Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

I. Streitig ist, ob den gegenüber dem Kläger erfolgten Steuerfestsetzungen die Festsetzungsverjährung entgegensteht.

Der Kläger erzielte in den Streitjahren als Einzelunternehmer steuerpflichtige Umsätze aus dem Betrieb einer Landwirtschaft sowie aus der Verpachtung von Gebäuden und Anlagen des landwirtschaftlichen Betriebs an die X Handels GmbH (GmbH). Er war zu 51 % an der GmbH beteiligt und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH. Seine Ehefrau war zu 49 % an der GmbH beteiligt und ebenfalls einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin.

Die Umsätze des Klägers aus dem Betrieb der Landwirtschaft unterlagen der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Umsatzsteuergesetz (UStG). Seine Lieferungen an die GmbH wurden mit 9 % der Besteuerung unterworfen. Die Umsätze aus der Verpachtung unterlagen der Regelbesteuerung. Die in den gegenüber der GmbH ausgestellten Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge wurden von dieser als Vorsteuerbeträge abgezogen.

Nach einer beim Kläger und bei der GmbH durchgeführten Außenprüfung vertrat der Beklagte (das Finanzamt) die Auffassung, dass zwischen dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers und der GmbH eine umsatzsteuerliche Organschaft bestehe. Bei den Umsätzen zwischen dem Kläger und der GmbH handle es sich demnach um nicht steuerbare Innenumsätze mit der Folge, dass die GmbH nicht zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Klägers berechtigt sei und die Umsätze der GmbH dem Kläger als Organträger zugerechnet werden müssten (vgl. Prüfungsbericht betreffend den Kläger vom 29. Oktober 2008).

Das Finanzamt erließ deshalb am 9. Januar 2009 gegenüber dem Kläger Änderungsbescheide, mit denen es ihm für die Streitjahre insgesamt 542.096,- € Umsatzsteuer zzgl. Zinsen erstattete. Im Gegenzug wurde mit Änderungsbescheiden vom 20. Januar 2009 von der GmbH für die Streitjahre Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 672.165,- € zzgl. Zinsen nachgefordert.

Während der Kläger keinen Einspruch einlegte, legte die GmbH, die ebenfalls vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vertreten wird, gegen die Nachforderungsbescheide vom 20. Januar 2009 mit Schreiben vom 23. Februar 2009 jeweils Einspruch ein und beantragte eine Rückabwicklung der Organschaft.

Im Einspruchsverfahren einigte man sich nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage darauf, dass zwischen dem Kläger und der GmbH doch keine Organschaft vorliege (vgl. Geänderter Prüfungsbericht vom 5. Juli 2010 und Prüfungsbericht für die Jahre 2004 bis 2007 vom 12. Juli 2010).

Infolgedessen erstattete das Finanzamt der GmbH mit Änderungsbescheiden vom 7. September 2010 Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 766.394,- € zzgl. Zinsen, nachdem der Kläger zuvor mit Bescheid vom 24. August 2010 gemäß § 174 Abs. 5 Abgabenordnung (AO) zum Einspruchsverfahren der GmbH hinzugezogen worden war.

Anschließend erließ das Finanzamt gegenüber dem Kläger am 15. September 2010 nach § 174 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide, mit denen für die Streitjahre Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 527.119,- € zzgl. Zinsen nachgefordert wurde.

Die gegen die Änderungsbescheide vom 15. September 2010 eingelegten Einsprüche vom 14. Oktober 2010 begründete der Kläger damit, dass diesen jeweils der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegenstünde. Das Finanzamt wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2011 als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen erhobenen Klage wird im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Nach Ablauf der Verjährungsfrist für die Umsatzsteuerfestsetzungen 2000 bis 2002 gegenüber dem Kläger mit Ablauf des 12. Februar 2009 sei eine Hinzuziehung des Klägers zum Einspruchsverfahren der GmbH nicht mehr zulässig gewesen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe ausschließlich für den Fall, dass der Kläger durch eigene verfahrensrechtliche Initiativen auf die Aufhebung bzw. Änderung der Umsatzsteuerbescheide gegenüber der GmbH hingewirkt hätte. In seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH sei der Kläger aber nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter der GmbH aufgetreten. Die in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH abgegebenen Willenserklärungen stellten daher keine Willenserklärungen des Klägers dar. Er habe lediglich die steuerlichen Interessen der GmbH vertreten und die Nachzahlungen mit Einspruch bestritten. Auch die Gesellschafterstellung bzw. das Wissen um einen potentiellen Widerstreit führe zu keiner verfahrensrechtlichen Initiative. Deshalb könnten auch die bestandskräftigen Umsatzsteuerfestsetzungen gegenüber dem Kläger nicht mehr nach § 174 Abs. 4 AO korrigiert werden.

Der Kläger beantragt, die Umsatzsteuerbescheide vom 15. September 2010 und die Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2011 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Es nimmt auf die Einspruchsentscheidung Bezug und weist darauf hin, dass der Kläger kein am Steuerfestsetzungs- bzw. Einspruchsverfahren der GmbH unbeteiligter Dritter gewesen sei. Er sei als Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer maßgeblicher Entscheidungsträger der GmbH gewesen, der sich aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalles nicht darauf zurückziehen könne, dass bei ihm Rechtsfrieden eingetreten sei, zumal er zuvor signalisiert habe, mit den geänderten Steuerfestsetzungen bei beiden Unternehmen einverstanden zu sein.

Der Streitfall unterscheide sich von dem vom Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 28. April 2003 III B 82/01 entschiedenen Fall, wonach keine eigene verfahrensrechtliche Beteiligung des Gesellschafters einer Personengesellschaft am Verfahren der Gesellschaft vorliege, dadurch, dass bei einer Personengesellschaft ein einzelner Gesellschafter grundsätzlich keine alleinige Entscheidungsbefugnis habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Finanzamts und die im Verfahren eingereichten Schriftsätze sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

II. Die Klage ist unbegründet.

Das Finanzamt hat gegenüber dem Kläger zu Recht mit Umsatzsteuerbescheiden vom 15. September 2010 die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre gemäß § 174 Abs. 4 und 5 AO geändert. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung steht den Änderungsbescheiden nicht entgegen.

1. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung grundsätzlich nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist, die vier Jahre beträgt (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO), abgelaufen ist.

Dies ist vorliegend der Fall, weil der Kläger gegen die Änderungsbescheide vom 9. Januar 2009 keinen Einspruch eingelegt hat und der Ablauf der Festsetzungsfrist somit nicht nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt gewesen ist. Die aufgrund der Außenprüfung erlassenen Umsatzsteuerbescheide sind mit Ablauf des 12. Februar 2009 unanfechtbar geworden. Der geänderte Prüfungsbericht vom 5. Juli 2010 für die Streitjahre 2000 bis 2002 setzt die Festsetzungsfrist nicht erneut in Lauf.

2. Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO können aber, wenn aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Werden die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides gezogen, ist der Ablauf der Festsetzungsfrist unbeachtlich (§ 174 Abs. 4 Satz 3 AO). Dies gilt auch gegenüber Dritten, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides geführt hat, beteiligt waren (§ 174 Abs. 5 Satz 1 AO).

Nach dem Wortlaut des § 174 Abs. 4 und 5 AO genügt es, dass ein und derselbe Sachverhalt sowohl bei dem Steuerpflichtigen als auch bei dem Dritten erfasst und dabei irrig beurteilt worden ist. Nach einer Richtigstellung der rechtlichen Beurteilung zugunsten des einen Steuerpflichtigen kann damit korrespondierend aus demselben einheitlichen Lebenssachverhalt die rechtliche Folgerung auch bei dem anderen Steuerpflichtigen im Wege der Änderung seiner bestandskräftigen Steuerfestsetzung gezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 20. November 2013 X R 7/11, BFH/NV 2014, 482, m.w.N.).

3. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Die Beteiligten haben das Verhältnis zwischen dem Kläger und der GmbH zunächst irrtümlich als umsatzsteuerliche Organschaft beurteilt. Die deswegen gegenüber der GmbH ergangenen Nachforderungsbescheide vom 20. Januar 2009 sind vom Finanzamt aufgrund der Einsprüche der GmbH zu deren Gunsten aufgehoben worden. Die steuerlichen Folgerungen hieraus konnten deshalb innerhalb eines Jahres (§ 174 Abs. 4 Satz 3 AO) auch bei dem anderen Steuerpflichtigen (hier dem Kläger) im Wege der Änderung seiner bestandskräftigen Steuerfestsetzungen gezogen werden.

4. Gegenüber Dritten gilt § 174 Abs. 4 AO aber nur, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung der fehlerhaften Steuerbescheide geführt hat, beteiligt waren (§ 174 Abs. 5 Satz 1 AO). Ein Dritter ist an dem zur Änderung oder Aufhebung führenden Verfahren beteiligt, wenn er Verfahrensbeteiligter i.S. des § 359 AO, also (1) Einspruchsführer oder (2) Hinzugezogener ist, oder wenn er (3) durch eigene verfahrensrechtliche Initiative auf die Aufhebung oder Änderung der Bescheide hingewirkt hat. Als eigene verfahrensrechtliche Initiative kommen grundsätzlich nur Rechtshandlungen im eigenen Namen in Betracht (BFH-Beschlüsse vom 14. Februar 2001 I B 136/00, BFH/NV 2001, 1005; vom 28. April 2003 III B 82/01, BFH/NV 2003, 1142).

a) Im Streitfall ist der Kläger als Einzelunternehmer im Hinblick auf die zu ändernden fehlerhaften Bescheide gegenüber der GmbH Dritter im Sinne von § 174 Abs. 5 Satz 1 AO gewesen, da er darin nicht als Steuerschuldner angegeben ist (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO; vgl. auch BFH-Urteil vom 5. Mai 1993 X R 111/91, BStBl II 1993, 817, m.w.N.).

b) Es kann dahin stehen, ob der Kläger wirksam gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO zum Einspruchsverfahren der GmbH hinzugezogen worden ist. Der Kläger ist jedenfalls Verfahrensbeteiligter im Sinne oben genannter Rechtsprechung des BFH gewesen, mit der Folge, dass er sich nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit auf den Ablauf der Festsetzungsfrist für die gegen ihn gerichteten steuerlichen Ansprüche berufen kann.

aa) Ausgehend von dem Grundsatz, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich ist, wenn die steuerlichen Folgen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden, hat der BFH entschieden, dass die darin liegende Zurückdrängung des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zu Gunsten der Rechtsrichtigkeit gegenüber einem Dritten, in Einengung des reinen Gesetzeswortlauts, grundsätzlich nur dann gerechtfertigt ist, wenn der Dritte vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die gegen ihn gerichteten steuerlichen Ansprüche hinzugezogen oder beigeladen worden ist. Dies gilt nach der Rechtsprechung gleichermaßen, wenn der Dritte durch eigene verfahrensrechtliche Initiative zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Bescheids hingewirkt hat, indem er z. B. den entsprechenden Aufhebungs- oder Änderungsantrag gestellt hat (vgl. BFH-Urteil vom 5. Mai 1993 X R 111/91, BStBl II 1993, 817, m.w.N., BFH-Beschlüsse vom 14. Februar 2001 I B 136/00, BFH/NV 2001, 1005; vom 28. April 2003 III B 82/01, BFH/NV 2003, 1142). Dem liegt, so der BFH (vgl. BFH-Urteil vom 20. November 2013 X R 7/11, BFH/NV 2014, 482), die Überlegung zu Grunde, dass der Dritte, der nicht durch eigene verfahrensrechtliche Initiativen auf eine Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Bescheids hinwirkt und typischerweise deshalb auch keine Kenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der Korrektur hat, mit Ablauf der ihn betreffenden Festsetzungsfrist endgültig auf die Bestandskraft der ihm gegenüber erfolgten oder ggf. unterbliebenen Besteuerung vertrauen darf.

Ausschlaggebend sei danach, dass der Dritte im Allgemeinen nicht selbst gegen den fehlerhaften Bescheid vorgegangen sei und dass bei ihm – typischerweise - Kenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der Korrektur nicht vorausgesetzt werden könnten. Insofern gebe es keinen rechtfertigenden Grund dafür, ihm die Folgerungen aus der nachträglich richtigen Beurteilung des Sachverhalts auch jenseits der allgemeinen Festsetzungsverjährung anzulasten. Dieser generalisierenden Betrachtungsweise stehe nicht entgegen, dass der Dritte im Einzelfall von dem Widerstreit der Steuerfestsetzungen wissen kann oder tatsächlich weiß (BFH-Urteil vom 13. April 2000 V R 25/99, BFH/NV 2001, 137; BFH-Beschluss vom 14. Februar 2001 I B 136/00, BFH/NV 2001, 1005).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen sind aufgrund der Besonderheiten des Streitfalls keine Umstände ersichtlich, aus denen der Kläger als Dritter eine schützenswerte Vertrauensposition herleiten könnte.

Der Kläger ist zwar zum einen formell nicht als Steuerpflichtiger am Einspruchsverfahren der GmbH beteiligt und zum anderen ist ihm gegenüber zum Zeitpunkt der Hinzuziehung bereits Festsetzungsverjährung bezüglich der streitgegenständlichen Umsatzsteuer für sein Einzelunternehmen eingetreten gewesen. Er hat aber als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH darauf hingewirkt, dass die Umsätze der GmbH, entgegen der ursprünglichen Handhabung nach der Betriebsprüfung, wieder ihr zugerechnet worden sind. Er hatte als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH eine verfahrensrechtliche Position inne, die es ihm erlaubt hat, den Verlauf und den Ausgang des Einspruchsverfahrens der GmbH jederzeit wirksam zu beeinflussen. Dem Kläger und der ihn sowie die GmbH vertretenden Steuerberatungs-GmbH, die jeweils von ihm bevollmächtigt worden war, ist dabei jederzeit klar gewesen, dass die Folgerungen aus dem Geänderten Prüfungsbericht vom 5. Juli 2010, wonach keine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen seinem Einzelunternehmen und der GmbH vorliege, durch entsprechende Änderungsbescheide sowohl bei der GmbH als auch bei seinem Einzelunternehmen zu ziehen sind. Wie sich aus dem geänderten Prüfungsbericht vom 5. Juli 2010 ergibt, sind diese Prüfungsfeststellungen mit dem steuerlichen Berater des Klägers und der GmbH einvernehmlich besprochen worden. Der Kläger musste somit damit rechnen, dass die damit verbundenen weiteren Folgerungen bei ihm auch außerhalb der allgemeinen Verjährungsfrist gezogen werden.

cc) Aufgrund der Besonderheiten des Streitfalls kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass er die Einsprüche, die zur Aufhebung der fehlerhaften Steuerbescheide gegenüber der GmbH vom 20. Januar 2009 geführt haben, nicht im eigenen Namen eingelegt hat. So hat der BFH in seinem Beschluss vom 28. April 2003 III B 82/01 (BFH/NV 2003,1142) unter Bezugnahme auf das Urteil vom 5. Mai 1993 X R 111/91 (BStBl. II 1993, 817) zwar entschieden, dass eine eigene verfahrensrechtliche Initiative nicht vorliege, wenn der Dritte nur in seiner Eigenschaft als Mitgesellschafter oder Prozessvertreter einer GbR in das von dieser betriebene Verfahren eingeschaltet gewesen sei. Der diesen Verfahren zu Grunde liegende Sachverhalt ist aber nicht mit vorliegendem Sachverhalt vergleichbar, da der Kläger als einzelvertretungsberechtigter Gesellschafter der GmbH eine andere verfahrensrechtliche Stellung als der Mitgesellschafter einer GbR inne gehabt hat.

Deshalb kann der Kläger auch nicht geltend machen, dass auf eine generalisierende Betrachtungsweise und nicht darauf abzustellen sei, ob er den Widerstreit der Steuerfestsetzungen bei ihm und der GmbH tatsächlich gekannt habe. Diese generalisierende Betrachtungsweise beruht darauf, dass der Dritte im Allgemeinen nicht durch eigene verfahrensrechtliche Initiativen auf eine Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides hingewirkt hat und deshalb bei ihm typischerweise keine Kenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der Korrektur vorausgesetzt werden können (vgl. BFH-Urteil vom 13. April 2000 V R 25/99, BFH/NV 2001, 137; BFH-Beschluss vom 14. Februar 2001 I B 136/00, BFH/NV 2001, 1005; BFH-Urteil vom 20. November 2013 X R 7/11, BFH/NV 2014, 482).

Bei vorliegendem Sachverhalt, bei dem der Kläger als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH aber eine verfahrensrechtliche Position inne hatte, die es ihm erlaubt hat, den Verlauf und den Ausgang des Einspruchsverfahrens der GmbH jederzeit wirksam zu beeinflussen, besteht kein Raum für eine entsprechende typisierende Betrachtungsweise.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Zulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

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(1) Steuerbescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Sie müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet. Ihnen ist außerdem eine Belehrung darüber

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Beteiligte am Verfahren sind:1.wer den Einspruch eingelegt hat (Einspruchsführer),2.wer zum Verfahren hinzugezogen worden ist.

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(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im Streitjahr 1998 mit ihrem Ehemann (E) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Sie ist kirchensteuerpflichtig. In der im Jahr 1999 abgegebenen gemeinsamen Einkommensteuererklärung erklärte sie im Zusammenhang mit dem Objekt D einen Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen im Rahmen ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

2

Im Zuge einer bei den Eheleuten durchgeführten Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, der Gewinn aus dem Erwerb, der Bebauung sowie der Vermarktung des Objekts D in Höhe von gut 2 Mio. DM sei E als Teil eines gewerblichen Grundstückshandels zuzurechnen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) schloss sich der Ansicht des Prüfers an und erließ einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid.

3

Gegen diesen Bescheid legte Steuerberater (S) unter Angabe der gemeinsamen Steuernummer und der Nennung beider Namen im Briefkopf für die Eheleute Einspruch ein. Ergänzend führte er aus, der Einspruch richte sich gegen den Ansatz des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf des Objekts D als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Auf die Aufforderung des FA, den "für Eheleute ..." eingelegten Einspruch zu begründen, zeigten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zunächst an, "die Eheleute ... hätten sie mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen beauftragt" und begründeten kurz darauf den "Einspruch vom 25.09.2003 der Eheleute ...". Dabei bestätigten sie noch einmal, mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen "der Eheleute ..." beauftragt zu sein. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, die Einkünfte im Zusammenhang mit dem Objekt D habe die Klägerin erzielt und dabei die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten. Das FA hielt in Abstimmung mit dem Außenprüfer zunächst an seiner gegenteiligen Auffassung fest. In einer späteren Stellungnahme führte es aus, zwar seien die im Zusammenhang mit dem Objekt D erzielten Einkünfte --wie erklärt-- der Klägerin zuzurechnen. Allerdings führe der Verkauf bei Würdigung aller Umstände gleichwohl zu einem gewerblichen Grundstückshandel. Eine einkommensteuerliche Auswirkung der abweichenden Zurechnung der Einkünfte ergebe sich nicht.

4

Die Prozessbevollmächtigten erklärten daraufhin im April 2007: "Namens und in Vollmacht von Frau nehmen wir den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 05.09.2003 zurück." Das Einspruchsverfahren des E werde fortgeführt.

5

Nach Anhörung der Eheleute zog das FA die Klägerin mit Bescheid vom 10. Oktober 2007 zum Rechtsbehelfsverfahren des E hinzu. Seine Entscheidung stützte es auf § 174 Abs. 5 und § 360 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).

6

Gegen die Hinzuziehung wandte sich die Klägerin mit der Begründung, diese sei rechtswidrig, da durch die Rücknahme ihres Einspruchs die Einkommensteuerfestsetzung 1998 ihr gegenüber bestandskräftig geworden und im Übrigen auch Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Nach Eintritt der Festsetzungsverjährung sei eine Hinzuziehung nicht mehr zulässig. Ihr Einspruch blieb erfolglos.

7

Zur Begründung ihrer Klage berief sich die Klägerin ergänzend darauf, sie sei am Einspruchsverfahren ihres Ehemannes nie beteiligt gewesen, da sie selber keinen Einspruch erhoben und auch den steuerlichen Berater nicht entsprechend beauftragt habe. Dieser habe nur im Namen und in Vollmacht des E gehandelt. Die "Rücknahme" ihres Einspruchs habe sie nur vorsorglich erklärt, um klar zu stellen, dass sie nicht verfahrensrechtlich am Einspruchsverfahren beteiligt gewesen sei.

8

Das Finanzgericht (FG) wies die auf Aufhebung der Hinzuziehung gerichtete Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1048 veröffentlichten Gründen ab. Die Hinzuziehung der Klägerin zum Einspruchsverfahren des E sei nach § 174 Abs. 5 AO rechtmäßig.

9

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie ist der Ansicht, eine Hinzuziehung zum Einspruchsverfahren des E komme nicht in Betracht, weil ihr gegenüber zu diesem Zeitpunkt bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei. Da sie entgegen der Beurteilung durch das FG nicht am Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteueränderungsbescheid 1998 beteiligt gewesen sei, liege auch kein Ausnahmefall vor. Letztlich sei bei zusammenveranlagten Ehegatten bereits der Anwendungsbereich des § 174 Abs. 5 AO nicht eröffnet, weil der jeweils andere Ehegatte im Zusammenveranlagungsbescheid als Steuerschuldner benannt werde und daher nicht "Dritter" sei.

10

Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil sowie den Hinzuziehungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

11

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist unbegründet. Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Hinzuziehung der Klägerin zum Einspruchsverfahren des E durch das FA rechtmäßig ist. Wegen ihrer zunächst gegebenen Stellung als Einspruchsführerin ist sie hinsichtlich einer möglichen Folgeänderung zu ihren Lasten nicht schutzwürdig.

13

1. Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden (§ 174 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AO). Werden die steuerlichen Folgen innerhalb eines Jahres gezogen, ist der Ablauf der Festsetzungsfrist unbeachtlich (§ 174 Abs. 4 Satz 3 AO). Dies gilt auch gegenüber Dritten, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides geführt hat, beteiligt waren (§ 174 Abs. 5 Satz 1 AO). Ihre Hinzuziehung zu diesem Verfahren ist zulässig (§ 174 Abs. 5 Satz 2 AO).

14

2. Die Anordnung der Hinzuziehung durch das FA nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO setzt danach voraus, dass ein Steuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben oder zu ändern ist und dass hieraus möglicherweise steuerrechtliche Folgerungen für einen Dritten durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides gezogen werden können.

15

Darüber hinaus setzt die Anwendung des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO dem Dritten gegenüber grundsätzlich voraus, dass dieser vor Ablauf der Festsetzungsfrist hinzugezogen oder beigeladen worden ist (vgl. z.B. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Mai 1993 X R 111/91, BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817; vom 11. März 2002 IX B 116/01, BFH/NV 2002, 895). Hinzuziehung und Beiladung kommen nur dann nicht in Betracht, wenn die Interessen Dritter durch den Ausgang des anhängigen Rechtsstreits eindeutig nicht berührt sein können (vgl. zur Beiladung BFH-Beschluss vom 15. Oktober 2010 III B 149/09, BFH/NV 2011, 404, m.w.N.).

16

Indes ist im Hinzuziehungsverfahren wie auch im Beiladungsverfahren noch nicht abschließend zu prüfen, ob die übrigen formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Änderung des Steuerbescheides vorliegen; denn die Hinzuziehung darf die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen (zur Beiladung im FG-Verfahren vgl. BFH-Beschluss vom 7. April 2003 III B 127/02, BFH/NV 2003, 887). Die Hinzuziehung dient vielmehr lediglich der frühzeitigen Beteiligung aller Betroffenen und damit der richtigen Besteuerung (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1997 III R 300/94, BFH/NV 1997, 659, m.w.N.). Danach reicht es auch für eine Hinzuziehung gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO aus, dass sich bei einem Erfolg des Einspruchs eine Folgeänderung i.S. des § 174 Abs. 4 und 5 AO ergeben kann. Hingegen ist nicht zu prüfen, ob eine etwaige Folgeänderung Bestand hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 4. März 1998 V B 3/98, BFH/NV 1998, 1056).

17

3. Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze hat das FG die Hinzuziehung der Klägerin zu dem Einspruchsverfahren des E durch das FA im Ergebnis zutreffend als rechtmäßig angesehen.

18

a) Bei der Vorschrift des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO handelt es sich um eine gegenüber den Tatbeständen der Absätze 1 bis 3 eigenständige Änderungsnorm, die nicht auf die Fälle der alternativen Erfassung eines bestimmten Sachverhalts beschränkt ist (z.B. BFH-Urteil vom 24. November 1987 IX R 158/83, BFHE 152, 203, BStBl II 1988, 404). Auch eine rechtliche Abhängigkeit der "Folgeänderung" wird in § 174 Abs. 4 Satz 1 AO nicht vorausgesetzt (BFH-Beschluss vom 20. April 1989 V B 153/88, BFHE 156, 389, BStBl II 1989, 539). Nach dem Wortlaut des § 174 Abs. 4 und 5 AO genügt es vielmehr, dass ein und derselbe Sachverhalt sowohl bei dem Steuerpflichtigen als auch bei dem Dritten erfasst und dabei irrig beurteilt worden ist. Nach einer Richtigstellung der rechtlichen Beurteilung zugunsten des einen Steuerpflichtigen kann damit korrespondierend aus demselben einheitlichen Lebenssachverhalt die rechtliche Folgerung auch bei dem anderen Steuerpflichtigen im Wege der Änderung seiner bestandskräftigen Steuerfestsetzung gezogen werden (BFH-Urteil in BFHE 152, 203, BStBl II 1988, 404). Eine Folgeänderung in diesem Sinn kommt z.B. in Betracht, wenn, wie im Streitfall, die Frage streitig ist, wem (hier: der Klägerin oder E) ein bestimmter Gegenstand (hier: das Objekt D) und dementsprechend bestimmte Einkünfte zuzurechnen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 2. August 1990 III B 52/89, BFH/NV 1991, 16, unter II.2.b).

19

b) Im derzeit ruhenden Einspruchsverfahren des E gingen dieser und das FA zuletzt übereinstimmend davon aus, das Objekt D --und damit die Einkünfte hieraus-- sei der Klägerin zuzurechnen. Da der vom FA angesetzte Gewinn in Höhe von gut 2 Mio. DM in dem --gegenüber der Klägerin formell bestandskräftigen-- Einkommensteuerzusammenveranlagungsbescheid 1998 --wenn auch als gewerblicher Gewinn des E-- erfasst ist, hätte die anderweitige Zurechnung der Einkünfte zwar keine Auswirkungen auf die Höhe der Einkommensteuer. Sie hätte allerdings zum einen Auswirkung auf die allein von der Klägerin geschuldete Kirchensteuer als Annexsteuer. Zum anderen müsste gegenüber der Klägerin erstmalig ein Gewerbesteuermessbetragsbescheid erlassen werden.

20

c) Die Klägerin ist auch Dritte i.S. des § 174 Abs. 5 AO. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die möglichen Folgen des Rechtsbehelfsverfahrens nicht auf die Einkommensteuer beschränkt sind, sondern sich die Zuordnung und Qualifikation der Einkünfte aus dem Objekt D auch auf andere Steuerarten (hier: römisch-katholische Kirchensteuer, Gewerbesteuer) auswirken kann.

21

aa) Für eine Hinzuziehung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 AO reicht es aus, dass möglicherweise aus einem einheitlichen Lebensvorgang steuerrechtliche Folgen für (irgend-)eine Steuer sowohl beim Steuerpflichtigen als auch bei dem Dritten zu ziehen sind. Ein und derselbe Sachverhalt soll nach § 174 Abs. 4 und 5 AO bei beiden deckungsgleich --sei es mit denselben oder mit unterschiedlichen Rechtsfolgen-- beurteilt werden können (z.B. BFH-Beschluss vom 2. Dezember 1999 II B 17/99, BFH/NV 2000, 679; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 174 Rz 56-58).

22

bb) Im Übrigen ist das FG auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Umstand der Zusammenveranlagung der Ehegatten einer Hinzuziehung der Klägerin zu dem Einspruchsverfahren des E nicht entgegensteht. § 26b des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) bestimmt, dass bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtige behandelt werden. Aufgrund dieser Zusammenveranlagung sind die Ehegatten Gesamtschuldner der Einkommensteuer (§ 44 Abs. 1 AO). Für den Fall, dass mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner schulden, ermöglicht das Gesetz gemäß § 155 Abs. 3 Satz 1 AO, den Erlass zusammengefasster Steuerbescheide. Ein in der Form des § 155 Abs. 3 Satz 1 AO ergangener Zusammenveranlagungsbescheid enthält zwei inhaltlich und verfahrensrechtlich selbständige, nur der äußeren Form nach zusammengefasste Verwaltungsakte, die ein unterschiedliches (verfahrens-)recht-liches Schicksal haben können (BFH-Urteil vom 24. April 1986 IV R 82/84, BFHE 146, 358, BStBl II 1986, 545). Verfahrensrechtlich sind die zusammenveranlagten Ehegatten zwei Steuerschuldner (Klein/Rüsken, a.a.O., § 155 Rz 45), folglich auch Dritte im Hinblick auf § 174 Abs. 5 AO.

23

d) Anders als die Klägerin meint, war ihre Hinzuziehung im Zeitpunkt des Bescheids am 10. Oktober 2007 noch möglich.

24

aa) Grundsätzlich ist der Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden.

25

Gegenüber einem Dritten sieht die Rechtsprechung die darin liegende Zurückdrängung des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zugunsten der Rechtsrichtigkeit in Einengung des reinen Gesetzeswortlauts grundsätzlich nur dann als gerechtfertigt an, wenn dieser vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die gegen ihn gerichteten steuerlichen Ansprüche hinzugezogen oder beigeladen wird (ständige Rechtsprechung, vgl. grundlegend Senatsurteil in BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der Dritte, der nicht durch eigene verfahrensrechtliche Initiativen auf eine Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Bescheids hinwirkt und typischerweise deshalb auch keine Kenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der Korrektur hat, mit Ablauf der ihn betreffenden Festsetzungsfrist endgültig auf die Bestandskraft der ihm gegenüber erfolgten oder ggf. unterbliebenen Besteuerung vertrauen darf.

26

Wird der Dritte aber förmlich an dem vom bisherigen Steuerschuldner betriebenen Verfahren beteiligt, kann er dieses durch eigene Verfahrenserklärungen beeinflussen. In diesem Fall ist eine Durchbrechung der Bestandskraft auch ihm gegenüber außerhalb der allgemeinen Festsetzungsverjährung gerechtfertigt.

27

Eine schützenswerte Vertrauensposition ist dementsprechend ebenfalls nicht gegeben, wenn der Dritte bereits i.S. des § 174 Abs. 5 Satz 1 AO an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt war (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 1993 I R 20/93, BFHE 173, 184, BStBl II 1994, 327). Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn er Verfahrensbeteiligter i.S. des § 359 AO oder § 57 der Finanzgerichtsordnung (FGO) war, sondern auch dann, wenn er durch eigene verfahrensrechtliche Initiative auf die Aufhebung oder Änderung des Bescheides hingewirkt hat, z.B. indem er den entsprechenden Aufhebungs- oder Änderungsantrag gestellt hatte (BFH-Urteil vom 8. Februar 1995 I R 127/93, BFHE 177, 332, BStBl II 1995, 764).

28

Entscheidend ist letztlich der Zeitpunkt der erstmaligen Beteiligung des Dritten an dem Verfahren, das die angefochtenen fremden Bescheide zum Gegenstand hat. Um den Vertrauensschutz des Dritten zurückzudrängen, muss seine Beteiligung zu einem Zeitpunkt erfolgen, an dem ihm gegenüber noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Juli 2002 XI B 12/02, BFH/NV 2002, 1422). Ist dies der Fall, durchbricht § 174 Abs. 4 Satz 3 AO auch eine zwischenzeitlich gegenüber dem Dritten eingetretene Festsetzungsverjährung. Demzufolge ist seine Hinzuziehung oder Beiladung auch noch zu einem Zeitpunkt möglich, zu dem Festsetzungsverjährung bereits eingetreten ist. So muss das FG beispielsweise den Dritten auf Antrag des FA trotz zwischenzeitlicher Festsetzungsverjährung beiladen, wenn die Behörde den Dritten zuvor rechtzeitig zum Verfahren hinzugezogen hatte. Nichts anderes kann gelten, wenn sich der Dritte zu unverjährter Zeit "selbst beteiligt" hatte, sich in der Folge dann aber freiwillig aus dem Verfahren zurückgezogen hat.

29

bb) Wie das FG im Ergebnis zutreffend erkannt hat, war die Klägerin bereits vor ihrer Hinzuziehung als Einspruchsführerin (§ 359 AO) an dem Verfahren i.S. des § 174 Abs. 5 Satz 1 AO beteiligt. Damit konnte sie bis zur Rücknahme ihres Einspruchs das gegen den Änderungsbescheid 1998 gerichtete Rechtsbehelfsverfahren beeinflussen.

30

(1) Der erkennende Senat hat keine Zweifel daran, dass der von S eingelegte Einspruch nicht nur E, sondern auch die Klägerin betraf. Dies ergibt sich klar und eindeutig aus dem Einspruchsschreiben sowie den folgenden Schriftsätzen.

31

Legt ein Steuerberater im Namen der von ihm vertretenen Adressaten (hier: Eheleute ...) gegen einen --wie den Zusammenveranlagungsbescheid-- an mehrere Steuerpflichtige gerichteten Bescheid und unter Übernahme der dortigen Bezeichnung Einspruch ein, besteht regelmäßig kein Zweifel daran, dass der Einspruch für sämtliche Adressaten erhoben wird, wenn sich nicht aus den Umständen oder einem ausdrücklichen Vorbehalt das Gegenteil ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 7. September 1995 III R 111/89, BFH/NV 1996, 521).

32

Ein solcher Ausnahmefall liegt ersichtlich nicht vor. Insbesondere ergibt sich ein solcher nicht aus dem kurzen Hinweis, der Einspruch richte sich gegen den Ansatz des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf des Objekts D als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die im Änderungsbescheid zum Ausdruck gekommene Beurteilung des Sachverhalts durch das FA hatte nicht nur für E, sondern auch für die Klägerin Bedeutung. Sie widersprach ihrer eigenen Erklärung der Einkünfte aus dem Objekt D (Vermögensverwaltung und Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen) in gravierender Weise.

33

(2) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Würdigung des FG, S sei bei der Einlegung des Einspruchs nicht als vollmachtloser Vertreter für sie aufgetreten, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Aufgrund der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat deshalb bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO), hat der Senat keine Zweifel am Vorliegen einer echten Vollmacht.

34

Die Vollmachtserteilung kann durch einseitige, empfangsbedürftige Erklärung gegenüber dem Bevollmächtigten oder gegenüber der Finanzbehörde geschehen. Sie muss nicht schriftlich erfolgen, sondern kann in jeder Form erteilt werden, selbst mündlich oder durch schlüssiges Handeln; erforderlich ist ein Verhalten des Beteiligten, das von einem objektiven, mit allen konkreten Umständen vertrauten Beobachter als Erklärung gewertet werden müsste, dass eine Verfahrensvollmacht erteilt werden soll (Rüsken in Beermann/Gosch, AO § 80 Rz 37).

35

Geben zusammenveranlagte Ehegatten (§ 26b EStG) eine gemeinsame, von jedem unterschriebene Einkommensteuererklärung ab, die nach dem von beiden bekundeten Willen das Besteuerungsverfahren in Gang setzen soll, so liegt schon darin in der Regel die stillschweigende Vollmacht, dass jeder von ihnen auch die im Verlauf dieses Besteuerungsverfahrens und des sich ggf. daran anschließenden Rechtsbehelfsverfahrens vorzunehmenden Handlungen mit Wirkung für den anderen Ehegatten vornehmen darf (BFH-Urteile vom 13. August 1970 IV 48/65, BFHE 100, 171, BStBl II 1970, 839; vom 9. November 1983 I R 200/79, nicht veröffentlicht; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 80 AO Rz 84; Schmidt/Seeger, EStG, 32. Aufl., § 26b Rz 16; a.A. Blümich/Ettlich, § 26b EStG Rz 44).

36

Ob dieser Rechtsprechung, nach der allein die Unterschrift der gemeinsamen Einkommensteuererklärung die stillschweigende gegenseitige Bevollmächtigung für ein sich anschließendes Einspruchsverfahren enthalten soll, zu folgen ist, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Vorliegend besteht aufgrund der von der Klägerin und E jahrelang geübten Praxis, nach der grundsätzlich nur E dem gemeinsamen Steuerberater die für die Wahrung ihrer beider steuerlichen Interessen erforderlichen Aufträge erteilte, kein Zweifel, dass er aus Sicht der Klägerin hierzu von ihr --zumindest stillschweigend-- bevollmächtigt war. Infolgedessen konnte ES beauftragen, (auch) für die Klägerin tätig zu werden.

37

Unstreitig hat S nicht nur die gemeinsame Einkommensteuerklärung der Eheleute für das Streitjahr vorbereitet, sondern --wie von ihm selbst bestätigt-- auch darüber hinaus "die Interessenvertretung der Eheleute ... in steuerlichen Angelegenheiten" übernommen. In seinem Schreiben vom 27. Januar 2010 räumt S ein, grundsätzlich seien alle Aufträge in steuerlichen Angelegenheiten über E gelaufen. Von einem Auftrags- und demzufolge Vollmachtsverhältnis zwischen S und E für die Einspruchseinlegung betreffend den geänderten Einkommensteuerbescheid 1998 geht deshalb auch die Klägerin aus.

38

Der Umstand, dass der Kontakt zu S --wie üblich-- hierbei allein über E lief, bedeutet indes nicht, der Auftrag habe S nicht auch zur Einspruchseinlegung zugunsten der Klägerin bevollmächtigt.

39

Die Einlegung des Einspruchs unter Bezeichnung des E und der Klägerin sowie der weitere Verlauf des Rechtsbehelfsverfahrens bis zur Rücknahme des Einspruchs der Klägerin durch die Prozessbevollmächtigten zeigen unmissverständlich, dass S seinen Auftrag auch tatsächlich als "Einspruch für die Eheleute" verstanden und dies in der Folge entsprechend gegenüber den Prozessbevollmächtigten kommuniziert hat.

40

Wären sich die Eheleute tatsächlich --wie die Klägerin nun glauben machen möchte-- von Anfang an darüber einig gewesen, dass --aus welchen Gründen auch immer-- allein E Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid einlegen sollte, ist nicht zu erklären, warum nicht eine umgehende Klarstellung erfolgte. Denn auch das FA ging ersichtlich von einem Einspruch "für Eheleute ..." aus. Wenn die Klägerin nun den Eindruck zu vermitteln versucht, zunächst der generell auch für sie als steuerlicher Berater tätige S und im weiteren Verlauf ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten hätten über die Dauer von mehr als vier Jahren ein Einspruchsverfahren für sie als vollmachtlose Vertreter geführt, erachtet der Senat dies unter den gegebenen Umständen als unglaubhaft.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Beteiligte am Verfahren sind:

1.
wer den Einspruch eingelegt hat (Einspruchsführer),
2.
wer zum Verfahren hinzugezogen worden ist.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1) Steuerbescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Sie müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet. Ihnen ist außerdem eine Belehrung darüber beizufügen, welcher Rechtsbehelf zulässig ist und binnen welcher Frist und bei welcher Behörde er einzulegen ist.

(2) Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bildet einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids, soweit die Besteuerungsgrundlagen nicht gesondert festgestellt werden.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im Streitjahr 1998 mit ihrem Ehemann (E) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Sie ist kirchensteuerpflichtig. In der im Jahr 1999 abgegebenen gemeinsamen Einkommensteuererklärung erklärte sie im Zusammenhang mit dem Objekt D einen Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen im Rahmen ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

2

Im Zuge einer bei den Eheleuten durchgeführten Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, der Gewinn aus dem Erwerb, der Bebauung sowie der Vermarktung des Objekts D in Höhe von gut 2 Mio. DM sei E als Teil eines gewerblichen Grundstückshandels zuzurechnen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) schloss sich der Ansicht des Prüfers an und erließ einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid.

3

Gegen diesen Bescheid legte Steuerberater (S) unter Angabe der gemeinsamen Steuernummer und der Nennung beider Namen im Briefkopf für die Eheleute Einspruch ein. Ergänzend führte er aus, der Einspruch richte sich gegen den Ansatz des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf des Objekts D als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Auf die Aufforderung des FA, den "für Eheleute ..." eingelegten Einspruch zu begründen, zeigten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zunächst an, "die Eheleute ... hätten sie mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen beauftragt" und begründeten kurz darauf den "Einspruch vom 25.09.2003 der Eheleute ...". Dabei bestätigten sie noch einmal, mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen "der Eheleute ..." beauftragt zu sein. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, die Einkünfte im Zusammenhang mit dem Objekt D habe die Klägerin erzielt und dabei die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten. Das FA hielt in Abstimmung mit dem Außenprüfer zunächst an seiner gegenteiligen Auffassung fest. In einer späteren Stellungnahme führte es aus, zwar seien die im Zusammenhang mit dem Objekt D erzielten Einkünfte --wie erklärt-- der Klägerin zuzurechnen. Allerdings führe der Verkauf bei Würdigung aller Umstände gleichwohl zu einem gewerblichen Grundstückshandel. Eine einkommensteuerliche Auswirkung der abweichenden Zurechnung der Einkünfte ergebe sich nicht.

4

Die Prozessbevollmächtigten erklärten daraufhin im April 2007: "Namens und in Vollmacht von Frau nehmen wir den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 05.09.2003 zurück." Das Einspruchsverfahren des E werde fortgeführt.

5

Nach Anhörung der Eheleute zog das FA die Klägerin mit Bescheid vom 10. Oktober 2007 zum Rechtsbehelfsverfahren des E hinzu. Seine Entscheidung stützte es auf § 174 Abs. 5 und § 360 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).

6

Gegen die Hinzuziehung wandte sich die Klägerin mit der Begründung, diese sei rechtswidrig, da durch die Rücknahme ihres Einspruchs die Einkommensteuerfestsetzung 1998 ihr gegenüber bestandskräftig geworden und im Übrigen auch Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Nach Eintritt der Festsetzungsverjährung sei eine Hinzuziehung nicht mehr zulässig. Ihr Einspruch blieb erfolglos.

7

Zur Begründung ihrer Klage berief sich die Klägerin ergänzend darauf, sie sei am Einspruchsverfahren ihres Ehemannes nie beteiligt gewesen, da sie selber keinen Einspruch erhoben und auch den steuerlichen Berater nicht entsprechend beauftragt habe. Dieser habe nur im Namen und in Vollmacht des E gehandelt. Die "Rücknahme" ihres Einspruchs habe sie nur vorsorglich erklärt, um klar zu stellen, dass sie nicht verfahrensrechtlich am Einspruchsverfahren beteiligt gewesen sei.

8

Das Finanzgericht (FG) wies die auf Aufhebung der Hinzuziehung gerichtete Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1048 veröffentlichten Gründen ab. Die Hinzuziehung der Klägerin zum Einspruchsverfahren des E sei nach § 174 Abs. 5 AO rechtmäßig.

9

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie ist der Ansicht, eine Hinzuziehung zum Einspruchsverfahren des E komme nicht in Betracht, weil ihr gegenüber zu diesem Zeitpunkt bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei. Da sie entgegen der Beurteilung durch das FG nicht am Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteueränderungsbescheid 1998 beteiligt gewesen sei, liege auch kein Ausnahmefall vor. Letztlich sei bei zusammenveranlagten Ehegatten bereits der Anwendungsbereich des § 174 Abs. 5 AO nicht eröffnet, weil der jeweils andere Ehegatte im Zusammenveranlagungsbescheid als Steuerschuldner benannt werde und daher nicht "Dritter" sei.

10

Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil sowie den Hinzuziehungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

11

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist unbegründet. Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Hinzuziehung der Klägerin zum Einspruchsverfahren des E durch das FA rechtmäßig ist. Wegen ihrer zunächst gegebenen Stellung als Einspruchsführerin ist sie hinsichtlich einer möglichen Folgeänderung zu ihren Lasten nicht schutzwürdig.

13

1. Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden (§ 174 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AO). Werden die steuerlichen Folgen innerhalb eines Jahres gezogen, ist der Ablauf der Festsetzungsfrist unbeachtlich (§ 174 Abs. 4 Satz 3 AO). Dies gilt auch gegenüber Dritten, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides geführt hat, beteiligt waren (§ 174 Abs. 5 Satz 1 AO). Ihre Hinzuziehung zu diesem Verfahren ist zulässig (§ 174 Abs. 5 Satz 2 AO).

14

2. Die Anordnung der Hinzuziehung durch das FA nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO setzt danach voraus, dass ein Steuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben oder zu ändern ist und dass hieraus möglicherweise steuerrechtliche Folgerungen für einen Dritten durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides gezogen werden können.

15

Darüber hinaus setzt die Anwendung des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO dem Dritten gegenüber grundsätzlich voraus, dass dieser vor Ablauf der Festsetzungsfrist hinzugezogen oder beigeladen worden ist (vgl. z.B. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Mai 1993 X R 111/91, BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817; vom 11. März 2002 IX B 116/01, BFH/NV 2002, 895). Hinzuziehung und Beiladung kommen nur dann nicht in Betracht, wenn die Interessen Dritter durch den Ausgang des anhängigen Rechtsstreits eindeutig nicht berührt sein können (vgl. zur Beiladung BFH-Beschluss vom 15. Oktober 2010 III B 149/09, BFH/NV 2011, 404, m.w.N.).

16

Indes ist im Hinzuziehungsverfahren wie auch im Beiladungsverfahren noch nicht abschließend zu prüfen, ob die übrigen formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Änderung des Steuerbescheides vorliegen; denn die Hinzuziehung darf die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen (zur Beiladung im FG-Verfahren vgl. BFH-Beschluss vom 7. April 2003 III B 127/02, BFH/NV 2003, 887). Die Hinzuziehung dient vielmehr lediglich der frühzeitigen Beteiligung aller Betroffenen und damit der richtigen Besteuerung (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1997 III R 300/94, BFH/NV 1997, 659, m.w.N.). Danach reicht es auch für eine Hinzuziehung gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO aus, dass sich bei einem Erfolg des Einspruchs eine Folgeänderung i.S. des § 174 Abs. 4 und 5 AO ergeben kann. Hingegen ist nicht zu prüfen, ob eine etwaige Folgeänderung Bestand hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 4. März 1998 V B 3/98, BFH/NV 1998, 1056).

17

3. Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze hat das FG die Hinzuziehung der Klägerin zu dem Einspruchsverfahren des E durch das FA im Ergebnis zutreffend als rechtmäßig angesehen.

18

a) Bei der Vorschrift des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO handelt es sich um eine gegenüber den Tatbeständen der Absätze 1 bis 3 eigenständige Änderungsnorm, die nicht auf die Fälle der alternativen Erfassung eines bestimmten Sachverhalts beschränkt ist (z.B. BFH-Urteil vom 24. November 1987 IX R 158/83, BFHE 152, 203, BStBl II 1988, 404). Auch eine rechtliche Abhängigkeit der "Folgeänderung" wird in § 174 Abs. 4 Satz 1 AO nicht vorausgesetzt (BFH-Beschluss vom 20. April 1989 V B 153/88, BFHE 156, 389, BStBl II 1989, 539). Nach dem Wortlaut des § 174 Abs. 4 und 5 AO genügt es vielmehr, dass ein und derselbe Sachverhalt sowohl bei dem Steuerpflichtigen als auch bei dem Dritten erfasst und dabei irrig beurteilt worden ist. Nach einer Richtigstellung der rechtlichen Beurteilung zugunsten des einen Steuerpflichtigen kann damit korrespondierend aus demselben einheitlichen Lebenssachverhalt die rechtliche Folgerung auch bei dem anderen Steuerpflichtigen im Wege der Änderung seiner bestandskräftigen Steuerfestsetzung gezogen werden (BFH-Urteil in BFHE 152, 203, BStBl II 1988, 404). Eine Folgeänderung in diesem Sinn kommt z.B. in Betracht, wenn, wie im Streitfall, die Frage streitig ist, wem (hier: der Klägerin oder E) ein bestimmter Gegenstand (hier: das Objekt D) und dementsprechend bestimmte Einkünfte zuzurechnen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 2. August 1990 III B 52/89, BFH/NV 1991, 16, unter II.2.b).

19

b) Im derzeit ruhenden Einspruchsverfahren des E gingen dieser und das FA zuletzt übereinstimmend davon aus, das Objekt D --und damit die Einkünfte hieraus-- sei der Klägerin zuzurechnen. Da der vom FA angesetzte Gewinn in Höhe von gut 2 Mio. DM in dem --gegenüber der Klägerin formell bestandskräftigen-- Einkommensteuerzusammenveranlagungsbescheid 1998 --wenn auch als gewerblicher Gewinn des E-- erfasst ist, hätte die anderweitige Zurechnung der Einkünfte zwar keine Auswirkungen auf die Höhe der Einkommensteuer. Sie hätte allerdings zum einen Auswirkung auf die allein von der Klägerin geschuldete Kirchensteuer als Annexsteuer. Zum anderen müsste gegenüber der Klägerin erstmalig ein Gewerbesteuermessbetragsbescheid erlassen werden.

20

c) Die Klägerin ist auch Dritte i.S. des § 174 Abs. 5 AO. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die möglichen Folgen des Rechtsbehelfsverfahrens nicht auf die Einkommensteuer beschränkt sind, sondern sich die Zuordnung und Qualifikation der Einkünfte aus dem Objekt D auch auf andere Steuerarten (hier: römisch-katholische Kirchensteuer, Gewerbesteuer) auswirken kann.

21

aa) Für eine Hinzuziehung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 AO reicht es aus, dass möglicherweise aus einem einheitlichen Lebensvorgang steuerrechtliche Folgen für (irgend-)eine Steuer sowohl beim Steuerpflichtigen als auch bei dem Dritten zu ziehen sind. Ein und derselbe Sachverhalt soll nach § 174 Abs. 4 und 5 AO bei beiden deckungsgleich --sei es mit denselben oder mit unterschiedlichen Rechtsfolgen-- beurteilt werden können (z.B. BFH-Beschluss vom 2. Dezember 1999 II B 17/99, BFH/NV 2000, 679; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 174 Rz 56-58).

22

bb) Im Übrigen ist das FG auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Umstand der Zusammenveranlagung der Ehegatten einer Hinzuziehung der Klägerin zu dem Einspruchsverfahren des E nicht entgegensteht. § 26b des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) bestimmt, dass bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtige behandelt werden. Aufgrund dieser Zusammenveranlagung sind die Ehegatten Gesamtschuldner der Einkommensteuer (§ 44 Abs. 1 AO). Für den Fall, dass mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner schulden, ermöglicht das Gesetz gemäß § 155 Abs. 3 Satz 1 AO, den Erlass zusammengefasster Steuerbescheide. Ein in der Form des § 155 Abs. 3 Satz 1 AO ergangener Zusammenveranlagungsbescheid enthält zwei inhaltlich und verfahrensrechtlich selbständige, nur der äußeren Form nach zusammengefasste Verwaltungsakte, die ein unterschiedliches (verfahrens-)recht-liches Schicksal haben können (BFH-Urteil vom 24. April 1986 IV R 82/84, BFHE 146, 358, BStBl II 1986, 545). Verfahrensrechtlich sind die zusammenveranlagten Ehegatten zwei Steuerschuldner (Klein/Rüsken, a.a.O., § 155 Rz 45), folglich auch Dritte im Hinblick auf § 174 Abs. 5 AO.

23

d) Anders als die Klägerin meint, war ihre Hinzuziehung im Zeitpunkt des Bescheids am 10. Oktober 2007 noch möglich.

24

aa) Grundsätzlich ist der Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden.

25

Gegenüber einem Dritten sieht die Rechtsprechung die darin liegende Zurückdrängung des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zugunsten der Rechtsrichtigkeit in Einengung des reinen Gesetzeswortlauts grundsätzlich nur dann als gerechtfertigt an, wenn dieser vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die gegen ihn gerichteten steuerlichen Ansprüche hinzugezogen oder beigeladen wird (ständige Rechtsprechung, vgl. grundlegend Senatsurteil in BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der Dritte, der nicht durch eigene verfahrensrechtliche Initiativen auf eine Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Bescheids hinwirkt und typischerweise deshalb auch keine Kenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der Korrektur hat, mit Ablauf der ihn betreffenden Festsetzungsfrist endgültig auf die Bestandskraft der ihm gegenüber erfolgten oder ggf. unterbliebenen Besteuerung vertrauen darf.

26

Wird der Dritte aber förmlich an dem vom bisherigen Steuerschuldner betriebenen Verfahren beteiligt, kann er dieses durch eigene Verfahrenserklärungen beeinflussen. In diesem Fall ist eine Durchbrechung der Bestandskraft auch ihm gegenüber außerhalb der allgemeinen Festsetzungsverjährung gerechtfertigt.

27

Eine schützenswerte Vertrauensposition ist dementsprechend ebenfalls nicht gegeben, wenn der Dritte bereits i.S. des § 174 Abs. 5 Satz 1 AO an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt war (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 1993 I R 20/93, BFHE 173, 184, BStBl II 1994, 327). Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn er Verfahrensbeteiligter i.S. des § 359 AO oder § 57 der Finanzgerichtsordnung (FGO) war, sondern auch dann, wenn er durch eigene verfahrensrechtliche Initiative auf die Aufhebung oder Änderung des Bescheides hingewirkt hat, z.B. indem er den entsprechenden Aufhebungs- oder Änderungsantrag gestellt hatte (BFH-Urteil vom 8. Februar 1995 I R 127/93, BFHE 177, 332, BStBl II 1995, 764).

28

Entscheidend ist letztlich der Zeitpunkt der erstmaligen Beteiligung des Dritten an dem Verfahren, das die angefochtenen fremden Bescheide zum Gegenstand hat. Um den Vertrauensschutz des Dritten zurückzudrängen, muss seine Beteiligung zu einem Zeitpunkt erfolgen, an dem ihm gegenüber noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Juli 2002 XI B 12/02, BFH/NV 2002, 1422). Ist dies der Fall, durchbricht § 174 Abs. 4 Satz 3 AO auch eine zwischenzeitlich gegenüber dem Dritten eingetretene Festsetzungsverjährung. Demzufolge ist seine Hinzuziehung oder Beiladung auch noch zu einem Zeitpunkt möglich, zu dem Festsetzungsverjährung bereits eingetreten ist. So muss das FG beispielsweise den Dritten auf Antrag des FA trotz zwischenzeitlicher Festsetzungsverjährung beiladen, wenn die Behörde den Dritten zuvor rechtzeitig zum Verfahren hinzugezogen hatte. Nichts anderes kann gelten, wenn sich der Dritte zu unverjährter Zeit "selbst beteiligt" hatte, sich in der Folge dann aber freiwillig aus dem Verfahren zurückgezogen hat.

29

bb) Wie das FG im Ergebnis zutreffend erkannt hat, war die Klägerin bereits vor ihrer Hinzuziehung als Einspruchsführerin (§ 359 AO) an dem Verfahren i.S. des § 174 Abs. 5 Satz 1 AO beteiligt. Damit konnte sie bis zur Rücknahme ihres Einspruchs das gegen den Änderungsbescheid 1998 gerichtete Rechtsbehelfsverfahren beeinflussen.

30

(1) Der erkennende Senat hat keine Zweifel daran, dass der von S eingelegte Einspruch nicht nur E, sondern auch die Klägerin betraf. Dies ergibt sich klar und eindeutig aus dem Einspruchsschreiben sowie den folgenden Schriftsätzen.

31

Legt ein Steuerberater im Namen der von ihm vertretenen Adressaten (hier: Eheleute ...) gegen einen --wie den Zusammenveranlagungsbescheid-- an mehrere Steuerpflichtige gerichteten Bescheid und unter Übernahme der dortigen Bezeichnung Einspruch ein, besteht regelmäßig kein Zweifel daran, dass der Einspruch für sämtliche Adressaten erhoben wird, wenn sich nicht aus den Umständen oder einem ausdrücklichen Vorbehalt das Gegenteil ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 7. September 1995 III R 111/89, BFH/NV 1996, 521).

32

Ein solcher Ausnahmefall liegt ersichtlich nicht vor. Insbesondere ergibt sich ein solcher nicht aus dem kurzen Hinweis, der Einspruch richte sich gegen den Ansatz des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf des Objekts D als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die im Änderungsbescheid zum Ausdruck gekommene Beurteilung des Sachverhalts durch das FA hatte nicht nur für E, sondern auch für die Klägerin Bedeutung. Sie widersprach ihrer eigenen Erklärung der Einkünfte aus dem Objekt D (Vermögensverwaltung und Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen) in gravierender Weise.

33

(2) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Würdigung des FG, S sei bei der Einlegung des Einspruchs nicht als vollmachtloser Vertreter für sie aufgetreten, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Aufgrund der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat deshalb bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO), hat der Senat keine Zweifel am Vorliegen einer echten Vollmacht.

34

Die Vollmachtserteilung kann durch einseitige, empfangsbedürftige Erklärung gegenüber dem Bevollmächtigten oder gegenüber der Finanzbehörde geschehen. Sie muss nicht schriftlich erfolgen, sondern kann in jeder Form erteilt werden, selbst mündlich oder durch schlüssiges Handeln; erforderlich ist ein Verhalten des Beteiligten, das von einem objektiven, mit allen konkreten Umständen vertrauten Beobachter als Erklärung gewertet werden müsste, dass eine Verfahrensvollmacht erteilt werden soll (Rüsken in Beermann/Gosch, AO § 80 Rz 37).

35

Geben zusammenveranlagte Ehegatten (§ 26b EStG) eine gemeinsame, von jedem unterschriebene Einkommensteuererklärung ab, die nach dem von beiden bekundeten Willen das Besteuerungsverfahren in Gang setzen soll, so liegt schon darin in der Regel die stillschweigende Vollmacht, dass jeder von ihnen auch die im Verlauf dieses Besteuerungsverfahrens und des sich ggf. daran anschließenden Rechtsbehelfsverfahrens vorzunehmenden Handlungen mit Wirkung für den anderen Ehegatten vornehmen darf (BFH-Urteile vom 13. August 1970 IV 48/65, BFHE 100, 171, BStBl II 1970, 839; vom 9. November 1983 I R 200/79, nicht veröffentlicht; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 80 AO Rz 84; Schmidt/Seeger, EStG, 32. Aufl., § 26b Rz 16; a.A. Blümich/Ettlich, § 26b EStG Rz 44).

36

Ob dieser Rechtsprechung, nach der allein die Unterschrift der gemeinsamen Einkommensteuererklärung die stillschweigende gegenseitige Bevollmächtigung für ein sich anschließendes Einspruchsverfahren enthalten soll, zu folgen ist, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Vorliegend besteht aufgrund der von der Klägerin und E jahrelang geübten Praxis, nach der grundsätzlich nur E dem gemeinsamen Steuerberater die für die Wahrung ihrer beider steuerlichen Interessen erforderlichen Aufträge erteilte, kein Zweifel, dass er aus Sicht der Klägerin hierzu von ihr --zumindest stillschweigend-- bevollmächtigt war. Infolgedessen konnte ES beauftragen, (auch) für die Klägerin tätig zu werden.

37

Unstreitig hat S nicht nur die gemeinsame Einkommensteuerklärung der Eheleute für das Streitjahr vorbereitet, sondern --wie von ihm selbst bestätigt-- auch darüber hinaus "die Interessenvertretung der Eheleute ... in steuerlichen Angelegenheiten" übernommen. In seinem Schreiben vom 27. Januar 2010 räumt S ein, grundsätzlich seien alle Aufträge in steuerlichen Angelegenheiten über E gelaufen. Von einem Auftrags- und demzufolge Vollmachtsverhältnis zwischen S und E für die Einspruchseinlegung betreffend den geänderten Einkommensteuerbescheid 1998 geht deshalb auch die Klägerin aus.

38

Der Umstand, dass der Kontakt zu S --wie üblich-- hierbei allein über E lief, bedeutet indes nicht, der Auftrag habe S nicht auch zur Einspruchseinlegung zugunsten der Klägerin bevollmächtigt.

39

Die Einlegung des Einspruchs unter Bezeichnung des E und der Klägerin sowie der weitere Verlauf des Rechtsbehelfsverfahrens bis zur Rücknahme des Einspruchs der Klägerin durch die Prozessbevollmächtigten zeigen unmissverständlich, dass S seinen Auftrag auch tatsächlich als "Einspruch für die Eheleute" verstanden und dies in der Folge entsprechend gegenüber den Prozessbevollmächtigten kommuniziert hat.

40

Wären sich die Eheleute tatsächlich --wie die Klägerin nun glauben machen möchte-- von Anfang an darüber einig gewesen, dass --aus welchen Gründen auch immer-- allein E Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid einlegen sollte, ist nicht zu erklären, warum nicht eine umgehende Klarstellung erfolgte. Denn auch das FA ging ersichtlich von einem Einspruch "für Eheleute ..." aus. Wenn die Klägerin nun den Eindruck zu vermitteln versucht, zunächst der generell auch für sie als steuerlicher Berater tätige S und im weiteren Verlauf ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten hätten über die Dauer von mehr als vier Jahren ein Einspruchsverfahren für sie als vollmachtlose Vertreter geführt, erachtet der Senat dies unter den gegebenen Umständen als unglaubhaft.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.