Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 27. März 2015 - 13 Sa 1451/14


Gericht
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 13.08.2014 – 10 Ca 1030/14 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten im Kern darum, ob kraft betrieblicher Übung Pausenzeiten als Arbeitszeiten anzurechnen sind.
3Der Kläger ist bei der Beklagten, die als Tochterunternehmen der E AG Sicherheitsdienstleistungen in Bahnhöfen und Zügen erbringt, als Mitarbeiter im Sicherheits- und Ordnungsdienst auf Schienenfahrzeugen tätig. Zu seinen wesentlichen Aufgaben gehören die sog. Bestreifung der eingesetzten Züge sowie die Fahrkartenkontrolle in den Zügen.
4Bis einschließlich Januar 2012 vergütete die Beklagte die gesamte Schichtzeit des Klägers als Arbeitszeit, darunter auch Zeiten, die dieser z.B. während der Wartezeiten von Zügen auf den Bahnsteigen oder in Sozialräumen der Bahnhöfe verbrachte.
5Seit Beginn des Jahres 2012 vereinbart die Beklagte mit dem im Betrieb bestehenden Betriebsrat Dienstpläne, die feste Pausenzeiten entsprechend den arbeitszeitgesetzlichen Vorgaben vorsehen, in denen die Arbeitnehmer sowohl den jeweiligen Zug als auch den jeweiligen Bahnhof verlassen können und sich nicht für einen Einsatz bereithalten müssen. Gleichzeitig mit dem Inkrafttreten der Dienstplanregelungen rechnet die Beklagte seit Februar 2012 die Pausenzeiten nicht mehr als Arbeitszeiten ab und berücksichtigt sie deshalb auch nicht mehr auf dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto.
6Der Kläger hat die Auffassung vertreten, entsprechend der Handhabung in der Vergangenheit, in der auch planmäßig halbstündige Pausenzeiten angefallen seien, sei die Beklagte aufgrund betrieblicher Übung weiterhin verpflichtet, die Pausenzeiten als Arbeitszeiten anzurechnen und auf dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben.
7Der Kläger hat beantragt,
81. die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für die Pausenzeiten in den Monaten Februar 2013 bis 14. Januar 2014 137,5 Stunden gutzuschreiben,
92. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Pausenzeiten des Klägers als Arbeitszeit anzurechnen.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat herausgestrichen, dass auch vor Februar 2012 dem Kläger keine Pausenzeiten als Zeitgutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben worden seien. In der Vergangenheit sei er während der „Pausen“ arbeitgeberseitig nämlich dazu angehalten gewesen, sich „in Bereitschaft“ zu halten und bei Bedarf einzuschreiten, um die Sicherheit und Ordnung in den Zügen – auch während der Aufenthalte in den Bahnhöfen – zu gewährleisten. Es habe sich also um Arbeitsbereitschaft gehandelt, so dass die insoweit vorgenommene Vergütung in Erfüllung eines Anspruchs erfolgt sei. Den in arbeitszeitrechtlicher Hinsicht nicht wünschenswerten Zustand habe man ab Februar 2012 abgeschafft; es würden jetzt dem Arbeitszeitgesetz entsprechende Erholungspausen gewährt.
13Davon abgesehen habe der Kläger seinen bezifferten Anspruch auf Gutschrift bestimmter Stunden der Höhe nach nicht substantiiert dargelegt.
14Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird verwiesen auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe.
15Unter Verweis und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens beantragt der Kläger,
16das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 13.08.2014 – 8 Ca 1030/14 – abzuändern und
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1. die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für den Zeitraum von Februar 2013 bis 14. Januar 2014 137,5 Arbeitsstunden gutzuschreiben,
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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die in den von der Beklagten erstellten Schichtplänen ausgewiesenen „Pausenzeiten“ als Arbeitszeit anzurechnen und dem Arbeitszeitkonto des Klägers gutzuschreiben.
Ebenfalls unter Verweis und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages beantragt die Beklagte,
22die Berufung zurückzuweisen.
23Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe
25Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
26Zu Recht ist nämlich das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger von der Beklagten für den Zeitraum ab Februar 2012 nicht die Gutschrift von Stunden für Pausenzeiten verlangen und auch nicht die Feststellung getroffen werden kann, Pausenzeiten als Zeiten der Arbeit anzurechnen.
27Die Voraussetzungen für die auf eine betriebliche Übung gestützten beiden Begehren sind nämlich nicht gegeben.
28I. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt 11.11.2014 - 3 AZR 849/11 - juris; 19.03.2014 – 5 AZR 954/12 – NZA 2014, 787) ist unter einer betrieblichen Übung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die betroffenen Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus diesem als Angebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 Satz 1 BGB), erwachsen entsprechende arbeitsvertragliche Ansprüche. Dabei ist entscheidend für die Entstehung des Anspruchs nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers, sondern wie der Arbeitnehmer als Adressat die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste, namentlich ob er auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durfte.
29II. An diesen Maßstäben gemessen, konnte hier die Klage keinen Erfolg haben. Es fehlen schon ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dem Kläger in der Vergangenheit bis Januar 2012 Zeiten als Arbeitszeiten gutgeschrieben hat, in denen dieser tatsächlich (Ruhe-)Pausen im Sinne des § 4 ArbZG gemacht hat.
301. Pausen sind im Voraus feststehende Unterbrechungen der Arbeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeitsleistungen zu erbringen noch sich dafür bereitzuhalten hat; er kann frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen (zuletzt BAG, 25.02.2015 - 1 AZR 642/13 - juris m.w.N.). Deshalb müssen Pausenzeiten auch nicht nach § 611 Abs. 1 BGB vergütet werden.
312. Demgegenüber handelt es sich bei Arbeitsbereitschaft arbeitsschutzrechtlich um Arbeit, für die auch im Rahmen des § 611 Abs. 1 BGB ein Entgelt zu gewähren ist. Die gemeinhin als Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung umschriebene Arbeitsbereitschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitnehmer sich an einer bestimmten Stelle bereithalten muss, um im Bedarfsfalle die (Voll-)Arbeit aufzunehmen (zuletzt BAG, 19.11.2014 – 5 AZR 1101/12 - DB 2015, 253).
32Hier hat die Beklagte - ohne dass der Kläger dem substantiiert entgegengetreten
33ist - ausgeführt, dass es in der Vergangenheit namentlich unter Verstoß gegen § 4 ArbZG für die Arbeitnehmer im Sicherheits- und Ordnungsdienst tatsächlich keine Ruhepausen gegeben hat, in denen sie frei über die Nutzung von Zeit hätten entscheiden können. Denn diese waren angehalten, während ihrer Schichtzeiten entweder Vollarbeit zu leisten oder sich hierfür z.B. in Sozialräumen vor Ort bereitzuhalten, um beispielsweise Kundenanliegen sofort Rechnung tragen oder anlassbezogene Bestreifungen vornehmen zu können.
34Wenn deshalb die Beklagte für den Zeitraum bis Januar 2012 in vollem Umfang von entgeltpflichtiger Arbeitszeit ausging, trug sie damit „nur“ der tatsächlichen Praxis Rechnung, in der für die Gewährung von Ruhepausen in gesetzlich vorgeschriebenem Umfang dienstplanmäßig kein Raum war.
35Vor dem Hintergrund konnten die Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger auch nicht davon ausgehen, dass sich ihre Arbeitgeberin – über die gegebenen Verpflichtungen zur Vergütung von Arbeit einschließlich Arbeitsbereitschaft hinaus – zusätzlich auch noch freiwillig zur Gewährung von Arbeitszeitgutschriften für zu keinem Zeitpunkt ordnungsgemäߠ gewährte Pausenzeiten verpflichten wollte (vgl. LAG Köln, 06.04.2011 - 8 Sa 1386/10 - juris).
36Deshalb stehen dem Kläger kraft betrieblicher Übung keine entsprechenden Ansprüche für den Zeitraum ab Februar 2012 zu, nachdem die Beklagte in Abstimmung mit dem Betriebsrat – endlich – eine mit den Vorgaben des § 4 ArbZG im Einklang stehende Abwicklung des Arbeitsverhältnisses eingeführt hat.
37Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
38Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

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Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Die Arbeit ist durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.
Die Arbeit ist durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)