Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 08. Aug. 2014 - 13 Sa 1626/13
Gericht
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 30.10.2013 – 4 Ca 664/12 – abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten vom 21.02.2012 rechtsunwirksam ist.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Änderung von Arbeitsbedingungen im Wege einer Änderungskündigung.
3Der am 13.09.1971 geborene, ledige Kläger ist seit dem 12.05.1998 als ziviler Arbeitnehmer der britischen Streitkräfte bei der GLSU in Gütersloh zu einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von zuletzt 4.122,-- € tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) Anwendung.
4Am 02.11.2000 schlossen die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 34 ff. d. A.). Danach wurde der Kläger ab dem 01.11.2000 als „Housing Officer C6A“ beschäftigt. Insoweit ergaben sich seine Aufgaben aus einer Stellenbeschreibung vom 02.11.2000 (Bl. 39 ff. d. A.). Sie bestanden im Wesentlichen in der Abwicklung von Bauprojekten aller Art und den damit verbundenen Tätigkeiten.
5Mit Wirkung ab 08.08.2011 übertrug das britische Verteidigungsministerium Teile der bislang von der GLSU durchgeführten Tätigkeiten aus dem Bereich Facility Management an ein Drittunternehmen, die C GmbH.
6Mit einem als „Unterrichtung über den Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses“ bezeichneten Schreiben vom 17.05.2011 (Bl. 106 ff. d. A.) informierte das britische Ministry of Defence als Vertreterin des Vereinigten Königsreichs den Kläger u.a. über die Absicht, den Bereich der gesamten Facility Management Tätigkeiten, denen der Kläger zugeordnet war, ab dem 08.08.2011 von der C GmbH ausführen zu lassen und die für die Erfüllung dieser Aufgaben wesentlichen Betriebsmittel mit Wirkung zum Übergangsstichtag auf diese zu übertragen.
7Mit Schreiben vom 31.05.2011 (Bl. 115 d. A.) widersprach der Kläger dem Übergang des Arbeitsverhältnisses.
8Ab dem 08.08.2011 nahm er faktisch die Aufgaben eines „Site Estate Authority Team Member Technical Officer (SEAT TO)“ wahr. Ob sich diese Tätigkeit von der vorherigen Tätigkeit des Klägers als Housing Officer im Wesentlichen nur dadurch unterscheidet, dass dieser jetzt zusätzlich zu den bisherigen Aufgaben auch Kostenschätzungen im Bereich Versorgung und Elektronik anstellen muss, ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig erhielt der Kläger seine Vergütung zunächst in unveränderter Höhe weiter.
9Am 09.09.2011 übersandte die GLSU dem Kläger einen als „Änderungsvereinbarung“ bezeichneten Vertragsentwurf nebst Stellenbeschreibung (Bl. 284 ff. d. A.), wonach der Kläger ab dem 01.05.2012 als SEAT TO mit einer Vergütung nach Entgeltgruppe C 6 tätig werden sollte.
10Nach Erhalt des Vertragsentwurfes führte der Kläger ein Gespräch mit der Personalleiterin Bock. Darin wies er u.a. darauf hin, dass eine Annahme des Vertragsentwurfes für ihn mit erheblichen finanziellen Einbußen verbunden sei.
11Mit Schreiben vom 11.09.2011 teilte der Kläger der GLSU Folgendes mit:
12„…
13hiermit möchte ich Ihnen noch einmal schriftlich den Antritt meiner neuen Stelle als Site Estate Authority Team Member Technical Officer (SEAT TO) im Delivery Management Team (DMT) zum 08.08.2011 zu den bereits vereinbarten arbeitsvertraglichen Bedingungen bestätigen.
14Ich bitte um Übersendung einer entsprechenden Abänderung meiner Stellenbeschreibung als Anlage zum Arbeitsvertrag.“
15Hierauf erwiderte die GLSU mit Schreiben vom 21.10.2011 (Bl. 117 d.A.) und wies den Kläger darauf hin, dass sie der Bitte um Übersendung einer abgeänderten Stellenbeschreibung nicht nachkommen könne, da der bisherige Arbeitsplatz entfallen sei, er die Änderungsvereinbarung nicht angenommen habe und deshalb in Kürze ein Änderungskündigungsverfahren eingeleitet werden müsse.
16Mit Schreiben vom 25.10.2011 (Bl. 119 ff. d. A.) wandte sich die Beklagte an den „Vorsitzenden der Betriebsvertretung“ mit der Absicht, gegenüber dem Kläger eine ordentliche, betriebsbedingte Änderungskündigung auszusprechen. Unter „sonstige soziale Schutzbedürftigkeit“ führte sie u.a. aus:
17„…
18Ersatzmitglied bei der Betriebsvertretung (BV) am Standort Gütersloh, Wahlbewerber bei den BV-Wahlen 2011 (Art. 15 KSchG).“
19In der weiteren Begründung heißt es unter 13. u.a.:
20„Zwar wurde der Mitarbeiter im Jahr 2010 als Mitmitglied der HBV und als Wahlbewerber zum Ersatzmitglied der BV-Gütersloh im Juli 2011 gewählt. Die entsprechende BV-Wahl in Gütersloh ist allerdings aus unserer Sicht nichtig bzw. zumindest anfechtbar.“
21Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass turnusmäßig im Jahre 2010 eine neue Betriebsvertretung gewählt wurde (im Folgenden kurz: BV 2010). Diese Wahl wurde im Verfahren 5 BV 35/10 (ArbG Bielefeld = 13 TaBV 88/10 LAG Hamm) angefochten, woraufhin es am 25.03.2011 vor dem LAG Hamm zum Abschluss eines Vergleichs kam, dessen Ziffer 1. lautet:
22„Die Betriebsvertretung wird bis spätestens zum 05.04.2011 ihren Rücktritt erklären. In diesem Falle wird dann die Betriebsvertretung bis spätestens zum 15.04.2011 einen Wahlvorstand bestellen.“
23Am folgenden Montag, den 28.03.2011, fand ab 08.30 Uhr eine turnusmäßige Sitzung der BV 2010 unter der Leitung des Vorsitzenden Kopietz statt. Den Mitgliedern war zuvor keine Tagesordnung zugeleitet worden; diese wurde an sie zu Beginn der Sitzung verteilt. In ihr waren neben sieben regulären Mitgliedern zwei Ersatzmitglieder anwesend, weil zwei Amtsträger wegen Arbeitsunfähigkeit bzw. Urlaubs verhindert waren. An der Abstimmung über den Rücktritt nahmen die beiden aufgerückten Ersatzmitglieder nicht teil. Mit sieben Stimmen dafür wurde der Rücktritt beschlossen, woraufhin das Verfahren zur Wahl der BV 2011 eingeleitet wurde.
24Die Betriebsvertretung 2011 mit ihrem Vorsitzenden Richardson widersprach der von der Beklagten beabsichtigten Änderungskündigung mit Schreiben vom 08.11.2011 (Bl. 123 d.A.) und bat um ein Erörterungsgespräch.
25Mit Schreiben vom 23.11.2011 (Bl. 124 ff. d. A.) teilte die GLSU der Betriebsvertretung mit, sie halte an der beabsichtigten Änderungskündigung fest.
26Sodann wandte sich die BV 2011 mit Schreiben vom 25.11.2011 (Bl. 126 d. A.) an die oberste Dienstbehörde (Headquarters) und beantragte eine Entscheidung nach § 72 Abs. 4 BPersVG. Die oberste Dienstbehörde leitete durch ein an den Vorsitzenden der Hauptbetriebsvertretung gerichtetes Schreiben vom 30.11.2011 (Bl. 127 d. A.) das Mitwirkungsverfahren ein, welches am 10.02.2012 abgeschlossen wurde. Daraufhin sprach die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 21.02.2012, zugegangen am Folgetag, eine Änderungskündigung zum 31.08.2012 aus (Bl. 18 ff. d. A.). Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt mit Schreiben vom 12.03.2012 (Bl. 118 d. A.) an.
27Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger behauptet, seine bisherige Abteilung bestünde lediglich unter anderer Bezeichnung unverändert fort. Die von ihm zu erledigenden Aufgaben seien von der Fremdvergabe nicht betroffen.
28Abgesehen davon habe die Beklagte im Vorfeld auch nicht die richtige Betriebsvertretung beteiligt und sie auch nicht ordnungsgemäß informiert.
29Abgesehen von alledem sei die Entgeltgruppe C 6a im Arbeitsvertrag vom 02.11.2000 auch vertraglich fest fixiert worden.
30Der Kläger hat beantragt,
31festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 21.02.2012 unwirksam ist.
32Die Beklagte hat beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Sie hat die Auffassung vertreten, es sei zwischen den Parteien zu einer wirksamen einvernehmlichen Änderung des Arbeitsverhältnisses gekommen. In jedem Fall sei die ausgesprochene Änderungskündigung wirksam.
35Nach der ordnungsgemäßen Abwicklung des Beteiligungsverfahrens sei dem Kläger, dem kein besonderer Kündigungsschutz zukomme, zu Recht eine Änderungskündigung ausgesprochen worden. Für ihn bestünde in der alten Position kein Beschäftigungsbedarf mehr, weil der Bereich im Wege eines Betriebsteilübergangs auf die C GmbH übergegangen sei.
36Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 30.10.2013 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, durch die Änderungskündigung sei der Inhalt des Arbeitsvertrages gar nicht (mehr) geändert worden. Die Parteien hätten sich nämlich zuvor schon einvernehmlich auf eine Änderung des Arbeitsvertrages verständigt. Das Angebot der Beklagten vom 09.09.2011, das Arbeitsverhältnis mit der neuen Funktion als SEAT TO fortzusetzen, habe der Kläger durch sein Schreiben vom 11.09.2011 angenommen. Was die zu zahlende Vergütung angehe, seien die einschlägigen tariflichen Eingruppierungsmerkmale maßgeblich.
37Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
38Er ist unverändert der Ansicht, es sei zu keiner einvernehmlichen Änderung des Arbeitsvertrages gekommen.
39Die Änderungskündigung sei schon deshalb unwirksam, weil die eigentlich zuständige Betriebsvertretung im Vorfeld nicht beteiligt worden sei. Auch inhaltlich sei sie nicht gerechtfertigt.
40Der Kläger beantragt,
41das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 30.10.2013 – 4 Ca 664/12 – abzuändern und festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten vom 21.02.2012 rechtsunwirksam ist.
42Die Beklagte beantragt,
43die Berufung zurückzuweisen.
44Sie meint, das Arbeitsgericht sei zu Recht von einer einvernehmlichen Änderung der Arbeitsbedingungen ausgegangen, und zwar mit dem Inhalt, dass der Kläger aufgrund seiner neuen Tätigkeit nur mehr ein Entgelt nach Gehaltsgruppe 6 beanspruchen könne.
45Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
46Entscheidungsgründe
47Die zulässige Berufung ist begründet.
48Der Kläger kann im Verhältnis zur Beklagten die Feststellung verlangen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten vom 21.02.2012 rechtsunwirksam ist.
49I. Dem steht nicht der Einwand entgegen, es sei durch die streitbefangene Änderungskündigung gar keine Änderung des bestehenden Vertragsinhalts herbeigeführt worden.
501. Allerdings geht nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (19.07.2012 – 2 AZR 25/11 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 155) eine Änderungskündigung ins Leere, wenn die durch sie vermeintlich erst herbeizuführenden neuen Vertragsbedingungen bereits zwischen den Parteien gelten. In einer solchen Konstellation wäre die Klage als unbegründet abzuweisen.
512. Die Voraussetzungen sind hier aber nicht erfüllt, weil der Kläger das ihm am 09.09.2011 beklagtenseits unterbreitete Angebot zur Änderung des seit dem 02.11.2000 bestandenen Arbeitsverhältnisses als Housing Officer in der Folgezeit nicht wirksam angenommen hat, namentlich nicht durch sein Schreiben vom 11.09.2011.
52Dies ergibt sich bereits aus dem Ende des ersten Satzes in dem genannten Schreiben, wenn der Kläger darin von „bereits vereinbarten arbeitsvertraglichen Bedingungen“ spricht. Zu diesem Zeitpunkt waren zwischen den Parteien nämlich nur die im Arbeitsvertrag vom 02.11.2000 verankerten Bedingungen über den Einsatz als Housing Officer vereinbart. Daran knüpft der Kläger in seinem zweiten Satz offensichtlich an, wenn er darin eine Abänderung seiner Stellenbeschreibung als Anlage zum Arbeitsvertrag begehrt. Denknotwendigerweise konnte damit nur die bestehende, vom 02.11.2000 datierende Stellenbeschreibung zum Arbeitsvertrag vom selben Tag gemeint sein, weil nur sie einer Abänderung zugänglich war. Demgegenüber war dem Vertragsangebot der Beklagten eine fertige Stellenbeschreibung beigefügt, für deren Änderung bei einer uneingeschränkten Annahme der Position eines SEAT TO keinerlei Notwendigkeit bestand.
53Offensichtlich hat also der Kläger durch die in seinem Schreiben vom 11.09.2011 vorgeschlagenen Änderungen der Beklagten nach Maßgabe des § 150 Abs. 2 BGB ein neues Angebot unterbreitet, nämlich die – namentlich vergütungsmäßig – unveränderte Fortführung des alten Arbeitsverhältnisses mit Ausnahme eines veränderten Tätigkeitsfelds als SEAT TO. Dieses Angebot hat wiederum die Beklagte, wie es in ihrem Schreiben an den Kläger vom 21.10.2011 unmissverständlich zum Ausdruck kommt, abgelehnt.
54II. Die danach einschlägige Änderungskündigung vom 21.02.2012 ist bereits gemäß § 79 Abs. 4 BPersVG, der über Art. 56 IX ZA-NTS i.V.m. § 70 Abs. 1 SoldatenG für die Betriebsvertretung der zivilen Arbeitskräfte bei einer Truppe gilt (im Folgenden nur noch: BPersVG), unwirksam, weil die Beklagte im Vorfeld nicht die zuständige Betriebsvertretung beteiligt hat. Statt der im Jahre 2001 gewählten hätte die im Jahre 2010 turnusmäßig gebildete Betriebsvertretung angehört werden müssen.
55Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (03.02.1982 – 7 AZR 791/79 – AP LPVG Bayern Art. 77 Nr. 1; 27.08.1974 – 1 AZR 505/73 – AP PersVG Niedersachsen § 72 Nr. 1; zust. Benecke in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 4. Aufl., § 79 Rn. 120) führt die Beteiligung einer unzuständigen Personalvertretung zur Unwirksamkeit einer gleichwohl erklärten Kündigung.
56Die Voraussetzungen liegen hier vor.
571. In dem Zusammenhang ist vorauszuschicken, dass sich die Beklagte mit ihrem an den Vorsitzenden der Betriebsvertretung gerichteten Anhörungsschreiben vom 25.10.2011 ersichtlich an die damals allein aktive BV 2011 gewandt hat. Exemplarisch deutlich wird das durch ihre im genannten Schreiben zur sonstigen sozialen Schutzbedürftigkeit des Klägers gemachte Angabe, wonach sie von dessen Eigenschaft als „Ersatzmitglied bei der Betriebsvertretung“ ausgehe, einer Funktion, die der Kläger in der BV 2010 gar nicht innehatte. Entsprechend reagierte auf das Schreiben der Beklagten am 08.11.2011 auch die BV 2011 durch ihren Vorsitzenden Richardson und den Stellvertreter Kopietz, der bei der BV 2010 noch den Vorsitz innegehabt hatte.
582. Die danach von der Beklagten allein durchgeführte Beteiligung der BV 2011 führt zur Unwirksamkeit der streitbefangenen (Änderungs-)Kündigung, weil die insoweit vom 04. bis 06.07.2011 erfolgte Wahl als nichtig einzustufen ist.
59a) Am den Wahltagen bestand nämlich die BV 2010 unverändert fort. Denn diese ist nach dem am 25.03.2011 erfolgten Vergleichsabschluss im Wahlanfechtungsverfahren (5 BV 35/10 - ArbG Bielefeld = 13 TaBV 88/10 - LAG Hamm) nicht am folgenden Montag, den 28.03.2011, wirksam gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 3 BPersVG zurückgetreten, so dass für die im Juli 2011 durchgeführte Neuwahl keine rechtliche Basis bestand.
60Der Rücktrittsbeschluss, der nach dem Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht Hamm und dem anschließenden Wochenende bereits in der nächsten turnusmäßigen Sitzung am 28.03.2011 gefasst wurde, obwohl für diese einschneidende Entscheidung bis zum 05.04.2011 Zeit bestanden hätte, ist unwirksam.
61aa) Entsprechend einer Erklärung des Vorsitzenden der BV 2010 am 14.09.2011 im Verfahren 4 BV 9/11 (ArbG Bielefeld) und den Ausführungen der Beklagten z.B. im Schriftsatz vom 31.03.2013, S. 9, im Verfahren 5 Ca 2325/12 - ArbG Bielefeld = 15 Sa 792/13 - LAG Hamm ist davon auszugehen, dass die Mitglieder der Betriebsvertretung 2010 die Tagesordnung mit dem Punkt „Rücktritt“ erst unmittelbar vor der um 08.30 Uhr begonnenen Sitzung ausgehändigt erhielten, was auch der aufgezeigte zeitliche Ablauf (Vergleichsabschluss am Freitag und Beschlussfassung schon am Morgen des folgenden Montags) nahe legt.
62bb) Dadurch wurde nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt 15.04.2014 – 1 ABR 2/13 (B) – NZA 2014, 551) gegen die als wesentlich für das Zustandekommen eines Beschlusses einzustufende Norm – hier – des § 34 Abs. 2 Satz 3 BPersVG verstoßen, wonach die Mitglieder einer Betriebsvertretung rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden sind. Damit soll jedem einzelnen Mitglied eine sachgerechte Sitzungsvorbereitung ermöglicht werden, und es soll vor unvorbereiteten Entscheidungen geschützt werden. Nur die rechtzeitige Ladung unter Übermittlung der Tagesordnung gewährleistet eine demokratischen Grundprinzipien gerecht werdende Willensbildung innerhalb eines gewählten Kollegialorgans und wirkt einer Überrumpelung einzelner Gremiumsmitglieder bei der Beratung und anschließenden Abstimmung entgegen.
63Dem ist die Ladungspraxis bei der BV 2010 namentlich auch im Zusammenhang mit der Sitzung vom 28.03.2011 nicht gerecht geworden. Denn wenn ausweislich der zu Gerichtsprotokoll im Verfahren 5 Ca 2325/12 (ArbG Bielefeld) am 14.05.2013 abgegebenen Erklärungen den Mitgliedern erst am Montag sozusagen als Tischvorlage für die folgende Sitzung die Tagesordnung unterbreitet wurde, bestand für diese keine Möglichkeit (mehr), sich auf die Beratungsgegenstände sachgerecht vorzubereiten.
64cc) Der daraus resultierende gravierende Ladungsmangel im Sinne des § 34 Abs. 2 Satz 3 BPersVG ist auch nicht durch das anschließende Abstimmungsverhalten geheilt worden.
65Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (a.a.O.) ist eine solche Heilung möglich, wenn bei gegebener Beschlussfähigkeit (§ 37 Abs. 2 BPersVG) die Anwesenden einstimmig beschließen, über einen Regelungsgegenstand zu beraten und abzustimmen.
66Die Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor.
67Zu der Sitzung am 28.03.2011 erschienen – neben sieben turnusmäßigen Mitgliedern – zwei Ersatzmitglieder als Vertretung für die wegen Arbeitsunfähigkeit bzw. Urlaubs abwesenden und damit gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 BPersVG zeitweilig verhinderten Amtsträger Nicolaci und Quinn. Die beiden mit allen Rechten und Pflichten ordnungsgemäß nachgerückten Mitglieder der Betriebsvertretung, Olsson und Whittaker, haben an der Abstimmung namentlich zur Frage des Rücktritts nicht teilgenommen. Daher liegt keine einstimmige Entscheidung aller neun anwesenden Amtsträger vor, so dass eine Heilung des festgestellten, die Rechte jedes einzelnen Gremiumsmitglieds verletzenden Verfahrensmangels nicht erfolgt ist.
68b) Folglich lagen im Juli 2011 gar nicht die Voraussetzungen des § 27 Abs. 2 Nr.3 BPersVG vor, um aufgrund eines wirksam beschlossenen Rücktritts außerhalb des regelmäßigen Wahlrhythmus die Betriebsvertretung neu zu wählen. Trotzdem kam es zu einer solchen Neuwahl mit einer in drei Fällen (Murphy, Shaftoe und Whittaker statt Nicolaci, Quinn und Wohl) anderen Zusammensetzung des Gremiums und dem neuen Vorsitzenden Richardson (statt bislang Kopietz).
69Die damit gegebene Gefahr des gleichzeitigen Bestehens zweier Betriebsvertretungen für eine Einheit mit den damit verbundenen Unklarheiten für die Wahrnehmung bestehender Beteiligungsrechte war zwingend dadurch Rechnung zu tragen, dass die zweite, außerhalb der regelmäßigen Wahlperiode stattgefundene Betriebsvertretungswahl im Juli 2011 als nichtig einzustufen ist (vgl. BAG, 11.04.1978 – 6 ABR 22/77 – AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 8; LAG Hamm, 16.05.2014 – 7 TaBVGa 17/14 – juris; LAG Hamm, 04.04.2014 – 13 TaBVGa 8 und 9/14 – juris; 17.08.2007 – 10 TaBV 37/07 – juris; LAG Niedersachsen, 02.12.2011 – 6 TaBV 29/11 – juris).
70Offensichtlich ist davon bis zuletzt auch die Beklagte ausgegangen, wenn sie schon im Anhörungsschreiben vom 25.10.2011 unter 13. ausführte, die Wahl im Jahre 2011 sei „nichtig, bzw. zumindest anfechtbar“ und zuletzt noch im Berufungserwiderungsschriftsatz vom 08.04.2014, S. 7, von der Nichtigkeit ausging. Umso unverständlicher ist es, warum sie nicht – ebenso wie im Verfahren 5 Ca 2325/12 (ArbG Bielefeld) mit Schreiben vom 07.03.2013 geschehen – zumindest vorsorglich auch die „Betriebsvertretung, die 2010 gewählt wurde“, angehört hat.
71Nach alledem ist die streitbefangene Kündigung schon gemäß § 79 Abs. 4 BPersVG unwirksam.
72Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
73Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
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Ergibt sich zwischen der obersten Dienstbehörde und der bei ihr bestehenden zuständigen Personalvertretung keine Einigung, kann jede Seite die Einigungsstelle anrufen.
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.
(1) Der Personalrat bestimmt mit in sozialen Angelegenheiten bei
- 1.
Gewährung von Unterstützungen, Vorschüssen, Darlehen und entsprechenden sozialen Zuwendungen, - 2.
Zuweisung und Kündigung von Wohnungen, über die die Beschäftigungsdienststelle verfügt, Ausübung von Belegungs- oder Vorschlagsrechten der Beschäftigungsdienststelle sowie der allgemeinen Festsetzung der Nutzungsbedingungen, - 3.
Zuweisung von Dienst- und Pachtland und Festsetzung der Nutzungsbedingungen, - 4.
Errichtung, Verwaltung und Auflösung von Sozialeinrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, - 5.
Aufstellung von Sozialplänen einschließlich Plänen für Umschulungen zum Ausgleich oder zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen, die der oder dem Beschäftigten infolge von Rationalisierungsmaßnahmen entstehen.
(2) Hat eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter eine Leistung nach Absatz 1 Nummer 1 beantragt, wird der Personalrat nur auf ihren oder seinen Antrag beteiligt; auf Verlangen der Antragstellerin oder des Antragstellers bestimmt nur der Vorstand des Personalrats mit. Die Dienststelle hat dem Personalrat nach Abschluss jedes Kalendervierteljahres einen Überblick über die Unterstützungen und entsprechenden sozialen Zuwendungen zu geben. Dabei sind die Anträge und die Leistungen gegenüberzustellen. Auskunft über die von den Antragstellerinnen und Antragstellern angeführten Gründe wird hierbei nicht erteilt.
(1) Die regelmäßigen Personalratswahlen finden alle vier Jahre in der Zeit vom 1. März bis 31. Mai statt.
(2) Die Amtszeit des Personalrats beginnt am 1. Juni des Jahres, in dem die regelmäßigen Personalratswahlen stattfinden, und endet mit dem Ablauf von vier Jahren. Ist am Tag des Ablaufs der Amtszeit ein neuer Personalrat nicht gewählt oder hat sich am Tag des Ablaufs der Amtszeit noch kein neuer Personalrat konstituiert, führt der Personalrat die Geschäfte weiter, bis sich der neu gewählte Personalrat konstituiert hat, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Juli.
(1) Der Personalrat bildet aus seiner Mitte den Vorstand. Diesem muss ein Mitglied jeder im Personalrat vertretenen Gruppe angehören. Die Vertreterinnen und Vertreter jeder Gruppe wählen das auf ihre Gruppe entfallende Vorstandsmitglied. Der Vorstand führt die laufenden Geschäfte.
(2) Hat der Personalrat elf oder mehr Mitglieder, so wählt er aus seiner Mitte mit einfacher Stimmenmehrheit zwei weitere Mitglieder in den Vorstand. Sind Mitglieder des Personalrats aus Wahlvorschlagslisten mit verschiedenen Bezeichnungen gewählt worden und sind im Vorstand Mitglieder aus derjenigen Liste nicht vertreten, die die größte oder zweitgrößte Anzahl, mindestens jedoch ein Drittel aller von den Angehörigen der Dienststelle abgegebenen Stimmen erhalten hat, so ist eines der weiteren Vorstandsmitglieder aus dieser Liste zu wählen.
(1) Eine Vertreterin oder ein Vertreter der Jugend- und Auszubildendenvertretung, die oder der von dieser benannt wird, und die Schwerbehindertenvertretung haben das Recht, an den Sitzungen des Personalrats beratend teilzunehmen. An der Behandlung von Angelegenheiten, die besonders Beschäftigte betreffen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die sich in einer beruflichen Ausbildung befinden, hat die gesamte Jugend- und Auszubildendenvertretung das Recht zur beratenden Teilnahme. Bei Beschlüssen des Personalrats, die überwiegend Beschäftigte betreffen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die sich in einer beruflichen Ausbildung befinden, haben die Jugend- und Auszubildendenvertreterinnen und ‑vertreter Stimmrecht. Soweit sie ein Recht auf Teilnahme an der Sitzung haben, gilt § 36 Absatz 2 Satz 3 entsprechend für die Ladung der Schwerbehindertenvertretung und der Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung.
(2) Auf Antrag eines Viertels der Mitglieder oder der Mehrheit einer Gruppe des Personalrats kann eine Beauftragte oder ein Beauftragter einer im Personalrat vertretenen Gewerkschaft an den Sitzungen beratend teilnehmen; in diesem Fall sind der Gewerkschaft der Zeitpunkt der Sitzung und die Tagesordnung rechtzeitig mitzuteilen.
(3) Die Leiterin oder der Leiter der Dienststelle nimmt an den Sitzungen teil, die auf ihr oder sein Verlangen anberaumt worden sind oder zu denen sie oder er ausdrücklich eingeladen worden ist.
(1) Die Mitgliedschaft im Personalrat erlischt durch
- 1.
Ablauf der Amtszeit, - 2.
Niederlegung des Amtes, - 3.
Beendigung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses, - 4.
Ausscheiden aus der Dienststelle, - 5.
Verlust der Wählbarkeit, - 6.
Eintritt in eine mehr als zwölfmonatige Beurlaubung, - 7.
Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell, - 8.
Ausschluss aus dem Personalrat oder Auflösung des Personalrats auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung oder - 9.
gerichtliche Entscheidung über die Feststellung der Nichtwählbarkeit nach Ablauf der in § 26 bezeichneten Frist, es sei denn, der Mangel liegt nicht mehr vor.
(2) Die Mitgliedschaft im Personalrat wird durch einen Wechsel der Gruppenzugehörigkeit eines Mitglieds nicht berührt; dieses vertritt weiterhin die Gruppe, von der es gewählt wurde.
(1) Die regelmäßigen Personalratswahlen finden alle vier Jahre in der Zeit vom 1. März bis 31. Mai statt.
(2) Die Amtszeit des Personalrats beginnt am 1. Juni des Jahres, in dem die regelmäßigen Personalratswahlen stattfinden, und endet mit dem Ablauf von vier Jahren. Ist am Tag des Ablaufs der Amtszeit ein neuer Personalrat nicht gewählt oder hat sich am Tag des Ablaufs der Amtszeit noch kein neuer Personalrat konstituiert, führt der Personalrat die Geschäfte weiter, bis sich der neu gewählte Personalrat konstituiert hat, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Juli.
(1) Die Wahl kann beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
(2) Zur Anfechtung berechtigt sind mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber. Die Wahlanfechtung ist nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig.
(3) Die Anfechtung durch die Wahlberechtigten ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist, wenn nicht zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt wurde. Dies gilt nicht, wenn die anfechtenden Wahlberechtigten an der Einlegung eines Einspruchs gehindert waren. Die Anfechtung durch den Arbeitgeber ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist und wenn diese Unrichtigkeit auf seinen Angaben beruht.
(1) Der Personalrat bestimmt mit in sozialen Angelegenheiten bei
- 1.
Gewährung von Unterstützungen, Vorschüssen, Darlehen und entsprechenden sozialen Zuwendungen, - 2.
Zuweisung und Kündigung von Wohnungen, über die die Beschäftigungsdienststelle verfügt, Ausübung von Belegungs- oder Vorschlagsrechten der Beschäftigungsdienststelle sowie der allgemeinen Festsetzung der Nutzungsbedingungen, - 3.
Zuweisung von Dienst- und Pachtland und Festsetzung der Nutzungsbedingungen, - 4.
Errichtung, Verwaltung und Auflösung von Sozialeinrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, - 5.
Aufstellung von Sozialplänen einschließlich Plänen für Umschulungen zum Ausgleich oder zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen, die der oder dem Beschäftigten infolge von Rationalisierungsmaßnahmen entstehen.
(2) Hat eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter eine Leistung nach Absatz 1 Nummer 1 beantragt, wird der Personalrat nur auf ihren oder seinen Antrag beteiligt; auf Verlangen der Antragstellerin oder des Antragstellers bestimmt nur der Vorstand des Personalrats mit. Die Dienststelle hat dem Personalrat nach Abschluss jedes Kalendervierteljahres einen Überblick über die Unterstützungen und entsprechenden sozialen Zuwendungen zu geben. Dabei sind die Anträge und die Leistungen gegenüberzustellen. Auskunft über die von den Antragstellerinnen und Antragstellern angeführten Gründe wird hierbei nicht erteilt.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)