Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 13. Aug. 2015 - 17 Sa 650/15
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 20.03.2015 – 4 Ca 1617/14 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 631,62 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 48,46 € brutto ab dem 01.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08.2014 und aus je 57,69 € brutto ab dem 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2014 und 01.01.2015 sowie aus 48,46 € brutto seit dem 01.02.2015 und aus 52,50 € brutto seit dem 01.03.2015 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das Tarifvertragswerk des TVöD, auf Arbeitgeberseite abgeschlossen von der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände, in seiner jeweils gültigen Fassung anzuwenden ist.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten, die Klägerin tarifgerecht zu vergüten.
3Die am 27.08.1972 geborene Klägerin ist seit dem 01.08.2006 war zunächst als Kinderpflegerin, ist nunmehr als Erzieherin bei dem Beklagten tätig, der in Münster ca. 200 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt.
4Am 03.03.2006 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag (Bl. 43, 44 d.A.). Nach § 2 dieses Vertrages galt für das Arbeitsverhältnis der TVöD in seiner jeweils gültigen Fassung. Gemäß § 4 des Vertrages wurde als Gehaltstarif der TVöD in seiner jeweils gültigen Fassung anerkannt und erhielt die Klägerin ein Gehalt nach der Entgeltgruppe 5 Stufe 2.
5Am 16.05.2013 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag, weil sich die Tätigkeit und Arbeitszeit der Klägerin änderten. In § 2 b des Vertrages (Bl. 45, 46 d.A.) trafen sie folgende Vereinbarung:
6„§ 2
7[…]
8b)
9Für das Arbeitsverhältnis gilt das Tarifvertragswerk des TVöD in der jeweils gültigen Fassung. Die Parteien sind sich einig, dass die Verweisung auf die vorgenannten Tarifverträge nur so lange gilt, wie der Arbeitgeber unmittelbar und zwingend an diese Tarifverträge gebunden ist. Ist der Arbeitgeber nicht mehr unmittelbar und zwingend an diese Tarifverträge gebunden, gelten die Tarifverträge statisch in der zuletzt unmittelbar und zwingend beim Arbeitgeber geltenden Fassung fort, soweit sie nicht durch andere Abmachungen ersetzt werden.“
10Nach § 4 a des Vertrages wurde die Klägerin in die Entgeltgruppe S 6 Stufe 3 TVöD-SuE eingruppiert.
11Am 22.05.2014 vereinbarten die Parteien erneut eine Änderung der Arbeitszeit (Bl. 47 d.A.).
12Der Beklagte war bei Abschluss des Arbeitsvertrages vom 16.05.2013 Gastmitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV NRW).
13Zum 01.03.2014 wurden die Tarifentgelte nach dem TVöD-VKA erhöht. Der Beklagte gab diese Tariflohnerhöhung nicht an die Klägerin weiter.
14Mit Schreiben vom 19.08.2014 (Bl. 50 bis 52 d.A.) begehrte die Klägerin von ihm für die Monate März bis Juli 2014 die Abrechnung und Auszahlung der Differenzen zwischen dem bezogenen Entgelt und dem Tarifentgelt in Höhe von insgesamt 242,30 €.
15Mit Schreiben vom 08.09.2014 (Bl. 53, 54 d.A.) lehnte der Beklagte ihre Forderungen unter Hinweis auf § 2 b des Arbeitsvertrags vom 16.05.2013 ab.
16Mit ihrer am 02.10.2014 bei dem Arbeitsgericht Münster eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin für die Monate März 2014 bis Februar 2015 Ansprüche auf Zahlung der Differenzbeträge zwischen ihrer tatsächlichen und der tariflichen Vergütung. Wegen der Berechnung der Klageforderungen im Einzelnen wird auf ihren Schriftsatz vom 12.06.2015 (Bl. 143 d.A.) Bezug genommen.
17Sie hat die Auffassung vertreten:
18Sie habe nach der Formulierung in § 2 b ihres Arbeitsvertrages aus 2013 davon ausgehen müssen, der Beklagte sei tarifgebunden und habe mit ihr lediglich eine auflösende Bedingung für die Zukunft dergestalt vereinbart, dass die Tarifverträge bei Wegfall seiner Tarifbindung statisch gelten sollten. Diese auflösende Bedingung habe von vornherein nicht eintreten können. Als Gastmitglied sei der Beklagte nicht tarifgebunden gewesen. Das ergebe sich aus § 3 der Satzung des KAV NRW. Im Übrigen sei die Gastmitgliedschaft bereits im Juli 2012 beendet worden.
19Die Klägerin hat nach Rücknahme der Klage in Höhe einer Hauptforderung von 14,51 € beantragt,
20- 21
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 357,68 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 48,46 € brutto ab dem 01.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08.2014 und aus je 57,69 € brutto ab dem 01.09. und 01.10.2014 zu zahlen,
- 22
2. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das Tarifvertragswerk des TVöD in seiner jeweils gültigen Fassung anzuwenden ist,
- 24
3. den Beklagten zu verurteilen, an sie 273,94 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus je 57,69 € seit dem 01.11. und 01.12.2014 sowie 01.01.2015, aus 48,46 € seit dem 01.02.2015 und aus 52,50 € seit dem 01.03.2015 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Er hat vorgetragen:
28Die Mitgliedschaft im KAV NRW sei nicht beendet. Er habe allerdings seit 2012 eine Beendigung in Erwägung gezogen. Tatsächlich sei die Gastmitgliedschaft in 2013 gekündigt, die Kündigung jedoch rückgängig gemacht worden.
29Die von der Klägerin vertretene Auffassung, er sei zur Vergütungserhöhung entsprechend der tariflichen Entwicklung gerade deshalb verpflichtet, weil er nicht tarifgebunden sei, widerspreche dem Sinn und Zweck der vertraglichen Vereinbarung und verkehre diese in ihr Gegenteil. Die vertragliche Regelung diene erkennbar dazu, ihn nur dann zur Berücksichtigung von Tarifabschlüssen zu verpflichten, wenn er tarifgebunden sei. Für die Systematik dieser Regelung sei es irrelevant, dass er bei Vertragsschluss nicht tarifgebunden gewesen sei. Sie stelle lediglich darauf ab, ob im Zeitpunkt der jeweiligen Änderung des Tarifvertrags eine Tarifbindung bestehe. Erst im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Tarifabschlusses entscheide sich, ob sich dieser auf das Arbeitsverhältnis auswirke oder nicht.
30Mit Urteil vom 20.03.2015 hat das Arbeitsgericht Münster die Klage abgewiesen.
31Es hat ausgeführt:
32Die zulässige Klage sei unbegründet, da die Auslegung des § 2 b des Arbeitsvertrages nicht ergebe, dass das Tarifvertragswerk des TVöD in seiner jeweils gültigen Fassung dynamisch auf das Arbeitsverhältnis einwirke. Die Auslegung der Vertragsklausel habe der Inhaltskontrolle vorauszugehen.
33Das Gericht gehe zugunsten der Klägerin davon aus, dass es sich bei der Klausel in § 2 b des Arbeitsvertrages um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handle. Nach ihrem Wortlaut und dem erkennbaren Sinn habe die Klausel nur bei eigener Tarifbindung des Beklagten gelten sollen. Es sei zuzugeben, dass die Klausel im konkreten Fall unglücklich formuliert sei, weil der Beklagte bereits bei Vertragsschluss nicht tarifgebunden gewesen sei. Gleichwohl werde aus § 2 b Satz 2, Satz 3 hinreichend deutlich, dass eine dynamische Bindung bei fehlender Tarifbindung des Beklagten nicht gewollt gewesen sei.
34Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil (Bl. 100 bis 105 d.A.) verwiesen.
35Gegen das ihr am 20.04.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 07.05.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese am 12.06.2015 eingehend begründet.
36Sie rügt das erstinstanzliche Urteil als fehlerhaft und führt aus:
37Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass § 2 b des Arbeitsvertrages nicht auslegungsbedürftig sei. Satz 1 der Klausel sei klar. Die Sätze 2 und 3 der Klausel enthielten ebenfalls klare Regelungen, jedoch nur für den Fall, dass die Tarifbindung des Beklagten nach Vertragsschluss entfalle. Er sei jedoch niemals tarifgebunden gewesen, könne nach der Satzung des KAV NRW auch nicht Vollmitglied werden. Die Vollmitgliedschaft könnten nur Gemeinden, Gemeindeverbände oder sonstige öffentlich-rechtliche Körperschaften oder Unternehmen erwerben, an denen diese mittelbar oder unmittelbar beteiligt seien.
38Damit sei bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses klar gewesen, dass der Beklagte eine Gleichstellungsabrede, wie er sie formuliert habe, nicht wirksam habe vereinbaren können.
39Soweit er bezweckt haben sollte, das Tarifvertragswerk statisch in Bezug zu nehmen und es bei einer zukünftigen Tarifbindung dynamisch anzuwenden, gehe die Argumentation im Hinblick auf die Unmöglichkeit einer Tarifbindung ins Leere. Er müsse sich deshalb an dem Wortlaut von § 2 b Satz 1 des Arbeitsvertrages festhalten lassen.
40Er habe die angegriffene Klausel im Übrigen mehrfach auch in anderen Arbeitsverträgen verwendet.
41Die Klägerin beantragt,
42das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 20.03.2015,
43Az.: 4 Ca 1617/14, zu ändern und
44den Beklagten zu verurteilen, an sie 357,68 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 48,46 € brutto ab dem 01.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08.2014 und aus je 57,69 € brutto ab dem 01.09. und 01.10.2014 zu zahlen,
45den Beklagten zu verurteilen, an sie 273,94 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 57,69 € brutto seit dem 01.11. und 01.12.2014 sowie 01.01.2015, aus 48,46 € brutto seit dem 01.02.2015 und aus 52,50 € seit dem 01.03.2015 zu zahlen,
46festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das Tarifvertragswerk des TVöD, auf Arbeitgeberseite abgeschlossen von der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände, in seiner jeweils gültigen Fassung anzuwenden ist.
47Der Beklagte beantragt,
48die Berufung zurückzuweisen.
49Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt aus:
50In ihrer Auslegung der vertraglichen Regelung trenne die Klägerin die Sätze 1 bis 3 künstlich. Gegenstand der Regelung sei eindeutig die Frage nach der statischen oder dynamischen Geltung des Tarifvertragswerks gewesen. Die Regelung lasse klar erkennen, dass eine dynamische Geltung nur für den Fall seiner Tarifbindung gewollt gewesen sei.
51Zu berücksichtigen sei, dass er bei Abschluss der Vereinbarung irrtümlich davon ausgegangen sei, noch tarifgebunden zu sein. Er habe diese Tarifbindung durch einen beabsichtigten Austritt aus dem Arbeitgeberverband beseitigen wollen. Wäre ihm bekannt gewesen, dass er nicht tarifgebunden gewesen sei, so wäre der TVöD von vornherein nur statisch in Bezug genommen worden.
52Auf keinen Fall sei von den Parteien gewollt gewesen, den Tarifvertrag zukünftig immer dynamisch auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden.
53Zu Unrecht gehe die Klägerin davon aus, dass die Klausel eine auflösende Bedingung im Sinne von § 158 BGB enthalte. Gehe man davon aus, dass der Wegfall der Tarifbindung eine aufschiebende Bedingung gewesen sein sollte, so mag deren Eintritt tatsächlich unmöglich gewesen sein. Berücksichtige man jedoch den Sinn und Zweck der tariflichen Vereinbarung, so habe die Bedingung nicht im Wegfall einer Tarifbindung, sondern schlicht im Fehlen einer Tarifbindung bestanden. Ziel der Vereinbarung sei lediglich der Gleichlauf zwischen Tarifbindung und Dynamik gewesen.
54Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
55Entscheidungsgründe
56A.
57Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgericht Münster vom 20.03.2015 hat in der Sache Erfolg.
58I.
59Der zulässige Leistungsantrag ist begründet.
601.
61Der Anspruch auf Zahlung der Differenz von insgesamt 631,62 € zwischen der tariflichen Vergütung nach der Entgeltgruppe S 06 Stufe 3 des Anhangs zur Anlage C (VKA) des TVöD-V und der tatsächlich von der Beklagten geleisteten Monatsvergütung folgt aus § 611 BGB i.V.m. § 2 b Satz 1 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 16.05.2013.
621.
63Nach dem Wortlaut ist die Regelung in § 2 b des Arbeitsvertrags eine Gleichstellungsklausel.
64Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.10.2007 (4 AZR 652/05 - Rdnr. 28, BB 2007, 2125) ist nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 01.01.2002 die Bedeutung einer Verweisungsklausel in erster Linie anhand des Wortlauts zu ermitteln. Eine einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag ist jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel, die durch den Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder durch den sonstigen Wegfall der Tarifgebundenheit nicht berührt wird (unbedingte zeitdynamische Verweisung) (BAG 18.04.2007 a.a.O. Rdnr. 26).
65Die Tarifbindung des Beklagten ist in § 2 b Satz 2 des Arbeitsvertrages im Sinne des § 158 Abs. 2 BGB zur auflösenden Bedingung gemacht worden, indem die Parteien vereinbart haben, dass die dynamische Verweisung nach § 2 b Satz 1 des Vertrages auf das Tarifvertragswerk des TVöD nur so lange gilt, wie der Beklagte unmittelbar und zwingend an das Tarifvertragswerk gebunden ist. Die Rechtsfolge des Fortfalls der Tarifbindung haben sie in § 2 b Satz 3 geregelt, nämlich die statische Geltung der Tarifverträge in der zuletzt unmittelbar und zwingend geltenden Fassung.
662.
67Die auflösende Bedingung ist jedoch fehlerhaft, da ihr Eintritt schon bei Vertragsschluss objektiv unmöglich war und auch in Zukunft unmöglich ist.
68Der Beklagte war bei Vertragsschluss im Mai 2013 nicht im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden. Er war nur Gastmitglied im KAV NRW.
69Gemäß § 3 Abs. 2 Unterabs. 3 der Satzung des KAV NRW vom 05.03.2013 begründet die Gastmitgliedschaft keine Tarifbindung im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG.
70Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass der Beklagte auch zukünftig nicht Mitglied mit Tarifbindung werden kann. Gemäß § 3 Abs. 1 a der Satzung können Gemeinden, Gemeindeverbände, Zweckverbände, sonstige öffentlich-rechtliche Körperschaften, Anstalten und Stiftungen sowie ihre Verbände Mitglied werden. Die Voraussetzungen erfüllt der Beklagte nicht.
71Gemäß § 3 Abs. 1 b der Satzung können selbständige Unternehmen, Organisationen und Einrichtungen Mitglied werden, an denen Mitglieder nach § 3 Abs. 1 a der Satzung unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind oder die tatsächlich unter deren maßgeblichem Einfluss stehen oder an deren Mitgliedschaft ein kommunales Interesse besteht oder die eine enge Zusammenarbeit mit Kommunen pflegen. Auch diese Voraussetzungen werden von dem Beklagten ersichtlich nicht erfüllt.
72Bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen kann der Vorstand nach § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Satzung im Einvernehmen mit dem zuständigen Gruppenausschuss Ausnahmen zulassen. Dazu hat der Beklagte ebenfalls nicht vorgetragen.
733.
74Seine Berufung auf die irrtümliche Annahme einer Tarifbindung ist unerheblich. Zum einen ist ein solcher Irrtum angesichts der klaren Regelungen in § 3 der Satzung des KAV NRW nicht nachvollziehbar. Zum anderen handelt es sich um einen Irrtum im Beweggrund. Der Beklagte hat sich nicht über den Inhalt seiner Erklärung im Sinne des § 119 Abs. 1 BGB geirrt, sondern hat die von ihm vorformulierte Klausel rechtlich falsch bewertet. Im Übrigen hat er keine Anfechtungserklärung abgegeben.
754.
76Der Ausfall der auflösenden Bedingung führt nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung in § 2 b Satz 1 des Arbeitsvertrags. Die Wirksamkeit der dynamischen Bezugnahme bleibt unberührt (LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 – 4 Sa 488/14 - Rdnr. 33; Palandt-Ellenberger, BGB, 74. Aufl., Einführung vor § 158 BGB Rdnr. 11; § 158 BGB Rdnr. 3).
775.
78Nichts anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Beklagten bei Auslegung der Vertragsklausel.
79a. Bei dieser handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, da der Beklagte sie vorformuliert und in einer Vielzahl von Arbeitsverträgen verwendet hat, § 305 Abs. 1 BGB. Insoweit besteht kein Streit zwischen den Parteien.
80b. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweisen beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen des jeweiligen Vertragspartners zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (BAG 20.03.2013 – 10 AZR 636/11 - Rdnr. 20; LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 a.a.O. Rdnr. 35).
81Der Wortlaut der in § 2 b des Arbeitsvertrags enthaltenen Klausel ist eindeutig. Danach soll die Verweisung auf das Tarifvertragswerk des TVöD nur so lange gelten, wie der Beklagte unmittelbar und zwingend tarifgebunden ist. Bei Fortfall der Tarifbindung soll das Tarifvertragswerk statisch gelten. Aus der Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers konnte die Regelung nur zukunftsbezogen verstanden werden. Er konnte davon ausgehen, zunächst bis zu einem ungewissen Ereignis in der Zukunft dynamisch an der Tarifentwicklung zu partizipieren. Er musste nicht davon ausgehen, dass das Tarifwerk von Anfang an, schon bei Vertragsschluss nur statisch galt.
82Anhaltspunkte dafür, dass die in § 2 b Satz 1 des Arbeitsvertrags vereinbarte dynamische Verweisung von vornherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung des Beklagten nicht anwendbar sein sollte, enthält die Klausel nicht. Bei Zugrundelegung dieses Verständnisses wäre sie überflüssig und sinnentleert. Der Wille des Beklagten, sich nicht kraft Vereinbarung an das Tarifwerk zu binden, wäre bei Vereinbarung eines von vornherein bestimmten Gehalts zum Ausdruck gekommen (so auch LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 a.a.O. Rdnr. 36).
836.
84Die Höhe der Vergütungsforderung steht nicht im Streit. Der Beklagte hat keine Einwendungen gegen die Berechnung erhoben.
857.
86Die Klägerin hat die Ausschlussfrist nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD-V gewahrt. Danach verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von der Beschäftigten schriftlich geltend gemacht werden. Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 TVöD-V reicht die einmalige Geltendmachung auch für später fällige Leistungen aus.
87Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD-V erfolgt die Zahlung des Tabellenentgelts am letzten Tag des Monats.
88Die Vergütungsdifferenz für den frühesten Monat März 2014 war am 31.03.2014 fällig. Die Verfallfrist endete mit dem 30.09.2014. Die Klägerin hat die Entgeltdifferenzen für die Monate März 2014 bis Juli 2014 mit Schreiben vom 19.08.2014 geltend gemacht und damit gleichzeitig die Ausschlussfrist für die weiteren Ansprüche aus den Monaten August 2014 bis Februar 2015 gewahrt.
892.
90Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 24 Abs. 1 TVöD-V i.V.m. § 247 BGB.
91II.
921.
93Der Feststellungsantrag ist gemäß § 256 ZPO zulässig.
94a. § 256 Abs. 2 ZPO ermöglicht es der klagenden Partei, durch neben der Hauptklage erhobene Zwischenfeststellungsklage einen rechtskräftigen Ausspruch auch über die für die Hauptklage vorgreiflichen Rechtsverhältnisse herbeizuführen. Dadurch erwachsen auch die den Leistungsbefehl – hier die Zahlungsverpflichtung – tragenden Rechtsgründe in Rechtskraft (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 256 ZPO Rdnr. 21). Eines besonderen Feststellungsinteresses bedarf es nicht.
95Die Anwendbarkeit des Tarifwerks des TVöD, geschlossen von der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände, ist jedenfalls insoweit Vorfrage für die Leistungsklage, wie es um den Anspruch auf Zahlung der tariflichen Vergütung geht.
96b. Im Übrigen folgt die Zulässigkeit des Antrags aus § 256 Abs. 1 BGB, da der Beklagte die dynamische Anwendbarkeit des gesamten Tarifwerks bestreitet.
972.
98Der Antrag ist auch begründet. Insoweit wird auf die Erwägungen der Kammer im Rahmen des Leistungsantrags Bezug genommen.
99B.
100Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die Kosten erster Instanz unter Berücksichtigung der Teilklagerücknahme in Höhe der Hauptforderung von 14,51 € aus § 92 Abs. 2 ZPO.
101Gründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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Urteil einreichenLandesarbeitsgericht Hamm Urteil, 13. Aug. 2015 - 17 Sa 650/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, so tritt die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ein.
(2) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer auflösenden Bedingung vorgenommen, so endigt mit dem Eintritt der Bedingung die Wirkung des Rechtsgeschäfts; mit diesem Zeitpunkt tritt der frühere Rechtszustand wieder ein.
(1) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, so tritt die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ein.
(2) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer auflösenden Bedingung vorgenommen, so endigt mit dem Eintritt der Bedingung die Wirkung des Rechtsgeschäfts; mit diesem Zeitpunkt tritt der frühere Rechtszustand wieder ein.
(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist.
(2) Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist.
(3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet.
(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.
(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 1.7.2014, Az.: 8 Ca 434/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten über Gehaltsansprüche der Klägerin.
- 2
Die Klägerin ist seit dem 01.07.2008 bei der Beklagten, einem Einzelhandelsunternehmen, als Angestellte beschäftigt. Die Einstellung der Klägerin erfolgte anlässlich der Übernahme eines zuvor von einem anderen Einzelhandelsunternehmen betriebenen Einkaufsmarktes in K. durch die Beklagte. Der Arbeitsvertrag vom 13.06.2008 enthält u.a. folgende Regelung enthält:
- 3
"12. Verweisungsklausel
- 4
Im Übrigen finden die Vorschriften des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz, des Lohn- / Gehaltstarifvertrages Rheinland-Pfalz und des Tarifvertrages über Sonderzahlungen im rheinlandpfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Dies gilt dann nicht mehr, wenn der Arbeitgeber im Falle eines Austrittes aus dem Arbeitgeberverband oder im Falle eines Wechsels in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht mehr tarifgebunden ist. In diesen Fällen ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o.g. Tarifverträge zwischen den Vertragsparteien gewollt. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Anpassung seiner Ansprüche aus dem Tarifvertrag hinsichtlich zukünftiger tariflicher Änderungen. Gleiches gilt im Falle eines Betriebsüberganges vom Zeitpunkt des Überganges des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber an. Auch hier ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o.g. Tarifverträge gewollt. "
- 5
Die Beklagte ist, wie auch bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages, nicht tarifgebunden.
- 6
Bis einschließlich Juli 2013 wurde die Klägerin von der Beklagten nach den Vorschriften des jeweiligen Gehaltstarifvertrages für die Beschäftigten des Einzel- und Versandhandels in Rheinland-Pfalz (im Folgenden: Gehalts-TV) bei unstreitiger Eingruppierung in die Gehaltsgruppe III/5. Tätigkeitsjahr vergütet, d.h. die Beklagte gewährte der Klägerin bis dahin sämtliche Tariferhöhungen.
- 7
Zum 01.08.2013 erhöhte sich die tarifliche Vergütung in der Gehaltsgruppe III/5. Tätigkeitsjahr um 77,00 €, zum 01.05.2014 um weitere 55,00 €. Diese Tariferhöhungen hat die Beklagte an die Klägerin nicht weitergegeben.
- 8
Mit ihrer am 25.03.2014 beim Arbeitsgericht eingereichten und mit Schriftsatz vom 26.06.2014 erweiterten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Nachzahlung der Tarifgehaltserhöhungen für die Monate August 2013 bis einschließlich Juni 2014 in rechnerisch unstreitiger Höhe von insgesamt 957,00 € brutto in Anspruch genommen.
- 9
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 01.07.2014 (Bl. 44-48 d. A.).
- 10
Die Klägerin hat beantragt,
- 11
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 957,00 € brutto nebst folgenden Zinsen zu zahlen:
- 12
a) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 462,00 € brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. Februar 2014,
- 13
b) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 77,00 € brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. März 2014,
- 14
c) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 77,00 € brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. April 2014,
- 15
d) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 77,00 € brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. Mai 2014,
- 16
e) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 132,00 € brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. Juni 2014,
- 17
f) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 132,00 € brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. Juli 2014.
- 18
Die Beklagte hat beantragt,
- 19
die Klage abzuweisen.
- 20
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 01.07.2014 stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 f. dieses Urteils (= Bl. 48 f. d. A.) verwiesen.
- 21
Gegen das ihr am 21.07.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14.08.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 18.08.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 15.10.2014 begründet.
- 22
Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, die in Ziffer 12 des Arbeitsvertrages enthaltene Bezugnahmeklausel sei - entgegen der rechtsfehlerhaften Auslegung des Arbeitsgerichts - statisch auszulegen, d.h. der Arbeitgeber gebe hier deutlich zu erkennen, dass er die nicht tarifgebundenen Mitarbeiter so stellen wolle wie die entsprechenden tarifgebundenen Mitarbeiter. Die Klausel solle ersichtlich jedenfalls eine dynamische Tarifanwendung verhindern, wenn gegenüber tarifgebundenen Mitarbeitern keine zwingende Anwendungspflicht bestehe. Dabei komme es nicht darauf an, ob sie - die Beklagte - bei Vertragsschluss tarifgebunden gewesen sei. Auch bei fehlender Tarifbindung sei die Klausel im Sinne einer Gleichstellungsabrede auszulegen. Soweit das Arbeitsgericht diesbezüglich die Unklarheitenregelung angewendet habe, so stelle dies einen Rechtsfehler dar, da im vorliegenden Fall gerade keine Unklarheit gegeben sei. Durch die betreffende Vertragsklausel habe erkennbar sichergestellt werden sollen, dass der Arbeitgeber nicht gegen seinen Willen an einer dynamischen Bezugnahme festgehalten werden könne. Dadurch, dass die Klausel explizit regele, dass der Arbeitgeber die dynamische Tarifanwendung beenden könne bzw. diese bei fehlender Tarifbindung nicht greife, hätten die Arbeitsvertragsparteien deutlich gemacht, dass über eine bestehende Tarifbindung hinaus gerade keine Bindung gegenüber den Mitarbeitern gewollt sei. Dies ergebe sich auch bereits aus seinem Erst-Recht-Schluss. Wenn schon bei einem Tarifaustritt eine Statischstellung erfolgen solle, dann solle eine verpflichtende Tarifbindung des Arbeitgebers erst recht nicht bei schon bei Vertragsschluss fehlender Tarifbindung entstehen. Daraus folge, dass die Klägerin bei von Anfang an fehlender Tarifbindung keinen Anspruch auf die geltend gemachte Tarifgehaltserhöhung habe. Auch eine Auslegung anhand der Interessenlage der Parteien führe zu diesem Ergebnis, welches auch von der tatsächlichen Handhabung des Arbeitsverhältnisses bestätigt werde. Zunächst seien (unstreitig) allen Arbeitnehmern die Tariferhöhungen einheitlich auf freiwilliger Basis gewährt worden. Die mit der Klage geltend gemachten Erhöhungen seien hingegen einheitlich weder an tarifgebundene noch an nicht tarifgebundene Mitarbeiter weitergegeben worden. Die freiwillige Tarifanwendung sei mit dem Betriebsrat in einem sog. "betrieblichen Bündnis" vereinbart worden, welches jedoch mit Ablauf des 30.06.2011 ohne Nachwirkung geendet habe. Auch aus diesem Grund sei die Bezugnahmeklausel nicht im Sinne einer Zusage einer dynamischen Tarifbindung auszulegen. Die Arbeitsvertragsparteien hätten vielmehr durch diese Klausel gerade klargestellt, dass sich der Arbeitgeber von einer Tarifbindung jederzeit lösen könne. Wenn dies für den Fall der Tarifbindung bei Arbeitsvertragsschluss gelte, müsse dies erst recht bzw. umso mehr für den Fall der Tarifanwendung ohne Verbandsmitgliedschaft des Arbeitgebers gelten.
- 23
Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 15.10.2014 (Bl. 103 - 114 d. A.) Bezug genommen.
- 24
Die Beklagte beantragt,
- 25
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
- 26
Die Klägerin beantragt,
- 27
die Berufung zurückzuweisen.
- 28
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 17.11.2014 (Bl. 121 - 126 d. A.), auf die Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
I.
- 29
Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage vielmehr zu Recht stattgegeben.
II.
- 30
Die Klage ist begründet.
- 31
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für die Monate August 2013 bis Juni 2014 in Höhe des rechnerisch unstreitigen Differenzbetrages von insgesamt 957,00 € brutto zwischen der tariflichen Vergütung der Klägerin nach Gehaltsgruppe III/ 5. Tätigkeitsjahr für die Angestellten im rheinland-pfälzischen Einzelhandel und des ihr von der Beklagten tatsächlich ausgezahlten Gehalts.
- 32
Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Tarifgehalts ergibt sich aus Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages, wonach auf das Arbeitsverhältnis u.a. die Vorschriften des Gehaltstarifvertrages für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden. Im Hinblick auf die Verwendung der Formulierung "in der jeweils gültigen Fassung" beinhaltet diese Vertragsklausel zweifellos eine dynamische Bezugnahme.
- 33
Ziffern 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages, wonach eine dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften bei Wegfall der Tarifbindung der Beklagten nicht mehr gegeben sein soll, steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Diese Klausel beinhaltet eine auflösende Bedingung i.S.v. § 158 Abs. 2 BGB, wobei deren Eintritt jedoch bereits von vorneherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten unmöglich war. Die Wirksamkeit der in Ziffer 12 Satz 1 vereinbarten dynamischen Bezugnahme bleibt hiervon unberührt. Ein Rechtsgeschäft, das mit einer unmöglichen auflösenden Bedingung versehen wurde, ist nämlich (im Übrigen) von Anfang an voll wirksam (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB 71. Aufl., Einf. § 158 Rz. 11; BeckOK BGB/Rövekamp, BGB § 158 Rz. 33).
- 34
Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - bei Auslegung der betreffenden Vertragsklausel. Bei dieser handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. von § 305 Abs. 1 BGB. Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG v. 15.05.2013 - 10 AZR 325/12 - Rz. 17, zitiert nach juris), der keine der Parteien entgegengetreten ist. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klausel von der Klägerin in den Arbeitsvertrag eingeführt worden wäre (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB).
- 35
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (BAG v. 20.03.2013 - 10 AZR 636/11 - Rz. 20, zitiert nach juris).
- 36
Der Wortlaut der in Ziffer 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages enthaltenen Klausel ist eindeutig. Danach soll der Wegfall der dynamischen Weitergeltung des Gehaltstarifvertrages bei Eintritt eines zukünftigen Ereignisses, nämlich des Wegfalls der Tarifbindung des Arbeitgebers eintreten. Die ausschließliche Zukunftsbezogenheit dieser Bedingung ergibt sich deutlich aus der Formulierung: "Dies gilt dann nicht mehr, wenn…", und der Formulierung: "…nicht mehr tarifgebunden ist." Anhaltspunkte dafür, dass die in Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages vereinbarte dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften von vornherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten nicht zum Zuge kommen sollte, enthält die Vertragsklausel nicht. Die Rechtsansicht der Beklagten, unter deren Zugrundelegung vorliegend bereits von Anfang an keine dynamische Bezugnahme vereinbart sein könnte, hätte überdies nicht nur eine unauflösbare Widersprüchlichkeit der in Ziffer 12 des Arbeitsvertrages enthaltenen Regelungen zur Folge, sondern würde auch zu einer völligen Sinnentleerung der in Satz 1 dieser Verweisungsklausel enthaltenen Bestimmung führen.
- 37
Dem Anspruch der Klägerin steht - entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Berufungsverhandlung geäußerten Rechtsansicht - auch nicht § 12 Satz 5 des Arbeitsvertrages entgegen, der ein Ende der dynamischen Weitergeltung der Tarifvorschriften für den Fall eines Betriebsübergangs auf einen "neuen Arbeitgeber" vorsieht. Zwar hat nach Abschluss des Arbeitsvertrages vom 13.06.2008, nämlich zum 01.07.2008 ein Betriebsübergang des Einkaufsmarktes K. von dessen vormaligem Inhaber auf die Beklagte stattgefunden. Bei der Beklagten handelt es sich jedoch nicht um einen "neuen" Arbeitgeber im Sinne der vertraglichen Abrede. Als solcher käme nur ein der Beklagten gemäß § 613 a BGB nachfolgender Betriebsinhaber in Betracht, nicht hingegen die Beklagte als vertragsschließende Arbeitgeberin selbst.
III.
- 38
Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
- 39
Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.
(1) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, so tritt die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ein.
(2) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer auflösenden Bedingung vorgenommen, so endigt mit dem Eintritt der Bedingung die Wirkung des Rechtsgeschäfts; mit diesem Zeitpunkt tritt der frühere Rechtszustand wieder ein.
(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.
(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss
- 1.
die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und - 2.
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,
(3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Beachtung der in Absatz 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren.
Tenor
-
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 30. März 2011 - 10 Sa 486/10 - aufgehoben.
-
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 17. März 2010 - 7 Ca 10953/09 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
-
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Zahlung eines Leistungsbonus für das Jahr 2008.
-
Die Beklagte ist Mitte 2009 aus dem Zusammenschluss der H Bank AG und der D AG entstanden. Sie gehört zur H-Group (H-Gruppe). Diese besteht aus der H Holding AG, der Beklagten und der DE BANK plc, Dublin (Irland) sowie deren Tochtergesellschaften. Die Klägerin ist für die Beklagte und deren Rechtsvorgängerin als Sachbearbeiterin im Zahlungsverkehr tätig gewesen, zuletzt in Altersteilzeit mit einer Arbeitsphase bis zum 31. August 2008 und mit anschließender Freistellung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der letzte Dienstvertrag vom 29. Juni/15. August 2001 enthält auszugsweise nachstehende Regelungen:
-
„II.
1. Vergütung
Die Mitarbeiterin erhält ein jährliches Gesamtgehalt, das sich aus Grundgehalt und Leistungsbonus zusammensetzt. Die genaue Höhe des Grundgehalts ergibt sich aus dem Begleitschreiben zu diesem Vertrag.
…
2. Leistungsbonus
Darüber hinaus erhält die Mitarbeiterin einen Leistungsbonus. Dieser richtet sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank. Er wird jedes Jahr für das abgelaufene Jahr festgesetzt. Der Leistungsbonus wird jeweils mit dem Maigehalt eines Jahres für das zurückliegende Kalenderjahr gezahlt.
…
IV.
…
6. Betriebsvereinbarungen
Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsordnung und die übrigen Betriebsvereinbarungen der Bank in den jeweils gültigen Fassungen.“
-
Das in II 1 des Dienstvertrags in Bezug genommene Begleitschreiben vom 29. Juni 2001 hat auszugsweise nachstehenden Inhalt:
-
„Ab diesem Zeitpunkt setzt sich Ihr Gehalt aus verschiedenen Bestandteilen zusammen:
Grundgehalt:
Ihr jährliches Grundgehalt beträgt DM 126.000,00 brutto. Es wird in zwölf monatlichen Teilbeträgen von DM 10.500,00 ausgezahlt.
…
Leistungsbonus:
Durch Ihre Leistung beeinflussen Sie auch die Höhe Ihres Gehalts:
Ihr Leistungsbonus kann zwischen 0 bis 200 % Ihres Basiswertes betragen, der zur Zeit bei DM 29.000,00 brutto liegt.
Gesamtgehalt:
Je nach Höhe Ihres Leistungsbonus wird Ihr Gesamtgehalt deshalb zwischen DM 136.500,00 brutto und DM 194.500,00 brutto liegen.“
- 4
-
Die Vereinbarung der Parteien über „die Umwandlung des Vollzeitdienstverhältnisses in ein Altersteilzeitdienstverhältnis“ sieht die Zahlung des anteiligen Leistungsbonus entsprechend der vereinbarten durchschnittlichen Teilzeitquote mit weiteren Maßgaben vor.
-
Über das Vergütungssystem verhalten sich mehrere Betriebsvereinbarungen. In der Betriebsvereinbarung „Flexibles Vergütungssystem“ vom 11. Februar 1999 zwischen der B AG und dem Betriebsrat der B AG (nachfolgend: BV 1999) heißt es:
-
„Geschäftsleitung und Betriebsrat sind sich darüber einig, dass die leistungsbezogene Komponente im Vergütungssystem der Bank weiter verstärkt werden soll. Hierzu sollen einzelne bisher als fix geltende Gehaltsbestandteile dem Leistungsbonus zugeschlagen werden. Eine Senkung der Gesamtgehaltssumme der Bank ist mit dieser Flexibilisierung nicht verbunden. Im Übrigen soll mit der Neuordnung des Gehaltssystems dessen Vereinfachung und Vereinheitlichung für alle Mitarbeiter erreicht werden.
…
3.
Tarifmitarbeiter
Das tarifliche Grundgehalt wird zukünftig 13,25 mal gezahlt. Das 13. Monatsgehalt wird wie bisher gezwölftelt auf die monatliche Zahlung des Grundgehalts aufgesetzt. Die restlichen 0,25 des Monatsgehalts werden als Sonderzahlung mit dem Dezembergehalt vergütet.
0,75 eines Monatsgehalts werden flexibilisiert und der jeweiligen Einheit als erhöhter Gesamtbetrag auf den Leistungsbonus zur Verfügung gestellt. Leistungszulagen werden im Regelfall auf die Jahressumme umgerechnet und als Erhöhungsbetrag dem individuellen freiwilligen Leistungsbonus zugeschlagen. Die Gesamtsumme der der Einheit zur Verfügung stehenden Leistungsboni erhöht sich entsprechend.
…“
-
Die BV 1999 wurde ersetzt durch die Betriebsvereinbarung „Flexibles Vergütungssystem“ vom 5. September 2001, geschlossen zwischen der HV Bank AG und dem Gesamtbetriebsrat (nachfolgend: BV 2001). Diese verhält sich über den Leistungsbonus wie folgt:
-
„…
III.
Der Leistungsbonus
Die Leistung des Mitarbeiters wird auch über den Leistungsbonus honoriert. Sie wird auf der Basis der individuellen Leistung und des Teamverhaltens bewertet. Dabei spiegelt sich die Leistung maßgeblich in der Zielerreichung wider. Einflussfaktoren wie Marktsituation, Organisation, Team, Führungskraft und persönliche Voraussetzungen sind darüber hinaus zu berücksichtigen.
...
Für die Höhe des Leistungsbonus ist neben der Leistung und dem Teamverhalten auch der Erfolg des Unternehmens in dem jeweiligen Geschäftsjahr maßgeblich. Seitens der Bank wird angestrebt, das für das jeweilige Geschäftsjahr zur Verfügung stehende Leistungsbonusbudget rechtzeitig vor Beginn der Mitarbeitergespräche bekannt zu geben. Der Leistungsbonus bemisst sich jeweils aus einem fixierten Basiswert. Sofern die Ziele nicht erreicht wurden, beträgt er zwischen 0 und unter 75 % des Basiswertes. Sofern die Ziele erreicht wurden, hat der Mitarbeiter Anspruch auf einen Bonus in Höhe von mindestens 75 % des Basiswertes (Regelbandbreite 75 % bis unter 150 %). Sofern die Ziele deutlich übertroffen wurden, hat er einen Anspruch auf mindestens 150 % des Basiswertes (Regelbandbreite 150 % bis 200 %).
Die Festlegung der Bonushöhe innerhalb der dargestellten Bandbreiten liegt in der Verantwortung der unmittelbaren Führungskraft.
…
Der Leistungsbonus wird jeweils für die Leistung des vorangegangenen Kalenderjahres neu festgelegt und im ersten halben Jahr des laufenden Jahres ausgezahlt.
…“
-
Die BV 2001 wurde durch die „Betriebsvereinbarung zur flexiblen Vergütung und zum Mitarbeitergespräch“ vom 13. Oktober 2005 ersetzt (nachfolgend: BV 2005). Diese regelt ua. Folgendes:
-
„B.
Flexible Vergütung
I.
Die zwei Vergütungskomponenten
Die Mitarbeiter erhalten ein Festgehalt und einen (Leistungs-)Bonus (im Folgenden Bonus genannt).
II.
Die Vergütung der einzelnen Mitarbeitergruppen
1.
Tarifmitarbeiter
Das Festgehalt der tariflich vergüteten Mitarbeiter besteht entsprechend dem jeweils gültigen Tarifvertrag für das private Bankgewerbe aus 12 Monatsgehältern und einer tariflichen Sonderzahlung, die jeweils im Dezember ausgezahlt wird.
Der Basiswert des Bonus beträgt für Tarifmitarbeiter 1,25 Grundgehälter. Abhängig von seiner Leistung und dem zur Verfügung stehenden Budget kann der Mitarbeiter damit ein Gesamtjahresgehalt von maximal 15,50 Grundgehältern erhalten.
Bei unterjährigem Eintreten oder Ausscheiden werden Sonderzahlung und Bonus zeitanteilig vergütet. Dies gilt auch bei einem unterjährigen Wechsel von bzw. in ein ruhendes Arbeitsverhältnis oder (bezogen auf den Bonus) bei erfolgter Freistellung.
…
C.
Mitarbeitergespräch
…
IV.
Zielerreichung/Gesamtbewertung
Hier wird die Leistung des Mitarbeiters insgesamt beurteilt. Hierbei sind alle Ergebnisse, nicht nur die individuellen fachlichen Arbeitsziele (Punkt 1), sondern auch die Ziele zu persönlichen Kompetenzen (Punkt 2) und sonstige Ergebnisse zu berücksichtigen.
…
V.
Festlegung der individuellen Höhe des Bonus
Die Höhe des individuellen Bonus hängt zum einen von der Höhe des jährlichen Bonustopfes ab. Dieser wird wiederum grundsätzlich vom Gesamtbankerfolg bestimmt.
Darüber hinaus honoriert der Bonus auch die Zielerreichung des Mitarbeiters. Die konkrete Höhe des individuellen Bonus ist damit - neben der Abhängigkeit vom Erfolg der Bank - auch abhängig von der durch die Führungskraft im Mitarbeitergespräch durchgeführten Gesamtbewertung.
…
D.
Schlussbestimmungen
Die Betriebsvereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft. Sie ersetzt die Betriebsvereinbarung Flexibles Vergütungssystem vom 05.09.2001, …“
- 8
-
Die Klägerin erhielt für die Geschäftsjahre 2001 bis 2007 Boni von 6.200,00 Euro bis 16.000,00 Euro brutto.
- 9
-
Die H Bank AG geriet im Zusammenhang mit der weltweiten Bankenkrise in eine finanzielle Schieflage. Sie wies im Geschäftsjahr 2008 einen Jahresfehlbetrag iHv. 2,824 Mrd. Euro und die H-Gruppe insgesamt einen Fehlbetrag iHv. 5,461 Mrd. Euro aus. Eine Insolvenz wurde nur durch staatliche Unterstützungszahlungen und Garantien in Milliardenhöhe abgewendet. Die H-Gruppe erhielt in den Jahren 2008 und 2009 kurz- und mittelfristige Liquiditätshilfen iHv. insgesamt 102 Mrd. Euro, davon 87 Mrd. Euro durch Garantien der Bundesrepublik Deutschland. Zum 31. Dezember 2008 betrug das Volumen der von der H Bank AG selbst in Anspruch genommenen Liquiditätshilfen 6,37 Mrd. Euro. Am 12. März 2009 teilte der Vorstand in einem Mitarbeiterbrief mit, für das Geschäftsjahr 2008 werde keine diskretionäre variable Vergütung gezahlt.
- 10
-
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe für das Jahr 2008 ein anteiliger Leistungsbonus zu. Sie habe vereinbarte persönliche Ziele voll erreicht und leicht übertroffen; selbst wenn das Unternehmensergebnis für das Jahr 2008 negativ gewesen sei, rechtfertige dies nicht eine vollständige Streichung des Bonus.
- 11
-
Sie hat auf Grundlage des vereinbarten Basiswerts und nach den Maßgaben der Vereinbarung über ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis den ihr ihrer Auffassung nach zustehenden Bonus errechnet.
-
Die Klägerin hat beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.336,19 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. März 2009 zu zahlen.
- 13
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Wegen der Milliardenverluste sei ermessensfehlerfrei kein Bonustopf für das Jahr 2008 zur Verfügung gestellt worden.
-
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
- 15
-
Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht entsprochen. Es hat nicht berücksichtigt, dass nach dem Anstellungsvertrag die Bestimmung des Leistungsbonus nach § 315 Abs. 1 BGB zu erfolgen hat; es hat deshalb die gebotene umfassende Würdigung der beiderseitigen Interessen der Parteien unter Einbezug der wirtschaftlichen Situation der Rechtsvorgängerin der Beklagten unterlassen.
- 16
-
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus II 2 des Dienstvertrags vom 29. Juni/15. August 2001 iVm. § 315 Abs. 1 BGB auf einen Leistungsbonus für das Jahr 2008.
- 17
-
1. Nach II 2 des Dienstvertrags erhält die Klägerin einen Leistungsbonus, der sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank richtet und der jährlich für das abgelaufene Jahr festgesetzt wird.
- 18
-
2. Dieser Anspruch ist auf Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 1 BGB gerichtet. Dies beinhaltet die Möglichkeit, nicht nur bei kumulativer Nichterreichung aller Ziele, sondern - im Ausnahmefall - auch bei Nichterreichung eines Teils der Ziele keinen Leistungsbonus zu zahlen.
- 19
-
a) Der Dienstvertrag vom 29. Juni/15. August 2001 enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 ff. BGB. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
- 20
-
b) Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (st. Rspr., zB BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, BAGE 136, 294). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 19).
- 21
-
c) Nach II 2 des Dienstvertrags „erhält“ die Mitarbeiterin einen Leistungsbonus. Grundsätzlich besteht damit ein Anspruch, dieser ist der Höhe nach aber nicht bestimmt. Vereinbart sind die Kriterien für die Bemessung des Bonus, diese sind inhaltlich aber weder konkretisiert, noch ist ihr Verhältnis zueinander festgelegt. Dies verdeutlicht das im Dienstvertrag in Bezug genommene Begleitschreiben; danach kann der Leistungsbonus zwischen 0 % und 200 % des Basiswerts betragen. Ein (Mindest-)Bonus bei Teilerreichung von Zielen ist vertraglich nicht festgelegt. Für einen verständigen Vertragspartner folgt daraus, dass der Verwender sich ein Leistungsbestimmungsrecht sowohl in Bezug auf die Höhe des Anspruchs als auch in Bezug auf die Gewichtung der Kriterien vorbehalten und die Festlegung des jeweiligen Bonus nach billigem Ermessen zu erfolgen hat.
- 22
-
d) Die Ausübung des billigen Ermessens ist durch vertraglich festgelegte Vorgaben bestimmt. Nach II 2 des Dienstvertrags hat sich der Leistungsbonus nach den Bemessungskriterien „zu richten“, nach dem Begleitschreiben soll die Klägerin durch ihre Leistung die Höhe ihres Gehalts „beeinflussen“ können. An diese Vorgaben ist die Beklagte gebunden; sind Voraussetzungen für eine zusätzliche Vergütung vertraglich festgelegt, kann sich der Arbeitgeber davon nicht mehr einseitig durch anderweitige Leistungsbestimmung befreien (vgl. zu einer konkreten Zielvereinbarung: BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 620/11 - Rn. 22). Nach dem Dienstvertrag entspricht die Leistungsbestimmung regelmäßig nur dann billigem Ermessen, wenn vereinbarte und erreichte persönliche Ziele ihren angemessenen Ausdruck in dem festgelegten Leistungsbonus finden. Eine Leistungsbestimmung auf „Null“ kann nur dann billigem Ermessen entsprechen, wenn für eine vom Regelfall abweichende Gewichtung vereinbarter Kriterien besonders wichtige Gründe sprechen.
- 23
-
3. Mit diesem Inhalt hält II 2 des Dienstvertrags einer Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB stand.
- 24
-
a) Die Regelung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).
- 25
-
aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 14, BAGE 135, 250). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(st. Rspr., zB BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 29, BAGE 138, 80).
- 26
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bb) Diese Gefahr besteht nicht. Der Dienstvertrag bestimmt eindeutig, dass nach billigem Ermessen über den Leistungsbonus zu entscheiden ist und welche Faktoren in seine Bemessung einfließen. Dass sich die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin die Bestimmung der Leistung vorbehalten hat, macht die Vereinbarung nicht unklar. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ausübung des billigen Ermessens, den sie gerichtlich durchsetzen kann (§ 315 Abs. 3 BGB).
- 27
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b) II 2 des Dienstvertrags enthält keinen unzulässigen Änderungsvorbehalt iSv. § 308 Nr. 4 BGB.
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aa) Gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte nach § 315 ff. BGB fallen aber nicht unter § 308 Nr. 4 BGB, wenn sie darauf beschränkt sind, dem Verwender die erstmalige Festlegung seiner Leistung zu ermöglichen(BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 32; BGH 17. Februar 2004 - XI ZR 140/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 158, 149).
- 29
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bb) So ist es hier. Der Anspruch ist auf Festlegung des Leistungsbonus nach billigem Ermessen unter Beachtung vertraglich vereinbarter Vorgaben gerichtet. Ein Recht zur Änderung bereits zugesagter Leistungen ist nicht vereinbart.
- 30
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c) II 2 des Dienstvertrags enthält keine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB.
- 31
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aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB angemessen zu berücksichtigen(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 33; 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33 f., BAGE 118, 22). Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
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bb) Die Beklagte hat sich zur Zahlung eines Leistungsbonus nach billigem Ermessen verpflichtet und nicht das Recht vorbehalten, Vergütungschancen zu entziehen. Es ist zwar möglich, dass sich das Verhältnis zwischen festen und variablen Bezügen zugunsten der Festbezüge verschiebt, wenn der variable Teil aufgrund schlechter individueller Leistung und/oder schlechter wirtschaftlicher Situation niedrig festgesetzt wird. Auch in diesem Fall ist die Beklagte aber verpflichtet, den Leistungsbonus nach billigem Ermessen festzusetzen und unterliegt die Leistungsbestimmung der vollen gerichtlichen Kontrolle (st. Rspr., zB BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 46).
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cc) Die vertragliche Regelung weicht nicht vom Gesetz ab, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Das Gesetz sieht die vertragliche Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte vor (§ 315 BGB). Es geht davon aus, dass dies einem rechtlichen Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen kann und deshalb nicht von vornherein unangemessen ist. § 315 BGB ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich überprüfen und sie gegebenenfalls durch Urteil ersetzen lassen kann. Damit sind gegenüber einer Gefährdung des Gläubigers Vorkehrungen getroffen (BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 620/11 - Rn. 43). Hinzu kommt, dass das einseitige Leistungsbestimmungsrecht nur einen Teil der vereinbarten Vergütung betrifft. Das in monatlichen Teilbeträgen auszukehrende Grundgehalt und eine weitere Sonderzahlung in Höhe eines Monatsgehalts sind im Dienstvertrag fest vereinbart. Der Kernbereich des Austauschverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung wird damit durch die Leistungsbestimmung nach § 315 BGB nicht berührt.
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4. Der Anspruch der Klägerin auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen ist erloschen (§ 362 BGB). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat den Leistungsbonus für das Jahr 2008 ermessensfehlerfrei auf „Null“ festgesetzt und damit den Anspruch der Klägerin erfüllt. Die getroffene Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 und Abs. 3 BGB).
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a) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 26; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, BAGE 135, 239; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 3 b aa der Gründe). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Bestimmungsberechtigte zu tragen (vgl. BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 90, BAGE 135, 128; BGH 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 - zu II 2 c aa der Gründe mwN, BGHZ 163, 321). Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (vgl. BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 28; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48).
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b) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB(vgl. BAG 23. Januar 2007 - 9 AZR 624/06 - Rn. 29). Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B IV 1 der Gründe; zur Kontroverse über den Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung: GMP/Müller-Glöge 7. Aufl. § 73 Rn. 10). Das Landesarbeitsgericht hat die gebotene gerichtliche Kontrolle der Leistungsbestimmung - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - nicht vorgenommen. Im Streitfall kann der Senat die Entscheidung selbst treffen, weil alle maßgeblichen Tatsachen feststehen (vgl. BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 47).
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c) Die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorgenommene Leistungsbestimmung für den Leistungsbonus für das Jahr 2008 wird den gesetzlichen Vorgaben gerecht.
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aa) Die Leistungsbestimmung war über die Vorgaben des Dienstvertrags hinaus an die Regelungen der BV 2005 gebunden. Vorgaben für die Ausübung des billigen Ermessens iSv. § 315 BGB können sich aus vertraglichen(vgl. BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 21) oder aus kollektivrechtlichen Vereinbarungen ergeben, vorliegend aus der BV 2005. Die vorher geltende BV 1999 sowie die BV 2001 sind letztlich durch die BV 2005 abgelöst worden und haben im Streitzeitraum keine Rechtswirkungen mehr entfaltet (sog. Ablösungsprinzip; st. Rspr., vgl. BAG 18. September 2012 - 3 AZR 431/10 - Rn. 34; 29. Oktober 2002 - 1 AZR 573/01 - zu I 2 a der Gründe mwN, BAGE 103, 187). Die BV 2005 begründet keinen Anspruch auf Zahlung eines bestimmten Leistungsbonus, sie bestimmt aber das Verfahren zur Festlegung der individuellen Höhe eines Leistungsbonus auf der Grundlage eines im Arbeitsvertrag zugesagten Basiswerts. Nach C V Abs. 1 der BV 2005 hängt die Höhe des individuellen Bonus von der Höhe des jährlichen Bonustopfs ab, der vom Gesamtbankerfolg bestimmt wird. Auch nach der BV 2005 können deshalb die Kriterien zur Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen gewichtet werden und besteht kein unbedingter Anspruch bei Teilerreichung von Zielen.
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bb) Die Leistungsbestimmung der Rechtsvorgängerin der Beklagten entspricht den vertraglichen Vorgaben des Dienstvertrags und den kollektivrechtlichen Vorgaben der BV 2005, selbst wenn die Klägerin die Ziele für das Jahr 2008 erreicht hat. Die Festsetzung des Leistungsbonus auf „Null“ trotz Erreichung vereinbarter persönlicher Ziele könnte bei einem negativen Ergebnis der Bank im Rahmen „normaler“ Schwankungsbreiten zwar billigem Ermessen iSv. § 315 Abs. 1 BGB widersprechen; für das Geschäftsjahr 2008 haben aber besonders gewichtige, außergewöhnliche Umstände vorgelegen, die ausnahmsweise die Festsetzung des Leistungsbonus auf „Null“ gerechtfertigt haben. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat im Geschäftsjahr 2008 einen Jahresfehlbetrag iHv. 2,824 Mrd. Euro, die H-Gruppe sogar einen solchen iHv. 5,461 Mrd. Euro ausgewiesen. Die H-Gruppe ist nur durch Liquiditätshilfen in den Jahren 2008 bis 2009 iHv. 102 Mrd. Euro gerettet worden; allein das Volumen der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten selbst in Anspruch genommenen Liquiditätshilfen betrug zum 31. Dezember 2008 6,37 Mrd. Euro. Dies zeigt, dass sich im Geschäftsjahr 2008 nicht die im Dienstvertrag vorausgesetzten und vom Arbeitgeber gegebenenfalls selbst zu tragenden Risiken einer „normalen“ negativen Geschäftsentwicklung verwirklicht haben. Ohne staatliche Liquiditätshilfen wäre über das Vermögen der Rechtsvorgängerin der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet worden und hätten Vergütungsansprüche nur im Rahmen der Insolvenzordnung realisiert werden können. Die Rettung von Banken diente zudem nicht der Sicherung von Vergütungsansprüchen ihrer Arbeitnehmer, sondern ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Abwehr schwerer Gefahren für die Volkswirtschaft (vgl. BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 50). Es bestand deshalb eine Ausnahmesituation, die es auch unter Berücksichtigung unterstellter guter Leistungen der Klägerin nicht unangemessen erscheinen lässt, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Leistungsbonus auf „Null“ festgesetzt hat.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Mikosch
W. Reinfelder
Mestwerdt
Thiel
D. Kiel
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.
(2) Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
Wer zum Ersatz von Aufwendungen verpflichtet ist, hat den aufgewendeten Betrag oder, wenn andere Gegenstände als Geld aufgewendet worden sind, den als Ersatz ihres Wertes zu zahlenden Betrag von der Zeit der Aufwendung an zu verzinsen. Sind Aufwendungen auf einen Gegenstand gemacht worden, der dem Ersatzpflichtigen herauszugeben ist, so sind Zinsen für die Zeit, für welche dem Ersatzberechtigten die Nutzungen oder die Früchte des Gegenstands ohne Vergütung verbleiben, nicht zu entrichten.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.