Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 16. Sept. 2016 - 10 Sa 328/16
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.02.2016 – 12 Ca 4591/15 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um das Zutrittsrecht betriebsfremder gewerkschaftlicher Beauftragter zum Zwecke der Mitgliederwerbung.
3Die Beklagte betreibt eine Buch- und Offsetdruckerei mit ca. 200 Mitarbeitern. In ihrem Betrieb ist kein Betriebsrat gebildet.
4Die Klägerin ist eine im Betrieb der Beklagten vertretene Gewerkschaft, deren satzungsmäßiger Organisationsbereich gemäß § 4 der verdi-Satzung i. V. m. Ziffer 1.3 des Anhangs 1 zur verdi-Satzung den Betrieb der Beklagten erfasst.
5Am 26.11.2014 fand sich der nicht im Betrieb der Beklagten tätige Gewerkschaftssekretär der Kläger Herr O als deren Beauftragter unangekündigt zu Beginn der Frühschicht im Betriebshof und Mitarbeiterparkplatz der Beklagten ein, wo er an die Mitarbeiter der Beklagten Aufforderungsschreiben zur Teilnahme an einer Online-Umfrage bezüglich der Arbeitsbedingungen bei der Beklagten verteilte. Zudem versandte er an Mitarbeiter der Beklagten unter deren dienstlichen E-Mail-Adressen eine Mail, in der ebenfalls zur Teilnahme an der Online-Umfrage aufgefordert wurde. In der Mail heißt es u. a.:
6„Irgendwas stimmt da nicht bei der H ! Die Beschäftigten der H sind seit langem nicht an den guten und sicheren Arbeitsbedingungen und Lohnsteigerungen in der Druckindustrie beteiligt. Dabei geht es dem Unternehmen mehr als gut.
7Du hingegen weißt, dass das Leben nicht billiger, sondern teurer geworden ist und die Arbeit nicht einfacher. Wir wollen deshalb von dir wissen, was dich bewegt. Was denkst du über Arbeitszeit, Urlaub oder Lohnerhöhung?
8Deshalb machen wir eine Umfragen. Und nun ist der Ball bei dir: Sag uns, was dir wichtig ist. Dann können wir helfen. …
9Das könntest du bekommen, wenn die H tarifgebunden wäre: (Es folgt sodann ein Diagramm mit den Entwicklungen des Grundstundenlohns der Arbeiter der Druckindustrie von 2000 bis 2015.)
10Wenn die Herren M meinen, sie würden zu wenig verdienen, werfen sie Leute raus und stellen andere für weniger Lohn ein. Wenn du mehr verdienen willst, musst du bei ihnen betteln gehen oder dir eine besser bezahlte Stelle suchen.
11Irgendwas stimmt da nicht bei der Häuser KG. …“
12Der Gewerkschaftssekretär Herrn O verließ nach einer Auseinandersetzung mit dem damaligen Betriebsleiter der Beklagten und dem Hinweis, es werde die Polizei gerufen, das Betriebsgelände der Beklagten.
13Mit Schreiben vom 27.11.2014 rügte die Beklagte den Vorfall vom 26.11.2014 gegenüber der Klägerin und forderte diese auf, bis zum 02.12.2014 die dem Schreiben beigefügte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unterzeichnen. Die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung enthielt die vorformulierte Verpflichtung der Klägerin, es zukünftig zu unterlassen
14a) ohne Vorankündigung das Betriebsgelände der B zum Zwecke der gewerkschaftlichen Betätigung zu betreten
15und/oder
16b) zu behaupten, „bei der H stimmt etwas nicht“, wie es mit dem beigefügten Informationsschreiben vom 26.11.2014 geschehen ist,
17und/oder
18c) zu behaupten, „die Beschäftigten der H werden seit langem nicht an den guten und sicheren Arbeitsbedingungen und Lohnsteigerungen der Druckindustrie beteiligt“ und die H unterschreite den tariflichen Stundenbruttolohn eines Facharbeiters in der Druckindustrie, wie es mit dem beigefügten Informationsschreiben geschehen ist,
19und/oder
20d) zu behaupten, „die Herren M werfen Leute raus, wenn sie meinen, sie würden zu wenig verdienen“, wie es mit dem beigefügten Informationsschreiben vom 26.11.2014 geschehen ist.
21Hierauf antwortete die Klägerin mit Schreiben vom 02.12.2014 und erklärte, es künftig zu unterlassen, ohne Vorankündigung das Betriebsgelände der Beklagten zum Zwecke der gewerkschaftlichen Betätigung zu betreten, eine weitergehende Verpflichtungs- und/oder Unterlassungserklärung werde nicht abgegeben.
22Mit Schreiben vom 08.06.2015 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie werde am 23.06.2015 mit zwei Vertretern und einem ehrenamtlichen Kollegen den Betrieb der Beklagten aufsuchen. In einem weiteren Schreiben vom 08.06.2015 wies die Klägerin über eine Terminsverschiebung auf den 24.06.2015 hin. Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17.06.2015, in dem mitgeteilt wurde, dass sie einen Besuchstermin nur unter den dort genannten Voraussetzungen dulde, wobei dem Gewerkschaftssekretär Herrn O der Zutritt wegen des Vorfalls vom 26.11.2014 nicht gewährt werde.
23Die Klägerin macht mit ihrer Klage vom 23.06.2015, welche am 26.06.2016 beim Arbeitsgericht in Köln eingegangen ist, den Zutritt zum Betrieb der Beklagten in der Person des Gewerkschaftssekretärs Herrn O jeweils einzeln oder zu zweit oder zusätzlich mit einem von der Klägerin benannten gewerkschaftlichen Beauftragten zu im Einzelnen benannten Bedingungen geltend. Die Ablehnung des Zutrittes für die Klägerin durch die Beklagte mit deren Schreiben vom 17.06.2015 bzw. die Verknüpfung mit den dort genannten Bedingungen stelle einen unzulässigen Eingriff in die verfassungsmäßigen Rechte der Klägerin im Rahmen von Art. 9 Abs. 3 GG da. Die Beklagte könne sich nicht für ihre Ablehnung auf das Geschehen vom 26.11.2014 berufen. In ihrer Ankündigung des beabsichtigten Betriebsbesuchs im Juni 2015 habe sie sich an die Bedingungen, künftige Betriebsbesuche vorher anzukündigen, orientiert. Der Inhalt ihrer Informationsmaterialien zu der Beklagten sei nicht unrichtig oder wahrheitswidrig, da die Beklagte regelmäßige tarifliche Entgeltsteigungen nicht oder jedenfalls nicht vollständig an die Mitarbeiter weitergebe. So sei fraglich, ob im Betrieb der Beklagten der tarifliche Ecklohn geleistet werde. Andere tarifliche Zahlungen wie etwa das tarifliche Antrittsgeld, die tariflichen Zulagen für Sonn-, Feiertags- oder Nachtarbeit sowie das tarifliche Weihnachts- und Urlaubsgeld seien ebenfalls hiervon betroffen.
24Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
25die Beklagte wird verurteilt, den Zutritt des (soweit erforderlich Sicherheitskleidung tragenden) Gewerkschaftssekretärs S O jeweils einzeln oder zu zweit oder zusätzlich mit einem von der Klägerin benannten gewerkschaftlichen (ebenfalls soweit notwendig Sicherheitskleidung tragend), in den Räumlichkeiten der Beklagten exklusive der Produktionsfläche und den Büros, zum Zwecke der Mitgliederwerbung und der Information über die satzungsgemäßen Aufgaben der Klägerin, insbesondere die aktuelle Tarifentwicklung, den gesetzlichen Mindestlohn sowie den Gesundheitsschutz durch Überreichen von Broschüren, Formularen und Flugblättern und durch Führen persönlicher Gespräche jeweils einmal in jedem Kalenderhalbjahr nach einer – mindestens eine Woche vorher – gegenüber der Geschäftsführung der Beklagten erfolgten Ankündigung der Klägerin während der Pausenzeiten ohne vorherige Überlassung der beabsichtigten Informationsmaterialien der Klägerin zu Überprüfung durch die Beklagte zu dulden.
26Die Beklagte hat beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Sie hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, ein Anspruch betriebsfremder gewerkschaftlicher Vertreter sei nicht vom Koalitionsrecht nach Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt. Dieser Artikel betreffe die Mitgliederwerbung nur bei der Durchführung durch betriebsangehörige Mitarbeiter. Sie begrenze die Mitgliederwerbung auf die Durchführung durch betriebsangehörige Gewerkschaftsvertreter. Zudem stehe dem Zutrittsrecht der Klägerin das Geschehen vom 26.11.2014 entgegen, bei dem der Gewerkschaftssekretär Herr O ungenehmigt und unangekündigt eine Werbeaktion im Betrieb der Beklagten durchgeführt habe. Der Inhalt der dabei an die Mitarbeiter weiter verteilten und zudem per E-Mail versandten Aufforderungsschreiben beinhalteten zudem falsche Tatsachenbehauptungen, die den Straftatbestand der üblen Nachrede gemäß § 186 StGB verwirklichten. Insbesondere sei unzutreffend, dass die Beklagte grundsätzlich Entgelt unterhalb des geregelten Tariflohns zahle. Zudem sei die Unterstellung in dem Aufforderungsschreiben enthalten, die Beklagte spreche willkürliche Kündigungen aus.
29Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 02.02.2016 die Klage für begründet gehalten, da das Zutrittsrecht der Klägerin auch bezüglich der personellen Auswahl betriebsfremder gewerkschaftlicher Vertreter und damit auch hinsichtlich der Person des Gewerkschaftssekretärs Herrn O von ihrem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt sei.
30Gegen das ihr am 29.02.2016 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 29.03.2016 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 29.05.2016 am Montag, 30.05.2016, beim Landesarbeitsgericht begründet.
31Die Beklagte wendet gegenüber dem erstinstanzlichen Urteil ein, ein Zutrittsrecht für betriebsfremde Personen sei aus Art. 9 Abs. 3 GG auch für die Klägerin nicht herzuleiten. Ohnehin sei wegen der fortschreitenden Digitalisierung der Kommunikationswege kein Zutrittsrecht zur Mitgliederwerbung für die klagende Gewerkschaft zum Betrieb der Beklagten notwendig. Zudem habe die Beklagte ja durch ihre Erklärung vom 17.06.2015 ein beschränktes Zutrittsrecht der Klägerin gewährt. Die unzutreffenden Behauptungen der Klägerin im Schreiben vom 27.11.2014 stünden dem Zutrittsrecht der Klägerin entgegen. Aus dem vorgenannten Schreiben sei auch eine Wiederholungsgefahr eines etwaigen entsprechenden Fehlverhaltens der klägerischen Beauftragten zu folgern, da sich die Klägerin weigere, die von der Beklagten geforderte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Jedenfalls aber bestehe ein Recht auf Verweigerung des Zutritts des Gewerkschaftssekretärs Herrn O , da dieser sich mehrfach im Verhältnis zur Beklagten strafrechtlich relevant verhalten habe. Dieser habe die Geschäftsführung beleidigt und deren Eigentum widerrechtlich betreten im Rahmen der Maßnahme im November 2014. Mit Rücksicht auf das zwischenzeitliche Ausscheiden etlicher Mitarbeiter bei der Beklagten bestreitet die Beklagte nunmehr, dass die Klägerin im Betrieb der Beklagten vertreten sei. Wahrheitswidrig werde von der Klägerin dargestellt, bei der Beklagten würden tarifunterschreitende Entgelte geleistet. Tatsächlich sei es so, dass bei der Beklagten den Mitarbeitern in der Lohngruppe V ein Stundenlohn von 18,35 € brutto geleistet werde, der das im Jahr 2014 geregelte Tarifentgelt von 17,05 € brutto pro Stunde ebenso übersteige wie den aktuellen Tariflohn von 17,57 € brutto.
32Die Beklagte beantragt,
33unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 02.02.2016 (12 Ca 4591/15) die Klage abzuweisen.
34Die Klägerin beantragt,
35die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
36Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung ihres Sachvortrages. Die Rechte der Beklagten seien hinreichend durch die beschränkte Antragstellung der Klägerin berücksichtigt, da von der Klägerin ein Zutrittsrecht nur außerhalb der Produktionsflächen und Büros der Beklagten geltend gemacht werde, dies zeitlich beschränkt auf einen Zutritt einmalig pro Halbjahr mit einer Ankündigungsfrist von einer Woche und nur während der Arbeitspausen.
37Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst zu den Akten gereichten Anlagen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend verwiesen.
38E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
39I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden ist.
40II. Die Berufung ist jedoch unbegründet, da das Arbeitsgericht zu Recht und mit überzeugender Begründung ein Zutrittsrecht der Klägerin in der im Tenor im Einzelnen bezeichneten Art und Weise bejaht hat.
411. Die Klägerin kann den Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten der Beklagten in dem vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Umfang beanspruchen.
42a) Nach dem Bundesarbeitsgericht folgt aus der richterrechtlichen Ausgestaltung der durch Art. 9 S. 3 GG garantierten Koalitionsbetätigung ein betriebliches Zutrittsrecht der Gewerkschaften zu Zwecken der Mitgliederwerbung während der Pausenzeiten (vgl. BAG, Urteil vom 28.02.2006 – 1 AZR 460/04 –).
43Nach Art. 9 Abs. 3 GG ist für jedermann und für alle Berufe das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Koalitionen zu bilden, gewährleistet. Das Grundrecht schützt nicht nur die Freiheit des Einzelnen, eine derartige Vereinigung zu gründen, ihr beizutreten oder ihr fernzubleiben, sondern auch die Koalition in ihrem Bestand und ihrer organisatorischen Ausgestaltung sowie solche Betätigungen, die darauf gerichtet sind, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 14.11.1995 – 1 BvR 601/92). Zu diesen geschützten Tätigkeiten gehört nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch die Mitgliederwerbung durch die Koalitionen selbst. Denn der Fortbestand der Koalition wird durch die Werbung neuer Mitglieder gesichert. Von ihrer Zahl hängt die Verhandlungsstärke ab (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 14.11.1995 – 1 BvR 601/92; BAG, Urteil vom 22.06.2010 – 1 AZR 279/09; Urteil vom 20.01.2009 – 1 AZR 515/08). Wie die Koalition das Ziel der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen verfolgt, lässt Art. 9 Abs. 3 GG offen. Deswegen ist es zunächst der Gewerkschaft selbst überlassen, über Anlass, Inhalt, Ort und konkrete Durchführung ihrer Werbung um weitere Mitglieder zu entscheiden. Gerade der Betrieb bietet hierbei die Möglichkeit, auf das Anliegen der Gewerkschaft hinzuweisen, um neue Mitglieder zu werben. Deshalb muss der Gewerkschaft möglich sein, auch im Betrieb Mitgliederwerbung zu betreiben (vgl. BAG, Urteil vom 28.02.2006 – 1 AZR 460/04; LAG Hamm, Urteil vom 16.12.2014 – 12 Sa 1020/14).
44aa) Grundsätzlich liegt es an der Gewerkschaft zu bestimmen, welche und wie viele Personen sie mit einer von ihr konzipierten Werbemaßnahme betraut. Daher unterfällt nicht nur der Ort für die gewerkschaftliche Werbung, sondern auch die personelle Auswahl der Werbenden dem Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG. Eine Gewerkschaft braucht sich nicht darauf verweisen zu lassen, ausschließlich betriebszugehörige Arbeitnehmer mit der Durchführung von Mitgliederwerbung zu beauftragen. Sie ist vielmehr grundsätzlich berechtigt, sich hierfür auch betriebsfremder Beauftragter zu bedienen (vgl. BAG, Urteil vom 22.06.2010 – 1 AZR 179/09; Urteil vom 28.02.2006 – 1 AZR 460/04).
45bb) Dieses Recht ist auch dann gegeben, wenn keine betriebsangehörigen Gewerkschaftsmitglieder vorhanden sind. Gewerkschaften haben grundsätzlich einen Anspruch darauf, in Betrieben auch mit betriebsfremden beauftragten Mitgliedern Werbung zu betreiben, soweit überwiegende schützenswerte Interessen des Arbeitgebers und Betriebsinhabers nicht entgegenstehen. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 28.02.2006 (1 AZR 460/04) ausdrücklich entschieden, dass dies auch dann gilt, wenn Arbeitnehmer des Betriebes bereits Mitglieder der Gewerkschaft sind. Hieraus ist im Umkehrschluss zu folgern, dass dies auch dann gelten soll nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, wenn keine Mitarbeiter des Betriebes gewerkschaftlich organisiert sind. Dies stimmt mit dem Gedanken überein, dass auch dann und erst recht der Werbe- und Informationszweck gegenüber neuen potenziellen Gewerkschaftsmitgliedern besteht. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 17.02.1981 (2 BvR 384/78) darauf verwiesen, dass jedenfalls dort, wo die Gewerkschaft bereits in Betrieben und Anstalten durch Mitglieder vertreten ist, auszuschließen ist, dass ohne ein Zutrittsrecht für betriebsexterne Gewerkschaftsangehörige die Erhaltung und Sicherung der Koalition gefährdet wäre und das entsprechende Zutrittsrecht als unerlässlich betrachtet werden müsste. Auch hieraus ist der oben erwähnte Umkehrschluss zu ziehen.
462. Aus Art. 9 Abs. 3 GG ist auch das Recht der Klägerin zur personellen Auswahl der von ihr entsandten betriebsexternen Gewerkschaftsbeauftragten zu schlussfolgern. Art. 9 Abs. 3 GG überlässt einer Koalition grundsätzlich die Wahl der Mittel, die sie bei ihrer koalitionsspezifischen Betätigung für geeignet und erforderlich hält. Dementsprechend kann eine Gewerkschaft selbst darüber befinden, an welchem Ort, durch welche Personen und in welcher Art und Weise sie um Mitglieder werben will (vgl. BAG, Urteil vom 28.02.2006 – 1 AZR 460/04).
473. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Gewerkschaft zur Durchführung von Werbemaßnahmen im Betrieb auf die Mitwirkung des Betriebsinhabers angewiesen ist. Sie kann im Betrieb durch betriebsfremde Beauftragte nur tätig werden, wenn der Arbeitgeber diesen den Zutritt gestattet und ihre Tätigkeit duldet. Damit kollidiert eine derartige Mitgliederwerbung mit ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Rechten des Arbeitgebers und Betriebsinhabers, u. a. dessen durch Art. 13, 14 GG geschützten Haus- und Eigentumsrecht sowie seiner jedenfalls durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, die insbesondere bei einer Störung des Arbeitsablaufs und Betriebsfriedens berührt wird (vgl. BAG, Urteil vom 28.02.2006 – 1 AZR 460/04; Urteil vom 22.06.2010 – 1 AZR 179/09).
48Der danach mögliche Konflikt widerstreitender Grundrechte bedarf der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung. Der Gesetzgeber ist dazu berufen, Rechtsinstitute oder Normenkomplexe zu schaffen, die zur effektiven Nutzung grundrechtlich geschützter Freiheiten notwendig sind. Da er jedoch bislang davon abgesehen hat, war die bestehende Schutzlücke von den Gerichten im Wege der Rechtsfortbildung zu schließen. Dazu hat das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 28.02.2006 (1 AZR 460/04) ein Zutrittsrecht einer Gewerkschaft zum Zwecke der Mitgliederwerbung durch betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte dem Grunde nach anerkannt. Ob der jeweils konkret begehrte Zutritt zu gewähren ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BAG, Urteil vom 22.06.2010 – 1 AZR 179/09). Diese bestimmen sich nach dem von der Gewerkschaft zur Entscheidung gestellten Antrag. Das darin zum Ausdruck kommende Zutrittsbegehren konkretisiert den personellen und organisatorischen Aufwand des Arbeitgebers und lässt den Schluss auf die damit einhergehenden Störungen betrieblicher Abläufe und des Betriebsfriedens sowie der darauf bezogenen Grundrechtsbeeinträchtigungen des Arbeitgebers zu.
49a) Hinsichtlich einer etwaig zu befürchtenden Störung des Betriebsfriedens durch Auftreten des Gewerkschaftssekretärs Herrn O im Betrieb der Beklagten mit Rücksicht auf die Geschehnisse vom 26.11.2014 ist Folgendes zu berücksichtigen: Ein – damals vorgefallenes – unangekündigtes Erscheinen ist aufgrund der Antragstellung im vorliegenden Verfahren nicht mehr zu befürchten, da die Klägerin in ihrem Antrag ausdrücklich eine Ankündigungsfrist von einer Woche gegenüber der Geschäftsführung der Beklagten aufgenommen hat. Hinsichtlich der von der Beklagtenseite als unzutreffend gerügten Behauptungen im Aufforderungsschreiben vom 26.11.2014 die Mitarbeiter der Beklagten seien an Lohnsteigerungen in der Druckindustrie durch die Beklagte nicht beteiligt worden, die Geschäftsführer der Beklagten würden zur Verdienststeigerung Leute rauswerfen und andere für weniger Lohn einstellen, handelt es sich um keine persönlichen Ehrverletzungen sondern um eine scharf formulierte Kritik mit Bezug auf koalitionsspezifische Anliegen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass solche etwaigen Grenzüberschreitungen sich bislang als einmaliger Einzelfall darstellen. Eine andere Gewichtung der wechselseitigen Interessen mit der Folge, dass dann den Urhebern wahrheitswidriger und gegebenenfalls ehrverletzender Erklärungen gegenüber der Gegenseite ein Zutrittsrecht zu Recht verweigert werden könnte, kann im Wiederholungsfall geboten sein.
50b) Sonstige mit Rücksicht auf die zu berücksichtigenden Arbeitgeberinteressen gebotenen Einschränkungen des Zutrittsrechts sind von der Antragstellung der Klägerseite bereits berücksichtigt.
51Die zwischen den getroffenen Grundrechtspositionen herzustellende praktische Konkordanz erfordert die Berücksichtigung typischer und vorhersehbarer betrieblicher Belange des Arbeitgebers. Dazu gehört insbesondere der organisatorische Aufwand, der im Einzelfall betrieben werden muss, um Störungen des Betriebsfriedens und des Betriebsablaufs zu verhindern. Aus diesem Grund hat die Gewerkschaft den Besuchstermin angemessene Zeit zuvor anzukündigen, wobei im Hinblick auf etwaige organisatorische Maßnahmen von einer Regelfrist von einer Woche auszugehen ist (vgl. BAG, Urteil vom 22.06.2010 – 1 AZR 179/09). Dies hat die Klägerin im Rahmen ihrer Antragstellung berücksichtigt.
52Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung ist zudem davon auszugehen, dass beachtliche betriebliche Belange bei einer Häufigkeit der gewerkschaftlichen Zutritte nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. Insoweit haben die verfassungsrechtlich durch Art. 13, 14 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG geschützten Rechtsgüter des Arbeitgebers hinter der durch Art. 9 Abs. 3 GG verbürgten koalitionsspezifischen Betätigungsfreiheit der Gewerkschaft zurückzutreten. Einer näheren Begründung zur Häufigkeit des Zutrittsbegehrens bedarf es allerdings dann nicht, wenn eine zuständige Gewerkschaft einmal im Kalenderhalbjahr in Pausenzeiten gewerkschaftliche Werbemaßnahmen – wie hier die Klägerin – im Betrieb durchführen will (vgl. BAG, Urteil vom 22.06.2010 – 1 AZR 179/09).
53Den anzuerkennenden Sicherheits- und Geheimhaltungsinteressen der Beklagten trägt die Antragstellung der Klägerin hinreichend dadurch Rechnung, dass das Zutrittsrecht für ihre Mitgliederwerbung in den räumlichen Bereichen der Beklagten beschränkt wird auf solche Räumlichkeiten, die nicht die Produktionsfläche und die Büros der Beklagten betreffen (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 22.06.2010 – 1 AZR 179/09; LAG Brandenburg, Urteil vom 03.08.2011 – 4 Sa 839/11).
54III. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte als unterlegene Partei gemäß § 97 ZPO.
55Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG sind nicht gegeben, da die Entscheidung unter Berücksichtigung höchstrichterlicher Rechtsprechung auf den Umständen des Einzelfalles beruht.
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(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 28.05.2014 – 3 Ca 810/13 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über das betriebliche Zutrittsrecht der klagenden Gewerkschaft zum Zwecke der Mitgliederwerbung.
3Die Beklagte stellt in ihrem Betrieb mit mehr als 200 Beschäftigten Bauelemente her. Klägerin ist die IG Metall, die im Betrieb durch Arbeitnehmer vertreten ist.
4Mit Telefax vom 20.03.2013, das laut Sendeprotokoll um 8:29 Uhr übermittelt wurde, kündigte der Gewerkschaftssekretär der Klägerin, O, an, den Betrieb der Beklagte aufsuchen zu wollen, um in der Mittagspause der Beschäftigten um Mitglieder zu werben. Gegen 11:30 Uhr suchte er den Betrieb auf, woraufhin es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Geschäftsführer der Beklagten kam. Der konkrete Ablauf der Geschehnisse ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Nachdem der Gewerkschaftssekretär einer Aufforderung, die Geschäftsräumlichkeiten zu verlassen, nicht gefolgt war, nahm die Beklagte polizeiliche Hilfe in Anspruch, um den Gewerkschaftssekretär aus den Räumlichkeiten zu entfernen. Mit Schreiben vom 25.03.2013 verwies die Beklagte auf die Geschehnisse des 20.03.2013 und erteilte dem Gewerkschaftssekretär O ein Hausverbot.
5Die Produktionsmitarbeiter der Beklagten haben auf dem Betriebsgelände in einer Kantine die Möglichkeit in der Frühschicht täglich eine Mittagspause in der Zeit von 11:00 bis 11:30 Uhr abzuhalten. Die übrigen Mitarbeiter - insbesondere solche, die in Gleitzeit tätig sind - machen von ihrer Mittagspause in der Regel zwischen 12:00 und 12:30 Uhr bzw. 12:30 und 13:00 Uhr Gebrauch. Sicherheitsvorschriften gestatten es bei der Beklagten grundsätzlich nur die Produktionsräume mit Sicherheitsschuhen zu betreten.
6Mit ihrer am 05.07.2013 beim Arbeitsgericht Detmold eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung des gegenüber dem Gewerkschaftsekretär O ausgesprochenen Hausverbotes und die Duldung des künftigen Zutritts zum Zwecke der Mitgliederwerbung. Sie hat behauptet, der Gewerkschaftssekretär O habe bei seinem Eintreffen im Betrieb der Beklagten am 20.03.2014 zunächst gegenüber dem Empfang seinen Namen und den Anlass seines Besuches genannt. Auf das Erfordernis, einen Besucherausweis ausstellen zu lassen, sei er ebenso wenig hingewiesen worden wie auf die Notwendigkeit, Sicherheitsschuhe zu tragen.
7Die Klägerin hat beantragt,
8-
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1. Die Beklagte wird verurteilt, das mit Schreiben vom 25.03.2013 ausgesprochene Hausverbot gegen Herrn O aufzuheben.
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2. Die Beklagte wird verurteilt, den Zutritt des Gewerkschaftssekretärs O oder eines anderen von der Klägerin bestimmten Gewerkschaftsbeauftragten zu der Kantine in ihrem Betrieb in der Jstraße 1-2 in M während der Mittagspausenzeiten der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer von 11:00 Uhr bis 11:30 Uhr, von 12:00 Uhr bis 12:30 Uhr sowie von 12:30 Uhr bis 13:00 Uhr zum Zwecke der Mitgliederwerbung zu dulden.
Hilfsweise zu 2.:
13-
14
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Zutritt des Gewerkschaftssekretärs O oder eines anderen von der Klägerin bestimmten Gewerkschaftsbeauftragten zu der Kantine in ihrem Betrieb in der Jstraße 1-2 in M während der Mittagspausenzeiten der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer von 11:00 Uhr bis 11:30 Uhr, von 12:00 Uhr bis 12:30 Uhr sowie von 12:30 Uhr bis 13:00 Uhr zum Zwecke der Mitgliederwerbung nach vorheriger Unterrichtung der Beklagten zu dulden.
Hilfsweise zu 2.+ 3.:
16-
17
4. Die Beklagte wird verurteilt, den Zutritt des Gewerkschaftsekretärs O oder eines anderen von der Klägerin bestimmten Gewerkschaftbeauftragten zu die Kantine in ihrem Betrieb in der Jstraße 1-2 in M während der Mittagspausenzeiten der bei ihr beschäftigten Arbeitsnehmer von 11.00 Uhr – 11.30 Uhr, von 12.00 Uhr – 12.30 Uhr sowie von 12.30 Uhr – 13.00 Uhr zum Zwecke der Mitgliederwerbung und der Information über die satzungsgemäßen Aufgaben der Klägerin, insbesondere die aktuelle Tarifentwicklung sowie den Gesundheitsschutz durch Überreichen von Broschüren, Formularen und Flugblätter und Durchführen persönlicher Gespräche einmal im Kalenderhalbjahr nach einer Ankündigungsfrist von einer Woche zu dulden.
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5. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000 € angedroht.
Äußerst hilfsweise zu 1.- 5.:
21-
22
6. Es wird festgestellt, dass die Beklagte den Zutritt des Gewerkschaftssekretär O oder eines anderen von der Klägerin bestimmten Gewerkschaftsbeauftragten zu der Kantine in ihrem Betrieb in der Jstraße 1-2 in M während der Mittagspausenzeiten der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer zum Zwecke der Mitgliederwerbung zu dulden hat, soweit überwiegende schützenswerte Interessen der Beklagten nicht entgegenstehen.
Die Beklagte hat beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Sie hat die Ansicht vertreten, das Hausverbot sei zu Recht ausgesprochen worden. Es sei zunächst unangemessen gewesen, am Tag der Ankündigung des Besuches den Besuch selbst durchzuführen. Auch zukünftig müsse sie den Zutritt des Gewerkschaftssekretärs O nicht dulden, weil dieser am 20.03.2013 ihrer Aufforderung, das Gebäude zu verlassen, nur nach Unterstützung durch die Polizei Folge geleistet habe. Herr O sei, ohne sich ordnungsgemäß am Empfang anzumelden, in Begleitung eines Betriebsratsmitglieds in die Kantine am Geschäftssitz der Beklagten gegangen, ohne die erforderlichen Sicherheitsschuhe zu tragen. Erst in der Kantine sei er von den Geschäftsführern der Beklagten angesprochen und zum Verlassen der Geschäftsräumlichkeiten aufgefordert worden.
26Die Klägerin könne ohnehin keinen werktäglichen Zutritt verlangen, bei einem Zutritt zur Kantine würden die Mitarbeiter in ihrer Ruhephase gestört. Werbemaßnahmen könne die Klägerin auch vor und nach Schichtbeginn vor dem Geschäftssitz der Beklagten vornehmen.
27Mit Urteil vom 28.05.2014 hat das Arbeitsgericht der Klage hinsichtlich des Antrags zu Ziffer 4. statt gegeben, im Übrigen aber die Klage abgewiesen. Es hat die Beklagte verurteilt, den Zutritt des Gewerkschaftssekretärs O oder eines anderen von der Klägerin bestimmten Gewerkschaftsbeauftragten Sicherheitsschuhe tragend zu der Kantine während der Mittagspausenzeiten der bei ihr Beschäftigten Arbeitnehmer vom 11:00 bis 11:30 Uhr, von 12:00 bis 12:30 Uhr sowie von 12:30 bis 13:00 Uhr zum Zwecke der Mitgliederwerbung und der Information über die satzungsgemäßen Aufgaben der Klägerin insbesondere die aktuelle Tarifentwicklung sowie den Gesundheitsschutz durch Überreichen von Broschüren, Formularen und Flugblättern und Durchführen persönlicher Gespräche einmal im Kalenderhalbjahr nach einer Ankündigung unter Einhaltung von einer Frist von einer Woche zu dulden. Gleichzeitig hat es für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,-€ angedroht. Es hat den Klageantrag als hinreichend bestimmt angesehen. Ein effektiver Rechtsschutz sei nur durch generalisierende Formulierungen zu gewährleisten. Insbesondere müsse nicht formuliert werden, auf welche Art und Weise eine Unterrichtung im Vorfeld des beabsichtigten Besuches zu erfolgen habe. Die Konkretisierung zur Duldung der namentlich genannten Maßnahmen sei sachdienlich. Den Anspruch der Klägerin auf Zutritt hat das Arbeitsgericht auf Art. 9 Abs. 3 GG gestützt. Zu der grundgesetzlich geschützten koalitionsspezifischen Betätigung einer Gewerkschaft gehöre auch deren Mitgliederwerbung im Betrieb durch betriebsfremde Beauftragte. Insoweit sei die Gewerkschaft auf die Mitwirkung des Arbeitgebers angewiesen. Der Konflikt widerstreitender Grundrechte, einerseits das geschützte Haus- und Eigentumsrecht und die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit und andererseits die Koalitionsfreiheit, sei durch den Gesetzgeber nicht gelöst worden, so dass die bestehende Schutzlücke von den Gerichten im Wege der Rechtsfortbildung zu schließen sei. Da Art. 9 Abs. 3 GG der Koalition die Wahl der Tätigkeit und der Mittel, mit denen sie die Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen verfolge, überlasse, habe die Gewerkschaft selbst über Anlass, Inhalt, Art und konkrete Durchführung ihrer Werbung um weitere Mitglieder zu befinden. Da sich der jeweils konkret begehrte Zutritt nach den Umständen des Einzelfalles richte, sei hier der Klägerin ein kalenderhalbjähriger Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten der Beklagten zu gewähren. Dabei müsse die Beklagte den Zutritt allerdings nur dulden, wenn die von der Klägerin beauftragte Person auch Sicherheitsschuhe trägt. Insoweit sei der Antrag der Klägerin einzuschränken. Die Klägerin sei auch berechtigt, den Gewerkschaftssekretär O auszuwählen, da ein Missbrauch der Befugnisse durch ihn nicht zu befürchten sei. Durch die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens habe die Klägerin hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sowohl sie als auch der von ihr beauftragte Gewerkschaftsekretär O künftig das Hausrecht der Beklagten respektieren werden. Dem Zutrittsrecht stehe auch nicht der Erholungszweck im Pausenraum entgegen. Die Mitarbeiter der Beklagten könnten selbst entscheiden, ob sie Gespräch mit dem Beauftragten der Klägerin führen wollen oder nicht. Eine Störung des Erholungszweckes sei nicht zu befürchten. Die Klägerin könne nicht darauf verwiesen werden, die Werbemaßnahmen außerhalb der Betriebsstätte oder in den Umkleideräumen der Beklagten durchzuführen. Die Auswahl des Ortes liege zunächst grundsätzlich bei der klagenden Gewerkschaft. Der Antrag zu 4. bewege sich mit dem kalenderhalbjährigen Zutritt auch im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
28Im Übrigen hat es die Klage für unbegründet gehalten. Das Hausverbot gegen Herrn O sei nicht aufzuheben. Unabhängig von der Frage der Legitimation bestehe ein Anspruch auf die Aufhebung des Hausverbotes schon deswegen nicht, weil das Gericht mit der Verurteilung zur Duldung des Zutritts zu den Räumlichkeiten das Hausverbot bereits insoweit punktuell eingeschränkt habe. Im Übrigen bestehe aber kein Anspruch der IG Metall auf Duldung des Zutritts ohne zeitliche Einschränkung und ohne Sicherheitsschuhe.
29Gegen das der Beklagten am 25.06.2014 zugestellte und wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommene Urteil hat (nur) die Beklagte am 16.07.2014 Berufung eingelegt und diese am 22.08.2014 begründet. Die von den Arbeitsgerichten vorgenommene Rechtsfortbildung sei unzulässig, weil keine Rechtsschutzlücke bestehe, die im Übrigen vom Gesetzgeber zu füllen wäre. Das Zutrittsrecht aus § 43 Abs. 4 BetrVG stehe einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft nur zu, wenn innerhalb des vorausgegangenen Kalenderhalbjahres keine Betriebsversammlung stattgefunden habe. Der Klägerin habe es freigestanden, eine Betriebsversammlung selbst einzuberufen und ggfs. dort Werbemaßnahmen durchzuführen. Daher ergebe sich weder aus Art. 9 Abs. 3 GG noch aus § 43 Abs. 4 BetrVG ein Zutritt zu Werbezwecken. Sie hält dem Urteil auch entgegen, es habe § 308 ZPO verletzt, weil es den Zutritt nur mit Sicherheitsschuhen zugelassen habe. Dieser Antrag sei aber von der Klägerin selbst nicht gestellt worden. Daher hätte die Klage vollumfänglich abgewiesen werden müssen. Über den Antrag zu 4. hätte das Arbeitsgericht nicht entscheiden dürfen, da dieser Antrag erstmalig im Kammertermin abgeändert gestellt worden sei und sich die Beklagte darauf nicht eingelassen habe. Zu dem umgestellten Antrag habe es daher für die Beklagte keine Möglichkeit gegeben, Stellung zu nehmen. Das Gericht habe auch verkannt, dass die Beklagte dem Gewerkschaftssekretär O ein Hausverbot erteilt habe und dies bislang nicht aufgehoben worden sei, so dass dieses weiter fortbestehe. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei aufgrund des Verhaltens von Herrn O am 20.03.2013 auch von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Im Übrigen sei auch der Antrag zu 4. zu unbestimmt, weil nicht klar sei, was mit einer „Ankündigung unter Einhaltung einer Frist von einer Woche“ zu verstehen sei. Das Aufsuchen der Kantine in den Pausenzeiten stehe dem Erholungszweck entgegen.
30Die Beklagte beantragt,
31das am 28.05.2014 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Detmold, AZ: 3 Ca 810/13, zugestellt am 25.06.2014 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
32Die Klägerin beantragt,
33die Berufung zurückzuweisen.
34Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Eine Verletzung des § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO liege nicht vor, weil das Arbeitsgericht sie nicht zu einem aliud, sondern zu einem Weniger verurteilt habe. Der Beklagten sei es auch möglich gewesen, zu dem umgestellten Antrag in der Kammerverhandlung Stellung zu nehmen, da der Antrag zu 4. lediglich eingeschränkt worden sei. Das Arbeitsgericht habe inzidenter über die Aufhebung des Hausverbotes entschieden, indem es das Zutrittsrecht ausgeurteilt habe. Einer weitergehenden Aufhebung des Hausverbotes habe es nicht bedurft. Eine nähere Konkretisierung der „Ankündigung“ sei nicht erforderlich. Die Klägerin sei darauf angewiesen, ihre Werbemaßnahmen in der tenorierten Weise auszuüben, ohne dass es einer darüber hinausgehende Begründung im konkreten Einzelfall bedürfe.
35Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle Bezug genommen.
36Entscheidungsgründe
37Die zulässige Berufung ist unbegründet.
38I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der gestellte Antrag hinreichend bestimmt und genügt den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
391. Bei Anträgen, die zur Duldung verpflichten, muss sichergestellt sein, dass die Grenzziehung zwischen Erkenntnisverfahren und Vollstreckungsverfahren gewahrt ist. Der zur Duldung Verurteilte muss genau wissen, wie er sich verhalten muss, ohne entsprechende Zweifelsfragen in das nur mit eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten versehene Vollstreckungsverfahren zu verlagern. Dabei sind, wie das Arbeitsgericht zu Recht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, 22.06.2010 – 1 AZR 279/09, AP GG Art. 9 Nr. 142) ausgeführt hat, generalisierende Formulierungen nicht zu vermeiden, wenn man nicht den gerichtlichen Rechtsschutz erschweren oder beseitigen will. In diesem Sinne wird aus dem Antrag hinreichend deutlich, wem an welchem Ort und zu welcher Zeit und in welchen Zeiträumen das Zutrittsrecht eingeräumt werden soll. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch die Ankündigung unter Einhaltung einer Frist von einer Woche ausreichend bestimmt. Zunächst bedeutet die Frist, dass mindestens eine Woche einzuhalten ist. Die Klägerin ist gut beraten, Streit darüber, ob die Wochenfrist eingehalten ist, gar nicht erst aufkommen zu lassen. Ob ihr eine „Ankündigung“ gelingt und wie sie diese vornimmt, etwa durch ein Telefonat, ein Telefax, eine E-Mail durch einen (eingeschriebenen) Brief oder den Gerichtsvollzieher muss ihr überlassen bleiben. Als am Geschäftsleben teilnehmende und im Handelsregister eingetragene GmbH, die durch Geschäftsführer vertreten wird, muss es auch in jeder Hinsicht möglich sein, Schriftstücke zugehen zu lassen. Im Zwangsvollstreckungsverfahren, bei dem es um ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,-€ im Einzelfall gehen kann, lässt sich ohne große Schwierigkeit feststellen, ob die Ankündigungsfrist eingehalten ist oder nicht.
402. Das Arbeitsgericht hat auch nicht gegen § 308 ZPO verstoßen, weil es – ohne dass dies ausdrücklich beantragt worden wäre – ein Zutrittsrecht nur Sicherheitsschuhe tragend zugelassen hat. Nach § 308 ZPO darf das Gericht einer Partei nicht etwas zu oder absprechen, was nicht beantragt worden ist. Es ist an die Anträge gebunden und darf daher weder über ein Mehr noch über etwas anderes befinden (vgl. BAG, 20.02.2014 – 2 AZR 864/12, NJW 2015, S. 192 ff.; BAG, 22.06.2010 – 1 AZR 279/09, AP GG Art. 9 Nr. 142). Gerade bei der IG Metall spricht schon einiges dafür, dass sie den Zutritt zum Betrieb nur in dem öffentlich-rechtlich erlaubten Umfang begehrt. Den Gewerkschaftsbeauftragten wird bekannt sein, dass in bestimmten Bereichen der metallverarbeitenden Industrie eine Begehung nur mit dem erforderlichen Sicherheitsequipment erlaubt ist. Selbst wenn man den Antrag in dieser Weise nicht auslegt, ist die Einschränkung durch Tragen von Sicherheitsschuhen, ein Weniger gegenüber dem unbegrenzten Antrag und nichts anderes, als gewollt. Selbst ein Verstoß gegen § 308 ZPO könnte aber hier durch das Berufungsgericht geheilt werden. Die Weiterverfolgung des Antrags ist als Klageänderung nach § 533 ZPO hier sachdienlich und wird auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht ohnehin seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Nur in Ausnahmefällen kommt eine Zurückverweisung an das Arbeitsgericht gemäß § 68 ArbGG in Betracht (vgl. BAG, 20.02.2014 – 2 AZR 864/12, NJW 2015, S. 192 ff.). Ein Verstoß gegen rechtliches Gehör, wie ihn die Beklagte nimmt, wird im Berufungsrechtszug geheilt.
41II. Die Klage ist auch begründet.
42Die Klägerin hat Anspruch auf Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten der Beklagten in dem vom Arbeitsgericht zuerkannten Umfang.
431. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt aus der richterrechtlichen Ausgestaltung der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Koalitionsbestätigung ein betriebliches Zutrittsrecht der Gewerkschaften zu Zwecken der Mitgliederwerbung während der Pausenzeiten (vgl. BAG 28.02.2006 – 1 AZR 460/04, AP GG Art. 9 Nr. 127; 22.06.2010 – 1 AZR 279/09, AP GG Art. 9 Nr. 142).
44b) Nach Art. 9 Abs. 3 GG ist für jedermann und für alle Berufe das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Koalitionen zu bilden, gewährleistet. Das Grundrecht schützt aber nicht nur die Freiheit des Einzelnen, eine derartige Vereinigung zu gründen, ihr beizutreten oder ihr fernzubleiben, sondern auch die Koalition in ihrem Bestand und ihrer organisatorischen Ausgestaltung sowie solche Betätigungen, die darauf gerichtet sind, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern (vgl. BVerfG 14.11.1995 – 1 BvR 601/92 AP GG Art. 9 Nr. 80). Zu diesen geschützten Tätigkeiten gehört nach der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch die Mitgliederwerbung durch die Koalitionen selbst. Denn der Fortbestand der Koalition wird durch die Werbung neuer Mitglieder gesichert. Von ihrer Zahl hängt die Verhandlungsstärke ab (vgl. BVerfG 14.11.1995 – 1 BvR 601/92 AP GG Art. 9 Nr. 80; BAG 20.01.2009 – 1 AZR 515/08, AP GG Art. 9 Nr. 137; BAG, 22.06.2010 – 1 AZR 279/09, AP GG Art. 9 Nr. 142). Wie die Koalition das Ziel der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen verfolgt, lässt Art. 9 Abs. 3 GG offen (vgl. BVerfG 10.09.2004 – 1 BvR 1191/03 AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167; BAG 22.06.2010 – 1 AZR 279/09 AP GG Art. 9 Nr. 142). Deswegen ist es zunächst an der Gewerkschaft selbst über Anlass, Inhalt, Ort und konkrete Durchführung ihrer Werbung um weitere Mitglieder zu entscheiden. Gerade der Betrieb bietet die Möglichkeit auf das Anliegen der Gewerkschaft hinzuweisen, um neue Mitglieder zu werben. Deshalb muss es der Gewerkschaft möglich sein, auch im Betrieb Mitgliederwerbung zu betreiben (vgl. BAG 28.02.2006 – 1 AZR 460/04, AP GG Art. 9 Nr. 127). Sie unerlässlich und vom Arbeitgeber hinzunehmen (MK-Löwisch/Rieble, 3. Aufl. 2009, § 157 Rn 80). Es muss der Gewerkschaft in diesem Zusammenhang aber auch gestattet sein, selbst darüber zu befinden, wie sie die Werbung im Einzelnen durchführen will. Deswegen kann sie grundsätzlich auch Betriebsfremde mit der Aufgabe betrauen (vgl. BAG 22.06.2010 – 1 AZR 171/09, AP GG Art. 9 Nr. 142).
45b) Auch wenn die in Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit ohne Gesetzesvorhalt gewährleistet ist, unterliegt sie zum Schutz von Rechtsgütern und Gemeinwohnbelangen Schranken, wenn diesen ein gleichermaßen verfassungsrechtlicher Rang zukommt. Deswegen hat das Bundesverfassungsgericht Eingriffe in das Grundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG zum Beispiel bei einer Störung des Arbeitsablaufs oder des Betriebsfriedens zugelassen (vgl. BVerfG 06.02.2007 – 1 BVR 978/05, NZA 2007, S. 394 ff; 14.11.1995 – 1 BVR 601/92, AP GG Art. 9 Nr. 80).
46Entscheidet sich die Gewerkschaft im Rahmen ihrer grundrechtlich geschützten Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG dafür, Mitgliederwerbung im Betrieb des Arbeitgebers durchzuführen, so greift sie in die ebenfalls geschützten Haus- und Eigentumsrechte aus Art. 13 und Art. 14 Abs. 1 GG sowie die aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende wirtschaftliche Betätigungsfreiheit ein. Grundsätzlich ist es Aufgabe des Gesetzgebers den Konflikt widerstreitender Grundrechte durch Rechtsinstitute oder Normenkomplexe auszugestalten (vgl. BAG, 22.06.2010 – 1 AZR 279/09, AP GG Art. 9 Nr. 142). Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber solche Rechtsinstitute und Normenkomplexe bislang nicht geschaffen hat, hat das Bundesarbeitsgericht den Schluss gezogen, dass die bestehende Schutzlücke von den Gerichten im Wege der Rechtsfortbildung zu schließen ist. Vor diesem Hintergrund hat es ein Zutrittsrecht zum Zwecke der Mitgliederwerbung durch betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte grundsätzlich anerkannt (vgl. BAG, 28.02.2006 – 1 AZR 460/04, AP GG Art. 9 Nr. 127; 22.06.2010 – 1 AZR 279/09, AP GG Art. 9 Nr. 142).
47c) Entgegen der von der Beklagten geäußerten Auffassung ist an der Rechtsfortbildung festzuhalten (a. A. Höfling/Burkizczak Anm. zu BAG, 22.06.2010 – 1 AZR 279/09, AP GG Art. 9 Nr. 142). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehört zu den Aufgaben der Rechtsprechung auch die Rechtsfortbildung. Deswegen ist die Schließung von Regelungslücken von Verfassungswegen grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, 11.07.2012 – 1 BVR 3142/07, 1 BVR 1569/08; NJW 2012, S. 3081 ff.). Auch der Gesetzgeber hat anerkannt, dass zu den Aufgaben der Gerichte auch die Fortbildung des Rechts gehört (vgl. § 45 Abs. 4 ArbGG, § 511 Abs., 4 Nr. 1 ZPO, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 29 Abs. 2 Nr. 2 GVG). Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts gibt damit der Gesetzgeber den Gerichten die Möglichkeit in unerwünschte Rechtsentwicklungen korrigierend einzugreifen und so im Wechselspiel von Rechtsprechung und Rechtsetzung demokratische Verantwortung wahrzunehmen (vgl. BVerfG, 11.07.2012, 1 BVR 3142/07, 1 BvR 1569/08, NJW 2012, S. 3081 ff.).
48Gerade im Bereich der Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit hat der Gesetzgeber es bislang vermieden, einfachgesetzliche Regelungen zu schaffen, was ihm auch nicht zwingend vorgeschrieben ist (vgl. BVerfG, 26.03.2014 – 1 BvR 3185/09, NZA 2014, S. 493 ff.). Nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sind daher die Gerichte aufgrund des aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Justizgewährleistungsanspruchs verpflichtet, wirkungsvollen Rechtsschutz zu bieten. Bei unzureichenden gesetzlichen Vorgaben müssen sie mit den anerkannten Methoden der Rechtsfindung aus den bestehenden Rechtsgrundlagen ableiten, was im Einzelfall Recht ist (vgl. BVerfG, 26.03.2014, 1 BVR 3185/09, NZA 2014, S. 493 ff.). Dies gilt gleichermaßen nicht nur im Arbeitskampf, sondern auch in den anderen Bereichen der Koalitionsausübung. Daher sind im Wege praktischer Konkordanz die widerstreitenden Grundrechtspositionen im Einzelfall zum Ausgleich zu bringen. Sieht man die Mitgliederwerbung der Gewerkschaften als alternativlos an und überlässt man ihnen im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG die Wahl der Mittel, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Gerichte die Grenzen der Ausübung der Grundrechte im Einzelfall näher bestimmen, wenn eine einfachgesetzliche Regelung fehlt.
492. Diese Prüfung führt im vorliegenden Fall zum Zutrittsrecht der Klägerin zum Betrieb der Beklagten durch einen Gewerkschaftsbeauftragten in dem vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Umfang.
50a) Die Klägerin hat sich zunächst darauf beschränkt, jeweils nur den Zutritt für eine betriebsfremde Person zu begehren. Im Rahmen ihres Wahlrechts ist die Klägerin auch berechtigt, den für den Betrieb zuständigen Gewerkschaftssekretär O mit der Wahrnehmung der Aufgabe zu betrauen. Dem stehen weder das Hausverbot noch sonstige Gründe entgegen. Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Aufhebung des Hausverbotes rechtskräftig abgewiesen. Damit steht aber nicht materiell-rechtlich fest, dass Herr O den Betrieb nicht betreten darf, weil das Hausverbot zu Recht ausgesprochen worden ist. Denn durch die gleichzeitige Verurteilung der Beklagten, den Zutritt von Herrn O zu dulden, wird das Hausverbot in zulässigem Umfang inzidenter eingeschränkt. Denn das ausgeurteilte Zutrittsrecht für den namentlich benannten Gewerkschaftssekretär ist nur denkbar, wenn gleichzeitig auch insoweit kein Hausverbot besteht. Auch nach Auffassung der Berufungskammer würden die grundgesetzlich geschützten Positionen der Beklagten beeinträchtigt, wenn zu befürchten wäre, dass der von der Klägerin entsandte Gewerkschaftssekretär den Betriebsfrieden stören würde. Mit dem Arbeitsgericht ist aber davon auszugehen, dass dies auch im Bezug auf Herrn O nicht der Fall sein wird. Dabei mag man sogar das Vorbringen der Beklagten zu den Vorfällen am 20.03.2013 als wahr unterstellen. Denn das Verhalten der Beklagten vor dem 20.03.2013 war von dem Bemühen getragen, einen Zutritt der Klägerin und ihres Gewerkschaftssekretärs in jedem Fall zu verhindern.
51Mit Schreiben vom 25.02.2013 hat Herr O mitgeteilt, dass die für den Betrieb zuständige Gewerkschaft sich gerne vorstellen wolle und einen Gesprächstermin für den 06.03. oder 08.03. in den Räumlichkeiten des Unternehmens zusammen mit dem Betriebsrat vorgeschlagen. Darauf hat die Beklagte am 27.02.2013 schriftlich reagiert und mitgeteilt, dass sie keine Veranlassung für die angedachte Unterredung sehe. Unter diesen Umständen wird es verständlich, dass die Klägerin zunächst zu anderen Maßnahmen gegriffen hat, Zutritt zum Betrieb zu erlangen. Daraus kann aber entgegen der Ansicht der Beklagten – das zeigt das vorliegende Klageverfahren deutlich – nicht geschlossen werden, dass sich Herr O auch bei erneutem Besuch des Betriebs der Beklagten in einer Weise verhalten wird, wie sie von der Beklagten beanstandet wird. Betriebsstörungen und Betriebsablaufstörungen sind danach nicht zu erwarten.
52b) Der Zeitraum ist auch zu Recht auf die Mittagspausenzeiten von 11:00 bis 11:30 Uhr, von 12:00 bis 12:30 Uhr und von 12:30 bis 13:00 Uhr in der Kantine beschränkt. Dies gibt zum Einen der Klägerin die Möglichkeit, Mitgliederwerbung in der von ihr beabsichtigten Weise durch das Verteilen von Broschüren, Formularen und Flugblättern und dem Durchführen persönlicher Gespräche zu betreiben. Dass die Ausgestaltung der Kantine dies unmöglich macht, hat auch die Beklagte nicht vorzutragen vermocht. Der Besuch in dem geplanten Umfang steht auch dem Erholungsbedürfnis der Mitarbeiter nicht entgegen. Zum einen können die Mitarbeiter selbst entscheiden, ob sie mit dem Gewerkschaftsbeauftragten kommunizieren wollen. Selbst wenn sie die Werbemaßnahmen als störend empfinden sollten, ist der Eingriff als geringfügig einzustufen, da ohnehin nicht alle Mitarbeiter die Kantine aufsuchen (vgl. LAG Bremen, 26.11.2013 – 1 Sa 74/13; BeckRS 2014, 67918). Zudem kann die Situation ohnehin im Jahr nur zweimal auftreten, da das Zutrittsrecht auf einmal im Kalenderhalbjahr beschränkt worden ist. Durch die Ankündigungsfrist von mindestens einer Woche ist auch eine angemessene Frist eingehalten, so dass für die Beklagte genügend Zeit bleibt, organisatorische Maßnahmen zu treffen (vgl. BAG, 22.06.2010 – 1 AZR 279/09 AP GG Art. 9 Nr. 142). Wenn die Beklagte darauf hinweist, das die Tätigkeiten der Mitarbeiter der Beklagten lärmintensiv seien und ein hohes Maß an Konzentration benötigten, weswegen die Mitarbeiter auf ihren Pause angewiesen seien, so steht dies dem Zutrittsrecht nicht entgegen. Zum Einen können sich die Mitarbeiter der Werbemaßnahmen entziehen und sind nicht gezwungen, sich dem auszusetzen. Zum Anderen finden die Maßnahmen nur zweimal im Jahr statt, sodass der Eingriff auch insoweit als gering einzuschätzen ist. Auf die Zeiten vor und nach Schichtbeginn kann die Klägerin schon deswegen nicht verwiesen werden, weil diese Zeiten weniger geeignet sind, die Ziele der Klägerin zu verfolgen. Es steht zu befürchten, dass die Mitarbeiter entweder keine Zeit haben, oder es zu Betriebsablaufstörungen kommen könnte. Da nur noch der Zutritt einmal im Kalenderhalbjahr rechtshängig ist, bedurfte es auch keiner näheren Begründung zum Häufigkeit des Zutrittsbegehrens. Denn ein derartiger zeitlicher Abstand ist typischerweise genügend, um für die eigene Sache zu werben und auf die Vorzüge einer Mitgliedschaft hinzuweisen. Dabei ergibt sich aus einer Parallelwertung zu § 43 Abs. 4 BetrVG, dass betriebliche Belange bei dieser Häufigkeit der Zutritte nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden (vgl. BAG, 22.06.2010 – 1 AZR 279/09 AP GG Art. 9 Nr. 142). Dabei ersetzt die Versammlung nach § 43 Abs. 4 BetrVG entgegen der Ansicht der Beklagten nicht das Zutrittsrecht der Gewerkschaft zur Mitgliederwerbung, da diese andere Ziele verfolgt.
533. Das Arbeitsgericht hat gem. § 890 Abs. 2 ZPO zu Recht ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000 € angedroht.
54III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
55Ein Anlass, die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, besteht nicht. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind vom Bundesarbeitsgericht geklärt. Die Berufungskammer ist dem gefolgt.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
Tenor
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1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. November 2008 - 23 Sa 919/08 - wird zurückgewiesen.
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2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über das betriebliche Zutrittsrecht einer Gewerkschaft zum Zwecke der Mitgliederwerbung.
- 2
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Die Beklagte betreibt ein Hoch- und Tiefbauunternehmen. Bei ihr besteht kein Betriebsrat. Sie gehört keiner tarifschließenden Arbeitgebervereinigung an. Auf die bei ihr bestehenden Arbeitsverhältnisse findet kraft Allgemeinverbindlicherklärung der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) Anwendung. Klägerin ist die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt. Diese ist für den Betrieb der Beklagten satzungsgemäß zuständig.
- 3
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Am 16. und 23. August 2007 besuchten betriebsfremde Beauftragte der Klägerin teilweise während des laufenden Betriebs Baustellen der Beklagten. Diese untersagte der Klägerin daraufhin, Mitarbeiter während der Arbeitszeit von der Arbeit abzuhalten bzw. die Baustellen zu betreten. Am 3. und 6. September, 18. Oktober 2007 sowie am 21. und 27. Februar 2008 kam es während der Pausenzeiten zu weiteren Besuchen von Vertretern der Klägerin auf Baustellen der Beklagten. Am 11. Oktober 2007 wurden diese von der Beklagten aufgefordert, eine betretene Baustelle wieder zu verlassen. Am 15. Oktober 2007 verhinderte die Beklagte den Besuch einer Baustelle.
- 4
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Ende Oktober 2007 unterzeichneten 44 Beschäftigte der Beklagten ein von dieser vorformuliertes Schreiben. Darin erklärten sie, an weiteren Besuchen betriebsfremder Gewerkschaftsvertreter nicht mehr interessiert zu sein. Die beinahe wöchentlichen Besuche seien überflüssig und lästig, weil sie hierdurch abgehalten würden, die Frühstücks- und Mittagspausen in Ruhe zu verbringen.
- 5
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Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr stehe aus Art. 9 Abs. 3 GG sowie aus § 13 BRTV ein uneingeschränktes Zutrittsrecht zu den Baustellen der Beklagten zu. Ein solches Zutrittsrecht ergebe sich auch aus Art. 51 Abs. 2 der Verfassung des Landes Brandenburg(LV), wonach Gewerkschaften nach Maßgabe der Gesetze das Recht auf Zutritt zu allen Betrieben, Unternehmen und Dienststellen haben. Die Häufigkeit der Besuche müsse nicht begründet werden. Jedenfalls habe der Zutritt wegen des häufigen Personalwechsels auf den Baustellen in kurzen Abständen zu erfolgen. Die Erklärungen eines Teils der Belegschaft seien offenbar auf Druck der Beklagten zustande gekommen. Der Betriebsfrieden sei nicht gefährdet, weil in Betrieben über gewerkschaftliche Forderungen ohnehin kontrovers diskutiert werde.
-
Die Klägerin hat beantragt,
-
1.
den Zutritt der Sicherheitskleidung tragenden Gewerkschaftssekretäre P H, U K, J S, J R und H K jeweils einzeln oder zu zweit oder zusätzlich mit einem von der Klägerin benannten gewerkschaftlichen Beauftragten, ebenfalls Sicherheitskleidung tragend, einmal wöchentlich in den Pausenzeiten der von der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer sowie vor Beginn und nach Beendigung von deren Arbeitszeiten zu den von der Beklagten betriebenen Baustellen zum Zweck der Mitgliederwerbung und der Information über die satzungsgemäßen Aufgaben der Klägerin, insbesondere die aktuelle Tarifentwicklung, den gesetzlichen Mindestlohn sowie den Gesundheitsschutz durch Überreichen von Broschüren, Formularen und Flugblättern und durch Führen persönlicher Gespräche nach vorheriger Unterrichtung des jeweiligen für die Baustelle zuständigen Bauleiters oder des Stellvertreters über den bevorstehenden Zutritt zu dulden;
2.
hilfsweise, den Zutritt gemäß Antrag zu 1) lediglich einmal zweiwöchentlich zu gestatten;
3.
hilfsweise, den Zutritt gemäß Antrag zu 1) lediglich einmal monatlich zu gestatten;
4.
hilfsweise, den Zutritt gemäß Antrag zu 1) zu den Unterkünften und Sozialräumen zu dulden;
5.
hilfsweise, den Zutritt gemäß Antrag zu 1), hilfsweise zu 2), hilfsweise zu 3) und hilfsweise zu 4) mit der Maßgabe, bei Vermeidung jeglicher Störung des Betriebsablaufs und des Betriebsfriedens und soweit nicht bedeutende Geheimhaltungs- und Sicherheitsinteressen der Beklagten dem entgegenstehen, zu dulden.
- 7
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Die Beklagte hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags ausgeführt, aus Art. 9 Abs. 3 GG ergebe sich kein Zutrittsrecht, weil sie mangels Tarifbindung keinerlei Rechtsbeziehung zur Klägerin unterhalte. Art. 51 LV enthalte lediglich einen Programmsatz ohne eigenen Regelungsgehalt. § 13 BRTV gewähre Gewerkschaftsvertretern kein Zutrittsrecht zur Durchführung von Werbemaßnahmen.
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Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
- 9
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Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der von ihr begehrte Zutritt zu den von der Beklagten betriebenen Baustellen in den geltend gemachten Zeitabständen zu Zwecken der Mitgliederwerbung dem Gebot praktischer Konkordanz entspricht.
- 10
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I. Die Anträge zu 1) bis 4) sind zulässig. Sie sind darauf gerichtet, die Vornahme einer Handlung zu dulden (§ 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
- 11
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1. Die Anträge bedürfen allerdings der Auslegung.
- 12
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a) Die Klageanträge sind so zu verstehen, dass die Beklagte den Zutritt von höchstens zwei namentlich benannten Gewerkschaftssekretären - Sicherheitskleidung tragend - oder einzelnen Gewerkschaftssekretären zusammen mit einem von der Klägerin benannten Beauftragten zu den von ihr betriebenen Baustellen dulden soll.
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b) Die Duldung des Zutritts ist auf die Pausenzeiten sowie die Zeiten vor und unmittelbar nach Beginn der Arbeitszeit beschränkt. Die Anträge 1) bis 3) unterscheiden sich dabei durch den jeweiligen Zeitrhythmus. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass die Besuche auf den Baustellen einmal in einer Kalenderwoche, einmal in zwei Wochen oder in einem Kalendermonat jeweils an einem Arbeitstag erfolgen sollen, wobei sie die konkreten Arbeitstage bestimmen wolle. Soweit Zutritt während der Pausenzeiten begehrt wird, bezieht sich dies auf alle Ruhepausen, also sowohl auf die bei der Beklagten bestehende Frühstückspause als auch auf die Mittagspause. Nach der Klarstellung in der Revisionsverhandlung beansprucht die Klägerin den Zutritt ihrer Beauftragten zu einem Zeitpunkt, der es ihnen erlaubt, mit den Beschäftigten zu Beginn der Pausenzeiten Kontakt aufzunehmen und zum Ende der Pause die Baustelle unverzüglich zu verlassen. Mit der von der Klägerin verlangten Duldung des Zutritts „vor Beginn und nach Beendigung der Arbeitszeiten“ behält sich die Klägerin vor, selbst entscheiden zu können, wann sie die Baustelle betritt und wieder verlässt.
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c) Unter „den von der Beklagten betriebenen Baustellen“ sind - wie die Klägerin gleichfalls in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat - Baustellen zu verstehen, auf denen die Beklagte Dienstleistungen erbringt und der Klägerin das Zutrittsrecht ermöglichen kann. Der Zutritt soll dabei nach vorheriger Unterrichtung des für die jeweilige Baustelle zuständigen Bauleiters oder seines Stellvertreters erfolgen. Die Klägerin beansprucht nach ihren Klarstellungen eine Ankündigungsfrist von einem Tag.
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d) Durch den Zutritt soll den Vertretern der Klägerin die Möglichkeit eröffnet werden, die auf den jeweiligen Baustellen beschäftigten Mitarbeiter der Beklagten über die aktuelle Tarifentwicklung, den gesetzlichen Mindestlohn sowie den Gesundheitsschutz durch Überreichen von Broschüren, Formularen und Flugblättern sowie durch das Führen von persönlichen Gesprächen zu informieren.
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e) Die Anträge zu 1) bis 3) sind aufgrund der Klarstellungen der Klägerin in der Revisionsverhandlung schließlich so zu verstehen, dass damit grundsätzlich der Zutritt zu den Orten begehrt wird, an denen die Beschäftigten der Beklagten ihre Pausenzeiten verbringen. Das ist üblicherweise ein Bauwagen, kann auf kleinen Baustellen aber auch ein Baustellenfahrzeug sein. Soweit die Klägerin im Antrag zu 4) die Duldung des Zutritts zu den Unterkünften und Sozialräumen verlangt, sind damit Bauwagen und Aufenthaltsräume der Beklagten gemeint. Die Parteien haben in der Revisionsverhandlung klargestellt, dass die Beklagte auf Baustellen keine Wohnungsunterkünfte mit Schlafplätzen unterhält.
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2. Die so verstandenen Anträge zu 1) bis 4) genügen den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und sind daher zulässig.
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a) Anträge, mit denen die Duldung von Handlungen verlangt wird, müssen die zu duldenden Handlungen so genau bezeichnen, dass der in Anspruch Genommene im Falle einer dem Antrag entsprechenden gerichtlichen Entscheidung eindeutig erkennen kann, was von ihm verlangt wird. Diese Prüfung darf grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer Verpflichtung nachgekommen ist, und nicht, wie diese aussieht. Gleichwohl sind bei Unterlassungs- und Duldungsanträgen bisweilen generalisierende Formulierungen unvermeidlich. Andernfalls würde die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, durch prozessuale Anforderungen unzumutbar erschwert, wenn nicht gar beseitigt. Dementsprechend sind die Gerichte auch verpflichtet, Anträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass eine Sachentscheidung ergehen kann (vgl. BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 21 mwN, BAGE 117, 137).
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b) Diesen Anforderungen werden die Anträge zu 1) bis 4) noch gerecht. Die Klägerin hat den zutrittsberechtigten Personenkreis hinreichend bestimmt bezeichnet. Auch der Zweck der Baustellenbesuche ist hinreichend konkret benannt. Nach den Klarstellungen in der mündlichen Verhandlung ist ferner deutlich, in welchem zeitlichen Rhythmus und zu welchen Zeiten die Klägerin die Baustellen der Beklagten betreten möchte. Ebenso ist die Zeitspanne der vorherigen Unterrichtung konkretisiert. Der Zutritt wird zu den Orten begehrt, an denen die Beschäftigten der Beklagten ihre Pausenzeiten verbringen. Das ist ohne Weiteres bestimmbar. Die allgemeine Einschränkung „Sicherheitskleidung tragend“ genügt den Bestimmtheitsanforderungen. Im Zusammenhang mit der vorherigen Unterrichtung von einem bevorstehenden Baustellenbesuch kann die Klägerin die konkret erforderliche Sicherheitskleidung bei der Beklagten erfragen.
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II. Die Anträge zu 1) bis 4) sind unbegründet. Die Klägerin kann von der Beklagten den darin begehrten Zutritt nicht verlangen. Sie hat dessen Voraussetzungen nicht hinreichend dargelegt.
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1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter zum Betrieb zum Zwecke der Mitgliederwerbung nicht ausdrücklich geregelt.
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a) Aus dem für allgemeinverbindlich erklärten § 13 BRTV ergibt sich kein Recht betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter auf Zutritt zu den Baustellen zum Zwecke der Mitgliederwerbung. Die Vorschrift gewährt der Gewerkschaft nur ein arbeitsschutzrechtlich bezogenes Zutrittsrecht. Dies folgt aus dem sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Gesamtzusammenhang ergebenden Zweck dieser Tarifnorm.
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aa) Gemäß § 13 BRTV ist Vertretern der Tarifvertragsparteien das Betreten der Unterkünfte und Sozialräume gestattet. Dieses Zutrittsrecht besteht bereits nach dem Wortlaut der Tarifregelung nicht unbeschränkt, sondern nur in Bezug auf die Unterkünfte und Sozialräume. Der Zweck dieser Einschränkung erschließt sich aus der Tarifgeschichte.
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bb) § 13 BRTV ist zum 1. September 2002 an die Stelle des bis dahin geltenden § 14 BRTV getreten(Biedermann/Möller BRTV - Kommentar 7. Aufl. Erläuterungen zu § 13). Nach dieser Vorschrift galt für die Beschaffenheit der Unterkünfte auf Baustellen das Gesetz über die Unterkunft bei Bauten vom 13. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1234). Dessen § 1 wurde - sprachlich neu gefasst - unter gleichzeitiger Außerkraftsetzung des Gesetzes vom 13. Dezember 1934 durch das Gesetz über die Mindestanforderungen an Unterkünfte für Arbeitnehmer vom 23. Juli 1973 in § 120c Abs. 4 GewO übernommen. Diese Bestimmung wurde durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften vom 24. August 2002 (BGBl. I S. 3412) aufgehoben. Zugleich wurde die Regelung des § 120c Abs. 4 GewO - sprachlich verändert - in § 45 ArbStättV aufgenommen. Mit der Reform der Arbeitsstättenverordnung im Jahre 2004 ist diese Bestimmung mit Wirkung vom 25. August 2004 in redaktionell erneut geänderter Form in § 6 Abs. 5 ArbStättV eingefügt worden. Nachdem durch die zum 1. Januar 2003 in Kraft getretene Änderung der Gewerbeordnung vom 24. August 2002 der in § 14 Nr. 1.1 BRTV enthaltene Verweis auf das Gesetz über die Unterkunft bei Bauten hinfällig geworden war, haben die Tarifvertragsparteien diese Bezugnahme gestrichen und das in § 14 Nr. 2 BRTV geregelte Zutrittsrecht zu den Aufenthalts-, Wohn-, Schlaf-, Verpflegungs- und Kantinenräumen bei der Reform des Bundesrahmentarifvertrags zum 1. September 2002 in gestraffter Form in § 13 BRTV übernommen.
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cc) Die Tarifgeschichte des § 13 BRTV macht deutlich, dass das darin geregelte Recht, Unterkünfte und Sozialräume zu betreten, den Vertretern der Tarifvertragsparteien nur eingeräumt ist, um kontrollieren zu können, ob der Arbeitgeber diese Räume den arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften entsprechend ausgestattet hat. Insoweit ergänzt diese Vorschrift nunmehr die Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung, die zuvor mit vergleichbarem Regelungsgehalt in § 14 BRTV enthalten waren. § 13 BRTV bezweckt hingegen nicht, den Gewerkschaften Zutritt zu den Unterkünften und Sozialräumen für Werbemaßnahmen zu gewähren.
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b) Aus Art. 51 Abs. 2 Satz 2 LV ergibt sich gleichfalls kein Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter zu Betrieben. Danach haben Gewerkschaften nach Maßgabe der Gesetze das Recht auf Zutritt zu allen Betrieben, Unternehmen und Dienststellen. Art. 51 Abs. 2 Satz 2 LV gewährt damit nicht selbst einen uneingeschränkten Anspruch auf Zutritt zu Betrieben, sondern verweist insoweit auf die Maßgaben gesetzlicher Bestimmungen.
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c) Ein Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter zu Betrieben folgt auch nicht aus Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 135 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1971 über Schutz und Erleichterungen für Arbeitnehmervertreter im Betrieb (ILO-Übereinkommen Nr. 135), das durch Bundesgesetz vom 23. Juli 1973 (BGBl. II S. 953) innerdeutsches Recht geworden und gemäß der Bekanntmachung vom 19. November 1973 (BGBl. II S. 1595) am 26. September 1974 in Kraft getreten ist. Danach sind zwar den Arbeitnehmervertretern im Betrieb Erleichterungen zu gewähren, die geeignet sind, ihnen die rasche und wirksame Durchführung ihrer Aufgaben zu ermöglichen. Hierdurch geschützt sind jedoch nur betriebsangehörige Arbeitnehmervertreter. Dem steht auch Art. 3 des ILO-Übereinkommens Nr. 135 nicht entgegen, wonach auch Gewerkschaftsvertreter Arbeitnehmervertreter im Sinne des Übereinkommens sein können, denn es gibt auch betriebsangehörige Gewerkschaftsvertreter, zB gewerkschaftliche Vertrauensleute. Hinzu kommt, dass dieses Übereinkommen keine unmittelbaren Rechtsansprüche begründet. Es bedarf vielmehr der Durchführung und verpflichtet die dazu berufenen innerstaatlichen Organe und Verbände, einen dem Übereinkommen entsprechenden Rechtszustand herzustellen (BAG 19. Januar 1982 - 1 AZR 279/81 - zu I 2 a und b der Gründe, BAGE 37, 331).
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2. Ein betriebliches Zutrittsrecht der Gewerkschaften zu Zwecken der Mitgliederwerbung während der Pausenzeiten folgt hingegen aus der richterrechtlichen Ausgestaltung ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Koalitionsbetätigungsfreiheit.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts gehört zu der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten koalitionsspezifischen Betätigung einer Gewerkschaft auch deren Mitgliederwerbung in den Betrieben durch betriebsfremde Beauftragte(BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 93, 352; BAG 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - Rn. 38, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96).
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aa) Art. 9 Abs. 3 GG verbürgt als Doppelgrundrecht zum einen für jedermann und alle Berufe das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Das schließt das Recht ein, eine derartige Koalition zu gründen, ihr beizutreten oder fernzubleiben. Geschützt ist zum anderen die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, soweit dies der Wahrnehmung oder Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dient (BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394). Zu dieser verfassungsrechtlich geschützten Betätigung gehört auch die Werbung von Mitgliedern, von deren Zahl der Bestand und die Durchsetzungsfähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition abhängen (BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 93, 352; BAG 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - Rn. 38, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96).
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bb) Art. 9 Abs. 3 GG überlässt der Koalition die Wahl der Tätigkeiten und der Mittel, mit denen sie die Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen verfolgt(BVerfG 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - zu B II 1 der Gründe, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 136). Dementsprechend befindet eine Gewerkschaft grundsätzlich selbst über Anlass, Inhalt, Ort und konkrete Durchführung ihrer Werbung um weitere Mitglieder. Eine effektive Werbung setzt Aufmerksamkeit und Aufgeschlossenheit der umworbenen Arbeitnehmer voraus. Hiervon kann vor allem im Betrieb ausgegangen werden. Dort werden die Fragen, Aufgaben und Probleme deutlich, auf die sich das Tätigwerden einer Gewerkschaft bezieht und an die diese bei der Werbung neuer Mitglieder anknüpfen kann. Eine Gewerkschaft kann deshalb nicht generell darauf verwiesen werden, sie könne auch außerhalb des Betriebs werben (BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 38, BAGE 117, 137). In gleicher Weise liegt es grundsätzlich an ihr zu bestimmen, welche und wie viele Personen sie mit einer von ihr konzipierten Werbemaßnahme betraut. Daher unterfällt nicht nur der Ort des Werbens, sondern auch die personelle Auswahl der Werbenden dem Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG. Eine Gewerkschaft braucht sich auch nicht darauf verweisen zu lassen, ausschließlich betriebszugehörige Arbeitnehmer mit der Durchführung von Mitgliederwerbung zu beauftragen. Sie ist vielmehr grundsätzlich berechtigt, sich hierfür auch betriebsfremder Beauftragter zu bedienen.
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b) Zur Durchführung einer Werbemaßnahme im Betrieb ist die Gewerkschaft auf die Mitwirkung des Arbeitgebers angewiesen. An ihm liegt es, betriebsfremden Gewerkschaftsbeauftragten den Zutritt zum Betrieb zu gewähren und deren Verbleib auf dem Betriebsgelände zu dulden. Das kann mit seinem durch Art. 13, Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Haus- und Eigentumsrecht und seiner aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit kollidieren(BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 41, BAGE 117, 137). Der danach mögliche Konflikt widerstreitender Grundrechte bedarf der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung. Der Gesetzgeber ist dazu berufen, Rechtsinstitute oder Normenkomplexe zu schaffen, die zur effektiven Nutzung grundrechtlich geschützter Freiheiten notwendig sind (Dieterich RdA 2007, 110, 111). Da er jedoch bislang davon abgesehen hat, war die bestehende Schutzlücke von den Gerichten im Wege der Rechtsfortbildung zu schließen (Schwarze RdA 2010, 115, 116). Dazu hat das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 28. Februar 2006 ein Zutrittsrecht einer Gewerkschaft zum Zwecke der Mitgliederwerbung durch betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte dem Grunde nach anerkannt (- 1 AZR 460/04 - aaO).
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3. Ob der jeweils konkret begehrte Zutritt zu gewähren ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Diese bestimmen sich nach dem von der Gewerkschaft zur Entscheidung gestellten Antrag. Das darin zum Ausdruck kommende Zutrittsbegehren konkretisiert den personellen und organisatorischen Aufwand des Arbeitgebers und lässt den Schluss auf die damit einhergehenden Störungen betrieblicher Abläufe und des Betriebsfriedens sowie der darauf bezogenen Grundrechtsbeeinträchtigungen des Arbeitgebers zu. Anhand eines solchen Antrags haben die Gerichte für Arbeitssachen zu prüfen, ob das konkrete Zutrittsverlangen die gegenläufigen Interessen des Arbeitgebers hinreichend berücksichtigt und damit dem Gebot praktischer Konkordanz genügt.
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4. Die Formulierung eines generalisierenden zukunftsbezogenen Leistungsantrags zur gerichtlichen Durchsetzung des Zutrittsrechts bereitet allerdings nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Außerhalb einmaliger und anlassbezogener Werbemaßnahmen, bei denen die gerichtliche Geltendmachung des Zutrittsrechts wegen der Besorgnis zeitlicher Überholung ohnehin nur im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes möglich ist (BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 45, BAGE 117, 137), können im Erkenntnisverfahren nicht vorhersehbare betriebliche Belange des Arbeitgebers auftreten, die dazu führen, dass die Mitgliederwerbung der Gewerkschaft im Betrieb in der von dieser begehrten und titulierten Art und Weise einmalig oder gar dauerhaft zurückstehen muss. Solche nicht absehbaren Entwicklungen sind bei der Antragstellung regelmäßig nicht benennbar. Das hat allerdings nicht zur Folge, dass ein zukunftsgerichteter Leistungsantrag schon aus diesem Grunde abzuweisen wäre. Solchen Belangen, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung auftreten, kann durch eine Vollstreckungsgegenklage (§§ 767, 769 ZPO) begegnet werden.
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5. Ein zukunftsgerichteter Leistungsantrag kann das Zutrittsbegehren nur typisierend beschreiben. Das reicht aber grundsätzlich aus, die dadurch regelmäßig betroffenen schützenswerten Belange des Arbeitgebers zu erkennen und gegenüber dem Zutrittsbegehren zu gewichten. Dabei bestimmen vor allem die Häufigkeit und die Dauer des Zutrittsbegehrens das Ausmaß der Beeinträchtigungen des Arbeitgebers und den von ihm zu betreibenden Aufwand. Die davon betroffenen Belange sind typischerweise gewahrt, wenn sich die Häufigkeit des Zutrittsverlangens an der gesetzlichen Wertung des § 43 Abs. 4 BetrVG orientiert und eine angemessene Ankündigungsfrist eingehalten wird.
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a) Nach dieser Bestimmung kann eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft unter den dort normierten Voraussetzungen in jedem Kalenderhalbjahr die Einberufung einer Betriebsversammlung verlangen. Beauftragte der Gewerkschaft haben dabei gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein Recht auf Zutritt zum Betrieb, um an der Betriebsversammlung teilzunehmen. Sie können dort gemäß § 45 BetrVG ua. Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer und wirtschaftlicher Art, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer betreffen, erörtern.
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b) Ausgehend von diesem gesetzlich geregelten Fall, in dem der Arbeitgeber den Zutritt betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter ohne konkrete Angaben von Gründen dulden muss, bedarf es keiner näheren Begründung zur Häufigkeit des Zutrittsbegehrens, wenn eine zuständige Gewerkschaft einmal im Kalenderhalbjahr in Pausenzeiten gewerkschaftliche Werbemaßnahmen im Betrieb durchführen will. Ein derartiger zeitlicher Abstand ist einerseits typischerweise genügend, um für die eigene Sache zu werben und auf die Vorzüge einer Mitgliedschaft hinzuweisen. Die Gewerkschaft bleibt so den Beschäftigten ausreichend präsent, zumal innerbetriebliche Werbemaßnahmen durch außerbetriebliche ergänzt werden können. Unter Heranziehung der Wertung des § 43 Abs. 4 BetrVG ist bei der gebotenen typisierenden Betrachtung andererseits davon auszugehen, das beachtliche betriebliche Belange bei einer solchen Häufigkeit der Zutritte nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. Insoweit haben die verfassungsrechtlich durch Art. 13, Art. 14 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Rechtsgüter des Arbeitgebers hinter der durch Art. 9 Abs. 3 GG verbürgten koalitionsspezifischen Betätigungsfreiheit der Gewerkschaft zurückzutreten. Verlangt aber die Gewerkschaft häufiger Zutritt, hat sie die Notwendigkeit weiterer betrieblicher Werbemaßnahmen im Einzelnen aufzuzeigen. Erfüllt sie die ihr obliegende Darlegungslast, hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, aus welchen Gründen seine verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter vorrangig sind.
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c) Die zwischen den betroffenen Grundrechtspositionen herzustellende praktische Konkordanz erfordert weiter die Berücksichtigung typischer und vorhersehbarer betrieblicher Belange des Arbeitgebers bereits im Erkenntnisverfahren. Dazu gehört insbesondere der organisatorische Aufwand, der im Einzelfall unter Berücksichtigung von Sicherheits- und Geheimhaltungsinteressen betrieben werden muss, um Störungen des Betriebsfriedens und des Betriebsablaufs zu verhindern. Aus diesem Grund hat die Gewerkschaft den Besuchstermin angemessene Zeit zuvor anzukündigen, wobei im Hinblick auf etwaige organisatorische Maßnahmen von einer Regelfrist von einer Woche auszugehen ist. Dies ist bereits bei der Antragstellung zu beachten.
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6. In Anwendung dieser Grundsätze ist dem Landesarbeitsgericht nur im Ergebnis seiner die Berufung der Klägerin zurückweisenden Entscheidung zu folgen.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat aus der von der Beklagten vorgelegten Erklärung von 44 Arbeitnehmern geschlossen, es könne zu Situationen kommen, in denen die betriebsfremden Vertreter der Klägerin bei ihren Besuchen in einen Konflikt mit den Arbeitnehmern der Beklagten geraten oder die Besuche zu Konflikten unter den Arbeitnehmern führen, die den Betriebsfrieden und den Betriebsablauf in nicht mehr hinnehmbarer Weise stören. Weiterhin könne es infolge der Baustellenbesuche auch zu nicht hinnehmbaren Beeinträchtigungen von Arbeitnehmern anderer Unternehmen kommen, mit denen die Beklagte gemeinsam Baustellen betreibe. Die vorgelegte Erklärung und der Vortrag der Beklagten hierzu lassen diese Schlussfolgerungen jedoch nicht zu. Es ist schon nicht ersichtlich, welche 44 Arbeitnehmer diese Erklärung unterzeichnet haben. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, in welchen Arbeitsbereichen, wie etwa Baustellen, Lager oder Verwaltung die Unterzeichner beschäftigt sind. Des Weiteren sind weder der vorgelegten Erklärung noch den Ausführungen der Beklagten Anhaltspunkte für die vom Landesarbeitsgericht befürchteten Konflikte zu entnehmen. Gleiches gilt für die erwogene Störung der Betriebsabläufe anderer Unternehmen. Die Beklagte hat nicht dargelegt, mit welchen Unternehmen sie gemeinsame Baustellen betreibt und wie die Arbeitsabläufe dabei ausgestaltet sind. Bereits deshalb kann nicht von der vom Landesarbeitsgericht angenommenen Beeinträchtigung anderer Unternehmen ausgegangen werden.
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b) Das angefochtene Urteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als zutreffend (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klägerin kann zwar grundsätzlich Zutritt zu den von der Beklagten betriebenen Baustellen verlangen, weil deren Arbeitnehmer überwiegend dort und nicht am Betriebssitz der Beklagten ihre Arbeiten verrichten. Sie hat jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass die von ihr begehrten Zutritte zu den von der Beklagten betriebenen Baustellen wöchentlich, zweiwöchentlich oder monatlich erforderlich sind. Die von der Klägerin beschriebene Fluktuation auf den Baustellen rechtfertigt dies schon deshalb nicht, weil sie bereits im zweiten Kalenderhalbjahr 2007 fünfmal und im ersten Kalenderhalbjahr 2008 zweimal Baustellen der Beklagten aufgesucht hat und ohnehin nur durch zeitgleiche Baustellenbesuche sicherstellen kann, die Beschäftigten jedenfalls einmalig zu erreichen. Des Weiteren fehlt es an jedweder Darlegung, aus welchen Gründen eine Ankündigungsfrist von nur einem Tag als erforderlich und zugleich ausreichend bemessen angesehen werden könnte. Darüber hinaus genügt es nicht, die Werbemaßnahme dem jeweiligen Baustellenleiter und nicht dem die Beklagte gesetzlich vertretenden Geschäftsführer anzukündigen. Da allein die Beklagte durch die Werbemaßnahme in ihren Grundrechten betroffen sein kann, hat deren Vertreter darüber zu befinden, welche ihrer grundrechtlich geschützten Belange dem Zutrittsbegehren entgegenstehen.
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7. Die Klageanträge zu 1) bis 4) waren daher insgesamt abzuweisen. Die Klägerin hat den Zutritt ohne nähere Begründung zeitlich und in einer Art und Weise verlangt, denen berechtigte betriebliche Belange der Beklagten typischerweise entgegenstehen. Die Beklagte kann auch nicht dazu verurteilt werden, ein Zutrittsrecht in größeren Zeitabständen ohne die unwirksamen Maßnahmen zu dulden. Insoweit handelt es sich nicht um ein Minus zur Antragstellung, sondern um ein Aliud.
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III. Der Antrag zu 5) ist nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und daher unzulässig(BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 12, BAGE 117, 137). Es ist auch nicht im Wege der Auslegung feststellbar, wann eine Störung des Betriebsablaufs und des Betriebsfriedens vorliegt. Eine solche Antragsformulierung führt vielmehr dazu, dass erst im Vollstreckungsverfahren geprüft würde, was hierunter zu verstehen ist.
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Schmidt
Koch
Linck
Manfred Gentz
Hayen
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
(1) Die Wohnung ist unverletzlich.
(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.
(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.
(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.
(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.
(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Tenor
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1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. November 2008 - 23 Sa 919/08 - wird zurückgewiesen.
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2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über das betriebliche Zutrittsrecht einer Gewerkschaft zum Zwecke der Mitgliederwerbung.
- 2
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Die Beklagte betreibt ein Hoch- und Tiefbauunternehmen. Bei ihr besteht kein Betriebsrat. Sie gehört keiner tarifschließenden Arbeitgebervereinigung an. Auf die bei ihr bestehenden Arbeitsverhältnisse findet kraft Allgemeinverbindlicherklärung der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) Anwendung. Klägerin ist die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt. Diese ist für den Betrieb der Beklagten satzungsgemäß zuständig.
- 3
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Am 16. und 23. August 2007 besuchten betriebsfremde Beauftragte der Klägerin teilweise während des laufenden Betriebs Baustellen der Beklagten. Diese untersagte der Klägerin daraufhin, Mitarbeiter während der Arbeitszeit von der Arbeit abzuhalten bzw. die Baustellen zu betreten. Am 3. und 6. September, 18. Oktober 2007 sowie am 21. und 27. Februar 2008 kam es während der Pausenzeiten zu weiteren Besuchen von Vertretern der Klägerin auf Baustellen der Beklagten. Am 11. Oktober 2007 wurden diese von der Beklagten aufgefordert, eine betretene Baustelle wieder zu verlassen. Am 15. Oktober 2007 verhinderte die Beklagte den Besuch einer Baustelle.
- 4
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Ende Oktober 2007 unterzeichneten 44 Beschäftigte der Beklagten ein von dieser vorformuliertes Schreiben. Darin erklärten sie, an weiteren Besuchen betriebsfremder Gewerkschaftsvertreter nicht mehr interessiert zu sein. Die beinahe wöchentlichen Besuche seien überflüssig und lästig, weil sie hierdurch abgehalten würden, die Frühstücks- und Mittagspausen in Ruhe zu verbringen.
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Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr stehe aus Art. 9 Abs. 3 GG sowie aus § 13 BRTV ein uneingeschränktes Zutrittsrecht zu den Baustellen der Beklagten zu. Ein solches Zutrittsrecht ergebe sich auch aus Art. 51 Abs. 2 der Verfassung des Landes Brandenburg(LV), wonach Gewerkschaften nach Maßgabe der Gesetze das Recht auf Zutritt zu allen Betrieben, Unternehmen und Dienststellen haben. Die Häufigkeit der Besuche müsse nicht begründet werden. Jedenfalls habe der Zutritt wegen des häufigen Personalwechsels auf den Baustellen in kurzen Abständen zu erfolgen. Die Erklärungen eines Teils der Belegschaft seien offenbar auf Druck der Beklagten zustande gekommen. Der Betriebsfrieden sei nicht gefährdet, weil in Betrieben über gewerkschaftliche Forderungen ohnehin kontrovers diskutiert werde.
-
Die Klägerin hat beantragt,
-
1.
den Zutritt der Sicherheitskleidung tragenden Gewerkschaftssekretäre P H, U K, J S, J R und H K jeweils einzeln oder zu zweit oder zusätzlich mit einem von der Klägerin benannten gewerkschaftlichen Beauftragten, ebenfalls Sicherheitskleidung tragend, einmal wöchentlich in den Pausenzeiten der von der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer sowie vor Beginn und nach Beendigung von deren Arbeitszeiten zu den von der Beklagten betriebenen Baustellen zum Zweck der Mitgliederwerbung und der Information über die satzungsgemäßen Aufgaben der Klägerin, insbesondere die aktuelle Tarifentwicklung, den gesetzlichen Mindestlohn sowie den Gesundheitsschutz durch Überreichen von Broschüren, Formularen und Flugblättern und durch Führen persönlicher Gespräche nach vorheriger Unterrichtung des jeweiligen für die Baustelle zuständigen Bauleiters oder des Stellvertreters über den bevorstehenden Zutritt zu dulden;
2.
hilfsweise, den Zutritt gemäß Antrag zu 1) lediglich einmal zweiwöchentlich zu gestatten;
3.
hilfsweise, den Zutritt gemäß Antrag zu 1) lediglich einmal monatlich zu gestatten;
4.
hilfsweise, den Zutritt gemäß Antrag zu 1) zu den Unterkünften und Sozialräumen zu dulden;
5.
hilfsweise, den Zutritt gemäß Antrag zu 1), hilfsweise zu 2), hilfsweise zu 3) und hilfsweise zu 4) mit der Maßgabe, bei Vermeidung jeglicher Störung des Betriebsablaufs und des Betriebsfriedens und soweit nicht bedeutende Geheimhaltungs- und Sicherheitsinteressen der Beklagten dem entgegenstehen, zu dulden.
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Die Beklagte hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags ausgeführt, aus Art. 9 Abs. 3 GG ergebe sich kein Zutrittsrecht, weil sie mangels Tarifbindung keinerlei Rechtsbeziehung zur Klägerin unterhalte. Art. 51 LV enthalte lediglich einen Programmsatz ohne eigenen Regelungsgehalt. § 13 BRTV gewähre Gewerkschaftsvertretern kein Zutrittsrecht zur Durchführung von Werbemaßnahmen.
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Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der von ihr begehrte Zutritt zu den von der Beklagten betriebenen Baustellen in den geltend gemachten Zeitabständen zu Zwecken der Mitgliederwerbung dem Gebot praktischer Konkordanz entspricht.
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I. Die Anträge zu 1) bis 4) sind zulässig. Sie sind darauf gerichtet, die Vornahme einer Handlung zu dulden (§ 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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1. Die Anträge bedürfen allerdings der Auslegung.
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a) Die Klageanträge sind so zu verstehen, dass die Beklagte den Zutritt von höchstens zwei namentlich benannten Gewerkschaftssekretären - Sicherheitskleidung tragend - oder einzelnen Gewerkschaftssekretären zusammen mit einem von der Klägerin benannten Beauftragten zu den von ihr betriebenen Baustellen dulden soll.
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b) Die Duldung des Zutritts ist auf die Pausenzeiten sowie die Zeiten vor und unmittelbar nach Beginn der Arbeitszeit beschränkt. Die Anträge 1) bis 3) unterscheiden sich dabei durch den jeweiligen Zeitrhythmus. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass die Besuche auf den Baustellen einmal in einer Kalenderwoche, einmal in zwei Wochen oder in einem Kalendermonat jeweils an einem Arbeitstag erfolgen sollen, wobei sie die konkreten Arbeitstage bestimmen wolle. Soweit Zutritt während der Pausenzeiten begehrt wird, bezieht sich dies auf alle Ruhepausen, also sowohl auf die bei der Beklagten bestehende Frühstückspause als auch auf die Mittagspause. Nach der Klarstellung in der Revisionsverhandlung beansprucht die Klägerin den Zutritt ihrer Beauftragten zu einem Zeitpunkt, der es ihnen erlaubt, mit den Beschäftigten zu Beginn der Pausenzeiten Kontakt aufzunehmen und zum Ende der Pause die Baustelle unverzüglich zu verlassen. Mit der von der Klägerin verlangten Duldung des Zutritts „vor Beginn und nach Beendigung der Arbeitszeiten“ behält sich die Klägerin vor, selbst entscheiden zu können, wann sie die Baustelle betritt und wieder verlässt.
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c) Unter „den von der Beklagten betriebenen Baustellen“ sind - wie die Klägerin gleichfalls in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat - Baustellen zu verstehen, auf denen die Beklagte Dienstleistungen erbringt und der Klägerin das Zutrittsrecht ermöglichen kann. Der Zutritt soll dabei nach vorheriger Unterrichtung des für die jeweilige Baustelle zuständigen Bauleiters oder seines Stellvertreters erfolgen. Die Klägerin beansprucht nach ihren Klarstellungen eine Ankündigungsfrist von einem Tag.
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d) Durch den Zutritt soll den Vertretern der Klägerin die Möglichkeit eröffnet werden, die auf den jeweiligen Baustellen beschäftigten Mitarbeiter der Beklagten über die aktuelle Tarifentwicklung, den gesetzlichen Mindestlohn sowie den Gesundheitsschutz durch Überreichen von Broschüren, Formularen und Flugblättern sowie durch das Führen von persönlichen Gesprächen zu informieren.
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e) Die Anträge zu 1) bis 3) sind aufgrund der Klarstellungen der Klägerin in der Revisionsverhandlung schließlich so zu verstehen, dass damit grundsätzlich der Zutritt zu den Orten begehrt wird, an denen die Beschäftigten der Beklagten ihre Pausenzeiten verbringen. Das ist üblicherweise ein Bauwagen, kann auf kleinen Baustellen aber auch ein Baustellenfahrzeug sein. Soweit die Klägerin im Antrag zu 4) die Duldung des Zutritts zu den Unterkünften und Sozialräumen verlangt, sind damit Bauwagen und Aufenthaltsräume der Beklagten gemeint. Die Parteien haben in der Revisionsverhandlung klargestellt, dass die Beklagte auf Baustellen keine Wohnungsunterkünfte mit Schlafplätzen unterhält.
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2. Die so verstandenen Anträge zu 1) bis 4) genügen den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und sind daher zulässig.
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a) Anträge, mit denen die Duldung von Handlungen verlangt wird, müssen die zu duldenden Handlungen so genau bezeichnen, dass der in Anspruch Genommene im Falle einer dem Antrag entsprechenden gerichtlichen Entscheidung eindeutig erkennen kann, was von ihm verlangt wird. Diese Prüfung darf grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer Verpflichtung nachgekommen ist, und nicht, wie diese aussieht. Gleichwohl sind bei Unterlassungs- und Duldungsanträgen bisweilen generalisierende Formulierungen unvermeidlich. Andernfalls würde die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, durch prozessuale Anforderungen unzumutbar erschwert, wenn nicht gar beseitigt. Dementsprechend sind die Gerichte auch verpflichtet, Anträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass eine Sachentscheidung ergehen kann (vgl. BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 21 mwN, BAGE 117, 137).
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b) Diesen Anforderungen werden die Anträge zu 1) bis 4) noch gerecht. Die Klägerin hat den zutrittsberechtigten Personenkreis hinreichend bestimmt bezeichnet. Auch der Zweck der Baustellenbesuche ist hinreichend konkret benannt. Nach den Klarstellungen in der mündlichen Verhandlung ist ferner deutlich, in welchem zeitlichen Rhythmus und zu welchen Zeiten die Klägerin die Baustellen der Beklagten betreten möchte. Ebenso ist die Zeitspanne der vorherigen Unterrichtung konkretisiert. Der Zutritt wird zu den Orten begehrt, an denen die Beschäftigten der Beklagten ihre Pausenzeiten verbringen. Das ist ohne Weiteres bestimmbar. Die allgemeine Einschränkung „Sicherheitskleidung tragend“ genügt den Bestimmtheitsanforderungen. Im Zusammenhang mit der vorherigen Unterrichtung von einem bevorstehenden Baustellenbesuch kann die Klägerin die konkret erforderliche Sicherheitskleidung bei der Beklagten erfragen.
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II. Die Anträge zu 1) bis 4) sind unbegründet. Die Klägerin kann von der Beklagten den darin begehrten Zutritt nicht verlangen. Sie hat dessen Voraussetzungen nicht hinreichend dargelegt.
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1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter zum Betrieb zum Zwecke der Mitgliederwerbung nicht ausdrücklich geregelt.
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a) Aus dem für allgemeinverbindlich erklärten § 13 BRTV ergibt sich kein Recht betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter auf Zutritt zu den Baustellen zum Zwecke der Mitgliederwerbung. Die Vorschrift gewährt der Gewerkschaft nur ein arbeitsschutzrechtlich bezogenes Zutrittsrecht. Dies folgt aus dem sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Gesamtzusammenhang ergebenden Zweck dieser Tarifnorm.
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aa) Gemäß § 13 BRTV ist Vertretern der Tarifvertragsparteien das Betreten der Unterkünfte und Sozialräume gestattet. Dieses Zutrittsrecht besteht bereits nach dem Wortlaut der Tarifregelung nicht unbeschränkt, sondern nur in Bezug auf die Unterkünfte und Sozialräume. Der Zweck dieser Einschränkung erschließt sich aus der Tarifgeschichte.
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bb) § 13 BRTV ist zum 1. September 2002 an die Stelle des bis dahin geltenden § 14 BRTV getreten(Biedermann/Möller BRTV - Kommentar 7. Aufl. Erläuterungen zu § 13). Nach dieser Vorschrift galt für die Beschaffenheit der Unterkünfte auf Baustellen das Gesetz über die Unterkunft bei Bauten vom 13. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1234). Dessen § 1 wurde - sprachlich neu gefasst - unter gleichzeitiger Außerkraftsetzung des Gesetzes vom 13. Dezember 1934 durch das Gesetz über die Mindestanforderungen an Unterkünfte für Arbeitnehmer vom 23. Juli 1973 in § 120c Abs. 4 GewO übernommen. Diese Bestimmung wurde durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften vom 24. August 2002 (BGBl. I S. 3412) aufgehoben. Zugleich wurde die Regelung des § 120c Abs. 4 GewO - sprachlich verändert - in § 45 ArbStättV aufgenommen. Mit der Reform der Arbeitsstättenverordnung im Jahre 2004 ist diese Bestimmung mit Wirkung vom 25. August 2004 in redaktionell erneut geänderter Form in § 6 Abs. 5 ArbStättV eingefügt worden. Nachdem durch die zum 1. Januar 2003 in Kraft getretene Änderung der Gewerbeordnung vom 24. August 2002 der in § 14 Nr. 1.1 BRTV enthaltene Verweis auf das Gesetz über die Unterkunft bei Bauten hinfällig geworden war, haben die Tarifvertragsparteien diese Bezugnahme gestrichen und das in § 14 Nr. 2 BRTV geregelte Zutrittsrecht zu den Aufenthalts-, Wohn-, Schlaf-, Verpflegungs- und Kantinenräumen bei der Reform des Bundesrahmentarifvertrags zum 1. September 2002 in gestraffter Form in § 13 BRTV übernommen.
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cc) Die Tarifgeschichte des § 13 BRTV macht deutlich, dass das darin geregelte Recht, Unterkünfte und Sozialräume zu betreten, den Vertretern der Tarifvertragsparteien nur eingeräumt ist, um kontrollieren zu können, ob der Arbeitgeber diese Räume den arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften entsprechend ausgestattet hat. Insoweit ergänzt diese Vorschrift nunmehr die Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung, die zuvor mit vergleichbarem Regelungsgehalt in § 14 BRTV enthalten waren. § 13 BRTV bezweckt hingegen nicht, den Gewerkschaften Zutritt zu den Unterkünften und Sozialräumen für Werbemaßnahmen zu gewähren.
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b) Aus Art. 51 Abs. 2 Satz 2 LV ergibt sich gleichfalls kein Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter zu Betrieben. Danach haben Gewerkschaften nach Maßgabe der Gesetze das Recht auf Zutritt zu allen Betrieben, Unternehmen und Dienststellen. Art. 51 Abs. 2 Satz 2 LV gewährt damit nicht selbst einen uneingeschränkten Anspruch auf Zutritt zu Betrieben, sondern verweist insoweit auf die Maßgaben gesetzlicher Bestimmungen.
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c) Ein Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter zu Betrieben folgt auch nicht aus Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 135 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1971 über Schutz und Erleichterungen für Arbeitnehmervertreter im Betrieb (ILO-Übereinkommen Nr. 135), das durch Bundesgesetz vom 23. Juli 1973 (BGBl. II S. 953) innerdeutsches Recht geworden und gemäß der Bekanntmachung vom 19. November 1973 (BGBl. II S. 1595) am 26. September 1974 in Kraft getreten ist. Danach sind zwar den Arbeitnehmervertretern im Betrieb Erleichterungen zu gewähren, die geeignet sind, ihnen die rasche und wirksame Durchführung ihrer Aufgaben zu ermöglichen. Hierdurch geschützt sind jedoch nur betriebsangehörige Arbeitnehmervertreter. Dem steht auch Art. 3 des ILO-Übereinkommens Nr. 135 nicht entgegen, wonach auch Gewerkschaftsvertreter Arbeitnehmervertreter im Sinne des Übereinkommens sein können, denn es gibt auch betriebsangehörige Gewerkschaftsvertreter, zB gewerkschaftliche Vertrauensleute. Hinzu kommt, dass dieses Übereinkommen keine unmittelbaren Rechtsansprüche begründet. Es bedarf vielmehr der Durchführung und verpflichtet die dazu berufenen innerstaatlichen Organe und Verbände, einen dem Übereinkommen entsprechenden Rechtszustand herzustellen (BAG 19. Januar 1982 - 1 AZR 279/81 - zu I 2 a und b der Gründe, BAGE 37, 331).
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2. Ein betriebliches Zutrittsrecht der Gewerkschaften zu Zwecken der Mitgliederwerbung während der Pausenzeiten folgt hingegen aus der richterrechtlichen Ausgestaltung ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Koalitionsbetätigungsfreiheit.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts gehört zu der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten koalitionsspezifischen Betätigung einer Gewerkschaft auch deren Mitgliederwerbung in den Betrieben durch betriebsfremde Beauftragte(BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 93, 352; BAG 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - Rn. 38, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96).
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aa) Art. 9 Abs. 3 GG verbürgt als Doppelgrundrecht zum einen für jedermann und alle Berufe das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Das schließt das Recht ein, eine derartige Koalition zu gründen, ihr beizutreten oder fernzubleiben. Geschützt ist zum anderen die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, soweit dies der Wahrnehmung oder Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dient (BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394). Zu dieser verfassungsrechtlich geschützten Betätigung gehört auch die Werbung von Mitgliedern, von deren Zahl der Bestand und die Durchsetzungsfähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition abhängen (BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 93, 352; BAG 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - Rn. 38, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96).
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bb) Art. 9 Abs. 3 GG überlässt der Koalition die Wahl der Tätigkeiten und der Mittel, mit denen sie die Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen verfolgt(BVerfG 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - zu B II 1 der Gründe, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 136). Dementsprechend befindet eine Gewerkschaft grundsätzlich selbst über Anlass, Inhalt, Ort und konkrete Durchführung ihrer Werbung um weitere Mitglieder. Eine effektive Werbung setzt Aufmerksamkeit und Aufgeschlossenheit der umworbenen Arbeitnehmer voraus. Hiervon kann vor allem im Betrieb ausgegangen werden. Dort werden die Fragen, Aufgaben und Probleme deutlich, auf die sich das Tätigwerden einer Gewerkschaft bezieht und an die diese bei der Werbung neuer Mitglieder anknüpfen kann. Eine Gewerkschaft kann deshalb nicht generell darauf verwiesen werden, sie könne auch außerhalb des Betriebs werben (BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 38, BAGE 117, 137). In gleicher Weise liegt es grundsätzlich an ihr zu bestimmen, welche und wie viele Personen sie mit einer von ihr konzipierten Werbemaßnahme betraut. Daher unterfällt nicht nur der Ort des Werbens, sondern auch die personelle Auswahl der Werbenden dem Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG. Eine Gewerkschaft braucht sich auch nicht darauf verweisen zu lassen, ausschließlich betriebszugehörige Arbeitnehmer mit der Durchführung von Mitgliederwerbung zu beauftragen. Sie ist vielmehr grundsätzlich berechtigt, sich hierfür auch betriebsfremder Beauftragter zu bedienen.
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b) Zur Durchführung einer Werbemaßnahme im Betrieb ist die Gewerkschaft auf die Mitwirkung des Arbeitgebers angewiesen. An ihm liegt es, betriebsfremden Gewerkschaftsbeauftragten den Zutritt zum Betrieb zu gewähren und deren Verbleib auf dem Betriebsgelände zu dulden. Das kann mit seinem durch Art. 13, Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Haus- und Eigentumsrecht und seiner aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit kollidieren(BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 41, BAGE 117, 137). Der danach mögliche Konflikt widerstreitender Grundrechte bedarf der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung. Der Gesetzgeber ist dazu berufen, Rechtsinstitute oder Normenkomplexe zu schaffen, die zur effektiven Nutzung grundrechtlich geschützter Freiheiten notwendig sind (Dieterich RdA 2007, 110, 111). Da er jedoch bislang davon abgesehen hat, war die bestehende Schutzlücke von den Gerichten im Wege der Rechtsfortbildung zu schließen (Schwarze RdA 2010, 115, 116). Dazu hat das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 28. Februar 2006 ein Zutrittsrecht einer Gewerkschaft zum Zwecke der Mitgliederwerbung durch betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte dem Grunde nach anerkannt (- 1 AZR 460/04 - aaO).
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3. Ob der jeweils konkret begehrte Zutritt zu gewähren ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Diese bestimmen sich nach dem von der Gewerkschaft zur Entscheidung gestellten Antrag. Das darin zum Ausdruck kommende Zutrittsbegehren konkretisiert den personellen und organisatorischen Aufwand des Arbeitgebers und lässt den Schluss auf die damit einhergehenden Störungen betrieblicher Abläufe und des Betriebsfriedens sowie der darauf bezogenen Grundrechtsbeeinträchtigungen des Arbeitgebers zu. Anhand eines solchen Antrags haben die Gerichte für Arbeitssachen zu prüfen, ob das konkrete Zutrittsverlangen die gegenläufigen Interessen des Arbeitgebers hinreichend berücksichtigt und damit dem Gebot praktischer Konkordanz genügt.
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4. Die Formulierung eines generalisierenden zukunftsbezogenen Leistungsantrags zur gerichtlichen Durchsetzung des Zutrittsrechts bereitet allerdings nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Außerhalb einmaliger und anlassbezogener Werbemaßnahmen, bei denen die gerichtliche Geltendmachung des Zutrittsrechts wegen der Besorgnis zeitlicher Überholung ohnehin nur im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes möglich ist (BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 45, BAGE 117, 137), können im Erkenntnisverfahren nicht vorhersehbare betriebliche Belange des Arbeitgebers auftreten, die dazu führen, dass die Mitgliederwerbung der Gewerkschaft im Betrieb in der von dieser begehrten und titulierten Art und Weise einmalig oder gar dauerhaft zurückstehen muss. Solche nicht absehbaren Entwicklungen sind bei der Antragstellung regelmäßig nicht benennbar. Das hat allerdings nicht zur Folge, dass ein zukunftsgerichteter Leistungsantrag schon aus diesem Grunde abzuweisen wäre. Solchen Belangen, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung auftreten, kann durch eine Vollstreckungsgegenklage (§§ 767, 769 ZPO) begegnet werden.
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5. Ein zukunftsgerichteter Leistungsantrag kann das Zutrittsbegehren nur typisierend beschreiben. Das reicht aber grundsätzlich aus, die dadurch regelmäßig betroffenen schützenswerten Belange des Arbeitgebers zu erkennen und gegenüber dem Zutrittsbegehren zu gewichten. Dabei bestimmen vor allem die Häufigkeit und die Dauer des Zutrittsbegehrens das Ausmaß der Beeinträchtigungen des Arbeitgebers und den von ihm zu betreibenden Aufwand. Die davon betroffenen Belange sind typischerweise gewahrt, wenn sich die Häufigkeit des Zutrittsverlangens an der gesetzlichen Wertung des § 43 Abs. 4 BetrVG orientiert und eine angemessene Ankündigungsfrist eingehalten wird.
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a) Nach dieser Bestimmung kann eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft unter den dort normierten Voraussetzungen in jedem Kalenderhalbjahr die Einberufung einer Betriebsversammlung verlangen. Beauftragte der Gewerkschaft haben dabei gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein Recht auf Zutritt zum Betrieb, um an der Betriebsversammlung teilzunehmen. Sie können dort gemäß § 45 BetrVG ua. Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer und wirtschaftlicher Art, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer betreffen, erörtern.
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b) Ausgehend von diesem gesetzlich geregelten Fall, in dem der Arbeitgeber den Zutritt betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter ohne konkrete Angaben von Gründen dulden muss, bedarf es keiner näheren Begründung zur Häufigkeit des Zutrittsbegehrens, wenn eine zuständige Gewerkschaft einmal im Kalenderhalbjahr in Pausenzeiten gewerkschaftliche Werbemaßnahmen im Betrieb durchführen will. Ein derartiger zeitlicher Abstand ist einerseits typischerweise genügend, um für die eigene Sache zu werben und auf die Vorzüge einer Mitgliedschaft hinzuweisen. Die Gewerkschaft bleibt so den Beschäftigten ausreichend präsent, zumal innerbetriebliche Werbemaßnahmen durch außerbetriebliche ergänzt werden können. Unter Heranziehung der Wertung des § 43 Abs. 4 BetrVG ist bei der gebotenen typisierenden Betrachtung andererseits davon auszugehen, das beachtliche betriebliche Belange bei einer solchen Häufigkeit der Zutritte nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. Insoweit haben die verfassungsrechtlich durch Art. 13, Art. 14 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Rechtsgüter des Arbeitgebers hinter der durch Art. 9 Abs. 3 GG verbürgten koalitionsspezifischen Betätigungsfreiheit der Gewerkschaft zurückzutreten. Verlangt aber die Gewerkschaft häufiger Zutritt, hat sie die Notwendigkeit weiterer betrieblicher Werbemaßnahmen im Einzelnen aufzuzeigen. Erfüllt sie die ihr obliegende Darlegungslast, hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, aus welchen Gründen seine verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter vorrangig sind.
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c) Die zwischen den betroffenen Grundrechtspositionen herzustellende praktische Konkordanz erfordert weiter die Berücksichtigung typischer und vorhersehbarer betrieblicher Belange des Arbeitgebers bereits im Erkenntnisverfahren. Dazu gehört insbesondere der organisatorische Aufwand, der im Einzelfall unter Berücksichtigung von Sicherheits- und Geheimhaltungsinteressen betrieben werden muss, um Störungen des Betriebsfriedens und des Betriebsablaufs zu verhindern. Aus diesem Grund hat die Gewerkschaft den Besuchstermin angemessene Zeit zuvor anzukündigen, wobei im Hinblick auf etwaige organisatorische Maßnahmen von einer Regelfrist von einer Woche auszugehen ist. Dies ist bereits bei der Antragstellung zu beachten.
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6. In Anwendung dieser Grundsätze ist dem Landesarbeitsgericht nur im Ergebnis seiner die Berufung der Klägerin zurückweisenden Entscheidung zu folgen.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat aus der von der Beklagten vorgelegten Erklärung von 44 Arbeitnehmern geschlossen, es könne zu Situationen kommen, in denen die betriebsfremden Vertreter der Klägerin bei ihren Besuchen in einen Konflikt mit den Arbeitnehmern der Beklagten geraten oder die Besuche zu Konflikten unter den Arbeitnehmern führen, die den Betriebsfrieden und den Betriebsablauf in nicht mehr hinnehmbarer Weise stören. Weiterhin könne es infolge der Baustellenbesuche auch zu nicht hinnehmbaren Beeinträchtigungen von Arbeitnehmern anderer Unternehmen kommen, mit denen die Beklagte gemeinsam Baustellen betreibe. Die vorgelegte Erklärung und der Vortrag der Beklagten hierzu lassen diese Schlussfolgerungen jedoch nicht zu. Es ist schon nicht ersichtlich, welche 44 Arbeitnehmer diese Erklärung unterzeichnet haben. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, in welchen Arbeitsbereichen, wie etwa Baustellen, Lager oder Verwaltung die Unterzeichner beschäftigt sind. Des Weiteren sind weder der vorgelegten Erklärung noch den Ausführungen der Beklagten Anhaltspunkte für die vom Landesarbeitsgericht befürchteten Konflikte zu entnehmen. Gleiches gilt für die erwogene Störung der Betriebsabläufe anderer Unternehmen. Die Beklagte hat nicht dargelegt, mit welchen Unternehmen sie gemeinsame Baustellen betreibt und wie die Arbeitsabläufe dabei ausgestaltet sind. Bereits deshalb kann nicht von der vom Landesarbeitsgericht angenommenen Beeinträchtigung anderer Unternehmen ausgegangen werden.
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b) Das angefochtene Urteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als zutreffend (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klägerin kann zwar grundsätzlich Zutritt zu den von der Beklagten betriebenen Baustellen verlangen, weil deren Arbeitnehmer überwiegend dort und nicht am Betriebssitz der Beklagten ihre Arbeiten verrichten. Sie hat jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass die von ihr begehrten Zutritte zu den von der Beklagten betriebenen Baustellen wöchentlich, zweiwöchentlich oder monatlich erforderlich sind. Die von der Klägerin beschriebene Fluktuation auf den Baustellen rechtfertigt dies schon deshalb nicht, weil sie bereits im zweiten Kalenderhalbjahr 2007 fünfmal und im ersten Kalenderhalbjahr 2008 zweimal Baustellen der Beklagten aufgesucht hat und ohnehin nur durch zeitgleiche Baustellenbesuche sicherstellen kann, die Beschäftigten jedenfalls einmalig zu erreichen. Des Weiteren fehlt es an jedweder Darlegung, aus welchen Gründen eine Ankündigungsfrist von nur einem Tag als erforderlich und zugleich ausreichend bemessen angesehen werden könnte. Darüber hinaus genügt es nicht, die Werbemaßnahme dem jeweiligen Baustellenleiter und nicht dem die Beklagte gesetzlich vertretenden Geschäftsführer anzukündigen. Da allein die Beklagte durch die Werbemaßnahme in ihren Grundrechten betroffen sein kann, hat deren Vertreter darüber zu befinden, welche ihrer grundrechtlich geschützten Belange dem Zutrittsbegehren entgegenstehen.
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7. Die Klageanträge zu 1) bis 4) waren daher insgesamt abzuweisen. Die Klägerin hat den Zutritt ohne nähere Begründung zeitlich und in einer Art und Weise verlangt, denen berechtigte betriebliche Belange der Beklagten typischerweise entgegenstehen. Die Beklagte kann auch nicht dazu verurteilt werden, ein Zutrittsrecht in größeren Zeitabständen ohne die unwirksamen Maßnahmen zu dulden. Insoweit handelt es sich nicht um ein Minus zur Antragstellung, sondern um ein Aliud.
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III. Der Antrag zu 5) ist nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und daher unzulässig(BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 12, BAGE 117, 137). Es ist auch nicht im Wege der Auslegung feststellbar, wann eine Störung des Betriebsablaufs und des Betriebsfriedens vorliegt. Eine solche Antragsformulierung führt vielmehr dazu, dass erst im Vollstreckungsverfahren geprüft würde, was hierunter zu verstehen ist.
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Schmidt
Koch
Linck
Manfred Gentz
Hayen
(1) Die Wohnung ist unverletzlich.
(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.
(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.
(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.
(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.
(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
Tenor
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1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. November 2008 - 23 Sa 919/08 - wird zurückgewiesen.
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2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über das betriebliche Zutrittsrecht einer Gewerkschaft zum Zwecke der Mitgliederwerbung.
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Die Beklagte betreibt ein Hoch- und Tiefbauunternehmen. Bei ihr besteht kein Betriebsrat. Sie gehört keiner tarifschließenden Arbeitgebervereinigung an. Auf die bei ihr bestehenden Arbeitsverhältnisse findet kraft Allgemeinverbindlicherklärung der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) Anwendung. Klägerin ist die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt. Diese ist für den Betrieb der Beklagten satzungsgemäß zuständig.
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Am 16. und 23. August 2007 besuchten betriebsfremde Beauftragte der Klägerin teilweise während des laufenden Betriebs Baustellen der Beklagten. Diese untersagte der Klägerin daraufhin, Mitarbeiter während der Arbeitszeit von der Arbeit abzuhalten bzw. die Baustellen zu betreten. Am 3. und 6. September, 18. Oktober 2007 sowie am 21. und 27. Februar 2008 kam es während der Pausenzeiten zu weiteren Besuchen von Vertretern der Klägerin auf Baustellen der Beklagten. Am 11. Oktober 2007 wurden diese von der Beklagten aufgefordert, eine betretene Baustelle wieder zu verlassen. Am 15. Oktober 2007 verhinderte die Beklagte den Besuch einer Baustelle.
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Ende Oktober 2007 unterzeichneten 44 Beschäftigte der Beklagten ein von dieser vorformuliertes Schreiben. Darin erklärten sie, an weiteren Besuchen betriebsfremder Gewerkschaftsvertreter nicht mehr interessiert zu sein. Die beinahe wöchentlichen Besuche seien überflüssig und lästig, weil sie hierdurch abgehalten würden, die Frühstücks- und Mittagspausen in Ruhe zu verbringen.
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Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr stehe aus Art. 9 Abs. 3 GG sowie aus § 13 BRTV ein uneingeschränktes Zutrittsrecht zu den Baustellen der Beklagten zu. Ein solches Zutrittsrecht ergebe sich auch aus Art. 51 Abs. 2 der Verfassung des Landes Brandenburg(LV), wonach Gewerkschaften nach Maßgabe der Gesetze das Recht auf Zutritt zu allen Betrieben, Unternehmen und Dienststellen haben. Die Häufigkeit der Besuche müsse nicht begründet werden. Jedenfalls habe der Zutritt wegen des häufigen Personalwechsels auf den Baustellen in kurzen Abständen zu erfolgen. Die Erklärungen eines Teils der Belegschaft seien offenbar auf Druck der Beklagten zustande gekommen. Der Betriebsfrieden sei nicht gefährdet, weil in Betrieben über gewerkschaftliche Forderungen ohnehin kontrovers diskutiert werde.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1.
den Zutritt der Sicherheitskleidung tragenden Gewerkschaftssekretäre P H, U K, J S, J R und H K jeweils einzeln oder zu zweit oder zusätzlich mit einem von der Klägerin benannten gewerkschaftlichen Beauftragten, ebenfalls Sicherheitskleidung tragend, einmal wöchentlich in den Pausenzeiten der von der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer sowie vor Beginn und nach Beendigung von deren Arbeitszeiten zu den von der Beklagten betriebenen Baustellen zum Zweck der Mitgliederwerbung und der Information über die satzungsgemäßen Aufgaben der Klägerin, insbesondere die aktuelle Tarifentwicklung, den gesetzlichen Mindestlohn sowie den Gesundheitsschutz durch Überreichen von Broschüren, Formularen und Flugblättern und durch Führen persönlicher Gespräche nach vorheriger Unterrichtung des jeweiligen für die Baustelle zuständigen Bauleiters oder des Stellvertreters über den bevorstehenden Zutritt zu dulden;
2.
hilfsweise, den Zutritt gemäß Antrag zu 1) lediglich einmal zweiwöchentlich zu gestatten;
3.
hilfsweise, den Zutritt gemäß Antrag zu 1) lediglich einmal monatlich zu gestatten;
4.
hilfsweise, den Zutritt gemäß Antrag zu 1) zu den Unterkünften und Sozialräumen zu dulden;
5.
hilfsweise, den Zutritt gemäß Antrag zu 1), hilfsweise zu 2), hilfsweise zu 3) und hilfsweise zu 4) mit der Maßgabe, bei Vermeidung jeglicher Störung des Betriebsablaufs und des Betriebsfriedens und soweit nicht bedeutende Geheimhaltungs- und Sicherheitsinteressen der Beklagten dem entgegenstehen, zu dulden.
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Die Beklagte hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags ausgeführt, aus Art. 9 Abs. 3 GG ergebe sich kein Zutrittsrecht, weil sie mangels Tarifbindung keinerlei Rechtsbeziehung zur Klägerin unterhalte. Art. 51 LV enthalte lediglich einen Programmsatz ohne eigenen Regelungsgehalt. § 13 BRTV gewähre Gewerkschaftsvertretern kein Zutrittsrecht zur Durchführung von Werbemaßnahmen.
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Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der von ihr begehrte Zutritt zu den von der Beklagten betriebenen Baustellen in den geltend gemachten Zeitabständen zu Zwecken der Mitgliederwerbung dem Gebot praktischer Konkordanz entspricht.
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I. Die Anträge zu 1) bis 4) sind zulässig. Sie sind darauf gerichtet, die Vornahme einer Handlung zu dulden (§ 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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1. Die Anträge bedürfen allerdings der Auslegung.
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a) Die Klageanträge sind so zu verstehen, dass die Beklagte den Zutritt von höchstens zwei namentlich benannten Gewerkschaftssekretären - Sicherheitskleidung tragend - oder einzelnen Gewerkschaftssekretären zusammen mit einem von der Klägerin benannten Beauftragten zu den von ihr betriebenen Baustellen dulden soll.
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b) Die Duldung des Zutritts ist auf die Pausenzeiten sowie die Zeiten vor und unmittelbar nach Beginn der Arbeitszeit beschränkt. Die Anträge 1) bis 3) unterscheiden sich dabei durch den jeweiligen Zeitrhythmus. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass die Besuche auf den Baustellen einmal in einer Kalenderwoche, einmal in zwei Wochen oder in einem Kalendermonat jeweils an einem Arbeitstag erfolgen sollen, wobei sie die konkreten Arbeitstage bestimmen wolle. Soweit Zutritt während der Pausenzeiten begehrt wird, bezieht sich dies auf alle Ruhepausen, also sowohl auf die bei der Beklagten bestehende Frühstückspause als auch auf die Mittagspause. Nach der Klarstellung in der Revisionsverhandlung beansprucht die Klägerin den Zutritt ihrer Beauftragten zu einem Zeitpunkt, der es ihnen erlaubt, mit den Beschäftigten zu Beginn der Pausenzeiten Kontakt aufzunehmen und zum Ende der Pause die Baustelle unverzüglich zu verlassen. Mit der von der Klägerin verlangten Duldung des Zutritts „vor Beginn und nach Beendigung der Arbeitszeiten“ behält sich die Klägerin vor, selbst entscheiden zu können, wann sie die Baustelle betritt und wieder verlässt.
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c) Unter „den von der Beklagten betriebenen Baustellen“ sind - wie die Klägerin gleichfalls in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat - Baustellen zu verstehen, auf denen die Beklagte Dienstleistungen erbringt und der Klägerin das Zutrittsrecht ermöglichen kann. Der Zutritt soll dabei nach vorheriger Unterrichtung des für die jeweilige Baustelle zuständigen Bauleiters oder seines Stellvertreters erfolgen. Die Klägerin beansprucht nach ihren Klarstellungen eine Ankündigungsfrist von einem Tag.
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d) Durch den Zutritt soll den Vertretern der Klägerin die Möglichkeit eröffnet werden, die auf den jeweiligen Baustellen beschäftigten Mitarbeiter der Beklagten über die aktuelle Tarifentwicklung, den gesetzlichen Mindestlohn sowie den Gesundheitsschutz durch Überreichen von Broschüren, Formularen und Flugblättern sowie durch das Führen von persönlichen Gesprächen zu informieren.
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e) Die Anträge zu 1) bis 3) sind aufgrund der Klarstellungen der Klägerin in der Revisionsverhandlung schließlich so zu verstehen, dass damit grundsätzlich der Zutritt zu den Orten begehrt wird, an denen die Beschäftigten der Beklagten ihre Pausenzeiten verbringen. Das ist üblicherweise ein Bauwagen, kann auf kleinen Baustellen aber auch ein Baustellenfahrzeug sein. Soweit die Klägerin im Antrag zu 4) die Duldung des Zutritts zu den Unterkünften und Sozialräumen verlangt, sind damit Bauwagen und Aufenthaltsräume der Beklagten gemeint. Die Parteien haben in der Revisionsverhandlung klargestellt, dass die Beklagte auf Baustellen keine Wohnungsunterkünfte mit Schlafplätzen unterhält.
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2. Die so verstandenen Anträge zu 1) bis 4) genügen den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und sind daher zulässig.
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a) Anträge, mit denen die Duldung von Handlungen verlangt wird, müssen die zu duldenden Handlungen so genau bezeichnen, dass der in Anspruch Genommene im Falle einer dem Antrag entsprechenden gerichtlichen Entscheidung eindeutig erkennen kann, was von ihm verlangt wird. Diese Prüfung darf grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer Verpflichtung nachgekommen ist, und nicht, wie diese aussieht. Gleichwohl sind bei Unterlassungs- und Duldungsanträgen bisweilen generalisierende Formulierungen unvermeidlich. Andernfalls würde die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, durch prozessuale Anforderungen unzumutbar erschwert, wenn nicht gar beseitigt. Dementsprechend sind die Gerichte auch verpflichtet, Anträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass eine Sachentscheidung ergehen kann (vgl. BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 21 mwN, BAGE 117, 137).
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b) Diesen Anforderungen werden die Anträge zu 1) bis 4) noch gerecht. Die Klägerin hat den zutrittsberechtigten Personenkreis hinreichend bestimmt bezeichnet. Auch der Zweck der Baustellenbesuche ist hinreichend konkret benannt. Nach den Klarstellungen in der mündlichen Verhandlung ist ferner deutlich, in welchem zeitlichen Rhythmus und zu welchen Zeiten die Klägerin die Baustellen der Beklagten betreten möchte. Ebenso ist die Zeitspanne der vorherigen Unterrichtung konkretisiert. Der Zutritt wird zu den Orten begehrt, an denen die Beschäftigten der Beklagten ihre Pausenzeiten verbringen. Das ist ohne Weiteres bestimmbar. Die allgemeine Einschränkung „Sicherheitskleidung tragend“ genügt den Bestimmtheitsanforderungen. Im Zusammenhang mit der vorherigen Unterrichtung von einem bevorstehenden Baustellenbesuch kann die Klägerin die konkret erforderliche Sicherheitskleidung bei der Beklagten erfragen.
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II. Die Anträge zu 1) bis 4) sind unbegründet. Die Klägerin kann von der Beklagten den darin begehrten Zutritt nicht verlangen. Sie hat dessen Voraussetzungen nicht hinreichend dargelegt.
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1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter zum Betrieb zum Zwecke der Mitgliederwerbung nicht ausdrücklich geregelt.
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a) Aus dem für allgemeinverbindlich erklärten § 13 BRTV ergibt sich kein Recht betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter auf Zutritt zu den Baustellen zum Zwecke der Mitgliederwerbung. Die Vorschrift gewährt der Gewerkschaft nur ein arbeitsschutzrechtlich bezogenes Zutrittsrecht. Dies folgt aus dem sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Gesamtzusammenhang ergebenden Zweck dieser Tarifnorm.
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aa) Gemäß § 13 BRTV ist Vertretern der Tarifvertragsparteien das Betreten der Unterkünfte und Sozialräume gestattet. Dieses Zutrittsrecht besteht bereits nach dem Wortlaut der Tarifregelung nicht unbeschränkt, sondern nur in Bezug auf die Unterkünfte und Sozialräume. Der Zweck dieser Einschränkung erschließt sich aus der Tarifgeschichte.
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bb) § 13 BRTV ist zum 1. September 2002 an die Stelle des bis dahin geltenden § 14 BRTV getreten(Biedermann/Möller BRTV - Kommentar 7. Aufl. Erläuterungen zu § 13). Nach dieser Vorschrift galt für die Beschaffenheit der Unterkünfte auf Baustellen das Gesetz über die Unterkunft bei Bauten vom 13. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1234). Dessen § 1 wurde - sprachlich neu gefasst - unter gleichzeitiger Außerkraftsetzung des Gesetzes vom 13. Dezember 1934 durch das Gesetz über die Mindestanforderungen an Unterkünfte für Arbeitnehmer vom 23. Juli 1973 in § 120c Abs. 4 GewO übernommen. Diese Bestimmung wurde durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften vom 24. August 2002 (BGBl. I S. 3412) aufgehoben. Zugleich wurde die Regelung des § 120c Abs. 4 GewO - sprachlich verändert - in § 45 ArbStättV aufgenommen. Mit der Reform der Arbeitsstättenverordnung im Jahre 2004 ist diese Bestimmung mit Wirkung vom 25. August 2004 in redaktionell erneut geänderter Form in § 6 Abs. 5 ArbStättV eingefügt worden. Nachdem durch die zum 1. Januar 2003 in Kraft getretene Änderung der Gewerbeordnung vom 24. August 2002 der in § 14 Nr. 1.1 BRTV enthaltene Verweis auf das Gesetz über die Unterkunft bei Bauten hinfällig geworden war, haben die Tarifvertragsparteien diese Bezugnahme gestrichen und das in § 14 Nr. 2 BRTV geregelte Zutrittsrecht zu den Aufenthalts-, Wohn-, Schlaf-, Verpflegungs- und Kantinenräumen bei der Reform des Bundesrahmentarifvertrags zum 1. September 2002 in gestraffter Form in § 13 BRTV übernommen.
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cc) Die Tarifgeschichte des § 13 BRTV macht deutlich, dass das darin geregelte Recht, Unterkünfte und Sozialräume zu betreten, den Vertretern der Tarifvertragsparteien nur eingeräumt ist, um kontrollieren zu können, ob der Arbeitgeber diese Räume den arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften entsprechend ausgestattet hat. Insoweit ergänzt diese Vorschrift nunmehr die Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung, die zuvor mit vergleichbarem Regelungsgehalt in § 14 BRTV enthalten waren. § 13 BRTV bezweckt hingegen nicht, den Gewerkschaften Zutritt zu den Unterkünften und Sozialräumen für Werbemaßnahmen zu gewähren.
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b) Aus Art. 51 Abs. 2 Satz 2 LV ergibt sich gleichfalls kein Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter zu Betrieben. Danach haben Gewerkschaften nach Maßgabe der Gesetze das Recht auf Zutritt zu allen Betrieben, Unternehmen und Dienststellen. Art. 51 Abs. 2 Satz 2 LV gewährt damit nicht selbst einen uneingeschränkten Anspruch auf Zutritt zu Betrieben, sondern verweist insoweit auf die Maßgaben gesetzlicher Bestimmungen.
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c) Ein Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter zu Betrieben folgt auch nicht aus Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 135 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1971 über Schutz und Erleichterungen für Arbeitnehmervertreter im Betrieb (ILO-Übereinkommen Nr. 135), das durch Bundesgesetz vom 23. Juli 1973 (BGBl. II S. 953) innerdeutsches Recht geworden und gemäß der Bekanntmachung vom 19. November 1973 (BGBl. II S. 1595) am 26. September 1974 in Kraft getreten ist. Danach sind zwar den Arbeitnehmervertretern im Betrieb Erleichterungen zu gewähren, die geeignet sind, ihnen die rasche und wirksame Durchführung ihrer Aufgaben zu ermöglichen. Hierdurch geschützt sind jedoch nur betriebsangehörige Arbeitnehmervertreter. Dem steht auch Art. 3 des ILO-Übereinkommens Nr. 135 nicht entgegen, wonach auch Gewerkschaftsvertreter Arbeitnehmervertreter im Sinne des Übereinkommens sein können, denn es gibt auch betriebsangehörige Gewerkschaftsvertreter, zB gewerkschaftliche Vertrauensleute. Hinzu kommt, dass dieses Übereinkommen keine unmittelbaren Rechtsansprüche begründet. Es bedarf vielmehr der Durchführung und verpflichtet die dazu berufenen innerstaatlichen Organe und Verbände, einen dem Übereinkommen entsprechenden Rechtszustand herzustellen (BAG 19. Januar 1982 - 1 AZR 279/81 - zu I 2 a und b der Gründe, BAGE 37, 331).
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2. Ein betriebliches Zutrittsrecht der Gewerkschaften zu Zwecken der Mitgliederwerbung während der Pausenzeiten folgt hingegen aus der richterrechtlichen Ausgestaltung ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Koalitionsbetätigungsfreiheit.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts gehört zu der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten koalitionsspezifischen Betätigung einer Gewerkschaft auch deren Mitgliederwerbung in den Betrieben durch betriebsfremde Beauftragte(BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 93, 352; BAG 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - Rn. 38, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96).
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aa) Art. 9 Abs. 3 GG verbürgt als Doppelgrundrecht zum einen für jedermann und alle Berufe das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Das schließt das Recht ein, eine derartige Koalition zu gründen, ihr beizutreten oder fernzubleiben. Geschützt ist zum anderen die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, soweit dies der Wahrnehmung oder Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dient (BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394). Zu dieser verfassungsrechtlich geschützten Betätigung gehört auch die Werbung von Mitgliedern, von deren Zahl der Bestand und die Durchsetzungsfähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition abhängen (BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 93, 352; BAG 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - Rn. 38, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96).
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bb) Art. 9 Abs. 3 GG überlässt der Koalition die Wahl der Tätigkeiten und der Mittel, mit denen sie die Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen verfolgt(BVerfG 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - zu B II 1 der Gründe, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 136). Dementsprechend befindet eine Gewerkschaft grundsätzlich selbst über Anlass, Inhalt, Ort und konkrete Durchführung ihrer Werbung um weitere Mitglieder. Eine effektive Werbung setzt Aufmerksamkeit und Aufgeschlossenheit der umworbenen Arbeitnehmer voraus. Hiervon kann vor allem im Betrieb ausgegangen werden. Dort werden die Fragen, Aufgaben und Probleme deutlich, auf die sich das Tätigwerden einer Gewerkschaft bezieht und an die diese bei der Werbung neuer Mitglieder anknüpfen kann. Eine Gewerkschaft kann deshalb nicht generell darauf verwiesen werden, sie könne auch außerhalb des Betriebs werben (BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 38, BAGE 117, 137). In gleicher Weise liegt es grundsätzlich an ihr zu bestimmen, welche und wie viele Personen sie mit einer von ihr konzipierten Werbemaßnahme betraut. Daher unterfällt nicht nur der Ort des Werbens, sondern auch die personelle Auswahl der Werbenden dem Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG. Eine Gewerkschaft braucht sich auch nicht darauf verweisen zu lassen, ausschließlich betriebszugehörige Arbeitnehmer mit der Durchführung von Mitgliederwerbung zu beauftragen. Sie ist vielmehr grundsätzlich berechtigt, sich hierfür auch betriebsfremder Beauftragter zu bedienen.
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b) Zur Durchführung einer Werbemaßnahme im Betrieb ist die Gewerkschaft auf die Mitwirkung des Arbeitgebers angewiesen. An ihm liegt es, betriebsfremden Gewerkschaftsbeauftragten den Zutritt zum Betrieb zu gewähren und deren Verbleib auf dem Betriebsgelände zu dulden. Das kann mit seinem durch Art. 13, Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Haus- und Eigentumsrecht und seiner aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit kollidieren(BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 41, BAGE 117, 137). Der danach mögliche Konflikt widerstreitender Grundrechte bedarf der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung. Der Gesetzgeber ist dazu berufen, Rechtsinstitute oder Normenkomplexe zu schaffen, die zur effektiven Nutzung grundrechtlich geschützter Freiheiten notwendig sind (Dieterich RdA 2007, 110, 111). Da er jedoch bislang davon abgesehen hat, war die bestehende Schutzlücke von den Gerichten im Wege der Rechtsfortbildung zu schließen (Schwarze RdA 2010, 115, 116). Dazu hat das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 28. Februar 2006 ein Zutrittsrecht einer Gewerkschaft zum Zwecke der Mitgliederwerbung durch betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte dem Grunde nach anerkannt (- 1 AZR 460/04 - aaO).
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3. Ob der jeweils konkret begehrte Zutritt zu gewähren ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Diese bestimmen sich nach dem von der Gewerkschaft zur Entscheidung gestellten Antrag. Das darin zum Ausdruck kommende Zutrittsbegehren konkretisiert den personellen und organisatorischen Aufwand des Arbeitgebers und lässt den Schluss auf die damit einhergehenden Störungen betrieblicher Abläufe und des Betriebsfriedens sowie der darauf bezogenen Grundrechtsbeeinträchtigungen des Arbeitgebers zu. Anhand eines solchen Antrags haben die Gerichte für Arbeitssachen zu prüfen, ob das konkrete Zutrittsverlangen die gegenläufigen Interessen des Arbeitgebers hinreichend berücksichtigt und damit dem Gebot praktischer Konkordanz genügt.
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4. Die Formulierung eines generalisierenden zukunftsbezogenen Leistungsantrags zur gerichtlichen Durchsetzung des Zutrittsrechts bereitet allerdings nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Außerhalb einmaliger und anlassbezogener Werbemaßnahmen, bei denen die gerichtliche Geltendmachung des Zutrittsrechts wegen der Besorgnis zeitlicher Überholung ohnehin nur im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes möglich ist (BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 45, BAGE 117, 137), können im Erkenntnisverfahren nicht vorhersehbare betriebliche Belange des Arbeitgebers auftreten, die dazu führen, dass die Mitgliederwerbung der Gewerkschaft im Betrieb in der von dieser begehrten und titulierten Art und Weise einmalig oder gar dauerhaft zurückstehen muss. Solche nicht absehbaren Entwicklungen sind bei der Antragstellung regelmäßig nicht benennbar. Das hat allerdings nicht zur Folge, dass ein zukunftsgerichteter Leistungsantrag schon aus diesem Grunde abzuweisen wäre. Solchen Belangen, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung auftreten, kann durch eine Vollstreckungsgegenklage (§§ 767, 769 ZPO) begegnet werden.
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5. Ein zukunftsgerichteter Leistungsantrag kann das Zutrittsbegehren nur typisierend beschreiben. Das reicht aber grundsätzlich aus, die dadurch regelmäßig betroffenen schützenswerten Belange des Arbeitgebers zu erkennen und gegenüber dem Zutrittsbegehren zu gewichten. Dabei bestimmen vor allem die Häufigkeit und die Dauer des Zutrittsbegehrens das Ausmaß der Beeinträchtigungen des Arbeitgebers und den von ihm zu betreibenden Aufwand. Die davon betroffenen Belange sind typischerweise gewahrt, wenn sich die Häufigkeit des Zutrittsverlangens an der gesetzlichen Wertung des § 43 Abs. 4 BetrVG orientiert und eine angemessene Ankündigungsfrist eingehalten wird.
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a) Nach dieser Bestimmung kann eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft unter den dort normierten Voraussetzungen in jedem Kalenderhalbjahr die Einberufung einer Betriebsversammlung verlangen. Beauftragte der Gewerkschaft haben dabei gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein Recht auf Zutritt zum Betrieb, um an der Betriebsversammlung teilzunehmen. Sie können dort gemäß § 45 BetrVG ua. Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer und wirtschaftlicher Art, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer betreffen, erörtern.
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b) Ausgehend von diesem gesetzlich geregelten Fall, in dem der Arbeitgeber den Zutritt betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter ohne konkrete Angaben von Gründen dulden muss, bedarf es keiner näheren Begründung zur Häufigkeit des Zutrittsbegehrens, wenn eine zuständige Gewerkschaft einmal im Kalenderhalbjahr in Pausenzeiten gewerkschaftliche Werbemaßnahmen im Betrieb durchführen will. Ein derartiger zeitlicher Abstand ist einerseits typischerweise genügend, um für die eigene Sache zu werben und auf die Vorzüge einer Mitgliedschaft hinzuweisen. Die Gewerkschaft bleibt so den Beschäftigten ausreichend präsent, zumal innerbetriebliche Werbemaßnahmen durch außerbetriebliche ergänzt werden können. Unter Heranziehung der Wertung des § 43 Abs. 4 BetrVG ist bei der gebotenen typisierenden Betrachtung andererseits davon auszugehen, das beachtliche betriebliche Belange bei einer solchen Häufigkeit der Zutritte nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. Insoweit haben die verfassungsrechtlich durch Art. 13, Art. 14 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Rechtsgüter des Arbeitgebers hinter der durch Art. 9 Abs. 3 GG verbürgten koalitionsspezifischen Betätigungsfreiheit der Gewerkschaft zurückzutreten. Verlangt aber die Gewerkschaft häufiger Zutritt, hat sie die Notwendigkeit weiterer betrieblicher Werbemaßnahmen im Einzelnen aufzuzeigen. Erfüllt sie die ihr obliegende Darlegungslast, hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, aus welchen Gründen seine verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter vorrangig sind.
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c) Die zwischen den betroffenen Grundrechtspositionen herzustellende praktische Konkordanz erfordert weiter die Berücksichtigung typischer und vorhersehbarer betrieblicher Belange des Arbeitgebers bereits im Erkenntnisverfahren. Dazu gehört insbesondere der organisatorische Aufwand, der im Einzelfall unter Berücksichtigung von Sicherheits- und Geheimhaltungsinteressen betrieben werden muss, um Störungen des Betriebsfriedens und des Betriebsablaufs zu verhindern. Aus diesem Grund hat die Gewerkschaft den Besuchstermin angemessene Zeit zuvor anzukündigen, wobei im Hinblick auf etwaige organisatorische Maßnahmen von einer Regelfrist von einer Woche auszugehen ist. Dies ist bereits bei der Antragstellung zu beachten.
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6. In Anwendung dieser Grundsätze ist dem Landesarbeitsgericht nur im Ergebnis seiner die Berufung der Klägerin zurückweisenden Entscheidung zu folgen.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat aus der von der Beklagten vorgelegten Erklärung von 44 Arbeitnehmern geschlossen, es könne zu Situationen kommen, in denen die betriebsfremden Vertreter der Klägerin bei ihren Besuchen in einen Konflikt mit den Arbeitnehmern der Beklagten geraten oder die Besuche zu Konflikten unter den Arbeitnehmern führen, die den Betriebsfrieden und den Betriebsablauf in nicht mehr hinnehmbarer Weise stören. Weiterhin könne es infolge der Baustellenbesuche auch zu nicht hinnehmbaren Beeinträchtigungen von Arbeitnehmern anderer Unternehmen kommen, mit denen die Beklagte gemeinsam Baustellen betreibe. Die vorgelegte Erklärung und der Vortrag der Beklagten hierzu lassen diese Schlussfolgerungen jedoch nicht zu. Es ist schon nicht ersichtlich, welche 44 Arbeitnehmer diese Erklärung unterzeichnet haben. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, in welchen Arbeitsbereichen, wie etwa Baustellen, Lager oder Verwaltung die Unterzeichner beschäftigt sind. Des Weiteren sind weder der vorgelegten Erklärung noch den Ausführungen der Beklagten Anhaltspunkte für die vom Landesarbeitsgericht befürchteten Konflikte zu entnehmen. Gleiches gilt für die erwogene Störung der Betriebsabläufe anderer Unternehmen. Die Beklagte hat nicht dargelegt, mit welchen Unternehmen sie gemeinsame Baustellen betreibt und wie die Arbeitsabläufe dabei ausgestaltet sind. Bereits deshalb kann nicht von der vom Landesarbeitsgericht angenommenen Beeinträchtigung anderer Unternehmen ausgegangen werden.
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b) Das angefochtene Urteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als zutreffend (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klägerin kann zwar grundsätzlich Zutritt zu den von der Beklagten betriebenen Baustellen verlangen, weil deren Arbeitnehmer überwiegend dort und nicht am Betriebssitz der Beklagten ihre Arbeiten verrichten. Sie hat jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass die von ihr begehrten Zutritte zu den von der Beklagten betriebenen Baustellen wöchentlich, zweiwöchentlich oder monatlich erforderlich sind. Die von der Klägerin beschriebene Fluktuation auf den Baustellen rechtfertigt dies schon deshalb nicht, weil sie bereits im zweiten Kalenderhalbjahr 2007 fünfmal und im ersten Kalenderhalbjahr 2008 zweimal Baustellen der Beklagten aufgesucht hat und ohnehin nur durch zeitgleiche Baustellenbesuche sicherstellen kann, die Beschäftigten jedenfalls einmalig zu erreichen. Des Weiteren fehlt es an jedweder Darlegung, aus welchen Gründen eine Ankündigungsfrist von nur einem Tag als erforderlich und zugleich ausreichend bemessen angesehen werden könnte. Darüber hinaus genügt es nicht, die Werbemaßnahme dem jeweiligen Baustellenleiter und nicht dem die Beklagte gesetzlich vertretenden Geschäftsführer anzukündigen. Da allein die Beklagte durch die Werbemaßnahme in ihren Grundrechten betroffen sein kann, hat deren Vertreter darüber zu befinden, welche ihrer grundrechtlich geschützten Belange dem Zutrittsbegehren entgegenstehen.
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7. Die Klageanträge zu 1) bis 4) waren daher insgesamt abzuweisen. Die Klägerin hat den Zutritt ohne nähere Begründung zeitlich und in einer Art und Weise verlangt, denen berechtigte betriebliche Belange der Beklagten typischerweise entgegenstehen. Die Beklagte kann auch nicht dazu verurteilt werden, ein Zutrittsrecht in größeren Zeitabständen ohne die unwirksamen Maßnahmen zu dulden. Insoweit handelt es sich nicht um ein Minus zur Antragstellung, sondern um ein Aliud.
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III. Der Antrag zu 5) ist nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und daher unzulässig(BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 12, BAGE 117, 137). Es ist auch nicht im Wege der Auslegung feststellbar, wann eine Störung des Betriebsablaufs und des Betriebsfriedens vorliegt. Eine solche Antragsformulierung führt vielmehr dazu, dass erst im Vollstreckungsverfahren geprüft würde, was hierunter zu verstehen ist.
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Schmidt
Koch
Linck
Manfred Gentz
Hayen
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
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eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.