Landesarbeitsgericht München Urteil, 17. Jan. 2017 - 6 TaBV 97/16

bei uns veröffentlicht am17.01.2017
vorgehend
Arbeitsgericht Augsburg, 2 BV 2/16, 09.08.2016

Gericht

Landesarbeitsgericht München

Tenor

I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 9. Aug. 2016 - 2 BV 2/16 wird abgeändert: Der Beteiligte zu 3 wird aus dem Betriebsrat ausgeschlossen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um den Ausschluss des Beteiligten zu 3 (nachfolgend: Betriebsratsvorsitzender) aus dem Betriebsrat.

Die Beteiligte zu 1 (nachfolgend: Arbeitgeberin) beitreibt in B-Stadt und in A-Stadt Aluminiumwerke. Der Beteiligte zu 2 (nachfolgend: Betriebsrat) ist der im Werk A-Stadt errichtete Betriebsrat, dessen Vorsitzender der Beteiligte zu 3 seit etwa 30 Jahren und seit 1994 im Wechsel mit der stellvertretenden Vorsitzenden B. ist.

Die Arbeitgeberin hatte sich in Insolvenz befunden. Das Insolvenzverfahren ist zwischenzeitlich beendet. Seit 1. Jan. 2014 galt ein Ergänzungstarifvertrag zu den Tarifverträgen der Metallindustrie mit einer Laufzeit bis 31. Dez. 2016, den die Arbeitgeberin mit der IG-Metall abgeschlossen hatte (Anlage AS1, Bl. 15 ff. d. A.).

Im Hinblick auf die mit dem Ergänzungstarifvertrag verbundenen Einschränkungen macht der Betriebsratsvorsitzende seit dem Jahr 2014 Ansprüche auf Zahlung eines Entgeltausgleiches bei Leistungsminderung und auf Zahlung einer tariflichen Treueprämie geltend. In dem dazu anhängig gemachten Klageverfahren vor dem Arbeitsgericht Augsburg -Kammer Neu-Ulm (8 Ca 312/15) hatte das Arbeitsgericht im Gütetermin vom 7. Juli 2015 in Abwesenheit beschlossen, neuen Termin auf Antrag einer Partei anzuberaumen. Ein dahingehender Antrag ist ersichtlich bislang nicht gestellt worden. In der Folgezeit hatten die Beteiligten (Betriebsratsvorsitzender und Arbeitgeberin) mehrfach, insbesondere in einem Gespräch des Betriebsratsvorsitzenden mit dem Personalleiter V., am 17. Sept. 2015 über eine Ausgleichszahlung an den Betriebsratsvorsitzenden verhandelt.

Die Beteiligten verhandelten über eine Betriebsvereinbarung zur Regelung eines Schichtmodells am Wochenende. Schichtarbeit am Wochenende war bislang ohne Betriebsvereinbarung bei freiwilliger Teilnahme der Mitarbeiter - nach formloser Beteiligung des Betriebsrats - gehandhabt worden. Daneben verhandelte die Arbeitgeberin mit der IG-Metall über eine Verlängerung des Ergänzungstarifvertrages.

Ca. im November 2015 hatten sich die Betriebsratsgremien in den Betrieben des Unternehmens der Arbeitgeberin gegen die Verlängerung des Ergänzungstarifvertrages ausgesprochen.

Am 26. und am 29. Jan. 2016 fanden zwei Gespräche des Betriebsratsvorsitzenden zum einen mit dem damaligen Geschäftsführer Dr. H. und zum anderen mit den (damaligen) Geschäftsführern B. und Dr. H. statt, deren Inhalte im Einzelnen unter den Beteiligten streitig sind. Am 29. Jan. 2016 war ihm ein Aufhebungsvertrag mit der Bitte um Rückäußerung übergeben worden. In einem weiteren Gespräch des Betriebsratsvorsitzenden am 1. Feb. 2016, zu dem er seinen Sohn mitgenommen hatte, erhöhte die Arbeitgeberin das Abfindungsangebot, ohne dass der Vertrag zustande gekommen wäre.

Mit Schreiben vom 2. Feb. 2016 beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden, die am 3. Feb. 2016 verweigert wurde.

Mit Antragsschrift vom 4. Feb. 2016, die am 5. Feb. 2016 per Telefax beim Arbeitsgericht Augsburg eingegangen war, begehrt die Arbeitgeberin den Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsratsgremium.

Sie hat vorgetragen, der Betriebsratsvorsitzende habe im Gesprächstermin mit Dr. H. am 26. Jan. 2016 über seine persönliche Situation (Entgeltausgleich), über die zu verhandelnde Betriebsvereinbarung und die Verlängerung des Ergänzungstarifvertrages gesprochen. Er sei dabei nochmals auf seine Forderung eines Entgeltausgleiches von mtl. € 150.- zu sprechen gekommen, während Dr. H. auf die ablehnende Stellungnahme der Geschäftsleitung verwiesen habe. Daraufhin habe der Betriebsratsvorsitzende sinngemäß geäußert, er könne sich um die betrieblich an ihn herangetragenen Themen erst dann als Betriebsratsvorsitzender kümmern, wenn über seine persönliche Forderung entschieden sei. Er könne die Themen konstruktiv vorantreiben oder auch Steine in den Weg legen. Nach der anschließenden (einvernehmlichen) Diskussion der weiteren Probleme habe der Betriebsratsvorsitzende beim Verlassen des Raumes nochmals erklärt, er brauche zuerst eine Lösung seiner Situation, erst dann könne er sich um andere Dinge kümmern.

Beim Gespräch mit den Geschäftsführern B. und Dr. H. am 29. Jan. 2016 habe der Betriebsratsvorsitzende erneut seine Ansprüche auf die geltend gemachten Zahlungen erhoben und erklärt, ansonsten werde er die Ausdehnung des Schichtmodells am Wochenende und die Verlängerung des Ergänzungstarifvertrages boykottieren. Im weiteren Gesprächsverlauf habe er wiederholt, wenn er „das“ nicht geregelt bekomme, gehe er nach hinten und sage den Leuten (Mitarbeiter des Schmelzbetriebes), dass sie ab sofort am Wochenende nicht mehr zu kommen brauchten. Er werde dann gegen die Firma verhandeln.

Im weiteren Gespräch vom 1. Feb. 2016 habe der Betriebsratsvorsitzende vorstehende Äußerungen nicht bestritten. Sein Sohn habe nur relativiert, die Androhungen seien keine Erpressung.

Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich b e a n t r a g t, den Beteiligten zu 3 aus dem Betriebsrat auszuschließen. Der Betriebsrat und der Betriebsratsvorsitzende haben b e a n t r a g t, den Antrag zurückzuweisen.

Er hat vorgetragen, der Textentwurf der Betriebsvereinbarung sei erst am 22. Jan. 2016 vorgelegt worden und habe nicht alle Punkte, auf die man sich geeinigt habe, enthalten.

Es sei üblich gewesen, in Besprechungen auch private und dienstliche Belange anzusprechen. Hintergrund seiner Forderung sei gewesen, dass er von der tariflich eingeräumten Möglichkeit des „Entgeltausgleiches bei Leistungsminderung habe Gebrauch machen wollen. Er habe einen Verlust von mtl. € 175.- erlitten, den er im gerichtlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht Augsburg geltend gemacht habe. Er habe beschlossen, mit der Arbeitgeberin eine gütliche Lösung herbeizuführen.

Unzutreffend sei, dass er Druck ausgeübt habe. Die ihm zugeschriebenen Äußerungen seien nicht gefallen. Nach Ablehnung seiner Forderung im Gespräch vom 29. Jan. 2016 sei die Arbeitgeberin unvermittelt mit dem Vorschlag eines vorformulierten Aufhebungsvertrages auf ihn zugekommen, als er schon den Raum verlassen hatte.

Das Arbeitsgericht Augsburg hat den Antrag mit Beschluss vom 9. Aug. 2016 (Bl. 193 ff. d. A.) nach informatorischer Anhörung von Dr. H. und dem Betriebsratsvorsitzenden abgewiesen. Wegen des (un-)streitigen weiteren Vortrags der Beteiligten und der maßgeblichen rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.

Im Wesentlichen führt das Arbeitsgericht aus, die dem Betriebsratsvorsitzenden zur Last gelegten Aussagen wiesen einen Bezug zur Betriebsratstätigkeit auf und stellten einen groben Verstoß gegen die ihm obliegenden Amtspflichten dar. Allerdings habe die Kammer nach informatorischer Anhörung des Geschäftsführers Dr. H. und dem Betriebsratsvorsitzenden nicht die Überzeugung gewinnen können, letzterer habe diese Äußerungen getan. Eine lediglich informatorische Anhörung sei dem Umstand geschuldet, dass eine Beweiserhebung nicht habe stattfinden können.

Gegen diesen ihr am 19. Aug. 2016 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin mit Schriftsatz vom 15. Sept. 2015, der am 16. Sept. 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangen war, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 17. Okt. 2016, der am 18. Okt. 2016 eingegangen war, begründet.

Die Arbeitgeberin hält, unter ergänzender Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Sachvortrag, daran fest, der Betriebsratsvorsitzende habe die erstinstanzlich wiedergegebenen Äußerungen getan. Diese habe das Erstgericht zu Recht als groben Verstoß angesehen. Zu rügen sei die unterlassene förmliche Parteivernehmung und die unterlassene Einvernahme des weiteren Geschäftsführers B.. Dr. H. sei zudem zwischenzeitlich als Geschäftsführer ausgeschieden und stehe als Zeuge zur Verfügung.

Sie b e a n t r a g t:

I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg, Az. 2 BV 2/16, vom 09.08.2016 wird abgeändert.

II. Der Beteiligte zu 3 wird aus dem Betriebsrat ausgeschlossen.

Der Betriebsrat und der Betriebsratsvorsitzende b e a n t r a g e n, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie halten die Beschwerde mangels Auseinandersetzung mit den Gründen des Erstbeschlusses für unzulässig.

Eine förmliche Parteivernehmung komme mangels eines Verfahrensgegners nicht in Betracht. Deswegen sei die Beschwerde auch unbegründet.

Das Landesarbeitsgericht hat Dr. H. als Zeigen und den Betriebsratsvorsitzenden als Beteiligten vernommen. Wegen der Beweisthemen und der Beweisergebnisse wird auf das Protokoll vom 17. Jan. 2017 (Bl. 266 ff. d. A.) Bezug genommen.

Hinsichtlich des Sachvortrags der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Arbeitgeberin vom 4. Feb. 2016 (Bl. 9 ff. d. A.), vom 11. Mai 2016 (Bl. 88 ff. d. A.), vom 28. Juni 2016 (Bl. 147 ff. d. A.), vom 15. Sept. 2016 (Bl. 218 ff. d. A.), vom 17. Okt. 2016 (Bl. 235 ff. d. A.) und vom 21. Dez. 2016 (Bl. 264 f. d. A.), des Betriebsrats und des Betriebsratsvorsitzenden vom 3. Mai 2016 (Bl. 69 ff. d. A.) vom 9. Juni 2016 (Bl. 122 ff. d. A.), vom 10. Juni 2016 (Bl. 125 ff. d. A.), vom 12. Juli 2016 (Bl. 166 ff. d. A.) und vom 7. Dez. 2016 (Bl. 260 ff. d. A.) sowie auf die Protokolle vom 12. Mai 2016 (Bl. 98 ff. d. A.), vom 19. Juli 2016 (Bl. 186 ff. d. A.) und vom 17. Jan. 2017 (Bl. 266 ff. d. A.) Bezug genommen.

II.

In der Sache hat die Beschwerde Erfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft sowie formund fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG). Insbesondere liegt eine ausreichende Auseinandersetzung mit dem Erstbeschluss vor, wenn die Beschwerdeführerin gegen die Art der „Beweiserhebung“ des Arbeitsgerichts argumentiert.

2. In der Sache hat die Beschwerde Erfolg.

Die Kammer ist nach durchgeführter Beweiserhebung überzeugt, dass die gegenständlichen Bemerkungen seitens des Betriebsratsvorsitzenden gefallen waren. Diese stellen einen groben Verstoß gegen die ihm obliegenden Amtspflichten als Betriebsratsmitglied dar und rechtfertigen seine Entfernung aus dem Betriebsratsgremium.

a. Nach durchgeführter Beweiserhebung steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Betriebsratsvorsitzende die streitigen Bemerkungen getan hatte.

aa. Die dem Betriebsratsvorsitzenden seitens der Arbeitgeberin vorgeworfenen Bemerkungen sind zur Überzeugung der Kammer durch ihn getan worden. Dies folgt zur Überzeugung der Kammer aus der glaubhaften Aussage des Zeugen Dr. H.. Der Zeuge ist nach Ansicht der Kammer auch glaubwürdig. Er hat in sich widerspruchsfrei den Ablauf der Gespräche - im Wesentlichen in Übereinstimmung mit den Angaben des Betriebsratsvorsitzenden - von den streitigen Bemerkungen abgesehen - geschildert und angegeben, wann die Bemerkungen des Betriebsratsvorsitzenden im Gesprächsverlauf gefallen waren. Zwar war der Zeuge zum damaligen Zeitpunkt Geschäftsführer der Arbeitgeberin und ist noch - nach seinen Angaben - Geschäftsführer der Holding. Ungeachtet dessen waren keine Anhaltspunkte zu erkennen, dass er mit besonderem Eifer gegen den Betriebsratsvorsitzenden ausgesagt hätte. Vielmehr hat er seine Angaben sachlich und ruhig vorgebracht, ohne dass zu erkennen gewesen wäre, dass er den Verfahrenserfolg des einen oder anderen Beteiligten erstrebt hätte.

bb. Den Äußerungen den Betriebsratsvorsitzenden im Rahmen seiner Einvernahme als Beteiligter konnte die Kammer nicht folgen.

(1) Zunächst ist festzuhalten, dass eine Beteiligteneinvernahme entsprechend § 447 ZPO auch im Beschlussverfahren erfolgen kann. Zuzugeben ist dem Betriebsrat und dem Betriebsratsvorsitzenden allerdings, dass (zumeist) keine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift in Betracht kommt, da es im Beschlussverfahren meist an einem Antragsgegner fehlt. Allein, zumindest in Verfahren, da eine Leistung gefordert wird, muss angegeben werden, wer diese zu erbringen haben soll. Diese Person oder Stelle ist dann als Antragsgegner anzusehen (vgl. etwa Weth, Das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren, 1995, S. 111 f., 180 ff, 198 ff.).

Ungeachtet dessen ist die nach § 447 ZPO mögliche Beantragung der Einvernahme des Prozessgegners als Partei im Beschlussverfahren dahingehend zu modifizieren, dass die Einvernahme eines anderen Beteiligten beantragt werden kann. Dies stellt § 83 Abs. 2 ArbGG ausdrücklich klar (vgl. dazu auch GMP/Matthes/Spinner, ArbGG, 8. Aufl., § 83 Rz. 102).

(2) Der Aussage des Betriebsratsvorsitzenden als Beteiligten konnte die Kammer nicht folgen. Die Aussage erschien auswendig gelernt. Der Betriebsratsvorsitzende hatte diese abgelesen. Dies vermag auch die präzise angegebenen Uhrzeiten, zu denen etwa Telefonate geführt worden waren bzw. zu denen er den Geschäftsführer getroffen hatte, erklären kann. Die Angabe einer auf die Minute genauen Uhrzeit ist nach den zwischenzeitlich seit den Vorgängen verstrichenen (fast) 12 Monaten nicht anders zu erklären, als dass die Daten auswendig gelernt bzw. wie hier aufgezeichnet und abgelesen worden waren. Der Eindruck einer auswendig gelernten Aussage bestätigt sich ferner, dass der Betriebsratsvorsitzende die Vorgänge chronologisch und vollständig hatte schildern wollen, unabhängig davon, ob einzelne Umstände, wie etwa die Diskussionspunkte anlässlich der Betriebsversammlung am 18. Jan. 2016 überhaupt vom Beweisthema erfasst werden. Er hatte seine Aufzeichnungen ohne Rücksicht auf das Beweisthema vorbringen (vorlesen) wollen.

(3) Angesichts der durch die Beweisaufnahme gefundenen Überzeugung der Kammer bedurfte es der weiterhin angebotenen (subsidiären) Beteiligteneinvernahme des Geschäftsführers der Arbeitgeberin B. nicht mehr.

(2) bb. In den Äußerungen des Betriebsratsvorsitzenden ist eine grobe Verletzung seiner Pflichten als Betriebsratsmitglied und Betriebsratsvorsitzender zu sehen, die auf Antrag des antragsberechtigten Arbeitgebers (§ 23 Abs. 1 BetrVG) den Ausschluss seiner Person aus dem Betriebsratsgremium rechtfertigt (§ 23 Abs. 1 BetrVG).

(1) Ein den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat rechtfertigender grober Verstoß gegen gesetzliche Pflichten ist dann anzunehmen, wenn eine Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Dies ist dann gegeben, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint (BAG v. 27. 7. 23016 - 7 ABR 14/15, juris, Rz. 21; BAG v. 22. 6. 1993 - 1 ABR 62/92, EzA BetrVG 1972 § 23 Nr. 35; LAG Hessen v. 11. 2. 2016 -9 TaBV 135/15, ArbR 2016, 389, Rz. 63 [juris] m.w.N.). § 23 Abs. 1 BetrVG stellt dabei keine Sanktion wegen der Amtspflichtverletzung dar, sondern will künftige Amtspflichtverletzungen durch das betreffende Betriebsratsmitglied ausschließen. Dabei entspricht das Tatbestandsmerkmal der groben Pflichtverletzung der geforderten Wiederholungsgefahr bei negatorischen Klagen wie der geforderten Besorgnis einer nicht rechtzeitigen Erfüllung bei einer Klage auf künftige Leistungen. Darin liegt mithin eine Rechtsschutzvoraussetzung dar (BAG v. 23. 6. 1992 - 1 ABR 11/92, EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 51; LAG Hessen v. 11. 2. 2016, a.a.O., m.w.N.; vgl. auch DKK/Trittin, BetrVG, 10. Aufl., § 23 Rz. 10 f.).

(2) Eine derartige grobe, erhebliche und objektiv schwerwiegende, Pflichtverletzung ist vorliegend gegeben. Der Betriebsratsvorsitzende hat mit seinen wiederholten Bemerkungen zu erkennen gegeben, dass ihm primär an der Regelung seiner (vermeintlichen) persönlichen Ansprüche liegt und er bereit ist, dafür auch seine Betriebsratstätigkeit, also die sachgerechte Fortsetzung der laufenden Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zur Regelung der Schichtarbeit an Wochenenden hintanzustellen. Zudem hat er sich bei nicht erfolgender Regelung seiner persönlichen Angelegenheiten, wie im Gespräch vom 29. Jan. 2016, dahingehend erklärt, die Arbeitnehmer anzuhalten, nicht mehr zur Wochenendtätigkeit zu erscheinen. Er setzte mithin seine Amtspflichten und sein Gewicht als Betriebsratsvorsitzender ein, um für sich - berechtigte oder nicht berechtigte - Vorteile zu erreichen. Diese Bemerkungen waren geeignet, das Vertrauensverhältnis zwischen den Betriebspartnern nachhaltig zu erschüttern, dass eine vertrauensvolle Zusammenar (1) beit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 2 Abs. 1 BetrVG) für die Zukunft nicht mehr zu erwarten ist.

Der Ausschluss aus dem Betriebsratsamt dient nicht allein der Sanktion der pflichtwidrigen Bemerkungen des Betriebsratsvorsitzenden. Vielmehr ist auch künftig eine derartige unerlaubte Druckausübung, also der Einsatz des Betriebsratsamtes mit den damit verbundenen Pflichten, zu erwarten, wenn der Betriebsratsvorsitzende der Ansicht ist, dass ihm, ihm zustehende Ansprüche versagt werden.

(3) Dagegen spricht nicht, dass der Vertreter des Betriebsrats, Herr S., im Anhörungstermin vom 17. Jan. 2017 (sinngemäß) geäußert hatte, der Betriebsrat habe stets die betrieblichen Notwendigkeiten im Auge gehabt; die Betriebsratsvorsitzende sei nicht das einzige bzw. bestimmende Betriebsratsmitglied. Mag dies in der Vergangenheit auch so gewesen sei, so muss die Arbeitgeberin künftig in ähnlichen Situationen ggf. mit einer gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit verstoßenden „Obstruktionspolitik“ des Betriebsratsvorsitzenden rechnen, wobei sie nicht davon ausgehen kann, der Betriebsrat werde im Gremium aus ihrer Sicht bestehende betriebliche Notwendigkeiten erkennen. Die vom Betriebsratsvorsitzenden ggf. angeführten Argumente und deren Wirkung im Betriebsratsgremium können nicht im Vorfeld prognostiziert werden.

Zudem: Auch wenn das Betriebsratsgremium etwaige - unterstellte - künftige Verstöße des Betriebsratsvorsitzenden gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht mittragen und ausgleichen würde, so könnte der Betriebsratsvorsitzende die notwendige Mitbestimmung in sozialen und/oder personellen Fragen immerhin verzögern, indem er die mitbestimmungs- oder beteiligungspflichtigen Angelegenheiten nicht sofort auf die Tagesordnung der nächsterreichbaren Betriebsratssitzung nimmt (§ 29 Abs. 2 BetrVG).

3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache geboten (§ 92 Abs. 1, § 73 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

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(1) Gegen die das Verfahren beendenden Beschlüsse der Arbeitsgerichte findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht statt.

(2) Für das Beschwerdeverfahren gelten die für das Berufungsverfahren maßgebenden Vorschriften sowie die Vorschrift des § 85 über die Zwangsvollstreckung entsprechend, soweit sich aus den §§ 88 bis 91 nichts anderes ergibt. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Abs. 1 bis 3 und 5 entsprechend. Der Antrag kann jederzeit mit Zustimmung der anderen Beteiligten zurückgenommen werden; § 81 Abs. 2 Satz 2 und 3 und Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) In erster Instanz zu Recht zurückgewiesenes Vorbringen bleibt ausgeschlossen. Neues Vorbringen, das im ersten Rechtszug entgegen einer hierfür nach § 83 Abs. 1a gesetzten Frist nicht vorgebracht wurde, kann zurückgewiesen werden, wenn seine Zulassung nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verzögerung nicht genügend entschuldigt. Soweit neues Vorbringen nach Satz 2 zulässig ist, muss es der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung, der Beschwerdegegner in der Beschwerdebeantwortung vortragen. Wird es später vorgebracht, kann es zurückgewiesen werden, wenn die Möglichkeit es vorzutragen vor der Beschwerdebegründung oder der Beschwerdebeantwortung entstanden ist und das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und auf dem Verschulden des Beteiligten beruht.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung; § 85 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

Das Gericht kann über eine streitige Tatsache auch die beweispflichtige Partei vernehmen, wenn eine Partei es beantragt und die andere damit einverstanden ist.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen. Die am Verfahren Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken.

(1a) Der Vorsitzende kann den Beteiligten eine Frist für ihr Vorbringen setzen. Nach Ablauf einer nach Satz 1 gesetzten Frist kann das Vorbringen zurückgewiesen werden, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts seine Zulassung die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt. Die Beteiligten sind über die Folgen der Versäumung der nach Satz 1 gesetzten Frist zu belehren.

(2) Zur Aufklärung des Sachverhalts können Urkunden eingesehen, Auskünfte eingeholt, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernommen und der Augenschein eingenommen werden.

(3) In dem Verfahren sind der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen zu hören, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Sprecherausschussgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz, dem Drittelbeteiligungsgesetz, den §§ 177, 178 und 222 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, dem § 18a des Berufsbildungsgesetzes und den zu diesen Gesetzen ergangenen Rechtsverordnungen sowie nach dem Gesetz über Europäische Betriebsräte, dem SE-Beteiligungsgesetz, dem SCE-Beteiligungsgesetz, dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung und dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung im einzelnen Fall beteiligt sind.

(4) Die Beteiligten können sich schriftlich äußern. Bleibt ein Beteiligter auf Ladung unentschuldigt aus, so ist der Pflicht zur Anhörung genügt; hierauf ist in der Ladung hinzuweisen. Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(5) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Arbeitsgerichts oder seines Vorsitzenden findet die Beschwerde nach Maßgabe des § 78 statt.

(1) Mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Der Ausschluss eines Mitglieds kann auch vom Betriebsrat beantragt werden.

(2) Wird der Betriebsrat aufgelöst, so setzt das Arbeitsgericht unverzüglich einen Wahlvorstand für die Neuwahl ein. § 16 Abs. 2 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Handelt der Arbeitgeber der ihm durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegten Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er auf Antrag vom Arbeitsgericht wegen einer jeden Zuwiderhandlung nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen. Führt der Arbeitgeber die ihm durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegte Handlung nicht durch, so ist auf Antrag vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass er zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld anzuhalten sei. Antragsberechtigt sind der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Das Höchstmaß des Ordnungsgeldes und Zwangsgeldes beträgt 10.000 Euro.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 23. Januar 2015 - 6 TaBV 48/14 - aufgehoben.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 3. Juli 2014 - 4 BV 12/14 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über den Ausschluss des Beteiligten zu 2. aus dem Betriebsrat.

2

Die zu 1. beteiligte Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen der Wasserversorgung und -dienstleistung. Für ihren Betrieb ist der zu 3. beteiligte Betriebsrat gebildet, dessen Mitglied der Beteiligte zu 2. ist.

3

Hauptanteilseignerin der Arbeitgeberin ist die R AG. In der Vergangenheit gab es Überlegungen zu einer Veräußerung der Gesellschaftsanteile durch die R AG. Dabei gehörte im Jahr 2002 ua. die Fa. G zu den Interessenten.

4

In einem Gespräch am 21. Januar 2014 informierte der Geschäftsführer der Arbeitgeberin den Betriebsratsvorsitzenden und den damaligen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden über Planungen der R AG, Gesellschaftsanteile der Arbeitgeberin zu verkaufen. Dabei wurde unter Hinweis auf die absolute Vertraulichkeit der Information ua. die Fa. G als Kaufinteressentin genannt. Darüber setzte der Betriebsratsvorsitzende während der Betriebsratssitzung vom 29. Januar 2014, an der auch der Beteiligte zu 2. teilnahm, die übrigen Betriebsratsmitglieder unter Hinweis auf die strenge Vertraulichkeit der Information in Kenntnis.

5

Im Rahmen einer Mitgliederversammlung der ver.di-Betriebsgruppe am 17. Februar 2014 brachte der Beteiligte zu 2. einen möglichen Verkauf von Gesellschaftsanteilen der Arbeitgeberin durch die R AG zur Sprache. Der ebenfalls anwesende Betriebsratsvorsitzende wies ihn dabei auf seine Verschwiegenheitspflicht hin.

6

Am 20. Februar 2014 fand im Betrieb der Arbeitgeberin eine Betriebsversammlung statt, anlässlich derer sich die Kandidaten für die anstehende Betriebsratswahl, ua. der Beteiligte zu 2., vorstellten. Zu Beginn der Rede des Beteiligten zu 2. wies der Betriebsratsvorsitzende diesen auf seine Verschwiegenheitspflicht hin. Gleichwohl brachte der Beteiligte zu 2. in seiner Rede einen möglichen Verkauf von Gesellschaftsanteilen durch die R AG an die Fa. G zur Sprache.

7

Mit ihrem am 25. März 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Arbeitgeberin den Ausschluss des Beteiligten zu 2. aus dem Betriebsrat begehrt. Am 15./16. April 2014 fand die Wahl eines neuen Betriebsrats statt. Der Beteiligte zu 2. wurde dabei erneut als Betriebsratsmitglied gewählt.

8

Die Arbeitgeberin hat geltend gemacht, der Beteiligte zu 2. sei gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG wegen einer groben Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten aus dem Betriebsrat auszuschließen. Ihr Rechtsschutzbedürfnis für den Ausschließungsantrag bleibe auch nach der Neuwahl des Betriebsrats bestehen. Der Beteiligte zu 2. habe auf der Mitgliederversammlung der ver.di-Betriebsgruppe am 17. Februar 2014 und auf der Betriebsversammlung am 20. Februar 2014 vertrauliche Informationen über den geplanten Anteilsverkauf öffentlich bekannt gemacht und dadurch seine Geheimhaltungspflicht zum Zweck der eigenen Wahlwerbung verletzt. Auf diese Indiskretion sei eine anschließende Presseberichterstattung über die geplanten Anteilsverkäufe zurückzuführen, wodurch der Verhandlungsprozess erheblich gestört worden sei. Dies wirke sich belastend auf die neue Amtszeit aus und rechtfertige auch den Ausschluss aus dem neu gewählten Betriebsrat.

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Die Arbeitgeberin hat beantragt,

        

den Beteiligten zu 2. aus dem Betriebsrat der Wgesellschaft mbH auszuschließen.

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Der Beteiligte zu 2. hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

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Der Beteiligte zu 2. hat den Standpunkt eingenommen, der Antrag sei aufgrund der Neuwahl des Betriebsrats unzulässig geworden. Eine etwaige in der vorherigen Amtsperiode begangene Pflichtverletzung könne gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG nicht zum Ausschluss aus dem neu gewählten Betriebsrat führen. Im Übrigen habe er nicht gegen die Geheimhaltungspflicht verstoßen. Der Geschäftsführer der Arbeitgeberin habe auf einer Betriebsversammlung im Herbst 2013 selbst eingeräumt, ein Anteilsverkauf könne nicht ausgeschlossen werden. Es sei unverkennbar gewesen, dass im Falle eines Verkaufs die Fa. G als Käufer in Betracht kommen werde, da sie bereits in der Vergangenheit Interesse am Erwerb von Anteilen gezeigt habe.

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Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihm stattgegeben. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Beteiligte zu 2. die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

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B. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2. ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin zu Unrecht stattgegeben.

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I. Der Antrag ist zulässig.

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1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die Arbeitgeberin lediglich die Ausschließung des Beteiligten zu 2. aus dem im Jahr 2014 gewählten Betriebsrat begehrt. Zwar war ihr Antrag bei Einleitung des Verfahrens vor der Neuwahl des Betriebsrats auf die Ausschließung des Beteiligten zu 2. aus dem zu diesem Zeitpunkt amtierenden Betriebsrat gerichtet. Aus dem Vorbringen der Arbeitgeberin, sie halte nach der Neuwahl des Betriebsrats an dem Antrag fest, weil die behauptete Pflichtverletzung in die neue Amtszeit fortwirke, ergibt sich jedoch, dass sie nunmehr die Ausschließung aus dem neu gewählten Gremium verlangt. Dieses zutreffende Verständnis stellen die Beteiligten nicht in Frage.

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2. Das Begehren, den Beteiligten zu 2. aus dem im Jahr 2014 gewählten Betriebsrat auszuschließen, betrifft einen anderen Streitgegenstand als der auf die Ausschließung aus dem vorherigen Betriebsrat gerichtete Antrag (vgl. BAG 18. Mai 2016 - 7 ABR 81/13 - Rn. 15). Daher hat die Arbeitgeberin bereits erstinstanzlich eine Antragsänderung gemäß § 81 Abs. 3 ArbGG vorgenommen. Das Arbeitsgericht hat den ursprünglichen, auf Ausschluss aus dem vorigen Betriebsrat gerichteten Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen und zusätzlich ausgeführt, der Ausschluss aus dem neu gewählten Betriebsrat könne nicht mit einer Pflichtverletzung begründet werden, die der Beteiligte zu 2. während der früheren Amtszeit begangen habe. Damit hat es über den geänderten Antrag in der Sache entschieden und die Antragsänderung für zulässig erachtet. Daran ist der Senat gemäß § 81 Abs. 3 Satz 3 ArbGG gebunden.

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3. Die gemäß § 81 Abs. 1 ArbGG, § 23 Abs. 1 BetrVG antragsbefugte Arbeitgeberin besitzt auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse für den geänderten Antrag.

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a) Das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses ist Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Sachentscheidung des Gerichts und deshalb in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz, von Amts wegen zu prüfen. Das Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung für die Beteiligten keine rechtliche Wirkung mehr entfalten kann (BAG 18. Mai 2016 - 7 ABR 81/13 - Rn. 17; 9. September 2015 - 7 ABR 47/13 - Rn. 12).

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b) Diesen Anforderungen genügt der auf Ausschließung des Beteiligten zu 2. aus dem im Jahr 2014 gewählten Betriebsrat gerichtete Antrag. Dieser Betriebsrat ist im Amt und der Beteiligte zu 2. ist Mitglied dieses Betriebsrats. Damit kann sich eine Entscheidung über den Ausschluss des Beteiligten zu 2. nach § 23 Abs. 1 BetrVG für die Beteiligten auswirken.

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II. Der Antrag ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Voraussetzungen nach § 23 Abs. 1 BetrVG für eine Ausschließung des Beteiligten zu 2. aus dem im Jahr 2014 gewählten Betriebsrat erfüllt sind.

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1. Gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG kann ua. der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Eine grobe Verletzung der gesetzlichen Pflichten kann zum Ausschluss des Betriebsratsmitglieds führen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint (vgl. BAG 22. Juni 1993 - 1 ABR 62/92 - BAGE 73, 291). Allerdings kann eine Pflichtverletzung, die während einer vorangegangenen Amtszeit des Betriebsrats begangen wurde, den Ausschluss des Betriebsratsmitglieds aus dem neu gewählten Betriebsrat nicht rechtfertigen (BAG 29. April 1969 - 1 ABR 19/68 - zu II B 4 der Gründe; ebenso HaKo-BetrVG/Düwell 4. Aufl. § 23 Rn. 5; Fitting 28. Aufl. § 23 Rn. 25; MüArbR/Joost 3. Aufl. § 222 Rn. 10; WPK/Kreft BetrVG 4. Aufl. § 23 Rn. 14; DKKW-Trittin 15. Aufl. § 23 Rn. 27 ff.; aA HWGNRH-Huke 9. Aufl. § 23 Rn. 19; ErfK/Koch 16. Aufl. § 23 BetrVG Rn. 2; Oetker GK-BetrVG 10. Aufl. § 23 Rn. 55; Thüsing in Richardi BetrVG 15. Aufl. § 23 Rn. 26). Dies gilt unabhängig davon, ob die Pflichtverletzung aus einer vorangegangen Amtszeit Auswirkungen auf die neue Amtszeit haben kann. Das ergibt die Auslegung des § 23 Abs. 1 BetrVG.

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a) Der Wortlaut des § 23 Abs. 1 BetrVG lässt offen, ob eine Pflichtverletzung aus einer vorherigen Amtsperiode zum Ausschluss des erneut gewählten Betriebsratsmitglieds aus dem neu gewählten Gremium führen kann.

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b) Gegen die Möglichkeit, den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds nach § 23 Abs. 1 BetrVG auf eine in der abgelaufenen Amtszeit begangene Pflichtverletzung zu stützen, sprechen systematische Erwägungen.

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aa) Der Betriebsrat besteht nur für die Dauer seiner Amtszeit. Er ist - anders als der Gesamtbetriebsrat und der Konzernbetriebsrat (vgl. dazu BAG 15. Oktober 2014 - 7 ABR 53/12 - Rn. 33, BAGE 149, 261; 9. Februar 2011 - 7 ABR 11/10 - Rn. 42, BAGE 137, 123) - keine Dauereinrichtung (BAG 18. Mai 2016 - 7 ABR 81/13 - Rn. 15). Das Gesetz geht vielmehr von dem jeweils amtierenden Betriebsrat aus. Nach § 21 BetrVG beginnt die Amtszeit des Betriebsrats „mit der Wahl“ oder, wenn zu dieser Zeit noch ein Betriebsrat besteht, „mit Ablauf von dessen Amtszeit“. Das Gesetz stellt damit den bisherigen dem neu gewählten Betriebsrat gegenüber. In gleicher Weise unterscheidet das Gesetz in § 22 BetrVG für die Fälle der (vorzeitigen) Neuwahl des Betriebsrats zwischen dem alten und dem neuen Betriebsrat(BAG 29. April 1969 - 1 ABR 19/68 - zu II B 2 d der Gründe).

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Damit im Einklang steht die gesetzliche Regelung in § 24 BetrVG zum Erlöschen der Mitgliedschaft im Betriebsrat. Gemäß § 24 Nr. 1 BetrVG endet die Mitgliedschaft im Betriebsrat mit dem Ablauf der Amtszeit. Nach § 24 Nr. 5 BetrVG erlischt die Mitgliedschaft zudem mit dem Ausschluss aus dem Betriebsrat oder dessen Auflösung aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung. § 23 Abs. 1 BetrVG regelt ebenfalls sowohl den Ausschluss des einzelnen Mitglieds als auch die Auflösung des Betriebsrats unter der gemeinsamen Voraussetzung einer groben Pflichtverletzung. In beiden Fällen bewirkt erst die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung das Ende der Amtszeit bzw. das Ende der Mitgliedschaft. Sowohl § 24 BetrVG als auch § 23 BetrVG unterfallen dem Zweiten Abschnitt des Gesetzes „Amtszeit des Betriebsrats“.

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Das macht deutlich, dass das Gesetz die Mitgliedschaft eng an das jeweilige für die Dauer seiner Amtszeit bestehende Betriebsratsgremium bindet. Dieses einheitliche Regelungsgefüge legt es nahe, dass sich die Neuwahl des Betriebsrats in beiden in § 23 Abs. 1 BetrVG geregelten Fällen (Ausschluss des Mitglieds und Auflösung des Gremiums) in gleicher Weise auswirkt. Ein Antrag auf Auflösung des Betriebsrats nach § 23 Abs. 1 BetrVG kommt nur für den jeweils amtierenden Betriebsrat in Betracht. Nach Ablauf der Amtszeit ist diese nicht mehr möglich. Ein Auflösungsverfahren kann auch nicht gegen den neuen Betriebsrat fortgeführt werden, weil der neue Betriebsrat auch bei Personenidentität mit dem alten Betriebsrat nicht identisch ist (vgl. etwa Oetker GK-BetrVG 10. Aufl. § 23 Rn. 109; ErfK/Koch 16. Aufl. § 23 BetrVG Rn. 14). Ein Auflösungsantrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG kann daher nur auf Pflichtverletzungen gestützt werden, die der jeweils amtierende Betriebsrat während der laufenden Amtszeit begangen hat. Entsprechendes hat für den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat zu gelten.

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bb) Die Regelung zur Wählbarkeit in § 8 BetrVG bestätigt diese Sichtweise. Die Wählbarkeit zum Betriebsrat wird nach § 8 Abs. 1 Satz 3 BetrVG lediglich bei Verlust der Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, infolge strafrechtlicher Verurteilung ausgeschlossen. Ansonsten führen Pflichtverletzungen nicht zum Verlust der Wählbarkeit nach § 8 BetrVG. Die Regelung zählt die zwingenden Wählbarkeitsvoraussetzungen erschöpfend auf (BAG 16. Februar 1973 - 1 ABR 18/72 - zu II 3 der Gründe, BAGE 25, 60; vgl. auch Fitting 28. Aufl. § 8 Rn. 5). Daher kann auch ein nach § 23 Abs. 1 BetrVG rechtskräftig aus dem Betriebsrat ausgeschlossenes Betriebsratsmitglied unmittelbar erneut zum Betriebsratsmitglied gewählt werden. Das zeigt, dass das Gesetz die Konsequenzen betriebsverfassungsrechtlicher Pflichtverletzungen auf die jeweilige Amtsperiode begrenzt. Anderenfalls hinge die Frage, ob das Betriebsratsmitglied Mitglied des neu gewählten Gremiums wird oder bleibt, letztlich davon ab, zu welchem Zeitpunkt eine rechtskräftige Entscheidung über den Ausschlussantrag ergeht. Bei einer rechtskräftigen Entscheidung noch während der vorherigen Amtsperiode könnte das ausgeschlossene Betriebsratsmitglied sofort erneut zum Betriebsratsmitglied gewählt werden. Wird das Ausschlussverfahren hingegen erst in der neuen Amtszeit rechtskräftig beendet, würde auch das neue Amt enden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein solches von Zufälligkeiten abhängiges Ergebnis vom Gesetz beabsichtigt ist.

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c) Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 BetrVG gebieten keine andere Sichtweise. Die Vorschrift soll ein Mindestmaß gesetzmäßigen Verhaltens des Betriebsrats und seiner Mitglieder im Rahmen der betriebsverfassungsmäßigen Ordnung für die Zukunft sicherstellen (Oetker GK-BetrVG 10. Aufl. § 23 Rn. 15; vgl. zu § 23 Abs. 3 BetrVG BAG 20. August 1991 - 1 ABR 85/90 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 68, 200), nicht aber vergangenes Verhalten bestrafen (HaKo-BetrVG/Düwell 4. Aufl. § 23 Rn. 5). Dieser Regelungszweck erfordert nicht, auch groben Pflichtverletzungen aus der abgelaufenen Amtszeit mit einem Ausschluss aus dem neu gewählten Gremium zu begegnen. Das Gesetz nimmt - wie § 8 BetrVG verdeutlicht - vielmehr hin, dass vergangene Pflichtverletzungen ohne Auswirkung auf die Mitgliedschaft im Betriebsrat bleiben können.

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d) Damit wird die verfahrensrechtliche Position des Arbeitgebers oder anderer Antragsberechtigter im Ausschließungsverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG nicht unzumutbar verkürzt. Zwar kann der Fall eintreten, dass grobe Pflichtverletzungen eines Betriebsratsmitglieds nicht zur Ausschließung aus dem Betriebsrat führen, weil während der Amtszeit wegen Zeitablaufs keine rechtskräftige Entscheidung über einen Ausschließungsantrag ergeht, etwa dann, wenn die Pflichtverletzung erst gegen Ende der Amtszeit begangen wird. Das Ausschließungsverfahren ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, auf Pflichtverletzungen eines Betriebsratsmitglieds zu reagieren. Der Arbeitgeber hat bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit einer bestimmten Betätigung des Betriebsrats oder eines seiner Mitglieder unter den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO die Möglichkeit, deren Zulässigkeit im Wege eines Feststellungsantrags klären zu lassen. Bei einer Beeinträchtigung des Eigentumsrechts kann der Arbeitgeber auch gegen das einzelne Betriebsratsmitglied unter den Voraussetzungen des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Unterlassungsanspruch geltend machen. Der Anwendbarkeit von § 1004 BGB steht die betriebsverfassungsrechtliche Konzeption des § 23 BetrVG, die bei groben Amtspflichtverletzungen des Betriebsrats oder einzelner seiner Mitglieder lediglich die Möglichkeit der gerichtlichen Auflösung des Betriebsrats oder den Ausschluss einzelner seiner Mitglieder kennt, nicht entgegen(BAG 15. Oktober 2013 - 1 ABR 31/12 - Rn. 27, BAGE 146, 189). Eine am Ende der Amtsperiode begangene Pflichtverletzung bliebe auch nicht weitgehend sanktionslos, wenn der Ausschluss nach § 23 Abs. 1 BetrVG auf in der laufenden Amtsperiode begangene Pflichtverletzungen beschränkt ist(so aber HWGNRH-Huke 9. Aufl. § 23 Rn. 19). Pflichtverletzungen aus vergangenen Amtsperioden können bei Wiederholungsverhalten in die Beurteilung, ob die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds unter Berücksichtigung aller Umstände untragbar erscheint, einbezogen werden. Die Verletzung der Geheimhaltungspflicht kann auf Antrag des Verletzten nach § 120 BetrVG als Straftat geahndet werden.

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2. Danach ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Beteiligte zu 2. sei wegen grober Verletzung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG aus dem im Jahr 2014 gewählten Betriebsrat auszuschließen, rechtsfehlerhaft. Da die zur Begründung des Ausschließungsantrags herangezogenen Geheimhaltungspflichtverletzungen nicht in der laufenden Amtsperiode des 2014 gewählten Betriebsrats begangen wurden, können sie gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG einen Ausschluss aus diesem Gremium nicht zur Folge haben. Es kann daher dahinstehen, ob der Beteiligte zu 2. eine grobe Pflichtverletzung begangen hat.

        

    Gräfl    

        

    Kiel    

        

    Waskow    

        

        

        

    Busch    

        

    Rose    

                 

(1) Mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Der Ausschluss eines Mitglieds kann auch vom Betriebsrat beantragt werden.

(2) Wird der Betriebsrat aufgelöst, so setzt das Arbeitsgericht unverzüglich einen Wahlvorstand für die Neuwahl ein. § 16 Abs. 2 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Handelt der Arbeitgeber der ihm durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegten Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er auf Antrag vom Arbeitsgericht wegen einer jeden Zuwiderhandlung nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen. Führt der Arbeitgeber die ihm durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegte Handlung nicht durch, so ist auf Antrag vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass er zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld anzuhalten sei. Antragsberechtigt sind der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Das Höchstmaß des Ordnungsgeldes und Zwangsgeldes beträgt 10.000 Euro.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen.

(2) Zur Wahrnehmung der in diesem Gesetz genannten Aufgaben und Befugnisse der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ist deren Beauftragten nach Unterrichtung des Arbeitgebers oder seines Vertreters Zugang zum Betrieb zu gewähren, soweit dem nicht unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufs, zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen entgegenstehen.

(3) Die Aufgaben der Gewerkschaften und der Vereinigungen der Arbeitgeber, insbesondere die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder, werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

(1) Vor Ablauf einer Woche nach dem Wahltag hat der Wahlvorstand die Mitglieder des Betriebsrats zu der nach § 26 Abs. 1 vorgeschriebenen Wahl einzuberufen. Der Vorsitzende des Wahlvorstands leitet die Sitzung, bis der Betriebsrat aus seiner Mitte einen Wahlleiter bestellt hat.

(2) Die weiteren Sitzungen beruft der Vorsitzende des Betriebsrats ein. Er setzt die Tagesordnung fest und leitet die Verhandlung. Der Vorsitzende hat die Mitglieder des Betriebsrats zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden. Dies gilt auch für die Schwerbehindertenvertretung sowie für die Jugend- und Auszubildendenvertreter, soweit sie ein Recht auf Teilnahme an der Betriebsratssitzung haben. Kann ein Mitglied des Betriebsrats oder der Jugend- und Auszubildendenvertretung an der Sitzung nicht teilnehmen, so soll es dies unter Angabe der Gründe unverzüglich dem Vorsitzenden mitteilen. Der Vorsitzende hat für ein verhindertes Betriebsratsmitglied oder für einen verhinderten Jugend- und Auszubildendenvertreter das Ersatzmitglied zu laden.

(3) Der Vorsitzende hat eine Sitzung einzuberufen und den Gegenstand, dessen Beratung beantragt ist, auf die Tagesordnung zu setzen, wenn dies ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats oder der Arbeitgeber beantragt.

(4) Der Arbeitgeber nimmt an den Sitzungen, die auf sein Verlangen anberaumt sind, und an den Sitzungen, zu denen er ausdrücklich eingeladen ist, teil. Er kann einen Vertreter der Vereinigung der Arbeitgeber, der er angehört, hinzuziehen.

(1) Gegen den das Verfahren beendenden Beschluß eines Landesarbeitsgerichts findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Beschluß des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 92a Satz 2 zugelassen wird. § 72 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 85 Abs. 2 findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(2) Für das Rechtsbeschwerdeverfahren gelten die für das Revisionsverfahren maßgebenden Vorschriften sowie die Vorschrift des § 85 über die Zwangsvollstreckung entsprechend, soweit sich aus den §§ 93 bis 96 nichts anderes ergibt. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Abs. 1 bis 3 und 5 entsprechend. Der Antrag kann jederzeit mit Zustimmung der anderen Beteiligten zurückgenommen werden; § 81 Abs. 2 Satz 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Einlegung der Rechtsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung. § 85 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht. Sie kann nicht auf die Gründe des § 72b gestützt werden.

(2) § 65 findet entsprechende Anwendung.