Finanzgericht München Urteil, 04. Feb. 2016 - 14 K 485/13

bei uns veröffentlicht am04.02.2016

Gericht

Finanzgericht München

Gründe

Finanzgericht München

Az.: 14 K 485/13

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

Stichwort: Schwarzarbeitsbekämpfung

In der Streitsache

...

Klägerin

gegen

Hauptzollamt ...

Beklagter

wegen ....

Prüfungsverfügung nach § 2 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht, die Richterin am Finanzgericht ... und den Richter am Finanzgericht ..., sowie die ehrenamtlichen Richter ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom

04. Februar 2016

für Recht erkannt:

1. Die Prüfungsverfügung vom 11. Juli 2012 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 28. November 2012 werden insoweit aufgehoben, als die Prüfung für die Jahre 2009 und 2010 angeordnet wurde. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.bundesfinanzhof.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.

Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/92 31-201.

Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs über die Zulassung der Revision ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des vierten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsverfügung.

Die Klägerin meldete am 02. September 2011 unter der Bezeichnung „Haushaltsnahe Dienstleistungen“ ein Gewerbe in der Gemeinde R. an. Nachdem eine telefonische Terminvereinbarung mit ihr gescheitert war, ordnete der Beklagte (das Hauptzollamt - HZA) mit Verfügung vom 11. Juli 2012 die Durchführung einer Prüfung nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) an. Im Begleitschreiben vom 11. Juli 2012 sind als Prüfungszeitraum die Jahre 2009 bis laufend und der Prüfungstermin 26. Juli 2012 genannt. Gleichzeitig bat das HZA um Kontaktaufnahme, falls die Klägerin den geplanten Termin nicht wahrnehmen könne.

Mit Schreiben vom 18. Juli 2012 legte die Klägerin gegen die Prüfungsverfügung Einspruch ein. In seiner Eingangsbestätigung vom 01. August 2012 wies das HZA darauf hin, dass der Einspruch keine aufschiebende Wirkung habe und der Durchführung der Prüfung, die nunmehr für den 04. September 2012 vorgesehen sei, nicht entgegenstehe. Die Klägerin erhielt erneut Gelegenheit, ggf. einen anderen Termin vorzuschlagen. Die angeordnete Prüfung wurde bislang nicht durchgeführt.

Mit Einspruchsentscheidung vom 28. November 2012, die der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 04. Dezember 2012 zugestellt wurde, wies das HZA den Einspruch als unbegründet zurück.

Ihre am 04. Januar 2013 beim HZA und am 20. Februar 2013 beim Finanzgericht eingegangene Klage begründet die Klägerin im Wesentlichen damit, dass sie gemäß § 5 Abs. 1 SchwarzArbG nicht zur Duldung der angeordneten Prüfung verpflichtet sei. Die dort geregelten Duldungs- und Mitwirkungspflichten träfen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Auftraggeber sowie Dritte, die bei einer Prüfung angetroffen würden. Sie gehöre nicht zu dem abschließend aufgezählten Personenkreis. Die Norm sei eindeutig und könne nicht zu ihren Lasten ausgelegt werden. Es widerspreche dem Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage und dem Bestimmtheitsgebot der Strafgesetze, wenn sich erst durch eine durchgeführte Maßnahme herausstellen könne bzw. solle, dass diese gerechtfertigt gewesen sei. Müsse ihr Status durch die angeordnete Maßnahme erst festgestellt werden, würde die Normierung des Adressatenkreises ihre Geltung verlieren; dies würde wiederum bedeuten, dass jeder Bürger uneingeschränkt eine solche Maßnahme dulden müsse. Eben dies wolle die abschließende Aufzählung der Duldungspflichtigen in § 5 Abs. 1 SchwarzArbG verhindern.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Prüfungsverfügung vom 11. Juli 2012 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 28. November 2012 aufzuheben.

Das HZA beantragt unter Verweis auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung, die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die eingereichten Schriftsätze, auf die vorgelegten Unterlagen und auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 04. Februar 2016 verwiesen.

II.

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

1. Die Klage gilt als fristgerecht erhoben, obwohl sie erst am 20. Februar 2013 und damit nach Ablauf der Monatsfrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bei Gericht eingegangen ist. Im Streitfall begann die Klagefrist mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung am 04. Dezember 2012 und endete einen Monat später am 04. Januar 2013. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO gilt die Klagefrist jedoch als gewahrt, wenn die Klage - wie hier - innerhalb der Monatsfrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt (hier: Prüfungsverfügung vom 11. Juli 2012) erlassen hat, angebracht wird.

2. Die streitgegenständliche Verfügung setzt sich zusammen aus dem Schreiben vom 11. Juli 2012 und der beigefügten mit „Prüfungsverfügung“ überschriebenen Anlage. Beide Schriftstücke bilden zusammen den Verwaltungsakt, der auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Februar 2008 II B 79/07, BFH/NV 2008, 1102).

Weil das HZA die von ihm angeordnete Prüfung bislang nicht durchgeführt hat, die Prüfungsverfügung also noch nicht vollzogen wurde, ist sie weiterhin wirksam und anfechtbar. Sie hat sich insbesondere nicht dadurch erledigt, dass der im Begleitschreiben vorgesehene Prüfungstermin längst verstrichen ist. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das HZA den Prüfungstermin verbindlich anordnen wollte. Vielmehr handelte sich um einen bloßen Terminvorschlag der Behörde ohne eigenständigen Regelungsgehalt. Dies ergibt sich nicht nur aus dem zuvor gescheiterten Versuch einer telefonischen Terminvereinbarung, sondern auch aus der schriftlich an die Klägerin gerichteten Bitte um Kontaktaufnahme, falls sie den geplanten Termin nicht wahrnehmen könne. In seinem Schreiben vom 01. August 2012 unterbreitete das HZA überdies einen neuen Terminvorschlag und bat die Klägerin erneut, ggf. einen anderen Termin vorzuschlagen.

Die Prüfungsverfügung hat sich auch nicht deshalb erledigt, weil die Klägerin ihre betriebliche Tätigkeit in R. aufgegeben hat und inzwischen nach N. verzogen ist. Denn für die Prüfung der Rechtmäßigkeit ist auf die Verhältnisse im Prüfungszeitraum und im Zeitpunkt der Anordnung der Prüfung abzustellen. Die für einen vergangenen Zeitraum angeordnete Prüfung kann auch dann noch vollzogen werden, wenn sich die Verhältnisse zwischenzeitlich geändert haben.

3. Die angefochtene Prüfungsverfügung ist rechtswidrig, soweit sich die angeordnete Prüfung auf die Jahre 2009 und 2010 erstreckt. Im Übrigen ist sie nicht zu beanstanden.

a) Prüfungsanordnungen nach dem SchwarzArbG ergehen auf der Grundlage des § 2 SchwarzArbG, der zwar nicht ausdrücklich zum Erlass einer solchen ermächtigt, aber die Prüfungsaufgaben der Zollverwaltung im Einzelnen auflistet und damit die Möglichkeit, eine solche Prüfung anzuordnen, gleichsam voraussetzt (Urteil des FG Hamburgvom 22. Juni 2012 4 K 46/12, Praxis Steuerstrafrecht - PStR - 2012, 263).

Im Streitfall ist die Anordnung der Prüfung grundsätzlich zulässig, weil sie der Erfüllung der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SchwarzArbG genannten Aufgaben dient.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SchwarzArbG prüfen die Behörden der Zollverwaltung u.a., ob aufgrund von Dienst- oder Werkleistungen Sozialleistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II - Grundsicherung für Arbeitssuchende - und SGB III - Arbeitsförderung) oder Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz zu Unrecht bezogen wurden.

Die Anordnung einer Prüfung setzt nicht voraus, dass ein konkreter Verdacht für einen Leistungsmissbrauch besteht. Vielmehr lässt § 2 SchwarzArbG grundsätzlich auch verdachtsunabhängige Kontrollen zu (Urteil des FG Hamburg in PStR 2012, 263). Dies bedeutet allerdings nicht, dass Prüfungen ohne jeden Anlass, gleichsam „ins Blaue hinein“ angeordnet werden dürfen. Es genügt aber, wenn nach den allgemeinen Erfahrungen der Zollbehörden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass z.B. Sozialleistungen im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen zu Unrecht bezogen worden sein könnten.

Dies ist vorliegend der Fall. Denn die Klägerin bot ab September 2011 haushaltsnahe Dienstleistungen an. Bei derartigen Tätigkeiten im häuslichen Bereich besteht nach allgemeiner Erfahrung ein erhöhtes Risiko von Schwarzarbeit, illegaler Beschäftigung und Leistungsmissbrauch (z.B. durch das Tätigwerden von Leistungsempfängern unter Verstoß gegen deren Pflicht, solche Tätigkeiten dem Sozialleistungsträger mitzuteilen).

b) Das HZA durfte die Prüfungsverfügung an die Klägerin richten.

Die Prüfungsverfügung konkretisiert für den Adressaten die allgemeine Pflicht, die Kontrolle durch das HZA zu dulden. Einzelne konkrete Duldungs- und Mitwirkungspflichten ergeben sich aus §§ 3 bis 5 SchwarzArbG. Während der Kreis der Duldungs- und Mitwirkungspflichtigen in den letztgenannten Vorschriften ausdrücklich genannt ist, fehlt in der Prüfungsermächtigung in § 2 SchwarzArbG eine entsprechende ausdrückliche Regelung der möglichen Prüfungssubjekte.

Aus der Gesamtschau der Regelungen im zweiten Abschnitt des SchwarzArbG ergibt sich jedoch, dass jedenfalls die dort ausdrücklich genannten duldungs- und mitwirkungspflichtigen Personen zum Kreis der möglichen Prüfungssubjekte gehören. Das bedeutet aber nicht, dass die rechtliche Qualifizierung etwa als Arbeitgeber oder Auftraggeber beim Erlass der Prüfungsverfügung bereits feststehen muss. Denn eine wirkungsvolle Bekämpfung der Schwarzarbeit ist nur dann möglich, wenn auch solche Sachverhalte überprüft werden können, bei denen die rechtlichen Verhältnisse noch unklar sind. Wären die Kontrollen auf bereits feststehende Sachverhalte beschränkt, könnten die Zollbehörden ihrem Prüfungsauftrag nicht gerecht werden. Denn eines der wesentlichen Merkmale von Schwarzarbeit ist, dass die zuständigen Stellen über die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Unklaren gelassen werden. Diese verborgenen Sachverhalte aufzudecken und die rechtlichen Verhältnisse aufzuklären ist gerade Aufgabe der Zollbehörden.

Das weite Verständnis der Prüfungsermächtigung verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen das Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit.

Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass der demokratisch legitimierte Parlamentsgesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen über Grundrechtseingriffe und deren Reichweite selbst trifft, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können. Außerdem soll sich der betroffene Bürger auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen können. Der Gesetzgeber hat deshalb Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs hinreichend bereichsspezifisch, präzise und normenklar festzulegen. Welche konkreten Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Ermächtigung zu stellen sind, richtet sich nach der Art und Schwere des Eingriffs (Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG vom 11. März 2008, BVerfGE 120, 378).

Ausgehend von diesen Grundsätzen genügt § 2 SchwarzArbG den Anforderungen an die Bestimmtheit. Die Prüfung mag für den Betroffenen lästig sein, sie ist aber in aller Regel nicht mit tiefgreifenden Grundrechtseingriffen verbunden. Die Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung sind deshalb erheblich geringer als dies bei Sanktionsnormen der Fall ist. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei den Kontrollen nach § 2 SchwarzArbG nicht um eine Maßnahme der Strafverfolgung (Urteil des FG Hamburg in PStR 2012, 263), bei denen sich eine tatbestandserweiternde Gesetzesauslegung grundsätzlich verbietet. Die Prüfungen durch die Zollbehörden dienen vielmehr dem Zweck des SchwarzArbG, nämlich der Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit (§ 1 Abs. 1 SchwarzArbG), die hohe Einnahmeausfälle bei den Sozialkassen und dem Fiskus verursacht. Die Kontrollen sind ein Mittel zur umfassenden Aufklärung verheimlichter Sachverhalte; darüber hinaus haben sie eine präventive Wirkung. Ein anderes, weniger einschneidendes aber ebenso wirkungsvolles Mittel zur Aufdeckung oder Verhinderung von Schwarzarbeit steht dem Staat nicht zur Verfügung. Nur ein weites Verständnis der möglichen Prüfungssubjekte wird diesen Zwecken gerecht.

Die Ausweitung des Kreises der Prüfungssubjekte auf potentielle Arbeitgeber oder Auftraggeber erlaubt es allerdings nicht, eine Prüfung einzig zu dem Zweck durchzuführen, die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse einer beliebigen Person auszuforschen. Vielmehr müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die zu prüfende Person z.B. als Arbeitgeber oder Auftraggeber in Betracht kommt (so auch für den Bereich der Betriebsprüfung: BFH-Beschluss vom 21. März 1997 IV B 62/96, BFH/NV 1997, 633). Sollten sich diese Anhaltspunkte im Verlaufe der Prüfung nicht bestätigen, muss die Prüfung abgebrochen werden.

Im Streitfall gibt die Anmeldung eines Gewerbes im Bereich „Haushaltsnahe Dienstleistungen“ einen hinreichenden Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin möglicherweise weitere Personen zur Erbringung der von ihr angebotenen Dienst- und Werkleistungen eingesetzt hat. Ob dies tatsächlich der Fall war, ist Gegenstand der Prüfung.

c) Ob, wann und in welchem Umfang eine an sich zulässige Prüfung durchgeführt wird, steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des HZA.

Nach den Regelungen im SchwarzArbG ist es nicht zwingend erforderlich, dass das HZA den Prüfungszeitraum in der Prüfungsverfügung bestimmt (Urteil des FG Münster vom 12. Februar 2014 6 K 2434/13 AO, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2014, 864). Gleichwohl hält der Senat entsprechende Angaben in der Prüfungsverfügung für zweckdienlich, weil sie die Rechte und Pflichten der Zollbehörde und des Prüfungsadressaten im Rahmen des Prüfungsverfahrens konkretisieren und dem Betroffenen ermöglichen, sich entsprechend auf die - im Streitfall von der Behörde im Voraus angekündigte - Prüfung vorzubereiten.

Enthält die Prüfungsverfügung - wie im Streitfall - eine Bestimmung des Prüfungszeitraums, ist diese auch Gegenstand der gerichtlichen Prüfung. Weil es sich dabei um eine behördliche Ermessensentscheidung handelt, ist die Überprüfung jedoch gemäß § 102 Satz 1 FGO im Wesentlichen darauf beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob das HZA von seinem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also das Übermaßverbot und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat. Dabei ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung (BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507).

Das HZA ist bei der Festlegung des Prüfungszeitraums zwar grundsätzlich nicht auf ein einziges Prüfungsjahr beschränkt; es dürfen aber auch nicht beliebig viele Jahre in die Prüfung einbezogen werden. Eine solche Anordnung würde gegen das Übermaßverbot verstoßen. Einen sachgerechten Maßstab für die Bestimmung des zeitlichen Umfangs der Kontrollen sieht der Senat im konkreten Prüfungsbedürfnis. Eine solches besteht für Zeiträume, in denen im konkreten Einzelfall nach den allgemeinen Erfahrungen der Zollbehörden Verstöße i. S. des SchwarzArbG vorliegen könnten.

Im Streitfall hat das HZA das Prüfungsbedürfnis mit der im Jahr 2011 angemeldeten gewerblichen Tätigkeit der Klägerin begründet. Für die Jahre 2009 und 2010 dagegen sind weder in der Prüfungsverfügung noch in der Einspruchsentscheidung vom 28. November 2012 Anhaltspunkte genannt, aus denen sich ein Prüfungsbedürfnis ableiten ließe. Sonstige Erwägungen, die das HZA seiner Entscheidung, die Prüfung bereits ab dem Jahr 2009 durchzuführen, zugrunde gelegt hat, sind nicht erkennbar. Die Anordnung einer Prüfung für die Jahre 2009 und 2010 ist deshalb ermessensfehlerhaft.

Die teilweise Aufhebung der Prüfungsverfügung (soweit sie die Jahre 2009 und 2010 betrifft) bedeutet aber nicht, dass das HZA den Prüfungszeitraum nicht nachträglich erweitern dürfte. Ergeben sich z.B. während der Prüfung Anhaltspunkte für frühere Verstöße i. S. des SchwarzArbG, können die Kontrollmaßnahmen über den in der Prüfungsverfügung angegebenen Umfang hinaus ausgedehnt werden. Die Erweiterung ist ein selbständiger Verwaltungsakt, der wiederum auf entsprechende Rechtsbehelfe hin überprüfbar ist.

Sonstige Ermessensfehler sind weder geltend gemacht noch nach Aktenlage ersichtlich.

d) Die Klägerin ist nach alledem verpflichtet, die angeordnete Prüfung zu dulden und die von ihr angeforderten Daten (Name, Vorname, Geburtsdatum, Anschrift aller für sie tätigen Personen sowie Beginn, Ende und ggf. Umfang der Tätigkeit und das daraus erzielte Entgelt) zur Verfügung zu stellen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FGO.

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(1) Arbeitgeber, tatsächlich oder scheinbar beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Auftraggeber von Dienst- oder Werkleistungen, tatsächlich oder scheinbar selbstständig tätige Personen und Dritte, die bei einer Prüfung nach § 2 Absatz 1 und 3 angetroffen werden, sowie Entleiher, die bei einer Prüfung nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 und 6 angetroffen werden, haben

1.
die Prüfung zu dulden und dabei mitzuwirken, insbesondere für die Prüfung erhebliche Auskünfte zu erteilen und die in den §§ 3 und 4 genannten Unterlagen vorzulegen,
2.
in den Fällen des § 3 Absatz 1, 2 und 6 sowie des § 4 Absatz 1, 2 und 3 auch das Betreten der Grundstücke und der Geschäftsräume zu dulden und
3.
in den Fällen des § 2 Absatz 1 auf Verlangen der Behörden der Zollverwaltung schriftlich oder an Amtsstelle mündlich Auskünfte zu erteilen oder die in den §§ 3 und 4 genannten Unterlagen vorzulegen.
Auskünfte, die die verpflichtete Person oder einen ihrer in § 15 der Abgabenordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.

(2) Die Behörden der Zollverwaltung sind insbesondere dann befugt, eine mündliche Auskunft an Amtsstelle zu verlangen, wenn trotz Aufforderung keine schriftliche Auskunft erteilt worden ist oder wenn eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Über die mündliche Auskunft an Amtsstelle ist auf Antrag des Auskunftspflichtigen eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.

(3) Ausländer sind ferner verpflichtet, ihren Pass, Passersatz oder Ausweisersatz und ihren Aufenthaltstitel, ihre Duldung oder ihre Aufenthaltsgestattung den Behörden der Zollverwaltung auf Verlangen vorzulegen und, sofern sich Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen ausländerrechtliche Vorschriften ergeben, zur Übermittlung an die zuständige Ausländerbehörde zu überlassen. Werden die Dokumente einbehalten, erhält der betroffene Ausländer eine Bescheinigung, welche die einbehaltenen Dokumente und die Ausländerbehörde bezeichnet, an die die Dokumente übermittelt werden. Der Ausländer ist verpflichtet, unverzüglich mit der Bescheinigung bei der Ausländerbehörde zu erscheinen. Darauf ist in der Bescheinigung hinzuweisen. Gibt die Ausländerbehörde die einbehaltenen Dokumente zurück oder werden Ersatzdokumente ausgestellt oder vorgelegt, behält die Ausländerbehörde die Bescheinigung ein.

(4) In Fällen des § 4 Absatz 4 haben die Auftraggeber, die nicht Unternehmer im Sinne des § 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 sind, eine Prüfung nach § 2 Abs. 1 zu dulden und dabei mitzuwirken, insbesondere die für die Prüfung erheblichen Auskünfte zu erteilen und die in § 4 Absatz 4 genannten Unterlagen vorzulegen. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(5) In Datenverarbeitungsanlagen gespeicherte Daten haben der Arbeitgeber und der Auftraggeber sowie der Entleiher im Rahmen einer Prüfung nach § 2 Absatz 1 Nummer 4, 5, 6 und 9 auszusondern und den Behörden der Zollverwaltung auf deren Verlangen auf automatisiert verarbeitbaren Datenträgern oder in Listen zu übermitteln. Der Arbeitgeber und der Auftraggeber sowie der Entleiher im Rahmen einer Prüfung nach § 2 Absatz 1 Nummer 4, 5, 6 und 9 dürfen automatisiert verarbeitbare Datenträger oder Datenlisten, die die erforderlichen Daten enthalten, ungesondert zur Verfügung stellen, wenn die Aussonderung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre und überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht entgegenstehen. In diesem Fall haben die Behörden der Zollverwaltung die Daten zu trennen und die nicht nach Satz 1 zu übermittelnden Daten zu löschen. Soweit die übermittelten Daten für Zwecke der Ermittlung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, der Ermittlung von steuerlich erheblichen Sachverhalten oder der Festsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen oder Sozialleistungen nicht benötigt werden, sind die Datenträger oder Listen nach Abschluss der Prüfungen nach § 2 Abs. 1 auf Verlangen des Arbeitgebers oder des Auftraggebers zurückzugeben oder die Daten unverzüglich zu löschen.

(1) Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, in den Fällen des § 45 und in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf nicht gegeben ist, mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts. Dies gilt für die Verpflichtungsklage sinngemäß, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(2) Die Frist für die Erhebung der Klage gilt als gewahrt, wenn die Klage bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt oder die angefochtene Entscheidung erlassen oder den Beteiligten bekannt gegeben hat oder die nachträglich für den Steuerfall zuständig geworden ist, innerhalb der Frist angebracht oder zu Protokoll gegeben wird. Die Behörde hat die Klageschrift in diesem Fall unverzüglich dem Gericht zu übermitteln.

(3) Absatz 2 gilt sinngemäß bei einer Klage, die sich gegen die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder gegen die Festsetzung eines Steuermessbetrags richtet, wenn sie bei der Stelle angebracht wird, die zur Erteilung des Steuerbescheids zuständig ist.

(1) Die Behörden der Zollverwaltung prüfen, ob

1.
die sich aus den Dienst- oder Werkleistungen ergebenden Pflichten nach § 28a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch erfüllt werden oder wurden,
2.
auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen oder der Vortäuschung von Dienst- oder Werkleistungen Sozialleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch zu Unrecht bezogen werden oder wurden,
3.
die Angaben des Arbeitgebers, die für die Sozialleistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch erheblich sind, zutreffend bescheinigt wurden,
4.
Ausländer und Ausländerinnen
a)
entgegen § 4a Absatz 4 und 5 Satz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes beschäftigt oder beauftragt werden oder wurden oder
b)
entgegen § 284 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch beschäftigt werden oder wurden,
5.
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
a)
ohne erforderliche Erlaubnis nach § 1 Absatz 1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ver- oder entliehen werden oder wurden,
b)
entgegen den Bestimmungen nach § 1 Absatz 1 Satz 5 und 6, § 1a oder § 1b des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ver- oder entliehen werden oder wurden oder
c)
entgegen § 6a Absatz 2 in Verbindung mit § 6a Absatz 3 des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft ver- oder entliehen werden oder wurden,
6.
die Arbeitsbedingungen nach Maßgabe des Mindestlohngesetzes, des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und des § 8 Absatz 5 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes eingehalten werden oder wurden,
7.
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu ausbeuterischen Arbeitsbedingungen beschäftigt werden oder wurden,
8.
die Arbeitskraft im öffentlichen Raum entgegen § 5a angeboten oder nachgefragt wird oder wurde und
9.
entgegen § 6a oder § 7 Absatz 1 des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft
a)
ein Betrieb oder eine übergreifende Organisation, in dem oder in der geschlachtet wird, Schlachtkörper zerlegt werden oder Fleisch verarbeitet wird, nicht durch einen alleinigen Inhaber geführt wird oder wurde,
b)
die Nutzung eines Betriebes oder einer übergreifenden Organisation, in dem oder in der geschlachtet wird, Schlachtkörper zerlegt werden oder Fleisch verarbeitet wird, ganz oder teilweise einem anderen gestattet wird oder wurde, oder
c)
Personen im Bereich der Schlachtung einschließlich der Zerlegung von Schlachtkörpern sowie im Bereich der Fleischverarbeitung tätig werden oder wurden.
Zur Erfüllung ihrer Mitteilungspflicht nach § 6 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 4 Nummer 4 prüfen die Behörden der Zollverwaltung im Rahmen ihrer Prüfungen nach Satz 1 auch, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Steuerpflichtige den sich aus den Dienst- oder Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten im Sinne von § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 nicht nachgekommen sind. Zur Erfüllung ihrer Mitteilungspflicht nach § 6 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 4 Nummer 4 und 7 prüfen die Behörden der Zollverwaltung im Rahmen ihrer Prüfungen nach Satz 1 auch, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Kindergeldempfänger ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sind.

(2) Die Prüfung der Erfüllung steuerlicher Pflichten nach § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 obliegt den zuständigen Landesfinanzbehörden und die Prüfung der Erfüllung kindergeldrechtlicher Mitwirkungspflichten den zuständigen Familienkassen. Die Behörden der Zollverwaltung sind zur Mitwirkung an Prüfungen der Landesfinanzbehörden und der Familienkassen bei der Bundesagentur für Arbeit berechtigt. Grundsätze der Zusammenarbeit der Behörden der Zollverwaltung mit den Landesfinanzbehörden werden von den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder im gegenseitigen Einvernehmen geregelt. Grundsätze der Zusammenarbeit der Behörden der Zollverwaltung mit den Familienkassen bei der Bundesagentur für Arbeit werden von den Behörden der Zollverwaltung und den Familienkassen bei der Bundesagentur für Arbeit im Einvernehmen mit den Fachaufsichtsbehörden geregelt.

(3) Die nach Landesrecht für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach diesem Gesetz zuständigen Behörden prüfen, ob

1.
der Verpflichtung zur Anzeige vom Beginn des selbstständigen Betriebes eines stehenden Gewerbes (§ 14 der Gewerbeordnung) nachgekommen oder die erforderliche Reisegewerbekarte (§ 55 der Gewerbeordnung) erworben wurde,
2.
ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehendes Gewerbe selbstständig betrieben wird und die Eintragung in die Handwerksrolle vorliegt.

(4) Die Behörden der Zollverwaltung werden bei den Prüfungen nach Absatz 1 unterstützt von

1.
den Finanzbehörden,
2.
der Bundesagentur für Arbeit, auch in ihrer Funktion als Familienkasse,
3.
der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen,
4.
den Einzugsstellen (§ 28i des Vierten Buches Sozialgesetzbuch),
5.
den Trägern der Rentenversicherung,
6.
den Trägern der Unfallversicherung,
7.
den gemeinsamen Einrichtungen und den zugelassenen kommunalen Trägern nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sowie der Bundesagentur für Arbeit als Verantwortliche für die zentral verwalteten IT-Verfahren nach § 50 Absatz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch,
8.
den nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Behörden,
9.
den in § 71 Abs. 1 bis 3 des Aufenthaltsgesetzes genannten Behörden,
10.
dem Bundesamt für Logistik und Mobilität,
11.
den nach Landesrecht für die Genehmigung und Überwachung des Gelegenheitsverkehrs mit Kraftfahrzeugen nach § 46 des Personenbeförderungsgesetzes zuständigen Behörden,
12.
den nach Landesrecht für die Genehmigung und Überwachung des gewerblichen Güterkraftverkehrs zuständigen Behörden,
13.
den für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden,
14.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder auf Ersuchen im Einzelfall,
15.
den nach Landesrecht für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach diesem Gesetz zuständigen Behörden,
16.
den nach § 14 der Gewerbeordnung für die Entgegennahme der Gewerbeanzeigen zuständigen Stellen,
17.
den nach Landesrecht für die Überprüfung der Einhaltung der Vergabe- und Tariftreuegesetze der Länder zuständigen Prüfungs- oder Kontrollstellen,
18.
den nach Landesrecht für die Entgegennahme der Anmeldung von Prostituierten nach § 3 des Prostituiertenschutzgesetzes und für die Erlaubniserteilung an Prostitutionsgewerbetreibende nach § 12 des Prostituiertenschutzgesetzes zuständigen Behörden,
19.
den nach Landesrecht für die Erlaubniserteilung nach § 34a der Gewerbeordnung zuständigen Behörden und
20.
den gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien im Sinne des § 4 Absatz 2 des Tarifvertragsgesetzes.
Die Aufgaben dieser Stellen nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt. Die Prüfungen können mit anderen Prüfungen der in diesem Absatz genannten Stellen verbunden werden; die Vorschriften über die Unterrichtung und Zusammenarbeit bleiben hiervon unberührt. Verwaltungskosten der unterstützenden Stellen werden nicht erstattet.

(1) Zweck des Gesetzes ist die Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung.

(2) Schwarzarbeit leistet, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei

1.
als Arbeitgeber, Unternehmer oder versicherungspflichtiger Selbstständiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt,
2.
als Steuerpflichtiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt,
3.
als Empfänger von Sozialleistungen seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden Mitteilungspflichten gegenüber dem Sozialleistungsträger nicht erfüllt,
4.
als Erbringer von Dienst- oder Werkleistungen seiner sich daraus ergebenden Verpflichtung zur Anzeige vom Beginn des selbstständigen Betriebes eines stehenden Gewerbes (§ 14 der Gewerbeordnung) nicht nachgekommen ist oder die erforderliche Reisegewerbekarte (§ 55 der Gewerbeordnung) nicht erworben hat oder
5.
als Erbringer von Dienst- oder Werkleistungen ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehendes Gewerbe selbstständig betreibt, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein (§ 1 der Handwerksordnung).
Schwarzarbeit leistet auch, wer vortäuscht, eine Dienst- oder Werkleistung zu erbringen oder ausführen zu lassen, und wenn er selbst oder ein Dritter dadurch Sozialleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch zu Unrecht bezieht.

(3) Illegale Beschäftigung übt aus, wer

1.
Ausländer und Ausländerinnen als Arbeitgeber unerlaubt beschäftigt oder als Entleiher unerlaubt tätig werden lässt,
2.
als Ausländer oder Ausländerin unerlaubt eine Erwerbstätigkeit ausübt,
3.
als Arbeitgeber Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
a)
ohne erforderliche Erlaubnis nach § 1 Absatz 1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes,
b)
entgegen den Bestimmungen nach § 1 Absatz 1 Satz 5 und 6, § 1a oder § 1b des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes oder
c)
entgegen § 6a Absatz 2 in Verbindung mit § 6a Absatz 3 des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft
überlässt oder für sich tätig werden lässt,
4.
als Arbeitgeber Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigt, ohne dass die Arbeitsbedingungen nach Maßgabe des Mindestlohngesetzes, des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder des § 8 Absatz 5 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes eingehalten werden,
5.
als Arbeitgeber Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu ausbeuterischen Arbeitsbedingungen beschäftigt oder
6.
als Inhaber oder Dritter Personen entgegen § 6a Absatz 2 des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft tätig werden lässt.

(4) Die Absätze 2 und 3 finden keine Anwendung für nicht nachhaltig auf Gewinn gerichtete Dienst- oder Werkleistungen, die

1.
von Angehörigen im Sinne des § 15 der Abgabenordnung oder Lebenspartnern,
2.
aus Gefälligkeit,
3.
im Wege der Nachbarschaftshilfe oder
4.
im Wege der Selbsthilfe im Sinne des § 36 Abs. 2 und 4 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. August 1994 (BGBl. I S. 2137) oder als Selbsthilfe im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 des Wohnraumförderungsgesetzes vom 13. September 2001 (BGBl. I S. 2376), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 29. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3076),
erbracht werden. Als nicht nachhaltig auf Gewinn gerichtet gilt insbesondere eine Tätigkeit, die gegen geringes Entgelt erbracht wird.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), die ihr Unternehmen in dem Streitjahr 2010 in der Rechtsform einer GbR betrieb, ist durch identitätswahrenden Rechtsformwechsel zunächst in eine OHG und sodann in eine KG umgewandelt worden.

3

Im Rahmen der Durchführung einer Außenprüfung forderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Klägerin mit Schreiben vom 1. März 2010, 8. und 21. April 2010 --letzteres unter Fristsetzung bis zum 27. April 2010-- gemäß § 200 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) auf, Buchführungsunterlagen und Datenträger vorzulegen. Für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage drohte das FA in dem Schreiben vom 21. April 2010 die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe von jeweils 2.500 € an.

4

Bis zum Fristablauf überreichte die Klägerin lediglich einen Datenträger.

5

Mit Bescheid vom 1. Juni 2010 setzte das FA der Klägerin gegenüber wegen der Nichtvorlage der Buchführungsunterlagen ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € fest. Ermessenserwägungen enthält der Bescheid nicht.

6

Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verzögerungsgelds vorlägen. Die Festsetzung des Verzögerungsgelds sei auch ermessensgerecht, da die Klägerin die angeforderten Unterlagen trotz mehrfacher schriftlicher Aufforderung nicht vorgelegt und sie dadurch die Betriebsprüfung beeinträchtigt habe. Da sich das festgesetzte Verzögerungsgeld am Mindestbetrag orientiert habe, sei eine weitere Begründung des Auswahlermessens nicht erforderlich.

7

Am 12. August 2010 legte die Klägerin ausweislich eines Bestätigungsvermerks des Betriebsprüfers einen Großteil der angeforderten Buchführungsunterlagen vor.

8

Am 27. August 2010 hat die Klägerin gegen den Bescheid über die Festsetzung des Verzögerungsgelds Klage erhoben.

9

Während des anhängigen Klageverfahrens ersetzte das FA mit Bescheid vom 1. Oktober 2010 den Bescheid vom 1. Juni 2010, verbunden mit der ausdrücklichen Feststellung, dass die Festsetzung des Verzögerungsgelds nach erneuter Überprüfung bestehen bleibe. In dem Bescheid vom 1. Oktober 2010 hat das FA seine Ermessenserwägungen umfassend dargelegt.

10

Ebenfalls während des anhängigen Klageverfahrens hat das Finanzgericht (FG) auf Antrag der Klägerin die Vollziehung des Bescheids vom 1. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 1. Oktober 2010 mit Beschluss vom 15. Oktober 2010  3 V 1296/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 298) ausgesetzt. Die Entscheidung hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 16. Juni 2011 IV B 120/10 (BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855) aufgehoben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt.

11

Weder dem FG noch dem erkennenden Senat ist im Rahmen des Aussetzungsverfahrens mitgeteilt worden, dass die Klägerin noch vor Erlass des Bescheids vom 1. Oktober 2010 einen Großteil der angeforderten Buchführungsunterlagen vorgelegt hatte.

12

Das FG hat der Klage stattgegeben. Das FA habe sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, da es bei der Ermessensentscheidung nicht berücksichtigt habe, dass die Klägerin einen Teil der Unterlagen bereits vor Erlass des Bescheids vom 1. Oktober 2010 dem FA vorgelegt habe.

13

Obwohl nur dieser Bescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens geworden sei, seien auch der Bescheid vom 1. Juni 2010, der durch die Aufhebung des Bescheids vom 1. Oktober 2010 wiederauflebe, und die Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 aufzuheben. Nur dadurch werde dem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin Rechnung getragen. Auch der Bescheid vom 1. Juni 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 sei wegen fehlerhafter Ausübung des Entschließungsermessens rechtswidrig.

14

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es --das FA-- bei seinen Ermessenserwägungen im Bescheid vom 1. Oktober 2010 zu berücksichtigen gehabt habe, dass Teile der angeforderten Buchführungsunterlagen bereits zuvor vorgelegt worden seien.

15

Unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855 geht das FA davon aus, dass für die Ermessensentscheidung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Festsetzung des Verzögerungsgelds abzustellen sei. Wäre das FA gezwungen, bei der Ausübung des Entschließungsermessens eine Nachholung der Mitwirkung zu berücksichtigen, käme dies einer versteckten Einführung des § 335 AO für das Verzögerungsgeld gleich.

16

Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

17

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.

18

Zur Begründung wiederholt und vertieft die Klägerin die Ausführungen in der Vorentscheidung.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Revision ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

20

1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 1. Oktober 2010 in entsprechender Anwendung des § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist.

21

§ 68 Satz 1 FGO greift u.a. dann ein, wenn ein angefochtener Verwaltungsakt aus formellen Gründen aufgehoben und inhaltsgleich wiederholt wird. Dies gilt gleichermaßen auch dann, wenn der ursprüngliche Bescheid keine hinreichenden Ausführungen zur Ermessensausübung enthält und diese in dem "ersetzenden" Bescheid nachgeholt werden (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, m.w.N.; BFH-Beschluss in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855).

22

Der Bescheid vom 1. Oktober 2010 ist in seinem Regelungsausspruch inhaltsgleich mit dem Bescheid vom 1. Juni 2010. In dem Bescheid vom 1. Oktober 2010 sind lediglich die Ermessenserwägungen nachgeholt worden. Der ersetzende Bescheid ist daher entsprechend § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden.

23

2. Zu Recht hat das FG ausgeführt, dass das FA das ihm zustehende Ermessen in dem Bescheid vom 1. Oktober 2010 fehlerhaft ausgeübt hat.

24

a) Die Festsetzung des Verzögerungsgelds erfordert nach § 146 Abs. 2b AO neben den zwingenden tatbestandlichen Voraussetzungen (hier die Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht gemäß § 200 Abs. 1 AO innerhalb einer angemessenen Frist) eine zweifache Ermessensentscheidung des FA. Ermessen ist erstens im Hinblick darauf auszuüben, ob im jeweiligen Einzelfall ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird (sog. Entschließungsermessen). Zweitens muss --falls das Entschließungsermessen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeübt wird-- eine Entscheidung über die Höhe des Verzögerungsgelds innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens von mindestens 2.500 € bis höchstens 250.000 € getroffen werden (sog. Auswahlermessen; vgl. insgesamt BFH-Beschlüsse in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855, und vom 28. Juni 2011 X B 37/11, BFH/NV 2011, 1833, sowie unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BFHE 239, 1, BStBl II 2013, 266, und BFH-Urteil vom 24. April 2014 IV R 25/11, zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen).

25

b) Die von dem FA zu treffende Ermessensentscheidung bei der Anwendung des § 146 Abs. 2b AO ist durch die Finanzgerichte gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob das FA den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob das FA von seinem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihm zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (BFH-Urteile in BFHE 239, 1, BStBl II 2013, 266, und vom 24. April 2014 IV R 25/11, a.a.O.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 102 FGO Rz 61 ff., Rz 86 ff., Rz 94 ff., jeweils mit umfangreichen Nachweisen).

26

aa) Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen (BFH-Urteile in BFHE 239, 1, BStBl II 2013, 266, und vom 24. April 2014 IV R 25/11, a.a.O.). Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist allerdings, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 20. Mai 1994 VI R 105/92, BFHE 175, 3, BStBl II 1994, 836).

27

bb) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Beschluss des Senats in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855. Die von dem FA für seine Auffassung herangezogenen Ausführungen in dieser Entscheidung betrafen den dortigen Sonderfall, dass das FA für die Nichtvorlage bzw. die verspätete Vorlage derselben Unterlagen zweimal ein Verzögerungsgeld festgesetzt hat. Für diesen Sonderfall hat der Senat ausgeführt, dass die Festsetzung eines weiteren Verzögerungsgelds wegen der fortgesetzten Nichtvorlage derselben Unterlagen bei der Ermessensentscheidung, die das FA für die erstmalige Festsetzung des Verzögerungsgelds zu treffen hat, nicht zu berücksichtigen sei. Diese Ausführungen stehen jedoch im Zusammenhang mit der Rechtsansicht des Senats, dass die Festsetzung eines weiteren Verzögerungsgelds rechtswidrig ist. Ist dies der Fall, ist diese Festsetzung auf entsprechenden Antrag des Steuerpflichtigen aufzuheben. Damit ist dem Rechtsschutzbedürfnis des Steuerpflichtigen Genüge getan. Das FA muss diesen Sachverhalt im Bescheid über die Festsetzung des ersten Verzögerungsgelds im Rahmen der dort zu treffenden Ermessensentscheidung nicht nochmals zugrunde legen. Nur in diesem Zusammenhang sind die Ausführungen des Senats zu verstehen, dass die Ermessenserwägungen sich ausschließlich auf den Sachverhalt beziehen, der im Zeitpunkt des Erlasses des ersten Festsetzungsbescheids verwirklicht war. Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass damit der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung bezüglich des ersten Verzögerungsgelds gemeint war.

28

c) Da § 146 Abs. 2b AO mit Ausnahme der Ermessensgrenzen hinsichtlich der Höhe des Verzögerungsgelds keine konkreten Ermessensvorgaben enthält, hat das FA die doppelte Ermessensentscheidung gemäß § 5 AO entsprechend dem Zweck der Regelung und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszuüben.

29

aa) Die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordert, dass das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht nur erforderlich und geeignet ist, sondern hierzu auch in einem angemessenen, d.h. für den Betroffenen zumutbaren Verhältnis stehen muss (vgl. BFH-Urteil in BFHE 239, 1, BStBl II 2013, 266). Ausweislich der gesetzgeberischen Intention wird mit dem Verzögerungsgeld ein doppelter Zweck verfolgt. So soll der Steuerpflichtige zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten angehalten werden (BTDrucks 16/10189, S. 81, sog. Beugecharakter), des Weiteren soll aber auch die Verletzung der Mitwirkungspflichten sanktioniert werden (BFH-Urteil in BFHE 239, 1, BStBl II 2013, 266; Klein/ Rätke, AO, 12. Aufl., § 146 Rz 66, m.w.N.; kritisch Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 48). Die Ermessenserwägungen zur Festsetzung des Verzögerungsgelds sind daher insbesondere an der Dauer der Fristüberschreitung, den Gründen und dem Ausmaß der Pflichtverletzung/en sowie der Beeinträchtigung der Außenprüfung auszurichten (BFH-Urteil in BFHE 239, 1, BStBl II 2013, 266, und vom 24. April 2014 IV R 25/11, a.a.O.).

30

bb) Diese Ermessenserwägungen sind sowohl bei der Ausübung des Entschließungsermessens als auch bei der Ausübung des sog. Auswahlermessens anzustellen. Da das Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € festzusetzen ist und es sich hierbei nicht um einen Bagatellbetrag handelt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 239, 1, BStBl II 2013, 266), bedarf es einer sorgfältigen Abwägung, ob gegenüber dem Steuerpflichtigen überhaupt ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird. Maßstab dieser Ermessensentscheidung des FA sowie nachvollziehbarer Gegenstand ihrer Begründung (§ 121 AO) muss deshalb sein, ob die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe der Sanktionsuntergrenze (2.500 €) mit Rücksicht auf die Umstände der zu beurteilenden Pflichtverletzung/en sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Prüfung angemessen ist. Demnach ist es ausgeschlossen, im Rahmen des Entschließungsermessens von einer Vorprägung auszugehen, wonach jede Verletzung der Mitwirkungspflichten (§ 200 Abs. 1 AO) --unabhängig davon, ob den Steuerpflichtigen ein Schuldvorwurf trifft-- grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds führt (BFH-Urteil in BFHE 239, 1, BStBl II 2013, 266). Auch wenn die angeforderten Unterlagen schuldhaft nicht innerhalb der festgesetzten Frist vorgelegt werden, folgt daraus nicht, dass ein Verzögerungsgeld nunmehr zwingend im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null festzusetzen ist (vgl. BFH-Urteil vom 28. März 2007 IX R 22/05, BFH/NV 2007, 1450, zur Ausübung des Entschließungsermessens hinsichtlich der Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei schuldhafter Säumnis). Auch bei schuldhafter Nichtvorlage der Unterlagen ist stets eine an der Sanktionsuntergrenze (2.500 €) auszurichtende Würdigung des Einzelfalls erforderlich (BFH-Urteil vom 24. April 2014 IV R 25/11, a.a.O.).

31

d) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht entschieden, dass das FA sein Ermessen in dem Bescheid vom 1. Oktober 2010 fehlerhaft ausgeübt hat. Wie dargelegt sind die Ermessenserwägungen zur Festsetzung des Verzögerungsgelds u.a. an der Dauer der Fristüberschreitung auszurichten, da diese die Beeinträchtigung der Außenprüfung in besonderem Maße widerspiegelt. Angesichts dessen musste das FA sowohl bei der Ausübung des sog. Entschließungsermessens als auch bei der Ausübung des Auswahlermessens im Zeitpunkt des Erlasses des geänderten Bescheids vom 1. Oktober 2010 mitberücksichtigen, dass die Klägerin die angeforderten Unterlagen jedenfalls teilweise vor Erlass dieses Bescheids eingereicht hatte. Ob dieser Umstand dem Sachbearbeiter, der den streitgegenständlichen Bescheid erlassen hat, hier dem Sachbearbeiter der Rechtsbehelfsstelle, evtl. nicht bekannt war, ist unerheblich, da nicht auf dessen Kenntnis abzustellen ist. Ausreichend ist, dass die Unterlagen, wie geschehen, dem Betriebsprüfer, der diese angefordert hat, ausgehändigt worden und damit in den Machtbereich des FA gelangt sind.

32

Soweit das FA dagegen einwendet, die Berücksichtigung dieses Sachverhaltes käme der Einführung (gemeint ist: der sinngemäßen Anwendung) des § 335 AO gleich, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn die Berücksichtigung der Vorlage der Unterlagen führt anders als im Anwendungsbereich des § 335 AO (Rechtsfolge dort: Beendigung des Zwangsverfahrens) nicht zur Beendigung des Verfahrens über die Festsetzung des Verzögerungsgelds. Ebenso wenig führt die Erfüllung der Mitwirkungspflichten nach dem Ablauf der dafür gesetzten Fristen dazu, dass nunmehr ein Verzögerungsgeld nicht mehr festgesetzt werden kann. Die nachträgliche Erfüllung der Mitwirkungspflichten muss jedoch sowohl im Rahmen der Ausübung des sog. Entschließungsermessens als auch bei der Ausübung des Auswahlermessens berücksichtigt werden. Inwieweit dies die Ermessensentscheidung im Ergebnis beeinflusst, ist eine Frage des Einzelfalls.

33

e) Das FG hat den Bescheid vom 1. Oktober 2010 danach zu Recht aufgehoben. Angesichts dessen muss der Senat nicht dazu Stellung nehmen, ob der Bescheid vom 1. Oktober 2010 bereits deshalb rechtswidrig und damit aufzuheben war, weil die Nachholung der Ermessenserwägungen in dem geänderten Bescheid während des anhängigen Klageverfahrens gegen die Regelung in § 102 Satz 2 FGO verstößt (dies verneinend: BFH-Urteil in BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539; anders im sozialgerichtlichen Verfahren: Urteile des Bundessozialgerichts vom 24. August 1988  7 RAr 53/86, BSGE 64, 36, und vom 15. Februar 1990  7 RAr 28/88, BSGE 66, 204; die Rechtsprechung des BFH ablehnend: Schallmoser in HHSp, § 68 FGO Rz 16; Lange in HHSp, § 102 FGO Rz 63, 67, und Steinhauff in juris PraxisReport Steuerrecht 24/2009, Anm. 3).

34

3. Zu Recht hat das FG des Weiteren den Bescheid vom 1. Juni 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 aufgehoben. Dem steht nicht entgegen, dass gemäß § 68 Satz 1 FGO nur der Änderungsbescheid vom 1. Oktober 2010 zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist.

35

a) § 68 FGO in der im Streitjahr geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) soll dem Rechtsuchenden umfassenden Rechtsschutz sichern. Der Kläger soll nicht durch den Erlass eines ändernden oder ersetzenden Bescheids aus dem Verfahren gedrängt werden (BFH-Urteil vom 29. Januar 2003 XI R 84/00, BFH/NV 2003, 1330, zu § 68 Satz 3 FGO a.F.). Die Vorschrift dient darüber hinaus der Prozessökonomie und der Verfahrensvereinfachung. Sie soll den Beteiligten weitere --außergerichtliche und gerichtliche-- Rechtsmittelverfahren gegen Änderungsbescheide ersparen, indem der mit dem ändernden oder ersetzenden Bescheid verbundene Verfahrensgegenstand in den bereits anhängigen Rechtsstreit aufgenommen wird. Der Kläger wird nicht auf ein neues Verfahren verwiesen, da seinem Klageinteresse ggf. auch im anhängigen Verfahren entsprochen werden kann (Schallmoser in HHSp, § 68 FGO Rz 8 ff.).

36

Durch die von dem FA veranlasste Korrektur des angefochtenen Bescheids und dessen Einbeziehung in das finanzgerichtliche Verfahren soll der Kläger aber insbesondere verfahrensrechtlich nicht schlechter gestellt werden als zuvor. Dies wäre indes im Streitfall zu besorgen, wenn in dem Urteil nur die Kassation des Änderungsbescheids vom 1. Oktober 2010 ausgesprochen würde. Durch die Aufhebung nur des Änderungsbescheids würde dem Anfechtungsbegehren der Klägerin, welches von vornherein auf die ersatzlose Aufhebung des festgesetzten Verzögerungsgelds gerichtet war, nicht ausreichend Rechnung getragen. Die Aufhebung nur des Änderungsbescheids hat nämlich zur Folge, dass der ursprüngliche Bescheid vom 1. Juni 2010 wieder in Kraft tritt. Der Änderungsbescheid vom 1. Oktober 2010 hat zwar den ursprünglichen Bescheid vom 1. Juni 2010 in seinen Regelungsgehalt aufgenommen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231). Solange der Änderungsbescheid vom 1. Oktober 2010 Bestand hat, entfaltet der ursprüngliche Bescheid vom 1. Juni 2010 deshalb keine Wirkung, er bleibt für die Dauer des Bestehens des Änderungsbescheids suspendiert. Der ursprüngliche Bescheid tritt aber wieder in Kraft, wenn der Änderungsbescheid aufgehoben wird (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231).

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b) Eine Aufhebung des ursprünglichen Bescheids vom 1. Juni 2010 kommt indes nur dann in Betracht, wenn dieser seinerseits rechtswidrig ist. Dies hat das FG zu Recht bejaht. Das FG hat zutreffend ausgeführt, dass der Bescheid vom 1. Juni 2010 schon deshalb rechtswidrig sei, weil das FA sein Entschließungsermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Das FA hat nämlich, wie das FG richtig ausführt und von dem FA auch im Rahmen seiner Ausführungen im Bescheid vom 1. Oktober 2010 selber eingeräumt wird, sein Entschließungsermessen über die Festsetzung des Verzögerungsgelds mit Rücksicht auf die Sanktionsuntergrenze von 2.500 € nicht zutreffend ausgeübt. Die (erstmaligen) Ermessenserwägungen in der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 können nur dahin verstanden werden, dass das FA von einer verschuldensunabhängigen Vorprägung seiner Ermessensbefugnis in dem Sinne ausgegangen ist, dass die Verletzung der Mitwirkungspflichten grundsätzlich die Sanktion des Verzögerungsgelds trage. Ein solches Verständnis ist jedoch, wie unter II.2.c bb ausgeführt, mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar.

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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.