Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 16. Okt. 2014 - 17 Sa 896/14
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 12.06.2014 – 1 Ca 465/14 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Höhe der monatlichen Vergütung des Klägers.
3Er ist seit dem 01.09.1993 als Monteur bei der Beklagten in X beschäftigt. Diese betreibt einen Möbelhandel mit vier Standorten und beschäftigt mehrere hundert Arbeitnehmer.
4Dem Arbeitsverhältnis des Klägers liegt ein Arbeitsvertrag vom 09.08.1993 (Blatt 6 bis 9 der Akte) zugrunde.
5§ 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags lautet wie folgt:
6„Die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge sind Bestandteil dieses Vertrages. . . . “
7In § 4 des Arbeitsvertrages wurde Nr. 1 (Einstufung in eine Lohngruppe des Lohntarifvertrages für den Einzelhandel) nicht ausgefüllt. Dagegen wurde in Nr. 2 handschriftlich der Bruttostundenlohn von 18,43 DM, nach der Probezeit von 19,49 DM und ab dem 01.03.1994 von 19,75 DM eingetragen.
8§ 4 Nr. 4 des Arbeitsvertrages enthält folgende Regelung:
9„Die über den Tariflohn hinausgehenden Lohnbestandteile sowie die gewährte Provision können jederzeit unter Einhaltung einer Frist von einem Monat gekürzt oder widerrufen werden. Sie können bei einer Erhöhung der Lohntarife, beim Aufrücken in eine höher Lohngruppe/-stufe und bei Höhergruppierungen angerechnet werden.“
10Die Beklagte ist Mitglied des Einzelhandelsverbandes O, der wiederum Mitglied im Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen ist. Sie war zunächst Mitglied mit Tarifbindung. Mit Schreiben vom 20.09.2004 erklärte sie gegenüber dem Einzelhandelsverband O den Ausschluss der Tarifbindung zum Ablauf des auf den Zugang dieser Erklärung folgenden Monats. Seit dem 01.11.2004 führt der Verband die Beklagte als Mitglied ohne Tarifbindung.
11Bis zum Zeitpunkt der Beendigung der Mitgliedschaft mit Tarifbindung wurde der Lohn des Klägers regelmäßig entsprechend den Tarifabschlüssen erhöht. Am 01.03.2005 schlossen die Parteien eine Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages (Blatt 10 der Akte). Sie hat folgenden Wortlaut:
12„Die Parteien sind sich darüber einig, dass der zwischen Ihnen bestehende Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.04.2005 wie folgt geändert wird. Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter. Ebenso bleibt die Dauer der Betriebszugehörigkeit gewahrt.
13Arbeitszeit
14Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40,0 Stunden.
15Zuschläge
16Auf Spätöffnungs- und Mehrarbeitszuschläge besteht kein Anspruch.
17Sonderzahlungen
18. . .
19Urlaub
20. . .
21Seit Beendigung der Mitgliedschaft mit Tarifbindung erhöhte die Beklagte die monatliche Vergütung des Klägers nicht. Er erhält sei 2005 eine Grundvergütung in Höhe von 2.122,26 €, eine Zulage in Höhe von 85,00 € sowie eine Ausgleichszahlung in Höhe von 30,00 €.
22Mit einer am 09.08.2006 der Beklagten zugestellten Klageschrift machte der Kläger vor dem Arbeitsgericht Paderborn geltend, die Beklagte sei verpflichtet, die zusätzliche Arbeitszeit von 2,5 Stunden pro Woche zwischen der tariflichen Arbeitszeit und der in der Änderungsvereinbarung vereinbarten Arbeitszeit von 40 Wochenstunden zu vergüten.
23Mit Urteil vom 07.02.2008 (Blatt 56 bis 62 der Akte) wies das Arbeitsgericht Paderborn die Klage ab. Der Kläger legte beim Landesarbeitsgericht Hamm unter dem Aktenzeichen 16 Sa 799/08 Berufung ein. Im Kammertermin vom 21.08.2008 setzte das Landesarbeitsgericht den Rechtsstreit bis zum Vorliegen der Entscheidungsgründe des Bundesarbeitsgerichts in einem Parallelrechtsstreit Landesarbeitsgericht Hamm 18 Sa 507/07 aus. Mit Urteil vom 20.05.2009 (4 AZR 232/08) hob das Bundesarbeitsgericht in diesem Verfahren die die Berufung des Klägers gegen ein Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 24.01.2007 zurückweisende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auf.
24Am 24.03.2010 stellte das Landesarbeitsgericht Hamm in dem von dem Kläger geführten Berufungsverfahren das Zustandekommen eines Vergleiches infolge der Unterbreitung eines schriftlichen Vergleichsvorschlags durch die Parteien fest. In § 4 des Vergleiches trafen die Parteien folgende Regelung:
25„Es besteht Einigkeit, dass sich das Monatsbruttogehalt des Klägers ab dem 01.02.2010 aus einem Grundgehalt in Höhe von € 2.122,26 sowie einer Zulage in Höhe von € 85,00 und einer weiteren Ausgleichszahlung für den durch Vereinbarung vom 01.03.2005 bisher geleisteten Teilverzicht in Höhe von € 30,00 und einem hinzu zu addierenden Altersvorsorgebetrag in Höhe von € 25,00, damit insgesamt in Höhe von € 2.262,26 zusammensetzt.“
26Nr. 5 des Vergleiches lautet wie folgt:
27„Ferner besteht Einigkeit, dass der Kläger ab dem 01.02.2010 wöchentlich 37,5 Arbeitsstunden erbringt und ab dem Jahr 2010 einen jährlichen Urlaubsanspruch in Höhe von 36 Werktagen (dies entspricht bei einer 5-Tage-Woche 30 Arbeitstagen) hat.“
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschlusses wird auf Blatt 63 bis 65 der Akte verwiesen.
29Mit seiner am 26.03.2014 bei dem Arbeitsgericht Paderborn eingegangenen Klage macht der Kläger die Vergütungsdifferenz zwischen dem Tariflohn und dem tatsächlich gezahlten Entgelt für die Monate Dezember 2013, Januar und Februar 2014 in Höhe von insgesamt 1.637,22 € brutto geltend. Gleichzeitig begehrt er die Feststellung seiner gegenwärtigen Lohnhöhe sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, sein monatliches Grundentgelt bei Änderungen im Lohntarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen jeweils um die im Lohntarifvertrag festgeschriebene prozentuale Erhöhung zu erhöhen.
30Wegen der Berechnung der seiner Ansicht nach zutreffenden Vergütung wird auf die Klageschrift vom 25.03.2014 (Blatt 3, 4 der Akte) Bezug genommen.
31Der Kläger hat vorgetragen:
32In § 1 Nr. 3 seines Arbeitsvertrages sei eine Verweisungsklausel auf die Tarifverträge im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen vereinbart worden.
33Diese Regelung sei zwar in der Vergangenheit durch die Rechtsprechung als Gleichstellungsabrede ausgelegt worden. Nach Änderung der Rechtsprechung sei sie jedoch nunmehr als konstitutive Verweisung auf die Tarifverträge zu verstehen, da die Beklagte Vertrauensschutz nicht in Anspruch nehmen könne. Aufgrund der Vereinbarung vom 01.03.2005 handle es sich nämlich nicht um einen Altfall, sondern um einen Neuvertrag. Durch die Regelung „Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter.“ hätten die Parteien die Verweisungsklausel erneut in ihre Willensbildung aufgenommen. Der Vereinbarung sei nicht zu entnehmen, dass sich die Beklagte in Gänze von tariflichen Regelungen habe lösen wollen. Änderungen seien nur im Hinblick auf die Arbeitszeit, auf Zuschläge, auf Sonderzahlungen und auf den Urlaub vereinbart worden.
34Nichts anderes ergebe sich aus dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24.03.2010. Gegenstand des Rechtsstreits sei ausschließlich die Frage der Arbeitszeit gewesen. In Nr. 4 des Vergleiches sei die Vergütungshöhe nur deklaratorisch festgelegt worden, um die Zusammensetzung des Entgelts unter Berücksichtigung der Arbeitszeit zu erläutern.
35Der Kläger hat beantragt,
361. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 1.637,22 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 07.03.2011 zu zahlen,
372. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn künftig ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 2.668,- € brutto zuzüglich einer Zulage in Höhe von 85,- € brutto, einer Ausgleichszahlung in Höhe von 30,- € brutto und eines Zuschusses zur Betrieblichen Altersvorsorge in Höhe von 25,00 € zu zahlen,
383. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sein monatliche Grundentgelt in Höhe von zurzeit 2.668,- € brutto bei Änderungen im Lahntarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen jeweils um die im Lohntarifvertrag festgeschriebene prozentuale Erhöhung zu erhöhen.
39Die Beklagte hat beantragt,
40die Klage abzuweisen.
41Sie hat die Auffassung vertreten:
42Der Arbeitsvertrag verweise hinsichtlich der Lohnhöhe nicht auf die Tarifverträge des Einzelhandels, da in § 4 Nr. 2 ein konkretes Entgelt vereinbart worden sei.
43Im Übrigen sei § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages als Gleichstellungsabrede auszulegen. Ihr sei Vertrauensschutz zu gewähren, da die Änderungsvereinbarung vom 01.03.2005 in dem Eingangssatz 2 lediglich eine Floskel enthalte, die überflüssig gewesen sei. Für den Kläger sei klar erkennbar gewesen, dass es ihr darauf angekommen sei, keine redaktionell ganz neu verfassten Arbeitsverträge aufzusetzen. Der Wechsel in die OT-Mitgliedschaft sei ihm ebenfalls bekannt gewesen. Deshalb sei es für ihn auch klar gewesen, dass sie sich insgesamt aus der Anwendung des Tarifvertrages habe lösen wollen. Die Vereinbarung vom 01.03.2005 sei übereinstimmend entsprechend verstanden worden.
44Jedenfalls sei das monatliche Entgelt des Klägers in dem Vergleich vom 24.03.2010 mit Wirkung ab dem 01.02.2010 konstitutiv vereinbart worden.
45Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass der Kläger sein Recht, regelmäßige Erhöhungen seiner Vergütung nach der tariflichen Entwicklung zu verlangen, gemäß § 242 BGB verwirkt habe. Trotz des in den Jahren 2006 bis 2008 geführte Rechtsstreits und der fehlenden Entgelterhöhungen über einen Zeitraum von acht Jahren habe er das von ihm reklamierte Recht nicht geltend gemacht.
46Mit Urteil vom 12.06.2014 hat das Arbeitsgericht Paderborn der Klage stattgegeben und ausgeführt:
47Den Kläger habe für die Monate vom Dezember 2013 bis einschließlich Februar 2014 Anspruch auf eine Entgeltdifferenz von monatlich 545,74 € brutto, insgesamt 1.637,22 € brutto. Die arbeitsvertraglichen Regelungen in §§ 1 Nr. 3, 4 Nr. 1, 3 seien in der Gesamtschau dahingehend auszulegen, dass die Parteien in § 1 Nr. 3 eine Gleichstellungsabrede im Sinne der damaligen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vereinbart hätten.
48Trotz Änderung der Rechtsprechung durch das Bundesarbeitsgerichts seien aus Gründen des Vertrauensschutzes Verweisungsklauseln in Altverträgen weiterhin als Gleichstellungsabreden auszulegen. Etwas anderes gelte jedoch im vorliegenden Fall, da die Parteien im März 2005 einen sogenannten Neuvertrag geschlossen hätten. Maßgeblich sei, ob die Parteien nach dem 01.01.2002 anlässlich einer Vertragsänderung die Klausel erneut zum Gegenstand ihrer rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht hätten. Das sei zu bejahen, da es in der Änderungsvereinbarung vom 01.03.2005 heiße „Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter.“.
49Ab März 2005 sei die Verweisungsklausel als dynamische Verweisung auf die Tarifverträge des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen zu verstehen mit der Folge, dass die Beklagte dem Kläger den tariflichen Lohn schulde.
50Dem Anspruch stehe auch nicht der Vergleich vom 24.03.2010 entgegen, da die Parteien lediglich den Rechtsstreit über die Frage einer Erhöhung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich beendet hätten.
51Entsprechend den Ausführungen seien auch die zulässigen Feststellungsanträge zu 2) und 3) begründet.
52Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 84 bis 87 der Akte Bezug genommen.
53Gegen das ihr am 25.06.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30.06.2014 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese am 07.07.2014 eingehend begründet.
54Mit Schriftsatz vom 03.09.2014 (Blatt 150, 151 der Akte) hat sie Rechtsanwalt Q den Streit verkündet.
55Sie rügt das erstinstanzliche Urteil als fehlerhaft und führt aus:
56Zu Unrecht sei das erstinstanzliche Gericht davon ausgegangen, dass in dem Arbeitsvertrag von 1993 auf die Entlohnung nach den Lohn-/Gehaltstarifverträgen des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen verwiesen worden sei. Die Auslegung ergebe, dass der Stundenlohn des Klägers individuell vereinbart worden sei.
57Zur Auslegung der Vereinbarung könne die Tatsache, dass sie die Tariferhöhungen bis 2005 weitergegeben habe, nicht herangezogen werden.
58Das Arbeitsgericht sei weiterhin zu Unrecht davon ausgegangen, dass im März 2005 eine dynamische Verweisungsklausel auf die Tarifverträge im Einzelhandel Nordrhein-Westfalens zustande gekommen sei. Der Kläger habe gewusst, dass sie ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung umgewandelt habe. Die Vereinbarung aus März 2005 habe die Zielsetzung gehabt, sich aus dem Tarifgefüge insgesamt zu lösen. Das ergebe sich aus den Regelungsgegenständen der Vereinbarung. Sinn und Zweck der Regelung sei es gerade nicht gewesen, dass eine Tarifdynamik habe weitergelten sollen.
59Zumindest hätten die Parteien in dem Vergleich vom 24.03.2010 eine wirksame Vergütungsvereinbarung getroffen. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses habe bereits eine andere Vergütung tariflich gegolten als die von ihr an den Kläger gezahlte.
60Im Übrigen seien die Ansprüche des Klägers verwirkt. Ein Umstandsmoment sei darin zu sehen, dass er seine Arbeitsleistung weiterhin erbracht habe, ohne Ansprüche auf Zahlung der Tariflohnerhöhungen geltend zu machen. Durch den Vergleichsschluss habe er ein Vertrauensmoment gesetzt, da er zu erkennen gegeben habe, eine Tariflohnerhöhung nicht zu begehren. Das Zeitmoment sei in der Nichtgeltendmachung der Ansprüche über einen Zeitraum von acht Jahren zu sehen.
61Der Streitverkündete ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten und führt ergänzend aus:
62Die Änderungsvereinbarung vom 01.03.2005 sei nicht von ihm, sondern von dem Geschäftsführer der Beklagten P gestaltet worden.
63In einer Belegschaftsversammlung vom 01.03.2005 habe der Geschäftsführer F den am Standort X beschäftigten Mitarbeitern die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit von Personalmaßnahmen erläutert. Er habe angeboten, die Arbeitszeit von 37,5 auf 40 Stunden wöchentlich ohne Lohnausgleich auszuweiten, aber gleichzeitig erklärt, bis zum 28.02.2007 auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten zu wollen. Er gehe davon aus, dass in dieser Versammlung auch die künftige OT-Mitgliedschaft und damit die Beendigung der Tarifbindung mitgeteilt worden sei. Jedenfalls sei der Kläger die Änderungsvereinbarung in dem Bewusstsein eingegangen, dass es eine künftige Tarifbindung seines Arbeitgebers und damit einen Anspruch auf Zahlung des Tariflohnes nicht mehr gebe.
64Der Mitarbeiter W der Beklagten habe mit ihm die Änderungen aus der Vereinbarung vom 01.03.2005 diskutiert und ihm deutlich gemacht, dass diese Arbeitsplätze im Unternehmen sichere. Während der Verhandlungen seien sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber über eine generelle Arbeitszeitverlängerung auf 40 Wochenstunden einig geworden. Es habe weiter Einvernehmen darüber bestanden, dass der Monatslohn eingefroren werde und der Arbeitnehmer nicht mehr an der tariflichen Lohndynamik teilnehme. Entsprechend habe der Kläger über Jahre eine Anpassung seines Gehaltes nicht begehrt. Es sei ihm auch angeboten worden, die Beklagte werde im Falle der Verlängerung der Arbeitszeit und bei gleichzeitigem Wegfall von Zuschlägen sowie Fortfall der Sonderzahlungen bis zum 28.02.2007 auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten. Der Kläger sei damit einverstanden gewesen.
65Der befristete Kündigungsverzicht sei zwar nicht Gegenstand des Änderungsvertrages, gleichwohl aber seine Geschäftsgrundlage geworden.
66Noch im März 2005 habe die Beklagte gegenüber den Mitarbeitern auf den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung bis zum 28.02.2007 verzichtet.
67Zu berücksichtigen sei ferner, dass sie ihnen für ihre Bereitschaft, ihre Wochenarbeitszeit gegenüber der früheren betriebsüblichen Regelung bei gleichbleibenden Lohn/Gehalt zu erhöhen und/oder auf bis dahin gewährte Sonderzuwendungen zu verzichten, einen monatlichen Ausgleichsbetrag ab Januar 2008 in Höhe von 50,00 € gewährt habe. Wegen der Einzelheiten der Verlautbarung verweise er auf die mit Schriftsatz vom 08.10.2014 vorgelegte Kopie des Schreibens vom 19.09.2007 (Blatt 171 der Akte).
68Die Beklagte und der Streitverkündete beantragen,
69unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Paderborn vom 12.06.2014 (1 Ca 465/14) die Klage abzuweisen.
70Der Kläger beantragt,
71die Berufung zurückzuweisen.
72Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt ergänzend aus:
73Die Berufung sei bereits unzulässig, da sich die Berufungsbegründungsschrift offenkundig auf einen anderen Fall beziehe. Die Beklagte spreche nämlich von einer Klägerin und beziehe sich auf einen am 24.03.2010 vor dem Arbeitsgericht Münster geschlossenen Vergleich.
74Die Vergütungsabrede in § 4 Nr. 2 des Arbeitsvertrages aus 1993 sei nur deshalb zustande gekommen, weil der mit ihm damals vereinbarte Stundenlohn oberhalb des Tariflohnes gelegen habe.
75Die Vereinbarung vom 01.03.2005 enthalte hinsichtlich der Verweisungsklausel eine Neuregelung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
76Der vor dem Landesarbeitsgericht in 2010 geschlossene Vergleich erledige lediglich einen Streit über die Erhöhung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich. Die Vergütungsregelung in Nr. 4 des Vergleiches habe nur klarstellende Wirkung für die Zukunft gehabt.
77Sein Anspruch sei auch nicht verwirkt.
78Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
79Entscheidungsgründe
80A.
81I.
82Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung.
83Sie ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2b ArbGG an sich statthaft. Sie ist fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG.
84Sie ist auch formgerecht im Sinne der §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 520 ZPO. Die Berufung richtet sich ausweislich der Berufungsschrift der Beklagten vom 26.06.2012 gegen das zu Gunsten des Klägers ergangene Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 12.06.2014. Die Beklagte hat sich in der Berufungsbegründungsschrift ersichtlich auch mit den Entscheidungsgründen dieses Urteils auseinandergesetzt. Das ergibt sich schon aus dem angekündigten Antrag. Soweit die Beklagte in der Begründung nicht durchgehend von einem Kläger, sondern teilweise von einer Klägerin gesprochen hat und in ihrer rechtlichen Auseinandersetzung Bezug genommen hat auf einen vor dem Arbeitsgericht Münster geschlossenen Vergleich, sind diese offenkundigen Fehler der Tatsache geschuldet, dass sie eine Reihe von parallel gelagerten Rechtsstreitigkeiten führt und die für diese Rechtsstreitigkeiten entworfene Berufungsbegründungsschrift nicht in jedem Detail überprüft hat.
85II.
86Ihre Berufung ist begründet.
871. Der zulässige Zahlungsantrag des Klägers ist unbegründet.
88a. Sein Anspruch ergibt sich nicht aus tariflichen Lohnnormen, da die Beklagte nicht tarifgebunden ist.
89b. Der geltend gemachte Anspruch rechtfertigt sich auch nicht aus § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags vom 08.08.1993 in Verbindung mit Satz 2 des Änderungsvertrags vom 01.03.2005, da die Parteien in Nr. 4 des vor dem Landesarbeitsgericht Hamm in dem Rechtsstreit 16 Sa 799/08 geschlossenen Vergleichs eine konstitutive Neuvereinbarung getroffen habe.
90aa. Wie schon das Landesarbeitsgericht Hamm in seinen Urteilen vom 20.08.2014 und 10.09.2014 (3 Sa 451/14; 3 Sa 452/14) in gleichgelagerten Fällen entschieden hat, haben die Parteien in dem ursprünglichen Arbeitsvertrag aus 1993 ein dynamisches Tarifentgelt vereinbart. Sie haben sich nicht individuell auf einen bestimmten Lohnbetrag geeinigt. Das folgt aus der Auslegung des Vertrages gemäß §§ 133, 157 BGB.
91(1) Der Beklagten ist zuzugestehen, dass die arbeitsvertraglichen Lohnregelungen nicht eindeutig sind. In § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages haben die Parteien die Geltung der Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen in der jeweils geltenden Fassung sowie die Geltung von Nachfolgeverträgen vereinbart. Sie haben jedoch nicht in § 4 Nr. 1 des Arbeitsvertrags die Lohngruppe nach dem in Bezug genommenen Lohntarifvertrag für den Einzelhandel eingetragen, sondern haben vielmehr in § 4 Nr. 2 des Vertrages einen gestaffelten Stundenlohn (handschriftlich) eingetragen. In § 4 Nr. 3 des Vertrages haben sie wiederum eine Einigung dahin getroffen, dass die über den Tariflohn hinausgehenden Lohnbestandteile sowie die gewährte Provision jederzeit unter Einhaltung einer Frist von einem Monat gekürzt oder widerrufen werden können. Die allgemeine Verweisungsklausel kann dafür sprechen, dass der Tariflohn vereinbart wurde. Die Einigung in § 4 Nr. 2 des Vertrages kann dahin verstanden werden, dass sie eine individuelle Entgeltvereinbarung getroffen haben, die statisch gelten sollte.
92(2) Die Auslegung ergibt jedoch, dass das Arbeitsentgelt dynamisch nach dem Tarifentgelt vereinbart wurde.
93Bei den hier maßgeblichen Klauseln handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, da die Beklagte ersichtlich einen Musterarbeitsvertrag für die Mitglieder der Einzelhandelsorganisation verwendet hat, den sie mehrfach eingesetzt hat.
94Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen ist. Soweit auch der mit dem Vertrag verbundene Zweck einzubeziehen ist, ist auf die typischen und von redlichen Geschäftspartnern verfolgten Ziele abzustellen. Ausgangspunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG, 21.08.2013 – 5 AZR 582/13 –, Rn. 19; 16.12.2009 – 5 AZR 888/08 –, Rn. 12, NZA 2010, 401).
95Bleiben Zweifel, gehen diese nach § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders.
96Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Parteien durch Bezugnahme in § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags das jeweils maßgebende Tarifentgelt vereinbart (so auch LAG Hamm, 20.08.2014 – 3 Sa 451/14; 10.09.2014 – 3 Sa 452/14).
97Das ergibt der Gesamtzusammenhang der arbeitsvertraglichen Regelungen in § 1 Nr. 3, 4 Nr. 1, 2, 3 des Arbeitsvertrags.
98Hervorzuheben ist, dass die Arbeitsvertragsparteien die Bezugnahme-Klausel in § 1 der Lohnvereinbarung in § 4 des Vertrages vorangestellt haben. In § 1 haben sie grundsätzliche Regelungen für ihr Arbeitsverhältnis getroffen wie Vertragsbeginn, Tätigkeit des Klägers als Auslieferungsmonteur in Vollzeit sowie Nebenpflichten (gewissenhaft und sorgfältige Arbeitsausführung, Anzeigepflichten, Tragen von Berufskleidung). Die Bezugnahmeklausel enthält keine Einschränkung dahingehend, dass sie nur ergänzend gelten sollte.
99Für einen durchschnittlichen Vertragspartner ist § 1 Nr. 3 nur als unbeschränkte Bezugnahmeklausel zu verstehen (vergleiche zur Auslegung einer Klausel an „prominenter“ Vertragsposition BAG, 10.07.2013 – 10 AZR 898/11 –, Rn. 21 ff., ZTR 2013, 625).
100Eine Einschränkung der allgemeinen Bezugnahme auf tarifliche Bestimmungen ergibt sich auch nicht aus § 4 Nr. 2 des Arbeitsvertrags. Zunächst ist die Behauptung des Klägers unwidersprochen geblieben, dass das 1993 vereinbarte Stundenentgelt über der damals gültigen tariflichen Vergütung für einen Auslieferungsmonteur LAG. Entsprechend haben die Parteien in § 4 Nr. 3 zwischen tariflichem und übertariflichem Entgelt unterschieden und der Beklagten bezüglich übertariflicher Entgeltbestandteile eine Kürzungs- und Widerrufsmöglichkeit sowie eine Anrechnungsmöglichkeit bei Erhöhung des Tarifentgelts eingeräumt. Diese Differenzierung zwischen Tarifentgelt und übertariflichem Entgelt erweckt den Eindruck, dass die Beklagte jedenfalls das jeweilige Tarifentgelt zahlen wollte. Als weiteres Auslegungskriterium, das allein jedoch nicht ausschlaggebend ist, ist anzuführen, dass die damals tarifgebundene Beklagte ausweislich der Fußnote auf der letzten Seite des Arbeitsvertrags einen Vordruck für Mitglieder der Einzelhandelsorganisation verwendet hat. Auch daraus durfte ein redlicher Vertragspartner in der Gesamtschau der Vertragsklauseln den Schluss ziehen, sie wolle ihm auf jeden Fall das jeweils gültige Tarifentgelt zahlen.
101Dahinstehen kann, ob der nachträglichen Handhabung der Beklagten, nämlich der Gewährung des Tarifentgelts für die Dauer ihrer Mitgliedschaft im Verband mit Tarifbindung, ein Erklärungswert beizumessen ist.
102Selbst wenn das von der Beklagten vertretene Auslegungsergebnis – entgegen der Auffassung der Kammer – vertretbar wäre, wäre keinem der beiden möglichen Auslegungsergebnisse ein Vorzug zu geben. In diesem Fall ginge die Auslegung gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten als Verwenderin des Vertragstextes.
103bb. Die Verweisungsklausel hat konstitutiven Charakter und ist nicht als sogenannte Gleichstellungsabrede zu verstehen.
104Die Kammer verkennt nicht, dass die Bezugnahmeklausel in § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages vor dem 01.01.2002 von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformuliert mit dem Arbeitnehmer geschlossen und dynamisch auf Branchentarifverträge Bezug genommen wurde. In solchen Fällen wurde die Klausel stets als Gleichstellungsabrede ausgelegt (BAG, 17.11.2010 – 4 AZR 391/09 –, Rn. 14 f., BAGE 136, 184; 10.12.2008 – 4 AZR 881/07 –, Rn. 18, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68). Mit der arbeitsvertraglichen Verweisung auf einen Tarifvertrag wollte der selbst tarifgebundene Arbeitgeber den Arbeitnehmer regelmäßig ungeachtet seiner Gewerkschaftszugehörigkeit so stellen, als sei er tarifgebunden. Die arbeitsvertragliche Verweisung ersetzte die fehlende oder mangels Zulässigkeit einer Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit unsichere Tarifbindung des Arbeitnehmers.
105Die Auslegung als Gleichstellungsabrede hatte zur Folge, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich an der Tarifentwicklung der in Bezug genommenen einschlägigen Tarifverträge teilnahm, die vertragliche Anbindung endete, wenn sie auch für einen tarifgebundenen Arbeitnehmer geendet hätte (BAG, 17.11.2010 a. a. O., Rn. 16). Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden ist. Ab diesem Zeitpunkt sind die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden.
106Mit seiner Entscheidung vom 18.04.2007 (4 AZR 652/05, BB 2007, 2125) hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung geändert und festgehalten, dass nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 01.01.2002 die Bedeutung einer Verweisungsklausel in erster Linie anhand ihres Wortlautes zu ermitteln ist. Eine einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag ist jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel, die durch den Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder durch den sonstigen Wegfall der Tarifgebundenheit nicht berührt wird (unbedingte zeitdynamische Verweisung).
107Aus Gründen des Vertrauensschutzes ist den Arbeitgebern, die bis zum 31.12.2001 Arbeitsverträge mit einer entsprechenden Bezugnahmeklausel abgeschlossen haben, Vertrauensschutz insoweit zu gewähren, als auch auf diese „Altverträge“ die frühere Auslegungsregel des Senats anzuwenden ist, wonach bei Beteiligung eines verbandsangehörigen Arbeitgebers und Fehlen entgegenstehender Anhaltspunkte in der Regel eine dynamische Verweisung auf einen einschlägigen Tarifvertrag als Gleichstellungsabrede auszulegen ist. Für Arbeitsverträge, die ab dem 01.01.2001 abgeschlossen worden sind („Neuverträge“) wendet das Bundesarbeitsgericht diese Auslegungsregel nicht an. (BAG, 18.04.2007 – 4 AZR 652/05 –, Rn. 43, BAGE 122, 74).
108Ist nach dem 01.01.2002 eine Vertragsänderung erfolgt, hängt die Beurteilung, ob es sich hinsichtlich dieser Klausel um einen Alt- oder Neuvertrag handelt, darauf an, ob die Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Parteien des Änderungsvertrages gemacht worden ist. Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten, liegt beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“. Eine solche Regelung hindert die Annahme eines „Altvertrages“ und eine Rechtskorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. Allerdings führt allein der Umstand einer Vertragsänderung nicht dazu, dass zugleich stets alle vertraglichen Regelungen des ursprünglichen Arbeitsvertrages erneut vereinbart oder bestätigt werden (BAG, 19.10.2011 – 4 AZR 811/09 –, Rn. 27, DB 2011, 2783).
109Bei dem zwischen den Parteien vereinbarten Änderungsvertrag handelt es sich um einen Formularvertrag, den die Beklagte gegenüber zahlreichen Arbeitnehmern verwendet hat. Unter Zugrundelegung der für AGB-Klauseln geltenden Auslegungsregeln ist die Bezugnahmeklausel, die Regelung in dem Änderungsvertrag vom 01.03.2005 „Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter“ als Neuvertrag zu verstehen. Die Parteien haben damit schon nach dem Wortlaut der Vereinbarung zu erkennen gegeben, dass der ursprüngliche Arbeitsvertrag weiter gelten sollte, soweit nicht die konkret dargestellten Änderungen zur Arbeitszeit, zu Zuschlägen, zu Sonderzahlungen und zum Urlaub betroffen waren. Der ursprüngliche Arbeitsvertrag sollte nach Satz 1 der Änderungsvereinbarung gerade nur „wie folgt geändert“ werden.
110Ein Auslegungsergebnis im Sinne der Beklagten ergibt sich auch nicht unter Heranziehung von außerhalb des reinen Wortlauts der Änderungsvereinbarung liegenden Umstände.
111Die Kammer unterstellt zugunsten der Beklagten, dass die Arbeitnehmer von ihrem Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft Kenntnis hatten und daher davon ausgehen mussten, sie wolle sich künftig aus den Regelungen der Tarifverträge lösen. Wenn dann aber nur ganz bestimmte Arbeitsbedingungen in einer Vertragsänderung erwähnt werden, die zu Lasten des Arbeitnehmers abgeändert werden sollen, und im Übrigen die sonstigen, nicht erwähnten Regelungen aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag weiter gelten sollen, wird der Eindruck bei einem durchschnittlichen Vertragspartner erweckt, die Lösung aus dem Tarifvertrag bestehe lediglich in den erwähnten Bereichen, ansonsten solle der Ausgangsvertrag unverändert bleiben. Gerade weil ein so gewichtiger Aspekt wie das Entgelt nicht erwähnt wurde, durfte der Kläger weiterhin davon ausgehen, die ursprüngliche Vergütungsregelung mit der Anbindung an den Tarifvertrag bleibe trotz fehlender Tarifbindung erhalten. Ansonsten hätte nahegelegen, auch diesen Vertragsgegenstand zu erwähnen und es nicht bei der uneingeschränkten Formulierung zu belassen „Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter“.
112Nichts anderes ergibt sich aus der Behauptung des Streitverkündeten, der Angestellte W der Beklagten und der Kläger hätten sich zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt in einem nicht konkret geschilderten Gespräch auf das Einfrieren der monatlichen Bezüge vor dem Hintergrund der Zusage geeinigt, vorübergehend werde von betriebsbedingten Kündigungen abgesehen. Aus dem von dem Streitverkündeten vorgelegten Schreiben der Beklagten ergibt sich, dass sie selbst den monatlichen Ausgleichsbetrag ab Januar 2008 für die Bereitschaft der Arbeitnehmer gezahlt hat, ihre Wochenarbeitszeit gegenüber der früheren betriebsüblichen Regelung bei gleichbleibendem Lohn/Gehalt zu erhöhen und/oder auf bis dahin gewährte Sonderzuwendungen zu verzichten. Damit werden genau die in der Vereinbarung vom 01.03.2005 genannten Änderungen in Bezug genommen.
113Auch die Nichtgeltendmachung künftiger Tariferhöhungen führt nicht dazu, dass von einem gemeinsamen Verständnis über die Bedeutung der Klausel „Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter“ auszugehen ist. Die fehlende Geltendmachung kann unterschiedliche Gründe haben, ohne dass daraus geschlossen werden kann, der Kläger habe wie andere Arbeitnehmer die Vertragsänderung so verstanden, das Entgelt sei nunmehr auf alle Zeit eingefroren.
114Soweit der Wortlaut der Vereinbarung vom 01.03.2005 als unklar anzusehen wäre, müsste diese Unklarheit nach § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten als Verwenderin gehen.
115cc. Die Parteien haben jedoch in dem gerichtlichen Vergleich vom 24.03.2010 eine Regelung getroffen, mit der das Entgelt des Klägers konstitutiv festgeschrieben worden ist.
116Die Auslegung eines Prozessvergleiches erfolgt nach §§ 133, 157 BGB.
117Für die Auslegung einer Willenserklärung schreibt § 133 BGB die Erforschung des wirklichen Willens vor. Dabei ist nicht der innere, sondern lediglich der bekundete Wille maßgeblich. Entscheidend ist der Empfängerhorizont.
118Für Verträge schreibt § 157 BGB darüber hinaus vor, dass Treu und Glauben und die Verkehrssitte zu berücksichtigen sind. Es ist daher vom Wortlaut der Erklärung ausgehend der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen und unter Berücksichtigung der erkennbaren Begleitumstände zu ermitteln, welchen Willen der Erklärende gehabt hat und wie der Empfänger der Erklärung das Angebot des anderen Vertragsteils nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstanden hat oder verstehen musste. Zu den zu berücksichtigenden Begleitumständen gehören die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien nach Abschluss des Rechtsgeschäfts, der Zweck der Vereinbarung und die beim Abschluss der Vereinbarung vorliegende Interessenlage (BAG, 08.03.2006 – 10 AZR 349/05 –, Rn. 35 ff., BAGE 117, 218).
119Nr. 1 und 2 des Vergleiches enthalten Regelungen für die Vergangenheit bis zum 31.01.2010. Streitgegenstand des Prozesses waren Lohndifferenzen, die nach Auffassung des Klägers daraus resultierten, dass seine Arbeitszeit durch die Änderungsvereinbarung vom 01.03.2005 erhöht wurde, ohne dass die Beklagte Lohnausgleich gezahlt hatte. Streitgegenstand des Prozesses war zwar die Vergütungspflicht der Beklagten, jedoch nicht ihre Verpflichtung, das Gehalt der Tarifentwicklung anzupassen.
120Auf diesen Streitgegenstand bezieht sich die Erledigungsklausel in Nr. 6 des Vergleiches. Das Gericht verkennt nicht, dass sie sich nicht auf einen etwaigen Anspruch des Klägers auf Lohnanpassung entsprechend der tariflichen Entwicklung bezieht. Sie schließt jedoch nicht aus, dass die Parteien eine weitergehende Vereinbarung zu einem Vertragsgegenstand getroffen haben, der zwar nur unter einem rechtlichen Gesichtspunkt im Streite stand, aber insgesamt neu geregelt werden sollte.
121In Nr. 4 des Vergleiches haben die Parteien Einigkeit über die Höhe und die Zusammensetzung des Bruttomonatsgehaltes des Klägers mit Wirkung zum 01.02.2010 hergestellt. Der Wortlaut lässt ein Verständnis der Vereinbarung dahin zu, dass das Entgelt für die Zukunft bindend festgestellt werden sollte.
122Außerhalb des Wortlauts der Vereinbarung spricht für eine konstitutive Regelung die Tatsache, dass das Gehalt des Klägers seit 2005 trotz mehrerer Tariflohnerhöhungen nicht der tariflichen Entwicklung angepasst wurde und dem Kläger dieser offenkundige Umstand bekannt sein musste. Gleichwohl enthält die Lohnregelung keine Einschränkung wie etwa „vorbehaltlich tariflicher Entgelterhöhungen“. Unterstützt wird dieses Auslegungsergebnis durch Nr. 5 des Vergleichs. Dort haben die Parteien unter anderem die Wochenarbeitszeit auf 37,5 Stunden festgelegt, insoweit die Vereinbarung vom 01.03.2005 geändert und in der Gesamtschau der Regelungen in den Nrn. 4 und 5 ihre Hauptleistungspflichten aus § 611 Abs. 1 BGB, nämlich dem Umfang der Arbeitspflicht des Klägers und das von der Beklagten im Gegenzug zu zahlende Entgelt festgelegt.
123Deshalb ist der Vergleich durchaus der Auslegung zugänglich, Nr. 4 enthalte eine konstitutive Entgeltregelung.
124Allerdings ist der Einwand des Klägers nicht von der Hand zu weisen, dass vor dem Hintergrund des beschränkten Streitgegenstandes und der in parallel gelagerten Verfahren ergangenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 20.05.2009 (4 AZR 232/08; 4 AZR 230/08, NZA-RR 2010, 591) nach der Interessenlage und den Willen der Parteien lediglich die Wochenarbeitszeit neu geregelt werden sollte, während die Gehaltsregelung nur bestätigenden Charakter hat. Dagegen spricht allerdings die Tatsache, dass die Parteien zunächst unter Nr. 4 des Vergleiches das Gehalt und erst anschließend in Nr. 5 die Wochenarbeitszeit geregelt haben.
125dd. Der Anspruch des Klägers auf dynamische Anpassung seines Entgeltes entsprechend der tariflichen Entwicklung im Einzelhandel Nordrhein-Westfalen ist dagegen nicht verwirkt.
126Nach § 242 BGB verstößt die Geltendmachung eines Rechts im Rahmen einer Gesamtschau dann gegen Treu und Glauben, wenn der Gläubiger längere Zeit zugewartet hat, obwohl er in der Lage war, das Recht geltend zu machen, der Schuldner nach dem Verhalten des Gläubigers davon ausgehen konnte, Ansprüche würden nicht mehr gestellt werden, er sich darauf eingestellt hat, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden und daraufhin eigene Dispositionen getroffen hat bzw. ihm aufgrund besonderer Umstände nicht zuzumuten ist, sich auf die nunmehr geltend gemachten Ansprüche einzulassen (LAG Rheinland-Pfalz, 28.10.2013 – 5 Sa 257/13 –, Rn. 43, Anwaltsblatt 2014, 274 m. w. N.). Zwischen den ein Vertrauen begründenden Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf besteht eine Wechselwirkung insofern, als der Zeitablauf umso kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und dass umgekehrt an diese Umstände desto geringere Anforderungen zu stellen sind, je länger der abgelaufene Zeitraum ist (LAG Rheinland-Pfalz, a. a. O., Rn. 44 m. w. N.). Allerdings gilt die Einschränkung, dass, wer keine Kenntnis von einem möglichen Anspruch eines Dritten hat, auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung allenfalls allgemein, nicht aber konkret hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs vertrauen kann. Den Schutz vor unbekannten Forderungen hat das Verjährungsrecht zu gewährleisten, nicht aber der Grundsatz von Treu und Glauben (BAG, 18.02.2003 – 3 AZR 160/02 – Rn. 63, EzA § 10 AÜG Nr. 11). Das für die Verwirkung eines Anspruchs erforderliche Umstandsmoment wird auch dann regelmäßig fehlen, wenn der Verpflichtete davon ausgehen muss, der Berechtigte kenne den ihm zustehenden Anspruch nicht (LAG Rheinland-Pfalz, a. a. O., Rn. 48).
127Vorliegend hat der Kläger das Zeitmoment erfüllt, indem er über einen Zeitraum von neun Jahren trotz mehrerer Tariflohnerhöhungen eine entsprechende Anpassung seiner Vergütung nicht verlangt hat. Der Beklagten ist auch insoweit zuzustimmen, als insbesondere der Rechtsstreit des Klägers um die Zahlung eines Lohnausgleichs für die Arbeitszeiterhöhung Anlass gewesen wäre, auch eine Anpassung seines seit 2005 nicht erhöhten Gehaltes an die Tarifentwicklung zu verlangen. Die Beklagte hat dagegen nicht dargelegt, dass sie sich darauf eingestellt hat, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, dem und daraufhin eigene Dispositionen getroffen hat. Es fehlt an Tatsachenvortrag zu den besonderen Umständen, die es ihr unzumutbar machen, sich für die Vergangenheit und für die Zukunft auf die nunmehr geltend gemachten Ansprüche einzulassen.
128Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass sie selbst davon ausgegangen ist, mit dem Kläger im Arbeitsvertrag von 1993 eine Gleichstellungsklausel vereinbart zu haben, die nicht erneut in die Willensbildung der Parteien anlässlich des Änderungsvertrages vom 01.03.2005 aufgenommen worden ist. Insofern hatte sie keine Kenntnis von einem möglichen Anspruch des Klägers. Entsprechend ging sie selbst davon aus, sich aus der tariflichen Bindung gelöst zu haben. Wie schon ausgeführt, kann auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung konkret hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs nicht vertrauen, wer selbst keine Kenntnis von möglichen Anspruch hat.
129B.
130Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO.
131Infolge grundsätzlichen Bedeutung war die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Im ersten Rechtszug sind die Arbeitsgerichte zuständig, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(2) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet die Berufung an die Landesarbeitsgerichte nach Maßgabe des § 64 Abs. 1 statt.
(3) Gegen die Urteile der Landesarbeitsgerichte findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 72 Abs. 1 statt.
(4) Gegen die Beschlüsse der Arbeitsgerichte und ihrer Vorsitzenden im Beschlußverfahren findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 87 statt.
(5) Gegen die Beschlüsse der Landesarbeitsgerichte im Beschlußverfahren findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 92 statt.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 07.03.2014 – 4 Ca 2099/13 – wird zurückgewiesen.
Auf den Antrag des Klägers wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 2.065,40 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 379,48 € seit 01.04.2014 und seit 01.05.2014 sowie aus je 435,48 € seit dem 01.06.2014, 01.07.2014 und 01.08.2014 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über Engeltansprüche des Klägers gegen die Beklagte aufgrund einer streitigen Bindung an den Lohntarifvertrag für den Einzelhandel NRW.
3Der Kläger ist seit dem 01.01.1998 bei der Beklagten als Haustischler beschäftigt, Grundlage der Beschäftigung war zunächst ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 12.11.1997.
4In § 1 Ziffer 3 dieses Arbeitsvertrages heißt es auszugsweise:
5„Die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes NRW in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge sind Bestandteil dieses Vertrages.“.
6In § 4 Ziffer 1 war der Passus zur Eingruppierung des Klägers nicht ausgefüllt.
7§ 4 Ziffer 2 lautet:
8„Das vereinbarte Entgelt beträgt: 21,54 DM pro Stunde“
9In § 4 Ziffer 4 ist des Weiteren geregelt, dass über das tarifliche Entgelt hinausgehende Bestandteile gekürzt oder widerrufen werden können, zudem bei einer Erhöhung der Tarife angerechnet werden können.
10Die Beklagte ist Mitglied des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe, der wiederum Mitglied im Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen ist.
11Die Beklagte war zunächst Mitglied mit Tarifbindung. Mit Schreiben vom 20.09.2004 erklärte sie gegenüber dem Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe den Ausschluss der Tarifbindung zum Ablauf des auf den Zugang dieser Erklärung folgenden Monats. Mit Schreiben vom 23.09.2004 bestätigte der Verband die Annahme des Antrages zum Wechsel in die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft). Der Verband führt seit dem 01.11.2004 die Beklagte als Mitglied ohne Tarifbindung.
12Bis zu diesem Zeitpunkt wurde der Lohn des Klägers regelmäßig entsprechend den Tarifabschlüssen erhöht.
13Im März 2005 schlossen die Parteien eine Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages (Bl 7 der GA):
14Diese hat folgenden Wortlaut:
15„Die Parteien sind sich darüber einig, dass der zwischen ihnen bestehende Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.04.2005 wie folgt geändert wird. Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter. Ebenso bleibt die Dauer der Betriebszugehörigkeit gewahrt
16Arbeitszeit
17Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden
18Zuschläge
19Auf Spät- und Mehrarbeitszuschläge besteht kein Anspruch
20Sonderzahlungen
21…
22Urlaub
23...“
24Jedenfalls nach Abschluss dieser Vereinbarung gab die Beklagte Tariflohnerhöhungen im Einzelhandel nicht mehr an den Kläger weiter.
25In dem Rechtsstreit 3 Ca 978/07 vor dem ArbG Münster, dessen Gegenstand im Wesentlichen war, ob es sich bei der Erhöhung von 37,5 Stunden auf 40 Stunden/ Woche um eine Arbeitszeiterhöhung mit oder ohne Lohnausgleich handelte schlossen die Parteien gem. § 278 Abs. 6 ZPO unter dem 09.07.2010 (Bl 59/60 der GA) einen Prozessvergleich, nach dem sich die Beklagte zur Zahlung eines bestimmten Betrages für Mehrarbeit im Zeitraum September 2006 bis Januar 2010 sowie zur Gewährung von Urlaubstagen rückwirkend ab 2007 verpflichtete. Ferner wurde eine Einigkeit der Parteien geregelt, dass der Kläger ab dem 01.01.2010 wöchentlich 37,5 Arbeitsstunden erbringt. Unberührt blieben Mehrarbeitsansprüche für die Zeit Oktober 2005 bis August 2006 und Ansprüche auf Urlaubsgutschrift für 2005 und 2006. Die Frage der Vergütungshöhe thematisierte der Kläger in diesem Verfahren nicht.
26Einen weiteren außergerichtlichen Vergleich schlossen die Parteien unter dem 18.01.2011 (Bl 62 GA) über Ansprüche aus dem Zeitraum November 2005 bis August 2006.
27Mit Schreiben vom 06.08.2012 beantragte der Kläger für die Zeit von Oktober 2012 bis November 2012 Elternzeit und gleichzeitig Teilzeit während der Elternzeit im Umfang von 30 Stunden. Die Beklagte entsprach dem Antrag mit Schreiben vom 11.08.2012. Unter dem 09.10.2012 unterschrieben der Kläger und sein Vorgesetzter ein als „Personalveränderung“ betiteltes Schriftstück (Bl 63 GA), in dem u.a. die bisherige Arbeitszeit und die nunmehrige Arbeitszeit gegenübergestellt waren. Unter der Rubrik „Lohn/ Gehalt/ Garantiegehalt“ ist die Spalte „bisher“ nicht ausgefüllt, in der Spalte „künftig“ heißt es „bleibt“.
28Mit Schreiben vom 26.09.2013 machte der Kläger Entgeltdifferenzansprüche für die Zeit ab März 2013 gegenüber der Beklagten erfolglos geltend mit der Begründung, er habe als Haustischler Anspruch auf Vergütung der Lohngruppe III, (Lohnstaffel e).
29Solche Ansprüche verfolgt der Kläger mit der unter dem 08.11.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage weiter.
30Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Lohntarifverträge für den Einzelhandel seien auf sein Arbeitsverhältnis anwendbar. Dies ergebe sich aus § 1 Ziffer 3 seines Arbeitsvertrages. Dort sei eine Tarifdynamik vereinbart worden, was auch dadurch deutlich werde, dass sein Entgelt bis 2005 regelmäßig entsprechend den Tarifabschlüssen erhöht worden sei.
31Früher habe die Rechtsprechung eine solche Regelung zwar als Gleichstellungsabrede angesehen; zwischenzeitlich werde eine solche Abrede aber als dynamische Verweisungsklausel verstanden.
32Aufgrund der Änderungsvereinbarung aus März 2005 handele sich bei der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag auch nicht um einen sogenannten Altfall, nach dem die Klausel als Gleichstellungsabrede verstanden werden könne.
33Der Personalveränderungsbogen habe sich nur auf die Arbeitszeitänderung während der Elternzeit des Klägers bezogen. Eine Änderung der arbeitsvertraglichen Vergütung, insbesondere der Eingruppierung, sei damit nicht verbunden gewesen. Im Übrigen handele es sich nur um eine interne Veränderungsmitteillung mit nur deklaratorischem Charakter.
34Der Kläger hat beantragt,
35- 36
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.404,80 € brutto nebst5%-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 301,48 € seit dem 01.04.2013, 01.05.2013, 01.06.2013, 01.07.2013 und 01.08.2013 sowie aus je 379,48 € seit dem 01.09.2013, 01.10.2013, 01.11.2013, 01.12.2013 und 01.01.2014 zu zahlen,
- 38
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 758,96 € brutto nebst 5%-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 379,48 € seit dem 01.02.2014 und 01.03.2014 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
40die Klage abzuweisen.
41Sie hat die Auffassung vertreten, der Arbeitsvertrag verweise hinsichtlich der Lohnhöhe schon nicht auf die Tarifverträge des Einzelhandels. Dies folge daraus, dass unter § 4 Ziffer 2 ein konkreter Stundenlohn von 21,54 DM vereinbart worden sei.
42Im Übrigen handele es sich bei § 1 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages um eine Gleichstellungsabrede. Ihr sei insoweit Vertrauensschutz zu gewähren. Soweit es in der Änderungsvereinbarung heiße, das „die dabei nicht genannten Regelungen“ weiter gelten, stelle diese Regelung eine Floskel dar, derer es in rechtlicher Hinsicht gar nicht bedurft hätte und der folglich auf die vorliegende Vertragsänderung bezogen auch keine Bedeutung zukomme. Ihr sei es, für den Kläger klar erkennbar, nur darauf angekommen, keine redaktionell ganz neu verfassten Arbeitsverträge aufzusetzen. Klar sei damit auch gewesen, dass sie sich aus dem Tarifvertrag habe lösen wollen.
43Ein etwaiges Recht des Klägers, sich auf die Bezugnahmeklausel zu berufen, sei im Übrigen nach § 242 BGB verwirkt. Der Kläger habe nämlich zu keinem einzigen Zeitpunkt eine Tarifdynamik geltend gemacht, obschon in den vergangenen Jahren regelmäßig Erhöhungen der Tarifvergütungen stattgefunden hätten.
44Mit der sogenannten Personalveränderung hätten sich die Parteien ihrer Meinung nach im Nachwirkungszeitraum darauf geeinigt, dass die Vergütung so bleiben solle, wie der Kläger sie vor der Elternzeit tatsächlich bezogen habe.
45Mit Urteil vom 07.03.2014 hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
46Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe nach seinem Arbeitsvertrag in Verbindung mit der Änderungsvereinbarung aus März 2005 sowie den geltenden Entgelt- bzw. Lohnverträgen im Einzelhandel NRW Anspruch auf die geltend gemachten monatlichen Differenzvergütungen.
47Die Auslegung des schriftlichen Arbeitsvertrages aus dem Jahre 1998 ergebe, dass mit § 1 Ziffer 3 auch auf die Lohntarifverträge verwiesen worden sei. Zwar sei in § 4 Ziffer 2 ein ausdrückliches Stundenentgelt von 21,54 DM als vereinbartes Entgelt genannt, in § 4 Ziffer 1 sei im Weiteren die Gehalts-/Lohngruppe offen gelassen. Die Systematik könne daher für die Argumentation der Beklagten sprechen, dass die Lohnhöhe als lex specialis geregelt sei. Dagegen spreche jedoch die tatsächliche Handhabung der Parteien, dass die Tariferhöhungen bis zum Ausscheiden der Beklagten aus der Tarifbindung an den Kläger weitergegeben worden seien.
48Zuzugestehen sei der Beklagten ferner, dass es sich zunächst bei dem Arbeitsvertrag des Klägers um einen sogenannten Altvertrag handele. Nach der Rechtsprechung des BAG wäre damit § 1 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages als Gleichstellungsabrede auszulegen. Dies führe bei einem Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers dazu, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung zum Zeitpunkt des Austritts anzuwenden wären. Für Arbeitsverträge, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 geschlossen worden seien, wende das BAG die Auslegungsregel der Gleichstellungsabrede jedoch nicht mehr an.
49Bei Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 abgeschlossen wurden („Altverträge“), komme es bei einer Vertragsänderung nach dem 01.01.2002 für die Beurteilung, ob es hinsichtlich der Auslegung dieser Klausel um einen Neu- oder Altvertrag handele darauf an, ob die Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Parteien gemacht worden sei oder nicht.
50Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden sei und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechtes am 01.01.2002 ausdrücklich an dem zuvor getroffenen Regelungen festhalten, liege beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“. Unter Zugrundelegung der so beschriebenen Rechtsprechung des BAG liege demnach kein sogenannter Altvertrag vor.
51Damit sei die Verweisungsklausel ab März 2005 als dynamische Verweisung zu verstehen. Geschuldet sei nunmehr der tarifliche Lohn.
52Eine anderweitige, spätere Vereinbarung, wonach nunmehr nicht mehr der tarifliche Lohn geschuldet sein soll, ergebe sich aus dem Vorbringen der Parteien nicht. Die Vergleiche vom 09.07.2010 und vom 18.01.2011 enthielten schon keine Regelung darüber, welche Lohnhöhe – für die Zukunft – geschuldet sein solle. Auch aus dem vom Kläger unterzeichneten Schriftstück „Personalveränderung“ vom 09.10.2012 lasse sich keine Vereinbarung entnehmen, dass nunmehr die geschuldete Lohnhöhe geändert werden sollte. Aus der Formulierung „bleibt“ sei schon kein Wille der Parteien zu entnehmen, die Lohnhöhe zu ändern. Selbst wenn man an diesem Auslegungsergebnis Zweifel haben sollte, so gingen diese nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten als Verwenderin des Formulars „Personalveränderung“.
53Gegen die Berechnung der Höhe der Entgeltdifferenzen erfolgten keine Einwendungen.
54Die hier geltend gemachten Entgeltdifferenzansprüche seien auch nicht verwirkt. Ein Recht sei verwirkt, wenn der Gläubiger es längere Zeit nicht ausgeübt habe, der Schuldner darauf vertraut habe, er werde nicht mehr in Anspruch genommen werden, und dem Schuldner die Erfüllung unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht mehr zumutbar sei. Soweit die Beklagte meine, der Kläger könne sich nicht mehr auf die Inbezugnahmeklausel berufen, weil er in der Vergangenheit trotz regelmäßiger Tariflohnerhöhungen eine Tarifdynamik nicht geltend gemacht habe, überzeuge dies nicht. Eine abweichende Vereinbarung hinsichtlich der Lohnhöhe existiere gerade nicht. Es seien auch sonst keine Umstände erkennbar, aufgrund derer die Beklagte schutzwürdig darauf habe vertrauen dürfen, dass der Kläger seine vertraglichen Rechte in Zukunft nicht mehr einfordern werde.
55Gegen das unter dem 31.03.2014 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter dem 03.04.2014 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und unter dem 15.05.2014 begründet.
56Die Beklagte verbleibt zum einen bei ihrer Auffassung, es liege schon eine konstitutive Lohnvereinbarung vor, so dass schon die Bezugnahmeklausel aus dem ursprünglichen Vertrag nicht zum Tragen komme. Dabei könne der Umstand, dass Tariferhöhungen bis 2005 weitergegeben worden seien, für die Auslegung nicht herangezogen werden. Die Argumentation des Arbeitsgerichts sei insoweit auch widersprüchlich, wenn es andererseits der Nichtweitergabe von Tariferhöhungen nach der Vereinbarung aus März 2005 keinen Erklärungswert beimesse.
57Zu Unrecht gehe das Arbeitsgericht auch davon aus, die Vereinbarung aus März 2005 führe zur Annahme, dass die Parteien eine dynamische Verweisungsklausel auf den Tarifvertrag vereinbart hätten. Die Bezugnahmeklausel sei vielmehr nicht erneut zum Gegenstand rechtsgeschäftlicher Willensbildung gemacht worden. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der Kläger von der Umwandlung ihrer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband in eine OT-Mitgliedschaft gewusst habe, die Vereinbarung daher ersichtlich dazu habe dienen sollen, sich aus der Tarifbindung zu lösen. Die Parteien hätten die Hauptleistungspflichten, wozu auch die Vergütung gehöre, dem Tarifvertrag entziehen wollen.
58Zudem handele es sich bei der Vereinbarung vom 09.10.2012 um eine wirksam im Nachwirkungszeitraum getroffene Vereinbarung mit dem Inhalt, dass der Kläger, die bisher gezahlte Vergütung mit 30/37,5 weiterhin in der Zukunft erhalten solle.
59Nichts anderes gelte für die Vergleiche vom 09.07.2010 und 18.01.2011. In diesen hätten sich die Parteien ihrer Meinung nach auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft verständigt.
60Jedenfalls aber seien mögliche Ansprüche des Klägers verwirkt. Dies folge aus der Erhebung der Zahlungsklage durch den Kläger. Das für eine Verwirkung notwendige Umstandsmoment liege ohnehin schon darin, dass der Kläger seine Arbeitsleistung weiter erbracht habe, ohne Ansprüche auf Tariflohnerhöhung geltend zu machen.
61Die Beklagte beantragt,
62das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 07.03.2014 abzuändern und die Klage abzuweisen und
63die Anträge des Klägers aus dem Schriftsatz vom 23.06.2014 abzuweisen.
64Der Kläger beantragt,
65die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und
66die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 2.065,40 € brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 379,48 € seit dem 01.04.2014 und 01.05.2014 sowie aus je 435,48 € seit dem 01.06.2014, 01.07.2014 und 01.08.2014 zu zahlen.
67Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil dahingehend, richtigerweise sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass sich die Anspruchsgrundlage in § 1 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages befinde, wobei unschädlich sei, dass ein Feld in § 4 Ziffer 1 nicht ausgefüllt sei und in § 4 Ziffer 2 ein bestimmter Betrag genannt sei. Denn dieser Teil des Arbeitsvertrages betreffe nur die deklaratorische Mitteilung der Eingruppierung und den damals für die maßgebliche Eingruppierung maßgeblichen Stundenlohn. Das entsprechende Verständnis ergebe sich auch daraus, dass alle Arbeitnehmer, die vor und bis zum Verbandsaustritt der Beklagten eingestellt worden seien, den jeweiligen Tariflohn erhalten hätten.
68Die dynamische Verweisungsklausel sei auch im Änderungsvertrag zum Gegenstand rechtsgeschäftlicher Willensbildung gemacht worden Dies ergebe sich auch aus dem Zusammenhang der Regelungen, mit denen den Arbeitnehmern gerade habe klargemacht werden sollen, dass sie nur die aufgezählten Verschlechterungen hätten hinnehmen sollen. Die Regelung „Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter“ stehe der Annahme eines Altfalles zum Verständnis einer Verweisungsklausel entgegen. Eine andere Auslegung folge auch nicht aus dem Umstand, dass er sich in der Folgezeit zunächst nicht gegen unterbliebene Tariferhöhungen gewehrt habe.
69Die Veränderung der Arbeitszeit anlässlich des Begehrens von Teilzeittätigkeit während der Elternzeit sei nicht mit einer neuen Einigung über die Vergütung einhergegangen. Der Personalveränderungsbogen habe sich ausschließlich auf die Arbeitszeit bezogen. Im Übrigen handele es sich bei diesem lediglich um ein internes Dokument, nicht um eine Arbeitsvertragsänderung.
70Die Vergleiche aus den Jahren 2010 und 2011 hätten sich ausschließlich auf die im dortigen Verfahren streitig gestellten Ansprüche bezogen.
71Schließlich habe das Arbeitsgericht zutreffend angenommen, die Ansprüche seien nicht verwirkt. Untätigkeit allein könne nicht zur Annahme einer Verwirkung führen. Weder dem Personalveränderungsbogen, noch den Vergleichen könne ein Wille auf einen Verzicht entnommen werden, sie seien nicht geeignet, ein über ihre rechtliche Bedeutung und den sich hieraus ergebenden Rechtswirkungen hinausgehendes Vertrauen zu begründen. Wehre sich ein Arbeitnehmer gegen eine vom Arbeitgeber verkündete falsche Anwendung des Tarifvertrages nicht, löse dies nicht das für eine Verwirkung notwendige Umstandsmoment aus.
72Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
73Entscheidungsgründe
74Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
75A.
76Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.
77I.
78Die Berufung ist statthaft gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 b) ArbGG.
79Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO.
80II.
81Bedenken bestehen auch nicht an der Zulässigkeit der Klageerweiterung im Berufungsrechtszug.
82Soweit die Erstreckung der Zahlungsklage auf weitere Monate als Klageänderung anzusehen wäre, genügte sie jedenfalls den Anforderungen des § 533 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG.
83Die mögliche Klageerweiterung stellt sich als sachdienlich dar, da der Streit der Parteien um die Höhe der zu zahlenden Vergütung für weitere Monate beigelegt werden kann. Sie kann zudem auf Tatsachen gestützt werden, die ohnehin der Entscheidung über die Berufung zugrunde zu legen sind; der Sachverhalt zur Beurteilung der Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung von Tarifentgelt hat, ist unverändert geblieben.
84B.
85Die Berufung der Beklagte ist jedoch nicht begründet.
86Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Parteien im ursprünglichen Arbeitsvertrag dynamisch das Tarifentgelt vereinbart haben (I.), auch nach Wechsel der Beklagten in eine OT-Mitgliedschaft die Parteien die Dynamisierung durch Vereinbarung von März 2005 beibehalten haben (II.), eine abändernde Entgeltvereinbarung in der Folgezeit weder durch Vergleiche, noch eine Abrede über Teilzeittätigkeit getroffen worden ist (III.) und Ansprüche des Klägers nicht verwirkt sind (IV.)
87I.
88Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aufgrund einer tarifvertraglichen Grundlage, da eine Tarifbindung der Beklagten jedenfalls unstreitig nicht gegeben ist.
89Der geltend gemachte Anspruch des Klägers ergibt sich aber aus § 1 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages vom 12.11.1997 in Verbindung mit der Abänderungsvereinbarung aus März 2005.
90Im ursprünglichen Arbeitsvertrag haben die Parteien ein dynamisches Tarifentgelt vereinbart und nicht konstitutiv einen bestimmten Entgeltbetrag. Dies ergibt die Auslegung des Vertrages.
911)
92Die Vergütungsabrede ist nicht eindeutig.
93Der Verweis auf die Geltung der Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel in NRW in der jeweils geltenden Fassung kann dahingehend verstanden werden, dass das jeweilige Tarifentgelt maßgeblich sein soll; die Nennung eines bestimmten Stundenentgelts in § 4 Ziffer 2 kann hingegen dahingehend zu verstehen sein, dass ein festes und statisches Stundenentgelt maßgeblich sein soll.
942)
95Die Auslegung vertraglicher Willenserklärungen hat grundsätzlich vom Wortlaut auszugehen (MünchKomm-Busche, § 133, Rz. 56).
96Für die Auslegung einer Willenserklärung schreibt § 133 BGB dabei die Erforschung des wirklichen Willens vor; in Rechtsprechung und Literatur herrscht jedoch Übereinstimmung dahingehend, dass nicht der innere, sondern lediglich der bekundete Wille Thema der Auslegung ist. Entscheidend ist dabei der Empfängerhorizont.
97Für Verträge schreibt § 157 BGB darüber hinaus vor, dass Treu und Glauben und die Verkehrssitte zu berücksichtigen sind.
98Es ist daher vom Wortlaut der Erklärung ausgehend der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen und unter Berücksichtigung der erkennbaren Begleitumstände zu ermitteln, welchen Willen der Erklärende gehabt hat und wie der Empfänger der Erklärung das Angebot des anderen Vertragsteils nach Treu und Glauben und mit Berücksichtigung der Verkehrssitte verstanden hat oder verstehen musste (BAG 06.09.1990, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 3).
99Zu den zu berücksichtigenden Beleitumständen gehören die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien nach Abschluss des Rechtsgeschäfts, der Zweck der Vereinbarung und die beim Abschluss der Vereinbarung vorliegende Interessenlage
100(BAG 08.03.2006, EzA HGB § 74 Nr. 67).
101Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zulegen sind.
102Soweit auch der mit dem Vertrag verbundene Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten: Bleiben nach Erwägung dieser Umstände Zweifel, geht dies nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders (BAG 31.08.2005, EzA ArbZG § 6 Nr. 6;BAG 09.11.2005, EzA BGB 2002 § 305c Nr. 3; BAG 19.07.2007, EzA BGB 2002 § 623 Nr. 7).
1033)
104Unter Berücksichtigung dieser Kriterien haben die Parteien durch die Bezugnahmeklausel in § 1 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages vom 12.11.1997 das jeweils maßgebende Tarifentgelt vereinbart.
105Die Parteien haben durch die allgemeine Bezugnahmeklausel, die allen Einzelregelungen vorangestellt ist, verdeutlicht, dass die dort genannten Tarifverträge für das Arbeitsverhältnis maßgeblich sein sollen, und dies in der jeweils geltenden Fassung, womit die Parteien dynamisch auf die tariflichen Bestimmungen verwiesen haben.
106Zwar haben die Parteien in § 4 Ziffer 1 nicht ausgefüllt, in welche Entgeltgruppe der Kläger eingruppiert sein soll und in § 4 Ziffer 2 einen bestimmten Entgeltbetrag genannt. Beide Bestimmungen sind jedoch nicht isoliert zu betrachten. Den allgemeinen Verweis auf die aktuellen tariflichen Bestimmungen durfte der Kläger aber wie ein redlicher Arbeitnehmer so verstehen, dass ihm das jeweilige Tarifentgelt gewährt werden soll.
107Die Bezugnahmeklausel ist zudem an den Anfang des Vertrages gestellt und verdeutlicht durch diese Stellung, dass den tariflichen Bestimmungen maßgebliche Bedeutung zukommen soll, sie ist nicht nur als Auffangklausel in den letzten Bestimmungen des Arbeitsvertrages genannt und könnte dadurch den Eindruck erwecken, dass sie nur ergänzend gelten soll. Die Bezugnahmeklausel selbst enthält auch keinerlei Beschränkung im Wortlaut, dass sie nur dann gelten soll, wenn im Vertrag nichts anderes vereinbart ist (hierzu BAG 10.07.2013, EzA BGB 2002 § 305 c Nr. 24).
108Dies gilt umso mehr, als unwidersprochen das Stundenentgelt der damaligen tariflichen Vergütung für die Tätigkeit des Klägers entsprach. Das ab dem 01.11.1997 maßgebliche Tarifentgelt für Handwerker im ersten Jahr der Tätigkeit betrug3.517,- DM bei einer Arbeitszeit von 163 Stunden.
109§ 4 Ziffer 2 enthält auch darüber hinaus keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Regelung in § 4 Ziffer 2 konstitutiv gelten sollte und von tariflichen Regelungen unabhängig sein sollte.
110Maßgeblich zu berücksichtigen war ferner, dass der Vertrag in § 4 Ziffer 4 zwischen tariflichem Entgelt und übertariflichem Entgelt unterscheidet und für das übertarifliche Entgelt Kürzungs- und Widerrufsmöglichkeiten sowie eine Anrechnung bei Erhöhung der Tarifentgelte vorsieht. Die Differenzierung zwischen Tarifentgelt und übertariflichem Entgelt ist ein Kriterium, dass den Eindruck erweckt, das jeweilige Tarifentgelt jedenfalls zahlen zu wollen (hierzu BAG 13.02.2013, EzA BGB 2002 § 305 c Nr. 22).
111Es konnte daher dahingestellt bleiben, ob der nachträglichen Handhabung, nämlich der Gewährung des Tarifentgelts für die Dauer der Mitgliedschaft der Beklagten im Verband mit Tarifbindung, ein Erklärungswert beizumessen ist, weil die Weitergabe von Erhöhungen auch auf einer nachträglichen Entscheidung beruhen kann (BAG 09.11.2005, EzA BGB 2002 § 305c Nr.3).
112Haben die Parteien daher eine dynamische Verweisung vereinbart, ist diese als rechtsbegründend anzusehen (BAG 19.03.2003, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr.27).
1134)
114Wären im Übrigen beide Auslegung vertretbar und wäre keiner der beiden Varianten der Vorzug zu geben, würde die Unklarheitenregelung, die auch schon vor dem 01.01.2002 galt, zu Lasten der Beklagten als der Partei gehen, die den Vertragstext vorgegeben hat.
115Die Anwendung der Unklarheitenregelung setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines davon den klaren Vorzug verdient (BAG 20.01.2010, DB 2010, 730; BAG 09.02.2011, DB 2011, 1584),
116II.
117Der Auslegung als dynamische Verweisung steht auch nicht die Vertragsänderung aus März 2005 entgegen.
1181)
119Richtigerweise ist die allgemeine Bezugnahmeklausel für Verträge, die vor dem 01.01.2002 geschlossen worden sind, als sog. Gleichstellungsabrede verstanden worden (vgl. z.B. BAG 21.08.2002, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 21; BAG 16.10.2002, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr.22).
120Nachdem das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 14.12.2005 (EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 32) bereits erklärt hatte, für Verträge, die nach dem 31.12.2011 geschlossen worden seien, diese Auslegungsregel nicht mehr anwenden zu wollen, soweit es keine Anhaltspunkte für solches Verständnis gebe, für Verträge aus der Zeit davor die Auslegungsregel als Gleichstellungsabrede aus Gründen des Vertrauensschutzes aber weiter anzuwenden, hat das Bundesarbeitsgericht in der Folgezeit in einer einzelvertraglich vereinbarten dynamischen Verweisung auf einen bestimmten Tarifvertrag jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den in Bezug genommenen Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel gesehen, die durch einen Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder einen sonstigen Wegfall seiner Tarifgebundenheit nicht berührt wird (BAG 18.04.2007, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35).
1212)
122Als maßgeblich für die Auslegung und die Gewährung von Vertrauensschutz sieht die Rechtsprechung dabei an, ob bei einer Vertragsänderung nach dem 01.01.2002 von einem „Neuvertrag“ oder einem „Altvertrag“ auszugehen ist, was wiederum davon abhängt, ob die Bezugnahmeklausel erneut zum Gegenstand rechtsgeschäftlicher Willensbildung gemacht worden ist. Nur wenn die jeweilige Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist, ist sie von der Vertragsänderung erfasst (BAG 18.11.2009, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tairfvertrag Nr. 43).
123Einen deutlichen Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 01.01.2002 ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten, sieht das Bundesarbeitsgericht beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass “alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“. Eine solche Regelung hindere die Annahme eines “Altvertrags” und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (BAG 18.11.2009, aaO).
124Bereits zuvor hatte das Bundesarbeitsgericht (30.07.2008, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 38) entschieden, dass mit einer Formulierung wonach „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“ die Parteien trotz geänderter Gesetzeslage unverändert an den Bestimmungen des vor dem 01.01.2002 vereinbarten Ausgangsvertrages festgehalten hätten.
1253)
126Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ergibt die Auslegung der Vertragsänderung von März 2005 nach den dargestellten Grundsätzen für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen, dass die Parteien eine dynamische Verweisung auf die Bestimmungen des Lohntarifvertrages für die Beschäftigten im Einzelhandel in NRW vereinbart haben. Es liegt kein „Altvertrag“ vor, der zu einer Auslegung der Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede führt.
127a)
128Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass die Bezugnahmeklausel erneut zum Gegenstand rechtsgeschäftlicher Willensbildung gemacht worden ist, ergibt sich aus dem vertraglichen Wortlaut, dass „die dabei nicht genannten Regelungen weiter gelten“. Dies ergibt bereits einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür, dass Regelungen weiter gelten sollen, soweit sie nicht von den nachfolgend aufgezählten enumerativen Änderungen betroffen sind. Der ursprüngliche Arbeitsvertrag soll auch nur „wie folgt“ geändert werden, der Rest soll daher nach dem Wortlaut bereits „weiter gelten“.
129b)
130Der Gesamtzusammenhang des Textes macht daher klar, dass Regelungen aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag nur insoweit einer Änderung unterworfen werden sollen, als sie nachfolgend ausdrücklich genannt sind. Die vorangestellte Regelung des „Weitergeltens“ der übrigen Regelungen macht deutlich, dass diese eben nicht von einer Änderung erfasst sein sollen, sondern deren weitere Geltung vereinbart wird.
131c)
132Zutreffend ist davon auszugehen, dass auch außerhalb des reinen Wortlauts liegende Umstände zu berücksichtigen sind, soweit sie einen Rückschluss auf den Inhalt der Vereinbarung abgeben. Auch dies führt jedoch zu keinem anderen Verständnis.
133Es mag insoweit zutreffen, dass die Arbeitnehmer vom Wechsel der Beklagten in eine OT-Mitgliedschaft Kenntnis hatten und daher davon ausgehen mussten, dass die Beklagte künftig sich aus Regelungen der Tarifverträge lösen wollte. Wenn dann aber nur ganz bestimmte Arbeitsbedingungen erwähnt werden, die zu Lasten der Arbeitnehmer abgeändert werden sollen und im Übrigen die sonstigen, nicht erwähnten Regelungen aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag weiter gelten sollen, wird damit gerade der Eindruck und die Erwartung erweckt, die Lösung aus dem Tarif bestehe lediglich in den erwähnten Bereichen, ansonsten solle der Ausgangsvertrag unverändert bleiben. Gerade damit wird eine Regelung getroffen, die auch weiterhin die nunmehr konstitutive Bindung an tarifliche Regelungen beinhaltet, soweit nicht bestimmte Vertragsgegenstände ausdrücklich erwähnt sind.
134Gerade weil auch ein so gewichtiger Aspekt wie das Entgelt nicht erwähnt wird, ergibt sich, dass die Arbeitnehmer weiterhin davon ausgehen durften, die ursprüngliche Vergütungsregelung mit der Anbindung an den Tarifvertrag bleibe trotz fehlender nunmehriger Tarifbindung erhalten. Ansonsten hätte es nahe gelegen, auch diesen Vertragsgegenstand zu erwähnen und es nicht bei der Formulierung zu belassen, dass die nicht genannten Regelungen weiter gelten.
135Auch die Nichtgeltendmachung künftiger Tariferhöhungen führt nicht dazu, dass von einem gemeinsamen Verständnis über die Bedeutung der Klausel auszugehen ist; die fehlende Geltendmachung kann unterschiedliche Gründe haben, ohne dass daraus geschlossen werden kann, der Kläger und die Arbeitnehmer hätten die Vertragsänderung so verstanden, dass nunmehr das Entgelt auf alle Zeit eingefroren ist.
136Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger die gerichtlich geltend gemachten Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung lediglich auf der Basis des tatsächlich gewährten Entgelts berechnet hat.
137d)
138Soweit der Vertragswortlaut unklar wäre und für kein Verständnis ein klarer Vorzug anzunehmen wäre, müsste diese Unklarheit nach § 305c Absatz 2 BGB zu Lasten der Beklagten als der Verwenderin gehen.
139Die Vereinbarung aus März 2005 mit identischem Wortlaut ist Gegenstand einer Reihe von Änderungsabreden mit Arbeitnehmern der Beklagten.
140III.
141Die Parteien haben auch in der Folgezeit keine Regelung getroffen, mit der das Entgelt des Klägers konstitutiv festgeschrieben worden ist.
1421)
143Der gerichtliche Vergleich vom 09.07.2010 sowie der außergerichtliche Vergleich vom 18.01.2011 betreffen ausschließlich die Fragen der Gewährung von Mehrarbeitsvergütung und des Umfangs eines Urlaubsanspruchs des Klägers u.a. vor dem Hintergrund der Verlängerung der vertraglichen Arbeitszeit auf 40 Stunden in der Woche.
144Regelungen über das Entgelt des Klägers enthalten beide Vereinbarungen nicht, die Höhe des monatlichen oder des Stundenentgelts war auch nicht Gegenstand der Auseinandersetzung.
145Allein mit der Festlegung eines Betrages, der für geltend gemachte Mehrarbeit zu leisten ist, haben die Parteien keine Abrede über die Höhe des Grundentgelts getroffen.
1462)
147Die „Personalveränderung“ vom 09.10.2002, wenn sie denn Vertragscharakter hat, betrifft ersichtlich keine Regelung über die Vergütungshöhe.
148Ihr lag ein Verlangen des Klägers auf Teilzeitbeschäftigung zugrunde, dem die Beklagte entsprochen hat. Hinsichtlich der Vergütung war weder eine Abrede der Parteien erforderlich, noch gewollt. Es ging lediglich um den Umfang der regelmäßigen Arbeitszeit für einen vorübergehenden Zeitraum.
149Mit der Formulierung „bleibt“ unter der Rubrik „Lohn/Gehalt/Garantiegehalt“ ist daher nichts anderes gemeint, als dass ein geändertes Entgelt nicht der Abrede unterliegt. Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien hiermit anlässlich eines Teilzeitbegehrens eine Vergütungsabrede treffen wollte.
150Zudem wäre diese allenfalls für den genannten Zeitraum 05.10.2012 bis zum 04.12.2012 maßgeblich.
151IV.
152Ansprüche des Klägers sind auch nicht verwirkt.
1531)
154Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Es ist nicht Zweck der Verwirkung, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien.
155Einmal muss der Gläubiger mit der Geltendmachung des Anspruchs gezögert haben. Allein der Zeitablauf kann aber die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen. Für die Annahme einer Verwirkung müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:
156Es müssen zu dem Zeitmoment besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Dabei muss der Berechtigte unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
157Schließlich muss dem Schuldner jetzt die Erfüllung des Anspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten sein
158Dabei geht es bei der Verwirkung nicht darum, ob einem Schuldner die Erfüllungeiner Verbindlichkeit überhaupt zuzumuten ist, sondern ob ihm die verspätet geforderte Erfüllung, auf deren Leistung er sich nicht mehr eingestellt hatte, noch zuzumuten ist (BAG 13.08.2008, EzA AÜG § 10 Fiktion Nr. 121; BAG 23.07.2009, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113; BAG 20.04.2010, DB 2010,).
159Zwischen den Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf besteht dabei eine Wechselwirkung. Der erforderliche Zeitablauf kann umso kürzer sein, je gravierender die Umstände sind; umgekehrt sind an die Umstände desto geringere Anforderungen zu stellen, je länger der abgelaufene Zeitraum ist (BAG 12.12.2006, EzA GG Art. 3 Nr. 105).
160Das Umstandsmoment für eine Verwirkung ist zu verneinen, wenn der Berechtigte von den ihm zustehenden Ansprüchen nichts weiß, insbesondere, wenn die Unkenntnis auf dem Verhalten des Verpflichteten beruht, wofür die Verwendung einer unwirksamen AGB-Klausel einen typischen Fall bildet (BAG 22.02.2012, DB 2012, 1932).
1612)
162Nach diesen Kriterien war von einer Verwirkung des Anspruchs nicht auszugehen.
163a)
164Zwar hat der Kläger mit der Geltendmachung eines Anspruchs auf Gewährung tariflichen Entgelts längere Zeit zugewartet und dabei vier tarifliche Entgelterhöhungen nicht zum Anlass genommen, geltend zu machen, er sei tarifgemäß zu vergüten.
165b)
166Allein dadurch hat er bei der Beklagten jedoch nicht den berechtigten Eindruck erweckt, diese werde künftig nicht mehr auf tarifkonforme Vergütung in Anspruch genommen.
167Allein die Nichtgeltendmachung ist dabei nicht geeignet, das erforderliche Umstandsmoment zu begründen.
168Auch die gerichtliche Geltendmachung von Bezahlung von Mehrarbeitsstunden unter Zugrundelegung des tatsächlich gewährten Entgelts und Nachgewährung von Urlaubstagen durfte bei der Beklagten nicht den Eindruck erwecken, sie werde hinsichtlich des nunmehrigen Begehrens nicht mehr in Anspruch genommen.
169Ein berechtigtes Vertrauen der Beklagten konnte sich lediglich insoweit entwickeln, als der Kläger Ansprüche gestellt hat. Dies könnte dazu führen, die Vergütung von Mehrarbeit nunmehr nicht mehr auf einer anderen Berechnungsbasis geltend machen zu können, als dies geschehen ist, soweit nicht ohnehin tarifliche Verfallfristen oder Verjährung dem entgegenstehen. Mit der Fragestellung, ob Arbeitsstunden über die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit hinaus als Mehrarbeit zu vergüten sind, war jedoch nicht die Frage verbunden, ob das der Klageforderung zugrunde gelegte Entgelt überhaupt das zutreffende ist.
170Der Kläger ist daher lediglich schlicht untätig geblieben in Bezug auf die Gewährung tariflichen Grundentgelts.
171Ein Erfordernis, der Nichtweitergabe tariflicher Erhöhungen in irgendeiner Form zu widersprechen, würde das Aufstellen von Handlungspflichten begründen, die eine Verwirkung von Ansprüchen nicht begründen kann (BAG 14.02.2007, EzA BGB 2002 § 242 Verwirkung Nr.2).
172Selbst ein in einem Aufhebungsvertrag enthaltenes negatives deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist allein nicht geeignet, ein Umstandsmoment für eine Verwirkung zu begründen (BAG 25.09.2013, ArbRB 2014, 7).
173Zudem ging die Beklagte nach ihrer Darlegung davon aus, sich mit der Vertragsänderung aus einer tariflichen Bindung lösen zu können. Wer aber selbst keine Kenntnis von möglichen Ansprüchen hat, kann auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung nicht konkret hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs vertrauen (BAG 25.09.2013, aaO).
174Soweit daher schon keine Gesichtspunkte gegeben sind, aufgrund derer die Beklagte darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, kam es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf an, ob der Beklagten die Erfüllung der Forderungen zumutbar ist.
175V.
176Über die Höhe des Anspruchs nach den Berechnungen des Klägers besteht kein Streit.
177Die Berechnungen des Klägers sind von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden.
178C.
179Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Gleiches gilt für die Kosten hinsichtlich der Geltendmachung für weitergehende Monate.
180Soweit der Kläger das Feststellungsbegehren zurückgenommen hat, war dieskostenmäßig nicht zu berücksichtigen, da die Frage der Anwendung des Lohntarifvertrages eine Zwischenfeststellung betrifft, die hinsichtlich der Zahlungsansprüche ohnehin zu entscheiden ist.
181Infolge grundsätzlicher Bedeutung war die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 07.03.2014 – 4 Ca 2099/13 – wird zurückgewiesen.
Auf den Antrag des Klägers wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 2.065,40 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 379,48 € seit 01.04.2014 und seit 01.05.2014 sowie aus je 435,48 € seit dem 01.06.2014, 01.07.2014 und 01.08.2014 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über Engeltansprüche des Klägers gegen die Beklagte aufgrund einer streitigen Bindung an den Lohntarifvertrag für den Einzelhandel NRW.
3Der Kläger ist seit dem 01.01.1998 bei der Beklagten als Haustischler beschäftigt, Grundlage der Beschäftigung war zunächst ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 12.11.1997.
4In § 1 Ziffer 3 dieses Arbeitsvertrages heißt es auszugsweise:
5„Die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes NRW in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge sind Bestandteil dieses Vertrages.“.
6In § 4 Ziffer 1 war der Passus zur Eingruppierung des Klägers nicht ausgefüllt.
7§ 4 Ziffer 2 lautet:
8„Das vereinbarte Entgelt beträgt: 21,54 DM pro Stunde“
9In § 4 Ziffer 4 ist des Weiteren geregelt, dass über das tarifliche Entgelt hinausgehende Bestandteile gekürzt oder widerrufen werden können, zudem bei einer Erhöhung der Tarife angerechnet werden können.
10Die Beklagte ist Mitglied des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe, der wiederum Mitglied im Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen ist.
11Die Beklagte war zunächst Mitglied mit Tarifbindung. Mit Schreiben vom 20.09.2004 erklärte sie gegenüber dem Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe den Ausschluss der Tarifbindung zum Ablauf des auf den Zugang dieser Erklärung folgenden Monats. Mit Schreiben vom 23.09.2004 bestätigte der Verband die Annahme des Antrages zum Wechsel in die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft). Der Verband führt seit dem 01.11.2004 die Beklagte als Mitglied ohne Tarifbindung.
12Bis zu diesem Zeitpunkt wurde der Lohn des Klägers regelmäßig entsprechend den Tarifabschlüssen erhöht.
13Im März 2005 schlossen die Parteien eine Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages (Bl 7 der GA):
14Diese hat folgenden Wortlaut:
15„Die Parteien sind sich darüber einig, dass der zwischen ihnen bestehende Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.04.2005 wie folgt geändert wird. Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter. Ebenso bleibt die Dauer der Betriebszugehörigkeit gewahrt
16Arbeitszeit
17Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden
18Zuschläge
19Auf Spät- und Mehrarbeitszuschläge besteht kein Anspruch
20Sonderzahlungen
21…
22Urlaub
23...“
24Jedenfalls nach Abschluss dieser Vereinbarung gab die Beklagte Tariflohnerhöhungen im Einzelhandel nicht mehr an den Kläger weiter.
25In dem Rechtsstreit 3 Ca 978/07 vor dem ArbG Münster, dessen Gegenstand im Wesentlichen war, ob es sich bei der Erhöhung von 37,5 Stunden auf 40 Stunden/ Woche um eine Arbeitszeiterhöhung mit oder ohne Lohnausgleich handelte schlossen die Parteien gem. § 278 Abs. 6 ZPO unter dem 09.07.2010 (Bl 59/60 der GA) einen Prozessvergleich, nach dem sich die Beklagte zur Zahlung eines bestimmten Betrages für Mehrarbeit im Zeitraum September 2006 bis Januar 2010 sowie zur Gewährung von Urlaubstagen rückwirkend ab 2007 verpflichtete. Ferner wurde eine Einigkeit der Parteien geregelt, dass der Kläger ab dem 01.01.2010 wöchentlich 37,5 Arbeitsstunden erbringt. Unberührt blieben Mehrarbeitsansprüche für die Zeit Oktober 2005 bis August 2006 und Ansprüche auf Urlaubsgutschrift für 2005 und 2006. Die Frage der Vergütungshöhe thematisierte der Kläger in diesem Verfahren nicht.
26Einen weiteren außergerichtlichen Vergleich schlossen die Parteien unter dem 18.01.2011 (Bl 62 GA) über Ansprüche aus dem Zeitraum November 2005 bis August 2006.
27Mit Schreiben vom 06.08.2012 beantragte der Kläger für die Zeit von Oktober 2012 bis November 2012 Elternzeit und gleichzeitig Teilzeit während der Elternzeit im Umfang von 30 Stunden. Die Beklagte entsprach dem Antrag mit Schreiben vom 11.08.2012. Unter dem 09.10.2012 unterschrieben der Kläger und sein Vorgesetzter ein als „Personalveränderung“ betiteltes Schriftstück (Bl 63 GA), in dem u.a. die bisherige Arbeitszeit und die nunmehrige Arbeitszeit gegenübergestellt waren. Unter der Rubrik „Lohn/ Gehalt/ Garantiegehalt“ ist die Spalte „bisher“ nicht ausgefüllt, in der Spalte „künftig“ heißt es „bleibt“.
28Mit Schreiben vom 26.09.2013 machte der Kläger Entgeltdifferenzansprüche für die Zeit ab März 2013 gegenüber der Beklagten erfolglos geltend mit der Begründung, er habe als Haustischler Anspruch auf Vergütung der Lohngruppe III, (Lohnstaffel e).
29Solche Ansprüche verfolgt der Kläger mit der unter dem 08.11.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage weiter.
30Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Lohntarifverträge für den Einzelhandel seien auf sein Arbeitsverhältnis anwendbar. Dies ergebe sich aus § 1 Ziffer 3 seines Arbeitsvertrages. Dort sei eine Tarifdynamik vereinbart worden, was auch dadurch deutlich werde, dass sein Entgelt bis 2005 regelmäßig entsprechend den Tarifabschlüssen erhöht worden sei.
31Früher habe die Rechtsprechung eine solche Regelung zwar als Gleichstellungsabrede angesehen; zwischenzeitlich werde eine solche Abrede aber als dynamische Verweisungsklausel verstanden.
32Aufgrund der Änderungsvereinbarung aus März 2005 handele sich bei der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag auch nicht um einen sogenannten Altfall, nach dem die Klausel als Gleichstellungsabrede verstanden werden könne.
33Der Personalveränderungsbogen habe sich nur auf die Arbeitszeitänderung während der Elternzeit des Klägers bezogen. Eine Änderung der arbeitsvertraglichen Vergütung, insbesondere der Eingruppierung, sei damit nicht verbunden gewesen. Im Übrigen handele es sich nur um eine interne Veränderungsmitteillung mit nur deklaratorischem Charakter.
34Der Kläger hat beantragt,
35- 36
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.404,80 € brutto nebst5%-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 301,48 € seit dem 01.04.2013, 01.05.2013, 01.06.2013, 01.07.2013 und 01.08.2013 sowie aus je 379,48 € seit dem 01.09.2013, 01.10.2013, 01.11.2013, 01.12.2013 und 01.01.2014 zu zahlen,
- 38
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 758,96 € brutto nebst 5%-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 379,48 € seit dem 01.02.2014 und 01.03.2014 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
40die Klage abzuweisen.
41Sie hat die Auffassung vertreten, der Arbeitsvertrag verweise hinsichtlich der Lohnhöhe schon nicht auf die Tarifverträge des Einzelhandels. Dies folge daraus, dass unter § 4 Ziffer 2 ein konkreter Stundenlohn von 21,54 DM vereinbart worden sei.
42Im Übrigen handele es sich bei § 1 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages um eine Gleichstellungsabrede. Ihr sei insoweit Vertrauensschutz zu gewähren. Soweit es in der Änderungsvereinbarung heiße, das „die dabei nicht genannten Regelungen“ weiter gelten, stelle diese Regelung eine Floskel dar, derer es in rechtlicher Hinsicht gar nicht bedurft hätte und der folglich auf die vorliegende Vertragsänderung bezogen auch keine Bedeutung zukomme. Ihr sei es, für den Kläger klar erkennbar, nur darauf angekommen, keine redaktionell ganz neu verfassten Arbeitsverträge aufzusetzen. Klar sei damit auch gewesen, dass sie sich aus dem Tarifvertrag habe lösen wollen.
43Ein etwaiges Recht des Klägers, sich auf die Bezugnahmeklausel zu berufen, sei im Übrigen nach § 242 BGB verwirkt. Der Kläger habe nämlich zu keinem einzigen Zeitpunkt eine Tarifdynamik geltend gemacht, obschon in den vergangenen Jahren regelmäßig Erhöhungen der Tarifvergütungen stattgefunden hätten.
44Mit der sogenannten Personalveränderung hätten sich die Parteien ihrer Meinung nach im Nachwirkungszeitraum darauf geeinigt, dass die Vergütung so bleiben solle, wie der Kläger sie vor der Elternzeit tatsächlich bezogen habe.
45Mit Urteil vom 07.03.2014 hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
46Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe nach seinem Arbeitsvertrag in Verbindung mit der Änderungsvereinbarung aus März 2005 sowie den geltenden Entgelt- bzw. Lohnverträgen im Einzelhandel NRW Anspruch auf die geltend gemachten monatlichen Differenzvergütungen.
47Die Auslegung des schriftlichen Arbeitsvertrages aus dem Jahre 1998 ergebe, dass mit § 1 Ziffer 3 auch auf die Lohntarifverträge verwiesen worden sei. Zwar sei in § 4 Ziffer 2 ein ausdrückliches Stundenentgelt von 21,54 DM als vereinbartes Entgelt genannt, in § 4 Ziffer 1 sei im Weiteren die Gehalts-/Lohngruppe offen gelassen. Die Systematik könne daher für die Argumentation der Beklagten sprechen, dass die Lohnhöhe als lex specialis geregelt sei. Dagegen spreche jedoch die tatsächliche Handhabung der Parteien, dass die Tariferhöhungen bis zum Ausscheiden der Beklagten aus der Tarifbindung an den Kläger weitergegeben worden seien.
48Zuzugestehen sei der Beklagten ferner, dass es sich zunächst bei dem Arbeitsvertrag des Klägers um einen sogenannten Altvertrag handele. Nach der Rechtsprechung des BAG wäre damit § 1 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages als Gleichstellungsabrede auszulegen. Dies führe bei einem Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers dazu, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung zum Zeitpunkt des Austritts anzuwenden wären. Für Arbeitsverträge, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 geschlossen worden seien, wende das BAG die Auslegungsregel der Gleichstellungsabrede jedoch nicht mehr an.
49Bei Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 abgeschlossen wurden („Altverträge“), komme es bei einer Vertragsänderung nach dem 01.01.2002 für die Beurteilung, ob es hinsichtlich der Auslegung dieser Klausel um einen Neu- oder Altvertrag handele darauf an, ob die Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Parteien gemacht worden sei oder nicht.
50Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden sei und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechtes am 01.01.2002 ausdrücklich an dem zuvor getroffenen Regelungen festhalten, liege beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“. Unter Zugrundelegung der so beschriebenen Rechtsprechung des BAG liege demnach kein sogenannter Altvertrag vor.
51Damit sei die Verweisungsklausel ab März 2005 als dynamische Verweisung zu verstehen. Geschuldet sei nunmehr der tarifliche Lohn.
52Eine anderweitige, spätere Vereinbarung, wonach nunmehr nicht mehr der tarifliche Lohn geschuldet sein soll, ergebe sich aus dem Vorbringen der Parteien nicht. Die Vergleiche vom 09.07.2010 und vom 18.01.2011 enthielten schon keine Regelung darüber, welche Lohnhöhe – für die Zukunft – geschuldet sein solle. Auch aus dem vom Kläger unterzeichneten Schriftstück „Personalveränderung“ vom 09.10.2012 lasse sich keine Vereinbarung entnehmen, dass nunmehr die geschuldete Lohnhöhe geändert werden sollte. Aus der Formulierung „bleibt“ sei schon kein Wille der Parteien zu entnehmen, die Lohnhöhe zu ändern. Selbst wenn man an diesem Auslegungsergebnis Zweifel haben sollte, so gingen diese nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten als Verwenderin des Formulars „Personalveränderung“.
53Gegen die Berechnung der Höhe der Entgeltdifferenzen erfolgten keine Einwendungen.
54Die hier geltend gemachten Entgeltdifferenzansprüche seien auch nicht verwirkt. Ein Recht sei verwirkt, wenn der Gläubiger es längere Zeit nicht ausgeübt habe, der Schuldner darauf vertraut habe, er werde nicht mehr in Anspruch genommen werden, und dem Schuldner die Erfüllung unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht mehr zumutbar sei. Soweit die Beklagte meine, der Kläger könne sich nicht mehr auf die Inbezugnahmeklausel berufen, weil er in der Vergangenheit trotz regelmäßiger Tariflohnerhöhungen eine Tarifdynamik nicht geltend gemacht habe, überzeuge dies nicht. Eine abweichende Vereinbarung hinsichtlich der Lohnhöhe existiere gerade nicht. Es seien auch sonst keine Umstände erkennbar, aufgrund derer die Beklagte schutzwürdig darauf habe vertrauen dürfen, dass der Kläger seine vertraglichen Rechte in Zukunft nicht mehr einfordern werde.
55Gegen das unter dem 31.03.2014 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter dem 03.04.2014 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und unter dem 15.05.2014 begründet.
56Die Beklagte verbleibt zum einen bei ihrer Auffassung, es liege schon eine konstitutive Lohnvereinbarung vor, so dass schon die Bezugnahmeklausel aus dem ursprünglichen Vertrag nicht zum Tragen komme. Dabei könne der Umstand, dass Tariferhöhungen bis 2005 weitergegeben worden seien, für die Auslegung nicht herangezogen werden. Die Argumentation des Arbeitsgerichts sei insoweit auch widersprüchlich, wenn es andererseits der Nichtweitergabe von Tariferhöhungen nach der Vereinbarung aus März 2005 keinen Erklärungswert beimesse.
57Zu Unrecht gehe das Arbeitsgericht auch davon aus, die Vereinbarung aus März 2005 führe zur Annahme, dass die Parteien eine dynamische Verweisungsklausel auf den Tarifvertrag vereinbart hätten. Die Bezugnahmeklausel sei vielmehr nicht erneut zum Gegenstand rechtsgeschäftlicher Willensbildung gemacht worden. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der Kläger von der Umwandlung ihrer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband in eine OT-Mitgliedschaft gewusst habe, die Vereinbarung daher ersichtlich dazu habe dienen sollen, sich aus der Tarifbindung zu lösen. Die Parteien hätten die Hauptleistungspflichten, wozu auch die Vergütung gehöre, dem Tarifvertrag entziehen wollen.
58Zudem handele es sich bei der Vereinbarung vom 09.10.2012 um eine wirksam im Nachwirkungszeitraum getroffene Vereinbarung mit dem Inhalt, dass der Kläger, die bisher gezahlte Vergütung mit 30/37,5 weiterhin in der Zukunft erhalten solle.
59Nichts anderes gelte für die Vergleiche vom 09.07.2010 und 18.01.2011. In diesen hätten sich die Parteien ihrer Meinung nach auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft verständigt.
60Jedenfalls aber seien mögliche Ansprüche des Klägers verwirkt. Dies folge aus der Erhebung der Zahlungsklage durch den Kläger. Das für eine Verwirkung notwendige Umstandsmoment liege ohnehin schon darin, dass der Kläger seine Arbeitsleistung weiter erbracht habe, ohne Ansprüche auf Tariflohnerhöhung geltend zu machen.
61Die Beklagte beantragt,
62das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 07.03.2014 abzuändern und die Klage abzuweisen und
63die Anträge des Klägers aus dem Schriftsatz vom 23.06.2014 abzuweisen.
64Der Kläger beantragt,
65die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und
66die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 2.065,40 € brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 379,48 € seit dem 01.04.2014 und 01.05.2014 sowie aus je 435,48 € seit dem 01.06.2014, 01.07.2014 und 01.08.2014 zu zahlen.
67Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil dahingehend, richtigerweise sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass sich die Anspruchsgrundlage in § 1 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages befinde, wobei unschädlich sei, dass ein Feld in § 4 Ziffer 1 nicht ausgefüllt sei und in § 4 Ziffer 2 ein bestimmter Betrag genannt sei. Denn dieser Teil des Arbeitsvertrages betreffe nur die deklaratorische Mitteilung der Eingruppierung und den damals für die maßgebliche Eingruppierung maßgeblichen Stundenlohn. Das entsprechende Verständnis ergebe sich auch daraus, dass alle Arbeitnehmer, die vor und bis zum Verbandsaustritt der Beklagten eingestellt worden seien, den jeweiligen Tariflohn erhalten hätten.
68Die dynamische Verweisungsklausel sei auch im Änderungsvertrag zum Gegenstand rechtsgeschäftlicher Willensbildung gemacht worden Dies ergebe sich auch aus dem Zusammenhang der Regelungen, mit denen den Arbeitnehmern gerade habe klargemacht werden sollen, dass sie nur die aufgezählten Verschlechterungen hätten hinnehmen sollen. Die Regelung „Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter“ stehe der Annahme eines Altfalles zum Verständnis einer Verweisungsklausel entgegen. Eine andere Auslegung folge auch nicht aus dem Umstand, dass er sich in der Folgezeit zunächst nicht gegen unterbliebene Tariferhöhungen gewehrt habe.
69Die Veränderung der Arbeitszeit anlässlich des Begehrens von Teilzeittätigkeit während der Elternzeit sei nicht mit einer neuen Einigung über die Vergütung einhergegangen. Der Personalveränderungsbogen habe sich ausschließlich auf die Arbeitszeit bezogen. Im Übrigen handele es sich bei diesem lediglich um ein internes Dokument, nicht um eine Arbeitsvertragsänderung.
70Die Vergleiche aus den Jahren 2010 und 2011 hätten sich ausschließlich auf die im dortigen Verfahren streitig gestellten Ansprüche bezogen.
71Schließlich habe das Arbeitsgericht zutreffend angenommen, die Ansprüche seien nicht verwirkt. Untätigkeit allein könne nicht zur Annahme einer Verwirkung führen. Weder dem Personalveränderungsbogen, noch den Vergleichen könne ein Wille auf einen Verzicht entnommen werden, sie seien nicht geeignet, ein über ihre rechtliche Bedeutung und den sich hieraus ergebenden Rechtswirkungen hinausgehendes Vertrauen zu begründen. Wehre sich ein Arbeitnehmer gegen eine vom Arbeitgeber verkündete falsche Anwendung des Tarifvertrages nicht, löse dies nicht das für eine Verwirkung notwendige Umstandsmoment aus.
72Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
73Entscheidungsgründe
74Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
75A.
76Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.
77I.
78Die Berufung ist statthaft gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 b) ArbGG.
79Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO.
80II.
81Bedenken bestehen auch nicht an der Zulässigkeit der Klageerweiterung im Berufungsrechtszug.
82Soweit die Erstreckung der Zahlungsklage auf weitere Monate als Klageänderung anzusehen wäre, genügte sie jedenfalls den Anforderungen des § 533 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG.
83Die mögliche Klageerweiterung stellt sich als sachdienlich dar, da der Streit der Parteien um die Höhe der zu zahlenden Vergütung für weitere Monate beigelegt werden kann. Sie kann zudem auf Tatsachen gestützt werden, die ohnehin der Entscheidung über die Berufung zugrunde zu legen sind; der Sachverhalt zur Beurteilung der Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung von Tarifentgelt hat, ist unverändert geblieben.
84B.
85Die Berufung der Beklagte ist jedoch nicht begründet.
86Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Parteien im ursprünglichen Arbeitsvertrag dynamisch das Tarifentgelt vereinbart haben (I.), auch nach Wechsel der Beklagten in eine OT-Mitgliedschaft die Parteien die Dynamisierung durch Vereinbarung von März 2005 beibehalten haben (II.), eine abändernde Entgeltvereinbarung in der Folgezeit weder durch Vergleiche, noch eine Abrede über Teilzeittätigkeit getroffen worden ist (III.) und Ansprüche des Klägers nicht verwirkt sind (IV.)
87I.
88Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aufgrund einer tarifvertraglichen Grundlage, da eine Tarifbindung der Beklagten jedenfalls unstreitig nicht gegeben ist.
89Der geltend gemachte Anspruch des Klägers ergibt sich aber aus § 1 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages vom 12.11.1997 in Verbindung mit der Abänderungsvereinbarung aus März 2005.
90Im ursprünglichen Arbeitsvertrag haben die Parteien ein dynamisches Tarifentgelt vereinbart und nicht konstitutiv einen bestimmten Entgeltbetrag. Dies ergibt die Auslegung des Vertrages.
911)
92Die Vergütungsabrede ist nicht eindeutig.
93Der Verweis auf die Geltung der Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel in NRW in der jeweils geltenden Fassung kann dahingehend verstanden werden, dass das jeweilige Tarifentgelt maßgeblich sein soll; die Nennung eines bestimmten Stundenentgelts in § 4 Ziffer 2 kann hingegen dahingehend zu verstehen sein, dass ein festes und statisches Stundenentgelt maßgeblich sein soll.
942)
95Die Auslegung vertraglicher Willenserklärungen hat grundsätzlich vom Wortlaut auszugehen (MünchKomm-Busche, § 133, Rz. 56).
96Für die Auslegung einer Willenserklärung schreibt § 133 BGB dabei die Erforschung des wirklichen Willens vor; in Rechtsprechung und Literatur herrscht jedoch Übereinstimmung dahingehend, dass nicht der innere, sondern lediglich der bekundete Wille Thema der Auslegung ist. Entscheidend ist dabei der Empfängerhorizont.
97Für Verträge schreibt § 157 BGB darüber hinaus vor, dass Treu und Glauben und die Verkehrssitte zu berücksichtigen sind.
98Es ist daher vom Wortlaut der Erklärung ausgehend der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen und unter Berücksichtigung der erkennbaren Begleitumstände zu ermitteln, welchen Willen der Erklärende gehabt hat und wie der Empfänger der Erklärung das Angebot des anderen Vertragsteils nach Treu und Glauben und mit Berücksichtigung der Verkehrssitte verstanden hat oder verstehen musste (BAG 06.09.1990, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 3).
99Zu den zu berücksichtigenden Beleitumständen gehören die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien nach Abschluss des Rechtsgeschäfts, der Zweck der Vereinbarung und die beim Abschluss der Vereinbarung vorliegende Interessenlage
100(BAG 08.03.2006, EzA HGB § 74 Nr. 67).
101Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zulegen sind.
102Soweit auch der mit dem Vertrag verbundene Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten: Bleiben nach Erwägung dieser Umstände Zweifel, geht dies nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders (BAG 31.08.2005, EzA ArbZG § 6 Nr. 6;BAG 09.11.2005, EzA BGB 2002 § 305c Nr. 3; BAG 19.07.2007, EzA BGB 2002 § 623 Nr. 7).
1033)
104Unter Berücksichtigung dieser Kriterien haben die Parteien durch die Bezugnahmeklausel in § 1 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages vom 12.11.1997 das jeweils maßgebende Tarifentgelt vereinbart.
105Die Parteien haben durch die allgemeine Bezugnahmeklausel, die allen Einzelregelungen vorangestellt ist, verdeutlicht, dass die dort genannten Tarifverträge für das Arbeitsverhältnis maßgeblich sein sollen, und dies in der jeweils geltenden Fassung, womit die Parteien dynamisch auf die tariflichen Bestimmungen verwiesen haben.
106Zwar haben die Parteien in § 4 Ziffer 1 nicht ausgefüllt, in welche Entgeltgruppe der Kläger eingruppiert sein soll und in § 4 Ziffer 2 einen bestimmten Entgeltbetrag genannt. Beide Bestimmungen sind jedoch nicht isoliert zu betrachten. Den allgemeinen Verweis auf die aktuellen tariflichen Bestimmungen durfte der Kläger aber wie ein redlicher Arbeitnehmer so verstehen, dass ihm das jeweilige Tarifentgelt gewährt werden soll.
107Die Bezugnahmeklausel ist zudem an den Anfang des Vertrages gestellt und verdeutlicht durch diese Stellung, dass den tariflichen Bestimmungen maßgebliche Bedeutung zukommen soll, sie ist nicht nur als Auffangklausel in den letzten Bestimmungen des Arbeitsvertrages genannt und könnte dadurch den Eindruck erwecken, dass sie nur ergänzend gelten soll. Die Bezugnahmeklausel selbst enthält auch keinerlei Beschränkung im Wortlaut, dass sie nur dann gelten soll, wenn im Vertrag nichts anderes vereinbart ist (hierzu BAG 10.07.2013, EzA BGB 2002 § 305 c Nr. 24).
108Dies gilt umso mehr, als unwidersprochen das Stundenentgelt der damaligen tariflichen Vergütung für die Tätigkeit des Klägers entsprach. Das ab dem 01.11.1997 maßgebliche Tarifentgelt für Handwerker im ersten Jahr der Tätigkeit betrug3.517,- DM bei einer Arbeitszeit von 163 Stunden.
109§ 4 Ziffer 2 enthält auch darüber hinaus keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Regelung in § 4 Ziffer 2 konstitutiv gelten sollte und von tariflichen Regelungen unabhängig sein sollte.
110Maßgeblich zu berücksichtigen war ferner, dass der Vertrag in § 4 Ziffer 4 zwischen tariflichem Entgelt und übertariflichem Entgelt unterscheidet und für das übertarifliche Entgelt Kürzungs- und Widerrufsmöglichkeiten sowie eine Anrechnung bei Erhöhung der Tarifentgelte vorsieht. Die Differenzierung zwischen Tarifentgelt und übertariflichem Entgelt ist ein Kriterium, dass den Eindruck erweckt, das jeweilige Tarifentgelt jedenfalls zahlen zu wollen (hierzu BAG 13.02.2013, EzA BGB 2002 § 305 c Nr. 22).
111Es konnte daher dahingestellt bleiben, ob der nachträglichen Handhabung, nämlich der Gewährung des Tarifentgelts für die Dauer der Mitgliedschaft der Beklagten im Verband mit Tarifbindung, ein Erklärungswert beizumessen ist, weil die Weitergabe von Erhöhungen auch auf einer nachträglichen Entscheidung beruhen kann (BAG 09.11.2005, EzA BGB 2002 § 305c Nr.3).
112Haben die Parteien daher eine dynamische Verweisung vereinbart, ist diese als rechtsbegründend anzusehen (BAG 19.03.2003, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr.27).
1134)
114Wären im Übrigen beide Auslegung vertretbar und wäre keiner der beiden Varianten der Vorzug zu geben, würde die Unklarheitenregelung, die auch schon vor dem 01.01.2002 galt, zu Lasten der Beklagten als der Partei gehen, die den Vertragstext vorgegeben hat.
115Die Anwendung der Unklarheitenregelung setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines davon den klaren Vorzug verdient (BAG 20.01.2010, DB 2010, 730; BAG 09.02.2011, DB 2011, 1584),
116II.
117Der Auslegung als dynamische Verweisung steht auch nicht die Vertragsänderung aus März 2005 entgegen.
1181)
119Richtigerweise ist die allgemeine Bezugnahmeklausel für Verträge, die vor dem 01.01.2002 geschlossen worden sind, als sog. Gleichstellungsabrede verstanden worden (vgl. z.B. BAG 21.08.2002, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 21; BAG 16.10.2002, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr.22).
120Nachdem das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 14.12.2005 (EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 32) bereits erklärt hatte, für Verträge, die nach dem 31.12.2011 geschlossen worden seien, diese Auslegungsregel nicht mehr anwenden zu wollen, soweit es keine Anhaltspunkte für solches Verständnis gebe, für Verträge aus der Zeit davor die Auslegungsregel als Gleichstellungsabrede aus Gründen des Vertrauensschutzes aber weiter anzuwenden, hat das Bundesarbeitsgericht in der Folgezeit in einer einzelvertraglich vereinbarten dynamischen Verweisung auf einen bestimmten Tarifvertrag jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den in Bezug genommenen Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel gesehen, die durch einen Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder einen sonstigen Wegfall seiner Tarifgebundenheit nicht berührt wird (BAG 18.04.2007, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35).
1212)
122Als maßgeblich für die Auslegung und die Gewährung von Vertrauensschutz sieht die Rechtsprechung dabei an, ob bei einer Vertragsänderung nach dem 01.01.2002 von einem „Neuvertrag“ oder einem „Altvertrag“ auszugehen ist, was wiederum davon abhängt, ob die Bezugnahmeklausel erneut zum Gegenstand rechtsgeschäftlicher Willensbildung gemacht worden ist. Nur wenn die jeweilige Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist, ist sie von der Vertragsänderung erfasst (BAG 18.11.2009, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tairfvertrag Nr. 43).
123Einen deutlichen Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 01.01.2002 ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten, sieht das Bundesarbeitsgericht beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass “alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“. Eine solche Regelung hindere die Annahme eines “Altvertrags” und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (BAG 18.11.2009, aaO).
124Bereits zuvor hatte das Bundesarbeitsgericht (30.07.2008, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 38) entschieden, dass mit einer Formulierung wonach „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“ die Parteien trotz geänderter Gesetzeslage unverändert an den Bestimmungen des vor dem 01.01.2002 vereinbarten Ausgangsvertrages festgehalten hätten.
1253)
126Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ergibt die Auslegung der Vertragsänderung von März 2005 nach den dargestellten Grundsätzen für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen, dass die Parteien eine dynamische Verweisung auf die Bestimmungen des Lohntarifvertrages für die Beschäftigten im Einzelhandel in NRW vereinbart haben. Es liegt kein „Altvertrag“ vor, der zu einer Auslegung der Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede führt.
127a)
128Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass die Bezugnahmeklausel erneut zum Gegenstand rechtsgeschäftlicher Willensbildung gemacht worden ist, ergibt sich aus dem vertraglichen Wortlaut, dass „die dabei nicht genannten Regelungen weiter gelten“. Dies ergibt bereits einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür, dass Regelungen weiter gelten sollen, soweit sie nicht von den nachfolgend aufgezählten enumerativen Änderungen betroffen sind. Der ursprüngliche Arbeitsvertrag soll auch nur „wie folgt“ geändert werden, der Rest soll daher nach dem Wortlaut bereits „weiter gelten“.
129b)
130Der Gesamtzusammenhang des Textes macht daher klar, dass Regelungen aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag nur insoweit einer Änderung unterworfen werden sollen, als sie nachfolgend ausdrücklich genannt sind. Die vorangestellte Regelung des „Weitergeltens“ der übrigen Regelungen macht deutlich, dass diese eben nicht von einer Änderung erfasst sein sollen, sondern deren weitere Geltung vereinbart wird.
131c)
132Zutreffend ist davon auszugehen, dass auch außerhalb des reinen Wortlauts liegende Umstände zu berücksichtigen sind, soweit sie einen Rückschluss auf den Inhalt der Vereinbarung abgeben. Auch dies führt jedoch zu keinem anderen Verständnis.
133Es mag insoweit zutreffen, dass die Arbeitnehmer vom Wechsel der Beklagten in eine OT-Mitgliedschaft Kenntnis hatten und daher davon ausgehen mussten, dass die Beklagte künftig sich aus Regelungen der Tarifverträge lösen wollte. Wenn dann aber nur ganz bestimmte Arbeitsbedingungen erwähnt werden, die zu Lasten der Arbeitnehmer abgeändert werden sollen und im Übrigen die sonstigen, nicht erwähnten Regelungen aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag weiter gelten sollen, wird damit gerade der Eindruck und die Erwartung erweckt, die Lösung aus dem Tarif bestehe lediglich in den erwähnten Bereichen, ansonsten solle der Ausgangsvertrag unverändert bleiben. Gerade damit wird eine Regelung getroffen, die auch weiterhin die nunmehr konstitutive Bindung an tarifliche Regelungen beinhaltet, soweit nicht bestimmte Vertragsgegenstände ausdrücklich erwähnt sind.
134Gerade weil auch ein so gewichtiger Aspekt wie das Entgelt nicht erwähnt wird, ergibt sich, dass die Arbeitnehmer weiterhin davon ausgehen durften, die ursprüngliche Vergütungsregelung mit der Anbindung an den Tarifvertrag bleibe trotz fehlender nunmehriger Tarifbindung erhalten. Ansonsten hätte es nahe gelegen, auch diesen Vertragsgegenstand zu erwähnen und es nicht bei der Formulierung zu belassen, dass die nicht genannten Regelungen weiter gelten.
135Auch die Nichtgeltendmachung künftiger Tariferhöhungen führt nicht dazu, dass von einem gemeinsamen Verständnis über die Bedeutung der Klausel auszugehen ist; die fehlende Geltendmachung kann unterschiedliche Gründe haben, ohne dass daraus geschlossen werden kann, der Kläger und die Arbeitnehmer hätten die Vertragsänderung so verstanden, dass nunmehr das Entgelt auf alle Zeit eingefroren ist.
136Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger die gerichtlich geltend gemachten Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung lediglich auf der Basis des tatsächlich gewährten Entgelts berechnet hat.
137d)
138Soweit der Vertragswortlaut unklar wäre und für kein Verständnis ein klarer Vorzug anzunehmen wäre, müsste diese Unklarheit nach § 305c Absatz 2 BGB zu Lasten der Beklagten als der Verwenderin gehen.
139Die Vereinbarung aus März 2005 mit identischem Wortlaut ist Gegenstand einer Reihe von Änderungsabreden mit Arbeitnehmern der Beklagten.
140III.
141Die Parteien haben auch in der Folgezeit keine Regelung getroffen, mit der das Entgelt des Klägers konstitutiv festgeschrieben worden ist.
1421)
143Der gerichtliche Vergleich vom 09.07.2010 sowie der außergerichtliche Vergleich vom 18.01.2011 betreffen ausschließlich die Fragen der Gewährung von Mehrarbeitsvergütung und des Umfangs eines Urlaubsanspruchs des Klägers u.a. vor dem Hintergrund der Verlängerung der vertraglichen Arbeitszeit auf 40 Stunden in der Woche.
144Regelungen über das Entgelt des Klägers enthalten beide Vereinbarungen nicht, die Höhe des monatlichen oder des Stundenentgelts war auch nicht Gegenstand der Auseinandersetzung.
145Allein mit der Festlegung eines Betrages, der für geltend gemachte Mehrarbeit zu leisten ist, haben die Parteien keine Abrede über die Höhe des Grundentgelts getroffen.
1462)
147Die „Personalveränderung“ vom 09.10.2002, wenn sie denn Vertragscharakter hat, betrifft ersichtlich keine Regelung über die Vergütungshöhe.
148Ihr lag ein Verlangen des Klägers auf Teilzeitbeschäftigung zugrunde, dem die Beklagte entsprochen hat. Hinsichtlich der Vergütung war weder eine Abrede der Parteien erforderlich, noch gewollt. Es ging lediglich um den Umfang der regelmäßigen Arbeitszeit für einen vorübergehenden Zeitraum.
149Mit der Formulierung „bleibt“ unter der Rubrik „Lohn/Gehalt/Garantiegehalt“ ist daher nichts anderes gemeint, als dass ein geändertes Entgelt nicht der Abrede unterliegt. Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien hiermit anlässlich eines Teilzeitbegehrens eine Vergütungsabrede treffen wollte.
150Zudem wäre diese allenfalls für den genannten Zeitraum 05.10.2012 bis zum 04.12.2012 maßgeblich.
151IV.
152Ansprüche des Klägers sind auch nicht verwirkt.
1531)
154Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Es ist nicht Zweck der Verwirkung, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien.
155Einmal muss der Gläubiger mit der Geltendmachung des Anspruchs gezögert haben. Allein der Zeitablauf kann aber die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen. Für die Annahme einer Verwirkung müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:
156Es müssen zu dem Zeitmoment besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Dabei muss der Berechtigte unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
157Schließlich muss dem Schuldner jetzt die Erfüllung des Anspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten sein
158Dabei geht es bei der Verwirkung nicht darum, ob einem Schuldner die Erfüllungeiner Verbindlichkeit überhaupt zuzumuten ist, sondern ob ihm die verspätet geforderte Erfüllung, auf deren Leistung er sich nicht mehr eingestellt hatte, noch zuzumuten ist (BAG 13.08.2008, EzA AÜG § 10 Fiktion Nr. 121; BAG 23.07.2009, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113; BAG 20.04.2010, DB 2010,).
159Zwischen den Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf besteht dabei eine Wechselwirkung. Der erforderliche Zeitablauf kann umso kürzer sein, je gravierender die Umstände sind; umgekehrt sind an die Umstände desto geringere Anforderungen zu stellen, je länger der abgelaufene Zeitraum ist (BAG 12.12.2006, EzA GG Art. 3 Nr. 105).
160Das Umstandsmoment für eine Verwirkung ist zu verneinen, wenn der Berechtigte von den ihm zustehenden Ansprüchen nichts weiß, insbesondere, wenn die Unkenntnis auf dem Verhalten des Verpflichteten beruht, wofür die Verwendung einer unwirksamen AGB-Klausel einen typischen Fall bildet (BAG 22.02.2012, DB 2012, 1932).
1612)
162Nach diesen Kriterien war von einer Verwirkung des Anspruchs nicht auszugehen.
163a)
164Zwar hat der Kläger mit der Geltendmachung eines Anspruchs auf Gewährung tariflichen Entgelts längere Zeit zugewartet und dabei vier tarifliche Entgelterhöhungen nicht zum Anlass genommen, geltend zu machen, er sei tarifgemäß zu vergüten.
165b)
166Allein dadurch hat er bei der Beklagten jedoch nicht den berechtigten Eindruck erweckt, diese werde künftig nicht mehr auf tarifkonforme Vergütung in Anspruch genommen.
167Allein die Nichtgeltendmachung ist dabei nicht geeignet, das erforderliche Umstandsmoment zu begründen.
168Auch die gerichtliche Geltendmachung von Bezahlung von Mehrarbeitsstunden unter Zugrundelegung des tatsächlich gewährten Entgelts und Nachgewährung von Urlaubstagen durfte bei der Beklagten nicht den Eindruck erwecken, sie werde hinsichtlich des nunmehrigen Begehrens nicht mehr in Anspruch genommen.
169Ein berechtigtes Vertrauen der Beklagten konnte sich lediglich insoweit entwickeln, als der Kläger Ansprüche gestellt hat. Dies könnte dazu führen, die Vergütung von Mehrarbeit nunmehr nicht mehr auf einer anderen Berechnungsbasis geltend machen zu können, als dies geschehen ist, soweit nicht ohnehin tarifliche Verfallfristen oder Verjährung dem entgegenstehen. Mit der Fragestellung, ob Arbeitsstunden über die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit hinaus als Mehrarbeit zu vergüten sind, war jedoch nicht die Frage verbunden, ob das der Klageforderung zugrunde gelegte Entgelt überhaupt das zutreffende ist.
170Der Kläger ist daher lediglich schlicht untätig geblieben in Bezug auf die Gewährung tariflichen Grundentgelts.
171Ein Erfordernis, der Nichtweitergabe tariflicher Erhöhungen in irgendeiner Form zu widersprechen, würde das Aufstellen von Handlungspflichten begründen, die eine Verwirkung von Ansprüchen nicht begründen kann (BAG 14.02.2007, EzA BGB 2002 § 242 Verwirkung Nr.2).
172Selbst ein in einem Aufhebungsvertrag enthaltenes negatives deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist allein nicht geeignet, ein Umstandsmoment für eine Verwirkung zu begründen (BAG 25.09.2013, ArbRB 2014, 7).
173Zudem ging die Beklagte nach ihrer Darlegung davon aus, sich mit der Vertragsänderung aus einer tariflichen Bindung lösen zu können. Wer aber selbst keine Kenntnis von möglichen Ansprüchen hat, kann auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung nicht konkret hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs vertrauen (BAG 25.09.2013, aaO).
174Soweit daher schon keine Gesichtspunkte gegeben sind, aufgrund derer die Beklagte darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, kam es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf an, ob der Beklagten die Erfüllung der Forderungen zumutbar ist.
175V.
176Über die Höhe des Anspruchs nach den Berechnungen des Klägers besteht kein Streit.
177Die Berechnungen des Klägers sind von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden.
178C.
179Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Gleiches gilt für die Kosten hinsichtlich der Geltendmachung für weitergehende Monate.
180Soweit der Kläger das Feststellungsbegehren zurückgenommen hat, war dieskostenmäßig nicht zu berücksichtigen, da die Frage der Anwendung des Lohntarifvertrages eine Zwischenfeststellung betrifft, die hinsichtlich der Zahlungsansprüche ohnehin zu entscheiden ist.
181Infolge grundsätzlicher Bedeutung war die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
Tenor
-
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Oktober 2011 - 6 Sa 185/11 - wird zurückgewiesen.
-
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über den Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers.
- 2
-
Der Kläger ist aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrags vom 8./12. April 2002 seit 1. Mai 2002 bei der Beklagten, die Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Rheinland-Pfalz e. V. ist, als Busfahrer beschäftigt. Der Kläger ist nicht tarifgebunden. Der Arbeitsvertrag enthält ua. folgende Regelungen:
-
„§ 1
Herr F, geboren … 1974 in Ma
wohnhaft: in B
wird ab 01.05.2002
bei den V als Arbeiter unter Einreihung in die Entgeltgruppe 5 (BezTV-N RP) unbefristet beschäftigt.
§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bezirkstarifvertrag für die kommunalen Nahverkehrsbetriebe (BezTV-N RP) vom 08. Juni 2001 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen. Außerdem finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden Betriebs- und Dienstvereinbarungen Anwendung.
§ 3
Die Probezeit beträgt 6 Monate.
§ 4
Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 38,5 Stunden.“
- 3
-
Nach dem zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Rheinland-Pfalz e. V. und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen Bezirkstarifvertrag für die kommunalen Nahverkehrsbetriebe (BezTV-N RP) vom 8. Juni 2001 betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags 38,5 Stunden. Durch § 1 Nr. 1 des 3. Änderungstarifvertrags zum BezTV-N RP vom 23. September 2008 wurde die tarifliche Wochenarbeitszeit mit Wirkung ab 1. Juli 2008 auf 39 Stunden angehoben. Zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2008 hob die Beklagte daraufhin die betriebliche Arbeitszeit ebenfalls auf 39 Stunden pro Woche an.
- 4
-
Unter dem 16. Dezember 2008 schloss die Gewerkschaft ver.di mit verschiedenen Verkehrsunternehmen aus dem Rhein-Neckar-Raum, darunter die Beklagte, einen „Rahmentarifvertrag zur Überleitung auf den Manteltarifvertrag (MTV-RNV) für die Arbeitnehmer vom 8. Juni 2005“ (Ü-MTV-RNV), der nach seinem § 7 Abs. 1 am 1. Oktober 2009 in Kraft trat. Ziel dieses Tarifvertrags war, „im Grundsatz alle Beschäftigten der einzelnen Gesellschaften auf den Manteltarifvertrag der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (MTV-RNV) zu überführen“ (Satz 2 der Präambel).
- 5
-
§ 4 Abs. 1 Ü-MTV-RNV lautet:
-
„Nach der Überleitung der Tarifverträge bemisst sich die Arbeitszeit für alle Arbeitnehmer ausschließlich nach den Bestimmungen des MTV-RNV. Die Arbeitszeit erhöht sich hierdurch für Arbeitnehmer der MVV Verkehr, der HSB, der VBL, die unter den BAT und BMT-G II fallen, um eine halbe Stunde auf 39 Stunden. Für die Arbeitnehmer der RHB, die unter den Zusatztarifvertrag vom 27. Februar 1980 fallen, gilt dies entsprechend. Der hierdurch entstehende Nachteil wird durch eine zusätzliche bezahlte Freistellung an drei Arbeitstagen im Kalenderjahr ausgeglichen und kann entsprechend § 16 Abs. 2 MTV-RNV in das nächste Kalenderjahr übertragen werden. Für Teilzeitkräfte wird der Ausgleich im Verhältnis berechnet.“
- 6
-
In der zusätzlich vom Kommunalen Arbeitgeberverband Rheinland-Pfalz e. V. unterzeichneten „Anlage für die VBL GmbH“ zum Überleitungstarifvertrag heißt es ua.:
-
„Durch diese Vereinbarung werden alle Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen, tarifvertraglichen Regelungen oder sonstigen Abreden abschließend übergeleitet und gelten nicht weiter fort, soweit im Folgenden nicht eine abweichende Regelung ausdrücklich getroffen wird.“
- 7
-
Eine Arbeitszeitregelung enthält diese Anlage nicht.
- 8
-
Die wöchentliche Arbeitszeit betrug nach § 8 Abs. 1 Satz 1 MTV-RNV seit dem 8. Juni 2005 38,5 Stunden. Durch Änderungstarifvertrag zum MTV-RNV vom 22. Juli 2009 wurde sie rückwirkend zum 1. Mai 2006 auf 39 Wochenstunden angehoben.
- 9
-
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nach dem vorrangig maßgeblichen eindeutigen Wortlaut seines Arbeitsvertrags betrage die wöchentliche Arbeitszeit für ihn unabhängig von der tariflichen Arbeitszeiterhöhung 38,5 Stunden. Vertragliche Bestimmungen seien grundsätzlich rechtsbegründend, es sei denn, der Vertrag mache deutlich, dass die vertragliche Regelung ausnahmsweise nicht diesen Charakter haben solle. Eine bloß deklaratorische Wiedergabe der damals gültigen Tarifregelung wäre im Vertragstext in irgendeiner Weise zum Ausdruck gebracht worden, wenigstens durch Formulierungen wie „die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt 38,5 Stunden“ oder „die wöchentliche Arbeitszeit beträgt derzeit 38,5 Stunden“. Maßgeblich bei der Auslegung des Arbeitsvertrags sei die Sicht des Klägers; dieser kenne sich mit Tarifverträgen nicht aus. Bei der Beklagten handele es sich um ein in Form der GmbH betriebenes Personenbeförderungsunternehmen, nicht um den „Staat“. Im Übrigen spreche das Gesamtgefüge des Vertrags, insbesondere der Umstand, dass keinerlei sonstige Tarifregelungen deklaratorisch im Vertrag wiederholt würden, für eine konstitutive Regelung. Eine sechsmonatige Probezeit sei in Arbeitsverträgen gang und gäbe. Wenn überhaupt ein Hinweis auf die tarifliche Regelung gegeben würde, wäre dies am ehesten beim Gehalt des Klägers zu erwarten gewesen. Gerade über dieses schweige sich der Vertrag aus. Er lege lediglich fest, dass der Kläger in die Entgeltgruppe 5 einzureihen sei, und beziehe sich hierzu ausdrücklich auf den „BezTV-N RP“. Die Regelung zum zweiten zentralen Punkt, nämlich der wöchentlichen Arbeitszeit, stehe dazu im Gegensatz. Jedenfalls gingen etwaige Zweifel bei der Auslegung der vertraglichen Regelungen nach § 305c Abs. 2 BGB zulasten der Beklagten.
- 10
-
Der Kläger hat beantragt
-
festzustellen, dass für das Arbeitsverhältnis der Parteien die 38,5-Stunden-Woche gilt.
- 11
-
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, in § 4 des Arbeitsvertrags sei lediglich deklaratorisch auf die nach dem damals gültigen Tarifvertrag verbindliche Arbeitszeit hingewiesen worden. Verweise ein Arbeitsvertrag auf den für ein Unternehmen gültigen Tarifvertrag, so sei ohne besondere Anhaltspunkte im Vertrag regelmäßig davon auszugehen, dass der Arbeitgeber keine vom Tarifvertrag abweichende Regelung treffen wolle. Das entspreche dem erkennbaren Zweck einer dynamischen Bezugnahmeklausel. Anhaltspunkte für eine vom Tarifvertrag abweichende einzelvertragliche Regelung bestünden nicht. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 NachwG die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit im Arbeitsvertrag festzuhalten sei. Der Hinweis auf die Arbeitszeit sei sinnvoll, um die Vereinbarung einer Vollzeitbeschäftigung klarzustellen. Nach den einschlägigen tariflichen Regelungen betrage die wöchentliche Arbeitszeit nunmehr 39 Stunden.
- 12
-
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 13
-
Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
- 14
-
I. Der Feststellungsantrag, mit dem der Kläger die Feststellung einer bestimmten Dauer der Wochenarbeitszeit begehrt, ist zulässig (vgl. zB BAG 10. Februar 2005 - 6 AZR 182/04 - zu I der Gründe). Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO liegt vor. Über den Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit herrscht zwischen den Parteien Streit.
- 15
-
II. Die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers beträgt seit dem 1. Juli 2008, betrieblich umgesetzt zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2008, 39 Stunden. Dies ergibt sich für die Zeit bis zum 30. September 2009 aus § 8 Abs. 1 Satz 1 BezTV-N RP in der Fassung des 3. Änderungstarifvertrags vom 23. September 2008 und ab dem 1. Oktober 2009 aus § 8 Abs. 1 Satz 1 MTV-RNV vom 8. Juni 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom 22. Juli 2009 iVm. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 Ü-MTV-RNV. § 4 des Arbeitsvertrags vom 8./12. April 2002 enthält keine konstitutive Regelung über eine Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden. Dies ergibt die Auslegung der vertraglichen Regelungen.
- 16
-
1. Bei den von der Beklagten vorformulierten Bestimmungen des Arbeitsvertrags handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB.
- 17
-
Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (st. Rspr., zB BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, BAGE 136, 294). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 19, BAGE 135, 239).
- 18
-
Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, BAGE 135, 239).
- 19
-
2. § 4 des Arbeitsvertrags ist hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit nicht konstitutiv. Dabei ist entgegen der Auffassung der Revision die Vertragsregelung nicht isoliert zu betrachten, sondern die vertraglichen Regelungen sind in ihrer Gesamtheit auszulegen.
- 20
-
a) Bereits der Vertragswortlaut spricht dafür, dass die Vertragsparteien ihr Arbeitsverhältnis insgesamt den Regelungen des BezTV-N RP in der jeweils geltenden Fassung unterstellen wollten.
- 21
-
§ 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags enthält nach seinem eindeutigen Wortlaut eine zeitdynamische Bezugnahmeklausel auf den BezTV-N RP. Dessen vollständige Anwendung in der Vergangenheit stand zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Vorschrift ist nach der Angabe der persönlichen Daten des Klägers und dem Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses den weiteren arbeitsvertraglichen Regelungen prominent vorangestellt. Die Bezugnahmeklausel enthält auch keinerlei Beschränkung, wie beispielsweise „im Übrigen“ oder „soweit nicht in diesem Vertrag anderes vereinbart ist“. Eine solche Regelung wäre bei diesem Vertragsaufbau typischerweise zu erwarten, wenn abweichende Einzelregelungen enthalten sind. Anderes ergibt sich auch nicht aus § 4 des Arbeitsvertrags. Dieser nennt eine Dauer der Arbeitszeit, die der bei Vertragsschluss gültigen tariflichen Wochenarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte entsprach. Zwar ließe eine isolierte Wortlautauslegung die Annahme zu, dass es sich um eine konstitutive Festlegung der Arbeitszeit handelt. Schon der Wortlaut der weiteren vertraglichen Regelungen steht einer solchen Auslegung jedoch deutlich entgegen.
- 22
-
b) Zieht man die Systematik der vertraglichen Regelungen und das Gesamtbild des Vertrags heran, lassen diese unter Berücksichtigung der beteiligten Verkehrskreise nur die Auslegung zu, dass das Arbeitsverhältnis insgesamt - einschließlich der Dauer der Wochenarbeitszeit - den tariflichen Regelungen dynamisch unterworfen werden sollte (vgl. zu einer ähnlichen Fallkonstellation: BAG 12. September 2006 - 9 AZR 675/05 - BAGE 119, 248). Sämtliche Vertragsbestimmungen entsprechen den Regelungen des BezTV-N RP in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung vom 8. Juni 2001, soweit dort vergleichbare Regelungen enthalten waren. Es steht zwischen den Parteien nicht im Streit, dass es sich bei der Entgeltgruppe 5 um die tariflich zutreffende Entgeltgruppe handelte. Die Probezeitregelung in § 3 des Arbeitsvertrags entspricht § 2 Abs. 2 Satz 1 BezTV-N RP und die wöchentliche Arbeitszeit betrug zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BezTV-N RP 38,5 Stunden. § 5 des Arbeitsvertrags entspricht der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Schaffung einer Zusatzversorgung nach § 19 BezTV-N RP; die Ausschlussfrist in § 11 des Arbeitsvertrags entspricht § 21 BezTV-N RP. Entsprechend ist der Vertrag offensichtlich gelebt worden; auch der Kläger trägt nicht vor, dass ihm etwa tarifliche Verbesserungen nicht zugutegekommen sind.
- 23
-
Anhaltspunkte dafür, dass gerade § 4 des Arbeitsvertrags konstitutiv gelten sollte und damit tarifvertragliche Regelungen - seien sie günstiger oder ungünstiger - insoweit keine Anwendung finden sollten, gibt es nicht. Zwar war die Aufnahme einer Bestimmung über die Arbeitszeit nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 NachwG zwingend, da § 2 des Arbeitsvertrags die Voraussetzungen von § 2 Abs. 3 Satz 1 iVm. Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG erfüllt. Sie dient aber jedenfalls der Klarstellung, dass sich der Kläger in einem Vollzeitarbeitsverhältnis befindet und ist damit nicht überflüssig. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Beklagten um das 100%ige Tochterunternehmen einer Kommune handelt und sie Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband ist, können daraus keine weiter gehenden Schlussfolgerungen gezogen werden. Eine statische Festlegung der Arbeitszeit wäre in diesem Bereich besonders ungewöhnlich, zumal die hiermit in Zusammenhang stehende Vergütung dynamisch geregelt ist. Vielmehr war für die beteiligten Verkehrskreise erkennbar, dass das Arbeitsverhältnis umfassend nach den entsprechenden tariflichen Regelungen gestaltet werden sollte. Ohne besondere Anhaltspunkte gab es keinen Anlass, von einer Besser- oder Schlechterstellung gegenüber diesen Regelungen auszugehen (vgl. zum Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte: zB BAG 12. Dezember 2007 - 4 AZR 998/06 - BAGE 125, 179).
- 24
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c) Die vertraglichen Regelungen sind nicht mehrdeutig iSd. § 305c Abs. 2 BGB. Bei Berücksichtigung der anerkannten Auslegungsmethoden bestehen im Entscheidungsfall keine erheblichen Zweifel (vgl. BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, BAGE 135, 239; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15).
- 25
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3. Die tarifliche Arbeitszeit beträgt seit dem 1. Juli 2008 39 Wochenstunden.
- 26
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a) Durch § 1 Nr. 1 des 3. Änderungstarifvertrags zum BezTV-N RP vom 23. September 2008 wurde die Wochenarbeitszeit nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BezTV-N RP von ursprünglich 38,5 Stunden auf 39 Stunden erhöht. Durch Än zum MTV-RNV vom 22. Juli 2009 ist die dortige Wochenarbeitszeit ebenfalls auf 39 Stunden angehoben worden.
- 27
-
b) Seit 1. Oktober 2009 wendet die Beklagte auf das Arbeitsverhältnis aufgrund des Ü-MTV-RNV den MTV-RNV an. Dies entspricht der Vertragslage; durch Inkrafttreten des Ü-MTV-RNV ist eine nachträgliche Regelungslücke entstanden, die im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist.
- 28
-
aa) Der BezTV-N RP vom 8. Juni 2001 galt nach § 1 Abs. 1 grundsätzlich als Flächentarifvertrag für die Nahverkehrsbetriebe in Rheinland-Pfalz, die Mitglieder des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Rheinland-Pfalz e. V. waren und eine betriebliche Anwendungsvereinbarung abgeschlossen hatten. Demgegenüber erfasst der Ü-MTV-RNV als „gemeinsamer Haustarifvertrag“ (Satz 4 der Präambel) nur bestimmte Unternehmen, die sich im Rhein-Neckar-Verkehr bundesländerübergreifend (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen) zusammengeschlossen haben. Der BezTV-N RP vom 8. Juni 2001 ist deshalb durch den Ü-MTV-RNV nicht insgesamt aufgehoben worden, sondern hat diesen lediglich für die Mitarbeiter der tarifvertragschließenden Unternehmen des Ü-MTV-RNV abgelöst. Dazu gehört auch die Beklagte. Erst durch den BezTV-N RP vom 11. Mai 2012 ist der Geltungsbereich auf vier in § 1 Abs. 1 benannte Verkehrsbetriebe beschränkt worden. Allerdings können der Ü-MTV-RNV und der MTV-RNV damit nicht mehr als ergänzende Tarifverträge im Sinne des § 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags angesehen werden, sondern sie sollten für die unter ihren Geltungsbereich fallenden Beschäftigten den BezTV-N RP ersetzen.
- 29
-
bb) Die Anwendung des Ü-MTV-RNV und des MTV-RNV ergibt sich für den Kläger bei dieser Tariflage nicht aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Es fehlt in dem Arbeitsvertrag der Parteien die Formulierung, wonach auch ersetzende Tarifverträge Anwendung finden sollen (vgl. zu der Problematik im Verhältnis zwischen BAT und TVöD: zB BAG 23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 16 f.). Mit der Ablösung des BezTV-N RP durch den Ü-MTV-RNV ist für Mitarbeiter der Beklagten mit einer solchen beschränkten Bezugnahmeklausel eine nachträgliche Regelungslücke entstanden. Diese ist im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen, die zur Anwendbarkeit des Ü-MTV-RNV und des MTV-RNV führt.
- 30
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(1) Die Vertragsergänzung stellt eine allgemeine Lösung zur Verfügung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unvollständigkeit ihrer Regelung bekannt gewesen wäre (zu diesem Erfordernis: BAG 23. März 2011 - 10 AZR 831/09 - Rn. 21 mwN).
- 31
-
(2) Aus der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme auf die tariflichen Regelungen für die öffentlichen rheinland-pfälzischen Nahverkehrsunternehmen lässt sich auf den Willen der Parteien schließen, ihre Vertragsbedingungen nicht statisch festzuschreiben, sondern sie - dynamisch - auf die entsprechenden Veränderungen der einschlägigen Tarifverträge auszurichten. Deshalb hätten die Parteien redlicherweise für den Fall einer Tarifsukzession aufgrund der Bildung eines länderübergreifenden Verkehrsverbundes das dem im Arbeitsvertrag benannten tariflichen Regelungswerk nachfolgende tarifliche Regelungswerk vereinbart. Ein unabhängig von der weiteren tariflichen Entwicklung fortbestehendes Festhalten an den tariflichen Bedingungen für andere Unternehmen hätte nicht ihren Interessen entsprochen. Die mit der Tarifsukzession verbundene Änderung der Tarifwerke wirkt nicht anders auf den Arbeitsvertrag ein als eine (ggf. tiefgreifende) inhaltliche Änderung des im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrags. Mit dem Nachvollziehen der Tarifsukzession auf arbeitsvertraglicher Ebene werden die Parteien nicht anders gestellt als sie stünden, wenn die Tarifvertragsparteien des BezTV-N RP diesem aufgrund des Zusammenschlusses zum Rhein-Neckar-Verkehr einen neuen Inhalt gegeben hätten. Auch der Kläger behauptet im Übrigen nicht, für ihn gelte (ggf. statisch) der BezTV-N RP in einer früheren Fassung weiter oder es finde kein Tarifvertrag mehr auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung.
- 32
-
III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
-
Mikosch
Mikosch
W. Reinfelder
Zielke
Klein
Tenor
-
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. April 2009 - 15 Sa 1458/08 - insoweit aufgehoben, als das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 4. September 2008 - 2 Ca 697/08-8 - hinsichtlich der Zahlung von 5.049,34 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Januar 2006 und der Zahlung von weiteren 4.034,89 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Februar 2008 abgeändert und insoweit die Klage abgewiesen hat.
-
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 4. September 2008 - 2 Ca 697/08-8 - teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:
-
a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 5.049,34 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Januar 2006 zu zahlen.
-
b) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 4.034,89 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Februar 2008 zu zahlen.
-
c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
-
2. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. April 2009 - 15 Sa 1458/08 - wird im Übrigen zurückgewiesen.
-
3. Die Kosten der ersten Instanz haben die Klägerin zu 30 % und die Beklagte zu 70 % zu tragen. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten darüber, ob ein Teilbetriebsübergang mit Branchenwechsel zu einem Wechsel des für ihr übergegangenes Arbeitsverhältnis maßgebenden Tarifrechts geführt hat.
-
Die Klägerin wurde zunächst auf der Grundlage eines schriftlichen Formulararbeitsvertrages vom 23. Oktober 1986 von der Stadt R, welche bei Vertragsschluss Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbandes war, in deren Krankenanstalten als sog. Putzhilfe beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält folgende Regelung:
-
„§ 2
Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31.01.1962 und der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge, insbesondere der Anlage 9 zum BMT-G II und des Bezirkszusatztarifvertrages (BZT-G/NRW), in der jeweils geltenden Fassung. Das gleiche gilt für die an deren Stelle tretenden Tarifverträge. Daneben finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung. ...“
- 3
-
Nachdem das Arbeitsverhältnis zunächst auf die ebenfalls dem kommunalen Arbeitgeberverband als Mitglied angehörende S-Klinikum R GmbH übergegangen war, übernahm die Beklagte von dieser den Bereich Reinigung, in dem die Klägerin beschäftigt war, mit Wirkung ab dem 1. Juli 2004. Die Klägerin hat dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nicht widersprochen.
- 4
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Die Beklagte zahlt der Klägerin und den anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Reinigungsbereich Entgelt nach den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung. Demgegenüber fordert die Klägerin unter Berufung auf das im Rechtsstreit einer Kollegin ergangene Senatsurteil vom 29. August 2007 (- 4 AZR 767/06 - BAGE 124, 34 ) Vergütung nach den Vergütungstarifverträgen zum BMT-G II und ab Oktober 2005 nach Maßgabe des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD).
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Ein anwaltliches Geltendmachungsschreiben vom 15. Oktober 2004 ging der Beklagten jedenfalls bis zum 28. Oktober 2004 zu. Darin heißt es ua.:
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„Wir fordern Sie daher auf, die Lohnansprüche unserer Mandantin auf der Grundlage des Lohntarifvertrages BMT-G (Arbeiter/Kommunen) Gruppe 3a Stufe 8 für die Monate Juli und August 2004 mit einem Grundlohn von 1.241,19 Euro brutto für 24 Stunden/Woche neu zu berechnen und die angefallene Mehrarbeit entsprechend zu vergüten.
... erwarten wir außerdem Ihre schriftliche Erklärung, dass Sie die künftig fällig werdenden Lohnansprüche unserer Mandantin auf der Grundlage des vorbezeichneten Tarifvertrages BMT-G vergüten werden.
...“
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Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin zuletzt noch Bruttodifferenzbeträge für den Zeitraum Juli 2004 bis zum 25. Dezember 2006 und tarifliches Urlaubsgeld für das Jahr 2005. Nach entsprechendem Vorbringen der Beklagten und Hinweis des Gerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 10. Juli 2008 ihre Vergütungsansprüche für den Zeitraum 1. November 2005 bis zum 25. Dezember 2006 nach den Bestimmungen des TVöD berechnet.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
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1.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.053,75 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 4.112,16 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Auf das Arbeitsverhältnis seien die für allgemeinverbindlich erklärten Rahmen- und Lohntarifverträge für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung anzuwenden. Das Bundesarbeitsgericht habe sich mit dem Urteil vom 29. August 2007 (- 4 AZR 767/06 -) in unzulässiger Weise von seiner bisherigen - jedenfalls noch für sog. Altverträge anzuwendenden - Rechtsprechung zur Auslegung von Bezugnahmeklauseln als Gleichstellungsabrede entfernt. Falls jedoch ein Anspruch nach dem BMT-G II ab dem Betriebsübergang vom 1. Juli 2004 zuerkannt werde, sei dieser jedenfalls nicht dynamisch auch auf den TVöD bezogen. Schließlich seien Ansprüche der Klägerin für die Monate September 2004 bis einschließlich Juni 2005 nach § 63 Unterabs. 1 BMT-G II verfallen; § 63 Unterabs. 2 BMT-G II greife nicht, da die Klägerin für die Beklagte auf der Grundlage eines Stundenlohns tätig sei und sich deshalb die Vergütung monatlich ändere.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage im zuletzt beantragten Umfang stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Für die Klägerin hat es die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist ganz überwiegend begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im ganz Wesentlichen zu Unrecht abgewiesen.
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I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Klägerin könne sich nicht auf das Senatsurteil vom 29. August 2007 (- 4 AZR 767/06 - BAGE 124, 34) berufen, damit begründet, dass der Senat darin die für „Altfälle“ weiterhin einschlägigen Grundsätze der früheren Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede nicht konsequent durchgehalten habe. Vielmehr seien Gesichtspunkte eingeflossen, die eher den in der jüngeren Senatsrechtsprechung - für nach dem 1. Januar 2002 vereinbarte Klauseln - aufgestellten Auslegungsgrundsätzen entstammen würden. Damit sei der der Beklagten zustehende Vertrauensschutz verletzt worden. Nach der Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede fänden ab dem Zeitpunkt des Teilbetriebsübergangs zur Beklagten - dem 1. Juli 2004 - die für allgemeinverbindlich erklärten Rahmen- und Lohntarifverträge für die gewerblich Beschäftigten im Gebäudereinigerhandwerk auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
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II. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts geht fehl. Die Klägerin hat Anspruch auf Entgelt nach Maßgabe der tariflichen Regelungen des BMT-G II und der dazu abgeschlossenen Tarifverträge in der Fassung, die am 1. Juli 2004, dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs von der insoweit gebundenen S-Klinikum R GmbH zu der nicht an den BMT-G II gebundenen Beklagten galt. Das erstinstanzliche Urteil ist deshalb nahezu wiederherzustellen. Nur soweit das Arbeitsgericht für die Zeit ab Oktober 2005 und hinsichtlich des Urlaubsgelds für das Jahr 2005 höhere Beträge zugesprochen hat, weil es für diese Zeit zu Unrecht von der Anwendbarkeit des TVöD und der diesen Tarifvertrag ergänzenden Tarifverträge ausgegangen ist, ist die Klage zu Recht abgewiesen worden.
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1. Die tariflichen Regelungen des BMT-G II und der „zusätzlich“, ergänzend abgeschlossenen Tarifverträge (nachfolgend nur: BMT-G II) haben im Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Stadt R aufgrund der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages vom 23. Oktober 1986 individualvertragliche Rechte und Pflichten begründet. Hieran hat sich nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB durch die beiden Betriebs(teil-)übergänge nichts geändert, weshalb die Klägerin gegenüber der Beklagten die geltend gemachten Vergütungsansprüche hat, soweit sie auf der Anwendung des BMT-G II beruhen.
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a) Durch die Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages vom 23. Oktober 1986 sind die Regelungen der dort genannten Tarifverträge Inhalt des Arbeitsvertrages der damaligen Arbeitsvertragsparteien geworden. Auf der Grundlage der früheren, aus Gründen des Vertrauensschutzes für vor dem 1. Januar 2002 geschlossenen Verträge fortzuführenden Senatsrechtsprechung handelt es sich bei dieser Vertragsklausel um eine sogenannte Gleichstellungsabrede. Folge davon ist, dass die im Vertrag vorgesehene Dynamik der in den Arbeitsvertrag inkorporierten jeweiligen tariflichen Regelungen davon abhängig ist, dass die Arbeitgeberin die betreffenden Tarifverträge auch tarifrechtlich gegenüber den an diese Tarifverträge tarifgebundenen Arbeitnehmern anwenden muss.
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aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats galt die widerlegliche Vermutung, dass es einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum geht, durch die Bezugnahme die nicht organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten hinsichtlich der Geltung des in Bezug genommenen Tarifwerks gleichzustellen. Der Senat ging davon aus, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrages zu kommen und damit zu dessen Geltung für alle Beschäftigten (vgl. nur 23. Januar 2008 - 4 AZR 602/06 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 38; 1. Dezember 2004 - 4 AZR 50/04 - BAGE 113, 40, 42 f.; 25. September 2002 - 4 AZR 294/01 - BAGE 103, 9, 14; 21. August 2002 - 4 AZR 263/01 - BAGE 102, 275, 278 ff.).
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Daraus hat der Senat die Konsequenz gezogen, dass auch ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder Begleitumständen bei Vertragsschluss bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge Bezugnahmeklauseln wie die im Arbeitsvertrag vom 23. Oktober 1986 in aller Regel als sogenannte Gleichstellungsabreden auszulegen seien (vgl. nur 10. Dezember 2008 - 4 AZR 881/07 - Rn. 18 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68; 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 12 ff. mwN, BAGE 116, 326; 1. Dezember 2004 - 4 AZR 50/04 - Rn. 15 ff. mwN, BAGE 113, 40; 21. August 2002 - 4 AZR 263/01 - Rn. 16 ff. mwN, BAGE 102, 275). Die Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb einschränkend dahin ausgelegt, dass die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik nur so weit reicht, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reicht, also dann endet, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden ist (vgl. im Einzelnen BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 28, BAGE 130, 43). Ab diesem Zeitpunkt sind die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden.
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bb) Diese Auslegungsregel zur Feststellung einer Gleichstellungsabrede hat der Senat aufgegeben. Er wendet sie aber aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (st. Rspr., vgl. nur 26. August 2009 - 4 AZR 285/08 - Rn. 49, AP TVG § 3 Nr. 45 = EzA TVG § 3 Nr. 32; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 29 ff., BAGE 122, 74; 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326).
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cc) Da die im Arbeitsvertrag enthaltene dynamische Verweisung auf den BMT-G II am 23. Oktober 1986 vereinbart worden ist, kommt bei dessen Auslegung weiterhin die frühere Senatsrechtsprechung zum Tragen. Danach ist die Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages eine Gleichstellungsabrede. Sie verweist auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge, an die die damalige Arbeitgeberin tarifgebunden war. Auf diese Weise sind deren Regelungen mit der sich aus dem Charakter als Gleichstellungsabrede ergebenden Maßgabe Inhalt des Arbeitsvertrages der Klägerin geworden (zu vergleichbaren Klauseln BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 20, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 70 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 43; 10. Dezember 2008 - 4 AZR 881/07 - Rn. 18, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68; 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 12 ff., BAGE 116, 326; 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - zu I 2 c der Gründe, BAGE 105, 284).
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b) Infolge des Betriebsübergangs auf die S-Klinikum R GmbH hat sich an dieser Rechtslage nichts geändert. Die so begründeten, aus dem in Bezug genommenen Tarifwerk herrührenden individualvertraglichen Rechte und Pflichten wurden nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auch Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit der Erwerberin(vgl. BAG 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - BAGE 105, 284, 286 f.; 26. September 2001 - 4 AZR 544/00 - BAGE 99, 120, 129). Da diese ebenfalls an den BMT-G II tarifgebunden war, änderte sich an der Dynamik der Bezugnahme nichts.
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c) Der BMT-G II galt auf individualvertraglicher Grundlage auch nach dem zweiten Betriebs(teil-)übergang des Bereichs Reinigung auf die Beklagte und dem damit verbundenen Branchenwechsel des Beschäftigungsbetriebs in den Bereich des Gebäudereinigerhandwerks weiter. Nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB blieb das in § 2 des Arbeitsvertrages in Bezug genommene Tarifrecht Teil des auf die Beklagte übergegangenen Arbeitsvertrages.
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aa) Etwas anderes ergibt sich nicht schon von Rechts wegen.
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(1) An der fortdauernden Maßgeblichkeit der Rechte und Pflichten aus dem BMT-G II ändert der Umstand nichts, dass nunmehr im Arbeitsverhältnis das für allgemeinverbindlich erklärte Tarifrecht des Gebäudereinigerhandwerks Anwendung findet. Die normativ nach § 4 Abs. 1 iVm. § 5 TVG im Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Regelungen der Gebäudereinigertarifverträge werden nach § 4 Abs. 3 TVG durch günstigere arbeitsvertragliche Regelungen verdrängt. Hierzu gehören die von der Klägerin in Anspruch genommenen Entgeltregelungen des BMT-G II und der diesen ergänzenden Tarifverträge. Sie finden kraft im Arbeitsverhältnis privatautonom gebildeten Willens als Vertragsrecht Anwendung.
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(2) Die Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk sind auch nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB an die Stelle des vertraglich in Bezug genommenen Tarifrechts des öffentlichen Dienstes getreten. Aus Wortlaut und systematischer Stellung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB folgt, dass diese Bestimmung nur die grundsätzlich vorgesehene Transformation von Tarifrecht, das beim Betriebsveräußerer kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gegolten hat, in das Arbeitsverhältnis beim Erwerber verhindert oder beendet. Die Vorschrift ist nicht dazu bestimmt, auf beim Veräußerer vertraglich begründete Rechte und Pflichten Einfluss zu nehmen. § 613a Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB regeln ausschließlich - letztlich nach Spezialitätsgesichtspunkten modifiziert - den Erhalt von ursprünglich normativ begründeten Besitzständen nach einem Betriebsübergang, nach dem die Voraussetzungen für eine normative Weitergeltung entfallen sind. Vertragliche Rechtspositionen, auch wenn sie in einer privatautonomen Einbeziehung von Tarifrecht ihren Grund haben, gehen ohne Weiteres und uneingeschränkt nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB über. Ein anderes Verständnis stünde im Übrigen auch im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1 der Betriebsübergangs-Richtlinie 2001/23/EG vom 12. März 2001, wonach Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsvertrag ohne Weiteres auf den Erwerber übergehen.
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bb) Die arbeitsvertragliche Verweisung nimmt nur den BMT-G II und die zugehörigen Tarifverträge, nicht auch die für die „andere“ Branche der Gebäudereinigung geltenden Tarifverträge in Bezug. Die Arbeitsvertragsparteien haben keine große dynamische Verweisung oder Tarifwechselklausel vereinbart.
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(1) Die Bezugnahme auf das Tarifwerk einer bestimmten Branche kann nur dann als große dynamische Verweisung, also als Bezugnahme auf den jeweils für den Betrieb fachlich/betrieblich einschlägigen Tarifvertrag, ausgelegt werden, wenn sich dies aus besonderen Umständen ergibt (BAG 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 17 mwN, BAGE 124, 34, 39). Eine solche Bezugnahme ist rechtlich möglich. Ein dahingehender Wille muss aber im Wortlaut des Vertrages einen hinreichend deutlichen Niederschlag gefunden haben oder sich aus den Begleitumständen bei Vertragsschluss ergeben.
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(2) Weder § 2 Satz 1 und 2 noch Satz 3 des Arbeitsvertrages vom 23. Oktober 1986 noch vorgetragene Umstände bei Vertragsschluss lassen einen Willen der vertragschließenden Parteien erkennen, die je nach Branchenzugehörigkeit des Beschäftigungsbetriebs einschlägigen Tarifverträge privatautonom zur Geltung zu bringen.
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Die Sätze 1 und 2 der vertraglichen Verweisungsklausel nennen nur die Tarifbestimmungen für die Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe in ihrer jeweils geltenden Fassung als Verweisungsobjekt. Nur dieses Tarifrecht haben die Arbeitsvertragsparteien in dem vom Arbeitgeber gestellten Vertrag in das Vertragsverhältnis inkorporiert.
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Auch aus Satz 3 ergibt sich nichts anderes. Zwar wird dort auf „die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge“ verwiesen. Schon aus der Einfügung des Wortes „sonstigen“ sowie aus der Einleitung des Satzes mit „Daneben finden“ ergibt sich aber, dass mit der vertraglichen Regelung nicht ein etwaiger Tarifwechsel vorbereitet wird. Vielmehr geht es in Satz 3 der Vereinbarung nur darum, auch nicht ausdrücklich angesprochene Tarifverträge, die für die damalige Arbeitgeberin des kommunalen öffentlichen Dienstes einschlägig waren oder werden sollten, neben dem Tarifwerk des BMT-G II zum Vertragsinhalt zu machen. Hierzu gehören die Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk nicht (vgl. auch BAG 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 18, BAGE 124, 34, 39 f.).
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Umstände bei Vertragsschluss, aus denen sich ein weitergehender Regelungswille der Arbeitsvertragsparteien ergeben könnte, trägt die Beklagte nicht vor.
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cc) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts führt auch der Umstand, dass die Verweisung in § 2 des Arbeitsvertrages als Gleichstellungsabrede auszulegen ist, nicht zu einem Wechsel des auf vertraglicher Grundlage anwendbaren Tarifrechts. Dies lässt sich weder aus Wortlaut und Sinn der Vertragsklausel noch aus dem Gedanken einer hierauf aufbauenden „entsprechenden Anwendung“ des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB herleiten.
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(1) Das mit dem Begriff „Gleichstellungsabrede“ gekennzeichnete Auslegungsergebnis einer Bezugnahmeklausel hatte und hat in der Rechtsprechung des Senats nicht den Inhalt, den am Vertrag beteiligten Arbeitnehmer in jeder Hinsicht wie ein Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft oder zumindest tarifrechtlich so wie einen an den in Bezug genommenen Tarifvertrag gebundenen Arbeitnehmer zu behandeln. Es ging und geht stets nur darum, den Arbeitnehmer vertraglich hinsichtlich des in Bezug genommenen Tarifvertrages oder Tarifwerkes so zu stellen, als wäre er an diesen Tarifvertrag gebunden. Wesentliche Rechtsfolge dieses Auslegungsergebnisses war es, die sich aus dem Wortlaut der Inbezugnahme ergebende Dynamik der tariflichen Inkorporierung auf die Zeit zu begrenzen, in der der Arbeitgeber ohnehin im Verhältnis zu tarifgebundenen Arbeitnehmern durch seine Verbandsmitgliedschaft an die Tarifentwicklung gebunden war. Eine Gleichstellung, die auch einen für Gewerkschaftsmitglieder normativ, beispielsweise aufgrund von § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB, eintretenden Tarifwechsel vertraglich nachvollzieht, kann zwar vereinbart werden, sie muss aber im Vertragswortlaut in der eben beschriebenen Weise zum Ausdruck kommen. Eine auf ein bestimmtes Tarifwerk bezogene Gleichstellungsklausel deckt eine Vertragsentwicklung, die einen auf einen Branchenwechsel folgenden Tarifwechsel mitumfasst, nicht ab (vgl. hierzu auch BAG 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 17, BAGE 124, 34, 39).
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(2) In seinem Urteil vom 29. August 2007 hat der Senat im Einzelnen begründet, warum im Verhältnis zwischen einer vertraglich vereinbarten Tarifgeltung und einem normativ geltenden Tarifvertrag im Hinblick auf die unterschiedlichen Regelungsebenen auch eine entsprechende Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB nicht in Betracht kommt (- 4 AZR 767/06 - Rn. 19 mwN zu den hierzu in der Literatur vertretenen Auffassungen, BAGE 124, 34, 40). Der Senat nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug, da neue Gesichtspunkte im vorliegenden Rechtsstreit nicht angesprochen worden sind.
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dd) Die Beklagte und das Landesarbeitsgericht berufen sich zur Rechtfertigung ihrer entgegengesetzten Rechtsauffassungen, was die Bedeutung und Wirkung einer Gleichstellungsabrede in Fällen wie dem vorliegenden angeht, zu Unrecht auf die Senatsentscheidungen vom 4. September 1996 (- 4 AZR 135/95 - BAGE 84, 97) und 23. Januar 2008 (- 4 AZR 602/06 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 38). Es wird hier schon übersehen, dass die beiden angezogenen Urteile grundlegend andere Sachverhalte betrafen, weshalb die dort getroffenen Aussagen auch nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragbar sind.
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(1) Das von der Beklagten angeführte Senatsurteil vom 4. September 1996 (- 4 AZR 135/95 - BAGE 84, 97) betraf eine arbeitsvertragliche Verweisungsklausel, die keine Tarifwechselklausel zum Inhalt hatte. Sie war in einem Fall des Verbandswechsels des Arbeitgebers korrigierend dahin ausgelegt worden, dass eine Verweisung auf den jeweils für den Betrieb geltenden Tarifvertrag vereinbart worden sei. Diese Rechtsprechung hat der Senat ausdrücklich aufgegeben (22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 73, BAGE 130, 286; s. bereits 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 24 f., BAGE 128, 165, 171). Zudem erfolgte die Auslegung im Urteil vom 4. September 1996 jedenfalls auf der deutlich herausgestellten Grundlage, dass der Vertragspartner der von unterschiedlichen Arbeitgeberverbänden abgeschlossenen Tarifverträge jeweils dieselbe Gewerkschaft war, der zudem auch die damalige Klägerin angehörte. Mit dieser Ausgangslage ist der vorliegende Fall bereits deshalb nicht vergleichbar, weil ein Branchenwechsel in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Gewerkschaft - als der die das in Bezug genommene Tarifwerk abgeschlossen hat - stattgefunden hat (vgl. auch 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 24 f., BAGE 128, 165, 171).
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(2) Auch soweit das Landesarbeitsgericht auf das Senatsurteil vom 23. Januar 2008 (- 4 AZR 602/06 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 38) hinweist, worin der Senat zu seiner eigentlichen Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede zurückgekehrt sei, werden der dort behandelte Lebenssachverhalt ausgeblendet und die dortigen Rechtsausführungen im entscheidenden Punkt nicht ausreichend gewürdigt. In der Entscheidung ging es bei der Würdigung einer als Gleichstellungsabrede zu bewertenden Bezugnahmeklausel darum, ob nach einem Betriebsübergang an die Stelle eines von der arbeitsvertraglichen Verweisung mitumfassten, beim Veräußerer abgeschlossenen Haustarifvertrages wieder die flächentarifvertraglichen Regelungen getreten waren, die ebenfalls von der arbeitsvertraglichen Verweisung erfasst und die von derselben Gewerkschaft vereinbart worden waren wie der Haustarifvertrag. Zur Klärung der Rechtslage griff der Senat auf den auch hier zugrunde gelegten Ansatz zurück, es gehe auf der Grundlage der vereinbarten Gleichstellungsabrede darum, den dortigen Kläger so zu stellen, „als sei er wie ein Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft … ebenso wie der Arbeitgeber an die in Bezug genommenen Tarifverträge der Branche gebunden“ (- 4 AZR 602/06 - aaO). Nur für die Auswahlentscheidung, auf welche der in Bezug genommenen Tarifwerke sich die Verweisung in der konkret eingetretenen Situation bezieht, hat der Senat in seiner vergleichenden Betrachtung der Rechtslage bei den tarifgebundenen Arbeitnehmern - ohne dass es darauf entscheidend ankam - § 613a Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB angesprochen. Eine Rechtfertigung dafür, aus einer auf ein bestimmtes Tarifwerk bezogenen Gleichstellungsabrede auf eine vertragliche Inbezugnahme eines für eine andere Branche durch eine andere Gewerkschaft abgeschlossenen nicht genannten Tarifwerkes zu schließen, lässt sich daher aus der angezogenen Entscheidung nicht entnehmen.
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2. Das Arbeitsgericht ist allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass auf das Arbeitsverhältnis seit dem Inkrafttreten des TVöD/VKA das dortige Tarifrecht kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbar sei. Soweit die Klageforderung der Höhe nach hierauf beruht, hat das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten die Klage zu Recht abgewiesen. Insoweit ist die Revision zurückzuweisen.
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Aus dem bereits beschriebenen Inhalt einer Gleichstellungsabrede, wie sie sich im Vertrag der Klägerin vom 23. Oktober 1986 findet, folgt, dass mit dem Wegfall der Tarifgebundenheit auf Arbeitgeberseite an die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge die vertraglich vereinbarte Dynamik endet. Die Arbeitgeberin ist an danach vereinbarte Tarifänderungen nicht mehr gebunden. Da die arbeitgeberseitige Tarifgebundenheit an den BMT-G II im Falle der Klägerin mit dem Betriebsteilübergang auf die Beklagte am 1. Juli 2004 geendet hat, kann die Klägerin keine Leistungen auf der Grundlage des dieses Tarifwerkes erst am 1. Oktober 2005 ablösenden TVöD/VKA verlangen. Sie ist auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die Rechte aus dem BMT-G II beschränkt, wie sie sich zum Stand 1. Juli 2004 ergeben.
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3. Aus alledem folgt, dass die Klage wegen eines Zahlungsbetrags von 5.049,34 Euro brutto (Antrag zu 1) und 4.034,89 Euro brutto (Antrag zu 2) in erster Instanz zu Recht Erfolg hatte und das Urteil des Arbeitsgerichts in diesem Umfang wiederherzustellen ist. Nur wegen eines Teilbetrags von 81,68 Euro brutto ist der Klage zu Unrecht entsprochen worden, weshalb die Revision keinen Erfolg hat.
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a) Die zur Berechnung der Klageforderung erforderlichen Tatsachen stehen zwischen den Parteien fest. Die Klägerin konnte für die Zeit zwischen dem 1. Juli 2004 und dem 25. Dezember 2006 auf der Grundlage des BMT-G II (29 x 1.241,19 + 992,95 =) 36.987,46 Euro brutto an laufendem Entgelt sowie ihrer Teilzeitquote entsprechend 207,14 Euro brutto Urlaubsgeld beanspruchen. Sie hat ausweislich der vorliegenden Abrechnungen für den Streitzeitraum insgesamt 28.110,37 Euro brutto auf der Grundlage der Gebäudereinigertarifverträge erhalten, woraus sich die zuerkannte Gesamtdifferenz von 9.084,23 Euro brutto ergibt. Auf die darüber hinaus vom Arbeitsgericht nach Maßgabe des TVöD/VKA zuerkannten 81,68 Euro hat sie keinen Anspruch.
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b) Die errechneten Zahlungsansprüche sind nicht verfallen. Die Klägerin hat mit anwaltlichem Schreiben vom 15. Oktober 2004 ihre Forderung auf Weiterzahlung des Monatsentgelts von 1.241,19 Euro brutto für die 24-Stunden-Woche nach BMT-G II ab dem 1. Juli 2004 und für die Zukunft ausreichend geltend gemacht. Das tarifliche Urlaubsgeld für das Jahr 2005 wurde mit der Klageschrift vom 12. Januar 2006, der Beklagten zugestellt am 19. Januar 2006, rechtzeitig verlangt.
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aa) Nach dem unverändert auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anwendbaren § 63 BMT-G II verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus, um einen Verfall auch für später fällig werdende Leistungen zu verhindern.
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Ist also ein Anspruch nach § 63 Unterabs. 1 BMT-G II ordnungsgemäß geltend gemacht worden, lässt § 63 Unterabs. 2 BMT-G II diese Geltendmachung für denselben Sachverhalt aus Gründen der Vereinfachung auch für später fällig werdende Leistungen ausreichen (BAG 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168).
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bb) Die in diesem Sinne für § 63 BMT-G II ausreichende „einmalige Geltendmachung“ geschah, was die laufende Vergütung angeht, mit dem bereits zitierten Anwaltsschreiben vom 15. Oktober 2004 für den Monat Juli 2004 innerhalb der Sechs-Monats-Frist. Dabei wurde nicht nur die wörtlich angesprochene Abrechnung, sondern auch eine entsprechende Zahlung ebenfalls verlangt. Da die Bezüge ständiger Natur waren, reichte nach § 63 Unterabs. 2 BMT-G II die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus. Soweit die Beklagte dem eine ständige Änderung der monatlichen Zahlungsbeträge auf der Basis eines Stundenlohns entgegenhält, bezieht sich dies nicht auf die der Klägerin zustehenden und von ihr geltend gemachten ständig gleichen Beträge, sondern auf die gegengerechneten Zahlungen der Beklagten unter Anwendung eines anderen Tarifvertrages. Auf diese aus dem Bereich der Beklagten stammende Unregelmäßigkeit der Differenzbeträge kommt es für die Wahrung der Ausschlussfrist nach § 63 BMT-G II, was den der Klägerin zustehenden monatlichen Festbetrag angeht, nicht an.
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4. Den Zinsausspruch des Arbeitsgerichts hat die Beklagte nicht angegriffen.
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III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 1 und 2, § 97 ZPO.
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Die Kosten erster Instanz waren nach § 92 Abs. 1 ZPO im Verhältnis des dortigen Unterliegens und Obsiegens gesondert zu verteilen, nachdem das Arbeitsgericht die ursprünglich eingelegte Zahlungsklage wegen eines Teilbetrags abgewiesen hat und die Klägerin hiergegen kein Rechtsmittel eingelegt hatte.
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Die Kostenentscheidung für die zweite und dritte Instanz beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, weil die Zuvielforderung der Klägerin, was den für diese Instanzen verbliebenen Streitgegenstand angeht, nur geringfügig ist und deshalb unberücksichtigt bleiben kann.
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Bepler
Treber
Winter
Kralle-Engeln
Weßelkock
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 5. November 2009 - 17 Sa 724/09 - aufgehoben:
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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 8. April 2009 - 2 Ca 1808/08 - wird zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, welche tariflichen Regelungen aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.
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Der Kläger ist seit dem 1. September 1991 im Klinikbetrieb der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. In dem am 6. November 1991 mit der Stiftung W-Klinik, einem Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes (KAV), geschlossenen Arbeitsvertrag heißt es unter § 2:
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„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.“
-
Die nicht tarifgebundene Beklagte übernahm mit Wirkung zum 5. September 2002 den Klinikbetrieb im Wege des Betriebsübergangs. Am 29. März 2004 schlossen die Beklagte und die Versorgungsgesellschaft W-Klinik mbH einerseits sowie der bei ihnen gebildete Betriebsrat der A W-Klinik einen „Interessenausgleich“, der ua. wie folgt lautet:
-
„§ 1 Gegenstand
Um die Überlebensfähigkeit der Klinik zu sichern, werden folgende Maßnahmen ergriffen:
…
3.
Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Dauer von zunächst drei Jahren beginnend für das Kalenderjahr 2004.
4.
Verzicht auf 5% des Bruttoentgeltes beginnend ab Abrechnungsmonat April 2004.
5.
Hälftige Beitragszahlung der jeweiligen Zusatzversorgung (ZKW/VBLU) durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer beginnend ab Abrechnungsmonat April 2004.
…“
-
Unter dem Datum des 31. März 2004/5. April 2004 schlossen die Parteien einen „Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag“, in dem es ua. heißt:
-
„§ 1
Das Bruttoentgelt des Mitarbeiters wird mit Wirkung ab dem 01.04.2004 auf
2.389,18 €
monatlich
festgesetzt.
§ 2
Der Mitarbeiter verzichtet für einen Zeitraum von zunächst drei Jahren auf Weihnachts- und Urlaubsgeld.
…
§ 3
Die Zusatzversorgung über die ZKW / VBLU bleibt weiterhin erhalten. Die Beiträge werden mit Wirkung ab dem 01.04.2004 wie folgt abgerechnet:
Der Arbeitgeber trägt 50% der Beiträge. Die andere Beitragshälfte wird durch den Arbeitnehmer getragen und durch den Arbeitgeber im Rahmen der monatlichen Gehaltsabrechnung einbehalten und an den Versicherungsgeber überwiesen.“
-
Seither erhält der Kläger unverändert das vereinbarte Bruttoentgelt. Am 8. Juni 2007/5. Juli 2007 schlossen die Parteien einen weiteren Änderungsvertrag „zum Arbeitsvertrag und zum Änderungsvertrag vom 31.03.2004“, der ua. wie folgt lautet:
-
„§ 2 des Änderungsvertrages vom 31.03.2004 wird mit Wirkung vom 01.01.2007 durch folgende Regelung ersetzt:
Der Arbeitnehmer verzichtet beginnend mit dem Jahr 2007 für weitere 3 Jahre bis zum 31.12.2009 auf jedwede Sonderzahlung, insbesondere die Weihnachtszuwendung und Urlaubsgeld aus dem nachwirkenden Tarifvertrag BAT / BMTG.
…
Des Weiteren bleibt es bei den bisherigen Arbeitsbedingungen.“
- 6
-
Der Kläger will die Anwendbarkeit des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst in der für die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (TVöD/VKA) einschließlich des besonderen Teils für die Krankenhäuser (BT-K) festgestellt wissen. Aufgrund der Regelung in § 2 des Arbeitsvertrages aus dem Jahr 1991 sei der TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 1. August 2006 - unter Beachtung der vertraglichen Änderungen aus den Jahren 2004 und 2007 - auf sein Arbeitsverhältnis anzuwenden. Bei der Bezugnahmeregelung handele es sich nicht um einen „Altvertrag“ iSd. früheren Rechtsprechung zur sog. Gleichstellungsabrede. Mit Abschluss der Änderungsverträge in den Jahren 2004 und 2007 sei der Vertrag aus dem Jahr 1991 vielmehr wie ein „Neuvertrag“ auszulegen. Denn es sei gleichzeitig die Bezugnahme auf den BAT erneuert worden.
-
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
-
festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst BT-K anzuwenden ist mit der Maßgabe, dass
1.
das dem Kläger zustehende Bruttoentgelt 95 % des TVöD-Entgelts beträgt,
2.
die Jahressonderzahlung gem. § 20 TVöD befristet für die Zeit bis zum Jahr 2009 nicht zu zahlen ist,
3.
die Beiträge zur Zusatzversorgung von der Beklagten zu 50 % und von dem Kläger zu 50 % getragen werden.
- 8
-
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Es fehle bereits an einem Feststellungsinteresse des Klägers. Bei der Regelung in § 2 des Arbeitsvertrages vom 6. November 1991 handele es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede. Aus den beiden späteren Änderungsverträgen folge nichts anderes. Es fehle an einer ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt blieben“, weshalb die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Juli 2008 (- 10 AZR 606/07 -) nicht einschlägig sei. Erforderlich sei eine nach dem 31. Dezember 2001 erfolgte Willenserklärung, um von einem „Neuvertrag“ ausgehen zu können.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 10
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Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der zulässigen Klage zu Unrecht stattgegeben.
- 11
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I. Die Feststellungsklage ist entgegen der Auffassung der Beklagten zulässig.
- 12
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1. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
- 13
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a) Gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Der Streitgegenstand und der Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis müssen klar umrissen sein (BAG 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 11, AP ZPO § 253 Nr. 50 = EzA ZPO 2002 § 253 Nr. 3; 19. Februar 2008 - 9 AZR 70/07 - Rn. 16, BAGE 126, 26), so dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung (§ 322 ZPO)zwischen den Parteien entschieden werden kann. Bei einer Feststellungsklage sind grundsätzlich keine geringeren Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen als bei einer Leistungsklage (BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 735/07 - Rn. 53, AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 20). Dabei kann sich eine Feststellungsklage auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage -. Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (st. Rspr., BAG 26. Januar 2011 - 4 AZR 333/09 - Rn. 12; 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11 mwN, BAGE 128, 165).
- 14
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b) Danach ist der Antrag hinreichend bestimmt. Entgegen der Auffassung der Revision bleibt nicht unklar, in welchem zeitlichen Umfang rechtskräftig über die begehrte Feststellung entschieden werden soll. Der nach seinem Wortlaut und dem bisherigen Vorbringen des Klägers gestellte Feststellungsantrag ist gegenwartsbezogen. Der Kläger will für das mit der Beklagten bestehende Rechtsverhältnis gegenwärtig geklärt wissen, dass der im Antrag genannte Tarifvertrag darauf anzuwenden ist. Die begehrte Feststellung entfaltet dann Wirkungen für die Zukunft. Ein gegenwartsbezogener Feststellungsantrag bezieht sich auch noch im Revisionsverfahren nicht auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt, sondern auf die letzte mündliche Verhandlung vor dem Revisionsgericht (ausf. BAG 14. Dezember 2004 - 1 ABR 51/03 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 113, 82).
- 15
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2. Dem Kläger steht weiterhin das für die begehrte Feststellung nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse zu. Das Feststellungsinteresse folgt schon aus den unterschiedlichen Auffassungen der Parteien über die Anwendbarkeit der TVöD-K auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis. Auch ist der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gehalten, eine Leistungsklage zu erheben. Er hat gerade nicht die Klärung eines vergangenen, sondern einen gegenwärtigen Rechtsverhältnisses zum Gegenstand seines Feststellungsantrages gemacht, mit dem er geklärt wissen möchte, welcher Tarifvertrag für sein Arbeitsverhältnis maßgebend ist. Hierfür ist ein Feststellungsantrag die gebotene Klageart (vgl. nur BAG 10. März 1993 - 4 AZR 264/92 - zu I der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Brotindustrie Nr. 3 = EzA TVG § 4 Brot- und Backwarenindustrie Nr. 1; 15. Juli 1992 - 7 AZR 491/91 - zu A 2 der Gründe, AP BPersVG § 46 Nr. 19).
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II. Die Klage ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unbegründet.
- 17
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Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der TVöD/VKA einschließlich des besonderen Teils für die Krankenhäuser (BT-K) im beantragten Umfang, der nach der Prozessvereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 9. Januar 2003 für den Dienstleistungsbereich der Krankenhäuser als „Durchgeschriebene Fassung des TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K)“ erstellt wurde, nicht anzuwenden. Die Anwendbarkeit folgt weder aus der Bezugnahmeklausel des Arbeitsvertrages vom 6. November 1991 noch aus den Änderungsverträgen der Jahre 2004 und 2007. Entgegen dem Landesarbeitsgericht ist die Bezugnahmeklausel nach wie vor als sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats auszulegen.
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1. Der Arbeitsvertrag der Parteien sowie die Änderungsverträge sind Formularverträge. Die Auslegung derartiger typischer Vertragsklauseln kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden (st. Rspr., etwa BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 15 mwN, BAGE 132, 261 ).
- 19
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2. Bei der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages vom 6. November 1991 handelt es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats.
- 20
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a) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats waren bei entsprechender Tarifgebundenheit des Arbeitgebers Bezugnahmeklauseln wie die im Arbeitsvertrag der Parteien in aller Regel als sogenannte Gleichstellungsabreden auszulegen (zu einer inhaltsgleichen Bezugnahmeklausel BAG 10. Dezember 2008 - 4 AZR 881/07 - Rn. 18 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68). Diese verweisen dynamisch auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge und der Arbeitgeber ist zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses tarifgebunden gewesen. Jedoch führt der Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers dazu, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung anzuwenden sind, die zum Zeitpunkt des Eintritts der fehlenden Tarifgebundenheit galt. Diese Auslegungsregel wendet der Senat aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (st. Rspr., BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 18 mwN, BAGE 132, 261; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 29 ff., BAGE 122, 74; 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326).
- 21
-
b) Das Landesarbeitsgericht ist entgegen dem Einwand der Revision auch zutreffend davon ausgegangen, dass es sich vorliegend nicht um eine statische, sondern eine dynamische Verweisung auf die jeweiligen in der Bezugnahmeklausel genannten Tarifverträge handelt. Dafür spricht bereits der Wortlaut der arbeitsvertraglichen Verweisung. Es fehlt an einer konkreten Benennung des in Bezug genommenen Tarifvertrages nach einem bestimmten Datum oder einer nicht auf einen anderen, etwa einen Nachfolgetarifvertrag übertragbaren Bezeichnung. Vielmehr wird nicht nur auf den „BAT“, sondern ua. auch auf die „ändernden oder ersetzenden“ Tarifverträge verwiesen. Insbesondere durch solche Zusätze wird der Wille deutlich, eine dynamische Verweisung vornehmen zu wollen (BAG 19. September 2007 - 4 AZR 710/06 - Rn. 22 mwN, AP BGB § 133 Nr. 54 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 36).
- 22
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c) Damit ging das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB mit dem zur Zeit des Betriebsübergangs geltenden tariflichen Regelungsbestand auf die Beklagte über.
- 23
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3. Die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien ist auch nach Abschluss der Änderungsverträge im Jahr 2004 und im Jahr 2007 nach wie vor als Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats auszulegen. Die Vertragsänderungen führen nicht dazu, dass der Arbeitsvertrag in Bezug auf die Bezugnahmeklausel nunmehr als „Neuvertrag“ zu bewerten ist.
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a) Für Arbeitsverträge, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 geschlossen worden sind („Neuverträge”), wendet der Senat die Auslegungsregel der Gleichstellungsabrede nicht an. Die Auslegung von Verweisungsklauseln in diesen Arbeitsverträgen hat sich in erster Linie an deren Wortlaut zu orientieren (ausf. BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 26, 28, BAGE 122, 74).
- 25
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b) Kommt es in Arbeitsverhältnissen mit einer Bezugnahmeklausel, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden ist („Altvertrag“), nach dem 31. Dezember 2001 zu einer Arbeitsvertragsänderung, hängt die Beurteilung, ob es sich hinsichtlich dieser Klausel um einen Alt- oder Neuvertrag handelt, darauf an, ob die Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Parteien des Änderungsvertrages gemacht worden ist.
- 26
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aa) Bei den zwischen den Parteien vereinbarten Änderungsverträgen handelt es sich um Formularverträge, die nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen sind, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten. Die Auslegung durch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden ( BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 24, BAGE 132, 261; 4. Juni 2008 - 4 AZR 308/07 - Rn. 30 mwN).
- 27
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bb) Diese Grundsätze gelten auch für arbeitsvertragliche Verweisungsklauseln im Rahmen von Vertragsänderungen. Bei einer Änderung eines Altvertrages nach dem 1. Januar 2002 kommt es für die Beurteilung, ob die Auslegungsmaßstäbe für „Neu-“ oder für „Altverträge“ maßgebend sind, darauf an, ob die Klausel im Änderungsvertrag zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der hieran beteiligten Vertragsparteien gemacht worden ist (BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 691/08 - Rn. 25, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 75 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 47; 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 23 bis 25, BAGE 132, 261). Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1. Januar 2002 ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten, liegt beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“ (vgl. für die Bewertung dieses Regelungsbeispiels BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 49, BAGE 127, 185). Eine solche Regelung hindert die Annahme eines „Altvertrages“ und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ( BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 25, aaO). Allerdings führt allein der Umstand einer Vertragsänderung nicht dazu, dass zugleich stets alle vertraglichen Regelungen des ursprünglichen Arbeitsvertrages erneut vereinbart oder bestätigt würden. Ob eine solche Abrede gewollt ist, ist anhand der konkreten Vertragsänderung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.
- 28
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c) Danach sind die vom Kläger und der Beklagten vereinbarten Arbeitsvertragsänderungen hinsichtlich der Bezugnahmeklausel nicht als „Neuvertrag“ anzusehen.
- 29
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aa) Dies gilt zunächst für den Änderungsvertrag aus dem Jahr 2004. Dessen Regelungen beinhalten keinerlei ausdrücklichen noch sonst sich erschließenden Abänderungs- oder Neufassungsgehalt hinsichtlich der bestehenden vertraglichen Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag vom 6. November 1991. Änderungsgegenstand sind allein - entsprechend den Regelungen des Interessenausgleichs - die Absenkung des monatlichen Bruttoentgelts (§ 1), ein zeitlich begrenzter Verzicht auf „Weihnachts- und Urlaubsgeld“ (§ 2)sowie die Änderung der Beitragsanteile von Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die Zusatzversorgung (§ 3). Alle anderen Haupt- und Nebenleistungspflichten bleiben unerwähnt. Den vereinbarten Änderungen lassen sich auch keine Anhaltspunkte entnehmen, die Parteien gingen - jedenfalls nunmehr - von einer unbedingten zeitdynamischen Verweisung auf die im Arbeitsvertrag vom 6. November 1991 genannten Tarifverträge aus. Ein anderes folgt weiterhin nicht aus dem Einleitungstext, wonach es sich um einen „Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag“ handelt. Hierdurch wird lediglich eine Verknüpfung zum ursprünglichen Arbeitsvertrag hergestellt, ohne allerdings dessen Inhalt insgesamt in die rechtsgeschäftliche Willensbildung einzubeziehen (vgl. auch BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 27, BAGE 132, 261).
- 30
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bb) Gleiches gilt im Ergebnis für die vorliegende Abrede im Änderungsvertrag vom 8. Juni 2007/5. Juli 2007. Ein anderes folgt nicht aus dem Wortlaut „Des Weiteren bleibt es bei den bisherigen Arbeitsbedingungen.“ Das ergibt die Auslegung des Änderungsvertrages im vorliegenden Fall.
- 31
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(1) Dabei kann dahinstehen, ob es sich - wie die Revision meint - bei dem vorstehend genannten Vertragsbestandteil im Änderungsvertrag lediglich um eine deklaratorische Vertragsbestimmung handelt, weil die Parteien nur eine reine Wissenserklärung ohne „Rechtsbindungs- bzw. Erklärungswille“ abgegeben hätten, oder der Vertragsinhalt auch insoweit konstitutive Bedeutung hat (vgl. BAG 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 38 mwN, BAGE 130, 237), weil es sich um übereinstimmende Willenserklärungen handelt, wovon auch das Landesarbeitsgericht im Ergebnis ausgegangen ist. Selbst wenn man entgegen der Auffassung der Beklagten von einer konstitutiven Regelung ausgeht, führt dies hinsichtlich der Bezugnahmeklausel nicht zur Annahme eines „Neuvertrages“.
- 32
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(2) Bezugspunkt der vertraglichen Regelungen im Änderungsvertrag aus dem Jahr 2007 sind nicht die vertraglichen Abreden aus dem Jahr 1991, sondern die „bisherigen Arbeitsbedingungen“, bei denen es verbleiben soll.
- 33
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Hierzu gehört auch die vertragliche Bezugnahmeregelung, die bisher jedoch als Gleichstellungsabrede vereinbart war. Die Arbeitsbedingungen der Parteien waren im Jahr 2007 so gestaltet, dass auch unter Berücksichtigung des Änderungsvertrages aus dem Jahr 2004 die Bezugnahmeklausel aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag vom 6. November 1991 nach wie vor als sog. Gleichstellungsabrede verstanden wurde (unter 2 und 3 c). Dem entsprachen die nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB bestehenden Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnis. Die Arbeitsvertragsparteien haben ihr Arbeitsverhältnis dementsprechend durchgeführt. Seit der Anpassung des Bruttoentgelts durch den ersten Änderungsvertrag im Jahr 2004 erhielt der Kläger eine unveränderte Vergütung. Die Veränderungen im tariflichen Entgelt im Bereich der VKA wurden für das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht nachvollzogen. Zu den Arbeitsbedingungen im Jahr 2007 gehörte die statische Anwendung der vertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge.
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Eine Aufnahme der vertraglichen Vereinbarungen in den Änderungsvertrag, wie sie der Zehnte Senat zu beurteilen hatte (vgl. BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 49, BAGE 127, 185; sowie unter 3 b bb) und deren „Neuabschluss“ kann dem Wortlaut der vertragsändernden Abrede aus dem Jahr 2007 nicht entnommen werden. Das unterscheidet die vorliegende Fallgestaltung auch von derjenigen in der Entscheidung des Senats vom 24. Februar 2010. In dem damals entschiedenen Fall war in dem Änderungsvertrag ausdrücklich auf die „jeweilige Fassung“ der „einschlägigen Tarifverträge“ verwiesen worden (- 4 AZR 691/08 - Rn. 26, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 75 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 47).
- 35
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Der Fortbestand der Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede ergibt sich auch aus dem Wortlaut einer weiteren Regelung des Änderungsvertrages. Die Parteien haben bei der Verlängerung des Verzichts auf „jedwede Sonderzahlung“ sich ausdrücklich auf „die Weihnachtszuwendung und Urlaubsgeld aus dem nachwirkenden Tarifvertrag BAT / BMTG“ bezogen. Diesen Tarifverträgen kam zwar in Bezug auf die Parteien keine Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG zu. Die Nennung dieser Tarifwerke ist indes nur verständlich, wenn die Parteien davon ausgegangen sind, diese Tarifregelungen seien nach wie vor für das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis maßgebend, obwohl sie im tariflichen Bereich durch den TVöD/VKA nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Spiegelstrich 1 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts bereits abgelöst worden waren(dazu BAG 22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 22 ff., BAGE 130, 286). Damit haben die Parteien zum Ausdruck gebracht, dass es aus ihrer Sicht gerade nicht zu einer unbedingten zeitdynamischen Anwendung der in Bezug genommenen Tarifwerke und ihrer Nachfolgeregelungen gekommen ist oder in Zukunft kommen soll. Diesen Regelungswillen haben sie durch den Wortlaut des Vertrages vom 8. Juni 2007/5. Juli 2007 bestätigt.
-
Bepler
Creutzfeldt
Treber
Bredendiek
Th. Hess
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 18.04.2013, Az.: 2 Ca 1850/12 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien des vorliegenden Rechtstreits streiten darüber, ob die Beklagten verpflichtet sind, an den Kläger aus seinem vormals bestehenden Arbeitsverhältnis noch die Bezahlung für Überstunden zu leisten.
- 2
Der 51 Jahre alte Kläger war in der Zeit vom 01.07.2002 bis zum 18.07.2012 in der Kanzlei der Beklagten als angestellter Rechtsanwalt gegen ein monatliches Bruttoentgelt von zuletzt 2.445,00 € beschäftigt. Die Parteien sind von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden ausgegangen.
- 3
Der Kläger hat vorgetragen,
während der gesamten Vertragszeit habe er insgesamt 1698,17 Stunden Mehrarbeit geleistet, was sich aus der beigefügten Tabelle (Bl. 3-35 d. A.) ergebe. Er gehe von einer zehnjährigen Verjährungsfrist aus, weil er erstmals mit Erteilung des Zeugnisses erfahren habe, dass er lediglich eine Arbeitszeit von 30,5 Wochenstunden gehabt habe. Die geleistete Mehrarbeit sei auch stets notwendig gewesen, da er außer in den Fällen, für die er selbst zuständig gewesen sei, von beiden Beklagten weitere Akten zur meist dringlichen Bearbeitung erhalten habe, täglich zwischen zehn und zwanzig Akten. Jedenfalls hätten die Beklagten die Mehrarbeit geduldet.
- 4
Der Kläger hat beantragt,
- 5
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 28.873,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
- 6
Die Beklagten haben beantragt,
- 7
die Klage abzuweisen.
- 8
Die Beklagten haben vorgetragen,
es sei eine Sollarbeitszeit von 32 Wochenstunden für die Berechnung der Vergütung zugrunde gelegt worden; Hintergrund für die nicht vollzeitige Beschäftigung des Klägers sei - unstreitig - sein Wunsch gewesen, neben seiner Angestelltentätigkeit bei den Beklagten einer Tätigkeit bei der Universität Z nachzugehen. Überstunden seien weder erforderlich gewesen, noch zu irgendeinem Zeitpunkt von den Beklagten angeordnet oder geduldet worden. Der Kläger habe Schlüssel zum jederzeitigen unkontrollierten Zugang zur Kanzlei gehabt, sodass den Beklagten eine Kontrolle seiner Anwesenheits- und Arbeitszeiten nicht möglich gewesen sei. Im Übrigen sei er monatelang jeden Mittwoch zur Universität Z gefahren, um dort Arbeiten abzugeben und solche abzuholen, dies während der Bürostunden.
- 9
Im Übrigen seien die Ansprüche überwiegend verjährt; etwaigen Ansprüchen des Klägers auf Überstundenvergütung stehe schließlich die Verwirkung entgegen. Denn die Beklagten hätten zu keinem Zeitpunkt von einem ihrer Angestellten jemals verlangt, zeitlich über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistungen zu erbringen, auch nicht vom Kläger. Nach den Arbeitsabläufen und Gepflogenheiten in der Kanzlei der Beklagten habe es keine Notwendigkeit für Überstunden gegeben. Die dem Kläger zur Bearbeitung überlassenen Angelegenheiten seien innerhalb der wöchentlichen Sollarbeitszeit von 32 Stunden zu bewältigen gewesen. Anders sei auch das jahrelange Schweigen des Klägers nicht zu deuten. Sofern der Kläger auswärtige Gerichtstermine für die Beklagten habe wahrnehmen müssen, habe er unmittelbar nach seiner Rückkehr die verauslagten Kosten abgerechnet. Auch dabei habe er nie erwähnt, dass ihm Überstunden entstanden seien und er diese bezahlt haben wolle.
- 10
Die Nennung von 30,5 Stunden Arbeitszeit im Zeugnis beruhe darauf, dass der Kläger selbst einen von ihm gefertigten Entwurf des Arbeitszeugnisses vorgelegt habe. Die Beklagten hätten diesen Entwurf letztlich unkorrigiert übernommen.
- 11
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 18.04.2013 - 2 Ca 1850/12 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 78-81 d. A. Bezug genommen.
- 12
Gegen das ihm am 29.05.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 24.06.2013 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 29.08.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf seinen begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 25.07.2013 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 29.08.2013 einschließlich verlängert worden war.
- 13
Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, für das Arbeitsverhältnis gebe es keinen schriftlichen Arbeitsvertrag. Es sei auch nicht die erforderliche Bescheinigung nach § 2 NachwG an den Kläger ausgehändigt worden. Dem Kläger sei während der Zeit des Beschäftigungsverhältnisses ein separater eigener Kanzleischlüssel zur Verfügung gestellt worden, der es ihm - unstreitig - ermöglicht habe, die Kanzleiräume beliebig zu betreten und zu verlassen. Er habe im Verlauf des zwischenzeitlich beendeten Arbeitsverhältnisses überobligatorisch über die vorgegebenen Zeitfenster hinaus gearbeitet (vgl. die Aufstellung Bl. 100-166 d. A.). Auch habe es organisatorische Probleme im Kanzleiablauf gegeben; die Software des vom Kläger zu benutzenden PC sei veraltet und nicht absturzsicher gewesen. Das Diktiergerät habe zudem einen mechanischen Schaden gehabt. Dies habe umfangreiche Korrekturen erforderlich gemacht. Die von ihm zu erledigenden Arbeiten hätten über der üblichen Arbeitsleistung hinaus gelegen und noch absolviert werden müssen. Von ihm habe nicht erwartet werden können, dass dies unentgeltlich zu erfolgen habe. Er habe eine zusätzliche Vergütung schlichtweg erwarten dürfen.
- 14
Verjährung sei für die Jahre ab 2009 nicht eingetreten; nichts anderes gelte für die Verwirkung. Es fehle am erforderlichen Umstandsmoment. Wären die Beklagten im Übrigen ihrer Verpflichtung nachgekommen, einen Nachweis im Sinne des Nachweisgesetzes über die Arbeitsbedingungen und den Arbeitsvertrag zu erteilen, dann sei davon auszugehen gewesen, dass der Kläger dann frühzeitig eine Reaktion auf die überobligationsmäßige Arbeitsleistung abgegeben hätte (in welcher Form auch immer).
- 15
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 28.08.2013 (Bl. 98-613 d. A.) Bezug genommen.
- 16
Der Kläger beantragt,
- 17
das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 18.04.2013 - gerichtliches Aktenzeichen: 2 Ca 1850/12 - abzuändern. Es wird nach den Schlussanträgen der ersten Instanz erkannt.
- 18
Die Beklagten beantragen,
- 19
die Berufung zurückzuweisen.
- 20
Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und heben insbesondere hervor, beide Parteien seien von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden ausgegangen; dies habe auf dem Wunsch des Klägers beruht, der noch einer anderweitigen Tätigkeit an der Universität Z habe nachkommen wollen. Eine Ungewissheit oder Unklarheit hinsichtlich der geltenden Arbeitsbedingungen habe zu keinem Zeitpunkt bestanden, insbesondere auch nicht hinsichtlich der vom Kläger zu leistenden wöchentlichen Arbeitszeit. Zu beachten sei, dass der Kläger seiner Darlegungslast hinsichtlich der geltend gemachten Überstunden durch bloße Bezugnahme auf etwaige Stundenaufstellungen oder sonstige Aufzeichnungen nicht genügen könne. Die Angaben des Klägers hinsichtlich seiner Arbeitszeiten stimmten im Übrigen nicht mit den in der Kanzlei der Beklagten seit Jahren gehandhabten und mit jedem Arbeitnehmer vereinbarten, den Öffnungszeiten der Kanzlei entsprechenden, wöchentlichen Arbeitszeit überein. Überstunden seien zu keinem Zeitpunkt angeordnet worden, erforderlich gewesen oder geduldet worden. Etwaige technische Mängel des vom Kläger benutzten PC bzw. Diktiergerätes seien zu bestreiten; der Nachfolger des Klägers in der Kanzlei der Beklagten sei mit derselben Ausstattung ohne weiteres in der Lage, ordnungsgemäß zu arbeiten.
- 21
Unabhängig davon sei ein Großteil der Ansprüche des Klägers verjährt; insgesamt stünde seinem Begehren aber der Einwand der Verwirkung entgegen.
- 22
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 27.09.2013 (Bl. 617-628 d. A.) Bezug genommen.
- 23
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.
- 24
Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 28.10.2013.
Entscheidungsgründe
I.
- 25
Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II.
- 26
Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
- 27
Denn das Arbeitsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Klage zu Recht abgewiesen.
- 28
Die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen gemäß §§ 611 Abs. 1, 612 Abs. 1 BGB für die Bezahlung von Überstunden sind vorliegend entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegeben.
- 29
Ein allgemeiner Rechtsanspruch auf gesonderte Überstundenvergütung für jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheitszeit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus besteht zwar grds. nicht (BAG 21.09.2011 EzA § 612 BGB 2002 Nr. 11 = NZA 2012, 145; 22.02.2012 - 5 AZR 765/10 - NZA 2012, 861). Sie liegt aber nahe, wenn die Überarbeit über die persönliche regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers hinausgeht. Bei Fehlen einer (wirksamen) Vergütungsregelung verpflichtet § 612 Abs. 1 BGB den Arbeitgeber, geleistete Mehrarbeit zusätzlich zu vergüten, wenn diese den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Eine entsprechende objektive Vergütungserwartung ist regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitnehmer - wie vorliegend - kein herausgehobenes Entgelt bezieht (BAG 22.02.2012 - 5 AZR 765/10 - NZA 2012, 861). Für derartige Überarbeit kann grds. eine zusätzliche Vergütung nach dem Maßstab verlangt werden, nach dem auch sonst der Lohn berechnet wird (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2013, Kap. 3, Rn. 92 ff.)
- 30
Darlegungs- und beweispflichtig für das Bestehen einer Vergütungserwartung ist allgemeinen Grundsätzen derjenige, der eine Vergütung begehrt (BAG 17.08.2011 - 5 AZR 406/10; 22.02.2012 EzA § 612 BGB 2002 Nr. 12 = NZA 2012, 861). An der objektiven Erwartung einer besonderen Vergütung von Überstunden wird es regelmäßig fehlen, wenn arbeitszeitbezogene und arbeitszeitunabhängige vergütete Arbeitsleistungen zeitlich verschränkt sind oder wenn Dienste höherer Art geschuldet sind oder insgesamt eine deutlich herausgehobene Vergütung gezahlt wird. Von letztem Fall wird ausgegangen werden können, wenn das Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet (BAG 22.02.2012 EzA § 612 BGB 2002 Nr. 12 = NZA 2012, 861).
- 31
Vorliegend ist insoweit davon auszugehen, dass es an einer deutlich herausgehobenen Vergütung fehlt. Folglich gelten die allgemeinen Grundsätze, sodass nicht angenommen werden kann, dass es an der objektiven Erwartung einer besonderen Vergütung grundsätzlich fehlt, auch wenn zu berücksichtigen ist, dass sicherlich vom Kläger Dienste höherer Art geschuldet waren.
- 32
Der Arbeitnehmer, der im Prozess von seinem Arbeitgeber die Bezahlung von Überstunden fordert, muss allerdings, zumal wenn zwischen der Geltendmachung und der behaupteten Leistung ein längerer Zeitraum liegt, beim Bestreiten der Überstunden im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus tätig geworden ist (BAG 29.05.2002 EzA § 611 BGB Mehrarbeit Nr. 10; 25.05.2005 EzA § 611 BGB 2002 Mehrarbeit Nr. 1). Er muss vortragen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht, er muss die genauen Zeiten angeben, die er über die Normalarbeitszeit hinaus gearbeitet hat, dass er tatsächlich gearbeitet hat und welche Tätigkeit er ausgeführt hat (BAG 03.11.2004 - 5 AZR 648/03, EzA-SD 2/05 S. 8; 17.08.2011 EzA § 612 BGB 2002 Nr. 10 = NZA 2011, 1335; LAG SchlH 31.05.2005 NZA-RR 2005, 458). Er muss also auch darlegen, welche konkrete geschuldete Arbeit er ausgeführt hat; das gilt auch dann, wenn streitig ist, ob Arbeitsleistung (BAG 25.05.2005 EzA § 611 BGB Mehrarbeit Nr. 1) oder Bereitschaftsdienst angefallen ist (BAG 29.05.2002 EzA § 611 BGB Mehrarbeit Nr. 10); auch die Pausen sind anzugeben (LAG Bln.-Bra. 03.06.2010 LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 24.
- 33
Es darf sich auch bei entsprechendem Bestreiten des Arbeitgebers und dessen Darlegung, die Arbeiten hätten innerhalb der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeit erledigt werden können, nicht auf die pauschale Behauptung, die Überstunden seien sachdienlich gewesen, beschränken. Vielmehr muss er dann für die einzelnen Überstunden Umstände vortragen, aus denen auf ihre Sachdienlichkeit geschlossen werden kann. Der Hinweis auf die Befassung mit bestimmten Projekten reicht nicht aus, denn aus ihr allein folgt nicht zwangsläufig, dass die angefallene Arbeit nur durch Überschreitung der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit erledigt werden konnte (LAG SchlH 14.11.2007 - 6 Sa 492/06, EzA-SD 6/2008 S. 8 LS).
- 34
Dem Arbeitgeber obliegt es, dem Vortrag des Arbeitnehmers substantiiert entgegenzutreten. Pauschales Bestreiten genügt nicht. Behauptete eigene Unkenntnis des Arbeitgebers genügt ebenfalls nicht, denn es handelt sich um eine organisatorische Frage, hinsichtlich derer ein Arbeitgeber sicherstellt, Informationen über den Betriebsablauf zu erhalten (LAG Bln.-Bra. 03.06.2010 LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 24).
- 35
Der Arbeitnehmer muss im Streitfall insoweit allerdings eindeutig vortragen (BAG 15.06.1961 AP Nr. 7 zu § 253 ZPO; LAG Köln 03.07.2003 - 8 (3) Sa 220/03 - EzA-SD 2/04, S. 9 LS), - je nach Fallgestaltung - ob die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeit notwendig oder vom Arbeitgeber gebilligt oder geduldet worden sind (BAG 15.06.1961 AP Nr. 7 zu § 253 ZPO; 25.11.1993 EzA § 253 ZPO Nr. 14; 03.11.2004 - 5 AZR 648/03, EzA-SD 2/05 S. 8; 25.05.2005 EzA § 611 BGB 2002 Mehrarbeit Nr. 1; s. a. BAG 26.07.2006 EzA § 14 TzBfG Nr. 31; LAG Köln 25.06.1999 ZTR 2000, 128; 16.12.2000 ZTR 2001, 329 LS; LAG SchlH 05.11.2002 NZA-RR 2003, 242, 14.11.2007 - 6 Sa 492/06, EzA-SD 6/2008 S. 8 LS). Der Arbeitgeber duldet Überstunden dann, wenn er die Arbeitsleistungen, die über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen, entgegennimmt. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Erbringung von Überstunden über mehrere Wochen erfolgt und der Arbeitgeber keinerlei ernst gemeinte organisatorische Vorkehrungen trifft, um eine freiwillige Ableistung von Überstunden zu unterbinden (LAG Bln.-Bra. 03.06.2010 LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 24). Der Arbeitgeber muss sich die Duldung von Überstunden durch den Vorgesetzten zudem als Direktionsbefugten zurechnen lassen (LAG Bln.-Bra 23.12.2011 LAGE § 611 BGB 2002 Überarbeit Nr. 3).
- 36
Dem Arbeitgeber obliegt es sodann, dem Sachvortrag des Arbeitnehmers substantiiert entgegenzutreten (abgestufte Darlegungs- und Beweislast; vgl. BAG 25.05.2005 EzA § 611 BGB 2002 Mehrarbeit Nr. 1; LAG SchlH 31.05.2005 NZA-RR 2005, 458).
- 37
Zusammengefasst gilt insoweit Folgendes (BAG 16.05.2012 EzA § 611 BGB 2002 Mehrarbeit Nr. 6 = NZA 2012, 939; s. LAG Berlin-Brandenburg 10.09.2012 - 15 Ta 1766/12 AuR 2013, S. 54 LS: Bauer/Arnold/Willemsen DB 2012, 1986 ff.; Strecker BB 2013, 949):
- 38
Für die Darlegung und den Beweis der Leistung von Überstunden gelten dieselben Grundsätze wie für die Behauptung des Arbeitnehmers, die geschuldete (Normal-)Arbeit verrichtet zu haben. Verlangt der Arbeitnehmer Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, in dem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist. Diese Grundsätze dürfen allerdings nicht schematisch angewendet werden, sondern bedürfen stets der Berücksichtigung der im jeweiligen Streitfall zu verrichtenden Tätigkeit und der konkreten betrieblichen Abläufe. Die Darlegung der Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer und die substantiierte Erwiderung hierauf durch den Arbeitgeber haben entsprechend § 130 Nr. 3 und Nr. 4 ZPO schriftsätzlich zu erfolgen. Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag lediglich erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Arbeitszeiten aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen (BAG 16.05.2012 EzA § 611 BGB 2002 Mehrarbeit Nr. 6 = NZA 2012, 939; s. Bauer/Arnold/Willemsen DB 2012, 1986 ff.; Strecker BB 2013, 949 Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O., Kapitel 3 Rn 98 ff.).
- 39
Der ihm insoweit obliegenden Darlegungslast ist der Kläger in beiden Rechtszügen nicht nachgekommen. Der insoweit erforderliche Sachvortrag kann insbesondere nicht durch Anlagenkonvolute, wie dargelegt, ersetzt werden. Angesichts der Besonderheiten des hier zu entscheidenden Einzelfalls ist vielmehr davon auszugehen, dass die Beklagten ohne Weiteres davon ausgehen durften, dass der Kläger die ihm übertragenen Arbeiten im Rahmen der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erfüllt hat und auch erfüllen konnte. Der Kläger hatte - unstreitig - jederzeitigen Zugang zu den Kanzleiräumen; im Hinblick auf die auswärtigen Termine hatten die Beklagten des Weiteren keine konkreten Kenntnisse der genau in Anspruch genommenen Arbeitszeiten des Klägers. Denn der Kläger hat - unstreitig - zu keinem Zeitpunkt im Rahmen des mehr als zehn Jahre bestehenden Anstellungsverhältnisses den Beklagten gegenüber artikuliert, dass er die von ihm erwarteten Arbeitsleistungen im Rahmen der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht erbringen könne, sondern mehr Zeit benötige und dafür eine höhere Vergütung beanspruche. Deshalb kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich den Beklagten im Hinblick auf die Tätigkeit des Klägers auch in den Kanzleiräumen hätte aufdrängen müssen, dass der Kläger mehr als die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit benötigte oder auch tatsächlich ableistete. Damit wurde ihnen jede Möglichkeit der Reaktion genommen, die z. B. darin hätte bestehen können, dem Kläger weniger Tätigkeiten zuzuweisen oder aber inhaltlich strukturierte Anweisungen zu erteilen, um sie einer kürzeren Bearbeitung durch den Kläger zuzuführen.
- 40
Unabhängig davon, dass selbst nach dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren jedenfalls Ansprüche bis zum 31.12.2008 verjährt sind, wären etwaige Ansprüche auf Bezahlung von Überstunden auch verwirkt (§ 242 BGB).
- 41
Denn auch im Arbeitsverhältnis gelten die allgemeinen Grundsätze der Verwirkung (§ 242 BGB); es handelt sich um eine Einwendung, die vom ArbG von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz pp., Kap. 3, Rn. 4519 ff.).
- 42
Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Sie soll die illoyal verspätete Erhebung von Ansprüchen und Rechten verhindern. Sie verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner schon dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn der Gläubiger sich längere Zeit nicht auf seine Rechte berufen hat. Sie wird nicht allein durch die Untätigkeit des Gläubigers erfüllt. Dieser ist grds. nicht verpflichtet, den Schuldner darauf aufmerksam zu machen, dass er sich vorbehält, ihn zukünftig gerichtlich zu belangen (BAG 22.02.2012 - 4 AZR 579/10, EzA-SD 16/2012 S. 8 LS). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr wahrnehmen wolle (BAG 23.02.2010 EzA § 85 SGB IX Nr. 6; s. a. BAG 22.02.2012 EzA § 612 BGB 2002 Nr. 12; LAG Köln 25.01.2012 NZA-RR 2012, 351).
- 43
Danach verstößt die Geltendmachung eines Rechts im Rahmen einer Gesamtschau dann gegen Treu und Glauben,
wenn der Gläubiger längere Zeit zugewartet hat, obwohl er in der Lage war, das Recht geltend zu machen (Zeitmoment; vgl. BAG 24.02.2011, EzA § 613a BGB 2002 Nr. 122; 20.04.2010 NZA 2010, 883; 24.07.2008 EzA § 613a BGB 2002 Nr. 93; 15.02.2007 NZA 2007, 793; 12.12.2006 EzA § 242 BGB 2002 Verwirkung Nr. 1),
der Schuldner nach dem Verhalten des Gläubigers davon ausgehen konnte, Ansprüche würden nicht mehr gestellt werden (Umstandsmoment: BAG 22.02.2012 EzA § 612 BGB 2002 Nr. 12; 22.02.2012 - 4 AZR 579/10, EzA-SD 16/2012 S. 8 LS; 24.02.2011 EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 122; 20.04.2010 - 3 AZR 225/08, EzA-SD 14/2010 S. 9 = NZA 2010, 883; 24.07.2008 EzA § 613a BGB 2002 Nr. 93 = NZA 2008, 1294; 28.05.2002 EzA § 242 BGB Verwirkung Nr. 2; 21.01.2003 EzA § 3 BetrAVG Nr. 3; 15.02.2007 NZA 2007, 793),
er sich darauf eingestellt hat, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden und daraufhin eigene Dispositionen getroffen hat (BAG 19.03.2003 EzA § 1 AÜG Nr. 12; 20.04.2010 - 3 AZR 225/08, EzA-SD 14/2010 S. 9 = NZA 2010, 883) bzw. ihm aufgrund sonstiger besonderer Umstände nicht zuzumuten ist, sich auf die nunmehr geltend gemachten Ansprüche einzulassen (Zumutbarkeitsmomente; BAG 25.04.2001 EzA § 242 BGB Verwirkung Nr. 1; 19.03.2003 EzA § 1 AÜG Nr. 12; 15.02.2007 NZA 2007, 793; 12.12.2006 EzA § 242 BGB 2002 Verwirkung Nr. 1).
- 44
Zwar besteht zwischen den ein Vertrauen begründenden Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf eine Wechselwirkung insofern, als der Zeitablauf umso kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und dass umgekehrt an diese Umstände desto geringere Anforderungen zu stellen sind, je länger der abgelaufene Zeitraum ist (BAG 15.06.2011 ZTR 2012, 26; 24.07.2008 EzA § 613a BGB 2002 Nr. 93; 12.12.2006 EzA § 242 BGB 2002 Verwirkung Nr. 1; BGH 19.10.2005 NJW 2006, 219). "Geringere Anforderungen" rechtfertigen jedoch nicht den völligen Entfall des Umstandsmoments (BAG 15.06.2011 ZTR 2012, 26; s. a. BAG 22.02.2012 - 4 AZR 579/10, EzA-SD 16.2012 S. 8 LS; 15.03.2012 - 8 AZR 700/10, EzA-SD 17/2012 S. 6 LS = NZA 2012, 1097).
- 45
Diese Voraussetzungen sind vorliegend entgegen der Auffassung des Klägers gegeben.
- 46
Das erforderliche Zeitmoment folgt schon daraus, dass der Kläger während des mehr als zehn Jahre lang bestehenden Arbeitsverhältnisses zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Überstundenvergütungsansprüche gegenüber den Beklagten - unstreitig - geltend gemacht hat, und auch zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen hat, dass er die ihm übertragenen Arbeiten im Rahmen der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht erfüllen könne.
- 47
Das erforderliche Umstandsmoment bzw. Zumutbarkeitsmoment folgt hier daraus, dass der Kläger über einen langen Zeitraum die ihm übertragenen Arbeiten erledigt und die monatlich abgerechnete und gezahlte Vergütung entgegengenommen hat, ohne deutlich zu machen, dass er davon ausgeht, dass ihm eine Überstundenvergütung zu zahlen ist. Damit hat er den Beklagten jegliche Möglichkeit genommen, z. B. dafür Vorsorge zu treffen, dass ihm weniger Tätigkeiten zugewiesen wurden, um diese im Rahmen der vertraglich vereinbarten Arbeitstätigkeit erledigen zu können, oder aber inhaltliche Vorgaben zu machen, wonach Einzelaufträge mit einem geringeren Zeitaufwand hätten bearbeitet werden können. Der Kläger hat zudem die Kosten auswärtiger Termine abgerechnet, ohne irgendeinen Hinweis darauf, dass er Mehrarbeit geleistet habe. Aufgrund dieser Umstände dürften die Beklagten davon ausgehen, Ansprüche an sie würden insoweit nicht (mehr) gestellt werden.
- 48
Zwar gilt in diesem Zusammenhang einschränkend, dass, wer keine Kenntnis von einem möglichen Anspruch eines Dritten hat, auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung allenfalls allgemein, nicht aber konkret hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs vertrauen kann (BAG 25.04.2001 EzA § 242 BGB Verwirkung Nr. 1; 18.02.2003 EzA § 10 AÜG Nr. 11). Den Schutz vor unbekannten Forderungen hat das Verjährungsrecht zu gewährleisten, nicht aber der Grundsatz von Treu und Glauben (BAG 18.02.2003 EzA § 10 AÜG Nr. 11). Verlangt z. B. ein angestellter Rechtsanwalt erst nach zweieinhalb Jahren die Bezahlung von zuletzt über 900 Überstunden, ist dieser Anspruch nicht verwirkt, wenn der Arbeitgeber nach eigenem Bekunden nie Kenntnis von deren Ableistung hatte und zudem von der Wirksamkeit einer vertraglichen Abgeltungsklausel ausgegangen ist (LAG Bln.-Bra. 03.06.2010 LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 24). Das für die Verwirkung eines Anspruchs - Bezahlung von Überstunden - erforderliche Umstandsmoment wird auch dann regelmäßig fehlen, wenn der Verpflichtete davon ausgehen muss, der Berechtigte kenne den ihm zustehenden Anspruch nicht. Dies gilt insbes., wenn die Unkenntnis des Berechtigten auf dem Verhalten des Verpflichteten beruht. Hierfür bietet die Verwendung einer unwirksamen AGB-Klausel einen typischen Fall (BAG 22.02.2012 EzA § 612 BGB 2002 Nr. 12).
- 49
Diese einschränkenden Voraussetzungen für die Annahme einer Verwirkung sind vorliegend aber nicht gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass die Untätigkeit des Klägers auf der Unkenntnis der zuvor dargestellten Grundsätze beruhte, enthält sein Vorbringen in beiden Rechtszügen nicht. Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitgeber von der Wirksamkeit einer vertraglichen Abgeltungsklausel ausging, bestehen ebenso wenig. Nichts anderes gilt dafür, dass die Beklagten davon ausgehen mussten, der Kläger kenne den ihm zustehenden Anspruch nicht.
- 50
Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts.
- 51
Denn es enthält zum einen keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen würden. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Das Vorbringen macht lediglich - aus der Sicht des Klägers heraus verständlich - deutlich, dass er mit der Würdigung des hier zu entscheidenden Lebenssachverhalts durch das Arbeitsgericht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, der die Kammer letztlich folgt, nicht einverstanden ist. Soweit er im Übrigen - wiederholt - darauf hinweist, es sei lediglich eine wöchentliche Arbeitszeit von 30,5 Stunden geschuldet gewesen, ist mit den Beklagten davon auszugehen, dass diese Stundenzahl nicht dem tatsächlich abgeleisteten wöchentlichen Arbeitsdeputat bzw. der insoweit bestehenden Arbeitsverpflichtung des Klägers entspricht, sondern allein darauf beruht, dass die Beklagten - unbesehen - einen Zeugnisentwurf des Klägers, der dies vorsah, unterzeichnet haben. Weitere Rechte kann der Kläger daraus folglich nicht ableiten. Eine im Sinne des Klagebegehrens des Klägers günstigere Beurteilung folgt auch nicht aus § 2 NachwG. Denn auch wenn die Beklagten vorliegend nicht gemäß § 2 Abs. 1 NachwG die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niedergelegt, diese unterzeichnet und dem Kläger ausgehändigt haben, so lässt sich dem Vorbringen des Klägers doch keineswegs entnehmen, dass er in irgendeiner Form über die vereinbarte Arbeitszeit im Unklaren gewesen wäre. Da näheres Vorbringen des Klägers in diesem Zusammenhang zudem vollständig fehlt, sind weitere Ausführungen nicht veranlasst.
- 52
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
- 53
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
- 54
Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.
(1) Ist der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 unwirksam, so gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen; tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, so gilt das Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen. Das Arbeitsverhältnis nach Satz 1 gilt als befristet, wenn die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers bei dem Entleiher nur befristet vorgesehen war und ein die Befristung des Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertigender Grund vorliegt. Für das Arbeitsverhältnis nach Satz 1 gilt die zwischen dem Verleiher und dem Entleiher vorgesehene Arbeitszeit als vereinbart. Im übrigen bestimmen sich Inhalt und Dauer dieses Arbeitsverhältnisses nach den für den Betrieb des Entleihers geltenden Vorschriften und sonstigen Regelungen; sind solche nicht vorhanden, gelten diejenigen vergleichbarer Betriebe. Der Leiharbeitnehmer hat gegen den Entleiher mindestens Anspruch auf das mit dem Verleiher vereinbarte Arbeitsentgelt.
(2) Der Leiharbeitnehmer kann im Fall der Unwirksamkeit seines Vertrags mit dem Verleiher nach § 9 von diesem Ersatz des Schadens verlangen, den er dadurch erleidet, daß er auf die Gültigkeit des Vertrags vertraut. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Leiharbeitnehmer den Grund der Unwirksamkeit kannte.
(3) Zahlt der Verleiher das vereinbarte Arbeitsentgelt oder Teile des Arbeitsentgelts an den Leiharbeitnehmer, obwohl der Vertrag nach § 9 unwirksam ist, so hat er auch sonstige Teile des Arbeitsentgelts, die bei einem wirksamen Arbeitsvertrag für den Leiharbeitnehmer an einen anderen zu zahlen wären, an den anderen zu zahlen. Hinsichtlich dieser Zahlungspflicht gilt der Verleiher neben dem Entleiher als Arbeitgeber; beide haften insoweit als Gesamtschuldner.
(4) und (5) weggefallen
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.