieht sich auf die übergegangenen Ansprüche des Arbeitnehmers Ol. und der Arbeitnehmerinnen Wi. und Ka. Mit Schreiben vom 15. Juni 2009 erhöhte die Klägerin die Forderung gegen den Beklagten auf nunmehr insgesamt 10.495,62 EUR unter Einbeziehung der übergegangenen Ansprüche der weiteren Arbeitnehmerin Ku. und des weiteren Arbeitnehmers Fi. Der Beklagte hat Zahlung abgelehnt. Die Klägerin verfolgt daher mit Klageschrift vom 25. Juni 2009, beim Arbeitsgericht Stralsund eingegangen am 29. Juni 2009, ihr Begehren in Höhe von nunmehr 10.844,05 EUR klagweise weiter. Sie hat die Forderung im Laufe des Rechtsstreits um 185,38 EUR brutto erhöht. Die Erhöhung ergibt sich aus der Ergänzung um den Arbeitsmonat März 2008 bezogen auf die Arbeitnehmerin Ku., der in der ursprünglichen Klagforderung nicht enthalten war.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 26. Januar 2010 in Höhe von 6.617,42 EUR stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen (ArbG Stralsund 26.01.2010 - 4 Ca 166/09 - info also 2010, 128 mit Anmerkung Spindler). Es hat den Streitwert auf 11.029,43 EUR festgesetzt. Das Arbeitsgericht hat die vertraglich vereinbarte und die tatsächlich gezahlte Vergütung als sittenwidrig niedrig eingestuft und die stattdessen zu zahlende übliche Vergütung aus den Entgelttarifverträgen abgeschlossen zwischen dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) mit der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) entnommen. Zu Lasten der Klägerin hat es die Pizzafahrer aber lediglich als zur Tarifgruppe 1 gehörend bewertet und hat im Rahmen des Anspruchsübergangs nach § 115 SGB X die den Arbeitnehmern voll oder anteilig zu belassenden Entgeltbestandteile (nach § 11 Absatz 2 und § 30 SGB II) von der rechnerischen Höhe des Anspruchsübergangs in Abzug gebracht. - Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

15

Die Klägerin verfolgt im Berufungsrechtszug ihr Begehren in vollem Umfang weiter und verlangt daher auch die Zurückweisung der Berufung des Beklagten. Sie hat ihre Klage lediglich im Umfang von 41,70 EUR bezogen auf den Arbeitnehmer Fi. und dessen Arbeitsentgeltanspruch gegen den Beklagten bezogen auf den Arbeitsmonat Mai 2009 zurückgenommen (Blatt 500 der Akte).

16

Die Klägerin ist der Ansicht, die von dem Beklagten an die betroffenen Arbeitnehmer im Streitzeitraum gezahlten Arbeitsentgelte seien sittenwidrig niedrig. Für die Bemessung der üblichen Vergütung im Wirtschaftsgebiet seien die räumlich und fachlich einschlägigen Entgelttarifverträge für das Hotel- und Gaststättengewerbe Mecklenburg-Vorpommern abgeschlossen zwischen dem DEHOGA Landesverband MV (Schwerin), und der Gewerkschaft NGG (zukünftig als ETV MV bezeichnet) heranzuziehen.

17

Für eine Tätigkeit als Pizzafahrer müsse man von einer Eingruppierung in die Tarifgruppe 4 ausgehen. Das ergebe sich aus § 4 ETV MV ("Fachbereiche - Positionsraster"), wo im Abschnitt "V. Sonstige Dienstleistungen" für Kraftfahrer die Eingruppierung mit "4-5" vorgesehen sei. Danach sei für das Jahr 2008 eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.200,00 EUR brutto und für das Jahr 2009 eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.224,00 EUR brutto zu zahlen. Daraus resultiere ein Stundenlohn in Höhe von 6,92 EUR für das Jahr 2008 sowie in Höhe von 7,06 EUR für das Jahr 2009.

18

Für eine Tätigkeit als Küchenhilfe sei mindestens die Tarifgruppe 1 des Entgelttarifvertrages heranzuziehen. Diese sehe für das Jahr 2007 eine monatliche Vergütung in Höhe von 887,00 EUR brutto, für das Jahr 2008 in Höhe von 914,00 EUR brutto und für das Jahr 2009 in Höhe von 932,00 EUR vor. Hieraus ergäbe sich ein Stundenlohn in Höhe von 5,11 EUR für das Jahr 2007, von 5,27 EUR für das Jahr 2008 und von 5,37 EUR für das Jahr 2009.

19

Die Tätigkeit einer Kellnerin sei wenigstens der Tarifgruppe 2 zuzuordnen. Danach sei an diesen Personenkreis im Jahr 2007 eine monatliche Vergütung in Höhe von 971,00 EUR brutto, für das Jahr 2008 eine Monatsbruttovergütung in Höhe von 1.000,00 EUR sowie für das Jahr 2009 eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.020,00 EUR brutto zu zahlen. Der entsprechende Stundenlohn liege dann im Jahr 2007 bei 5,60 EUR brutto, im Jahr 2008 bei 5,76 EUR brutto und im Jahr 2009 bei 5,88 EUR brutto.

20

Zwar könne die Klägerin nicht nachweisen, dass mehr als 50 Prozent der Arbeitgeber im Wirtschaftsgebiet tarifgebunden seien oder aber die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer des Wirtschaftsgebietes beschäftigten. Dessen ungeachtet könnte jedoch der Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern zur Bestimmung der üblichen Vergütung für die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer herangezogen werden, denn er gäbe die verkehrsübliche Vergütung in der Wirtschaftsregion Stralsund und Umgebung wieder, was sich aus der Verwertung allgemein zugänglicher Statistiken ergebe (Verdienststrukturerhebung 2006, Angaben auf www.lohnspiegel.de und auf www. gehaltscheck.de).

21

Auch nach den eigenen Erkenntnissen der Klägerin bzw. der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der Vermittlung von Arbeitsuchenden auf freie Arbeitsplätze erzielten in der Wirtschaftsregion Stralsund und Umgebung Küchenhilfen im Durchschnitt einen Stundenlohn in Höhe von 5,96 EUR, Kellner im Durchschnitt einen Stundenlohn in Höhe von 6,20 EUR und Pizzafahrer einen Stundenlohn in der Spanne zwischen 4,96 EUR und 8,36 EUR. Aus den genannten Quellen sei ersichtlich, dass sich die regional gezahlten Arbeitsentgelte für Küchenhilfen, Pizzafahrer und Kellner, unabhängig von der Tarifbindung der Arbeitgeber, an den tariflichen Löhnen orientierten, häufig lägen sie über den zugrunde gelegten Tariflöhnen. Für die Ermittlung der ortsüblichen Vergütung sei deshalb mindestens auf die herangezogenen Tarifentgelte zurückzugreifen.

22

Die Zahlung sittenwidrig niedriger Arbeitsvergütung durch den Beklagten sei diesem auch subjektiv vorwerfbar, denn es liege bei den gezahlten Stundensätzen, die allesamt unterhalb der Hälfte der im Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern ausgewiesenen Tariflöhne liegen, ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Dies spräche ohne Weiteres für eine verwerfliche Einstellung des Beklagten. Jedenfalls müsse man nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgehen, dass sich der Beklagte leichtfertig der Erkenntnis verschlossen habe, dass ein derartiges auffälliges Missverhältnis zwischen der üblichen Vergütung und den von ihm gezahlten Stundensätzen vorliege. Es könne in diesem Zusammenhang auch davon ausgegangen werden, dass die einschlägigen Tariflöhne den Arbeitgebern bekannt seien, da sie für die Arbeitgeber einerseits von hohem Interesse, andererseits aber ohne besondere Schwierigkeit zu beschaffen seien. Deshalb sei der Marktwert der Arbeitsleistung zumindest erkennbar, insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - der als Vergleichsmaßstab herangezogene räumlich und fachlich einschlägige Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern auch die verkehrsübliche Vergütung in der Wirtschaftsregion Stralsund und Umgebung wiedergebe.

23

Bei der Höhe der nach § 115 SGB X übergegangenen noch nicht erfüllten Anteile der Arbeitsentgeltansprüche der benannten Arbeitnehmer auf die Klägerin seien die Freibetragsregelungen in den §§ 11 und 30 SGB II jedenfalls nicht zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen. Die genannten Freibetragsregelungen stellten keine Schutzvorschriften zugunsten von Arbeitgebern dar, die durch die Zahlung von sittenwidrigen Löhnen erst ihre Arbeitnehmer in die Zwangslage versetzten, bei der Klägerin einen Antrag auf ergänzende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II zu stellen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Sie seien nur zu Gunsten der erwerbstätigen Arbeitnehmer im Rahmen der Berechnung ihrer Hilfsbedürftigkeit anzuwenden. Für den Fall des Klageerfolges sei vorgesehen, den Anteil der Klagforderung, der nach §§ 11 Absatz 2, 30 SGB II den Arbeitnehmern gebühre, an diese auszukehren.

24

Die Klägerin beantragt unter Berücksichtigung der Teilklagerücknahme

25

1. das arbeitsgerichtliche Urteil, soweit die Klage abgewiesen wurde, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin weitere 4.364,91 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag in Höhe von 2.006,36 EUR seit dem 3. Juni 2009 und in Höhe von 2.305,51 EUR seit dem 8. Juli 2009 sowie auf weitere 53,04 EUR seit dem 1. August 2009 zu zahlen;

26

2. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

27

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

28

1. das arbeitsgerichtliche Urteil, soweit es den Beklagten belastet, abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen;

29

2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

30

Der Beklagte meint, die genannten Arbeitnehmer hätten gegen ihn keine offenen Vergütungsansprüche mehr, die nach § 115 Absatz 1 SGB X auf die Klägerin übergegangen sein könnten.

31

Die von ihm mit den Arbeitnehmern vereinbarten Vergütungen seien nicht sittenwidrig niedrig. Die Arbeitnehmer hätten die Arbeitsverträge mit ihm freiwillig und unter Kenntnis der Arbeitsbedingungen, insbesondere zu Arbeitszeit und Lohn, abgeschlossen. Sie hätten sich auch nicht in einer Zwangslage befunden, seien weder unerfahren gewesen noch litten sie unter mangelndem Urteilsvermögen oder einer erheblichen Willensschwäche. Der Beklagte habe daher keine Ausbeutungslage der Beschäftigen zu seinem Vorteil ausgenutzt. Den Beschäftigten sei es vielmehr möglich gewesen, sich eine andere Beschäftigung zu anderen Konditionen zu suchen. Dem Beklagten sei es jedenfalls nicht bewusst gewesen, dass die vereinbarten Vergütungen sittenwidrig niedrig seien, weshalb es ausgeschlossen sei, ihm eine verwerfliche Einstellung vorzuwerfen.

32

Die zwischen dem Beklagten und seinen Arbeitnehmern getroffene Vergütungsregelung sei jedenfalls nicht sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB, für einen Rückgriff auf die übliche Vergütung sei daher kein Raum.

33

Die insoweit beweisbelastete Klägerin habe es nicht vermocht schlüssig darzulegen, dass der von ihr herangezogene Tarifvertrag die übliche Vergütung widerspiegele. Die Klägerin habe selbst eingeräumt, dass sie nicht nachweisen könne, dass 50 Prozent der Arbeitgeber tarifunterworfen seien oder jedenfalls so viele Arbeitgeber tarifunterworfen seien, dass 50 Prozent der Arbeitnehmer nach Tarif bezahlt würden. Diese 50-Prozent-Marke sei vom Bundesarbeitsgericht als eine abschließende Definition eingeführt worden. Der von der Klägerin versuchte indirekte Beweis der Üblichkeit des Tariflohns über diverse statistische Daten sei daher nicht geeignet, den notwendigen Nachweis zu führen. Im Übrigen seien die Daten nicht verwertbar, da sie anonym erhoben bzw. mitgeteilt seien und daher vom Beklagten nicht überprüft werden könnten; mit Recht könne der Beklagte diese Daten daher mit Nichtwissen bestreiten. - Aus denselben Gründen würde das vorgelegte Zahlenmaterial auch nicht ausreichen, um zuverlässige Hinweise auf das allgemeine Lohnniveau in der Wirtschaftsregion zu geben.

34

Ergänzend steht der Beklagte auf dem Standpunkt, dass die Pizzafahrer nicht in die Tarifgruppe 4 einzugruppieren seien. Nach der Tarifgruppe 4 des in Bezug genommenen Tarifvertrages seien dort Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung im Tätigkeitsberuf ab dem 3. Berufsjahr sowie in der Regel angelernte Kräfte bei gleichartiger und gleichwertiger Tätigkeit ab dem 7. Berufsjahr einzureihen. Diese Anforderungen habe ein Pizzafahrer in seinem Betrieb nicht erfüllen müssen.

35

Schließlich bestreitet der Beklagte den von der Klägerin behaupteten Anspruchsübergang in der beschriebenen Höhe. Er vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass bei einem höheren Vergütungsanspruch nach den Regelungen der §§ 11 und 30 SGB II für die betreffenden Arbeitnehmer auch höhere Freibeträge anzurechnen gewesen seien.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

37

Beide Berufungen sind der Beschwer nach statthaft und unterliegen auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken. Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Die Berufung der Klägerin hat in geringem Umfang Erfolg, denn ihre Klage ist zwar zulässig, sie ist jedoch nur zum Teil begründet.

A.

38

Die Klage ist zulässig, die Klägerin ist zur Durchsetzung von übergegangenen arbeitsrechtlichen Ansprüchen der von ihr betreuten Kunden vor den Gerichten für Arbeitssachen als parteifähig im Sinne von § 50 ZPO anzusehen. Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist (§ 50 ZPO). Das trifft auf die Klägerin - jedenfalls soweit es die hier streitigen Ansprüche betrifft - zu.

39

Die Klägerin ist eine Arbeitsgemeinschaft im Sinne von § 44b SGB II. Nach § 44b Absatz 3 SGB II nimmt die Arbeitsgemeinschaft die Aufgaben der Bundesagentur als dem eigentlichen Aufgabenträger nach § 6 Absatz 1 SGB II wahr. Auf Basis des Vertrages über die Bildung dieser Arbeitsgemeinschaft hat auch die Hansestadt Stralsund auf die Klägerin die Aufgaben übertragen, deren Träger sie selbst ist. Die Arbeitsgemeinschaft ist vom Gesetzgeber mit beschränkter Rechtsfähigkeit ausgestattet worden, was sich indirekt dadurch ergibt, dass in § 44 Absatz 2 SGB II geregelt ist, wer die ARGE gerichtlich und außergerichtlich vertritt.

40

Diese beschränkte Rechtsfähigkeit zielt zwar in erster Linie darauf, im Rahmen der Aufgabenstellung Anträge zu bescheiden und damit zusammenhängende Streitigkeiten - gegebenenfalls auch vor Gericht - auszufechten. Da aber nach § 115 SGB X auf die ARGE auch zivilrechtliche Ansprüche übergehen können, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber ihr auch insoweit Rechtsfähigkeit zuerkennen wollte. In Anlehnung an die sozialgerichtliche Rechtsprechung zur Beteiligtenfähigkeit der Arbeitsgemeinschaften im Sinne von § 70 SGG (grundlegend BSG 7. November 2006 - B 7 b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 33 Nr. 1 RNr. 16, vgl. auch KSW/Spellbrink, § 6 SGB II RNr. 8) ist daher anzunehmen, dass die nach § 44b SGB II gebildeten Arbeitsgemeinschaften - und damit auch die Klägerin - auch vor den Gerichten für Arbeitssachen als Partei auftreten können, soweit sie Forderungen einklagen, die ihnen nach § 115 SGB X zugewachsen sind.

B.

41

Die Klage ist jedoch nur zu einem Teil begründet. Zwar hat die Klägerin den Umfang der vom Beklagten noch nicht erfüllten Arbeitsentgeltansprüche der fünf Arbeitnehmer im Wesentlichen richtig bestimmt. Die Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Beklagten sind jedoch, was das Arbeitsgericht bereits zutreffend herausgearbeitet hat, nur zu einem Teil auf die Klägerin nach § 115 SGB X übergegangen.

I.

42

Der beklagte Arbeitgeber hat die Entgeltansprüche der bei ihm beschäftigten hier betroffenen fünf Arbeitnehmer bisher nicht in vollem Umfang erfüllt. Die noch offenen Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer summieren sich auf 9.933,81 EUR.

43

Zwar hat der Beklagte das Entgelt bezahlt, das die Parteien vertraglich vereinbart hatten. Die vertragliche Entgeltabreden sind in allen Arbeitsverträgen jedoch nach § 138 Absatz 1 BGB nichtig, da die dort vereinbarten Vergütungssätze sittenwidrig niedrig sind. Nach § 138 Absatz 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Das trifft auf die Vergütungsabreden zu.

1.

44

Was der Gesetzgeber im Bereich der gegenseitigen Verträge - auf den Arbeitsvertrag zutreffend - als sittenwidrig ansieht, hat er in § 138 Absatz 2 BGB hinsichtlich des Wuchertatbestandes konkretisiert. Danach bedarf es in objektiver Hinsicht zunächst eines "auffälligen Missverhältnisses" zwischen Leistung und Gegenleistung, hier also eines auffälligen Missverhältnisses zwischen dem Wert der von den Arbeitnehmern erbrachten Arbeitsleistung und des als Gegenleistung dafür vom Beklagten versprochenen und gezahlten Entgelts. Der Wuchertatbestand nach § 138 Absatz 2 BGB setzt in subjektiver Hinsicht zusätzlich zwingend voraus, dass der Wucherer die beim anderen Teil bestehende Ausbeutungslage (Zwangslage, Unerfahrenheit und die anderen im Gesetz benannten Umstände) ausnutzt, also sie sich in Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen bewusst zunutze macht (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - AP Nr. 64 zu § 138 BGB = DB 2009, 1599 = NZA 2009, 837).

45

Liegt zwar in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Wucherer eine der in § 138 Absatz 2 BGB näher bezeichneten Ausbeutungslage ausgenutzt hat, liegt zwar kein Wuchergeschäft im Sinne von § 138 Absatz 2 BGB vor.

46

Gleichwohl kann das Geschäft nach § 138 Absatz 1 BGB als sogenanntes "wucherähnliches Geschäft" sittenwidrig sein. Das ist dann der Fall, wenn in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und subjektiv weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, zum Beispiel eine verwerfliche Einstellung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten. Eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten ist schon dann zu bejahen, wenn er sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sein Vertragspartner sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf den ungünstigen Vertrag eingelassen hat. In diesem Zusammenhang spricht bereits ein besonders auffälliges und krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ohne Weiteres für eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten; das gilt jedenfalls dann, wenn das objektiv bestehende krasse Missverhältnis den hinreichend sicheren Schluss zulässt, der Begünstigte habe sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen, es liege ein solches Missverhältnis vor (BAG aaO unter Hinweis auf BGH 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - NJW 2002, 55, 56 = DB 2001, 2285 = MDR 2001, 1105). Das ist hier der Fall.

47

Die Feststellung eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung setzt zunächst voraus, dass man eine Einheit findet, nach der man den Vergleich vornehmen kann. Diese Einheit wird hier in dem Stundenlohn gesehen, also in dem Verdienst, der dem Arbeitnehmer pro Stunde an geleisteter Arbeit zusteht. Diese Einheit ist für den notwendigen Vergleich zwischen dem tatsächlichen und dem üblichen Einkommen geeignet, da es die übliche Einheit ist, in der man im unteren Einkommenssegment üblicherweise die Höhe des Einkommens aus Arbeit bemisst.

2.

48

Der Wert der Arbeitsleistung der vom Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer bemisst sich nach den Vergütungssätzen aus den Entgelttarifverträgen für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern, abgeschlossen zwischen dem deutschen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA (Landesverband Mecklenburg-Vorpommern), Schwerin, und der Gewerkschaft Nahrung - Genuss - Gaststätten (NGG), Landesbezirk Nord, Kiel (zukünftig abgekürzt als ETV MV bezeichnet), denn in ihnen drückt sich - jedenfalls in den unteren tariflichen Entgeltgruppen - die übliche Vergütung für Arbeitnehmer in der Gastronomie in Mecklenburg-Vorpommern aus, und der Betrieb des Beklagten gehörte zum Gastgewerbe.

a)

49

Der Wert der Leistung im Sinne von § 138 BGB meint den objektiven Wert der Arbeitsleistung. Früher hat die Rechtsprechung versucht, den objektiven Wert analytisch aus den Anforderungen an die Arbeit abzuleiten, also zum Beispiel anhand der Dauer der Arbeit, deren Schwierigkeitsgrad oder der dafür erforderlichen körperlichen und geistigen Beanspruchung (BAG 11. Januar 1973 - 5 AZR 322/72 - AP Nr. 30 zu § 138 BGB = DB 1973, 727 = SAE 1974, 33).

50

In den letzten Jahren ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zwar bei dem Begriff des objektiven Wertes verblieben, hat sich aber von einer analytischen Bewertung verabschiedet und bestimmt heute den Wert der Arbeitsleitung ausschließlich nach ihrem Marktwert, also dem (verkehrs-)üblichen Wert der Arbeitsleistung wie er sich aus tariflichen Regelungen oder aus anderen Erkenntnisquellen ergeben kann. Unerheblich ist dagegen sowohl der Wert, den die Arbeitsleistung für den Arbeitgeber hat (sog. Aneignungswert) als auch ein wie auch immer abgeleiteter normativer Wertbegriff, den man aus dem Sozialhilfeniveau, den Pfändungsfreigrenzen oder anderen normativen Quellen abzuleiten versucht (vgl. zu ersterem BAG 22. April 2009 aaO und zur Ablehnung des normativen Wertbegriffs BAG 24. März 2004 - 5 AZR 303/03 - BAGE 110, 79 = AP Nr. 59 zu § 138 BGB = DB 2004, 1432).

51

Vom gedanklichen Ansatz her geht man also bei der Bestimmung des Wertes der Arbeitsleistung heute genauso vor wie in dem Fall, in dem die Arbeitsvertragsparteien es verabsäumt haben, eine Lohnabrede im Arbeitsverhältnis zu treffen, und dann nach § 612 Absatz 2 BGB die taxmäßige Vergütung oder die übliche Vergütung zu ermitteln ist, da diese nach dieser Norm dann als vereinbart gilt. Taxierte Vergütungen gibt es im Arbeitsrecht praktisch nicht. Unter einer taxmäßigen Vergütung versteht man eine durch öffentlich-rechtliche Normen vorgegebene Vergütung. Staatliche Normen, die die Vergütung im Streitfall vorgeben, sind nicht ersichtlich. Also ist auf die übliche Vergütung abzustellen.

52

Die übliche Vergütung ist die Vergütung, die für den betrachteten Teil des Arbeitsmarktes prägend ist. Das setzt voraus, dass die Vergütung in einer erheblichen Anzahl von Arbeitsverhältnissen tatsächlich vereinbart ist. Die übliche Vergütung kann daher nicht ohne Weiteres mit der statistisch ermittelten durchschnittlichen Vergütung auf dem betrachteten Teilarbeitsmarkt gleichgesetzt werden, denn der rein rechnerisch ermittelte durchschnittliche Stundenlohn in einer Branche braucht in keinem einzigen Arbeitsverhältnis tatsächlich vereinbart zu sein.

53

Ausgangspunkt für die Ermittlung der üblichen Vergütung sind im Arbeitsverhältnis in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 aaO sowie zuvor schon BAG 24. März 2004 - 5 AZR 303/03 - aaO und BAG 11. Januar 1973 - 5 AZR 321/72 - AP Nr. 110 zu Art. 3 GG = DB 1973, 728 = AuR 1973, 87).

54

Ob das Bundesarbeitsgericht sich mit der gewählten Formulierung der von der Klägerin und Teilen der Literatur vertretenen Meinung anschließen wollte, nach der dem Tarifvertrag eine Art Indiz- oder Vermutungswirkung zukomme, die vom Arbeitgeber widerlegt werden müsse (so Reinecke: Vertragskontrolle im Arbeitsverhältnis, NZA-Beilage 2000, Heft 3, Seite 23, 33; Preis in ErfK § 612 BGB RNr. 38: "im Regelfall ist die tarifliche Vergütung die übliche Vergütung", ähnlich auch das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung; vgl. auch ArbG Wuppertal 24.07.2008 - 7 Ca 1177/08), ist nicht ganz klar. Für die Entscheidung des Gerichts kann offen bleiben, ob die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts so gemeint ist, denn vorliegend kann sogar positiv festgestellt werden, dass die tarifliche Vergütung die übliche Vergütung darstellt.

b)

55

Die Üblichkeit der Tarifvergütung kann ohne Weiteres angenommen werden, wenn mehr als 50 Prozent der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen (BAG 22. April 2009 aaO). Mit dieser Überlegung lässt sich hier nicht feststellen, dass der von der Klägerin herangezogene Flächentarifvertrag zwischen der DEHOGA MV und der Gewerkschaft NGG (ETV MV) Ausdruck der verkehrsüblichen Vergütung ist.

56

Denn nach den Erkenntnissen der Verdienststrukturerhebung 2006 gab es im Referenzmonat Oktober 2006 im Gastgewerbe Mecklenburg-Vorpommern lediglich 1.762 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, in deren Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag zur Anwendung kam, während es 6.214 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer gab, bei denen das nicht der Fall war (vgl. Statistische Berichte des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern vom 5. Februar 2009 zum Thema "Verdienststrukturerhebung in Mecklenburg-Vorpommern 2006", S. 25, zitiert nach der auf der Internetseite des Amtes veröffentlichten pdf-Datei - hier abgekürzt mit VSE 2006 zitiert). Es sind keine Indizien dafür vorhanden, dass sich die Verhältnisse bei Einbeziehung aller Beschäftigter, also auch der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, des Gastgewerbes anders darstellen würde. Es gibt auch keine Indizien dafür, dass sich die Verhältnisse zwischen Oktober 2006 und heute wesentlich verschoben hätten.

c)

57

Die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts zur 50-Prozent-Marke dürfen aber nicht dahin missverstanden werden, dass der Tarifvertrag nur dann Ausdruck der verkehrsüblichen Vergütung sein könne, wenn eines der beiden genannten Kriterien erfüllt ist. Vielmehr kann sich die Erkenntnis, dass der im Wirtschaftszweig maßgebliche Tarifvertrag Ausdruck der verkehrsüblichen Vergütung ist, auch aus anderen Erkenntnisquellen ergeben. So liegen die Dinge hier.

58

Denn der Tariflohn und der sich aus der VSE 2006 ergebene Durchschnittslohn im Gastgewerbe in Mecklenburg-Vorpommern liegt jedenfalls in den hier bedeutsamen unteren Lohngruppen in den streitrelevanten Jahren 2007 bis 2009 so nahe beieinander, dass aus der Höhe des statistischen Durchschnittslohn auf die prägende Kraft des Tarifvertrages geschlossen werden kann und muss.

59

Die Verdienststrukturerhebung (früher: Gehalts- und Lohnstrukturerhebung) wird alle 4 Jahre durchgeführt und sie basiert inzwischen auf dem Gesetz über die Statistik der Verdienste und Arbeitskosten (Verdienststatistikgesetz - VerdStatG) vom 21.12.2006, das das Lohnstatistikgesetz abgelöst hat. Sie ist eine repräsentative Stichprobenerhebung mit Auskunftspflicht der befragten Arbeitgeber. Die Stichprobe wird zweistufig gezogen. Auf der 1. Stufe werden die Betriebe geschichtet nach Bundesland, Wirtschaftszweig und Betriebsgrößenklasse ausgewählt. Auf der 2. Stufe werden innerhalb des Betriebes die Arbeitnehmer zufällig ausgesucht. Zur Datenbasis heißt es in der aus den Angaben der Länder zusammengeführten Bundesstatistik zur Verdienststrukturerhebung 2006 (im Internet unter destatis.de veröffentlicht) in der Erläuterung der methodischen Grundlagen: "Die Erhebung wird als Stichprobe bei 34 000 Betrieben mit 10 und mehr Beschäftigten (zum Zeitpunkt der Stichprobenziehung) durchgeführt. Diese Betriebe beziehen bundesweit rund 1.800.000 Beschäftigte aus dem Produzierenden Gewerbe und den Wirtschaftsabschnitten Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe, Gastgewerbe, Verkehr ... ein. Hinzu kommen ca. 1.400.000 Arbeitnehmer aus der Personalstandstatistik für den Wirtschaftsabschnitt Erziehung und Unterricht." Da in der Bundesrepublik um die 35 Mill. Arbeitnehmer tätig sind, liegen der Statistik also die Einkommensverhältnisse von fast 10 Prozent der Arbeitnehmer der Bundesrepublik zu Grunde. Die Sorge des Beklagten, die VSE 2006 sei möglicherweise nicht repräsentativ, ist daher nicht berechtigt.

60

Nach § 4 Absatz 1 Nr. 6 lit. f VerdStatG wird auch die "Vergütungs- oder Leistungsgruppe" als Element des Arbeitsverdienstes erhoben. Zu diesem Zwecke werden 5 Leistungsgruppen unterschieden, die ähnliche wie tarifliche Normen für jede Stufe die notwendigen bzw. typischen Kenntnisse und Fähigkeiten, die der Arbeitnehmer besitzen muss, beschreiben. Die Leistungsgruppe 5 umfasst einfachste Arbeiten für ungelernte und angelernte Arbeitnehmer, die Leistungsgruppe 3 umfasst die Arbeitnehmer mit Berufsausbildung in den ersten Berufsjahren und die Leistungsgruppe 1 umfasst die Spitzenpositionen. Außerdem wird der Wirtschaftszweig, dem der Betrieb angehört, erhoben (§ 4 Absatz 1 Nr. 1 VerdStatG).

61

Aus der Verdienststrukturerhebung 2006 (VSE 2006) ergibt sich auf dieser Basis für das Gastgewerbe in Mecklenburg-Vorpommern in der Leistungsgruppe 5 ("Ungelernte Arbeitnehmer mit einfachen, schematischen Tätigkeiten oder isolierten Arbeitsvorgängen, für deren Ausübung keinen berufliche Ausbildung erforderlich ist. Das erforderliche Wissen und die notwendigen Fertigkeiten können durch Anlernen von bis zu drei Monaten vermittelt werden" - vgl. VSE 2006, S. 8) im Referenzmonat Oktober 2006 ein Durchschnittslohn in Höhe von 5,39 EUR (VSE 2006 S. 27). Für die Leistungsgruppe 4 ("Angelernte Arbeitnehmer mit überwiegend einfachen Tätigkeiten, für deren Ausführung keine berufliche Ausbildung, aber besondere Kenntnisse und Fertigkeiten für spezielle, branchengebundene Aufgaben, erforderlich sind. Die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten werden in der Regel durch eine Anlernzeit von bis zu 2 Jahren erworben." - VSE 2006, S. 8) ergibt sich im Referenzmonat Oktober 2006 ein Durchschnittslohn in Höhe von 6,55 EUR (VSE 2006 S. 27).

62

Die Entgelttarifverträge zwischen der DEHOGA, Landesverband Mecklenburg-Vorpommern und der Gewerkschaft NGG (ETV MV) sehen keine Stundenlöhne sondern nur Monatslöhne vor. Nach § 3 Nr. 1 des Manteltarifvertrages vom 30. April 2003 beträgt die monatliche Arbeitszeit genau 173 Stunden. Aus dem Tariflohn der Tarifgruppe 1 (§ 3 ETV MV: "Einfache Tätigkeiten - Arbeitnehmer / innen mit Tätigkeiten, die keine fachlichen Kenntnisse erfordern") für das Jahr 2007 in Höhe von 887,00 EUR brutto errechnet sich demnach ein Stundenlohn für das Jahr 2007 in Höhe von 5,13 EUR brutto. Durch den Entgelttarifvertrag aus Dezember 2007 erhöhte sich in dieser Tarifgruppe das Einkommen ab dem 1. Januar 2008 auf 914,00 EUR, was einen Stundenlohn in Höhe von 5,28 EUR ergibt, und am 1. Januar 2009 auf 932,00 EUR, was einen Stundenlohn in Höhe von 5,39 EUR ergibt. Alle Stundenlohnangaben sind auf zwei Nachkommastellen kaufmännisch gerundet angegeben. Die Abweichung der hier ermittelten Stundenlöhne von den Angaben der Klägerin und den vom Arbeitsgericht zu Grunde gelegten Werten ergeben sich daraus, dass beide wohl von einer 40-Stunden-Woche (173,33 Monatsstunden) im Gastgewerbe ausgegangen sind, woraus sich rechnerisch geringfügig geringere Stundenlöhne errechnen.

63

Die tarifliche Entgeltgruppe 1 aus § 3 ETV MV und die Leistungsgruppe 5 aus der amtlichen Statistik beziehen sich auf denselben Kreis von Arbeitnehmern und Arbeitsverhältnissen. Beide Gruppen umfassen die jeweils niedrigsten Arbeiten, die keine Ausbildung und keine bzw. nur eine geringfügige Anlernzeit voraussetzen. Diese Feststellung wird indirekt durch die vom Statistischen Bundesamt vorgenommene Zuordnung der Tarifgruppen zu den Leistungsgruppen der VSE 2006 bestätigt. Ausweislich der Angaben aus der dortigen Online-Tarifdatenbank zum hiesigen Tarifvertrag (dort der Tarifvertrag mit der Nummer TV 55101150) werden Arbeitnehmer der Tarifgruppe 1 der Leistungsgruppe 5 zugeordnet. Damit sind beide Gruppen vergleichbar, und es ist die Aussage erlaubt, dass das statistisch erhobene durchschnittliche Monatseinkommen für einfache Tätigkeiten im Gastgewerbe in Mecklenburg-Vorpommern und der Tariflohn nahezu gleich sind. Die Differenz zwischen Tariflohn und Durchschnittslohn beträgt rechnerisch ungefähr fünf Prozent. Für genauere Angaben müsste man die Werte aus der VSE 2006, die ja nur ein Schlaglicht auf die Verhältnisse im Oktober 2006 setzen, anhand der allgemeinen Lohnentwicklung in der Branche fortschreiben und die fortgeschriebenen Werte mit den Tariflöhnen vergleichen. Eine solche Detailgenauigkeit ist aber für die hier vom Gericht gezogenen Folgerungen nicht erforderlich.

64

Denn das Gericht möchte aus dem Umstand, dass der Tariflohn der untersten Tarifgruppe des Entgelttarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe leicht unterhalb des statistisch ermittelten Durchschnittslohns im Gastgewerbe liegt, lediglich folgern, dass der Tarifvertrag in dieser Tarifgruppe die übliche Vergütung im Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern widerspiegelt. Denn wenn der statistisch erhobene Durchschnittslohn praktisch dieselbe Höhe erreicht wie der Tariflohn, ist dies ein indirektes aber sehr starkes Indiz dafür, dass der Tarifvertrag die Lohnfindung in der Branche prägt. - Ob die marginalen Unterschiede zwischen der Statistik und dem Tariflohn ausreichen würden, um den Nachweis zu führen, dass der übliche Lohn hier im Lande sogar oberhalb des Tarifniveaus liegt, kann hier dahinstehen, da die Klägerin für ihre Berechnungen (lediglich) den Tariflohn zu Grunde gelegt hat.

65

Ähnliches kann für die Löhne aus der Tarifgruppe 2 aus § 3 ETV MV festgestellt werden. Der Tariflohn der Tarifgruppe 2 ("Angelernte Tätigkeiten - Arbeitnehmer/innen mit geringen fachlichen Kenntnissen und Arbeitnehmer/innen der ETV-Gruppe 1, die erhöhten Belastungen und besonderen Erschwernissen unterliegen") war für das Jahr 2007 in Höhe von 971,00 EUR festgesetzt, woraus sich ein Stundenlohn von Höhe von 5,61 EUR ergibt. Aufgrund des vorerwähnten Entgelttarifvertrages aus Dezember 2007 beträgt das Monatsentgelt in dieser Entgeltgruppe seit dem 1. Januar 2008 nun 1.000,00 EUR, was einen Stundenlohn in Höhe von 5,78 EUR ergibt, und seit 1. Januar 2009 nun 1.020,00 EUR, was einen Stundenlohn in Höhe von 5,90 EUR ergibt (alle Stundenlohnangaben sind auf zwei Nachkommastellen kaufmännisch gerundet angegeben).

66

Der nach VSE 2006 ermittelte Durchschnittslohn in der Leistungsgruppe 4 im Referenzmonat Oktober 2006 liegt zwar mit 6,55 EUR deutlich über den tariflichen Werten. Das stellt aber nicht die gerichtliche Feststellung in Frage, dass man von dem statistisch ermittelten Durchschnittslohn auf die Üblichkeit der Tarifvergütung schließen kann. Dabei ist zunächst einmal hervorzuheben, dass auch in der VSE 2006 selbst die Arbeitnehmer der Tarifgruppe 2 der Leistungsgruppe 4 zugeordnet werden (vgl. die Angaben in der bereits oben erwähnten Tarifdatenbank auf destatis.de). Auch die textliche Umschreibung der beiden Gruppen im Tarifvertrag einerseits und in der VSE 2006 andererseits sprechen dafür, dass damit dieselbe Arbeitnehmergruppe erfasst wird. Dass die VSE-Werte so deutlich oberhalb des Tarifniveaus liegen, erklärt sich aus der Sicht des Gerichts dadurch, dass die VSE 2006 lediglich 5 verschiedenen Stufen kennt, während der Tarifvertrag insgesamt 10 Stufen kennt (§ 2 ETV MV). Daher sind in der Leistungsgruppe 4 der VSE 2006 auch Arbeitnehmer erfasst, die nach dem Tarifvertrag schon einer höheren Tarifgruppe zuzuordnen wären.

d)

67

Auch die weiteren Erkenntnisse aus der VSE 2006 sprechen nicht gegen die hier gezogenen Folgerungen. Im Rahmen der Verdienststrukturerhebung wird auch ermittelt, welche durchschnittlichen Löhne in einer Branche - gemittelt über alle Leistungsgruppen - gezahlt werden, wobei nach gegebener oder fehlender Tarifbindung unterschieden wird ("Bruttomonatsverdienste nach Wirtschaftszweig und Tarifbindung im Oktober 2006"). Danach liegt der Bruttostundenverdienst (gemittelt über alle Leistungsgruppen) ohne Tarifbindung bei 8,37 EUR und mit Tarifbindung bei 9,52 EUR (VSE 2006, S. 25).

68

Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die Löhne des ETV MV oberhalb des allgemeinen Lohnniveaus im Wirtschaftsgebiet liegen. Denn es muss beachtet werden, dass im Gastgewerbe neben dem ETV MV weitere Tarifverträge gelten, die vielfach deutlich bessere Vergütungen vorsehen. Beispielhaft wurde in der mündlichen Verhandlung vom Gericht der Bundestarifvertrag für die Systemgastronomie angeführt, der im Vergleich der beiden jeweils niedrigsten Tarifgruppen im Jahre 2009 mit 6,56 EUR brutto ungefähr 20 Prozent über dem Wert aus dem ETV MV (5,39 EUR) liegt. Auch die Tarifverträge der Verkehrsgastronomie, soweit sie hier bekannt sind, liegen alle deutlich über dem Lohnniveau des ETV MV. Soweit die großen Hotels im Lande über ihre Einbindung in Hotelketten an Tarifverträge gebunden sind oder eigene Tarifverträge abgeschlossen haben (zum Beispiel Neptun Hotel in Rostock), liegen auch diese deutlich über dem Lohnniveau des ETV MV.

69

Der in der VSE 2006 ausgewiesene Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Lohn in Betrieben mit und ohne Tarifbindung kann daher nicht auf den hier betrachteten ETV MV zurückgeführt werden. Es bleibt daher bei der aus der Detailbetrachtung der Verdienste nach Leistungsgruppen im Gastgewerbe gezogenen Folgerung, dass der Tariflohn nach ETV MV in den unteren beiden Tarifgruppen genau dem Durchschnittslohn der Branche trifft oder sogar leicht darunter liegt. Diese Erkenntnis wird indirekt auch durch die weitere Tarifentwicklung hier im Lande bestätigt. Denn die Tarifvertragsparteien haben im Oktober 2010 einen neuen Entgelttarifvertrag verabschiedet mit Lohnsteigerungen, die weit oberhalb der in diesem Jahr in anderen Branchen beobachtbaren Werte liegen. So ist nicht nur die Tarifgruppe 1 insgesamt abgeschafft worden, die Entgelte in allen Tarifgruppen sind zudem linear um fünf Prozent angehoben worden. Wenn die Tarifvertragsparteien aber erkannt haben, dass in der Lohnentwicklung offensichtlich ein Nachholbedarf bestanden hat, wird man im Umkehrschluss aber auch davon ausgehen dürfen, dass die hier wichtigen Tariflöhne in den Jahren 2007 bis 2009 entweder den üblicherweise gezahlten Lohn widerspiegelten oder sogar noch etwas unterhalb des üblichen Niveaus lagen.

e)

70

Der Beklagte muss sich bei seinen Entgeltabreden an dem Tariflohn messen lassen, denn er fällt mit seinem Betrieb in den Geltungsbericht des vorerwähnten Tarifvertrages. Nach § 1 ETV MV gilt der Tarifvertrag fachlich "für alle Betriebe, die gewerbsmäßig Reisende beherbergen, den Verkauf von Speisen und/oder Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle betreiben, einschließlich Eisdielen... sowie Trinkhallen, Imbissstände, Fischbratküchen, Vereinshäuser, Erholungsheime, Selbstbedienungsrestaurants, Handels,- System-, Fast-food-Gastronomie, Catering usw." Der Betrieb, den der Beklagte unterhalten hatte, unterfiel dem fachlichen Geltungsbereich, denn der Betrieb umfasste auch ein Restaurant, in dem Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle dargeboten wurden. Das Gericht hatte im ersten Teil der mündlichen Verhandlung ausdrücklich die Frage angesprochen, ob der Betrieb vom Geltungsbereich erfasst ist, da hier über den Umfang des Restaurantbetriebes im Vergleich zum Umfang des Lieferservice nichts bekannt ist. Diese Argument ist vom Beklagten nicht durch weiteren Tatsachenvortrag aufgegriffen worden, so dass man davon ausgehen muss, dass der Betrieb des Beklagten wegen des dort unterhaltenen Restaurants auf jeden Fall unter den fachlichen Geltungsbereich des TV fällt.

f)

71

Der von der Beklagten geforderte Sonderstatus als Kleinstbetrieb mit unter 10 Arbeitnehmern kann nicht anerkannt werden. Zum einen hat die Beklagte an keiner Stelle der Akte einmal ausdrücklich erklärt, wie viele Arbeitnehmer in seinem Betrieb beschäftigt waren. Zum anderen kann aber auch nicht anerkannt werden, dass es einen Sonderarbeitsmarkt für Kleinstbetriebe gibt, auf dem die Einkommen schlechter sind als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt der Branche. Denn dazu liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Schon die Ergebnisse der amtlichen Statistik aus der VSE 2006 stehen dem entgegen. Denn die Branche ist hier im Lande geradezu geprägt durch Klein- und Kleinstbetriebe. Und dennoch weist die Statistik ein durchschnittliches Einkommen in der untersten Stufe aus, das nominell sogar leicht über dem tariflichen Einkommen liegt. Im Übrigen gilt es zu betonen, dass sich die Arbeitgeber des gesamten Gastgewerbes unabhängig von der Betriebsgröße desselben Arbeitsmarkts zur Versorgung mit Arbeitskräften bedienen müssen, was zur Folge hat, dass die Einkommen vergleichbar bleiben.

72

Mit gewissen Recht weist der Beklagte zwar darauf hin, dass der VSE 2006 nur Daten zu Grunde liegen, die in Betrieben mit 10 oder mehr Arbeitnehmern erhoben wurden. Damit ist aber noch nicht die Folgerung möglich, dass die erhobenen Zahlen keine Aussagekraft für Betriebe mit unter 10 Arbeitnehmern hat. Denn die Erhebungsgrenze dient nicht der Abgrenzung in der Realität beobachtbarer verschiedener Teilarbeitsmärkte, sondern sie ist lediglich dem Zwang geschuldet, Aufwand und Nutzen bei der Datenerhebung sowohl für das Amt als auch für die zur Mitwirkung verpflichteten Arbeitgeber im Rahmen zu halten. Die Vorstellung, in Kleinstbetrieben würden geringere Vergütungen erzielt, als in der übrigen Branche, ist im Übrigen spekulativ geblieben und kann daher der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden.

g)

73

Ob man - wie vom Beklagten gewünscht - innerhalb des räumlichen Geltungsbereiches eines Tarifvertrages nochmals Teilarbeitsmärkte in Hinblick auf die Besonderheiten einer bestimmten Region im Tarifgebiet unterscheiden muss, kann für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits dahinstehen. Denn es kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass es für die Hansestadt Stralsund im Gastgewerbe einen Arbeitsmarkt gibt, auf dem signifikant niedrigere Löhne üblich sind als im übrigen Tarifgebiet.

74

Die denkbaren Sachgesichtspunkte halten sich die Waage. Es mag zwar sein, dass es zwischen dem westlichen und dem östlichen Teil des Bundeslandes Einkommensunterschiede gibt. Aber ergänzend müsste bei einer solchen Differenzierung gewürdigt werden, dass die Beklagte ihren Betrieb im städtisch geprägten Stralsund betrieben hatte, und ebenso Einkommensunterschiede im Vergleich von Städten und Landkreisen bestehen. Soweit zu dieser Frage Zahlenmaterial vorliegt, spricht dies sogar eher gegen die Vorstellung, es gäbe einen regionalen Teilarbeitsmarkt Stralsund, auf dem ein insgesamt niedrigeres Lohnniveau zu verzeichnen sei. So hat das statistische Landesamt im Juni 2010 eine Statistik über das Einkommensniveau in den Städten und Landkreisen des Landes im Jahre 2008 veröffentlicht, wonach in allen sechs kreisfreien Städten des Landes, also auch in Stralsund, das durchschnittliche Arbeitnehmereinkommen um bis zu 9 Prozent über dem durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen im gesamten Land lag. Stralsund mit einem Index von 107,5 (landesweites Durchschnittseinkommen = 100) lag sogar an Platz 2 der Einkommensskala. Auch die Platzierung der sechs kreisfreien Städte lässt keine Rückschlüsse auf ein systematisches West-Ost-Gefälle zu. Dasselbe Bild ergibt sich bei einem Vergleich der Einkommen in den Landkreisen, die Indexzahlen von 87,4 bis 102 aufweisen. Gestaffelt nach dem erreichten Einkommensniveau ergibt sich eine bunte Reihe von Landkreisen aus dem östlichen wie dem westlichen Landesteil, ohne das irgendwie eine Regel erkennbar ist.

h)

75

Nach dem insoweit also maßgeblichen ETV MV beträgt die übliche Vergütung für Küchenhilfen in der Tarifgruppe 1 nach § 3 ETV MV (Frau Ka. und Frau Wi.) ausgedrückt in einem Stundenlohn 5,13 EUR brutto (2007), 5,28 EUR brutto (2008) und 5,39 EUR brutto (2009).

76

Die Kellnerin Frau Ku. ist von der Klägerin der Tarifgruppe 2 aus § 3 ETV MV zugeordnet worden. Bezüglich der Bewertung der Tätigkeit der Frau Ku. macht sich das Berufungsgericht die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zu Eigen. Möglicherweise wäre insoweit sogar eine noch bessere Eingruppierung möglich gewesen. Das kann hier aber dahinstehen, da die Klägerin den Gegenstand ihrer Klage bestimmt und nicht das Gericht. Für die Eingruppierung in die von der Klägerin zu Grunde gelegte Tarifgruppe 2 spricht zumindest der Zuschnitt des Betriebes des Beklagten, der wohl nicht darauf angewiesen war, zur Erfüllung seines Betriebszwecks eine voll ausgebildete Kellnerin zu beschäftigen.

77

Der übliche Lohn für Arbeiten der Tarifgruppe 2 des ETV MV beträgt ausgedrückt in einem Stundenlohn 5,61 EUR brutto (2007), 5,78 EUR brutto (2008) und 5,90 EUR brutto (2009).

78

Auch die beiden Pizzafahrer sind der Tarifgruppe 2 zuzuordnen. Das Arbeitsgericht hat diese Arbeitnehmer nur der Tarifgruppe 1 aus § 3 ETV MV zugeordnet. Dieser Bewertung schließt sich das Berufungsgericht nicht an. In die Tarifgruppe 1 fallen nach § 2 ETV MV Arbeitnehmer mit Tätigkeiten, die keine fachlichen Kenntnisse erfordern. Als Beispiele sind im Positionsraster in § 4 ETV MV aufgeführt die Manglerin, die Garderobefrau, die Toilettenfrau, Nachtwachen, Hausdiener, Garagenwächter und ähnliche Funktionen.

79

Die Aufgabe des Pizzaauslieferungsfahrers fällt nicht in die Bewertungsgruppe 1, da der Auslieferungsfahrer fachliche Kenntnisse auf den verschiedensten Gebieten benötigt. Er muss zum einen eine Fahrerlaubnis besitzen, deren Erwerb an sich schon eine erhebliche Bildungsinvestition ist. Außerdem tätigt er für seinen Arbeitgeber Bargeschäfte mit den Kunden und muss daher zumindest über kaufmännische Grundkenntnisse (und eine dem entsprechende Zuverlässigkeit) verfügen. Schließlich transportiert er leicht verderbliche Speisen und muss daher über Kenntnisse verfügen, wie er sicherstellen kann, dass die Speisen auf dem Weg vom Betrieb zum Kunden nicht durch Abkühlen, unsachgemäße Lagerung oder sonstige Einflüsse verdorben werden. Letztlich benötigt ein Pizzaauslieferungsfahrer wie eine Servierkraft auch gewisse kommunikative Fähigkeiten, um ein Gespräch mit dem Kunden führen zu können.

80

Der Pizzaauslieferungsfahrer ist vielmehr der Bewertungsgruppe 2 aus § 3 ETV MV zuzuordnen. Dieser Bewertungsgruppe gehören nach dem Text des Tarifvertrages unter anderem Arbeitnehmer mit geringen fachlichen Kenntnissen an. Nach dem Positionsraster in § 4 ETV MV gehören dazu beispielsweise Telefonisten, Hotel-Portiers, Wäschebeschließer, Näher, Bügler, Restaurantkassierer, Hausmeister sowie der oder die Serviererin ("angelernt/ungelernt"). Es handelt sich also um typische Anlerntätigkeiten, die jedoch noch keine Berufsausbildung voraussetzen.

81

Das Gericht sieht den Pizzaauslieferungsfahrer hier als eine atypisch tätige Servierkraft an, die die Speisen nicht innerhalb des Betriebes von der Küche zum Tisch im Gastraum befördert, sondern vom Betrieb zur Haustür des Kunden. Dass die beiden Pizzafahrer hier zutreffend eingestuft sind, ergibt sich auch aus der Nähe dieser Tätigkeit zum Restaurantkassierer. Das Positionsraster in § 4 ETV sieht zwar sowohl für die Servierkraft als auch für den Restaurantkassierer die Zuordnung zur Bewertungsgruppe 2 nur als unterste Stufe vor, die durch eine Bandbreite bis zur Stufe 4 oder gar 5 erweitert ist. Ein Aufrücken innerhalb der Bandbreite scheitert jedoch hier an den bescheidenen Verhältnissen des Betriebes des Beklagten. Innerhalb der denkbaren Bandbreite von Betrieben des Gastgewerbes ist der hier betrachtete Betrieb ein einfachster kleiner Betrieb, der sich in einer kleinen Marktnische durch Anpassung des Betriebsmodells an die Kaufkraft der Kunden einige Zeit gehalten hat.

82

Der Wunsch der Klägerin, die beiden Pizzafahrer der Bewertungsgruppe 4 aus § 3 ETV MV zuzuordnen, weil § 4 ETV MV ein Positionsraster ausweist, in dem unter "V. Sonstige Dienstleistungen" der Kraftfahrer mit einer Zuordnung zu den Bewertungsgruppen 4 oder 5 auftaucht, lässt sich rechtlich nicht begründen.

83

Maßgeblich für die Eingruppierung sind die in § 3 ETV MV aufgestellten 10 Bewertungsgruppen. Das ergibt sich zwingend aus § 2 ETV MV, wo es heißt, dass für die Einordnung in die einzelnen Bewertungsgruppen die ausgeübte Tätigkeit maßgeblich sei. Wenn aber der Tarifvertrag auf die Tätigkeiten und nicht auf die Berufsbezeichnung oder die Benennung der Position im Betrieb abstellt, ist § 3 ETV MV für die Eingruppierung maßgeblich. Das Positionsraster in § 4 ETV MV hat demgegenüber nicht einmal die Funktion von Regelbeispielen. Vielmehr handelt es sich um eine typisierende Bewertung betrieblicher Funktionen, die für Standardfälle eine analytische Bewertung des Arbeitsplatzes überflüssig machen kann. Das Positionsraster ist aber nicht dazu geeignet, die Subsumtion unter die Bewertungsgruppen aus § 3 ETV MV zu ersetzen.

84

Gemessen an den allgemeinen Bewertungsmerkmalen der Gruppe 4 aus § 3 ETV MV, fällt die Arbeit als Pizzaauslieferungsfahrer nicht unter dieses Eingruppierungsmerkmal. Das Merkmal lautet: "Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung im Tätigkeitsberuf ab dem 3. Berufsjahr sowie in der Regel angelernte Kräfte bei gleichartiger und gleichwertiger Tätigkeit ab dem 7. Berufsjahr." Es ist weder dargelegt, dass Herr Ol. oder Herr Fi. eine Ausbildung als Berufskraftfahrer besitzen, noch ist dargelegt, dass sie als angelernte Kräfte bereits seit mehr als 7 Jahren wie ein Berufskraftfahrer eingesetzt werden. Zudem ist nicht ersichtlich, dass für die Arbeitsaufgabe eines Pizzaauslieferungsfahrers die Berufsausbildung als Berufskraftfahrer notwendig ist.

85

Aus ähnlichen Erwägungen kommt eine Zuordnung zur Tarifgruppe 3 aus § 3 ETV MV nicht in Betracht, da auch diese für Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung vorgesehen ist.

3.

86

Die vom Beklagten tatsächlich gezahlte Vergütung bleibt weit hinter der üblichen Vergütung zurück. Der Beklagte hat Stundenlöhne zwischen 1,70 EUR und 2,67 EUR bezahlt.

a)

87

Die vom Beklagten Herrn Ol. gezahlte Vergütung in Höhe von 80,00 EUR und später 120,00 EUR entspricht einem Stundenlohn in Höhe von 1,78 EUR bzw. 2,67 EUR (bei 80,00 bzw. bei 120,00 EUR Monatslohn).

88

Die durch die Bescheinigungen, die der Beklagte auf Wunsch der Klägerin erteilt hat, teilweise dokumentierten rechtsgeschäftlichen Arbeitsbedingungen im Arbeitsverhältnis des Herrn Ol. mit dem Beklagten enthält keine Vergütungsabrede, die ohne Weiteres die Ermittlung eines Stundenlohns zulässt, denn der fest vereinbarten Vergütung steht keine fest vereinbarte Anzahl von zu leistenden Arbeitsstunden gegenüber. Vielmehr sollte die Arbeitszeit flexibel gehandhabt werden bis zu einer Grenze von 14,9 Arbeitsstunden pro Woche, was rechnerisch einer monatlichen Maximalarbeitszeit im Umfang von 64,57 Stunden entsprechen würde (Wochenstunden mal 13 Wochen dividiert durch 3 Monate) und damit einen Stundenlohn in Höhe von ungefähr 1,25 EUR bzw. 1,88 EUR ergeben würde. Da diese Grenze offensichtlich aus naheliegenden sozialrechtlichen Gründen gewählt wurde, damit der Bezug von Arbeitslosengeld nicht in Frage steht, hält es das Gericht allerdings nicht für möglich, den Stundenlohn auf Basis dieser maximal möglichen Stundenanzahl zu ermitteln. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte oder beide Parteien des Arbeitsverhältnisses jemals im Sinn hatten, den Arbeitnehmer tatsächlich im Umfang der rechnerisch möglichen Heranziehung auch tatsächlich zur Arbeit heranzuziehen. Vielmehr ist darauf abzustellen, wie die Parteien ihr Arbeitsverhältnis gehandhabt haben. Denn die tatsächliche Handhabung des Arbeitsverhältnisses gibt Aufschluss darüber, wie die Parteien ihre vertraglichen Abreden verstanden haben.

89

Allerdings ergibt sich aus der rechtsgeschäftlichen Abrede, die auch durch die tatsächliche Handhabung bestätigt wird, dass der Arbeitnehmer einen festen Monatslohn beziehen sollte, der nicht in Abhängigkeit von der Anzahl der geleisteten Stunden steht. Dieser Umstand rechtfertigt es, für die Ermittlung des Stundenlohns als Vergleichsgröße für die Bemessung des auffälligen Missverhältnisses auf die durchschnittliche monatliche Heranziehung zur Arbeit über den gesamten Streitzeitraum abzustellen.

90

Damit weicht das Berufungsgericht in diesem Punkt von der Herangehensweise des Arbeitsgerichts ab, das den Stundenlohn monatsweise anhand der in jedem Monat konkret erbrachten Arbeitsleistung ermittelt hat. Bei dem Ansatz des Arbeitsgerichts bleibt jedoch der rechtsgeschäftliche Wille zu einem festen Monatslohn bei variabler Arbeitszeit unberücksichtigt. Der methodische Ansatz des Arbeitsgerichts führt zu einer Atomisierung der Betrachtung, die nur die Gefahr in sich birgt, den wahren Charakter des vereinbarten Rechtsgeschäfts zu verdunkeln. Die hier vorgenommene Betrachtungsweise steht auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in dem bereits mehrfach erwähnten Urteil vom 22. April 2009 (5 AZR 436/08 aaO). Das BAG hat dort lediglich ausgeführt, eine Entgeltvereinbarung könne zum Zeitpunkt ihres Abschlusses noch wirksam sein, jedoch im Laufe der Zeit, wenn sie nicht im Rahmen der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung angepasst wird, zu einem späteren Zeitpunkt zu einem auffälligen Missverhältnis führen und damit sittenwidrig werden (so auch schon BAG Urteil vom 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - BAGE 118, 66 = AP Nr. 63 zu § 138 BGB = DB 2006, 2467). Diese Urteilspassagen sind auf den vorliegenden Fall nicht direkt übertragbar. Sie betreffen in beiden Fällen andere Sachverhalte, nämlich Arbeitsverhältnisse, die bereits längere Zeit durchgeführt wurden und in denen zweifelhaft war, ob die Vergütungsabrede, die am Anfang der Zusammenarbeit stand, bereits sittenwidrig war, oder ob die Sittenwidrigkeit erst später durch eine fehlende Anpassung der Entgeltabrede entstanden ist. Aus den zitierten Urteilspassagen ergibt sich aber nicht, dass die Gerichte gezwungen wären, jeden einzelnen Lohnzahlungszeitraum gesondert und isoliert zu betrachten. Erforderlich ist vielmehr eine Betrachtungsweise, die sich an den rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen der Parteien orientiert. Haben die Arbeitsvertragsparteien - wie hier - eine konstante Vergütung bei variabler Arbeitszeit vereinbart, muss man zur Ermittlung der tatsächlich vereinbarten Vergütungshöhe auf die Handhabung des Arbeitsverhältnisses abstellen. Je mehr Monate man dabei in die Betrachtung mit einbezieht, desto genauer trifft man den wahren Willen der Parteien zur Höhe der Vergütung.

91

Der Durchschnittslohn muss daher hier auf Basis der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit in allen 11 streitgegenständlichen Monaten (Mai 2008 sowie Juli 2008 bis einschließlich April 2009) ermittelt werden. - Die weiteren Monate seit Mai 2009 sind in die Durchschnittsbewertung dagegen nicht mehr mit einzubeziehen. Da der Arbeitnehmer seit diesem Zeitpunkt nur noch zu maximal 20 Stunden im Monat zur Arbeit herangezogen wurde, ist davon auszugehen, dass die Arbeitsvertragsparteien als Reaktion auf die außergerichtliche Geltendmachung der Forderung durch die Klägerin mit Schreiben vom 18. Mai 2009 die rechtsgeschäftlichen Grundlagen ihrer Zusammenarbeit abgeändert und damit die Sittenwidrigkeit der Lohnabrede beseitigt haben. Es hat also im Arbeitsverhältnis eine Zäsur stattgefunden. Die Zeit der extrem starken monatlichen Heranziehung zur Arbeit endete mit Ablauf des April 2009.

92

Herr Ol. hat beim Beklagten in den hier interessierenden 11 Monaten Mai 2008 sowie Juli bis Dezember 2008 und Januar bis einschließlich April 2009 insgesamt 495 Stunden gearbeitet, wobei die Monatswerte zwischen 42 und 54 Stunden schwanken, und er hat dafür monatlich entweder 80,00 oder 120,00 EUR erhalten. Demnach hat er einen Stundenlohn in Höhe von 1,78 EUR (bei 80,00 EUR Monatslohn) bzw. in Höhe von 2,67 EUR (bei 120,00 EUR Monatslohn) erhalten. Diese Werte ergeben sich, wenn man die gesamten vom Kläger in den streitigen 11 Monaten geleisteten Arbeitsstunden durch die Anzahl der streitigen Monate teilt und mit der so ermittelten durchschnittlichen monatlichen Arbeitszeit (45 Monatsstunden) den Stundenlohn ermittelt.

93

Eine kleine methodische Ungenauigkeit bei der Ermittlung des Stundenlohn ergibt sich allerdings daraus, dass die Klägerin für den Lohn aus dem Arbeitsmonat Juni 2008 keine Ansprüche geltend gemacht hat obwohl Herr Ol. nach der eigenen Aufstellung der Klägerin (vgl. Anlage K7, hier Blatt 31) auch in diesem Monat 80,00 EUR Entgelt bezogen hat. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte aber nicht festgestellt werden, ob Herr Ol. in diesem Monat gar keine Arbeitsleistung erbracht hat, oder aus welchem anderen Grund die Klägerin für diesen Monate keine übergegangenen Ansprüche geltend macht. Die Ungenauigkeit kann hier hingenommen werden. Denn selbst wenn man annehmen würde, dass Herr Ol. in diesem Monat Urlaub hatte, oder die ausgefallenen Stunden später nachgearbeitet hat, würde das den ermittelten Stundenlohn nur geringfügig verändern. Die Anzahl der insgesamt geleisteten Arbeitsstunden (495) müsste dann durch 12 statt durch 11 Monate dividiert werden. Das würde eine durchschnittliche Heranziehung zu 41,25 Stunden pro Monat ergeben, woraus sich dann ein Stundenlohn in Höhe von 1,94 EUR (bei 80,00 EUR Monatslohn) bzw. 2,91 EUR (bei 120,00 EUR Monatslohn) errechnen würde.

b)

94

Ähnliche Stundenlöhne hat der Beklagte auch den anderen Arbeitnehmern bezahlt.

95

Herr Fi. hat durchgehend 80,00 EUR monatlich verdient und er wurde in den 8 Monaten von September 2008 bis einschließlich April 2009 insgesamt 362 Stunden zur Arbeit herangezogen, also durchschnittlich 45 Stunden im Monat (Rechenergebnis unter Weglassung der Nachkommastellen). Daraus errechnet sich ein tatsächlicher Stundenlohn in Höhe von 1,78 EUR.

96

Frau Ku. hat, mit Ausnahme der Monate August bis einschließlich November 2008, in denen sie 120,00 EUR verdient hatte, durchgehend 80,00 EUR monatlich verdient und sie wurde in den 19 Monaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 insgesamt 859 Stunden zur Arbeit herangezogen, also durchschnittlich 45 Stunden im Monat (Rechenergebnis unter Weglassung der Nachkommastellen). Daraus errechnet sich ein tatsächlicher Stundenlohn in Höhe von 1,78 EUR (bezogen auf 80,00 EUR Monatsentgelt) bzw. 2,67 EUR (bezogen auf 120,00 EUR Monatsentgelt).

97

Frau Ka. hat durchgehend 80,00 EUR monatlich verdient und sie wurde in den 19 Monaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 insgesamt zu 895 Arbeitsstunden herangezogen, also durchschnittlich 47 Stunden im Monat (Rechenergebnis unter Weglassung der Nachkommastellen). Daraus errechnet sich kaufmännisch gerundet ein tatsächlich erzielter Stundenlohn in Höhe von 1,70 EUR.

98

Frau Wi. hat für den Beklagten im Mai und Juni 2008 nur rund 6 Wochen gearbeitet, in dieser Zeit 54 Stunden geleistet und dafür 110,00 EUR Entgelt erhalten, woraus sich ein tatsächlich erzielter Stundenlohn in Höhe von 2,04 EUR errechnet.

4.

99

Setzt man die in den einzelnen Jahren jeweils übliche Vergütung mit 100 an, erreichte der tatsächliche Verdienst der fünf Arbeitnehmer nur zwischen etwas über 30 bis maximal 46,19 Prozentpunkte davon. Daraus ergibt sich die Sittenwidrigkeit der Entgeltabrede ohne Weiteres.

a)

100

Herr Ol. hat 2008 und im Januar 2009 zu einem Stundenlohn von 1,78 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2008 bei 5,78 EUR und 2009 bei 5,90 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Herrn Ol. hat in dieser Zeit also nur 30,80 Prozent bzw. im Januar 2009 dann 30,17 Prozent der üblichen Vergütung erreicht. Von Februar bis April 2009 hat Herr Ol. zu einem Stundenlohn von 2,67 EUR gearbeitet, die übliche Vergütung hätte 5,90 EUR betragen. Das tatsächliche Einkommen von Herrn Ol. hat in dieser Zeit also nur 45,25 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

101

Selbst wenn man zu Gunsten des Beklagten auch den Monat Juni 2008 mit in die Berechnung des Stundenlohns mit einbezieht, erreicht die tatsächliche Vergütung nicht einmal 50 Prozent der üblichen Vergütung. Denn der dann anzusetzende Stundenlohn in Höhe von 1,94 EUR (bei 80,00 EUR Monatslohn) bzw. 2,91 EUR (bei 120,00 EUR Monatslohn) würde immer noch nur 33,56 Prozent (80,00 EUR Einkommen im Jahre 2008) bzw. 49,32 Prozent (120,00 EUR im Jahre 2009) der üblichen Vergütung erreichen

102

Herr Fi. hat 2008 und 2009 zu einem Stundenlohn von 1,78 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2008 bei 5,78 EUR und 2009 bei 5,90 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Herrn Fi. hat im Jahre 2008 also nur 30,80 Prozent und im Jahre 2009 nur 30,17 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

103

Frau Ku. hat im Jahre 2007, überwiegend im Jahre 2008 und im Jahre 2009 zu einem Stundenlohn von 1,78 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2007 bei 5,61 EUR, 2008 bei 5,78 EUR und 2009 bei 5,90 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Frau Ku. hat 2007 also nur 31,73 Prozent, 2008 also nur 30,80 Prozent und 2009 nur 30,17 Prozent der üblichen Vergütung erreicht. Von August bis einschließlich November 2009 hat Frau Ku. zu einem Stundenlohn von 2,67 EUR gearbeitet, die übliche Vergütung hätte 5,78 EUR betragen. Das tatsächliche Einkommen von Frau Ku. hat in dieser Zeit also nur 46,19 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

104

Frau Ka. hat in den Jahren 2007, 2008 und 2009 zu einem Stundenlohn von 1,70 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2007 bei 5,13 EUR, 2008 bei 5,28 EUR und 2009 bei 5,39 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Frau Ka. hat 2007 also nur 33,14 Prozent, 2008 also nur 32,20 Prozent und 2009 nur 31,54 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

105

Frau Wi. hat 2008 zu einem Stundenlohn von 2,04 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2008 bei 5,28 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Frau Wi. hat also nur 38,64 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

b)

106

Die Entgeltabreden des Beklagten mit seinen Arbeitnehmern lassen auf ein besonders auffälliges und krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne der Rechtsprechung zum wucherähnlichen Geschäft nach § 138 Absatz 1 BGB schließen. Von einem besonders auffälligen und krassen Missverhältnis kann ohne weiteren Sachvortrag ausgegangen werden, wenn die tatsächliche Vergütung nicht einmal 50 Prozent der üblichen Vergütung erreicht. Dies hat der Bundesgerichtshof für den Grundstückskaufvertrag so entschieden (BGH 4. Februar 2000 - V ZR 146/98 - NJW 2000, 1487 = MDR 2000, 514). Diese Rechtsprechung ist auf Arbeitsverhältnisse übertragbar. Der Bundesgerichtshof differenziert insoweit zwischen Märkten, auf denen der marktübliche Preis einfach festzustellen oder allgemein bekannt ist (beispielsweise Ratenkreditverträge, Grundstücksverträge) und Märkten, auf denen so viele preisbildende Faktoren berücksichtigt werden müssen, dass sich der marktübliche Preis nur aufwendig und stets mit einer gewissen Unsicherheit ermitteln lässt (beispielsweise gewerbliche Pachtverträge über Gaststätten; vgl. dazu BGH 13. Juni 2001 aaO). Je einfacher feststellbar der marktübliche Preis ist, desto eher ist die Aussage erlaubt, dass die besonders auffällige und krasse Unterschreitung dieses Preises mit einer verwerflichen Einstellung des vom Vertrag Begünstigten einher geht. Überträgt man diesen Gedanken auf das Arbeitsrecht muss man davon ausgehen, dass das marktübliche Lohnniveau anhand der Tarifverträge einfach festzustellen ist. Dies gilt jedenfalls hier, wo positiv festgestellt werden kann, dass sich im Tarifvertrag das marktübliche Lohnniveau widerspiegelt.

107

Wegen des besonders auffälligen und krassen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung in den Arbeitsverträgen der hier betroffenen fünf Arbeitnehmer muss auch davon ausgegangen werden, dass der Beklagte wusste, dass seine Löhne weit unter dem marktüblichen Niveau gelegen haben. Zumindest muss man davon ausgehen, dass er sich dieser Erkenntnis trotz der entgegenstehenden Indizien leichtfertig verschlossen hat.

108

Dies reicht zur Feststellung der Sittenwidrigkeit der Vergütungsabreden bereits aus. Weitere Umstände kommen noch hinzu.

109

Zum einen ist zu beachten, dass die Arbeitsverhältnisse offensichtlich ohne Gewährung von Urlaub oder Ersatzfreitagen für Arbeit am Wochenende und an Feiertagen durchgeführt wurden. Dies ergibt sich zwingend aus den zur Akte gereichten Stundenzetteln der Arbeitnehmer, die der Beklagte selber ausgefüllt hat.

110

Zum anderen ist es besonders verwerflich, dass die Parteien des Arbeitsverhältnisses die aus staatlichen Mitteln finanzierte tatsächlich bestehende Grundversorgung der betroffenen Arbeitnehmer zum Anlass genommen haben, Entgelte weit unterhalb der verkehrsüblichen Vergütung zu vereinbaren. Denn Arbeitnehmer und Arbeitgeber missbrauchen die Leistungsmöglichkeiten, die das Sozialgesetzbuch II für arbeitssuchende Personen bereitstellt, wenn sie in einer Art Mischkalkulation Löhne vereinbaren, denen der Arbeitnehmer nur zustimmt, weil er über die staatlich finanzierte Grundsicherung abgesichert ist. Würde man diese Mischkalkulation zulassen, würden die Regeln der staatlichen Grundsicherung entgegen der gesetzlichen Intention in der Tat zu einer Lohnspirale nach unten führen.

111

Da der Beklagte nichts anders dazu vorgetragen hat, muss auch davon ausgegangen werden, dass er die Zusammenhänge zwischen dem besonders geringfügigen Lohn, den er bezahlt hat und den Sozialleistungen, die die Arbeitnehmer gleichzeitig bezogen haben, kannte. Damit steht fest, dass er verwerflich gehandelt hat. Ob auch die Arbeitnehmer verwerflich gehandelt haben, kann daher hier dahinstehen.

II.

112

Verstößt eine Entgeltabrede gegen § 138 BGB ist nur diese Abrede nichtig, der Arbeitsvertrag im Übrigen bleibt bestehen. Die nunmehr fehlende Vergütungsvereinbarung wird nach § 612 BGB durch die Ansetzung der üblichen Vergütung ersetzt (BAG Urteil vom 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - AP Nr. 64 zu § 138 BGB = DB 2009, 114 = NZA 2009, 837). Das ist hier - wie oben bereits ausgeführt - der Tariflohn aus dem Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe MV (ETV MV). Daher hat der Beklagte die Vergütungsanspruche der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch nicht vollständig erfüllt, offen ist noch ein Betrag in Höhe von 9.933,81 EUR.

113

Der Arbeitnehmer Ol. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten von Mai 2008 bis einschließlich April 2009 neun Monate lang je 80,00 EUR erhalten und drei Monate je 120,00 EUR, in Summe also 1.080,00 EUR. Tatsächlich hat dieser Arbeitnehmer für die 317 Stunden, die er im Jahre 2008 geleistet hat, nach Tarif jedoch einen Anspruch auf 1.832,26 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,78 EUR brutto. Für das Jahr 2009 ergeben sich für weitere 178 Stunden 1.050,20 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,90 EUR. In Summe hat der Arbeitnehmer Ol. also einen Entgeltanspruch in Höhe von 2.882,46 EUR brutto gegen den Beklagten. Abzüglich der bisher geleisteten 1.080,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 1.802,46 EUR offen.

114

Die Arbeitnehmerin Ka. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 über alle 19 Monate hinweg je 80,00 EUR erhalten, in Summe also 1.520,00 EUR. Tatsächlich hat diese Arbeitnehmerin für die 151 Stunden, die sie im Jahre 2007 geleistet hat, nach Tarif einen Anspruch auf 774,63 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,13 EUR brutto. Für die 558 Stunden, die sie im Jahre 2008 geleistet hat, hat sie nach Tarif einen Anspruch auf 2.946,24 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,28 EUR brutto. Für das Jahr 2009 ergeben sich für weitere 186 Stunden 1.002,54 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,39 EUR. In Summe hat die Arbeitnehmerin Ka. also einen Entgeltanspruch in Höhe von 4.723,41 EUR brutto gegen den Beklagten. Abzüglich der bisher geleisteten 1.520,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 3.203,41 EUR offen.

115

Die Arbeitnehmerin Wi. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten Mai und Juni 2008 in Summe 110,00 EUR erhalten. Tatsächlich hat diese Arbeitnehmerin für die 51 Stunden, die sie geleistet hat, nach Tarif einen Anspruch auf 285,12 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,28 EUR brutto. Abzüglich der bisher geleisteten 110,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 175,12 EUR offen.

116

Die Arbeitnehmerin Ku. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 über 15 Monate hinweg je 80,00 EUR erhalten und für 4 Monate im Jahre 2008 je 120,00 EUR, in Summe also 1.680,00 EUR. Tatsächlich hat diese Arbeitnehmerin für die 152 Stunden, die sie im Jahre 2007 geleistet hat, nach Tarif einen Anspruch auf 852,72 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,61 EUR brutto. Für die 551 Stunden, die sie im Jahre 2008 geleistet hat, hat sie nach Tarif einen Anspruch auf 3.184,78 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,78 EUR brutto. Für das Jahr 2009 ergeben sich für weitere 156 Stunden 920,40 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,90 EUR. In Summe hat die Arbeitnehmerin Ku. also einen Entgeltanspruch in Höhe von 4.957,90 EUR brutto gegen den Beklagten. Abzüglich der bisher geleisteten 1.680,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 3.277,90 EUR offen.

117

Der Arbeitnehmer Fi. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten von September 2008 bis einschließlich April 2009 in allen 8 Monaten 80,00 EUR erhalten, in Summe also 640,00 EUR. Tatsächlich hat dieser Arbeitnehmer für die 174 Stunden, die er im Jahre 2008 geleistet hat, nach Tarif jedoch einen Anspruch auf 1.005,72 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,78 EUR brutto. Für das Jahr 2009 ergeben sich für weitere 188 Stunden 1.109,20 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,90 EUR. In Summe hat der Arbeitnehmer Fi. also einen Entgeltanspruch in Höhe von 2.114,92 EUR brutto gegen den Beklagten. Abzüglich der bisher geleisteten 640,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 1.474,92 EUR offen.

118

Die noch nicht erfüllten Entgeltansprüche der betroffenen fünf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen den Beklagten summieren sich also auf 9.933,81 EUR.

III.

119

Dieser noch nicht erfüllte Anteil der den Arbeitnehmern noch zustehenden Vergütung ist nicht in vollem Umfang auf die Klägerin übergegangen, sondern nur im Umfang von 7.151,46 EUR.

1.

120

Gemäß § 115 SGB X geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Sozialleistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistung über, soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt - hier gegeben - und deshalb ein Leistungsträger - hier die Klägerin - Sozialleistungen erbracht hat.

121

Das trifft hier zu. Die Klägerin hat für alle fünf Arbeitnehmer während des gesamten Streitzeitraums Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II erbracht und zwar in einem Umfang, der stets weit oberhalb der Vergütung lag, die die Arbeitnehmer bezogen hätten, wenn sie wie üblich vergütet worden wären. Da die fünf Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. nach der Beseitigung der Sittenwidrigkeit der Vergütungsabrede ab Mai 2009 noch im Leistungsbezug verblieben sind, braucht dem Umstand, dass das Arbeitseinkommen wegen der nachschüssigen Bezahlung immer erst in die Berechnung der Sozialleistung im Folgemonat einfließt, keine besondere Beachtung geschenkt werden.

122

Das Gericht geht im Weiteren davon aus, dass alle fünf betroffenen Arbeitnehmer gegenüber der Klägerin Anspruch auf den vollen Regelsatz hatten. Dazu hat die Klägerin zwar wegen des Sozialgeheimnisses keine näheren Angaben gemacht. Bei lebensnaher Betrachtungsweise und in Angesicht der Höhe der gezahlten Sozialleistungen kann aber dieser Umstand als gegeben erachtet werden. Daher kann vorliegend die Frage dahinstehen, ob der Anspruchsübergang auch dann gegeben wäre, wenn die Klägerin mit ihrer Leistung nicht den Bedarf der Arbeitnehmer sondern anderer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft befriedigt hätte.

123

Mit der Wendung im Text von § 115 SGB X "... und deshalb ... Sozialleistungen erbracht hat" soll sichergestellt werden, dass letztlich die Person die Kosten der Sozialleistung zu tragen hat, die nach zivilrechtlichen Maßstäben eigentlich zur Zahlung verpflichtet gewesen wäre. Zahlt die ARGE also an einen Antragsteller Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II aus, nur weil der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Lohnzahlung nicht nachkommt, geht der nicht erfüllte Lohnanspruch des Antragstellers und Arbeitnehmers auf die ARGE über. Der Anspruchsübergang unterliegt allerdings einer doppelten Begrenzung. Zum einen kann er ohnehin nur bis zur Höhe der gewährten Sozialleistung übergehen. Zum anderen geht er aber auch nur insoweit über, als die Gewährung der Sozialleistung auf dem Versagen des Arbeitgebers beruht. Ein Anspruchsübergang kann daher nur stattfinden, wenn der Leistungsträger deshalb geleistet hat, weil der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist. Es muss also eine Kausalität zwischen der Nichtzahlung des Arbeitsentgeltes und der Zahlung der Sozialleistung bestehen (vgl. Pickel § 115 SGB X RNr. 2 und 11). Zweck der Vorschrift ist es, dem Sozialleistungsträger die Leistungen zurückzuerstatten, die nicht angefallen wären, wenn der Arbeitgeber seiner Leistungspflicht rechtzeitig nachgekommen wäre (BAG 26. Mai 1993 - 5 AZR 405/92 - BAGE 73, 186 = AP Nr. 3 zu § 115 SGB X = DB 1993, 2035).

124

Im Umkehrschluss heißt dies allerdings, dass ein Anspruchsübergang auf den Sozialleistungsträger nicht stattfindet, soweit Sozialleistungen auch hätten erbracht werden müssen, wenn der Arbeitgeber seiner Vergütungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen wäre. Daher muss also fiktiv ermittelt werden, in welchem Umfang die ARGE auch dann zur Gewährung von Sozialleistungen verpflichtet gewesen wäre, wenn der Beklagte als Arbeitgeber seiner Entgeltzahlungspflicht in vollem Umfang nachgekommen wäre. Denn nur in Höhe der Differenz zwischen der tatsächlichen Zahlung und der fiktiven Zahlungsverpflichtung der ARGE bei vollständiger Erfüllung der Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers (hier des Beklagten) beruht die tatsächlich gewährte Sozialleistung auf dem Versagen des Arbeitgebers.

125

In der praktischen Konsequenz bedeutet dies, dass die vom Beklagten nicht erfüllten Entgeltansprüche bei den betroffenen Arbeitnehmern verbleiben, soweit diese, unterstellt sie wären vollständig vergütet worden, das dann erzielte Einkommen ohne Anrechnung auf die gewährten Sozialleistungen für sich hätten behalten dürfen (ebenso Kater in Kassler Kommentar § 115 SGB X RNr. 31d; Maul-Sartori, Übergang von Arbeitsentgeltansprüchen infolge Arbeitslosengeld II-Zahlungen, BB 2010, 3021, 3024). Dabei geht es zum einen um den pauschalierten Ansatz von Werbungskosten nach § 11 Absatz 2 SGB II in Höhe von 100,00 EUR, um den das erzielte Einkommen vor einer Anrechnung zu kürzen ist. Zum anderen geht es um die Anreizfunktion aus § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, nach der bis zu einem Monatseinkommen von 800,00 EUR 20 Prozent des 100,00 EUR übersteigenden Betrages ebenfalls anrechnungsfrei bleiben.

126

Die Einwände der Beklagten gegen diese Aufteilung des unerfüllten Teils der Arbeitseinkommen der betroffenen Arbeitnehmer greifen nicht durch. Insbesondere trifft es nicht zu, dass durch diese Gesetzesauslegung der sittenwidrig handelnde Arbeitgeber noch bevorteilt wird, da er dann "weniger zahlen müsse" (S. 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 23. August 2010, hier Blatt 418) als bei vollem Anspruchsübergang. Denn es geht im Rahmen des Anspruchsübergangs nach § 115 SGB X nur um die Frage, in welchem Verhältnis die noch nicht erfüllten Anteile des Arbeitseinkommens auf die betroffenen Arbeitnehmer und die ARGE aufgeteilt werden. In der Summe bleiben die Ansprüche, die der Beklagte noch zu erfüllen hat, stets gleich; ein rechtlicher Vorteil ist daher für den Arbeitgeber nicht zu erkennen. - Bedenklich ist auch die weitergehende Vorstellung der Beklagten, sie könne auch die den Arbeitnehmern noch zustehenden Einkommensanteile beitreiben, um sie dann nachträglich an die Arbeitnehmer auszukehren, denn es gehört nicht zu den gesetzlichen Aufgaben der ARGE, zivilrechtliche Ansprüche von Arbeitnehmern gegen ihre Arbeitgeber einzuklagen und beizutreiben.

127

Schließlich sind die Ausführungen der Beklagten zu der sozialrechtlichen Behandlung der Situation, in der der Arbeitnehmer zunächst Ausfälle im Arbeitseinkommen hat und später eine größere Nachzahlung in einem Block erhält, nicht hilfreich. Denn eine solche Situation liegt hier nicht vor. Der Arbeitgeber hat bisher keine Nachzahlung auf seine noch offene Schuld an die Arbeitnehmer geleistet, so dass offen bleiben kann, wie diese auf die laufenden Sozialleistungen zu verrechnen wäre. Schon gar nicht können die dabei anzuwendenden Rechtsregeln die Auslegung von § 115 SGB X beeinflussen. Wenn der Beklagte letztlich wie ausgeurteilt an die Klägerin zahlen wird, braucht die Klägerin nichts mehr zu verrechnen. Sie hat den ausgezahlten Betrag monatsweise anteilig dadurch erworben, dass sie den betroffenen Arbeitnehmern Sozialleistungen gewährt hat; Verrechnungsprobleme tauchen dabei nicht auf.

2.

128

Der begründete Teil der Klagforderung errechnet sich aus den folgenden Einzelheiten.

a)

129

Der Arbeitnehmer Ol. hat im Jahre 2008 von Mai bis Dezember 2008 beim Beklagten für die von ihm in den einzelnen Monaten geleisteten Stunden bei einem Stundenlohn in Höhe von 5,78 EUR insgesamt 1.832,26 EUR brutto verdient (siehe oben). Das Einkommen verteilt sich aufgrund der jeweils geleisteten Stunden wie folgt auf die einzelnen Monate: Im Mai hat das Einkommen bei 48 Arbeitsstunden 277,44 EUR betragen, im Juli 312,12 EUR (bei 54 Stunden), im August 161,84 EUR (bei 28 Stunden), im September 277,44 EUR (bei 48 Stunden), im Oktober 242,76 EUR (bei 42 Stunden), im November 254,32 EUR (bei 44 Stunden) und im Dezember 306,34 EUR (bei 53 Stunden).

130

Von diesem Einkommen verbleiben dem Arbeitnehmer monatlich 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II. Von dem restlichen Einkommen, das durchweg unter 800,00 EUR liegt, verbleiben dem Arbeitnehmer weitere 20 Prozent. Im Mai 2008 stehen dem Arbeitnehmer daher von den 277,44 EUR Arbeitseinkommen 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II zu, sowie weitere 20 Prozent von 177,44 EUR nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, was 35,49 EUR ergibt. Das Arbeitseinkommen aus diesem Monat steht daher Herrn Ol. in Höhe von 135,49 EUR zu und der Klägerin in Höhe von 141,95 EUR. Für Juni 2008 macht die Klägerin aus nicht erklärbaren Gründen keinen Anspruchsübergang geltend. Legt man die obige Rechenregel dann auch an die weiteren Monate an, stehen der Klägerin für Juli 169,70 EUR des Einkommens in Höhe von 312,12 EUR zu, für August 49,47 EUR von 161,84 EUR, im September 141,95 EUR von 277,44 EUR, im Oktober 114,21 EUR von 242,76 EUR, im November 123,46 EUR von 254,32 EUR und im Dezember 165,07 EUR von 306,34 EUR.

131

Im Jahre 2009 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Für Januar steht der Klägerin aus dem Einkommen in Höhe von 271,40 EUR ein Anteil in Höhe von 137,12 EUR zu. Für Februar steht der Klägerin aus dem Einkommen in Höhe von 247,80 EUR ein Anteil in Höhe von 118,24 EUR zu. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer in diesem Monat 120,00 EUR tatsächliche Vergütung bezogen hat, so dass in Höhe von 16,00 EUR (80,00 Prozent des 100,00 EUR übersteigenden Einkommens) durch Reduzierung der tatsächlich geflossenen Sozialleistung bereits bei der Auszahlung der Sozialleistung eine Teilverrechnung stattgefunden hat. Der Anteil an dem Einkommen, der auf die Beklagte übergehen kann, reduziert sich daher um diesen Betrag von 118,24 EUR auf dann nur noch 102,24 EUR. Für die weiteren drei Monate, in denen der Arbeitnehmer auch 120,00 EUR verdient hatte, gilt Ähnliches. Im März hat der Arbeitnehmer einen Entgeltanspruch in Höhe von 283,20 EUR, der in Höhe von 146,56 EUR auf seinen sozialrechtlichen Bedarf anzurechnen ist. Da eine Anrechnung im Umfang von 16,00 EUR bereits erfolgt ist, sind die Ansprüche nur im Umfang von 140,56 EUR auf die Klägerin übergegangen, der restliche Anspruch verbleibt dem Arbeitnehmer. Im April verbleibt von dem Arbeitseinkommen in Höhe von 247,80 EUR - rechnerisch identisch mit den Werten aus dem Februar 2009 - noch ein Betrag in Höhe von 102,24 EUR, der auf die Klägerin übergegangen ist.

132

Aus den nicht erfüllten Anteilen der Lohnforderung von Herrn Ol. gegen den Beklagten sind die Forderungen im Umfang von 1.377,97 EUR auf die Beklagte übergegangen und nicht wie eingeklagt im Umfang von 2.451,62 EUR.

b)

133

Die Arbeitnehmerin Ka. hat im Jahre 2007 von Oktober bis Dezember beim Beklagten für die von ihr in den einzelnen Monaten geleisteten Stunden bei einem Stundenlohn in Höhe von 5,13 EUR insgesamt 774,63 EUR brutto verdient (siehe oben). Das Einkommen verteilt sich aufgrund der jeweils geleisteten Stunden wie folgt auf die einzelnen Monate: Im Oktober hat das Einkommen bei 49 Arbeitsstunden 251,37 EUR betragen, im November bei 50 Stunden 256,50 EUR und im Dezember bei 52 Stunden 266,76 EUR.

134

Von diesem Einkommen verbleiben der Arbeitnehmerin monatlich 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II. Von dem restlichen Einkommen, das durchweg unter 800,00 EUR liegt, verbleiben der Arbeitnehmerin weitere 20 Prozent. Im Oktober 2007 stehen der Arbeitnehmerin daher von den 251,37 EUR Arbeitseinkommen 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II zu, sowie weitere 20 Prozent von 151,37 EUR nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, was 30,27 EUR ergibt. Das Arbeitseinkommen aus diesem Monat steht daher Frau Ka. in Höhe von 130,27 EUR zu und der Klägerin in Höhe von 121,10 EUR. Legt man diese Rechenregel dann auch an die weiteren Monate im Jahre 2007 an, stehen der Klägerin für November 125,20 EUR des Einkommens in Höhe von 256,50 EUR zu und im Dezember 133,41 EUR von 266,76 EUR.

135

Für das Jahr 2008 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Die Arbeitnehmerin hat - siehe oben - einen Jahresentgeltanspruch in Höhe von 2.946,24 EUR brutto erworben. Sie hat im Januar bei 41 Stunden Arbeit 216,48 EUR brutto verdient, wovon der Klägerin 93,18 EUR zustehen. Im Februar hat sie bei 56 Arbeitsstunden 295,68 EUR verdient, wovon der Klägerin 156,54 EUR zustehen. Im März hat sie bei 49 Arbeitsstunden 258,72 EUR verdient, wovon der Klägerin 126,98 EUR zustehen. Im April hat sie bei 44 Arbeitsstunden 232,32 EUR verdient, wovon der Klägerin 105,86 EUR zustehen. Im Mai hat sie bei 46 Arbeitsstunden 242,88 EUR verdient, wovon der Klägerin 114,30 EUR zustehen. Im Juni hat sie bei 36 Arbeitsstunden 190,08 EUR verdient, wovon der Klägerin 72,06 EUR zustehen. Im Juli hat sie bei 52 Arbeitsstunden 274,56 EUR verdient, wovon der Klägerin 139,65 EUR zustehen. Im August hat sie bei 48 Arbeitsstunden 253,44 EUR verdient, wovon der Klägerin 122,75 EUR zustehen. Im September hat sie bei 44 Arbeitsstunden 232,32 EUR verdient, wovon der Klägerin 105,86 EUR zustehen. Im Oktober hat sie bei 48 Arbeitsstunden 253,44 EUR verdient, wovon der Klägerin 122,75 EUR zustehen. Im November hat sie bei 44 Arbeitsstunden 232,32 EUR verdient, wovon der Klägerin 105,86 EUR zustehen. Und im Dezember hat sie bei 50 Arbeitsstunden 264,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 131,20 EUR zustehen.

136

Im Jahre 2009 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Im Januar hat die Arbeitnehmerin bei 40 Arbeitsstunden 215,60 EUR verdient, wovon der Klägerin 92,48 EUR zustehen. Im Februar hat sie bei 42 Arbeitsstunden 226,38 EUR verdient, wovon der Klägerin 101,10 EUR zustehen. Im März hat sie bei 50 Arbeitsstunden 269,50 EUR verdient, wovon der Klägerin 135,60 EUR zustehen. Im April hat sie bei 54 Arbeitsstunden 291,06 EUR verdient, wovon der Klägerin 152,08 EUR zustehen.

137

Aus den nicht erfüllten Anteilen der Lohnforderung von Frau Ka. gegen den Beklagten sind die Forderungen im Umfang von 2.258,73 EUR auf die Beklagte übergegangen und nicht wie eingeklagt im Umfang von 3.195,30 EUR.

c)

138

Die Arbeitnehmerin Wi. hat im Mai und Juni 2008 insgesamt 54 Stunden gearbeitet. Ihr steht dafür ein Einkommen in Höhe von 285,12 EUR zu (siehe oben). Davon sind nach den oben ausgeführten Regeln auf die Klägerin übergegangen 80,51 EUR und zwar aus dem Einkommen in Höhe von 200,64 EUR für 38 Arbeitsstunden im Monat Juni 2008.

d)

139

Die Arbeitnehmerin Ku. hat im Jahre 2007 von Oktober bis Dezember beim Beklagten für die von ihr in den einzelnen Monaten geleisteten Stunden bei einem Stundenlohn in Höhe von 5,61 EUR insgesamt 852,72 EUR brutto verdient (siehe oben). Das Einkommen verteilt sich aufgrund der jeweils geleisteten Stunden wie folgt auf die einzelnen Monate: im Oktober hat das Einkommen bei 50 Arbeitsstunden 280,50 EUR betragen, im November bei 52 Stunden 291,72 EUR und im Dezember bei 50 Stunden 280,50 EUR.

140

Von diesem Einkommen verbleiben der Arbeitnehmerin monatlich 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II. Von dem restlichen Einkommen, das durchweg unter 800,00 EUR liegt, verbleiben der Arbeitnehmerin weitere 20 Prozent. Im Oktober 2007 stehen der Arbeitnehmerin daher von den 280,50 EUR Arbeitseinkommen 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II zu, sowie weitere 20 Prozent von 180,50 EUR nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, was 36,10 EUR ergibt.

141

Das Arbeitseinkommen aus diesem Monat steht daher Frau Ku. in Höhe von 136,10 EUR zu und der Klägerin in Höhe von 144,40 EUR. Legt man diese Rechenregel dann auch an die weiteren Monate im Jahre 2007 an, stehen der Klägerin für November 138,34 EUR des Einkommens in Höhe von 291,72 EUR zu und im Dezember 144,40 EUR von 280,50 EUR.

142

Für das Jahr 2008 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Die Arbeitnehmerin hat - siehe oben - einen Jahresentgeltanspruch in Höhe von 3.148,78 EUR brutto erworben. Sie hat im Januar bei 50 Stunden Arbeit 289,00 EUR brutto verdient, wovon der Klägerin 151,20 EUR zustehen. Im Februar hat sie bei 41 Arbeitsstunden 236,98 EUR verdient, wovon der Klägerin 109,58 EUR zustehen. Im März hat sie bei 46 Arbeitsstunden 265,88 EUR verdient, wovon der Klägerin 132,70 EUR zustehen. Im April hat sie bei 50 Arbeitsstunden 289,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 151,20 EUR zustehen.

143

Im Mai 2008 hat Frau Ku. bei 70 Arbeitsstunden 404,60 EUR verdient, wovon der Klägerin 243,68 EUR zustehen. Das Einkommen von Frau Ku. in diesem Monat lag daher höher als die pauschalierte Regelleistung für den Berechtigten nach dem Sozialgesetzbuch II, die seinerzeit auf 347,00 EUR festgesetzt war (Mitteilung der Klägerin hier Blatt 485). Wegen der abzurechnenden Freibeträge kann aber dennoch festgestellt werden, dass der übergegangene Teil des Lohnanspruchs der Frau Ku. in Höhe von 243,68 EUR immer noch ausschließlich dazu dient, den eigenen sozialrechtlichen Bedarf der Arbeitnehmerin zu decken bzw. durch Verrechnung auszugleichen. Daher stellt sich trotz des auffällig höheren Einkommens der Frau Ku. für diesen Monat auch hier nicht die Frage, ob der Anspruchsübergang auf die ARGE auch dadurch begrenzt wird, dass er etwa nur für Sozialleistungen gilt, die dem Arbeitnehmer zu Gute kommen, oder ob er auch Sozialleistungen erfasst, die anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zu Gute kommen, ob also der Arbeitgeber auch in Anspruch genommen werden kann für Sozialleistungen, die der Träger der Sozialversicherung nicht an den Arbeitnehmer selbst, sondern an andere Personen der Bedarfsgemeinschaft geleistet hat. Diese - in der Rechtsprechung bisher noch nicht geklärte - Frage kann daher für den vorliegenden Rechtsstreit unbeantwortet bleiben.

144

Im Juni 2008 hat Frau Ku. bei 52 Arbeitsstunden 300,56 EUR verdient, wovon der Klägerin 160,45 EUR zustehen. Im Juli hat sie bei 52 Arbeitsstunden 300,56 EUR verdient, wovon der Klägerin 160,45 EUR zustehen.

145

Im August 2008 hat Frau Ku. 120,00 EUR tatsächlich verdient. Bei 40 Arbeitsstunden hätte sie eigentlich 231,20 EUR verdienen müssen, wovon der Klägerin an sich 104,96 EUR zustehen. Wegen des erhöhten tatsächlichen Einkommens hat die Klägerin im Verhältnis zu Frau Ku. allerdings schon im Zuflussmonat September 2008 eine Anrechnung des Einkommens auf die Sozialleistung in Höhe von 16,00 EUR vorgenommen, weshalb hier nur noch weitere 88,96 EUR auf die Klägerin übergegangen sein können (Einzelheiten dazu sind oben beim Arbeitnehmer Ol. dargestellt). Im September hat Frau Ku. bei 44 Arbeitsstunden 254,32 EUR verdient, wovon der Klägerin an sich 123,46 EUR zustehen; der Betrag ist aber wiederum wegen des realen Einkommens in Höhe von 120,00 EUR um 16,00 EUR zu kürzen, so dass nur 107,46 EUR auf die Klägerin übergegangen sind. Im Oktober hat sie bei 40 Arbeitsstunden 231,20 EUR verdient, wovon der Klägerin an sich 104,96 EUR zustehen; der Betrag ist aber wiederum wegen des realen Einkommens in Höhe von 120,00 EUR um 16,00 EUR zu kürzen, so dass nur 88,96 EUR auf die Klägerin übergegangen sind. Im November hat sie bei 36 Arbeitsstunden 208,08 EUR verdient, wovon der Klägerin an sich 86,46 EUR zustehen; der Betrag ist aber wiederum wegen des realen Einkommens in Höhe von 120,00 EUR um 16,00 EUR zu kürzen, so dass nur 70,46 EUR auf die Klägerin übergegangen sind. Im Dezember 2008 und in den Folgemonaten hat Frau Ku. dann wieder nur 80,00 EUR monatlich tatsächlich verdient. Rechtlich gesehen hat sie im Dezember 2008 bei 30 Arbeitsstunden 173,40 EUR verdient, wovon der Klägerin 58,72 EUR zustehen.

146

Im Jahre 2009 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Im Januar hat die Arbeitnehmerin bei 40 Arbeitsstunden 236,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 108,80 EUR zustehen. Im Februar hat sie bei 36 Arbeitsstunden 212,40 EUR verdient, wovon der Klägerin 89,92 EUR zustehen. Im März hat sie bei 40 Arbeitsstunden 236,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 108,80 EUR zustehen. Im April hat sie bei 40 Arbeitsstunden 236,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 108,80 EUR zustehen.

147

Aus den nicht erfüllten Anteilen der Lohnforderung von Frau Ku. gegen den Beklagten sind die Forderungen im Umfang von 2.382,32 EUR auf die Beklagte übergegangen und nicht wie eingeklagt im Umfang von 3.268,43 EUR.

e)

148

Der Arbeitnehmer Fi. hat im Jahre 2008 von September bis Dezember 2008 beim Beklagten für die von ihm in den einzelnen Monaten geleisteten Stunden bei einem Stundenlohn in Höhe von 5,78 EUR insgesamt 1.005,72 EUR brutto verdient (siehe oben). Das Einkommen verteilt sich aufgrund der jeweils geleisteten Stunden wie folgt auf die einzelnen Monate: Im September bei 28 Stunden 161,84 EUR, im Oktober bei 46 Stunden 265,88 EUR, im November bei 50 Stunden 289,00 EUR und im Dezember bei wiederum 50 Stunden abermals 289,00 EUR.

149

Von diesem Einkommen verbleiben dem Arbeitnehmer monatlich 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II. Von dem restlichen Einkommen, das durchweg unter 800,00 EUR liegt, verbleiben dem Arbeitnehmer weitere 20 Prozent. Im September 2008 stehen dem Arbeitnehmer daher von den 161,84 EUR Arbeitseinkommen 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II zu, sowie weitere 20 Prozent von 61,84 EUR nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, was 12,37 EUR ergibt. Das Arbeitseinkommen aus diesem Monat steht daher Herrn Fi. in Höhe von 112,37 EUR zu und der Klägerin in Höhe von 49,47 EUR. Legt man diese Rechenregel dann auch an die weiteren Monate an, stehen der Klägerin für Oktober 132,70 EUR des Einkommens in Höhe von 265,88 EUR zu, für November 151,20 EUR von 289,00 EUR und im Dezember ebenfalls 151,20 EUR von 289,00 EUR.

150

Im Jahre 2009 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Für Januar steht der Klägerin aus dem Einkommen in Höhe von 271,40 EUR für 46 Stunden ein Anteil in Höhe von 137,12 EUR zu. Für Februar steht der Klägerin aus dem Einkommen in Höhe von 259,60 EUR für 44 Stunden ein Anteil in Höhe von 127,68 EUR zu. Im März hat der Arbeitnehmer ebenfalls einen Entgeltanspruch in Höhe von 259,60 EUR für 44 Stunden erworben, der in Höhe von 127,68 EUR auf die Klägerin übergegangen ist. Im April verbleibt von dem Arbeitseinkommen in Höhe von 318,60 EUR für 54 Stunden ein Betrag in Höhe von 174,88 EUR, der auf die Klägerin übergegangen ist.

151

Aus den nicht erfüllten Anteilen der Lohnforderung von Herrn Fi. gegen den Beklagten sind die Forderungen im Umfang von 1.051,94 EUR auf die Beklagte übergegangen und nicht wie eingeklagt im Umfang von 1.892,23 EUR. Bei diesem Wert ist die Teilklagerücknahme im Umfang 47,10 EUR aus der mündlichen Verhandlung (behaupteter Anspruchsübergang für Mai 2009) bereits berücksichtigt.

f)

152

Von den noch nicht erfüllten Lohnforderungen der Betroffenen sind damit auf die Klägerin lediglich Ansprüche im Umfang von 7.151,46 EUR übergegangen.

C.

153

Die Klage ist nur begründet, soweit die noch nicht erfüllten Ansprüche auf Arbeitslohn auf die Klägerin übergegangen sind. Das ergibt einen Betrag in Höhe von 7.151,46 EUR. Dieser Wert liegt um 534,04 EUR über dem 6.617,42 EUR, die das Arbeitsgericht der Klägerin bereits zugesprochen hat. Daher ist die klägerische Berufung in diesem Umfang erfolgreich, im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg.

154

Soweit die Berufung erfolgreich ist, hat das Gericht den geforderten Verzugszins nur ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Forderung zugesprochen, da es nicht möglich erscheint, den Obsiegensanteil der Berufung der Klägerin hinsichtlich der Zinsen auf die verschiedenen Zeitpunkte, zu denen für die einzelnen Teile der Gesamtforderung Verzug eingetreten ist, aufzuteilen. Das ist dem Umstand geschuldet, dass sich der Obsiegensanteil aus vielen kleinen Abweichungen im rechnerischen Ansatz der Klägerin und des Arbeitsgerichts zusammensetzt und eine Zuordnung zu den einzelnen streitigen Monaten und Personen daher nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre. - Rechtshängigkeit ist mit Eingang der Klageschrift beim Arbeitsgericht am 29. Juni 2009 eingetreten, da die Klageschrift alsbald danach nämlich am 7. Juli 2009 beim Beklagten zugestellt worden ist (§ 167 ZPO).

155

Aus der dargestellten Rechtslage und dem Vergleich mit dem Ausspruch des Arbeitsgerichts ergibt sich auch, dass die Berufung des Beklagten insgesamt keinen Erfolg hat.

156

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 1 ZPO. Beide Berufungen hatten zusammen einen Wert in Höhe von 10.982,33 EUR, wovon die Klägerin mit insgesamt 7.151,46 EUR obsiegt hat, was das Gericht mit 70 Prozent bewertet hat. Angesichts der marginalen Unterschiede zwischen der Entscheidung des Arbeitsgerichts und der Rechtslage wie sie das Berufungsgericht sieht, rechtfertigt sich eine Abänderung der Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts nicht.

157

Die gesetzlichen Voraussetzungen aus § 72 ArbGG für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 49/99 Verkündet am:
13. Juni 2001
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Im Rahmen der Prüfung, ob bei einem Gaststättenpachtvertrag ein auffälliges
Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und der Vertrag deshalb
als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, ist auch die
von der EOP-Methode abgeleitete sogenannte "indirekte Vergleichswertmethode"
nicht geeignet, den zum Vergleich heranzuziehenden marktüblichen Pachtzins zu
bestimmen (Fortführung von Senatsurteil BGHZ 141, 257 f.).

b) Besteht bei einem gewerblichen Miet- oder Pachtvertrag ein krasses Mißverhältnis
zwischen dem vereinbarten Miet- oder Pachtzins und dem marktüblichen Mietoder
Pachtzins, so rechtfertigt dies allein - wenn keine weiteren für ein sittenwidriges
Verhalten sprechenden Umstände hinzukommen - den Schluß auf eine verwerfliche
Gesinnung des objektiv Begünstigten regelmäßig nur dann, wenn für ihn
ohne weiteres erkennbar war, wie hoch der marktübliche Miet- oder Pachtzins in
etwa sein dürfte.
BGH, Urteil vom 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die
Richter Dr. Krohn, Gerber, Prof. Dr. Wagenitz und Fuchs

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Januar 1999 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Stadt F. verpachtete eine in ihrem Eigentum stehende Trinkhalle an eine Brauerei. Die Brauerei verpachtete die Trinkhalle durch Vertrag vom 19. Juni 1978 weiter an den Kläger. Am 22. Februar 1992 schloß der Kläger - vertreten durch seine Ehefrau - einen bis zum 1. März 1997 laufenden Unterpachtvertrag mit dem Beklagten. Der von dem Beklagten monatlich zu entrichtende Pachtzins sollte 2.500 DM zuzüglich Mehrwertsteuer betragen, außerdem sollte der Beklagte eine unverzinsliche Kaution von 20.000 DM und monatlich eine Nebenkostenvorauszahlung von 300 DM leisten. Weiter verpflich-
tete sich der Beklagte, während der Vertragszeit Bier und alkoholfreie Getränke ausschließlich über eine von der Hauptpächterin - der Brauerei - benannte Firma zu beziehen. Die Brauerei erklärte mit Schreiben vom 4. September 1992 die ordentliche Kündigung des mit dem Kläger abgeschlossenen (Unter-)Pachtvertrages zum 31. Dezember 1992. Grund für diese Kündigung war nach Darstellung des Klägers, daß der Beklagte gegen die Getränkebezugsverpflichtung verstoßen hatte. Die Brauerei schloß jedoch am 12. November 1992 mit der Ehefrau des Klägers einen Anschlußpachtvertrag. Auf die Nutzung der Trinkhalle durch den Beklagten hatte das keinen Einfluß. Mit Schreiben vom 14. Juli 1993 kündigten der Kläger und seine Ehefrau den Unterpachtvertrag mit dem Beklagten fristlos, unter anderem weil der Beklagte seit Monaten keinen Pachtzins mehr gezahlt hatte. Der Beklagte räumte das Pachtobjekt am 2. Januar 1996. Der Kläger macht mit der Klage für die Zeit bis zur fristlosen Kündigung des Unterpachtverhältnisses einen Anspruch auf Zahlung von rückständigem Pachtzins geltend, für die Zeit danach bis zum Auszug des Beklagten einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe des vereinbarten Pachtzinses. Insgesamt verlangt der Kläger 117.450 DM zuzüglich gestaffelter Zinsen abzüglich der geleisteten Kaution von 20.000 DM, die er zum 2. Januar 1996 - dem Tag des Auszugs des Beklagten - verrechnen will. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 29.410 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und dahin neu ge-
faßt, daß die Klage insgesamt abgewiesen wird. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er erreichen will, daß die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen wird, und mit der er im übrigen seinen ursprünglichen Zahlungsantrag weiterverfolgt, soweit ihm das Landgericht nicht stattgegeben hat.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 1. Das Berufungsgericht führt aus, der zwischen den Parteien abgeschlossene Unterpachtvertrag sei als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Es liege eine schwere Ä quivalenzstörung vor, weil der objektive Pachtwert nur 1.000 DM netto im Monat betrage, der vereinbarte Pachtzins dagegen 2.500 DM netto pro Monat. Der objektive Pachtwert sei von dem Sachverständigen L. nach der sogenannten EOP-Methode mit 1.000 DM zutreffend ermittelt worden. Das von dem Sachverständigen S. unter Berücksichtigung von Vergleichsmieten erstattete Gutachten, das zu einem deutlich höheren Pachtwert komme, sei demgegenüber nicht überzeugend. Nach dem Gutachten des Sachverständigen L. seien dem Beklagten Leistungen auferlegt worden, die es ihm nicht möglich machten, aus dem verpachteten Betrieb ein Einkommen für seinen Lebensunterhalt zu erzielen. Das besonders krasse Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung indiziere eine verwerfliche Gesinnung des Klägers.
Infolge der Nichtigkeit des Pachtvertrages fehle ein Rechtsgrund für die beiderseits erbrachten Leistungen, so daß diese nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückzugewähren seien. Eine Verrechnung der beiderseitigen Leistungen führe nicht zu einem Überschuß zugunsten des Klägers. Für die Zeit bis einschließlich Dezember 1992 habe der Kläger dem Beklagten die Nutzung an der Trinkhalle zur Verfügung gestellt, die entsprechend dem objektiven Pachtwert mit monatlich 1.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer zu bewerten sei. Dem stehe schon die von dem Beklagten erbrachte Kaution von 20.000 DM gegenüber. Ab dem 1. Januar 1993 sei der Kläger nicht mehr zum Gebrauch der Pachtsache berechtigt und in der Lage gewesen, dem Beklagten die Räumlichkeiten zu überlassen, weil sein Pachtverhältnis mit der Brauerei zum 31. Dezember 1992 wirksam gekündigt worden sei. Insofern fehle es "im Verhältnis der Parteien zueinander an einer durch Leistung des Klägers eingetretenen Vermögensverschiebung". Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten, wie die Revision zu Recht rügt, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. 2. Der Senat hat nach Erlaß des Berufungsurteils entschieden, daß die sogenannte EOP-Methode (an der Ertragskraft orientierte Pachtwertfindung) nicht geeignet ist zur Bewertung einer Gaststättenpacht, wie sie für die Bestimmung eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB erforderlich ist (Senatsurteil BGHZ 141, 257 f.). Da das Berufungsgericht seine Annahme, es liege ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, und deshalb sei der Vertrag nichtig, ausschließlich auf ein nach der EOP-Methode erstattetes Gutachten gestützt hat, ist seine Beurteilung rechtsfehlerhaft. Das Berufungsurteil kann deshalb mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.
3. Der Senat ist nicht in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO), auch nicht über einen Teil der Klageforderung.
a) Soweit der Kläger rückständigen Pachtzins geltend macht, hängt die Begründetheit der Klage davon ab, ob der Pachtvertrag wirksam oder nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Insofern muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es den zum Vergleich mit dem vereinbarten Pachtzins heranzuziehenden objektiven Pachtwert in zulässiger Weise ermittelt. Auf die Ausführungen in dem zitierten Senatsurteil wird verwiesen.
b) Auch der von dem Kläger für die Zeit nach der fristlosen Kündigung des Unterpachtverhältnisses geltend gemachte Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe des vereinbarten Pachtzinses ist nicht zur Entscheidung durch das Revisionsgericht reif. Sollte der Unterpachtvertrag entgegen der Annahme des Berufungsgerichts wirksam sein, so kommt ein entsprechender Anspruch des Klägers nach § 584 b BGB in Betracht. Zwar steht nach Beendigung eines Untermietverhältnisses dem Hauptmieter gegen den Untermieter grundsätzlich kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 557 Abs. 1 BGB mehr zu, wenn auch das Hauptmietverhältnis beendet ist und der Hauptmieter deshalb keine Nutzungsberechtigung mehr hat (Senatsurteil vom 4. Oktober 1995 - XII ZR 215/94 - ZMR 1996, 15 = NJW 1996, 46). Das hat für die Beendigung eines Unterpachtverhältnisses entsprechend zu gelten. Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, daß zwar das Hauptpachtverhältnis zwischen dem Kläger und der Brauerei zum 31. Dezember 1992 beendet worden ist, daß aber unmittelbar im Anschluß daran die Ehefrau des Klägers einen entsprechenden Hauptpachtvertrag mit der Brauerei abgeschlossen hat und daß durch diese Veränderung die Nutzungsmöglichkeit des Beklagten in keiner Weise beeinträchtigt worden ist. Es liegt nahe anzunehmen, daß die
Ehefrau des Klägers, nachdem die Brauerei den Vertrag mit dem Kläger gekündigt hatte, die Trinkhalle gerade deshalb von der Brauerei angepachtet hat, weil sie es dem Kläger ermöglichen wollte, den Unterpachtvertrag mit dem Beklagten zu erfüllen. In diesem Fall hatte der Kläger weiterhin eine von seiner Ehefrau abgeleitete Nutzungsberechtigung. Auch insofern muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es - eventuell nach ergänzendem Vortrag der Parteien - die notwendigen Feststellungen nachholen kann. Im übrigen könnte der Senat auch schon deshalb nicht abschließend nur über die geltend gemachte Nutzungsentschädigung entscheiden, weil sich den Feststellungen des Berufungsurteils - aus der Sicht des Berufungsgerichts zu Recht - nicht entnehmen läßt, welcher Teil des eingeklagten Betrages auf rückständigen Pachtzins entfällt.
c) Der Senat kann auch nicht abschließend entscheiden, soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 31. Juli 1997 die Klageforderung in Höhe von 2.414 DM zuzüglich Zinsen anerkannt hat. Zwar steht der Wirkung dieses Anerkenntnisses, wie die Revision zu Recht geltend macht, nicht entgegen, daß der Kläger keinen Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils (§ 307 Abs. 1 ZPO) gestellt hat. Die Wirkung eines wirksam abgegebenen prozessualen Anerkenntnisses erschöpft sich nämlich nicht darin, lediglich Grundlage für ein Anerkenntnisurteil zu sein. Sie bleibt vielmehr auch dann bestehen, wenn kein Anerkenntnisurteil ergeht. Auch dann sind die Gerichte im Umfang des Anerkenntnisses grundsätzlich der Verpflichtung zur Prüfung des Streitstoffes enthoben. Dies gilt nicht nur für eine Instanz, sondern für den ganzen Prozeß (Senatsurteil vom 17. März 1993 - XII ZR 256/91 - NJW 1993, 1717, 1718 m.N.). Der Senat hat aber bereits entschieden, daß die
Berufung auf ein prozessuales Anerkenntnis gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn das Anerkenntnis nicht der wahren Rechtslage entspricht und die Unrichtigkeit dem Prozeßgegner bekannt ist (Senatsurteil BGHZ 80, 389, 399 m.N.). Sollte der Unterpachtvertrag als wucherähnliches Geschäft sittenwidrig sein, so ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, daß die Berufung des Klägers auf ein Anerkenntnis, das der Erfüllung dieses Vertrages dient, gegen Treu und Glauben verstoßen könnte (vgl. auch Zöller/Vollkommer, ZPO 22. Aufl. § 307 Rdn. 4 m.N.). Auch dieser Punkt bedarf der tatrichterlichen Beurteilung. 4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
a) Nachdem der Senat entschieden hat, daß die EOP-Methode ungeeignet ist zur Bestimmung eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, ist das Oberlandesgericht München in einer nicht rechtskräftigen Entscheidung (Urteil vom 4. September 2000 - NZM 2000, 1059) einer Bewertungsmethode gefolgt, der sogenannten "indirekten Vergleichswertmethode" , die in der Literatur von einem Vertreter der EOP-Methode als Reaktion auf die Entscheidung des Senats empfohlen worden ist (Walterspiel, NZM 2000, 70 ff.). Die Gründe, deretwegen der Senat die EOP-Methode für ungeeignet hält, gelten jedoch auch gegenüber der indirekten Vergleichswertmethode. Weder das Oberlandesgericht München noch Walterspiel legen dar, daß bei der offensichtlich der EOP-Methode nachgebildeten neuen Methode Ä nderungen vorgenommen worden sind, die den Beanstandungen des Senats gegenüber der EOP-Methode Rechnung tragen. Die neue Methode stellt - wie die EOP-Methode - "als Basis für die Ermittlung des marktüblichen Mietzinses auf die Umsatzerwartung je Sitzplatz und auf einen betriebsartbezogenen Prozentsatz vom Gesamtertrag" ab (so zutreffend OLG München aaO S. 1061) und
kalkuliert dabei einen als angemessen angesehenen Unternehmensgewinn ein. Insbesondere legt auch sie ihrer Beurteilung statistische Ertragswerte zugrunde , die ein "normalqualifizierter Betreiber" (Walterspiel aaO S. 75) erzielen kann. Auch an diesem Punkt zeigt sich, daß beide Methoden die besondere Marktsituation des konkreten Objekts nicht ausreichend berücksichtigen (Senatsurteil BGHZ aaO S. 265). Es gibt etwa Pachtinteressenten, die überdurchschnittlich qualifiziert sind oder sich bei dem in Frage kommenden Kundenkreis bereits einen guten Ruf erworben haben oder die über besonders günstige Einkaufsmöglichkeiten verfügen oder die - eventuell einschließlich ihrer Familienangehörigen - bereit sind, besonders viel zu arbeiten. Derartige Interessenten sind in der Lage und - insbesondere wenn nicht viele für sie geeignete Objekte auf dem Markt sind - vielfach auch bereit, einen relativ hohen Pachtzins zu vereinbaren. Handelt es sich um ein entsprechend gefragtes Objekt und besteht dafür auf dem Markt eine Nachfrage von derartigen Interessenten, dann entspricht der Marktpreis dem, was diese Interessenten für ein solches Objekt zu zahlen bereit sind, auch wenn ein "normal qualifizierter Betreiber" sich einen solchen Pachtzins nicht leisten könnte. Entsprechendes gilt, wenn abzusehen ist, daß bei der gegebenen Marktsituation mehrere Brauereien oder Ketten ein solches Objekt dringend suchen. Marktwert ist der übliche Wert, der für eine vergleichbare Leistung auf dem Markt zu zahlen ist (Senatsurteil BGHZ aaO). Bei Miet- oder Pachtverhältnissen ist demnach der Marktwert der Nutzungsüberlassung regelmäßig anhand des Miet- oder Pachtzinses zu ermitteln, der für vergleichbare Objekte erzielt wird (Senatsurteil BGHZ aaO S. 263 m.N.). Es ist zutreffend, daß es Fälle gibt, in denen diese sogenannte Vergleichswertmethode nicht angewendet werden kann, weil es keine geeigneten Vergleichsobjekte gibt. Auch wenn solche Fälle seltener sind, als die Vertreter der EOP-Methode oder der indi-
rekten Vergleichswertmethode vorgeben, müssen sie in die Betrachtung einbezogen werden. Der Senat hat ausgeführt, daß in solchen Fällen "andere Erfahrungswerte heranzuziehen" seien (BGHZ aaO S. 263). Das bedeutet aber nicht, daß dann die Anwendung der EOP-Methode oder einer ihr nachgebildeten Methode unbedenklich würde (so aber OLG München und Walterspiel jeweils aaO). In solchen Fällen wird es regelmäßig angebracht sein, einen erfahrenen , mit der konkreten Marktsituation vertrauten Sachverständigen beurteilen zu lassen, welcher Mietzins für ein solches Objekt seiner Ansicht nach erzielt werden kann. Es mag sein, daß man bei einem auf diese Weise erstatteten Gutachten mit einer größeren Schätzungstoleranz rechnen muß als bei einem Gutachten, das auf konkreten Vergleichswerten aufbauen kann. Diese Folge muß hingenommen werden. Sie kann jedenfalls nicht dadurch beseitigt oder abgemildert werden, daß man für solche Einzelobjekte von statistischen Durchschnittswerten ausgeht. Daß es für ein Miet- oder Pachtobjekt keine geeigneten Vergleichsobjekte gibt, kommt nicht nur vor, wenn Räume zum Betrieb einer Gaststätte vermietet oder verpachtet werden, sondern auch dann, wenn ein anderes Gewerbe in ihnen betrieben wird. Auch ein Ladenlokal kann wegen seiner Größe, seines Zuschnitts und seiner Lage mit anderen Ladenlokalen in der Gegend nicht vergleichbar sein. Für die Bewertung, welcher Miet- oder Pachtzins marktüblich ist, bestehen zwischen Miet- oder Pachtverträgen über Gastgewerberäume und Miet- oder Pachtverträgen über andere gewerbliche Räume keine Unterschiede, die es notwendig machten, grundlegend unterschiedliche Bewertungsmethoden zu verwenden.
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vertrag als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn Lei-
stung und Gegenleistung in einem auffälligen Mißverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, z.B. eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten (Senatsurteil BGHZ aaO S. 263 m.N.). Eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten ist nicht nur dann zu bejahen, wenn er als der wirtschaftlich oder intellektuell Überlegene die schwächere Lage des anderen Teils bewußt zu seinem Vorteil ausgenutzt hat, sondern auch dann, wenn er sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, daß sein Vertragspartner sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf den ungünstigen Vertrag eingelassen hat (BGH, Urteil vom 17. April 1980 - III ZR 96/78 - NJW 1980, 2076, 2077). Ein besonders auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spricht für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (st.Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2000 - IX ZR 121/99 - NJW 2000, 2669, 2670 m.w.N.). Für bestimmte Vertragstypen hat der Bundesgerichtshof allein wegen eines krassen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten geschlossen , auch wenn im konkreten Fall keine weiteren, für ein sittenwidriges Verhalten des Begünstigten sprechende Umstände hinzukamen. Das gilt insbesondere für Teilzahlungs- oder Ratenkreditverträge mit privaten Kunden (BGHZ 80, 153, 161; 98, 174, 178 m.N.) und für Grundstückskaufverträge (BGH, Urteil vom 4. Februar 2000 - V ZR 146/98 - NJW 2000, 1487, 1488 m.w.N.). Bei Grundstücksverträgen geht der Bundesgerichtshof von einem entsprechenden Mißverhältnis schon dann aus, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (BGH, Urteil vom 4. Februar 2000 aaO m.N.). Diese Grundsätze sind nicht ohne weiteres auf die Prüfung, ob ein gewerblicher Miet- oder Pachtvertrag als wucherähnliches Geschäft nichtig ist, zu übertragen. Auch in den zitierten Fällen verzichtet die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs nicht etwa auf das subjektive Element der Sittenwidrigkeit. Sie geht lediglich davon aus, daß das vorliegende krasse Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung einen hinreichend sicheren Rückschluß darauf zuläßt, daß auch dieses subjektive Element - die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten - gegeben ist. Ein solcher Rückschluß setzt aber voraus , daß sich der Begünstigte nach der allgemeinen Lebenserfahrung (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1987 - V ZR 284/85 - NJW 1988, 130, 131 m.N.) zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, es liege ein krasses Mißverhältnis vor. Davon kann man jedenfalls nur dann ausgehen, wenn der Marktwert der Leistung für ihn in etwa erkennbar war. Bei den Darlehensverträgen von Kreditbanken mit Privatpersonen ist das ohne weiteres zu bejahen, weil der Kreditbank der Schwerpunktzins der Bundesbank bekannt ist. Bei Grundstücksgeschäften hat der Bundesgerichtshof diesem Gesichtspunkt insofern Rechnung getragen, als er eine "kritische tatrichterliche Würdigung" für erforderlich hält, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen , daß bei Abschluß des Vertrages aufgrund besonderer Umstände Bewertungsschwierigkeiten bestanden, aufgrund derer der Begünstigte das krasse Mißverhältnis möglicherweise nicht erkannt haben könnte (BGH, Urteil vom 4. Februar 2000 aaO S. 1488). Solche Bewertungsschwierigkeiten kommen beim Abschluß von gewerblichen Miet- und Pachtverträgen nicht nur in Ausnahmefällen vor. Deshalb ist bei gewerblichen Mietverträgen im Rahmen der Prüfung, ob aus einem auffälligen Mißverhältnis auf die Nichtigkeit des Geschäfts geschlossen werden kann, regelmäßig eine tatrichterliche Würdigung erforderlich, ob das krasse Mißverhältnis für den Begünstigten erkennbar war.
Die Mietpreise für gewerbliche Räume sind nicht nur regional sehr unterschiedlich , sie können auch innerhalb ein und derselben Stadt stark schwanken. Dem Senat liegt ein von der Industrie- und Handelskammer Köln herausgegebener Mietspiegel für Gewerbeflächen vor (Stand: März 2000). In diesem Mietspiegel wird die Stadt Köln in neun Stadtbezirke aufgeteilt. Die für die einzelnen Stadtbezirke angegebenen Preise unterscheiden sich erheblich. In dem teuersten Stadtbezirk 1 werden die Quadratmeterpreise für Ladenlokale in der 1 a-Lage (Spitzenlage) angegeben mit 150 bis 300 DM, in der 1 b-Lage (sehr gute Innenstadtlage) mit 50 bis 150 DM. Da es oft schwierig ist zu entscheiden , ob ein in guter Geschäftslage liegendes Objekt der 1 a-Lage oder der 1 b-Lage zuzuordnen ist, ergibt sich eine Preisspanne von 50 bis 300 DM. Hinzu kommt, daß sich im Bereich der gewerblichen Miete das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage nicht selten relativ kurzfristig verändert mit der Folge, daß aus einem Vermietermarkt ein Mietermarkt wird oder umgekehrt. Dies hat zur Folge, daß sich die erzielbaren Mietpreise innerhalb kurzer Zeit erheblich verändern können. Eine solche Entwicklung hat beispielsweise in den neuen Bundesländern in den ersten Jahren nach dem Beitritt stattgefunden. Bei dieser Sachlage kann es sowohl für einen Vermieter als auch für einen Mieter, insbesondere wenn er nicht ortsansässig und mit der gewerblichen Vermietung nicht vertraut ist, schwierig sein abzuschätzen, welcher Mietpreis angemessen ist. Für eine ortsansässige Brauerei, die ständig Gasträume vermietet und anmietet, gilt das nicht in gleicher Weise. Einem privaten Vermieter, der einen Mietpreis im oberen Bereich der dargelegten Schwankungsbreite durchgesetzt hat, kann man nicht ohne weiteres ein unredliches Verhalten vorwerfen , wenn ein Sachverständiger später überzeugend begründet, daß inner-
halb der Schwankungsbreite ein um die Hälfte niedrigerer Preis marktüblich gewesen wäre. In einem solchen Falle wird es im Rahmen der Prüfung, ob ein wucherähnliches Geschäft i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB vorliegt, darauf ankommen,
ob neben dem Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung weitere Umstände oder weitere Regelungen in dem Vertrag für eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragspartners sprechen.
Blumenröhr Krohn Gerber Wagenitz Fuchs

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird der Beklagte verurteilt, weitere 534,04 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin zu 30 Prozent und im Übrigen der Beklagte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die ARGE Stralsund, die im Gebiet der Hansestadt Stralsund für die Vergabe von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II zuständig ist, klagt aus übergegangenem Recht auf Zahlung von Arbeitsvergütung. Denn sie hat für fünf Personen über viele Monate hinweg Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (umgangssprachlich "Hartz IV" genannt) erbracht, die während des Anspruchszeitraums beim beklagten Arbeitgeber in einem geringfügigen Arbeitsverhältnis standen, dort jedoch - so die Klägerin - sittenwidrig niedrig entlohnt worden sind.

2

Der Beklagte hat im Streitzeitraum in Stralsund ein kleines Restaurant mit einem Pizzalieferservice betrieben. Bei ihm waren unter anderem die Arbeitnehmer Ol. und Fi. als Pizzaauslieferungsfahrer, die Arbeitnehmerin Ku. als Kellnerin sowie die Arbeitnehmerinnen Ka. und Wi. als Küchenhilfe beschäftigt. Die genannten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben während ihrer Tätigkeit für den Beklagten gleichzeitig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II von der Klägerin erhalten. Im Einzelnen stellen sich die Dinge wie folgt dar.

3

Der Beklagte beschäftigte den Arbeitnehmer Ol. ab Mai 2008 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Pizzafahrer. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. Das Arbeitsentgelt betrug bis einschließlich Januar 2009 konstant 80,00 EUR monatlich und ab Februar 2009 konstant 120,00 EUR monatlich. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. In einer von der Klägerin über den Arbeitnehmer angeforderten Bescheinigung des Beklagten heißt es unter der Überschrift "Arbeitsvereinbarung" im Text: "Arbeitszeit: flexibel, max. 14,9 Stunden wöchentlich". Der Arbeitnehmer hat in den hier interessierenden 11 Monaten Mai 2008 sowie Juli bis Dezember 2008 und Januar bis einschließlich April 2009 monatlich zwischen 42 und 54 Stunden - insgesamt 495 Stunden - erbracht (unter Verwertung der Zahlen von Blatt 31 der Akte). Seit Mai 2009 wird der Arbeitnehmer Ol. bei der Beklagten nur noch für durchschnittlich 20 Stunden im Monat bei gleichem Einkommen zur Arbeit herangezogen. Daher macht die Klägerin für diesen und die Folgemonate keinen Anspruchsübergang mehr gegen den Beklagten geltend.

4

Die Klägerin zahlte an den Arbeitnehmer Ol. im Juni 2008 Sozialleistungen in Höhe von 458,19 EUR, von August 2008 bis einschließlich Februar 2009 in Höhe von monatlich 607,59 EUR und im März, April und jedenfalls auch noch im Mai 2009 in Höhe von monatlich 591,28 EUR (Anlagen K 4 und K 7 - Blatt 27 und 31 d. A., ergänzt durch die Angaben im Schriftsatz vom 15. Oktober 2010, hier Blatt 479). Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diesen setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für einen Pizzafahrer mit 1.200,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 4), bzw. nach einer Tariferhöhung ab Januar 2009 mit 1.224,00 EUR brutto monatlich. Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von 2.451,64 EUR (Blatt 31).

5

Der Beklagte beschäftigte die Arbeitnehmerin Ka. ab September 2007 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Küchenhilfe. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. Das Arbeitsentgelt betrug bis einschließlich April 2009 konstant 80,00 EUR monatlich. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. In einer von der Klägerin über die Arbeitnehmerin angeforderten Bescheinigung des Beklagten heißt es unter der Überschrift "Arbeitsvereinbarung" im Text: "Arbeitszeit: flexibel wöchentlich 14 Stunden" (Anlage K 8.2, hier Blatt 33). Die Arbeitnehmerin hat in den hier interessierenden 19 Monaten Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 monatlich zwischen 36 und 56 Stunden - insgesamt 895 - erbracht. Seit Mai 2009 wird die Arbeitnehmerin Ka. bei der Beklagten nur noch für durchschnittlich 20 Stunden im Monat bei gleichem Einkommen zur Arbeit herangezogen. Daher macht die Klägerin für diesen und die Folgemonate keinen Anspruchsübergang mehr gegen den Beklagten geltend.

6

Die Klägerin zahlte an die Arbeitnehmerin Ka. von Oktober 2007 bis jedenfalls einschließlich Mai 2009 monatlich Sozialleistungen in Höhe von 825,13 EUR oder mehr (nur im Juli 2008 waren es mit 793,88 EUR weniger). Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diese setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für eine Küchenhilfe mit 887,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 1), bzw. nach einer Tariferhöhung ab Januar 2008 mit 914,00 EUR brutto sowie ab Januar 2009 mit 932,00 EUR brutto monatlich. Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von insgesamt 3.159,29 EUR (Blatt 58).

7

Der Beklagte beschäftigte die Arbeitnehmerin Wi. vom 22. Mai 2008 bis zum 30. Juni 2008 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Küchenhilfe. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. Die Arbeitnehmerin hat gegenüber der Klägerin angegeben, dass sie einer Nebenbeschäftigung im Umfang von 14,9 Stunden wöchentlich gegen ein Entgelt in Höhe von 80,00 EUR monatlich nachgehe; dem ist der Beklagte im Rechtsstreit nicht entgegengetreten. Das Arbeitsentgelt betrug für den anteiligen Mai 30,00 EUR und für Juni 80,00 EUR. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. Die Arbeitnehmerin hat im anteiligen Mai 2008 16 Stunden und im Juni 2008 38 Stunden, insgesamt also 54 Stunden gearbeitet (unter Verwertung der Zahlen von Blatt 69 der Akte). Für weitere Monate macht die Klägerin bei dieser Arbeitnehmerin keine Ansprüche geltend.

8

Die Klägerin zahlte an die Arbeitnehmerin Wi. im Juni 2008 Sozialleistungen in Höhe von 653,29 EUR (korrigierte Angabe im Schriftsatz vom 15. Oktober 2010, hier Blatt 479) und im Monat Juli 2008 in Höhe von 657,29 EUR (korrigierte Angabe im Schriftsatz vom 15. Oktober 2010, hier Blatt 479). Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diese setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für eine Küchenhilfe für 2008 mit 914,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 1). Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von insgesamt 174,75 EUR (Blatt 69).

9

Der Beklagte beschäftigte die Arbeitnehmerin Ku. ab Oktober 2007 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Kellnerin. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. In einer von der Klägerin über die Arbeitnehmerin angeforderten Bescheinigung des Beklagten heißt es unter der Überschrift "Arbeitsvereinbarung" im Text: "Arbeitszeit: max. 14 Stunden wöchentlich flexibel einsetzbar nach Vereinbarung" (Anlage K 19, hier Blatt 66). Das Arbeitsentgelt betrug von Oktober 2007 bis einschließlich Juli 2008 konstant 80,00 EUR monatlich. Von August 2008 bis einschließlich November 2008 betrug das Monatseinkommen konstant 120,00 EUR. Seit Dezember 2008 beträgt es wieder konstant 80,00 EUR monatlich. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. Die Arbeitnehmerin hat in den hier interessierenden 19 Monaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 monatlich zwischen 30 und 70 Stunden - insgesamt 859 - erbracht. Seit Mai 2009 wird die Arbeitnehmerin Ku. bei der Beklagten nur noch für durchschnittlich 20 Stunden im Monat bei gleichem Einkommen zur Arbeit herangezogen. Daher macht die Klägerin für diesen und die Folgemonate keinen Anspruchsübergang mehr gegen den Beklagten geltend.

10

Die Klägerin zahlte an die Arbeitnehmerin Ku. von Oktober 2007 jedenfalls bis einschließlich Mai 2009 monatlich Sozialleistungen in Höhe von anfangs 512,05 EUR, später ansteigend auf bis zu 978,05 EUR und zuletzt noch in Höhe von 681,05 EUR monatlich; wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung Blatt 93 und Blatt 125, verwiesen sowie - wegen der Darstellung des Versatzes zwischen dem Arbeitsmonat und dem Bedarfsmonat - auf den Schriftsatz der Klägerin vom 15. Oktober 2010 (hier Blatt 479). Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diese setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für eine Kellnerin mit 971,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 2) bzw. nach einer Tariferhöhung ab Januar 2008 mit 1.000,00 EUR brutto sowie ab Januar 2009 mit 1.020,00 EUR brutto monatlich. Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von insgesamt 3.083,04 EUR (Blatt 93) zuzüglich 185,38 EUR (Klageerweiterung vom 27. Juli 2009, Blatt 123), rechnerisch erläutert Blatt 125.

11

Der Beklagte beschäftigte schließlich den Arbeitnehmer Fi. ab September 2008 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Pizzafahrer. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. Der Arbeitnehmer hat gegenüber der Klägerin angegeben, dass er einer Nebenbeschäftigung im Umfang von durchschnittlich 14 Stunden wöchentlich mit flexibler Arbeitszeit gegen ein Entgelt in Höhe von 80,00 EUR monatlich nachgehe; dem ist der Beklagte im Rechtsstreit nicht entgegengetreten. Das Arbeitsentgelt betrug bis einschließlich April 2009 konstant 80,00 EUR monatlich. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. Der Arbeitnehmer hat in den hier interessierenden 8 Monaten von September 2008 bis einschließlich April 2009 monatlich zwischen 18 und 54 Stunden - insgesamt 362 - erbracht (unter Verwertung der Zahlen von Blatt 107 der Akte). Seit Mai 2009 wird der Arbeitnehmer Fi. bei der Beklagten nur noch für durchschnittlich 20 Stunden im Monat bei gleichem Einkommen zur Arbeit herangezogen. Daher macht die Klägerin für diesen und die Folgemonate keinen Anspruchsübergang mehr gegen den Beklagten geltend.

12

Die Klägerin zahlte an den Arbeitnehmer Fi. im Betrachtungszeitraum jedenfalls bis einschließlich Mai 2009 Sozialleistungen in Höhe von 576,22 EUR monatlich. Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diese setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für einen Pizzafahrer mit 1.200,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 4), bzw. nach einer Tariferhöhung ab Januar 2009 mit 1.224,00 EUR brutto monatlich. Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von 1.939,33 EUR (Blatt 107), den sie im Berufungsrechtszug um 47,10 EUR (resultierend aus dem Arbeitsmonat Mai 2009 bzw. dem Bedarfsmonat Juni 2009) reduziert hat (Blatt 500).

13

Die Klägerin hat den Beklagten außergerichtlich mit Schreiben vom 18. Mai 2009 zur Zahlung von 5.320,88 EUR aufgefordert (Blatt 108). Dieser Betrag bezieht sich auf die übergegangenen Ansprüche des Arbeitnehmers Ol. und der Arbeitnehmerinnen Wi. und Ka. Mit Schreiben vom 15. Juni 2009 erhöhte die Klägerin die Forderung gegen den Beklagten auf nunmehr insgesamt 10.495,62 EUR unter Einbeziehung der übergegangenen Ansprüche der weiteren Arbeitnehmerin Ku. und des weiteren Arbeitnehmers Fi. Der Beklagte hat Zahlung abgelehnt. Die Klägerin verfolgt daher mit Klageschrift vom 25. Juni 2009, beim Arbeitsgericht Stralsund eingegangen am 29. Juni 2009, ihr Begehren in Höhe von nunmehr 10.844,05 EUR klagweise weiter. Sie hat die Forderung im Laufe des Rechtsstreits um 185,38 EUR brutto erhöht. Die Erhöhung ergibt sich aus der Ergänzung um den Arbeitsmonat März 2008 bezogen auf die Arbeitnehmerin Ku., der in der ursprünglichen Klagforderung nicht enthalten war.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 26. Januar 2010 in Höhe von 6.617,42 EUR stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen (ArbG Stralsund 26.01.2010 - 4 Ca 166/09 - info also 2010, 128 mit Anmerkung Spindler). Es hat den Streitwert auf 11.029,43 EUR festgesetzt. Das Arbeitsgericht hat die vertraglich vereinbarte und die tatsächlich gezahlte Vergütung als sittenwidrig niedrig eingestuft und die stattdessen zu zahlende übliche Vergütung aus den Entgelttarifverträgen abgeschlossen zwischen dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) mit der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) entnommen. Zu Lasten der Klägerin hat es die Pizzafahrer aber lediglich als zur Tarifgruppe 1 gehörend bewertet und hat im Rahmen des Anspruchsübergangs nach § 115 SGB X die den Arbeitnehmern voll oder anteilig zu belassenden Entgeltbestandteile (nach § 11 Absatz 2 und § 30 SGB II) von der rechnerischen Höhe des Anspruchsübergangs in Abzug gebracht. - Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

15

Die Klägerin verfolgt im Berufungsrechtszug ihr Begehren in vollem Umfang weiter und verlangt daher auch die Zurückweisung der Berufung des Beklagten. Sie hat ihre Klage lediglich im Umfang von 41,70 EUR bezogen auf den Arbeitnehmer Fi. und dessen Arbeitsentgeltanspruch gegen den Beklagten bezogen auf den Arbeitsmonat Mai 2009 zurückgenommen (Blatt 500 der Akte).

16

Die Klägerin ist der Ansicht, die von dem Beklagten an die betroffenen Arbeitnehmer im Streitzeitraum gezahlten Arbeitsentgelte seien sittenwidrig niedrig. Für die Bemessung der üblichen Vergütung im Wirtschaftsgebiet seien die räumlich und fachlich einschlägigen Entgelttarifverträge für das Hotel- und Gaststättengewerbe Mecklenburg-Vorpommern abgeschlossen zwischen dem DEHOGA Landesverband MV (Schwerin), und der Gewerkschaft NGG (zukünftig als ETV MV bezeichnet) heranzuziehen.

17

Für eine Tätigkeit als Pizzafahrer müsse man von einer Eingruppierung in die Tarifgruppe 4 ausgehen. Das ergebe sich aus § 4 ETV MV ("Fachbereiche - Positionsraster"), wo im Abschnitt "V. Sonstige Dienstleistungen" für Kraftfahrer die Eingruppierung mit "4-5" vorgesehen sei. Danach sei für das Jahr 2008 eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.200,00 EUR brutto und für das Jahr 2009 eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.224,00 EUR brutto zu zahlen. Daraus resultiere ein Stundenlohn in Höhe von 6,92 EUR für das Jahr 2008 sowie in Höhe von 7,06 EUR für das Jahr 2009.

18

Für eine Tätigkeit als Küchenhilfe sei mindestens die Tarifgruppe 1 des Entgelttarifvertrages heranzuziehen. Diese sehe für das Jahr 2007 eine monatliche Vergütung in Höhe von 887,00 EUR brutto, für das Jahr 2008 in Höhe von 914,00 EUR brutto und für das Jahr 2009 in Höhe von 932,00 EUR vor. Hieraus ergäbe sich ein Stundenlohn in Höhe von 5,11 EUR für das Jahr 2007, von 5,27 EUR für das Jahr 2008 und von 5,37 EUR für das Jahr 2009.

19

Die Tätigkeit einer Kellnerin sei wenigstens der Tarifgruppe 2 zuzuordnen. Danach sei an diesen Personenkreis im Jahr 2007 eine monatliche Vergütung in Höhe von 971,00 EUR brutto, für das Jahr 2008 eine Monatsbruttovergütung in Höhe von 1.000,00 EUR sowie für das Jahr 2009 eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.020,00 EUR brutto zu zahlen. Der entsprechende Stundenlohn liege dann im Jahr 2007 bei 5,60 EUR brutto, im Jahr 2008 bei 5,76 EUR brutto und im Jahr 2009 bei 5,88 EUR brutto.

20

Zwar könne die Klägerin nicht nachweisen, dass mehr als 50 Prozent der Arbeitgeber im Wirtschaftsgebiet tarifgebunden seien oder aber die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer des Wirtschaftsgebietes beschäftigten. Dessen ungeachtet könnte jedoch der Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern zur Bestimmung der üblichen Vergütung für die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer herangezogen werden, denn er gäbe die verkehrsübliche Vergütung in der Wirtschaftsregion Stralsund und Umgebung wieder, was sich aus der Verwertung allgemein zugänglicher Statistiken ergebe (Verdienststrukturerhebung 2006, Angaben auf www.lohnspiegel.de und auf www. gehaltscheck.de).

21

Auch nach den eigenen Erkenntnissen der Klägerin bzw. der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der Vermittlung von Arbeitsuchenden auf freie Arbeitsplätze erzielten in der Wirtschaftsregion Stralsund und Umgebung Küchenhilfen im Durchschnitt einen Stundenlohn in Höhe von 5,96 EUR, Kellner im Durchschnitt einen Stundenlohn in Höhe von 6,20 EUR und Pizzafahrer einen Stundenlohn in der Spanne zwischen 4,96 EUR und 8,36 EUR. Aus den genannten Quellen sei ersichtlich, dass sich die regional gezahlten Arbeitsentgelte für Küchenhilfen, Pizzafahrer und Kellner, unabhängig von der Tarifbindung der Arbeitgeber, an den tariflichen Löhnen orientierten, häufig lägen sie über den zugrunde gelegten Tariflöhnen. Für die Ermittlung der ortsüblichen Vergütung sei deshalb mindestens auf die herangezogenen Tarifentgelte zurückzugreifen.

22

Die Zahlung sittenwidrig niedriger Arbeitsvergütung durch den Beklagten sei diesem auch subjektiv vorwerfbar, denn es liege bei den gezahlten Stundensätzen, die allesamt unterhalb der Hälfte der im Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern ausgewiesenen Tariflöhne liegen, ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Dies spräche ohne Weiteres für eine verwerfliche Einstellung des Beklagten. Jedenfalls müsse man nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgehen, dass sich der Beklagte leichtfertig der Erkenntnis verschlossen habe, dass ein derartiges auffälliges Missverhältnis zwischen der üblichen Vergütung und den von ihm gezahlten Stundensätzen vorliege. Es könne in diesem Zusammenhang auch davon ausgegangen werden, dass die einschlägigen Tariflöhne den Arbeitgebern bekannt seien, da sie für die Arbeitgeber einerseits von hohem Interesse, andererseits aber ohne besondere Schwierigkeit zu beschaffen seien. Deshalb sei der Marktwert der Arbeitsleistung zumindest erkennbar, insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - der als Vergleichsmaßstab herangezogene räumlich und fachlich einschlägige Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern auch die verkehrsübliche Vergütung in der Wirtschaftsregion Stralsund und Umgebung wiedergebe.

23

Bei der Höhe der nach § 115 SGB X übergegangenen noch nicht erfüllten Anteile der Arbeitsentgeltansprüche der benannten Arbeitnehmer auf die Klägerin seien die Freibetragsregelungen in den §§ 11 und 30 SGB II jedenfalls nicht zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen. Die genannten Freibetragsregelungen stellten keine Schutzvorschriften zugunsten von Arbeitgebern dar, die durch die Zahlung von sittenwidrigen Löhnen erst ihre Arbeitnehmer in die Zwangslage versetzten, bei der Klägerin einen Antrag auf ergänzende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II zu stellen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Sie seien nur zu Gunsten der erwerbstätigen Arbeitnehmer im Rahmen der Berechnung ihrer Hilfsbedürftigkeit anzuwenden. Für den Fall des Klageerfolges sei vorgesehen, den Anteil der Klagforderung, der nach §§ 11 Absatz 2, 30 SGB II den Arbeitnehmern gebühre, an diese auszukehren.

24

Die Klägerin beantragt unter Berücksichtigung der Teilklagerücknahme

25

1. das arbeitsgerichtliche Urteil, soweit die Klage abgewiesen wurde, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin weitere 4.364,91 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag in Höhe von 2.006,36 EUR seit dem 3. Juni 2009 und in Höhe von 2.305,51 EUR seit dem 8. Juli 2009 sowie auf weitere 53,04 EUR seit dem 1. August 2009 zu zahlen;

26

2. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

27

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

28

1. das arbeitsgerichtliche Urteil, soweit es den Beklagten belastet, abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen;

29

2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

30

Der Beklagte meint, die genannten Arbeitnehmer hätten gegen ihn keine offenen Vergütungsansprüche mehr, die nach § 115 Absatz 1 SGB X auf die Klägerin übergegangen sein könnten.

31

Die von ihm mit den Arbeitnehmern vereinbarten Vergütungen seien nicht sittenwidrig niedrig. Die Arbeitnehmer hätten die Arbeitsverträge mit ihm freiwillig und unter Kenntnis der Arbeitsbedingungen, insbesondere zu Arbeitszeit und Lohn, abgeschlossen. Sie hätten sich auch nicht in einer Zwangslage befunden, seien weder unerfahren gewesen noch litten sie unter mangelndem Urteilsvermögen oder einer erheblichen Willensschwäche. Der Beklagte habe daher keine Ausbeutungslage der Beschäftigen zu seinem Vorteil ausgenutzt. Den Beschäftigten sei es vielmehr möglich gewesen, sich eine andere Beschäftigung zu anderen Konditionen zu suchen. Dem Beklagten sei es jedenfalls nicht bewusst gewesen, dass die vereinbarten Vergütungen sittenwidrig niedrig seien, weshalb es ausgeschlossen sei, ihm eine verwerfliche Einstellung vorzuwerfen.

32

Die zwischen dem Beklagten und seinen Arbeitnehmern getroffene Vergütungsregelung sei jedenfalls nicht sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB, für einen Rückgriff auf die übliche Vergütung sei daher kein Raum.

33

Die insoweit beweisbelastete Klägerin habe es nicht vermocht schlüssig darzulegen, dass der von ihr herangezogene Tarifvertrag die übliche Vergütung widerspiegele. Die Klägerin habe selbst eingeräumt, dass sie nicht nachweisen könne, dass 50 Prozent der Arbeitgeber tarifunterworfen seien oder jedenfalls so viele Arbeitgeber tarifunterworfen seien, dass 50 Prozent der Arbeitnehmer nach Tarif bezahlt würden. Diese 50-Prozent-Marke sei vom Bundesarbeitsgericht als eine abschließende Definition eingeführt worden. Der von der Klägerin versuchte indirekte Beweis der Üblichkeit des Tariflohns über diverse statistische Daten sei daher nicht geeignet, den notwendigen Nachweis zu führen. Im Übrigen seien die Daten nicht verwertbar, da sie anonym erhoben bzw. mitgeteilt seien und daher vom Beklagten nicht überprüft werden könnten; mit Recht könne der Beklagte diese Daten daher mit Nichtwissen bestreiten. - Aus denselben Gründen würde das vorgelegte Zahlenmaterial auch nicht ausreichen, um zuverlässige Hinweise auf das allgemeine Lohnniveau in der Wirtschaftsregion zu geben.

34

Ergänzend steht der Beklagte auf dem Standpunkt, dass die Pizzafahrer nicht in die Tarifgruppe 4 einzugruppieren seien. Nach der Tarifgruppe 4 des in Bezug genommenen Tarifvertrages seien dort Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung im Tätigkeitsberuf ab dem 3. Berufsjahr sowie in der Regel angelernte Kräfte bei gleichartiger und gleichwertiger Tätigkeit ab dem 7. Berufsjahr einzureihen. Diese Anforderungen habe ein Pizzafahrer in seinem Betrieb nicht erfüllen müssen.

35

Schließlich bestreitet der Beklagte den von der Klägerin behaupteten Anspruchsübergang in der beschriebenen Höhe. Er vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass bei einem höheren Vergütungsanspruch nach den Regelungen der §§ 11 und 30 SGB II für die betreffenden Arbeitnehmer auch höhere Freibeträge anzurechnen gewesen seien.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

37

Beide Berufungen sind der Beschwer nach statthaft und unterliegen auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken. Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Die Berufung der Klägerin hat in geringem Umfang Erfolg, denn ihre Klage ist zwar zulässig, sie ist jedoch nur zum Teil begründet.

A.

38

Die Klage ist zulässig, die Klägerin ist zur Durchsetzung von übergegangenen arbeitsrechtlichen Ansprüchen der von ihr betreuten Kunden vor den Gerichten für Arbeitssachen als parteifähig im Sinne von § 50 ZPO anzusehen. Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist (§ 50 ZPO). Das trifft auf die Klägerin - jedenfalls soweit es die hier streitigen Ansprüche betrifft - zu.

39

Die Klägerin ist eine Arbeitsgemeinschaft im Sinne von § 44b SGB II. Nach § 44b Absatz 3 SGB II nimmt die Arbeitsgemeinschaft die Aufgaben der Bundesagentur als dem eigentlichen Aufgabenträger nach § 6 Absatz 1 SGB II wahr. Auf Basis des Vertrages über die Bildung dieser Arbeitsgemeinschaft hat auch die Hansestadt Stralsund auf die Klägerin die Aufgaben übertragen, deren Träger sie selbst ist. Die Arbeitsgemeinschaft ist vom Gesetzgeber mit beschränkter Rechtsfähigkeit ausgestattet worden, was sich indirekt dadurch ergibt, dass in § 44 Absatz 2 SGB II geregelt ist, wer die ARGE gerichtlich und außergerichtlich vertritt.

40

Diese beschränkte Rechtsfähigkeit zielt zwar in erster Linie darauf, im Rahmen der Aufgabenstellung Anträge zu bescheiden und damit zusammenhängende Streitigkeiten - gegebenenfalls auch vor Gericht - auszufechten. Da aber nach § 115 SGB X auf die ARGE auch zivilrechtliche Ansprüche übergehen können, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber ihr auch insoweit Rechtsfähigkeit zuerkennen wollte. In Anlehnung an die sozialgerichtliche Rechtsprechung zur Beteiligtenfähigkeit der Arbeitsgemeinschaften im Sinne von § 70 SGG (grundlegend BSG 7. November 2006 - B 7 b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 33 Nr. 1 RNr. 16, vgl. auch KSW/Spellbrink, § 6 SGB II RNr. 8) ist daher anzunehmen, dass die nach § 44b SGB II gebildeten Arbeitsgemeinschaften - und damit auch die Klägerin - auch vor den Gerichten für Arbeitssachen als Partei auftreten können, soweit sie Forderungen einklagen, die ihnen nach § 115 SGB X zugewachsen sind.

B.

41

Die Klage ist jedoch nur zu einem Teil begründet. Zwar hat die Klägerin den Umfang der vom Beklagten noch nicht erfüllten Arbeitsentgeltansprüche der fünf Arbeitnehmer im Wesentlichen richtig bestimmt. Die Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Beklagten sind jedoch, was das Arbeitsgericht bereits zutreffend herausgearbeitet hat, nur zu einem Teil auf die Klägerin nach § 115 SGB X übergegangen.

I.

42

Der beklagte Arbeitgeber hat die Entgeltansprüche der bei ihm beschäftigten hier betroffenen fünf Arbeitnehmer bisher nicht in vollem Umfang erfüllt. Die noch offenen Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer summieren sich auf 9.933,81 EUR.

43

Zwar hat der Beklagte das Entgelt bezahlt, das die Parteien vertraglich vereinbart hatten. Die vertragliche Entgeltabreden sind in allen Arbeitsverträgen jedoch nach § 138 Absatz 1 BGB nichtig, da die dort vereinbarten Vergütungssätze sittenwidrig niedrig sind. Nach § 138 Absatz 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Das trifft auf die Vergütungsabreden zu.

1.

44

Was der Gesetzgeber im Bereich der gegenseitigen Verträge - auf den Arbeitsvertrag zutreffend - als sittenwidrig ansieht, hat er in § 138 Absatz 2 BGB hinsichtlich des Wuchertatbestandes konkretisiert. Danach bedarf es in objektiver Hinsicht zunächst eines "auffälligen Missverhältnisses" zwischen Leistung und Gegenleistung, hier also eines auffälligen Missverhältnisses zwischen dem Wert der von den Arbeitnehmern erbrachten Arbeitsleistung und des als Gegenleistung dafür vom Beklagten versprochenen und gezahlten Entgelts. Der Wuchertatbestand nach § 138 Absatz 2 BGB setzt in subjektiver Hinsicht zusätzlich zwingend voraus, dass der Wucherer die beim anderen Teil bestehende Ausbeutungslage (Zwangslage, Unerfahrenheit und die anderen im Gesetz benannten Umstände) ausnutzt, also sie sich in Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen bewusst zunutze macht (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - AP Nr. 64 zu § 138 BGB = DB 2009, 1599 = NZA 2009, 837).

45

Liegt zwar in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Wucherer eine der in § 138 Absatz 2 BGB näher bezeichneten Ausbeutungslage ausgenutzt hat, liegt zwar kein Wuchergeschäft im Sinne von § 138 Absatz 2 BGB vor.

46

Gleichwohl kann das Geschäft nach § 138 Absatz 1 BGB als sogenanntes "wucherähnliches Geschäft" sittenwidrig sein. Das ist dann der Fall, wenn in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und subjektiv weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, zum Beispiel eine verwerfliche Einstellung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten. Eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten ist schon dann zu bejahen, wenn er sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sein Vertragspartner sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf den ungünstigen Vertrag eingelassen hat. In diesem Zusammenhang spricht bereits ein besonders auffälliges und krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ohne Weiteres für eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten; das gilt jedenfalls dann, wenn das objektiv bestehende krasse Missverhältnis den hinreichend sicheren Schluss zulässt, der Begünstigte habe sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen, es liege ein solches Missverhältnis vor (BAG aaO unter Hinweis auf BGH 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - NJW 2002, 55, 56 = DB 2001, 2285 = MDR 2001, 1105). Das ist hier der Fall.

47

Die Feststellung eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung setzt zunächst voraus, dass man eine Einheit findet, nach der man den Vergleich vornehmen kann. Diese Einheit wird hier in dem Stundenlohn gesehen, also in dem Verdienst, der dem Arbeitnehmer pro Stunde an geleisteter Arbeit zusteht. Diese Einheit ist für den notwendigen Vergleich zwischen dem tatsächlichen und dem üblichen Einkommen geeignet, da es die übliche Einheit ist, in der man im unteren Einkommenssegment üblicherweise die Höhe des Einkommens aus Arbeit bemisst.

2.

48

Der Wert der Arbeitsleistung der vom Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer bemisst sich nach den Vergütungssätzen aus den Entgelttarifverträgen für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern, abgeschlossen zwischen dem deutschen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA (Landesverband Mecklenburg-Vorpommern), Schwerin, und der Gewerkschaft Nahrung - Genuss - Gaststätten (NGG), Landesbezirk Nord, Kiel (zukünftig abgekürzt als ETV MV bezeichnet), denn in ihnen drückt sich - jedenfalls in den unteren tariflichen Entgeltgruppen - die übliche Vergütung für Arbeitnehmer in der Gastronomie in Mecklenburg-Vorpommern aus, und der Betrieb des Beklagten gehörte zum Gastgewerbe.

a)

49

Der Wert der Leistung im Sinne von § 138 BGB meint den objektiven Wert der Arbeitsleistung. Früher hat die Rechtsprechung versucht, den objektiven Wert analytisch aus den Anforderungen an die Arbeit abzuleiten, also zum Beispiel anhand der Dauer der Arbeit, deren Schwierigkeitsgrad oder der dafür erforderlichen körperlichen und geistigen Beanspruchung (BAG 11. Januar 1973 - 5 AZR 322/72 - AP Nr. 30 zu § 138 BGB = DB 1973, 727 = SAE 1974, 33).

50

In den letzten Jahren ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zwar bei dem Begriff des objektiven Wertes verblieben, hat sich aber von einer analytischen Bewertung verabschiedet und bestimmt heute den Wert der Arbeitsleitung ausschließlich nach ihrem Marktwert, also dem (verkehrs-)üblichen Wert der Arbeitsleistung wie er sich aus tariflichen Regelungen oder aus anderen Erkenntnisquellen ergeben kann. Unerheblich ist dagegen sowohl der Wert, den die Arbeitsleistung für den Arbeitgeber hat (sog. Aneignungswert) als auch ein wie auch immer abgeleiteter normativer Wertbegriff, den man aus dem Sozialhilfeniveau, den Pfändungsfreigrenzen oder anderen normativen Quellen abzuleiten versucht (vgl. zu ersterem BAG 22. April 2009 aaO und zur Ablehnung des normativen Wertbegriffs BAG 24. März 2004 - 5 AZR 303/03 - BAGE 110, 79 = AP Nr. 59 zu § 138 BGB = DB 2004, 1432).

51

Vom gedanklichen Ansatz her geht man also bei der Bestimmung des Wertes der Arbeitsleistung heute genauso vor wie in dem Fall, in dem die Arbeitsvertragsparteien es verabsäumt haben, eine Lohnabrede im Arbeitsverhältnis zu treffen, und dann nach § 612 Absatz 2 BGB die taxmäßige Vergütung oder die übliche Vergütung zu ermitteln ist, da diese nach dieser Norm dann als vereinbart gilt. Taxierte Vergütungen gibt es im Arbeitsrecht praktisch nicht. Unter einer taxmäßigen Vergütung versteht man eine durch öffentlich-rechtliche Normen vorgegebene Vergütung. Staatliche Normen, die die Vergütung im Streitfall vorgeben, sind nicht ersichtlich. Also ist auf die übliche Vergütung abzustellen.

52

Die übliche Vergütung ist die Vergütung, die für den betrachteten Teil des Arbeitsmarktes prägend ist. Das setzt voraus, dass die Vergütung in einer erheblichen Anzahl von Arbeitsverhältnissen tatsächlich vereinbart ist. Die übliche Vergütung kann daher nicht ohne Weiteres mit der statistisch ermittelten durchschnittlichen Vergütung auf dem betrachteten Teilarbeitsmarkt gleichgesetzt werden, denn der rein rechnerisch ermittelte durchschnittliche Stundenlohn in einer Branche braucht in keinem einzigen Arbeitsverhältnis tatsächlich vereinbart zu sein.

53

Ausgangspunkt für die Ermittlung der üblichen Vergütung sind im Arbeitsverhältnis in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 aaO sowie zuvor schon BAG 24. März 2004 - 5 AZR 303/03 - aaO und BAG 11. Januar 1973 - 5 AZR 321/72 - AP Nr. 110 zu Art. 3 GG = DB 1973, 728 = AuR 1973, 87).

54

Ob das Bundesarbeitsgericht sich mit der gewählten Formulierung der von der Klägerin und Teilen der Literatur vertretenen Meinung anschließen wollte, nach der dem Tarifvertrag eine Art Indiz- oder Vermutungswirkung zukomme, die vom Arbeitgeber widerlegt werden müsse (so Reinecke: Vertragskontrolle im Arbeitsverhältnis, NZA-Beilage 2000, Heft 3, Seite 23, 33; Preis in ErfK § 612 BGB RNr. 38: "im Regelfall ist die tarifliche Vergütung die übliche Vergütung", ähnlich auch das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung; vgl. auch ArbG Wuppertal 24.07.2008 - 7 Ca 1177/08), ist nicht ganz klar. Für die Entscheidung des Gerichts kann offen bleiben, ob die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts so gemeint ist, denn vorliegend kann sogar positiv festgestellt werden, dass die tarifliche Vergütung die übliche Vergütung darstellt.

b)

55

Die Üblichkeit der Tarifvergütung kann ohne Weiteres angenommen werden, wenn mehr als 50 Prozent der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen (BAG 22. April 2009 aaO). Mit dieser Überlegung lässt sich hier nicht feststellen, dass der von der Klägerin herangezogene Flächentarifvertrag zwischen der DEHOGA MV und der Gewerkschaft NGG (ETV MV) Ausdruck der verkehrsüblichen Vergütung ist.

56

Denn nach den Erkenntnissen der Verdienststrukturerhebung 2006 gab es im Referenzmonat Oktober 2006 im Gastgewerbe Mecklenburg-Vorpommern lediglich 1.762 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, in deren Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag zur Anwendung kam, während es 6.214 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer gab, bei denen das nicht der Fall war (vgl. Statistische Berichte des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern vom 5. Februar 2009 zum Thema "Verdienststrukturerhebung in Mecklenburg-Vorpommern 2006", S. 25, zitiert nach der auf der Internetseite des Amtes veröffentlichten pdf-Datei - hier abgekürzt mit VSE 2006 zitiert). Es sind keine Indizien dafür vorhanden, dass sich die Verhältnisse bei Einbeziehung aller Beschäftigter, also auch der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, des Gastgewerbes anders darstellen würde. Es gibt auch keine Indizien dafür, dass sich die Verhältnisse zwischen Oktober 2006 und heute wesentlich verschoben hätten.

c)

57

Die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts zur 50-Prozent-Marke dürfen aber nicht dahin missverstanden werden, dass der Tarifvertrag nur dann Ausdruck der verkehrsüblichen Vergütung sein könne, wenn eines der beiden genannten Kriterien erfüllt ist. Vielmehr kann sich die Erkenntnis, dass der im Wirtschaftszweig maßgebliche Tarifvertrag Ausdruck der verkehrsüblichen Vergütung ist, auch aus anderen Erkenntnisquellen ergeben. So liegen die Dinge hier.

58

Denn der Tariflohn und der sich aus der VSE 2006 ergebene Durchschnittslohn im Gastgewerbe in Mecklenburg-Vorpommern liegt jedenfalls in den hier bedeutsamen unteren Lohngruppen in den streitrelevanten Jahren 2007 bis 2009 so nahe beieinander, dass aus der Höhe des statistischen Durchschnittslohn auf die prägende Kraft des Tarifvertrages geschlossen werden kann und muss.

59

Die Verdienststrukturerhebung (früher: Gehalts- und Lohnstrukturerhebung) wird alle 4 Jahre durchgeführt und sie basiert inzwischen auf dem Gesetz über die Statistik der Verdienste und Arbeitskosten (Verdienststatistikgesetz - VerdStatG) vom 21.12.2006, das das Lohnstatistikgesetz abgelöst hat. Sie ist eine repräsentative Stichprobenerhebung mit Auskunftspflicht der befragten Arbeitgeber. Die Stichprobe wird zweistufig gezogen. Auf der 1. Stufe werden die Betriebe geschichtet nach Bundesland, Wirtschaftszweig und Betriebsgrößenklasse ausgewählt. Auf der 2. Stufe werden innerhalb des Betriebes die Arbeitnehmer zufällig ausgesucht. Zur Datenbasis heißt es in der aus den Angaben der Länder zusammengeführten Bundesstatistik zur Verdienststrukturerhebung 2006 (im Internet unter destatis.de veröffentlicht) in der Erläuterung der methodischen Grundlagen: "Die Erhebung wird als Stichprobe bei 34 000 Betrieben mit 10 und mehr Beschäftigten (zum Zeitpunkt der Stichprobenziehung) durchgeführt. Diese Betriebe beziehen bundesweit rund 1.800.000 Beschäftigte aus dem Produzierenden Gewerbe und den Wirtschaftsabschnitten Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe, Gastgewerbe, Verkehr ... ein. Hinzu kommen ca. 1.400.000 Arbeitnehmer aus der Personalstandstatistik für den Wirtschaftsabschnitt Erziehung und Unterricht." Da in der Bundesrepublik um die 35 Mill. Arbeitnehmer tätig sind, liegen der Statistik also die Einkommensverhältnisse von fast 10 Prozent der Arbeitnehmer der Bundesrepublik zu Grunde. Die Sorge des Beklagten, die VSE 2006 sei möglicherweise nicht repräsentativ, ist daher nicht berechtigt.

60

Nach § 4 Absatz 1 Nr. 6 lit. f VerdStatG wird auch die "Vergütungs- oder Leistungsgruppe" als Element des Arbeitsverdienstes erhoben. Zu diesem Zwecke werden 5 Leistungsgruppen unterschieden, die ähnliche wie tarifliche Normen für jede Stufe die notwendigen bzw. typischen Kenntnisse und Fähigkeiten, die der Arbeitnehmer besitzen muss, beschreiben. Die Leistungsgruppe 5 umfasst einfachste Arbeiten für ungelernte und angelernte Arbeitnehmer, die Leistungsgruppe 3 umfasst die Arbeitnehmer mit Berufsausbildung in den ersten Berufsjahren und die Leistungsgruppe 1 umfasst die Spitzenpositionen. Außerdem wird der Wirtschaftszweig, dem der Betrieb angehört, erhoben (§ 4 Absatz 1 Nr. 1 VerdStatG).

61

Aus der Verdienststrukturerhebung 2006 (VSE 2006) ergibt sich auf dieser Basis für das Gastgewerbe in Mecklenburg-Vorpommern in der Leistungsgruppe 5 ("Ungelernte Arbeitnehmer mit einfachen, schematischen Tätigkeiten oder isolierten Arbeitsvorgängen, für deren Ausübung keinen berufliche Ausbildung erforderlich ist. Das erforderliche Wissen und die notwendigen Fertigkeiten können durch Anlernen von bis zu drei Monaten vermittelt werden" - vgl. VSE 2006, S. 8) im Referenzmonat Oktober 2006 ein Durchschnittslohn in Höhe von 5,39 EUR (VSE 2006 S. 27). Für die Leistungsgruppe 4 ("Angelernte Arbeitnehmer mit überwiegend einfachen Tätigkeiten, für deren Ausführung keine berufliche Ausbildung, aber besondere Kenntnisse und Fertigkeiten für spezielle, branchengebundene Aufgaben, erforderlich sind. Die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten werden in der Regel durch eine Anlernzeit von bis zu 2 Jahren erworben." - VSE 2006, S. 8) ergibt sich im Referenzmonat Oktober 2006 ein Durchschnittslohn in Höhe von 6,55 EUR (VSE 2006 S. 27).

62

Die Entgelttarifverträge zwischen der DEHOGA, Landesverband Mecklenburg-Vorpommern und der Gewerkschaft NGG (ETV MV) sehen keine Stundenlöhne sondern nur Monatslöhne vor. Nach § 3 Nr. 1 des Manteltarifvertrages vom 30. April 2003 beträgt die monatliche Arbeitszeit genau 173 Stunden. Aus dem Tariflohn der Tarifgruppe 1 (§ 3 ETV MV: "Einfache Tätigkeiten - Arbeitnehmer / innen mit Tätigkeiten, die keine fachlichen Kenntnisse erfordern") für das Jahr 2007 in Höhe von 887,00 EUR brutto errechnet sich demnach ein Stundenlohn für das Jahr 2007 in Höhe von 5,13 EUR brutto. Durch den Entgelttarifvertrag aus Dezember 2007 erhöhte sich in dieser Tarifgruppe das Einkommen ab dem 1. Januar 2008 auf 914,00 EUR, was einen Stundenlohn in Höhe von 5,28 EUR ergibt, und am 1. Januar 2009 auf 932,00 EUR, was einen Stundenlohn in Höhe von 5,39 EUR ergibt. Alle Stundenlohnangaben sind auf zwei Nachkommastellen kaufmännisch gerundet angegeben. Die Abweichung der hier ermittelten Stundenlöhne von den Angaben der Klägerin und den vom Arbeitsgericht zu Grunde gelegten Werten ergeben sich daraus, dass beide wohl von einer 40-Stunden-Woche (173,33 Monatsstunden) im Gastgewerbe ausgegangen sind, woraus sich rechnerisch geringfügig geringere Stundenlöhne errechnen.

63

Die tarifliche Entgeltgruppe 1 aus § 3 ETV MV und die Leistungsgruppe 5 aus der amtlichen Statistik beziehen sich auf denselben Kreis von Arbeitnehmern und Arbeitsverhältnissen. Beide Gruppen umfassen die jeweils niedrigsten Arbeiten, die keine Ausbildung und keine bzw. nur eine geringfügige Anlernzeit voraussetzen. Diese Feststellung wird indirekt durch die vom Statistischen Bundesamt vorgenommene Zuordnung der Tarifgruppen zu den Leistungsgruppen der VSE 2006 bestätigt. Ausweislich der Angaben aus der dortigen Online-Tarifdatenbank zum hiesigen Tarifvertrag (dort der Tarifvertrag mit der Nummer TV 55101150) werden Arbeitnehmer der Tarifgruppe 1 der Leistungsgruppe 5 zugeordnet. Damit sind beide Gruppen vergleichbar, und es ist die Aussage erlaubt, dass das statistisch erhobene durchschnittliche Monatseinkommen für einfache Tätigkeiten im Gastgewerbe in Mecklenburg-Vorpommern und der Tariflohn nahezu gleich sind. Die Differenz zwischen Tariflohn und Durchschnittslohn beträgt rechnerisch ungefähr fünf Prozent. Für genauere Angaben müsste man die Werte aus der VSE 2006, die ja nur ein Schlaglicht auf die Verhältnisse im Oktober 2006 setzen, anhand der allgemeinen Lohnentwicklung in der Branche fortschreiben und die fortgeschriebenen Werte mit den Tariflöhnen vergleichen. Eine solche Detailgenauigkeit ist aber für die hier vom Gericht gezogenen Folgerungen nicht erforderlich.

64

Denn das Gericht möchte aus dem Umstand, dass der Tariflohn der untersten Tarifgruppe des Entgelttarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe leicht unterhalb des statistisch ermittelten Durchschnittslohns im Gastgewerbe liegt, lediglich folgern, dass der Tarifvertrag in dieser Tarifgruppe die übliche Vergütung im Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern widerspiegelt. Denn wenn der statistisch erhobene Durchschnittslohn praktisch dieselbe Höhe erreicht wie der Tariflohn, ist dies ein indirektes aber sehr starkes Indiz dafür, dass der Tarifvertrag die Lohnfindung in der Branche prägt. - Ob die marginalen Unterschiede zwischen der Statistik und dem Tariflohn ausreichen würden, um den Nachweis zu führen, dass der übliche Lohn hier im Lande sogar oberhalb des Tarifniveaus liegt, kann hier dahinstehen, da die Klägerin für ihre Berechnungen (lediglich) den Tariflohn zu Grunde gelegt hat.

65

Ähnliches kann für die Löhne aus der Tarifgruppe 2 aus § 3 ETV MV festgestellt werden. Der Tariflohn der Tarifgruppe 2 ("Angelernte Tätigkeiten - Arbeitnehmer/innen mit geringen fachlichen Kenntnissen und Arbeitnehmer/innen der ETV-Gruppe 1, die erhöhten Belastungen und besonderen Erschwernissen unterliegen") war für das Jahr 2007 in Höhe von 971,00 EUR festgesetzt, woraus sich ein Stundenlohn von Höhe von 5,61 EUR ergibt. Aufgrund des vorerwähnten Entgelttarifvertrages aus Dezember 2007 beträgt das Monatsentgelt in dieser Entgeltgruppe seit dem 1. Januar 2008 nun 1.000,00 EUR, was einen Stundenlohn in Höhe von 5,78 EUR ergibt, und seit 1. Januar 2009 nun 1.020,00 EUR, was einen Stundenlohn in Höhe von 5,90 EUR ergibt (alle Stundenlohnangaben sind auf zwei Nachkommastellen kaufmännisch gerundet angegeben).

66

Der nach VSE 2006 ermittelte Durchschnittslohn in der Leistungsgruppe 4 im Referenzmonat Oktober 2006 liegt zwar mit 6,55 EUR deutlich über den tariflichen Werten. Das stellt aber nicht die gerichtliche Feststellung in Frage, dass man von dem statistisch ermittelten Durchschnittslohn auf die Üblichkeit der Tarifvergütung schließen kann. Dabei ist zunächst einmal hervorzuheben, dass auch in der VSE 2006 selbst die Arbeitnehmer der Tarifgruppe 2 der Leistungsgruppe 4 zugeordnet werden (vgl. die Angaben in der bereits oben erwähnten Tarifdatenbank auf destatis.de). Auch die textliche Umschreibung der beiden Gruppen im Tarifvertrag einerseits und in der VSE 2006 andererseits sprechen dafür, dass damit dieselbe Arbeitnehmergruppe erfasst wird. Dass die VSE-Werte so deutlich oberhalb des Tarifniveaus liegen, erklärt sich aus der Sicht des Gerichts dadurch, dass die VSE 2006 lediglich 5 verschiedenen Stufen kennt, während der Tarifvertrag insgesamt 10 Stufen kennt (§ 2 ETV MV). Daher sind in der Leistungsgruppe 4 der VSE 2006 auch Arbeitnehmer erfasst, die nach dem Tarifvertrag schon einer höheren Tarifgruppe zuzuordnen wären.

d)

67

Auch die weiteren Erkenntnisse aus der VSE 2006 sprechen nicht gegen die hier gezogenen Folgerungen. Im Rahmen der Verdienststrukturerhebung wird auch ermittelt, welche durchschnittlichen Löhne in einer Branche - gemittelt über alle Leistungsgruppen - gezahlt werden, wobei nach gegebener oder fehlender Tarifbindung unterschieden wird ("Bruttomonatsverdienste nach Wirtschaftszweig und Tarifbindung im Oktober 2006"). Danach liegt der Bruttostundenverdienst (gemittelt über alle Leistungsgruppen) ohne Tarifbindung bei 8,37 EUR und mit Tarifbindung bei 9,52 EUR (VSE 2006, S. 25).

68

Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die Löhne des ETV MV oberhalb des allgemeinen Lohnniveaus im Wirtschaftsgebiet liegen. Denn es muss beachtet werden, dass im Gastgewerbe neben dem ETV MV weitere Tarifverträge gelten, die vielfach deutlich bessere Vergütungen vorsehen. Beispielhaft wurde in der mündlichen Verhandlung vom Gericht der Bundestarifvertrag für die Systemgastronomie angeführt, der im Vergleich der beiden jeweils niedrigsten Tarifgruppen im Jahre 2009 mit 6,56 EUR brutto ungefähr 20 Prozent über dem Wert aus dem ETV MV (5,39 EUR) liegt. Auch die Tarifverträge der Verkehrsgastronomie, soweit sie hier bekannt sind, liegen alle deutlich über dem Lohnniveau des ETV MV. Soweit die großen Hotels im Lande über ihre Einbindung in Hotelketten an Tarifverträge gebunden sind oder eigene Tarifverträge abgeschlossen haben (zum Beispiel Neptun Hotel in Rostock), liegen auch diese deutlich über dem Lohnniveau des ETV MV.

69

Der in der VSE 2006 ausgewiesene Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Lohn in Betrieben mit und ohne Tarifbindung kann daher nicht auf den hier betrachteten ETV MV zurückgeführt werden. Es bleibt daher bei der aus der Detailbetrachtung der Verdienste nach Leistungsgruppen im Gastgewerbe gezogenen Folgerung, dass der Tariflohn nach ETV MV in den unteren beiden Tarifgruppen genau dem Durchschnittslohn der Branche trifft oder sogar leicht darunter liegt. Diese Erkenntnis wird indirekt auch durch die weitere Tarifentwicklung hier im Lande bestätigt. Denn die Tarifvertragsparteien haben im Oktober 2010 einen neuen Entgelttarifvertrag verabschiedet mit Lohnsteigerungen, die weit oberhalb der in diesem Jahr in anderen Branchen beobachtbaren Werte liegen. So ist nicht nur die Tarifgruppe 1 insgesamt abgeschafft worden, die Entgelte in allen Tarifgruppen sind zudem linear um fünf Prozent angehoben worden. Wenn die Tarifvertragsparteien aber erkannt haben, dass in der Lohnentwicklung offensichtlich ein Nachholbedarf bestanden hat, wird man im Umkehrschluss aber auch davon ausgehen dürfen, dass die hier wichtigen Tariflöhne in den Jahren 2007 bis 2009 entweder den üblicherweise gezahlten Lohn widerspiegelten oder sogar noch etwas unterhalb des üblichen Niveaus lagen.

e)

70

Der Beklagte muss sich bei seinen Entgeltabreden an dem Tariflohn messen lassen, denn er fällt mit seinem Betrieb in den Geltungsbericht des vorerwähnten Tarifvertrages. Nach § 1 ETV MV gilt der Tarifvertrag fachlich "für alle Betriebe, die gewerbsmäßig Reisende beherbergen, den Verkauf von Speisen und/oder Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle betreiben, einschließlich Eisdielen... sowie Trinkhallen, Imbissstände, Fischbratküchen, Vereinshäuser, Erholungsheime, Selbstbedienungsrestaurants, Handels,- System-, Fast-food-Gastronomie, Catering usw." Der Betrieb, den der Beklagte unterhalten hatte, unterfiel dem fachlichen Geltungsbereich, denn der Betrieb umfasste auch ein Restaurant, in dem Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle dargeboten wurden. Das Gericht hatte im ersten Teil der mündlichen Verhandlung ausdrücklich die Frage angesprochen, ob der Betrieb vom Geltungsbereich erfasst ist, da hier über den Umfang des Restaurantbetriebes im Vergleich zum Umfang des Lieferservice nichts bekannt ist. Diese Argument ist vom Beklagten nicht durch weiteren Tatsachenvortrag aufgegriffen worden, so dass man davon ausgehen muss, dass der Betrieb des Beklagten wegen des dort unterhaltenen Restaurants auf jeden Fall unter den fachlichen Geltungsbereich des TV fällt.

f)

71

Der von der Beklagten geforderte Sonderstatus als Kleinstbetrieb mit unter 10 Arbeitnehmern kann nicht anerkannt werden. Zum einen hat die Beklagte an keiner Stelle der Akte einmal ausdrücklich erklärt, wie viele Arbeitnehmer in seinem Betrieb beschäftigt waren. Zum anderen kann aber auch nicht anerkannt werden, dass es einen Sonderarbeitsmarkt für Kleinstbetriebe gibt, auf dem die Einkommen schlechter sind als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt der Branche. Denn dazu liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Schon die Ergebnisse der amtlichen Statistik aus der VSE 2006 stehen dem entgegen. Denn die Branche ist hier im Lande geradezu geprägt durch Klein- und Kleinstbetriebe. Und dennoch weist die Statistik ein durchschnittliches Einkommen in der untersten Stufe aus, das nominell sogar leicht über dem tariflichen Einkommen liegt. Im Übrigen gilt es zu betonen, dass sich die Arbeitgeber des gesamten Gastgewerbes unabhängig von der Betriebsgröße desselben Arbeitsmarkts zur Versorgung mit Arbeitskräften bedienen müssen, was zur Folge hat, dass die Einkommen vergleichbar bleiben.

72

Mit gewissen Recht weist der Beklagte zwar darauf hin, dass der VSE 2006 nur Daten zu Grunde liegen, die in Betrieben mit 10 oder mehr Arbeitnehmern erhoben wurden. Damit ist aber noch nicht die Folgerung möglich, dass die erhobenen Zahlen keine Aussagekraft für Betriebe mit unter 10 Arbeitnehmern hat. Denn die Erhebungsgrenze dient nicht der Abgrenzung in der Realität beobachtbarer verschiedener Teilarbeitsmärkte, sondern sie ist lediglich dem Zwang geschuldet, Aufwand und Nutzen bei der Datenerhebung sowohl für das Amt als auch für die zur Mitwirkung verpflichteten Arbeitgeber im Rahmen zu halten. Die Vorstellung, in Kleinstbetrieben würden geringere Vergütungen erzielt, als in der übrigen Branche, ist im Übrigen spekulativ geblieben und kann daher der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden.

g)

73

Ob man - wie vom Beklagten gewünscht - innerhalb des räumlichen Geltungsbereiches eines Tarifvertrages nochmals Teilarbeitsmärkte in Hinblick auf die Besonderheiten einer bestimmten Region im Tarifgebiet unterscheiden muss, kann für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits dahinstehen. Denn es kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass es für die Hansestadt Stralsund im Gastgewerbe einen Arbeitsmarkt gibt, auf dem signifikant niedrigere Löhne üblich sind als im übrigen Tarifgebiet.

74

Die denkbaren Sachgesichtspunkte halten sich die Waage. Es mag zwar sein, dass es zwischen dem westlichen und dem östlichen Teil des Bundeslandes Einkommensunterschiede gibt. Aber ergänzend müsste bei einer solchen Differenzierung gewürdigt werden, dass die Beklagte ihren Betrieb im städtisch geprägten Stralsund betrieben hatte, und ebenso Einkommensunterschiede im Vergleich von Städten und Landkreisen bestehen. Soweit zu dieser Frage Zahlenmaterial vorliegt, spricht dies sogar eher gegen die Vorstellung, es gäbe einen regionalen Teilarbeitsmarkt Stralsund, auf dem ein insgesamt niedrigeres Lohnniveau zu verzeichnen sei. So hat das statistische Landesamt im Juni 2010 eine Statistik über das Einkommensniveau in den Städten und Landkreisen des Landes im Jahre 2008 veröffentlicht, wonach in allen sechs kreisfreien Städten des Landes, also auch in Stralsund, das durchschnittliche Arbeitnehmereinkommen um bis zu 9 Prozent über dem durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen im gesamten Land lag. Stralsund mit einem Index von 107,5 (landesweites Durchschnittseinkommen = 100) lag sogar an Platz 2 der Einkommensskala. Auch die Platzierung der sechs kreisfreien Städte lässt keine Rückschlüsse auf ein systematisches West-Ost-Gefälle zu. Dasselbe Bild ergibt sich bei einem Vergleich der Einkommen in den Landkreisen, die Indexzahlen von 87,4 bis 102 aufweisen. Gestaffelt nach dem erreichten Einkommensniveau ergibt sich eine bunte Reihe von Landkreisen aus dem östlichen wie dem westlichen Landesteil, ohne das irgendwie eine Regel erkennbar ist.

h)

75

Nach dem insoweit also maßgeblichen ETV MV beträgt die übliche Vergütung für Küchenhilfen in der Tarifgruppe 1 nach § 3 ETV MV (Frau Ka. und Frau Wi.) ausgedrückt in einem Stundenlohn 5,13 EUR brutto (2007), 5,28 EUR brutto (2008) und 5,39 EUR brutto (2009).

76

Die Kellnerin Frau Ku. ist von der Klägerin der Tarifgruppe 2 aus § 3 ETV MV zugeordnet worden. Bezüglich der Bewertung der Tätigkeit der Frau Ku. macht sich das Berufungsgericht die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zu Eigen. Möglicherweise wäre insoweit sogar eine noch bessere Eingruppierung möglich gewesen. Das kann hier aber dahinstehen, da die Klägerin den Gegenstand ihrer Klage bestimmt und nicht das Gericht. Für die Eingruppierung in die von der Klägerin zu Grunde gelegte Tarifgruppe 2 spricht zumindest der Zuschnitt des Betriebes des Beklagten, der wohl nicht darauf angewiesen war, zur Erfüllung seines Betriebszwecks eine voll ausgebildete Kellnerin zu beschäftigen.

77

Der übliche Lohn für Arbeiten der Tarifgruppe 2 des ETV MV beträgt ausgedrückt in einem Stundenlohn 5,61 EUR brutto (2007), 5,78 EUR brutto (2008) und 5,90 EUR brutto (2009).

78

Auch die beiden Pizzafahrer sind der Tarifgruppe 2 zuzuordnen. Das Arbeitsgericht hat diese Arbeitnehmer nur der Tarifgruppe 1 aus § 3 ETV MV zugeordnet. Dieser Bewertung schließt sich das Berufungsgericht nicht an. In die Tarifgruppe 1 fallen nach § 2 ETV MV Arbeitnehmer mit Tätigkeiten, die keine fachlichen Kenntnisse erfordern. Als Beispiele sind im Positionsraster in § 4 ETV MV aufgeführt die Manglerin, die Garderobefrau, die Toilettenfrau, Nachtwachen, Hausdiener, Garagenwächter und ähnliche Funktionen.

79

Die Aufgabe des Pizzaauslieferungsfahrers fällt nicht in die Bewertungsgruppe 1, da der Auslieferungsfahrer fachliche Kenntnisse auf den verschiedensten Gebieten benötigt. Er muss zum einen eine Fahrerlaubnis besitzen, deren Erwerb an sich schon eine erhebliche Bildungsinvestition ist. Außerdem tätigt er für seinen Arbeitgeber Bargeschäfte mit den Kunden und muss daher zumindest über kaufmännische Grundkenntnisse (und eine dem entsprechende Zuverlässigkeit) verfügen. Schließlich transportiert er leicht verderbliche Speisen und muss daher über Kenntnisse verfügen, wie er sicherstellen kann, dass die Speisen auf dem Weg vom Betrieb zum Kunden nicht durch Abkühlen, unsachgemäße Lagerung oder sonstige Einflüsse verdorben werden. Letztlich benötigt ein Pizzaauslieferungsfahrer wie eine Servierkraft auch gewisse kommunikative Fähigkeiten, um ein Gespräch mit dem Kunden führen zu können.

80

Der Pizzaauslieferungsfahrer ist vielmehr der Bewertungsgruppe 2 aus § 3 ETV MV zuzuordnen. Dieser Bewertungsgruppe gehören nach dem Text des Tarifvertrages unter anderem Arbeitnehmer mit geringen fachlichen Kenntnissen an. Nach dem Positionsraster in § 4 ETV MV gehören dazu beispielsweise Telefonisten, Hotel-Portiers, Wäschebeschließer, Näher, Bügler, Restaurantkassierer, Hausmeister sowie der oder die Serviererin ("angelernt/ungelernt"). Es handelt sich also um typische Anlerntätigkeiten, die jedoch noch keine Berufsausbildung voraussetzen.

81

Das Gericht sieht den Pizzaauslieferungsfahrer hier als eine atypisch tätige Servierkraft an, die die Speisen nicht innerhalb des Betriebes von der Küche zum Tisch im Gastraum befördert, sondern vom Betrieb zur Haustür des Kunden. Dass die beiden Pizzafahrer hier zutreffend eingestuft sind, ergibt sich auch aus der Nähe dieser Tätigkeit zum Restaurantkassierer. Das Positionsraster in § 4 ETV sieht zwar sowohl für die Servierkraft als auch für den Restaurantkassierer die Zuordnung zur Bewertungsgruppe 2 nur als unterste Stufe vor, die durch eine Bandbreite bis zur Stufe 4 oder gar 5 erweitert ist. Ein Aufrücken innerhalb der Bandbreite scheitert jedoch hier an den bescheidenen Verhältnissen des Betriebes des Beklagten. Innerhalb der denkbaren Bandbreite von Betrieben des Gastgewerbes ist der hier betrachtete Betrieb ein einfachster kleiner Betrieb, der sich in einer kleinen Marktnische durch Anpassung des Betriebsmodells an die Kaufkraft der Kunden einige Zeit gehalten hat.

82

Der Wunsch der Klägerin, die beiden Pizzafahrer der Bewertungsgruppe 4 aus § 3 ETV MV zuzuordnen, weil § 4 ETV MV ein Positionsraster ausweist, in dem unter "V. Sonstige Dienstleistungen" der Kraftfahrer mit einer Zuordnung zu den Bewertungsgruppen 4 oder 5 auftaucht, lässt sich rechtlich nicht begründen.

83

Maßgeblich für die Eingruppierung sind die in § 3 ETV MV aufgestellten 10 Bewertungsgruppen. Das ergibt sich zwingend aus § 2 ETV MV, wo es heißt, dass für die Einordnung in die einzelnen Bewertungsgruppen die ausgeübte Tätigkeit maßgeblich sei. Wenn aber der Tarifvertrag auf die Tätigkeiten und nicht auf die Berufsbezeichnung oder die Benennung der Position im Betrieb abstellt, ist § 3 ETV MV für die Eingruppierung maßgeblich. Das Positionsraster in § 4 ETV MV hat demgegenüber nicht einmal die Funktion von Regelbeispielen. Vielmehr handelt es sich um eine typisierende Bewertung betrieblicher Funktionen, die für Standardfälle eine analytische Bewertung des Arbeitsplatzes überflüssig machen kann. Das Positionsraster ist aber nicht dazu geeignet, die Subsumtion unter die Bewertungsgruppen aus § 3 ETV MV zu ersetzen.

84

Gemessen an den allgemeinen Bewertungsmerkmalen der Gruppe 4 aus § 3 ETV MV, fällt die Arbeit als Pizzaauslieferungsfahrer nicht unter dieses Eingruppierungsmerkmal. Das Merkmal lautet: "Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung im Tätigkeitsberuf ab dem 3. Berufsjahr sowie in der Regel angelernte Kräfte bei gleichartiger und gleichwertiger Tätigkeit ab dem 7. Berufsjahr." Es ist weder dargelegt, dass Herr Ol. oder Herr Fi. eine Ausbildung als Berufskraftfahrer besitzen, noch ist dargelegt, dass sie als angelernte Kräfte bereits seit mehr als 7 Jahren wie ein Berufskraftfahrer eingesetzt werden. Zudem ist nicht ersichtlich, dass für die Arbeitsaufgabe eines Pizzaauslieferungsfahrers die Berufsausbildung als Berufskraftfahrer notwendig ist.

85

Aus ähnlichen Erwägungen kommt eine Zuordnung zur Tarifgruppe 3 aus § 3 ETV MV nicht in Betracht, da auch diese für Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung vorgesehen ist.

3.

86

Die vom Beklagten tatsächlich gezahlte Vergütung bleibt weit hinter der üblichen Vergütung zurück. Der Beklagte hat Stundenlöhne zwischen 1,70 EUR und 2,67 EUR bezahlt.

a)

87

Die vom Beklagten Herrn Ol. gezahlte Vergütung in Höhe von 80,00 EUR und später 120,00 EUR entspricht einem Stundenlohn in Höhe von 1,78 EUR bzw. 2,67 EUR (bei 80,00 bzw. bei 120,00 EUR Monatslohn).

88

Die durch die Bescheinigungen, die der Beklagte auf Wunsch der Klägerin erteilt hat, teilweise dokumentierten rechtsgeschäftlichen Arbeitsbedingungen im Arbeitsverhältnis des Herrn Ol. mit dem Beklagten enthält keine Vergütungsabrede, die ohne Weiteres die Ermittlung eines Stundenlohns zulässt, denn der fest vereinbarten Vergütung steht keine fest vereinbarte Anzahl von zu leistenden Arbeitsstunden gegenüber. Vielmehr sollte die Arbeitszeit flexibel gehandhabt werden bis zu einer Grenze von 14,9 Arbeitsstunden pro Woche, was rechnerisch einer monatlichen Maximalarbeitszeit im Umfang von 64,57 Stunden entsprechen würde (Wochenstunden mal 13 Wochen dividiert durch 3 Monate) und damit einen Stundenlohn in Höhe von ungefähr 1,25 EUR bzw. 1,88 EUR ergeben würde. Da diese Grenze offensichtlich aus naheliegenden sozialrechtlichen Gründen gewählt wurde, damit der Bezug von Arbeitslosengeld nicht in Frage steht, hält es das Gericht allerdings nicht für möglich, den Stundenlohn auf Basis dieser maximal möglichen Stundenanzahl zu ermitteln. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte oder beide Parteien des Arbeitsverhältnisses jemals im Sinn hatten, den Arbeitnehmer tatsächlich im Umfang der rechnerisch möglichen Heranziehung auch tatsächlich zur Arbeit heranzuziehen. Vielmehr ist darauf abzustellen, wie die Parteien ihr Arbeitsverhältnis gehandhabt haben. Denn die tatsächliche Handhabung des Arbeitsverhältnisses gibt Aufschluss darüber, wie die Parteien ihre vertraglichen Abreden verstanden haben.

89

Allerdings ergibt sich aus der rechtsgeschäftlichen Abrede, die auch durch die tatsächliche Handhabung bestätigt wird, dass der Arbeitnehmer einen festen Monatslohn beziehen sollte, der nicht in Abhängigkeit von der Anzahl der geleisteten Stunden steht. Dieser Umstand rechtfertigt es, für die Ermittlung des Stundenlohns als Vergleichsgröße für die Bemessung des auffälligen Missverhältnisses auf die durchschnittliche monatliche Heranziehung zur Arbeit über den gesamten Streitzeitraum abzustellen.

90

Damit weicht das Berufungsgericht in diesem Punkt von der Herangehensweise des Arbeitsgerichts ab, das den Stundenlohn monatsweise anhand der in jedem Monat konkret erbrachten Arbeitsleistung ermittelt hat. Bei dem Ansatz des Arbeitsgerichts bleibt jedoch der rechtsgeschäftliche Wille zu einem festen Monatslohn bei variabler Arbeitszeit unberücksichtigt. Der methodische Ansatz des Arbeitsgerichts führt zu einer Atomisierung der Betrachtung, die nur die Gefahr in sich birgt, den wahren Charakter des vereinbarten Rechtsgeschäfts zu verdunkeln. Die hier vorgenommene Betrachtungsweise steht auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in dem bereits mehrfach erwähnten Urteil vom 22. April 2009 (5 AZR 436/08 aaO). Das BAG hat dort lediglich ausgeführt, eine Entgeltvereinbarung könne zum Zeitpunkt ihres Abschlusses noch wirksam sein, jedoch im Laufe der Zeit, wenn sie nicht im Rahmen der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung angepasst wird, zu einem späteren Zeitpunkt zu einem auffälligen Missverhältnis führen und damit sittenwidrig werden (so auch schon BAG Urteil vom 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - BAGE 118, 66 = AP Nr. 63 zu § 138 BGB = DB 2006, 2467). Diese Urteilspassagen sind auf den vorliegenden Fall nicht direkt übertragbar. Sie betreffen in beiden Fällen andere Sachverhalte, nämlich Arbeitsverhältnisse, die bereits längere Zeit durchgeführt wurden und in denen zweifelhaft war, ob die Vergütungsabrede, die am Anfang der Zusammenarbeit stand, bereits sittenwidrig war, oder ob die Sittenwidrigkeit erst später durch eine fehlende Anpassung der Entgeltabrede entstanden ist. Aus den zitierten Urteilspassagen ergibt sich aber nicht, dass die Gerichte gezwungen wären, jeden einzelnen Lohnzahlungszeitraum gesondert und isoliert zu betrachten. Erforderlich ist vielmehr eine Betrachtungsweise, die sich an den rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen der Parteien orientiert. Haben die Arbeitsvertragsparteien - wie hier - eine konstante Vergütung bei variabler Arbeitszeit vereinbart, muss man zur Ermittlung der tatsächlich vereinbarten Vergütungshöhe auf die Handhabung des Arbeitsverhältnisses abstellen. Je mehr Monate man dabei in die Betrachtung mit einbezieht, desto genauer trifft man den wahren Willen der Parteien zur Höhe der Vergütung.

91

Der Durchschnittslohn muss daher hier auf Basis der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit in allen 11 streitgegenständlichen Monaten (Mai 2008 sowie Juli 2008 bis einschließlich April 2009) ermittelt werden. - Die weiteren Monate seit Mai 2009 sind in die Durchschnittsbewertung dagegen nicht mehr mit einzubeziehen. Da der Arbeitnehmer seit diesem Zeitpunkt nur noch zu maximal 20 Stunden im Monat zur Arbeit herangezogen wurde, ist davon auszugehen, dass die Arbeitsvertragsparteien als Reaktion auf die außergerichtliche Geltendmachung der Forderung durch die Klägerin mit Schreiben vom 18. Mai 2009 die rechtsgeschäftlichen Grundlagen ihrer Zusammenarbeit abgeändert und damit die Sittenwidrigkeit der Lohnabrede beseitigt haben. Es hat also im Arbeitsverhältnis eine Zäsur stattgefunden. Die Zeit der extrem starken monatlichen Heranziehung zur Arbeit endete mit Ablauf des April 2009.

92

Herr Ol. hat beim Beklagten in den hier interessierenden 11 Monaten Mai 2008 sowie Juli bis Dezember 2008 und Januar bis einschließlich April 2009 insgesamt 495 Stunden gearbeitet, wobei die Monatswerte zwischen 42 und 54 Stunden schwanken, und er hat dafür monatlich entweder 80,00 oder 120,00 EUR erhalten. Demnach hat er einen Stundenlohn in Höhe von 1,78 EUR (bei 80,00 EUR Monatslohn) bzw. in Höhe von 2,67 EUR (bei 120,00 EUR Monatslohn) erhalten. Diese Werte ergeben sich, wenn man die gesamten vom Kläger in den streitigen 11 Monaten geleisteten Arbeitsstunden durch die Anzahl der streitigen Monate teilt und mit der so ermittelten durchschnittlichen monatlichen Arbeitszeit (45 Monatsstunden) den Stundenlohn ermittelt.

93

Eine kleine methodische Ungenauigkeit bei der Ermittlung des Stundenlohn ergibt sich allerdings daraus, dass die Klägerin für den Lohn aus dem Arbeitsmonat Juni 2008 keine Ansprüche geltend gemacht hat obwohl Herr Ol. nach der eigenen Aufstellung der Klägerin (vgl. Anlage K7, hier Blatt 31) auch in diesem Monat 80,00 EUR Entgelt bezogen hat. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte aber nicht festgestellt werden, ob Herr Ol. in diesem Monat gar keine Arbeitsleistung erbracht hat, oder aus welchem anderen Grund die Klägerin für diesen Monate keine übergegangenen Ansprüche geltend macht. Die Ungenauigkeit kann hier hingenommen werden. Denn selbst wenn man annehmen würde, dass Herr Ol. in diesem Monat Urlaub hatte, oder die ausgefallenen Stunden später nachgearbeitet hat, würde das den ermittelten Stundenlohn nur geringfügig verändern. Die Anzahl der insgesamt geleisteten Arbeitsstunden (495) müsste dann durch 12 statt durch 11 Monate dividiert werden. Das würde eine durchschnittliche Heranziehung zu 41,25 Stunden pro Monat ergeben, woraus sich dann ein Stundenlohn in Höhe von 1,94 EUR (bei 80,00 EUR Monatslohn) bzw. 2,91 EUR (bei 120,00 EUR Monatslohn) errechnen würde.

b)

94

Ähnliche Stundenlöhne hat der Beklagte auch den anderen Arbeitnehmern bezahlt.

95

Herr Fi. hat durchgehend 80,00 EUR monatlich verdient und er wurde in den 8 Monaten von September 2008 bis einschließlich April 2009 insgesamt 362 Stunden zur Arbeit herangezogen, also durchschnittlich 45 Stunden im Monat (Rechenergebnis unter Weglassung der Nachkommastellen). Daraus errechnet sich ein tatsächlicher Stundenlohn in Höhe von 1,78 EUR.

96

Frau Ku. hat, mit Ausnahme der Monate August bis einschließlich November 2008, in denen sie 120,00 EUR verdient hatte, durchgehend 80,00 EUR monatlich verdient und sie wurde in den 19 Monaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 insgesamt 859 Stunden zur Arbeit herangezogen, also durchschnittlich 45 Stunden im Monat (Rechenergebnis unter Weglassung der Nachkommastellen). Daraus errechnet sich ein tatsächlicher Stundenlohn in Höhe von 1,78 EUR (bezogen auf 80,00 EUR Monatsentgelt) bzw. 2,67 EUR (bezogen auf 120,00 EUR Monatsentgelt).

97

Frau Ka. hat durchgehend 80,00 EUR monatlich verdient und sie wurde in den 19 Monaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 insgesamt zu 895 Arbeitsstunden herangezogen, also durchschnittlich 47 Stunden im Monat (Rechenergebnis unter Weglassung der Nachkommastellen). Daraus errechnet sich kaufmännisch gerundet ein tatsächlich erzielter Stundenlohn in Höhe von 1,70 EUR.

98

Frau Wi. hat für den Beklagten im Mai und Juni 2008 nur rund 6 Wochen gearbeitet, in dieser Zeit 54 Stunden geleistet und dafür 110,00 EUR Entgelt erhalten, woraus sich ein tatsächlich erzielter Stundenlohn in Höhe von 2,04 EUR errechnet.

4.

99

Setzt man die in den einzelnen Jahren jeweils übliche Vergütung mit 100 an, erreichte der tatsächliche Verdienst der fünf Arbeitnehmer nur zwischen etwas über 30 bis maximal 46,19 Prozentpunkte davon. Daraus ergibt sich die Sittenwidrigkeit der Entgeltabrede ohne Weiteres.

a)

100

Herr Ol. hat 2008 und im Januar 2009 zu einem Stundenlohn von 1,78 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2008 bei 5,78 EUR und 2009 bei 5,90 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Herrn Ol. hat in dieser Zeit also nur 30,80 Prozent bzw. im Januar 2009 dann 30,17 Prozent der üblichen Vergütung erreicht. Von Februar bis April 2009 hat Herr Ol. zu einem Stundenlohn von 2,67 EUR gearbeitet, die übliche Vergütung hätte 5,90 EUR betragen. Das tatsächliche Einkommen von Herrn Ol. hat in dieser Zeit also nur 45,25 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

101

Selbst wenn man zu Gunsten des Beklagten auch den Monat Juni 2008 mit in die Berechnung des Stundenlohns mit einbezieht, erreicht die tatsächliche Vergütung nicht einmal 50 Prozent der üblichen Vergütung. Denn der dann anzusetzende Stundenlohn in Höhe von 1,94 EUR (bei 80,00 EUR Monatslohn) bzw. 2,91 EUR (bei 120,00 EUR Monatslohn) würde immer noch nur 33,56 Prozent (80,00 EUR Einkommen im Jahre 2008) bzw. 49,32 Prozent (120,00 EUR im Jahre 2009) der üblichen Vergütung erreichen

102

Herr Fi. hat 2008 und 2009 zu einem Stundenlohn von 1,78 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2008 bei 5,78 EUR und 2009 bei 5,90 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Herrn Fi. hat im Jahre 2008 also nur 30,80 Prozent und im Jahre 2009 nur 30,17 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

103

Frau Ku. hat im Jahre 2007, überwiegend im Jahre 2008 und im Jahre 2009 zu einem Stundenlohn von 1,78 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2007 bei 5,61 EUR, 2008 bei 5,78 EUR und 2009 bei 5,90 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Frau Ku. hat 2007 also nur 31,73 Prozent, 2008 also nur 30,80 Prozent und 2009 nur 30,17 Prozent der üblichen Vergütung erreicht. Von August bis einschließlich November 2009 hat Frau Ku. zu einem Stundenlohn von 2,67 EUR gearbeitet, die übliche Vergütung hätte 5,78 EUR betragen. Das tatsächliche Einkommen von Frau Ku. hat in dieser Zeit also nur 46,19 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

104

Frau Ka. hat in den Jahren 2007, 2008 und 2009 zu einem Stundenlohn von 1,70 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2007 bei 5,13 EUR, 2008 bei 5,28 EUR und 2009 bei 5,39 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Frau Ka. hat 2007 also nur 33,14 Prozent, 2008 also nur 32,20 Prozent und 2009 nur 31,54 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

105

Frau Wi. hat 2008 zu einem Stundenlohn von 2,04 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2008 bei 5,28 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Frau Wi. hat also nur 38,64 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

b)

106

Die Entgeltabreden des Beklagten mit seinen Arbeitnehmern lassen auf ein besonders auffälliges und krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne der Rechtsprechung zum wucherähnlichen Geschäft nach § 138 Absatz 1 BGB schließen. Von einem besonders auffälligen und krassen Missverhältnis kann ohne weiteren Sachvortrag ausgegangen werden, wenn die tatsächliche Vergütung nicht einmal 50 Prozent der üblichen Vergütung erreicht. Dies hat der Bundesgerichtshof für den Grundstückskaufvertrag so entschieden (BGH 4. Februar 2000 - V ZR 146/98 - NJW 2000, 1487 = MDR 2000, 514). Diese Rechtsprechung ist auf Arbeitsverhältnisse übertragbar. Der Bundesgerichtshof differenziert insoweit zwischen Märkten, auf denen der marktübliche Preis einfach festzustellen oder allgemein bekannt ist (beispielsweise Ratenkreditverträge, Grundstücksverträge) und Märkten, auf denen so viele preisbildende Faktoren berücksichtigt werden müssen, dass sich der marktübliche Preis nur aufwendig und stets mit einer gewissen Unsicherheit ermitteln lässt (beispielsweise gewerbliche Pachtverträge über Gaststätten; vgl. dazu BGH 13. Juni 2001 aaO). Je einfacher feststellbar der marktübliche Preis ist, desto eher ist die Aussage erlaubt, dass die besonders auffällige und krasse Unterschreitung dieses Preises mit einer verwerflichen Einstellung des vom Vertrag Begünstigten einher geht. Überträgt man diesen Gedanken auf das Arbeitsrecht muss man davon ausgehen, dass das marktübliche Lohnniveau anhand der Tarifverträge einfach festzustellen ist. Dies gilt jedenfalls hier, wo positiv festgestellt werden kann, dass sich im Tarifvertrag das marktübliche Lohnniveau widerspiegelt.

107

Wegen des besonders auffälligen und krassen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung in den Arbeitsverträgen der hier betroffenen fünf Arbeitnehmer muss auch davon ausgegangen werden, dass der Beklagte wusste, dass seine Löhne weit unter dem marktüblichen Niveau gelegen haben. Zumindest muss man davon ausgehen, dass er sich dieser Erkenntnis trotz der entgegenstehenden Indizien leichtfertig verschlossen hat.

108

Dies reicht zur Feststellung der Sittenwidrigkeit der Vergütungsabreden bereits aus. Weitere Umstände kommen noch hinzu.

109

Zum einen ist zu beachten, dass die Arbeitsverhältnisse offensichtlich ohne Gewährung von Urlaub oder Ersatzfreitagen für Arbeit am Wochenende und an Feiertagen durchgeführt wurden. Dies ergibt sich zwingend aus den zur Akte gereichten Stundenzetteln der Arbeitnehmer, die der Beklagte selber ausgefüllt hat.

110

Zum anderen ist es besonders verwerflich, dass die Parteien des Arbeitsverhältnisses die aus staatlichen Mitteln finanzierte tatsächlich bestehende Grundversorgung der betroffenen Arbeitnehmer zum Anlass genommen haben, Entgelte weit unterhalb der verkehrsüblichen Vergütung zu vereinbaren. Denn Arbeitnehmer und Arbeitgeber missbrauchen die Leistungsmöglichkeiten, die das Sozialgesetzbuch II für arbeitssuchende Personen bereitstellt, wenn sie in einer Art Mischkalkulation Löhne vereinbaren, denen der Arbeitnehmer nur zustimmt, weil er über die staatlich finanzierte Grundsicherung abgesichert ist. Würde man diese Mischkalkulation zulassen, würden die Regeln der staatlichen Grundsicherung entgegen der gesetzlichen Intention in der Tat zu einer Lohnspirale nach unten führen.

111

Da der Beklagte nichts anders dazu vorgetragen hat, muss auch davon ausgegangen werden, dass er die Zusammenhänge zwischen dem besonders geringfügigen Lohn, den er bezahlt hat und den Sozialleistungen, die die Arbeitnehmer gleichzeitig bezogen haben, kannte. Damit steht fest, dass er verwerflich gehandelt hat. Ob auch die Arbeitnehmer verwerflich gehandelt haben, kann daher hier dahinstehen.

II.

112

Verstößt eine Entgeltabrede gegen § 138 BGB ist nur diese Abrede nichtig, der Arbeitsvertrag im Übrigen bleibt bestehen. Die nunmehr fehlende Vergütungsvereinbarung wird nach § 612 BGB durch die Ansetzung der üblichen Vergütung ersetzt (BAG Urteil vom 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - AP Nr. 64 zu § 138 BGB = DB 2009, 114 = NZA 2009, 837). Das ist hier - wie oben bereits ausgeführt - der Tariflohn aus dem Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe MV (ETV MV). Daher hat der Beklagte die Vergütungsanspruche der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch nicht vollständig erfüllt, offen ist noch ein Betrag in Höhe von 9.933,81 EUR.

113

Der Arbeitnehmer Ol. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten von Mai 2008 bis einschließlich April 2009 neun Monate lang je 80,00 EUR erhalten und drei Monate je 120,00 EUR, in Summe also 1.080,00 EUR. Tatsächlich hat dieser Arbeitnehmer für die 317 Stunden, die er im Jahre 2008 geleistet hat, nach Tarif jedoch einen Anspruch auf 1.832,26 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,78 EUR brutto. Für das Jahr 2009 ergeben sich für weitere 178 Stunden 1.050,20 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,90 EUR. In Summe hat der Arbeitnehmer Ol. also einen Entgeltanspruch in Höhe von 2.882,46 EUR brutto gegen den Beklagten. Abzüglich der bisher geleisteten 1.080,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 1.802,46 EUR offen.

114

Die Arbeitnehmerin Ka. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 über alle 19 Monate hinweg je 80,00 EUR erhalten, in Summe also 1.520,00 EUR. Tatsächlich hat diese Arbeitnehmerin für die 151 Stunden, die sie im Jahre 2007 geleistet hat, nach Tarif einen Anspruch auf 774,63 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,13 EUR brutto. Für die 558 Stunden, die sie im Jahre 2008 geleistet hat, hat sie nach Tarif einen Anspruch auf 2.946,24 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,28 EUR brutto. Für das Jahr 2009 ergeben sich für weitere 186 Stunden 1.002,54 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,39 EUR. In Summe hat die Arbeitnehmerin Ka. also einen Entgeltanspruch in Höhe von 4.723,41 EUR brutto gegen den Beklagten. Abzüglich der bisher geleisteten 1.520,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 3.203,41 EUR offen.

115

Die Arbeitnehmerin Wi. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten Mai und Juni 2008 in Summe 110,00 EUR erhalten. Tatsächlich hat diese Arbeitnehmerin für die 51 Stunden, die sie geleistet hat, nach Tarif einen Anspruch auf 285,12 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,28 EUR brutto. Abzüglich der bisher geleisteten 110,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 175,12 EUR offen.

116

Die Arbeitnehmerin Ku. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 über 15 Monate hinweg je 80,00 EUR erhalten und für 4 Monate im Jahre 2008 je 120,00 EUR, in Summe also 1.680,00 EUR. Tatsächlich hat diese Arbeitnehmerin für die 152 Stunden, die sie im Jahre 2007 geleistet hat, nach Tarif einen Anspruch auf 852,72 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,61 EUR brutto. Für die 551 Stunden, die sie im Jahre 2008 geleistet hat, hat sie nach Tarif einen Anspruch auf 3.184,78 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,78 EUR brutto. Für das Jahr 2009 ergeben sich für weitere 156 Stunden 920,40 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,90 EUR. In Summe hat die Arbeitnehmerin Ku. also einen Entgeltanspruch in Höhe von 4.957,90 EUR brutto gegen den Beklagten. Abzüglich der bisher geleisteten 1.680,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 3.277,90 EUR offen.

117

Der Arbeitnehmer Fi. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten von September 2008 bis einschließlich April 2009 in allen 8 Monaten 80,00 EUR erhalten, in Summe also 640,00 EUR. Tatsächlich hat dieser Arbeitnehmer für die 174 Stunden, die er im Jahre 2008 geleistet hat, nach Tarif jedoch einen Anspruch auf 1.005,72 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,78 EUR brutto. Für das Jahr 2009 ergeben sich für weitere 188 Stunden 1.109,20 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,90 EUR. In Summe hat der Arbeitnehmer Fi. also einen Entgeltanspruch in Höhe von 2.114,92 EUR brutto gegen den Beklagten. Abzüglich der bisher geleisteten 640,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 1.474,92 EUR offen.

118

Die noch nicht erfüllten Entgeltansprüche der betroffenen fünf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen den Beklagten summieren sich also auf 9.933,81 EUR.

III.

119

Dieser noch nicht erfüllte Anteil der den Arbeitnehmern noch zustehenden Vergütung ist nicht in vollem Umfang auf die Klägerin übergegangen, sondern nur im Umfang von 7.151,46 EUR.

1.

120

Gemäß § 115 SGB X geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Sozialleistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistung über, soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt - hier gegeben - und deshalb ein Leistungsträger - hier die Klägerin - Sozialleistungen erbracht hat.

121

Das trifft hier zu. Die Klägerin hat für alle fünf Arbeitnehmer während des gesamten Streitzeitraums Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II erbracht und zwar in einem Umfang, der stets weit oberhalb der Vergütung lag, die die Arbeitnehmer bezogen hätten, wenn sie wie üblich vergütet worden wären. Da die fünf Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. nach der Beseitigung der Sittenwidrigkeit der Vergütungsabrede ab Mai 2009 noch im Leistungsbezug verblieben sind, braucht dem Umstand, dass das Arbeitseinkommen wegen der nachschüssigen Bezahlung immer erst in die Berechnung der Sozialleistung im Folgemonat einfließt, keine besondere Beachtung geschenkt werden.

122

Das Gericht geht im Weiteren davon aus, dass alle fünf betroffenen Arbeitnehmer gegenüber der Klägerin Anspruch auf den vollen Regelsatz hatten. Dazu hat die Klägerin zwar wegen des Sozialgeheimnisses keine näheren Angaben gemacht. Bei lebensnaher Betrachtungsweise und in Angesicht der Höhe der gezahlten Sozialleistungen kann aber dieser Umstand als gegeben erachtet werden. Daher kann vorliegend die Frage dahinstehen, ob der Anspruchsübergang auch dann gegeben wäre, wenn die Klägerin mit ihrer Leistung nicht den Bedarf der Arbeitnehmer sondern anderer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft befriedigt hätte.

123

Mit der Wendung im Text von § 115 SGB X "... und deshalb ... Sozialleistungen erbracht hat" soll sichergestellt werden, dass letztlich die Person die Kosten der Sozialleistung zu tragen hat, die nach zivilrechtlichen Maßstäben eigentlich zur Zahlung verpflichtet gewesen wäre. Zahlt die ARGE also an einen Antragsteller Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II aus, nur weil der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Lohnzahlung nicht nachkommt, geht der nicht erfüllte Lohnanspruch des Antragstellers und Arbeitnehmers auf die ARGE über. Der Anspruchsübergang unterliegt allerdings einer doppelten Begrenzung. Zum einen kann er ohnehin nur bis zur Höhe der gewährten Sozialleistung übergehen. Zum anderen geht er aber auch nur insoweit über, als die Gewährung der Sozialleistung auf dem Versagen des Arbeitgebers beruht. Ein Anspruchsübergang kann daher nur stattfinden, wenn der Leistungsträger deshalb geleistet hat, weil der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist. Es muss also eine Kausalität zwischen der Nichtzahlung des Arbeitsentgeltes und der Zahlung der Sozialleistung bestehen (vgl. Pickel § 115 SGB X RNr. 2 und 11). Zweck der Vorschrift ist es, dem Sozialleistungsträger die Leistungen zurückzuerstatten, die nicht angefallen wären, wenn der Arbeitgeber seiner Leistungspflicht rechtzeitig nachgekommen wäre (BAG 26. Mai 1993 - 5 AZR 405/92 - BAGE 73, 186 = AP Nr. 3 zu § 115 SGB X = DB 1993, 2035).

124

Im Umkehrschluss heißt dies allerdings, dass ein Anspruchsübergang auf den Sozialleistungsträger nicht stattfindet, soweit Sozialleistungen auch hätten erbracht werden müssen, wenn der Arbeitgeber seiner Vergütungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen wäre. Daher muss also fiktiv ermittelt werden, in welchem Umfang die ARGE auch dann zur Gewährung von Sozialleistungen verpflichtet gewesen wäre, wenn der Beklagte als Arbeitgeber seiner Entgeltzahlungspflicht in vollem Umfang nachgekommen wäre. Denn nur in Höhe der Differenz zwischen der tatsächlichen Zahlung und der fiktiven Zahlungsverpflichtung der ARGE bei vollständiger Erfüllung der Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers (hier des Beklagten) beruht die tatsächlich gewährte Sozialleistung auf dem Versagen des Arbeitgebers.

125

In der praktischen Konsequenz bedeutet dies, dass die vom Beklagten nicht erfüllten Entgeltansprüche bei den betroffenen Arbeitnehmern verbleiben, soweit diese, unterstellt sie wären vollständig vergütet worden, das dann erzielte Einkommen ohne Anrechnung auf die gewährten Sozialleistungen für sich hätten behalten dürfen (ebenso Kater in Kassler Kommentar § 115 SGB X RNr. 31d; Maul-Sartori, Übergang von Arbeitsentgeltansprüchen infolge Arbeitslosengeld II-Zahlungen, BB 2010, 3021, 3024). Dabei geht es zum einen um den pauschalierten Ansatz von Werbungskosten nach § 11 Absatz 2 SGB II in Höhe von 100,00 EUR, um den das erzielte Einkommen vor einer Anrechnung zu kürzen ist. Zum anderen geht es um die Anreizfunktion aus § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, nach der bis zu einem Monatseinkommen von 800,00 EUR 20 Prozent des 100,00 EUR übersteigenden Betrages ebenfalls anrechnungsfrei bleiben.

126

Die Einwände der Beklagten gegen diese Aufteilung des unerfüllten Teils der Arbeitseinkommen der betroffenen Arbeitnehmer greifen nicht durch. Insbesondere trifft es nicht zu, dass durch diese Gesetzesauslegung der sittenwidrig handelnde Arbeitgeber noch bevorteilt wird, da er dann "weniger zahlen müsse" (S. 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 23. August 2010, hier Blatt 418) als bei vollem Anspruchsübergang. Denn es geht im Rahmen des Anspruchsübergangs nach § 115 SGB X nur um die Frage, in welchem Verhältnis die noch nicht erfüllten Anteile des Arbeitseinkommens auf die betroffenen Arbeitnehmer und die ARGE aufgeteilt werden. In der Summe bleiben die Ansprüche, die der Beklagte noch zu erfüllen hat, stets gleich; ein rechtlicher Vorteil ist daher für den Arbeitgeber nicht zu erkennen. - Bedenklich ist auch die weitergehende Vorstellung der Beklagten, sie könne auch die den Arbeitnehmern noch zustehenden Einkommensanteile beitreiben, um sie dann nachträglich an die Arbeitnehmer auszukehren, denn es gehört nicht zu den gesetzlichen Aufgaben der ARGE, zivilrechtliche Ansprüche von Arbeitnehmern gegen ihre Arbeitgeber einzuklagen und beizutreiben.

127

Schließlich sind die Ausführungen der Beklagten zu der sozialrechtlichen Behandlung der Situation, in der der Arbeitnehmer zunächst Ausfälle im Arbeitseinkommen hat und später eine größere Nachzahlung in einem Block erhält, nicht hilfreich. Denn eine solche Situation liegt hier nicht vor. Der Arbeitgeber hat bisher keine Nachzahlung auf seine noch offene Schuld an die Arbeitnehmer geleistet, so dass offen bleiben kann, wie diese auf die laufenden Sozialleistungen zu verrechnen wäre. Schon gar nicht können die dabei anzuwendenden Rechtsregeln die Auslegung von § 115 SGB X beeinflussen. Wenn der Beklagte letztlich wie ausgeurteilt an die Klägerin zahlen wird, braucht die Klägerin nichts mehr zu verrechnen. Sie hat den ausgezahlten Betrag monatsweise anteilig dadurch erworben, dass sie den betroffenen Arbeitnehmern Sozialleistungen gewährt hat; Verrechnungsprobleme tauchen dabei nicht auf.

2.

128

Der begründete Teil der Klagforderung errechnet sich aus den folgenden Einzelheiten.

a)

129

Der Arbeitnehmer Ol. hat im Jahre 2008 von Mai bis Dezember 2008 beim Beklagten für die von ihm in den einzelnen Monaten geleisteten Stunden bei einem Stundenlohn in Höhe von 5,78 EUR insgesamt 1.832,26 EUR brutto verdient (siehe oben). Das Einkommen verteilt sich aufgrund der jeweils geleisteten Stunden wie folgt auf die einzelnen Monate: Im Mai hat das Einkommen bei 48 Arbeitsstunden 277,44 EUR betragen, im Juli 312,12 EUR (bei 54 Stunden), im August 161,84 EUR (bei 28 Stunden), im September 277,44 EUR (bei 48 Stunden), im Oktober 242,76 EUR (bei 42 Stunden), im November 254,32 EUR (bei 44 Stunden) und im Dezember 306,34 EUR (bei 53 Stunden).

130

Von diesem Einkommen verbleiben dem Arbeitnehmer monatlich 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II. Von dem restlichen Einkommen, das durchweg unter 800,00 EUR liegt, verbleiben dem Arbeitnehmer weitere 20 Prozent. Im Mai 2008 stehen dem Arbeitnehmer daher von den 277,44 EUR Arbeitseinkommen 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II zu, sowie weitere 20 Prozent von 177,44 EUR nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, was 35,49 EUR ergibt. Das Arbeitseinkommen aus diesem Monat steht daher Herrn Ol. in Höhe von 135,49 EUR zu und der Klägerin in Höhe von 141,95 EUR. Für Juni 2008 macht die Klägerin aus nicht erklärbaren Gründen keinen Anspruchsübergang geltend. Legt man die obige Rechenregel dann auch an die weiteren Monate an, stehen der Klägerin für Juli 169,70 EUR des Einkommens in Höhe von 312,12 EUR zu, für August 49,47 EUR von 161,84 EUR, im September 141,95 EUR von 277,44 EUR, im Oktober 114,21 EUR von 242,76 EUR, im November 123,46 EUR von 254,32 EUR und im Dezember 165,07 EUR von 306,34 EUR.

131

Im Jahre 2009 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Für Januar steht der Klägerin aus dem Einkommen in Höhe von 271,40 EUR ein Anteil in Höhe von 137,12 EUR zu. Für Februar steht der Klägerin aus dem Einkommen in Höhe von 247,80 EUR ein Anteil in Höhe von 118,24 EUR zu. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer in diesem Monat 120,00 EUR tatsächliche Vergütung bezogen hat, so dass in Höhe von 16,00 EUR (80,00 Prozent des 100,00 EUR übersteigenden Einkommens) durch Reduzierung der tatsächlich geflossenen Sozialleistung bereits bei der Auszahlung der Sozialleistung eine Teilverrechnung stattgefunden hat. Der Anteil an dem Einkommen, der auf die Beklagte übergehen kann, reduziert sich daher um diesen Betrag von 118,24 EUR auf dann nur noch 102,24 EUR. Für die weiteren drei Monate, in denen der Arbeitnehmer auch 120,00 EUR verdient hatte, gilt Ähnliches. Im März hat der Arbeitnehmer einen Entgeltanspruch in Höhe von 283,20 EUR, der in Höhe von 146,56 EUR auf seinen sozialrechtlichen Bedarf anzurechnen ist. Da eine Anrechnung im Umfang von 16,00 EUR bereits erfolgt ist, sind die Ansprüche nur im Umfang von 140,56 EUR auf die Klägerin übergegangen, der restliche Anspruch verbleibt dem Arbeitnehmer. Im April verbleibt von dem Arbeitseinkommen in Höhe von 247,80 EUR - rechnerisch identisch mit den Werten aus dem Februar 2009 - noch ein Betrag in Höhe von 102,24 EUR, der auf die Klägerin übergegangen ist.

132

Aus den nicht erfüllten Anteilen der Lohnforderung von Herrn Ol. gegen den Beklagten sind die Forderungen im Umfang von 1.377,97 EUR auf die Beklagte übergegangen und nicht wie eingeklagt im Umfang von 2.451,62 EUR.

b)

133

Die Arbeitnehmerin Ka. hat im Jahre 2007 von Oktober bis Dezember beim Beklagten für die von ihr in den einzelnen Monaten geleisteten Stunden bei einem Stundenlohn in Höhe von 5,13 EUR insgesamt 774,63 EUR brutto verdient (siehe oben). Das Einkommen verteilt sich aufgrund der jeweils geleisteten Stunden wie folgt auf die einzelnen Monate: Im Oktober hat das Einkommen bei 49 Arbeitsstunden 251,37 EUR betragen, im November bei 50 Stunden 256,50 EUR und im Dezember bei 52 Stunden 266,76 EUR.

134

Von diesem Einkommen verbleiben der Arbeitnehmerin monatlich 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II. Von dem restlichen Einkommen, das durchweg unter 800,00 EUR liegt, verbleiben der Arbeitnehmerin weitere 20 Prozent. Im Oktober 2007 stehen der Arbeitnehmerin daher von den 251,37 EUR Arbeitseinkommen 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II zu, sowie weitere 20 Prozent von 151,37 EUR nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, was 30,27 EUR ergibt. Das Arbeitseinkommen aus diesem Monat steht daher Frau Ka. in Höhe von 130,27 EUR zu und der Klägerin in Höhe von 121,10 EUR. Legt man diese Rechenregel dann auch an die weiteren Monate im Jahre 2007 an, stehen der Klägerin für November 125,20 EUR des Einkommens in Höhe von 256,50 EUR zu und im Dezember 133,41 EUR von 266,76 EUR.

135

Für das Jahr 2008 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Die Arbeitnehmerin hat - siehe oben - einen Jahresentgeltanspruch in Höhe von 2.946,24 EUR brutto erworben. Sie hat im Januar bei 41 Stunden Arbeit 216,48 EUR brutto verdient, wovon der Klägerin 93,18 EUR zustehen. Im Februar hat sie bei 56 Arbeitsstunden 295,68 EUR verdient, wovon der Klägerin 156,54 EUR zustehen. Im März hat sie bei 49 Arbeitsstunden 258,72 EUR verdient, wovon der Klägerin 126,98 EUR zustehen. Im April hat sie bei 44 Arbeitsstunden 232,32 EUR verdient, wovon der Klägerin 105,86 EUR zustehen. Im Mai hat sie bei 46 Arbeitsstunden 242,88 EUR verdient, wovon der Klägerin 114,30 EUR zustehen. Im Juni hat sie bei 36 Arbeitsstunden 190,08 EUR verdient, wovon der Klägerin 72,06 EUR zustehen. Im Juli hat sie bei 52 Arbeitsstunden 274,56 EUR verdient, wovon der Klägerin 139,65 EUR zustehen. Im August hat sie bei 48 Arbeitsstunden 253,44 EUR verdient, wovon der Klägerin 122,75 EUR zustehen. Im September hat sie bei 44 Arbeitsstunden 232,32 EUR verdient, wovon der Klägerin 105,86 EUR zustehen. Im Oktober hat sie bei 48 Arbeitsstunden 253,44 EUR verdient, wovon der Klägerin 122,75 EUR zustehen. Im November hat sie bei 44 Arbeitsstunden 232,32 EUR verdient, wovon der Klägerin 105,86 EUR zustehen. Und im Dezember hat sie bei 50 Arbeitsstunden 264,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 131,20 EUR zustehen.

136

Im Jahre 2009 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Im Januar hat die Arbeitnehmerin bei 40 Arbeitsstunden 215,60 EUR verdient, wovon der Klägerin 92,48 EUR zustehen. Im Februar hat sie bei 42 Arbeitsstunden 226,38 EUR verdient, wovon der Klägerin 101,10 EUR zustehen. Im März hat sie bei 50 Arbeitsstunden 269,50 EUR verdient, wovon der Klägerin 135,60 EUR zustehen. Im April hat sie bei 54 Arbeitsstunden 291,06 EUR verdient, wovon der Klägerin 152,08 EUR zustehen.

137

Aus den nicht erfüllten Anteilen der Lohnforderung von Frau Ka. gegen den Beklagten sind die Forderungen im Umfang von 2.258,73 EUR auf die Beklagte übergegangen und nicht wie eingeklagt im Umfang von 3.195,30 EUR.

c)

138

Die Arbeitnehmerin Wi. hat im Mai und Juni 2008 insgesamt 54 Stunden gearbeitet. Ihr steht dafür ein Einkommen in Höhe von 285,12 EUR zu (siehe oben). Davon sind nach den oben ausgeführten Regeln auf die Klägerin übergegangen 80,51 EUR und zwar aus dem Einkommen in Höhe von 200,64 EUR für 38 Arbeitsstunden im Monat Juni 2008.

d)

139

Die Arbeitnehmerin Ku. hat im Jahre 2007 von Oktober bis Dezember beim Beklagten für die von ihr in den einzelnen Monaten geleisteten Stunden bei einem Stundenlohn in Höhe von 5,61 EUR insgesamt 852,72 EUR brutto verdient (siehe oben). Das Einkommen verteilt sich aufgrund der jeweils geleisteten Stunden wie folgt auf die einzelnen Monate: im Oktober hat das Einkommen bei 50 Arbeitsstunden 280,50 EUR betragen, im November bei 52 Stunden 291,72 EUR und im Dezember bei 50 Stunden 280,50 EUR.

140

Von diesem Einkommen verbleiben der Arbeitnehmerin monatlich 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II. Von dem restlichen Einkommen, das durchweg unter 800,00 EUR liegt, verbleiben der Arbeitnehmerin weitere 20 Prozent. Im Oktober 2007 stehen der Arbeitnehmerin daher von den 280,50 EUR Arbeitseinkommen 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II zu, sowie weitere 20 Prozent von 180,50 EUR nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, was 36,10 EUR ergibt.

141

Das Arbeitseinkommen aus diesem Monat steht daher Frau Ku. in Höhe von 136,10 EUR zu und der Klägerin in Höhe von 144,40 EUR. Legt man diese Rechenregel dann auch an die weiteren Monate im Jahre 2007 an, stehen der Klägerin für November 138,34 EUR des Einkommens in Höhe von 291,72 EUR zu und im Dezember 144,40 EUR von 280,50 EUR.

142

Für das Jahr 2008 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Die Arbeitnehmerin hat - siehe oben - einen Jahresentgeltanspruch in Höhe von 3.148,78 EUR brutto erworben. Sie hat im Januar bei 50 Stunden Arbeit 289,00 EUR brutto verdient, wovon der Klägerin 151,20 EUR zustehen. Im Februar hat sie bei 41 Arbeitsstunden 236,98 EUR verdient, wovon der Klägerin 109,58 EUR zustehen. Im März hat sie bei 46 Arbeitsstunden 265,88 EUR verdient, wovon der Klägerin 132,70 EUR zustehen. Im April hat sie bei 50 Arbeitsstunden 289,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 151,20 EUR zustehen.

143

Im Mai 2008 hat Frau Ku. bei 70 Arbeitsstunden 404,60 EUR verdient, wovon der Klägerin 243,68 EUR zustehen. Das Einkommen von Frau Ku. in diesem Monat lag daher höher als die pauschalierte Regelleistung für den Berechtigten nach dem Sozialgesetzbuch II, die seinerzeit auf 347,00 EUR festgesetzt war (Mitteilung der Klägerin hier Blatt 485). Wegen der abzurechnenden Freibeträge kann aber dennoch festgestellt werden, dass der übergegangene Teil des Lohnanspruchs der Frau Ku. in Höhe von 243,68 EUR immer noch ausschließlich dazu dient, den eigenen sozialrechtlichen Bedarf der Arbeitnehmerin zu decken bzw. durch Verrechnung auszugleichen. Daher stellt sich trotz des auffällig höheren Einkommens der Frau Ku. für diesen Monat auch hier nicht die Frage, ob der Anspruchsübergang auf die ARGE auch dadurch begrenzt wird, dass er etwa nur für Sozialleistungen gilt, die dem Arbeitnehmer zu Gute kommen, oder ob er auch Sozialleistungen erfasst, die anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zu Gute kommen, ob also der Arbeitgeber auch in Anspruch genommen werden kann für Sozialleistungen, die der Träger der Sozialversicherung nicht an den Arbeitnehmer selbst, sondern an andere Personen der Bedarfsgemeinschaft geleistet hat. Diese - in der Rechtsprechung bisher noch nicht geklärte - Frage kann daher für den vorliegenden Rechtsstreit unbeantwortet bleiben.

144

Im Juni 2008 hat Frau Ku. bei 52 Arbeitsstunden 300,56 EUR verdient, wovon der Klägerin 160,45 EUR zustehen. Im Juli hat sie bei 52 Arbeitsstunden 300,56 EUR verdient, wovon der Klägerin 160,45 EUR zustehen.

145

Im August 2008 hat Frau Ku. 120,00 EUR tatsächlich verdient. Bei 40 Arbeitsstunden hätte sie eigentlich 231,20 EUR verdienen müssen, wovon der Klägerin an sich 104,96 EUR zustehen. Wegen des erhöhten tatsächlichen Einkommens hat die Klägerin im Verhältnis zu Frau Ku. allerdings schon im Zuflussmonat September 2008 eine Anrechnung des Einkommens auf die Sozialleistung in Höhe von 16,00 EUR vorgenommen, weshalb hier nur noch weitere 88,96 EUR auf die Klägerin übergegangen sein können (Einzelheiten dazu sind oben beim Arbeitnehmer Ol. dargestellt). Im September hat Frau Ku. bei 44 Arbeitsstunden 254,32 EUR verdient, wovon der Klägerin an sich 123,46 EUR zustehen; der Betrag ist aber wiederum wegen des realen Einkommens in Höhe von 120,00 EUR um 16,00 EUR zu kürzen, so dass nur 107,46 EUR auf die Klägerin übergegangen sind. Im Oktober hat sie bei 40 Arbeitsstunden 231,20 EUR verdient, wovon der Klägerin an sich 104,96 EUR zustehen; der Betrag ist aber wiederum wegen des realen Einkommens in Höhe von 120,00 EUR um 16,00 EUR zu kürzen, so dass nur 88,96 EUR auf die Klägerin übergegangen sind. Im November hat sie bei 36 Arbeitsstunden 208,08 EUR verdient, wovon der Klägerin an sich 86,46 EUR zustehen; der Betrag ist aber wiederum wegen des realen Einkommens in Höhe von 120,00 EUR um 16,00 EUR zu kürzen, so dass nur 70,46 EUR auf die Klägerin übergegangen sind. Im Dezember 2008 und in den Folgemonaten hat Frau Ku. dann wieder nur 80,00 EUR monatlich tatsächlich verdient. Rechtlich gesehen hat sie im Dezember 2008 bei 30 Arbeitsstunden 173,40 EUR verdient, wovon der Klägerin 58,72 EUR zustehen.

146

Im Jahre 2009 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Im Januar hat die Arbeitnehmerin bei 40 Arbeitsstunden 236,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 108,80 EUR zustehen. Im Februar hat sie bei 36 Arbeitsstunden 212,40 EUR verdient, wovon der Klägerin 89,92 EUR zustehen. Im März hat sie bei 40 Arbeitsstunden 236,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 108,80 EUR zustehen. Im April hat sie bei 40 Arbeitsstunden 236,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 108,80 EUR zustehen.

147

Aus den nicht erfüllten Anteilen der Lohnforderung von Frau Ku. gegen den Beklagten sind die Forderungen im Umfang von 2.382,32 EUR auf die Beklagte übergegangen und nicht wie eingeklagt im Umfang von 3.268,43 EUR.

e)

148

Der Arbeitnehmer Fi. hat im Jahre 2008 von September bis Dezember 2008 beim Beklagten für die von ihm in den einzelnen Monaten geleisteten Stunden bei einem Stundenlohn in Höhe von 5,78 EUR insgesamt 1.005,72 EUR brutto verdient (siehe oben). Das Einkommen verteilt sich aufgrund der jeweils geleisteten Stunden wie folgt auf die einzelnen Monate: Im September bei 28 Stunden 161,84 EUR, im Oktober bei 46 Stunden 265,88 EUR, im November bei 50 Stunden 289,00 EUR und im Dezember bei wiederum 50 Stunden abermals 289,00 EUR.

149

Von diesem Einkommen verbleiben dem Arbeitnehmer monatlich 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II. Von dem restlichen Einkommen, das durchweg unter 800,00 EUR liegt, verbleiben dem Arbeitnehmer weitere 20 Prozent. Im September 2008 stehen dem Arbeitnehmer daher von den 161,84 EUR Arbeitseinkommen 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II zu, sowie weitere 20 Prozent von 61,84 EUR nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, was 12,37 EUR ergibt. Das Arbeitseinkommen aus diesem Monat steht daher Herrn Fi. in Höhe von 112,37 EUR zu und der Klägerin in Höhe von 49,47 EUR. Legt man diese Rechenregel dann auch an die weiteren Monate an, stehen der Klägerin für Oktober 132,70 EUR des Einkommens in Höhe von 265,88 EUR zu, für November 151,20 EUR von 289,00 EUR und im Dezember ebenfalls 151,20 EUR von 289,00 EUR.

150

Im Jahre 2009 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Für Januar steht der Klägerin aus dem Einkommen in Höhe von 271,40 EUR für 46 Stunden ein Anteil in Höhe von 137,12 EUR zu. Für Februar steht der Klägerin aus dem Einkommen in Höhe von 259,60 EUR für 44 Stunden ein Anteil in Höhe von 127,68 EUR zu. Im März hat der Arbeitnehmer ebenfalls einen Entgeltanspruch in Höhe von 259,60 EUR für 44 Stunden erworben, der in Höhe von 127,68 EUR auf die Klägerin übergegangen ist. Im April verbleibt von dem Arbeitseinkommen in Höhe von 318,60 EUR für 54 Stunden ein Betrag in Höhe von 174,88 EUR, der auf die Klägerin übergegangen ist.

151

Aus den nicht erfüllten Anteilen der Lohnforderung von Herrn Fi. gegen den Beklagten sind die Forderungen im Umfang von 1.051,94 EUR auf die Beklagte übergegangen und nicht wie eingeklagt im Umfang von 1.892,23 EUR. Bei diesem Wert ist die Teilklagerücknahme im Umfang 47,10 EUR aus der mündlichen Verhandlung (behaupteter Anspruchsübergang für Mai 2009) bereits berücksichtigt.

f)

152

Von den noch nicht erfüllten Lohnforderungen der Betroffenen sind damit auf die Klägerin lediglich Ansprüche im Umfang von 7.151,46 EUR übergegangen.

C.

153

Die Klage ist nur begründet, soweit die noch nicht erfüllten Ansprüche auf Arbeitslohn auf die Klägerin übergegangen sind. Das ergibt einen Betrag in Höhe von 7.151,46 EUR. Dieser Wert liegt um 534,04 EUR über dem 6.617,42 EUR, die das Arbeitsgericht der Klägerin bereits zugesprochen hat. Daher ist die klägerische Berufung in diesem Umfang erfolgreich, im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg.

154

Soweit die Berufung erfolgreich ist, hat das Gericht den geforderten Verzugszins nur ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Forderung zugesprochen, da es nicht möglich erscheint, den Obsiegensanteil der Berufung der Klägerin hinsichtlich der Zinsen auf die verschiedenen Zeitpunkte, zu denen für die einzelnen Teile der Gesamtforderung Verzug eingetreten ist, aufzuteilen. Das ist dem Umstand geschuldet, dass sich der Obsiegensanteil aus vielen kleinen Abweichungen im rechnerischen Ansatz der Klägerin und des Arbeitsgerichts zusammensetzt und eine Zuordnung zu den einzelnen streitigen Monaten und Personen daher nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre. - Rechtshängigkeit ist mit Eingang der Klageschrift beim Arbeitsgericht am 29. Juni 2009 eingetreten, da die Klageschrift alsbald danach nämlich am 7. Juli 2009 beim Beklagten zugestellt worden ist (§ 167 ZPO).

155

Aus der dargestellten Rechtslage und dem Vergleich mit dem Ausspruch des Arbeitsgerichts ergibt sich auch, dass die Berufung des Beklagten insgesamt keinen Erfolg hat.

156

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 1 ZPO. Beide Berufungen hatten zusammen einen Wert in Höhe von 10.982,33 EUR, wovon die Klägerin mit insgesamt 7.151,46 EUR obsiegt hat, was das Gericht mit 70 Prozent bewertet hat. Angesichts der marginalen Unterschiede zwischen der Entscheidung des Arbeitsgerichts und der Rechtslage wie sie das Berufungsgericht sieht, rechtfertigt sich eine Abänderung der Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts nicht.

157

Die gesetzlichen Voraussetzungen aus § 72 ArbGG für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

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Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.09.2010 - Az.: 2 Ca 1844/08 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 1.425,69 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 03.02.2009, zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten erster Instanz haben der Kläger zu 94 %, die Beklagte zu 2) zu 6 %,

die Gerichtskosten der zweiten Instanz sowie die in der Berufung erwachsenen außergerichtlichen Kosten des Klägers haben der Kläger zu 92 %, die Beklagte zu 2) zu 8 %,

die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) hat der Kläger,

die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat der Kläger zu 86 % zu tragen.

Im Übrigen tragen die Parteien ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Vergütungsdifferenzen (nebst Zuschlägen und Sonderzuwendung) aufgrund tariflicher Ansprüche bzw. wegen des Streits um die Sittenwidrigkeit der vereinbarten Vergütung.

2

Der 36-jährige Kläger nahm von Dezember 1994 bis Dezember 2008/Januar 2009 Dienste als Rettungssanitäter für die Rettungswache E-Stadt wahr. Schriftliche Verträge wurden zwischen den Parteien nicht geschlossen.

3

Die Rettungswache E-Stadt war in den Jahren 2005, 2006 dem DRK-Kreisverband K. e.V., vom 01.01.2007 bis 31.03.2008 dem Beklagten zu 1. und seit dem 01.04.2008 der Beklagten zu 2. zugeordnet.

4

Die Gestaltung der Dienste erfolgte nach folgendem, seit Jahrzehnten bei den Beklagten etablierten Prinzip:

5

Der Kläger und die anderen, etwa 200 in gleicher Weise eingesetzten Rettungsassistenten bzw. -sanitäter konnten sich - nach der Eintragung der Vollzeitbeschäftigten in den Jahresdienstplan - auf die noch 20 - 30 % offenen Dienste bei den Wachenleitern "bewerben". Im Monat vorher trugen sie sich im PC der Rettungswache ein oder teilten dem Wachenleiter fernmündlich mit, an welchen Tagen/Nächten des folgenden Monats sie theoretisch Dienste leisten könnten. Aus den so angegebenen Diensten wählte der Wachenleiter aus und teilte kurz vor Beginn des nächsten Monats mit, ob und wenn ja welche und wie viele Dienste der jeweilige Rettungsassistent bzw. -sanitäter bekommen habe.

6

Darüber hinaus bestand seitens der Beklagten die Möglichkeit, bei zum Beispiel krankheitsbedingtem Ausfall eines Vollzeitbeschäftigten den Kläger oder andere Rettungsassistenten bzw. -sanitäter äußerst kurzfristig (einen Tag oder nur wenige Stunden vorher) anzurufen und zu ihrer Bereitschaft, den Dienst abzuleisten, zu befragen. Zur Übernahme eines solchen Dienstes bestand keine Verpflichtung. Die geringfügig beschäftigten Rettungsassistenten und -sanitäter "konkurrierten" untereinander um Dienste.

7

Während der übernommenen Dienste war der Kläger in den Betrieb der Rettungswache eingegliedert, welches beinhaltete, dass die zur Durchführung der Einsatzfahrten sowie der einsatz- bzw. schichtbezogenen Nebenarbeiten (Fahrzeugcheck, Wiederherstellen der Einsatzbereitschaft, Dokumentation der durchgeführten Einsätze) im Betrieb der Beklagten bzw. der jeweiligen Rettungswache für das hauptamtliche Personal geltenden Regelungen auch von ihm zu beachten waren.

8

Der Kläger und die Beklagte zu 2. führten vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern und in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz einen Rechtsstreit (2 Ca 831/09 - 11 Sa 649/09), in dem die Anträge des Klägers auf Feststellung, "dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht" sowie auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum Januar bis Juni 2009 rechtskräftig abgewiesen wurden. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz begründete die Abweisung des Feststellungsantrags auf der Basis des vorstehenden unstreitigen Sachverhalts im Wesentlichen wie folgt:

9

Aus dem Verhalten der Parteien lasse sich nicht schließen, dass der Beklagten über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus das Recht eingeräumt worden sei, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 315 BGB die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen. Die Vergabe der Einsätze sei stets nur aufgrund der "Bewerbung" des Klägers auf diese bzw. im Fall des kurzfristigen Ausfalls eines Vollzeitbeschäftigten aufgrund einer telefonischen Anfrage seitens der Beklagten in Absprache des einzelnen Einsatzes mit dem Kläger erfolgt. Die Einigung sei stets für den konkreten Bedarfsfall und begrenzt auf dessen Dauer erfolgt. Der Kläger sei weder verpflichtet gewesen, überhaupt oder in bestimmtem Umfang Bewerbungen auf einzelne Einsätze vorzunehmen, noch auf kurzfristige Anrufe zur Verfügung zu stehen. Auch die Aufnahme in einen Pool oder eine Liste sei kein hinreichender Anhaltspunkt für das Bestehen eines Dauerarbeitsverhältnisses. Aus dem ursprünglich nicht vereinbarten Dauerarbeitsverhältnis sei auch nicht im Laufe der Zeit aufgrund häufiger Heranziehung ohne größere Unterbrechungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Dauerarbeitsverhältnis entstanden. Im konkreten Fall des Klägers seien die Einsätze regelmäßig auf seine Bewerbungen und nur ausnahmsweise auf Anfrage der Beklagten abgesprochen worden, die Einsätze seien keinem erkennbaren System gefolgt, sondern hätten eine große Schwankungsbreite gehabt. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könnten gerade Studenten wegen der wechselnden Inanspruchnahme durch Studium und Nebenerwerb nur für einen begrenzten Zeitraum übersehen, in welchem Umfang und zu welchen Zeiten sie sich neben dem Studium noch arbeitsvertraglich binden könnten. Soweit die Parteien sich mithin auf die Ableistung kurzfristiger Dienste geeinigt hätten, habe der Kläger die letzte - formunwirksame - Befristung nicht (auch nicht in der Dreiwochenfrist des § 17 Satz 1 TzBfG) angegriffen. Da zwischen den Parteien kein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden habe, habe der Kläger auch keinen Annahmeverzugsanspruch vom 01.01.2009 bis zum 30.06.2009 (Urteil vom 18.03.2010 - 11 Sa 649/09 - veröffentlicht in JURIS ist unter anderem die Parallelentscheidung 11 Sa 650/09).

10

Für seine Einsätze erhielt der Kläger eine Vergütung pro Stunde, die sich bis zum Jahr 2007 einschließlich auf 3,20 EUR für die Stunde in der Nacht und auf 5,20 EUR für jede Stunde am Tag belief, und die seit dem 01.01.2008 in Höhe von 5,11 EUR pro Stunde gezahlt wurde.

11

Aufgrund seines Eintritts in die Gewerkschaft ver.di im Mai 2008 ist der Kläger seit Juni 2008 tarifgebunden. Zwischen der B., in der beide beklagten Parteien organisiert sind, und der Gewerkschaft ver.di ist der DRK Reformtarifvertrag vereinbart, der Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte enthält. § 3 der Sonderregelungen bestimmt in der unstreitig auf die Rettungssanitäter anwendbaren Vergütungsgruppe III (Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die fachliche Kenntnisse und eine Einarbeitung erfordern) in der seit 01.01.2007 geltenden Fassung 8,00 EUR Stundenvergütung. Zuvor galt für diese Vergütungsgruppe ein Stundensatz von 7,50 EUR.

12

Außer dem Kläger und seinen drei Kollegen, die Kläger der drei Parallelverfahren sind (11 Sa 566/10, 11 Sa 567/10, 11 Sa 569/10), waren im streitgegenständlichen Zeitraum bei den Beklagten insgesamt ca. 200 Personen mit vergleichbaren Bedingungen - insbesondere gleicher Entgelthöhe - in jeweils einzeln oder für mehrere einzelne Einsätze abgesprochenen Diensten tätig. Bei diesen handelte es sich insgesamt um Mitarbeiter im Nebenerwerb oder Studenten, die wochentags andere Verpflichtungen haben bzw. hatten.

13

Der Kläger machte seine Zahlungsforderungen gegenüber dem Beklagten zu 1. zu Händen des Geschäftsführers beider Beklagter mit Schreiben vom 18.06.2008, einem weiteren Schreiben unter dem gleichen Datum sowie vom 30.07.2008 geltend. Wegen der Einzelheiten der Geltendmachungsschreiben wird auf Bl. 141 ff. d. A. verwiesen.

14

Der Kläger hat vorgetragen, die ihm gezahlte Vergütung liege mehr als 30 Prozent unter dem üblichen Lohn, der durch den Tarifvertrag bestimmt werde. Er hat die Auffassung vorgetragen, daher sei sein Lohn sittenwidrig.

15

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

16

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 10.608,81 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen.

17

Die Beklagten haben beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Sie haben vorgetragen, die für die Kalenderjahre 2005 und 2006 eingeklagten Beträge würden für Zeiten geltend gemacht vor Übertragung des DRK-Rettungsdienstes D. auf den Beklagten zu 1. Eine Haftung des Beklagten zu 1. sei im Vertrag mit dem DRK-Kreisverband K. ausgeschlossen worden. Richtiger Beklagter für solche Ansprüche sei der DRK-Kreisverband K..

20

Nach Kenntnis der Beklagten sei der Kläger Mitglied beim DRK-Kreisverband K. bzw. einem der DRK-Ortsvereine im D.. Die Zahlungen seien deshalb als Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Tätigkeit erfolgt, unabhängig von der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung. Die Vergütung sei aber auch im Falle der Bewertung als Arbeitsvergütung nicht sittenwidrig. Die verkehrsübliche Vergütung liege unterhalb des Tariflohns. Die Beklagten verweisen auf die dem Kläger und seinen über 180 Kollegen bei gleichen Konditionen gezahlten Vergütungen. Bundesweit sei der Tarifvertrag, auf den sich der Kläger beziehe, nur für 16.000 von über 100.000 Arbeitsverhältnissen im Deutschen Roten Kreuz maßgeblich.

21

Weiterhin haben sie sich auf die Geltung der tariflichen Ausschlussfristen nach Eintritt der Tarifbindung bezogen.

22

Der Kläger hat in erster Instanz seinen Klageantrag teilweise zurückgenommen (Zuschläge und Sonderzuwendungen für die Jahre 2005 bis zum Eintritt der Tarifbindung im Jahr 2008) und teilweise erweitert (Januar 2009). Mit seinem zuletzt erhobenen Antrag hat er die Zahlung von Entgeltdifferenzen zum tariflichen Stundensatz (2005 bis Januar 2009), von Zuschlägen (Juni 2008 bis Januar 2009) und der Sonderzuwendung 2008 geltend gemacht. Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat durch das Urteil vom 02.09.2010 der Klage gegen die Beklagte zu 2. überwiegend stattgegeben und den Beklagten zu 1. in Höhe von 8.169,60 EUR als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 2. zur Zahlung verurteilt. In Höhe der beantragten Zahlung der Sonderzuwendung hat es die Klage abgewiesen. Diese Entscheidung hat es zusammengefasst wie folgt begründet:

23

Der Kläger habe Anspruch auf den Tariflohn als übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB. Dabei hafte der Beklagte zu 1. als bisheriger Arbeitgeber nach § 613 a Abs. 2 BGB neben der Beklagten zu 2. lediglich für die Vergütung bis einschließlich März 2008. Der vereinbarte Stundenlohn sei nach § 138 Abs. 2 BGB nichtig. Ein auffälliges Missverhältnis liege vor, da die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreiche. Ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spreche ohne weiteres für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten. Weiterhin sei es den Beklagten nach §§ 138, 242 BGB verwehrt, sich auf tarifliche Ausschlussfristen bei der Geltendmachung zu berufen. Demgegenüber sei die Forderung der Jahressonderzahlung nicht begründet, da die tarifliche Voraussetzung nicht gegeben sei, dass der Mitarbeiter am 01.12. in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehe und mindestens seit 01.06. beschäftigt sei, da nur befristete Tagesarbeitsverhältnisse vorgelegen hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 02.09.2010 Seite 5, 6 (Bl. 206, 207 d. A.) verwiesen.

24

Gegen das ihnen am 27.09.2010 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 21.10.2010 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 25.11.2010, eingegangen am 26.11.2010, begründet.

25

Nach Maßgabe dieses Schriftsatzes sowie des ergänzenden Schriftsatzes vom 08.02.2011, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 225 ff. d. A., 266 ff. d. A.) begründen sie die eingelegte Berufung zusammengefasst wie folgt: Der Tariflohn spiegele nicht das allgemeine Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet wieder. Maßgebliche Region sei die Westpfalz. Dort sei die Beklagte zu 2. die einzige im Rettungsdienstbereich tätige DRK-Anbieterin und habe im Jahr 2008 83 Prozent aller Einsatzfahrten durchgeführt. Weiterhin setzten die Beklagten im Rettungsdienstbereich ca. 190 Personen zu den gleichen Bedingungen wie den Kläger ein, bei gleicher Vergütung. Bei der Bewertung, ob es sich um eine sittenwidrige Ausnutzung handele, seien die gesamten Umstände heranzuziehen. Dies sei hier insbesondere der erhebliche Anfall der Zeiten der Arbeitsbereitschaft bzw. Bereitschaft innerhalb der Dienste. Die Tarifvertragsparteien hätten der geringeren Wertigkeit solcher Leistungen im Falle der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten oberhalb der geringfügigen Beschäftigung durch eine insgesamt verlängerte Wochenarbeitszeit von 48 statt 38,5 Stunden bezogen auf die Vollzeit bei regelmäßig anfallenden Zeiten der Arbeitsbereitschaft Rechnung getragen. Weiterhin habe das Arbeitsgericht ohne Prüfung und aufgrund bloßer Anwendung der 2/3-Rechnung ein besonders auffälliges Missverhältnis angenommen und hieraus ohne weiteres eine verwerfliche Gesinnung gefolgert, obwohl die Beklagten als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung anerkannt seien und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen dürften sowie verfolgten. Es sei den Beklagten stets bewusst gewesen, erst Recht, da sie von ehrenamtlicher Tätigkeit des Klägers ausgegangen seien, dass dieser keine Verpflichtungen eingegangen sei, auf Abruf oder aufgrund einseitiger Leistungsbestimmung rund um die Uhr an allen Kalendertagen Dienste zu übernehmen. Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit sei es vorliegend ein relevanter Umstand, dass der Kläger keinerlei Direktionsrecht eines Arbeitgebers unterlag, im Rahmen dessen er zu bestimmten Arbeitsleistungen hätte verpflichtet werden können. Der Kläger und seine Kollegen seien auch weder unerfahren gewesen, noch hätten sie sich in einer Zwangslage befunden.

26

Sie beantragen,

27

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.09.2010, Aktenzeichen: 2 Ca 1844/08, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

28

Der Kläger beantragt,

29

die Berufung zurückzuweisen,

30

hilfsweise stellt er den Antrag,

31

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.09.2010, Az: 2 Ca 1844/08, abzuändern und

32

die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an den Kläger 8.169,60 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.02.2009 zu zahlen und

33

die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an den Kläger 2.000,72 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.02.2009 zu zahlen.

34

Zur Begründung trägt er vor, die Ansicht des Arbeitsgerichts im vorliegenden Verfahren wie auch des Landesarbeitsgerichts im Verfahren 11 Sa 649/09, es handele sich um jeweils befristete Tagesarbeitsverhältnisse, werde nochmals zur Entscheidung gestellt. Nach Auffassung des Klägers handele es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis auf 400-Euro-Basis. Hierfür spreche insbesondere die Tatsache, dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, den Kläger auch bei spontanem Personalbedarf zur Arbeit zu rufen, und sich der Kläger dazu verpflichtet habe, solchen Spontanrufen auch zu folgen. Solche Anfragen habe der Kläger nie abgelehnt. Hätte er es getan, wäre nämlich in der Folge die einvernehmliche Absprache der Dienste nicht mehr reibungslos gelaufen. Faktisch habe ein einem Dauerarbeitsverhältnis entsprechendes Leistungsbestimmungsrecht der Arbeitgeberin bestanden. Das Institut einzelner befristeter Tagesarbeitsverhältnisse sei auch aufgrund unzulässiger Verkürzung effektiven Rechtsschutzes aus verfassungsrechtlichen Gründen höchst bedenklich. Je nach Lage der Einsätze komme der Rechtschutz bei Beachtung der Dreiwochenfrist fast zwangsläufig zu spät. Für den Fall, dass das erkennende Gericht von fehlender gesamtschuldnerischer Haftung wegen der Annahme von Tagesarbeitsverhältnissen ausgehe, würden die Hilfsanträge gestellt.

35

Für die Bemessung der Sittenwidrigkeit der Vergütung müsse das einschlägige Tarifwerk schon deshalb herangezogen werden, da die Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag in der Region absolute Marktführerinnen seien, sie also selbst den marktüblichen Preis festsetzten, ohne dabei von irgendeinem regulierenden Marktmechanismus kontrolliert zu werden. Sie müssten sich aber auch aufgrund ihrer Tarifbindung an dieser Verpflichtung messen lassen. Auch für die Zeit vor Erhöhung der tariflichen Vergütung auf 8,00 EUR sei dieser Betrag als maßgeblicher Stundensatz anzusetzen. Dies ergebe sich aus dem Vergleich mit den normal Beschäftigten. Beziehe man die üblicherweise zu zahlenden Zuschläge und die Sonderzahlungen in die Vergleichsberechnung mit ein, werde auch bei einem 0,50 EUR niedrigeren Grundstundenlohn für die Jahre 2005 und 2006 unproblematisch die 66-Prozent-Grenze unterschritten. Aber auch bei einem Lohnniveau von 68,14 Prozent für das Jahr 2006 (ohne Berücksichtigung der Zuschläge) sei an Sittenwidrigkeit zu denken, aufgrund der Nähe zur 66-Prozent-Grenze. Die folgenden Besonderheiten des Einzelfalls seien zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen: Die Beklagten seien tarifgebunden und leugneten ihren eigenen Tarifvertrag, und sie nutzten darüber hinaus ihre Monopolstellung in der Region aus, um das niedrige Lohnniveau zu halten. Weiterhin zeige sich in vorliegendem Fall deutlich das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei der Aushandlung von Arbeitsverträgen. Bereits dieses deute darauf hin, dass bei der Vereinbarung des Entgelts eine Zwangslage des Klägers gegeben gewesen sei. Hinzu komme die arbeitsrechtliche Unerfahrenheit des Klägers bei Abschluss des Arbeitsvertrags quasi als Berufsanfänger.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags beider Parteien wird auf die vorgetragenen Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

37

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.

38

In der Sache ist die Berufung der Beklagten teilweise erfolgreich. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2. Anspruch auf Zahlung der Differenzen zur tariflichen Vergütung für den Zeitraum der Tarifbindung (Juni 2008 bis Dezember 2008) nicht jedoch für den Januar 2009. Einem Zahlungsanspruch für den Januar 2009 steht die Rechtskraft des Urteils des Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 18.03.2010 (11 Sa 649/09) entgegen.

39

Ansprüche wegen Vergütungsdifferenzen in den Jahren 2005/2006 bestehen gegenüber keiner der Beklagten, da der Kläger die Passivlegitimation beider Beklagter nicht schlüssig vorgetragen hat.

40

Für den Zeitraum des Jahres 2007 sowie von Januar bis Mai 2008 besteht über die durch die jeweilige Arbeitgeberin geleisteten Zahlungen hinaus kein Vergütungsanspruch, da die Voraussetzungen der §§ 612, 138 BGB nicht gegeben sind.

41

1. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten zu 2) Anspruch auf Zahlung von 1.425,69 Euro für Juni bis Dezember 2008. Dieser Anspruch gründet in rechnerisch unstreitiger Höhe auf der Differenz der geleisteten Zahlung von 5,11 Euro pro Stunde zu tariflich geschuldeten 8,00 Euro pro Stunde nebst Nacht- und Sonntagszuschlägen (vgl. die tabellarische Aufstellung des Klägers im Schriftsatz vom 29.06.2010, Bl. 196 d. A.). Im genannten Zeitraum findet der Tarifvertrag unstreitig kraft beiderseitiger Tarifbindung auf die jeweiligen Arbeitsverhältnisse Anwendung.

42

Soweit sich die Beklagte auf Ausschlussfristen nach § 41 des DRK-Tarifvertrages berufen hat, so wird die Sechsmonatsfrist zur schriftlichen Geltendmachung in vorliegendem Fall insgesamt durch die bereits am 29.12.2008 zugestellte Klageschrift für den gesamten Zeitraum gewahrt.

43

2. Die für den Januar 2009 geltend gemachten Ansprüche in Höhe von 129,97 EUR unterliegen der Abweisung. Der Durchsetzung der Zahlungsforderung steht bereits die Rechtskraft der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in 11 Sa 649/09 entgegen, in der rechtskräftig die Forderungen für den Zeitraum Januar bis Juni 2009 abgewiesen worden sind, § 322 ZPO. Die Rechtskraft mit Wirkung für den Kläger und Beklagte zu 2), die auch Partei des vorausgegangenen Rechtsstreits war, und die für Januar 2009 die Anspruchsgegnerin ist, steht auch einer Geltendmachung bezogen auf den nunmehr erhobenen Anspruch für 37 Stunden im Januar 2009 entgegen, der zwar nicht wie im Vorprozess auf Annahmeverzug wohl aber auf Vergütung für geleistete Tätigkeit in demselben Zeitraum gestützt wird. Aufgrund des gleichen Vergütungszeitraumes besteht auch bei unterschiedlicher geltend gemachter Anspruchsgrundlage eine Identität des Streitgegenstandes.

44

Im Übrigen wird darauf verwiesen, dass diese Forderung mangels Geltendmachung in der Klageschrift erst mit Schriftsatz vom 29.06.2010 (unabhängig von dem nicht feststellbaren Zugangsdatum des Schriftsatzes), damit außerhalb der Sechsmonatsfrist für die schriftliche Geltendmachung nach § 41 des Tarifvertrages geltend gemacht worden ist. Der Kläger ist auch aus diesem Grund mit der Forderung ausgeschlossen.

45

3. Weiterhin unterliegt die Klage der Abweisung, soweit der Kläger Ansprüche für die Jahre 2005 und 2006 geltend macht, in welchen unstreitig kein Arbeitsverhältnis mit den beklagten Parteien gegeben war.

46

Der Kläger stützt sich insoweit auf einen Betriebs- oder Teilbetriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB zum 01.01.2007 von der Rechtsvorgängerin auf den Beklagten zu 1. und nochmals am 01.04.2008 von dem Beklagten zu 1. auf die Beklagte zu 2.

47

Allerdings trägt sein gesamter Sachvortrag in vorliegendem Verfahren nicht die von ihm in Anspruch genommene Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 Satz 1. Danach tritt der Betriebsübernehmer in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Damit bestimmt § 613 a Abs. 1 Satz 1 gleichzeitig die Voraussetzung des "im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisses".

48

Das gesamte prozessuale Vorbringen des Klägers rechtfertigt nicht die rechtliche Folgerung, dass zwischen ihm und der Betriebsveräußerin am 01.01.2007 ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Dies gilt, selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, der gesamte Sachvortrag zur Frage des Bestehens von befristeten Tagesarbeitsverhältnissen oder zum Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses beziehe sich - trotz der grammatikalischen Fassung unter Verwendung des Präsenz - auch auf den Zeitraum 2005/2006.

49

Auch wenn die Rechtskraft der genannten Entscheidung der 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts sich nicht auf den Beklagten zu 1. erstreckt, ist doch auch in vorliegendem Verfahren angesichts des übereinstimmenden unstreitigen Sachverhalts zum Zustandekommen der Rettungsdiensteinsätze des Klägers aufgrund der Vereinbarung für einzelne oder mehrere einzelne Dienste in Übereinstimmung mit der Entscheidung der 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts vom 18.03.2010 von dem Abschluss einzelner kurzfristiger sogenannter "Tagesarbeitsverhältnisse" auszugehen. Hierfür sind im Einzelnen folgende Überlegungen maßgeblich:

50

Dem äußeren Erscheinungsbild nach vergleichbarer unregelmäßiger Dienst im Rahmen sogenannter geringfügiger Beschäftigung ist nach den gesetzgeberisch vorgegebenen Gestaltungsmöglichkeiten sowohl im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses auf Abruf (§ 12 Abs. 1 Satz 1 TzBfG) als auch im Rahmen jeweils im Sinne von § 14 TzBfG einzeln abgesprochener Arbeitsverhältnisse mit jeweils kurzer, und sei es nur auf einen Tag bezogener, Frist möglich. Ob die Parteien von diesen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht haben, indem sie einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen haben oder aber zahlreiche kurzfristige Arbeitsverträge, richtet sich allein nach dem Parteiwillen. Dieser kann sich aus den ausdrücklichen Erklärungen der Vertragsparteien, aber auch aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen ergeben, soweit sie Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien zulässt. Beide Typen, sowohl das Abrufarbeitsverhältnis als auch die Vereinbarung kurzfristiger, nicht zusammenhängender Arbeitsverhältnisse, die mit einer Rahmenvereinbarung ausgestaltet sein können, sind gesetzlich zulässig. Eine Verpflichtung zur Begründung eines Dauerschuldverhältnisses besteht nicht (LAG Rheinland-Pfalz, in dem zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ergangenen Urteil vom 18.03.2010, 11 Sa 649/09, Seite 16, 17 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts).

51

In vorliegendem Fall wurden unstreitig jeweils einsatzbezogene Absprachen getroffen. Es lässt sich aus dem Verhalten der Parteien nicht schließen, dass der Rechtsvorgängerin der Beklagten über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus Rechte eingeräumt und dem Kläger über diesen Einsatz hinaus Pflichten auferlegt worden seien. Dies wäre aber Voraussetzung für ein Abrufarbeitsverhältnis.

52

Aufgrund des in vorliegendem Fall bis zum Schluss der ersten Instanz in vollem Umfang inhaltsgleich vorgetragenen Sachverhalts wie im Verfahren 11 Sa 649/09 ist vielmehr zu entnehmen, dass die Vergabe der Einsätze grundsätzlich aufgrund der "Bewerbung" des Klägers auf diese erfolgte und dass es ausnahmsweise, im Falle kurzfristigen Ausfalls eines Vollzeitbeschäftigten zu telefonischen Anfragen seitens der Beklagten und Absprachen des einzelnen Einsatzes mit dem Kläger kam. Eine Einigung erfolgte stets für den konkreten Bedarfsfall und begrenzt auf dessen Dauer. Der in der Berufung vorgetragene Sachvortrag des Klägers, wonach er solche Anfragen nie abgelehnt habe, rechtfertigt keine andere Bewertung. Insbesondere rechtfertigt dies nicht die Schlussfolgerung auf eine Pflicht, solchen spontanen Rufen Folge zu leisten. Seine weitere Annahme, dass im Falle einer von seiner Seite tatsächlich nie erfolgten Ablehnung die einvernehmliche Absprache der Dienste nicht mehr reibungslos gelaufen wäre, und er in der Folge weniger attraktive oder auch gar keine Dienste mehr zugeteilt bekommen hätte, ist offenbar spekulativ. Konkrete Anhaltspunkte hierfür benennt er nicht. Auch die weiteren Passagen seines Berufungserwiderungsschriftsatzes sind nicht als konkreter Sachvortrag zu den Vereinbarungen der Parteien in der Vergangenheit zu verstehen, sondern sollen insgesamt seine Auffassung stützen, dass das Institut einzelner befristeter Tagesarbeitsverhältnisse aus verfassungsrechtlichen Gründen und wegen unzulässiger Verkürzung effektiven Rechtsschutzes abzulehnen sei.

53

Dieser Rechtsauffassung stimmt die Kammer ausdrücklich nicht zu. Vielmehr schließt sich die erkennende Kammer in Übereinstimmung mit der Entscheidung der 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18.03.2010 der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 31.07.2002 (7 AZR 181/01 - AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG) an, wonach es bei verschiedenen vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten den vertragsschließenden Parteien freigestellt ist, welche Gestaltungsmöglichkeit sie wählen. Es liegt weder eine Gesetzesumgehung noch der Missbrauch einer an sich zulässigen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit vor. Rahmenverträge, die bestimmte Einzelheiten künftig abzuschließender Einzelverträge festlegen, sind außerhalb arbeitsvertraglicher Vertragsbeziehungen grundsätzlich anerkannt. Sie sind auch bei arbeitsvertraglichen Beziehungen nicht ausgeschlossen. Vielmehr kann es durchaus sachgerecht sein, die Bedingungen der noch abzuschließenden Einzelverträge in einer Rahmenvereinbarung niederzulegen und darauf bei Abschluss der Einzelverträge Bezug zu nehmen. Die Arbeitsvertragsparteien sind nicht gezwungen statt der Kombination von Rahmenvereinbarung und Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 4 BeschFG (seit dem 01.Januar 2001: § 12 TzBfG) zu begründen. § 4 BeschFG verbietet den Abschluss jeweils befristeter Einzelarbeitsverträge nicht (BAG, a. a. O.; I. B. 3 a). Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer auch im Hinblick auf die nunmehr in § 12 TzBfG zu findende Regelung an.

54

Dass es nicht geboten ist, gesetzlich grundsätzlich zulässige Gestaltungsmöglichkeiten aus Gesichtspunkten des Arbeitnehmerschutzes auszuschließen, zeigt gerade der vorliegende Fall. Gerade in Konstellationen wie der vorliegenden, wenn die Arbeitnehmer aufgrund der Verpflichtungen durch Hauptberuf oder Studium nicht die Möglichkeit oder aber das Interesse mitbringen, sich dauerhaft zu verpflichten, kann der Abschluss eines derartigen Rahmenvertrages in ihrem eigenen Interesse liegen. Denn dadurch können sie über ihre Zeit frei verfügen und laufen nicht Gefahr, dass ihre anderweitigen Dispositionen und Verpflichtungen - zum Beispiel im Studium - mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kollidieren (so auch BAG, a. a. O.).

55

Die nach Auffassung des Klägers unzulässige Verkürzung effektiven Rechtsschutzes bezieht sich auf die Dreiwochenfrist zur Erhebung einer Befristungskontrollklage nach § 17 TzBfG. Allerdings enthält die gesetzlich geregelte Klagefrist zumindest das Korrektiv über § 17 Satz 2 TzBfG in § 5 KSchG (nachträgliche Zulassung der Klage). Sie stellt bei näherer Betrachtung auch keine Besonderheit von befristeten Tagesarbeitsverhältnissen dar, sondern findet sich als Dilemma des Arbeitnehmers in allen Fällen der vereinbarten, in Aussicht gestellten oder erhofften Verlängerung bzw. des Neuabschlusses befristeter Arbeitsverhältnisse im Hinblick auf die Regelung des § 17 TzBfG, die in der Konsequenz auch die Überprüfung eines vorangegangenen befristeten Arbeitsverhältnisses verhindert und ausschließlich die Überprüfung des letzten befristeten Vertragsverhältnisses ermöglicht, sofern die Befristung innerhalb der Frist des § 17 angegriffen wird. Auch das Bundesarbeitsgericht verweist in der bereits zitierten Entscheidung auf die Möglichkeit der fristgerechten Anfechtung der Befristung. Die Bedenken des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit der von den Parteien gewählten Rechtsgestaltung greifen nicht durch.

56

Insgesamt ist damit die Voraussetzung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang am 01.01.2007 nicht dargetan und eine gesamtschuldnerische Haftung beider Beklagter wegen vor dem 01.01.2007 entstandener Ansprüche besteht nicht.

57

4. Der Kläger kann seine geltend gemachten Vergütungsdifferenzansprüche auch nicht auf § 612 BGB in Verbindung mit § 138 BGB für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.05.2008 stützen. Ein Anspruch auf weitere Vergütung unter dem Gesichtspunkt der üblichen Vergütung nach § 612 BGB besteht angesichts der zwischen den Parteien getroffenen Vergütungsabrede nicht. Die Voraussetzungen für die Unwirksamkeit der Vergütungsabrede gemäß § 138 BGB liegen nicht vor.

58

4.1 Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen eines anderen für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Die Regelung gilt auch für das auffällige Missverhältnis zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Lohnhöhe in einem Arbeitsverhältnis (BAG 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 - BAGE 130, 338 ff.).

59

Danach bedarf es in objektiver Hinsicht zunächst eines "auffälligen Missverhältnisses" zwischen Leistung und Gegenleistung, hier also eines auffälligen Missverhältnisses zwischen dem Wert der von den Arbeitnehmern erbrachten Arbeitsleistung und dem als Gegenleistung dafür von dem Beklagten versprochenen und gezahlten Entgelt. Der Wuchertatbestand nach § 138 Abs. 2 BGB setzt in subjektiver Hinsicht zunächst zwingend voraus, dass der Wucherer die beim anderen Teil bestehende Ausbeutungslage (Zwangslage, Unerfahrenheit etc.) ausnutzt, also sie sich in Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen bewusst zu Nutze macht.

60

Liegt zwar in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Wucherer eine der in § 138 Abs. 2 BGB näher bezeichneten Ausbeutungslagen ausgenutzt hat, liegt zwar kein Wuchergeschäft im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB vor. Gleichwohl kann das Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB als sogenanntes "wucherähnliches Geschäft" sittenwidrig sein. Das ist dann der Fall, wenn in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und subjektiv weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, wie zum Beispiel eine verwerfliche Einstellung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten. Eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten ist schon dann zu bejahen, wenn er sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sein Vertragspartner sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf den ungünstigen Vertrag eingelassen hat. In diesem Zusammenhang spricht bereits ein besonders auffälliges und krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ohne weiteres für eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten; das gilt jedenfalls dann, wenn das objektiv bestehende krasse Missverhältnis den hinreichend sicheren Schluss zulässt, der Begünstigte habe sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen, es liege ein solches Missverhältnis vor (LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 02.11.2010 - 5 Sa 91/10 - zitiert nach JURIS, BAG 22.04.2009 a. a. O.).

61

Bereits der Bundesgerichtshof hat am 13.06.2001 (XII ZR 49/99 - NJW 2002, 55 ff.) erkannt, dass bei bestimmten Vertragstypen allein wegen eines krassen Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten geschlossen werden könne, auch wenn im konkreten Fall keine weiteren, für ein sittenwidriges Verhalten des Begünstigten sprechenden Umstände hinzu kamen. Bei Grundstücksverträgen war der Bundesgerichtshof bereits zuvor von einem entsprechenden Missverhältnis schon dann ausgegangen, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Er hat diesen Maßstab von 50 % in der zitierten Entscheidung auf gewerbliche Miet- und Pachtverhältnisse übertragen und hinsichtlich des möglichen Rückschlusses auf die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten ausgeführt, ein hinreichend sicherer Rückschluss hierauf sei möglich unter der Voraussetzung, dass sich der Begünstigte nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, es liege ein krasses Missverhältnis vor, wovon jedenfalls nur auszugehen sein könne, wenn der Marktwert der Leistung für ihn in etwa erkennbar war.

62

Nach all diesen Ausführungen, denen sich auch die erkennende Kammer in vollem Umfang anschließt, setzt sowohl die Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB und damit der Tatbestand des Wuchers als auch die Bestimmung eines krass auffälligen Missverhältnisses im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB und damit der Tatbestand des "wucherähnlichen Geschäfts" die Bestimmung des Marktwerts der Leistung voraus.

63

4.2 Die Bestimmung des Werts der Leistung folgt nach allgemeiner Auffassung objektiven Kriterien. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht in der bereits zitierten Entscheidung vom 22.04.2009 ausgeführt: Ausgangspunkt der Wertbestimmung sind in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden. Entspricht der Tariflohn dagegen nicht der verkehrsüblichen Vergütung, sondern liegt diese unterhalb des Tariflohns, ist von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen (BAG a. a. O., II. 1 a).

64

Eine Üblichkeit der Tarifvergütung kann angenommen werden, wenn mehr als 50 Prozent der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen. Demgegenüber ist der Organisationsgrad der Arbeitnehmer weniger aussagekräftig, denn dieser führt ohne Tarifbindung der Arbeitgeber nicht zur Üblichkeit entsprechender Tarifentgelte (BAG, a. a. O., II. 2 c).

65

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs geht die Kammer, da die Beklagten das Verhältnis der durch die Beklagten wahrgenommenen Rettungseinsätze in der maßgeblichen Region Westpfalz gegenüber den Wettbewerbern von 83 Prozent zu 17 Prozent in den Prozess eingeführt haben, davon aus, dass die Üblichkeit der tariflichen Vergütung sich aus der zweiten vom Bundesarbeitsgericht aufgeführten Alternative ergibt, da die maßgeblichen Arbeitgeber, die ihrerseits organisiert und damit tarifgebunden sind, bei dieser monopolartigen Stellung zumindest 50 Prozent der Arbeitnehmer im Wirtschaftsgebiet beschäftigen.

66

4.3 Das Kriterium des auffälligen Missverhältnisses ist erfüllt, wenn dieses einem Kundigen, gegebenenfalls nach Aufklärung des Sachverhalts, ohne weiteres ins Auge springt. Das Bundesarbeitsgericht hat sich in der bereits mehrfach zitierten Entscheidung vom 22.04.2009 für die Bestimmung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung dem bereits in der Rechtsprechung der Instanzgerichte herrschenden Richtwert von 2/3 des üblichen Lohnes angeschlossen und ausgeführt, es halte eine Grenze von 2/3 für zutreffend, unterhalb derer mangels besonderer Umstände des Falls Lohnwucher anzunehmen sei. Werde der übliche Lohn in einem derartigen Ausmaß unterschritten, liege eine ganz erhebliche, ohne weiteres ins Auge fallende und regelmäßig nicht mehr hinnehmbare Abweichung vor, für die es einer spezifische Rechtfertigung bedürfe. Diese Grenzziehung berücksichtige bereits, dass Tarifverträge vielfach Zusatzleistungen vorsehen. Zu vergleichen sei demnach die regelmäßig gezahlte Vergütung mit dem regelmäßigen Tariflohn. Tarifliche Zulagen und Zuschläge für besondere Arbeiten und Arbeitszeiten oder aus bestimmten Anlässen seien ebenso wenig einzubeziehen, wie unregelmäßige Zusatzleistungen eines Arbeitgebers im streitigen Arbeitsverhältnis. Derartige Leistungen bestimmten grundsätzlich weder den verkehrsüblichen Wert der Arbeit als solchen, noch den Charakter des Arbeitsverhältnisses. Nur die generalisierende Betrachtungsweise ermögliche eine praktikable Bestimmung des maßgeblichen Grenzwerts (BAG, a. a. O., II. 1. B. aa) sowie bb)).

67

Unter Anwendung dieser Grundsätze, denen sich die erkennende Kammer anschließt, ist im vorliegenden Fall wegen des Zahlungszeitraums 2007 sowie wegen des weiteren Zahlungszeitraumes Januar 2008 bis Mai 2008 zu unterscheiden. Im Jahr 2007 erhielt der Kläger für die geleistete Arbeitsstunde in der Nacht 3,20 EUR brutto, für die am Tag geleistete Stunde 5,20 EUR. Demgegenüber erhielt der Kläger im Jahr 2008 durchgängig eine Vergütung von 5,11 EUR pro Stunde. Letztere erreicht 63,88 Prozent des tariflichen Niveaus.

68

Für den Vergleich der im Jahr 2007 gezahlten Vergütung, die nach Tag- und Nachtstunden differenziert, mit dem tariflichen einheitlichen Stundensatz wird eine Durchschnittsberechnung bezogen auf das Kalenderjahr 2007 vorgenommen. Die Kammer hält in Anbetracht der Einheitlichkeit des Vergütungssystems aufgrund der rahmenmäßigen Bestimmung auch bei dem Vorliegen zahlreicher kurzfristiger Arbeitsverhältnisse bzw. Tagesarbeitsverhältnisse die Durchschnittsbetrachtung für den Vergleich mit dem tariflichen Lohnniveau für geeignet und maßgeblich. Da der Kläger überwiegend im Tagdienst eingesetzt war, ergibt sich bezogen auf die Gesamtstundenzahl und Gesamtvergütung des Klägers im Jahr 2007 eine durchschnittliche stündliche Vergütung von 4,50 EUR brutto. Dies entspricht 56,25 Prozent des Tariflohnniveaus.

69

Eine Verschiebung der nunmehr auch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich anerkannten Grenze von 2/3 des maßgeblichen Tarifentgelts ist auch nicht aufgrund der besonderen Umstände vorliegenden Falles gerechtfertigt. Zwar wenden die Beklagten den hohen Anteil von Zeiten der Bereitschaft innerhalb der vergüteten Arbeitszeit ein. Dies ist aber ein Umstand, der die geringfügig Beschäftigten aufgrund von kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen mit dem Vergütungssystem, das auch beim Kläger zur Anwendung kam, von den geringfügig Beschäftigten, die tariflich wegen eines längerfristig bestehenden Arbeitsverhältnisses nach den Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte zum DRK-Tarifvertrag auf Stundenbasis bezahlt wurden, gar nicht unterscheidet. Auch die tariflich vergüteten geringfügig Beschäftigten hatten im streitgegenständlichen Zeitraum unabhängig vom Anfall von Zeiten bloßer Bereitschaft oder Arbeitsbereitschaft Anspruch auf Zahlung des Stundensatzes, der nunmehr als Vergleichsmaßstab angelegt wird.

70

4.4 Der Tatbestand des Lohnwuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) setzt weiterhin voraus, dass der "Wucherer" die beim anderen Teil bestehende Schwächesituation (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche) ausbeutet, also sie sich in Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen bewusst zu Nutze macht (BAG 22.04.2009, a. a. O., II. 3 a).

71

Dabei meint die Zwangslage einen zwingenden Bedarf an einer Geldleistung. Die Unerfahrenheit in diesem Sinne bezeichnet einen Mangel an Lebens- oder Geschäftserfahrung. Beide Voraussetzungen hat der Kläger im vorliegenden Fall unter Einbeziehung seines zweitinstanzlichen Vorbringens nicht schlüssig vorgetragen.

72

Eine wirtschaftliche Zwangslage in diesem Sinne kann bereits deshalb nicht als naheliegend vorausgesetzt werden, da die Beschäftigung nicht dem Haupterwerb diente, sondern insgesamt nebenerwerbliche Tätigkeiten vorlagen und dies in schwankendem insgesamt geringem Umfang. Die Auffassung des Klägers, das Kriterium der Zwangslage sei schon aufgrund des typischen strukturellen Ungleichgewichts im Arbeitsverhältnis zu bejahen, ist im Hinblick auf die weitreichenden Folgen sowohl nach § 138 Abs. 2 BGB als auch des gleichlautenden Straftatbestandes des § 291 StGB zurückzuweisen. Es wird der gesetzlichen Voraussetzung nicht gerecht, diese per se in jeder Arbeitsvertragsverhandlung als gegeben zu betrachten. Vielmehr ist der Norm zu entnehmen, dass das Kriterium der Ausnutzung einer Zwangslage eine eigenständige Bedeutung haben soll. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung und Sinn und Zweck unter besonderer Berücksichtigung der weitreichenden Folgen gebieten es, hier nur besondere Schwächesituationen einzubeziehen.

73

Soweit der Kläger meint, die Voraussetzung der Unerfahrenheit sei gegeben, da er "quasi Berufsanfänger" gewesen sei, so ist es für die Kammer mangels Substantiierung unmöglich, zu erkennen, welche konkreten Defizite hier einen besonderen Mangel an Lebens- oder Geschäftserfahrung begründen sollen. Auch hier gilt, dass es keine allgemeine Vermutung für ein Vorliegen der gesetzlich vorausgesetzten besonderen Schwächesituation gibt.

74

4.5 Kommt danach eine Unwirksamkeit im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB wegen Lohnwuchers nicht in Betracht, so kann gemäß § 138 Abs. 1 BGB das bestehende Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Falle des Hinzukommens weiterer Umstände wie einer verwerflichen Gesinnung die Unwirksamkeit der Vergütungsabrede begründen.

75

Im Hinblick auf die von den Parteien vorgetragenen besonderen Umstände des vorliegenden Falles erkennt die Kammer weder in dem Vortrag der Klägerseite zur Ausnutzung einer Monopolstellung durch die Beklagten die Begründung einer besonderen Verwerflichkeit noch ist nach der Einschätzung der Kammer die Beklagtenseite vor der Bewertung ihres Handelns als verwerflich geschützt aufgrund ihres Vorbringens, sie arbeite nicht mit Gewinnerzielungsabsicht, sondern ausschließlich und in nach Abgabenrecht anerkannter Weise gemeinnützig im öffentlichen Interesse, die Beklagten hätten auch bei dem Kläger und seinen Kollegen ehrenamtliches Engagement vorausgesetzt.

76

Zwar verschiebt die monopolartige Stellung der Beklagten, die sie in der Region Westpfalz, betrachtet man den hohen Anteil der von ihnen durchgeführten Rettungseinsätze, innehaben, die Verhandlungsgewichte zu ihren Gunsten im Verhältnis zu Bewerbern um Arbeitsverhältnisse. Dies ist allerdings nicht hinreichend, um bereits auf eine Verwerflichkeit bei der Vereinbarung einer auffällig niedrigen Vergütung zu schließen. Andere Umstände des vorliegenden Falls sprechen gegen eine besondere Verwerflichkeit. Rücksichtslose Eigennützigkeit lässt typischerweise auf eine verwerfliche Gesinnung schließen. Demgegenüber fehlt es bei den Beklagten an einer Gewinnerzielungsabsicht. Die Beklagten sind steuerrechtlich als gemeinnützig anerkannt. Allerdings gibt es nach der Einschätzung der erkennenden Kammer auch eine sittliche Grenze für die Benachteiligung Einzelner und die Vernachlässigung von deren Interessen, auch wenn sie zugunsten des Gemeinwohls erfolgt. Von ehrenamtlichem Engagement des Klägers und seiner Kollegen konnten die Beklagten bereits deshalb nicht ausgehen, da die durch die Übernahme von Diensten verfolgte Erwerbsabsicht für die Beklagten hinreichend deutlich zu Tage trat. Die geringfügig in gleicher Weise wie der Kläger Beschäftigten erstrebten die versprochene Vergütung und konkurrierten um die Dienste. Insgesamt lassen die Umstände weder auf eine besondere Verwerflichkeit schließen, noch wird durch diese Umstände die Verwerflichkeit der Haltung der Beklagten ausgeschlossen.

77

Allerdings kann auch bei Abwesenheit besonderer die Verwerflichkeit begründender Umstände das Maß des auffälligen Missverhältnisses ohne weiteres für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten sprechen. Dies ist dann der Fall, wenn es sich um ein besonders auffälliges - krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung handelt. In diesen Fällen lässt das bestehende Missverhältnis bereits einen hinreichend sicheren Schluss auf den subjektiven Tatbestand zu, der Arbeitgeber müsse sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen haben, es liege ein solches Missverhältnis vor (BAG, a. a. O., II. 3. b). Einen Maßstab zur Bestimmung eines besonders auffälligen bzw. krassen Missverhältnisses hat das Bundesarbeitsgericht bisher nicht festgehalten. Der Bundesgerichtshof hat für mehrere unterschiedliche Rechtsverhältnisse - wie oben bereits ausgeführt - die Grenze von 50 Prozent des Werts der Gegenleistung für maßgeblich erachtet. Dem hat sich für Arbeitsverhältnisse das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in der Entscheidung vom 02.11.2010 angeschlossen (5 Sa 91/10, a. a. O., Leitsatz 4). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auf Arbeitsverhältnisse übertragbar. Der Bundesgerichtshof differenziert insoweit zwischen Märkten, auf denen der marktübliche Preis einfach festzustellen oder allgemein bekannt ist (beispielsweise Ratenkreditverträge, Grundstücksverträge) und Märkten, auf denen so viele preisbildende Faktoren berücksichtigt werden müssen, dass sich der marktübliche Preis nur aufwändig und stets mit einer gewissen Unsicherheit ermitteln lässt (beispielsweise gewerbliche Pachtverträge über Gaststätten). Je einfacher feststellbar der marktübliche Preis ist, desto eher ist die Aussage erlaubt, dass die besonders auffällige und krasse Unterschreitung dieses Preises mit einer verwerflichen Einstellung des vom Vertrag Begünstigten einhergeht. Überträgt man diesen Gedanken auf das Arbeitsrecht, muss man davon ausgehen, dass das marktübliche Lohnniveau anhand der Tarifverträge einfach festzustellen ist (LAG Mecklenburg-Vorpommern, a. a. O.).

78

Dies gilt in vorliegendem Fall bereits deshalb, da die beklagten Arbeitgeber in der L., die den Tarifvertrag geschlossen hat, organisiert sind. Es ist deshalb der Schluss gerechtfertigt, dass dann, wenn Leistungen und Gegenleistungen in einem krass auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, wofür auch die erkennende Kammer die 50-Prozent-Grenze für maßgeblich erachtet, sich die Arbeitgeberseite der Erkenntnis trotz der entgegenstehenden Indizien leichtfertig verschlossen hat.

79

Eine andere Grenze als die 50-Prozent-Grenze anzusetzen, hält die Kammer jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht für angebracht im Hinblick darauf, dass der Arbeitgeberin der Vergleich einerseits aufgrund von deren Tarifbindung leicht möglich war, sie andererseits durch Vereinbarung eines anderen Vergütungssystems im maßgeblichen Zeitraum 2007 (Differenzierung von Tag- und Nachtstunden) das Maß der Abweichung nicht auf einen Blick und ohne weitere Berechnung feststellen konnte.

80

Der 50-Prozent-Rahmen ist angesichts der oben geschilderten Feststellungen weder im Zeitraum 2007 noch im Zeitraum 2008 unterschritten worden. Es verbleibt deshalb bei einem auffälligen, nicht jedoch im Sinne dieser Grenzziehung krass auffälligen Missverhältnis, so dass angesichts des Fehlens weiterer die Verwerflichkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB ausmachender Umstände - und mangels einer für die Anwendung von § 138 Abs. 2 BGB vorausgesetzten besonderen Schwächesituation (siehe oben II. 4.4) - sich insgesamt nicht die Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung aus § 138 BGB ergibt.

81

Damit kann der Kläger ausschließlich die Verurteilung zur Zahlung der Differenzen zur tariflichen Vergütung im Zeitraum der Tarifbindung mit Erfolg verlangen - in vollem Umfang für den Zeitraum Juni bis Dezember 2008, allerdings ohne den erneut trotz rechtskräftiger Entscheidung eingeklagten Anspruch für Januar 2009. Die Hauptforderung ist, wie beantragt, ab Rechtshängigkeit zu verzinsen, §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Eine Korrektur des Rechtshängigkeitsdatums, das das erstinstanzliche Urteil zugrunde gelegt hat, zugunsten des Klägers ist ausgeschlossen, da diese Forderung nicht in der Berufung anhängig ist.

82

Das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern war hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung in der Hauptsache entsprechend abzuändern.

III.

83

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 100 ZPO. Unter Anwendung der Baumbach'schen Formel war zu bestimmen, in welchem Anteil die jeweiligen Parteien unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Anteils am Gesamtrechtsstreit unterlegen sind und deshalb die Kosten zu tragen haben.

84

Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG wegen der bisher höchstrichterlich nicht entschiedenen Grenzziehung für ein ohne weiteres für Verwerflichkeit nach § 138 Abs. 1 BGB sprechendes, besonders auffälliges Missverhältnis bei arbeitsvertraglichen Entgeltvereinbarungen.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.