Finanzgericht München Urteil, 29. Jan. 2015 - 14 K 1553/12

bei uns veröffentlicht am29.01.2015

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

I. Streitig sind die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von sog. „Spartenbeiträgen“ eines Schützenvereins und die damit zusammenhängenden Folgen für den Vorsteuerabzug.

Der Kläger ist ein eingetragener Schützenverein. Nach seiner Satzung vom 7. September  1987 ist Ziel des Vereins, seine Mitglieder zu gemeinschaftlichen Schießübungen mit Sportwaffen zu vereinigen und das sportliche Schießen zu fördern und zu pflegen. Er verfolgt ausschließlich und unmittelbar sportliche Ziele und wurde mit Freistellungsbescheiden vom 8. Januar 2003 für die Streitjahre 2001 und 2002 sowie vom 20. März 2007 für die Streitjahre 2003 bis 2005 als gemeinnützig im Sinne §§ 51 ff Abgabenordnung (AO) anerkannt.

Der Verein baute in von der Marktgemeinde A mit Nutzungsvertrag vom 18. April 1994 angemieteten Räumlichkeiten ein Vereinsheim mit 16 Luftdruck-Schießständen und einem Büro im Keller sowie einer Gaststätte im Erdgeschoß. Die bis 1996 hierfür aufgewendeten Herstellungskosten betrugen netto 157.179,70 DM (Vorsteuern 21.841,10 DM).

Die Mitglieder des Vereins entrichten neben einer Aufnahmegebühr Jahresbeiträge (§ 7 der Vereinssatzung) und sind damit grundsätzlich berechtigt, an allen Veranstaltungen des Vereins teilzunehmen und von seinen Einrichtungen Gebrauch zu machen (§ 6 Satz 1 der Vereinsordnung). Geschossen werden kann aber nur gegen Entrichtung eines gesonderten Entgelts. Die Schießanlage wird den Mitgliedern zweimal wöchentlich gegen einen vom Alter des Schützen und von der Anzahl der Schüsse abhängigen, zusätzlich zu entrichtenden Spartenbeitrag zur Verfügung gestellt. Daneben richtet der Verein jährlich mehrtägige Schießveranstaltungen. Beim sog. Königs- und Nussschießen zahlen die teilnehmenden Mitglieder einen Grundbetrag für zehn Schuss (Königsschießen) bzw. drei Schuss (Nussschießen) und haben darüber hinaus die Möglichkeit, noch weitere Serien von zehn bzw. drei Schuss zu erwerben. Fallweise wird die Schießanlage auch entgeltlich für gemeinschaftliche Vereinsschießen wie auch für ein Gauschießen bereitgestellt. Geschossen wird im Verein nach der jeweiligen Schießstandordnung des Deutschen Schützenbundes. Danach wird jedes Schießen unter Aufsicht einer vom Verein gestellten, verantwortlichen Aufsichtsperson (Standaufsicht) durchgeführt. Die Aufsichtsperson überwacht ständig das Schießen und trägt insbesondere Sorge dafür, dass die im Schießstand Anwesenden durch ihr Verhalten keine vermeidbaren Gefahren verursachen und die Regelungen der Schießstandordnung beachtet werden. Sie hat auch die Aufgabe, das Schießen und den Aufenthalt im Schießstand zu untersagen, wenn dies zur Verhütung von Gefahren erforderlich ist.

Die im Erdgeschoß befindliche Gaststätte wird durch den Verein selbst betrieben und die daraus resultierenden Umsätze jährlich der Umsatzsteuer unterworfen.

Am 2. Januar 2007 gingen beim Finanzamt  u. a. die Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre (wobei es sich in 2001 um eine berichtigte Umsatzsteuererklärung handelte) ein. In einem Begleitschreiben führte der Prozessbevollmächtigte aus, dass aufgrund des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache Kennemer Golf & Country Club (C-174/00) Mitgliedsbeiträge u. U. Gegenleistung für vom Verein erbrachte Dienstleistungen seien. Die von den Mitgliedern des Vereins (zusätzlich) entrichteten Spartenbeiträge würden daher neben den Einnahmen aus den Schießveranstaltungen ab 2001 der Umsatzsteuer mit dem ermäßigten Steuersatz von 7% unterworfen und die Vorsteuern aus dem Schießbetrieb abgezogen. Aufgrund der Änderung der Verhältnisse werde ab 2001 auch der Vorsteuerabzug nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung der Streitjahre (UStG) für den Vereinsheimbau geltend gemacht.

Den Aufteilungsschlüssel für die Vorsteuern ermittelte der Kläger nach dem Verhältnis der Flächen mit 98% (Vorsteuerabzug) und 2% (kein Vorsteuerabzug aufgrund der anteiligen Nutzung des Büros zu ideellen Zwecken, vgl. z. B. Anlage zur berichtigten Umsatzsteuererklärung für 2001). Der Berichtigungszeitraum des zum 31. Januar 1996 fertiggestellten Vereinsheims erstrecke sich vom 1. Februar 1996 bis 31. Januar 2006. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs berechne sich somit mit 98% aus den gesamten Vorsteuern aus den Herstellungskosten des Vereinsheims in Höhe von 21.842,10 DM (= 21.405,26 DM) und verteile sich auf die Streitjahre mit jeweils einem Zehntel in Höhe von 2.140,53 DM (1.094,44 EUR).

Das Finanzamt berücksichtigte jedoch lediglich das aus den Schießveranstaltungen vereinnahmte Schussgeld als steuerpflichtige Umsätze zu 7%. Die Spartenbeiträge hat es hingegen nicht der Umsatzsteuer unterworfen, weil diese seiner Ansicht nach aufgrund befreiter sportlicher Veranstaltungen vereinnahmt worden seien. Nach den Berechnungen des Finanzamts waren danach die Vorsteuern aus dem Betrieb der Schießanlage nur zu 3,7% abzugsfähig, wobei es für die Aufteilung die Tage der Nutzung der Anlage zu Grunde legte. Eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG wurde nicht durchgeführt, da sich die Verhältnisse der Nutzung um weniger als 10% sowie um weniger als 250 EUR verändert hätten.

Die Umsatzsteuerbescheide 2001 bis 2005 ergingen jeweils am 29. Juni 2007.

Die hiergegen eingelegten Einsprüche blieben ohne Erfolg. Sie wurden mit Einspruchsentscheidung vom 16. April 2012 als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzamt ist der Überzeugung, dass die über die Schießanlagenüberlassung hinausgehenden Dienstleistungen des Vereins zur Annahme einer sportlichen Veranstaltung führten. Daher sei den Spartenbeiträgen die Steuerpflicht zu Recht versagt worden.

Mit seiner Klage verfolgt der Verein sein Ziel die Steuerpflicht der Spartenbeiträge und in Folge dessen einen höheren Vorsteuerabzug sowie eine Vorsteuerberichtigung für die einzelnen Streitjahre zu erreichen, weiter. Er bringt im Wesentlichen vor, dass im Falle eines Schützenvereins – wie vorliegend – die Untergrenze der sportlichen Veranstaltung unterschritten sei, weil sich die organisatorischen Maßnahmen im ganz Wesentlichen auf entgeltliche Sonderleistungen für jede einzelne Person beschränkten. Zum einen sei die Teilnahme am Schießen abhängig von der Entrichtung des Spartenbeitrags, zum anderen dürfe nur unter Aufsicht einer oder mehrerer sachkundiger Personen geschossen werden. Jeder Schütze werde vom Aufsichtspersonal individuell begleitet und überwacht. Auch wenn das Aufsichtspersonal aus den Reihen der Vereinsmitglieder komme, liege eine Dienstleistung durch diesen Trainer vor. Die Leistungen des Vereins seien daher nicht nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG steuerfrei. Zudem stünden Unternehmen, die wie der Kläger die Möglichkeit der Nutzung eines Schießstandes bieten, in einem unmittelbaren Konkurrenzverhältnis zu ihm. Eine Regelung, die Schützenvereine von der Umsatzsteuer befreit, würde damit zu einer Wettbewerbsverzerrung führen. Damit könne auch nach EU-rechtlichen Grundsätzen eine Steuerbefreiung nicht eintreten.

Der Kläger beantragt, unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide 2001 bis 2005 jeweils vom … die Umsatzsteuer für 2001 auf 27,30 DM (13,96 EUR), für 2002 auf negativ 65,96 EUR, für 2003 auf negativ 459,65 EUR, für 2004 auf negativ 484,07 EUR sowie für 2005 auf negativ 456,04 EUR festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Es verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten und die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG

Das Finanzamt hat dem Kläger die geltend gemachten Vorsteuern, die (direkt oder anteilsmäßig) darauf entfallen, dass der Verein seinen Mitgliedern die Teilnahme an Schießübungen ermöglicht, zu Recht versagt. Die streitgegenständlichen Spartenbeiträge des Vereins sind wie die Aufnahmegebühren und sonstigen Mitgliedsbeiträge zwar Entgelt für steuerbare Leistungen des Vereins. Diese Leistungen sind aber nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG steuerfrei.

Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Für sein Unternehmen ist eine Leistung bezogen, die der Steuerpflichtige für seine wirtschaftliche, d. h. steuerbare Tätigkeit verwendet oder zu verwenden beabsichtigt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 6. Mai 2010 V R 29/09, BStBl II 2010, 885; vom 11. Juli 2012 XI R 17/09, BFH/NV 2013, 266). Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Voraussetzung für eine Leistung gegen Entgelt ist, dass zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, sodass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist (ständige Rechtsprechung des BFH und des EuGH, z. B. BFH-Urteil vom 4. Juli 2013 V R 33/11, BStBl II 2013, 937m.w.N.).

Wie der EuGH mit Urteil vom 21. März 2002, Kennemer Golf, Rs. C-174/00 (Slg. 2002, I-3293, BFH/NV Beilage 2002, 95) entschieden hat, können Jahresbeiträge der Mitglieder eines Sportvereins die Gegenleistung für die von diesem Verein erbrachten Dienstleistungen sein. Es kommt nicht darauf an, dass die Mitglieder die Vorteile tatsächlich in Anspruch nehmen. Bei Sportvereinen besteht somit ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Leistung des Vereins, den Mitgliedern Vorteile wie die Nutzung der Sportanlagen zur Verfügung zu stellen, und den Mitgliedsbeiträgen (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 2007 V R 27/04, BFH/NV 2007, 2213; vom 11. Oktober 2007 V R 69/06, BFH/NV 2008, 322; a.A. Abschn. 210 Abs. 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses – UStAE -). Gleiches gilt erst recht, wenn ein Schützenverein - wie vorliegend der Kläger – seinen (aktiven) Mitgliedern die Möglichkeit bietet, gegen einen zusätzlichen sog. „Spartenbeitrag“ an einem der vereinseigenen Schießstände zu Übungszwecken zu schießen.

Im Streitfall liegt daher ein unmittelbarer Zusammenhang vor zwischen den streitgegenständlichen Spartengeldern und dem Vorteil der Mitglieder, an den beaufsichtigten Schießübungen teilnehmen zu können. Denn wie der Kläger glaubhaft vorträgt, kann nur gegen dieses zusätzliche Entgelt, an den Schießständen geschossen werden.

Allerdings sind diese Leistungen nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG steuerbefreit. Nach dieser Vorschrift sind kulturelle und sportliche Veranstaltungen u. a. von gemeinnützigen Zwecken dienenden Einrichtungen steuerfrei, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht.

Der hier klagende Schützenverein diente in den Streitjahren unstreitig gemeinnützigen Zwecken; seine Leistungen waren sportliche Veranstaltungen.

Unter „sportlicher Veranstaltung“ ist eine organisatorische Maßnahme eines Sportvereins zu verstehen, die es aktiven Sportlern ermöglicht, Sport zu treiben. Eine bestimmte Organisationsform oder –struktur schreibt das Gesetz nicht vor. Die untere Grenze der sportlichen Veranstaltung ist erst unterschritten, wenn die Maßnahme lediglich eine Nutzungsüberlassung von Sportgeräten bzw. –anlagen oder nur eine konkrete Dienstleistung, wie z. B. die Beförderung zum Ort der sportlichen Betätigung oder ein spezielles Training für einzelne Sportler, zum Gegenstand hat (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteil in BFH/NV 2008, 322; vom 3. April 2008 V R 74/07, BFH/NV 2008, 1631; Beschluss vom 20. November 2008 V B 264/07, BFH/NV 2009, 430; Urteil vom 18. August 2011 V R 64/09, HFR 2012, 784).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze waren die zweimal wöchentlich stattfindenden Schießübungen am Schießstand des Klägers sportliche Veranstaltungen. Sie bestanden jeweils nicht nur darin, dass den Teilnehmern Sportgeräte (Waffen) und/oder –anlagen (Schießstand) zur Verfügung gestellt wurden oder ein einzelnes Mitglied nach Absprache individuell angeleitet wurde. Vielmehr fand das Schießen – wie der Kläger selbst betont – zweimal die Woche zu einer bestimmten Zeit und - entsprechend der Schießordnung - stets unter Aufsicht einer oder mehrerer vom Verein gestellten, verantwortlichen Aufsichtsperson statt. Die Aufsichtspersonen überwachen ständig das Schießen und tragen vor allem dafür Sorge, dass die im Schießstand Anwesenden durch ihr Verhalten keine vermeidbaren Gefahren verursachen und die Regelungen der Schießordnung beachtet werden. Sie haben auch die Aufgabe, wenn dies zur Verhütung von Gefahren erforderlich ist, das Übungsschießen und den Aufenthalt in Schießstand zu untersagen. Damit gewährleistet der Verein allen interessierten Schützen den organisatorischen Rahmen für das Schießen, ohne den das Schießen nicht durchgeführt werden könnte bzw. dürfte. Da insbesondere die Standaufsicht über alle am Schießtraining teilnehmenden Schützen ausgeübt wird und nicht im Rahmen eines Einzeltrainings gegenüber einem einzelnen Sportler erfolgt, ist die untere Grenze der sportlichen Veranstaltung mithin überschritten (vgl. im Ergebnis: BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 430).

Diesem Ergebnis steht die Entscheidung des BFH, dass ein Luftsportverein, der seinen Mitgliedern vereinseigene Flugzeuge zur Nutzung überlässt und aus Sicherheitsgründen einen Startleiter stellt, keine sportliche Veranstaltung im Sinne des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG durchführt (BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 2213), nicht entgegen. Denn anders als im hier zu entscheidenden Fall des Veranstaltens von Übungsschießen durch einen Schützenverein, bei dem der Verein allen Mitgliedern die Möglichkeit anbietet, zu bestimmten Zeiten unter Einhaltung bestimmter Regeln mit der eigenen oder einer Vereinswaffe unter der notwendigen Aufsicht und Anleitung aller Schützen am Schießen teilzunehmen, stellt die bei Luftsportvereinen im Vordergrund stehende Flugzeugüberlassung an ein einzelnes Mitglied, das selbst den Zeitpunkt und die inhaltliche Ausgestaltung des jeweiligen Flugs bestimmt, eine konkrete Dienstleistung an dieses dar.

Die Spartengebühren sind auch Teilnehmergebühren i. S. d. § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG.

Hierunter sind Entgelte zu verstehen, die aktive Sportler für die Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen zahlen. Teilnehmergebühren liegen nur vor, wenn sie allgemein für die Teilnahme an einer sportlichen Veranstaltung erhoben werden (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 1996 V R 7/95, BStBl II 1997, 154). Dies ist im Streitfall gegeben.

Denn wie oben dargelegt, ermöglichen (erst) die Spartenbeiträge den Mitgliedern, am Schießen teilzunehmen. Dabei ist es unschädlich, dass die Spartenbeiträge individuell nach Alter und Anzahl der Schüsse bemessen werden. Entscheidend ist, dass die Entrichtung des Entgelts – wie hier der Spartenbeitrag, unabhängig, ob er für 40 Schuss oder noch weitere Serien entrichtet wird – dem Schützen die Teilnahme an der Schießübung sichert.

Der Kläger kann sich hinsichtlich der Steuerpflicht der streitgegenständlichen Umsätze auch nicht mit Erfolg auf Unionsrecht berufen.

Gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der in den Streitjahren geltenden Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 132 Abs.1 Buchst. m  MwStsystRL) befreien die Mitgliedstaaten „unter den Bedingungen, die sie zur Gewährung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiung sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen“, von der Umsatzsteuer „bestimmte im engen Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben.“ Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG bestimmt: „Von der in Abs. 1 Buchst. …m) … vorgesehenen Steuerbefreiung sind Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen ausgeschlossen, wenn

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sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind;

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sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbaren Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.“

Der Anwendungsvorrang der Richtlinie gegenüber dem nationalen Recht setzt voraus, dass die Richtlinienbestimmung für den Steuerpflichtigen günstiger ist, als die entsprechende Vorschrift des Umsatzsteuergesetzes. Der Steuerpflichtige kann sich aber auch – zwecks Erlangung des Vorsteuerabzugs – darauf berufen, dass ein nach nationalem Recht nicht steuerbarer oder steuerbefreiter Umsatz nach dem Unionsrecht steuerpflichtig ist (vgl. EuGH- Urteil vom 6. Juli 1995 C-62/93, Soupergaz, UR 1995, 404).

Auch für einen gemeinnützigen Schützenverein, der – wie der Kläger – ohne Gewinnstreben handelt und Schießübungsabende veranstaltet, kommt die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG in Betracht. Dabei sind die Überlassung der Schießanlage, Munition, Schießscheiben, Waffen, Schusswesten sowie die ständige Aufsicht für das Schießen unerlässlich und die Steuerbefreiung insofern nicht ausgeschlossen. Die Steuerbefreiung ist darüber hinaus aber auch aus Wettbewerbsgründen nicht zu verneinen.

In Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG liegt eine spezifische Ausprägung des Grundsatzes der Neutralität, dem es insbesondere zuwiderläuft, dass gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden (vgl. z. B. EuGH-Urteil vom 14, Juni 2007 C-434/05, Horizon College, UR 2007, 587; wie auch BFH-Urteil vom 16. Oktober 2013, XI R 34/11, BFH/NV 2014, 320). Nach der Rechtsprechung des BFH kommt jedoch für Tätigkeiten, die – wie im Streitfall - den Kernbereich der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG betreffen, ein Ausschluss nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b Gedankenstrich zwei der Richtlinie 77/388/EWG nicht in Betracht, weil ansonsten die Befreiung in weiten Teilen leer laufen würde (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 2. März 2011 XI R 21,09, BFH/NV 2011, 1456). Auf die Wettbewerbssituation des Klägers mit gewerblichen Unternehmern kommt es folglich nicht an.

2.Ob der Kläger aufgrund dessen zum Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Schießanlage berechtigt war oder das Finanzamt ggf. zu Unrecht 3,7% Vorsteuern aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Schießwettbewerben wie das Königs- oder Nussschießen anerkannte, kann wegen des Verböserungsverbots (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) dahinstehen. Denn jedenfalls steht dem Kläger kein höherer als der vom Finanzamt gewährte Vorsteuerabzug zu.

3. Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG

Das Finanzamt hat eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus den Herstellungskosten des Vereinsgebäudes zu Recht abgelehnt, weil vorliegend keine andere rechtliche Beurteilung wie im Jahr der erstmaligen Verwendung vorliegt. Eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG kommt somit nicht in Betracht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

5. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

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(1) Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut, das nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird, innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Bei Grundstücken einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile, bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden tritt an die Stelle des Zeitraums von fünf Jahren ein Zeitraum von zehn Jahren.

(2) Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut, das nur einmalig zur Ausführung eines Umsatzes verwendet wird, die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs vorzunehmen. Die Berichtigung ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem das Wirtschaftsgut verwendet wird.

(3) Geht in ein Wirtschaftsgut nachträglich ein anderer Gegenstand ein und verliert dieser Gegenstand dabei seine körperliche und wirtschaftliche Eigenart endgültig oder wird an einem Wirtschaftsgut eine sonstige Leistung ausgeführt, gelten im Fall der Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse die Absätze 1 und 2 entsprechend. Soweit im Rahmen einer Maßnahme in ein Wirtschaftsgut mehrere Gegenstände eingehen oder an einem Wirtschaftsgut mehrere sonstige Leistungen ausgeführt werden, sind diese zu einem Berichtigungsobjekt zusammenzufassen. Eine Änderung der Verhältnisse liegt dabei auch vor, wenn das Wirtschaftsgut für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, aus dem Unternehmen entnommen wird, ohne dass dabei nach § 3 Abs. 1b eine unentgeltliche Wertabgabe zu besteuern ist.

(4) Die Absätze 1 und 2 sind auf sonstige Leistungen, die nicht unter Absatz 3 Satz 1 fallen, entsprechend anzuwenden. Die Berichtigung ist auf solche sonstigen Leistungen zu beschränken, für die in der Steuerbilanz ein Aktivierungsgebot bestünde. Dies gilt jedoch nicht, soweit es sich um sonstige Leistungen handelt, für die der Leistungsempfänger bereits für einen Zeitraum vor Ausführung der sonstigen Leistung den Vorsteuerabzug vornehmen konnte. Unerheblich ist, ob der Unternehmer nach den §§ 140, 141 der Abgabenordnung tatsächlich zur Buchführung verpflichtet ist.

(5) Bei der Berichtigung nach Absatz 1 ist für jedes Kalenderjahr der Änderung in den Fällen des Satzes 1 von einem Fünftel und in den Fällen des Satzes 2 von einem Zehntel der auf das Wirtschaftsgut entfallenden Vorsteuerbeträge auszugehen. Eine kürzere Verwendungsdauer ist entsprechend zu berücksichtigen. Die Verwendungsdauer wird nicht dadurch verkürzt, dass das Wirtschaftsgut in ein anderes einbezogen wird.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Vorsteuerbeträge, die auf nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallen, sinngemäß anzuwenden.

(6a) Eine Änderung der Verhältnisse liegt auch bei einer Änderung der Verwendung im Sinne des § 15 Absatz 1b vor.

(7) Eine Änderung der Verhältnisse im Sinne der Absätze 1 bis 3 ist auch beim Übergang von der allgemeinen Besteuerung zur Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 und umgekehrt und beim Übergang von der allgemeinen Besteuerung zur Durchschnittssatzbesteuerung nach den §§ 23a oder 24 und umgekehrt gegeben.

(8) Eine Änderung der Verhältnisse liegt auch vor, wenn das noch verwendungsfähige Wirtschaftsgut, das nicht nur einmalig zur Ausführung eines Umsatzes verwendet wird, vor Ablauf des nach den Absätzen 1 und 5 maßgeblichen Berichtigungszeitraums veräußert oder nach § 3 Abs. 1b geliefert wird und dieser Umsatz anders zu beurteilen ist als die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebliche Verwendung. Dies gilt auch für Wirtschaftsgüter, für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b teilweise ausgeschlossen war.

(9) Die Berichtigung nach Absatz 8 ist so vorzunehmen, als wäre das Wirtschaftsgut in der Zeit von der Veräußerung oder Lieferung im Sinne des § 3 Abs. 1b bis zum Ablauf des maßgeblichen Berichtigungszeitraums unter entsprechend geänderten Verhältnissen weiterhin für das Unternehmen verwendet worden.

(10) Bei einer Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a) wird der nach den Absätzen 1 und 5 maßgebliche Berichtigungszeitraum nicht unterbrochen. Der Veräußerer ist verpflichtet, dem Erwerber die für die Durchführung der Berichtigung erforderlichen Angaben zu machen.

(11) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
wie der Ausgleich nach den Absätzen 1 bis 9 durchzuführen ist und in welchen Fällen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens, zur Vermeidung von Härten oder nicht gerechtfertigten Steuervorteilen zu unterbleiben hat;
2.
dass zur Vermeidung von Härten oder eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils bei einer unentgeltlichen Veräußerung oder Überlassung eines Wirtschaftsguts
a)
eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 9 auch dann durchzuführen ist, wenn eine Änderung der Verhältnisse nicht vorliegt,
b)
der Teil des Vorsteuerbetrags, der bei einer gleichmäßigen Verteilung auf den in Absatz 9 bezeichneten Restzeitraum entfällt, vom Unternehmer geschuldet wird,
c)
der Unternehmer den nach den Absätzen 1 bis 9 oder Buchstabe b geschuldeten Betrag dem Leistungsempfänger wie eine Steuer in Rechnung stellen und dieser den Betrag als Vorsteuer abziehen kann.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, die nach ihrem Unternehmensgegenstand steuerpflichtige Umsätze erbringt, begab als Anleiheschuldnerin zwei Inhaber-Teilschuldverschreibungen über einen Gesamtbetrag von … € und einer Laufzeit vom 1. Februar 2005 bis 31. Januar 2010. Die Klägerin hatte die Teilschuldverschreibungen mit 7 % zu verzinsen. Die Teilschuldverschreibungen und die sich aus ihr ergebenden Zinsansprüche waren für die gesamte Laufzeit der Anleihe in einer bei der A-AG hinterlegten Sammelurkunde verbrieft. Die Klägerin verpflichtete sich, die Teilschuldverschreibungen am 1. Februar 2010 zum Nennbetrag zurückzuzahlen. Als Zahlstelle war die B-Bank für die Klägerin tätig. Die Zahlstelle hatte die zu zahlenden Beträge als Beauftragte der Klägerin an die C-AG zur Zahlung an die Anleihegläubiger zu überweisen.

2

Nach den mit der B-Bank für jede der beiden Schuldverschreibungen gesondert abgeschlossenen Verträgen über Abwicklungsdienstleistungen und Zahlstellendienst übertrug die Klägerin auf die B-Bank den Zahlstellendienst als Zentralzahlstelle. Die Klägerin stellte der B-Bank eine Globalurkunde zur Verfügung, die die B-Bank nach Prüfung der Sammelverwahrfähigkeit bei der A-AG zur Verwahrung einzureichen hatte. Der Vertrieb der beiden Schuldverschreibungen sollte durch die Klägerin ohne Einschaltung der Bank erfolgen. Die Klägerin hatte die Käufer der beiden Schuldverschreibungen aufzufordern, den jeweiligen Kaufpreis auf ein bei der B-Bank geführtes Konto zu überweisen. Die Klägerin hatte nach Eingang des jeweiligen Kaufpreises die B-Bank zu beauftragen, Schuldverschreibungen in der entsprechenden Stückzahl an den angegebenen Käufer bei dessen Depotbanken zu übertragen, wodurch das bei der B-Bank geführte Emissionsdepot der Klägerin entsprechend belastet wurde. Die B-Bank übernahm Planung, Koordination und Durchführung des Einlösungsdienstes, aber keine Beratungs- oder Überwachungspflichten hinsichtlich der Vorbereitung und Platzierung der Schuldverschreibungen, der kapitalmarktrechtlichen Verpflichtungen wie Prospekt- oder Mitteilungspflichten während der Laufzeit der beiden Anleihen.

3

Für die Übernahme und Einrichtung der Zahlstellenfunktion (Konten- und Depoteinrichtungen, Vornahme und Abgleich von Depotüberträgen sowie Disposition der Anlagebeträge) erhielt die B-Bank nach beiden Verträgen 1,6 % des platzierten Anleihevolumens sowie für die Durchführung des Zahlstellendienstes (Einlösung von Zinsscheinen und Anleiherückzahlung) nach einem der Verträge weitere 3.000 € jährlich. Diese Entgelte "verstanden sich zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer".

4

Für die Begebung der Anlage nahm die Klägerin in den Streitjahren 2004 und 2005 Leistungen anderer Unternehmen für die Prospekterstellung, die Erstellung eines Gesamtkonzepts, zum "Business Process Outsourcing" zur Zeichnungsabwicklung sowie Beratungsleistungen in Anspruch. Diese Leistungen wurden ebenso wie die Leistungen der B-Bank gegenüber der Klägerin umsatzsteuerpflichtig abgerechnet.

5

Da die Klägerin das durch die Begebung der beiden Schuldverschreibungen aufgenommene Kapital für ihre umsatzsteuerpflichtige Unternehmenstätigkeit verwendete, ging sie davon aus, dass sie aus den für die Begebung der beiden Anleihen entstandenen Kosten zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.

6

Im Anschluss an eine Außenprüfung war der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass die Klägerin mit der Begebung der Schuldverschreibungen eine nach § 4 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) steuerfreie Leistung erbracht habe und sie daher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Das FA erließ entsprechende Änderungsbescheide für beide Streitjahre.

7

Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen mit Zustimmung des FA eingelegten Sprungklage nach § 45 der Finanzgerichtsordnung (FGO) überwiegend statt. Die Klägerin sei zum Vorsteuerabzug berechtigt, da die für die Begebung der beiden Schuldverschreibungen bezogenen Leistungen mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit der Klägerin direkt und unmittelbar zusammenhingen. Durch die Begebung der beiden Anleihen selbst habe die Klägerin ebenso wie bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Bareinlage keine steuerbare Leistung erbracht. Es sei insoweit nicht zwischen Eigen- und Fremdkapital zu differenzieren. Der Vorsteuerabzug sei daher nur insoweit zu versagen, als die Klägerin im Rahmen ihrer Gesamttätigkeit zu 0,60 % (2004) und 0,64 % (2005) auch steuerfreie Leistungen ohne Recht auf Vorsteuerabzug erbracht habe.

8

Die Entscheidung des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2009, 1861 veröffentlicht.

9

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Bei den Inhaberschuldverschreibungen handele es sich um Wertpapiere, deren Ausgabe steuerbar und nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG steuerfrei sei. Es handele sich nicht um die erstmalige Ausgabe einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung. Im Vordergrund habe die Beschaffung von Fremdkapital wie bei einer Darlehensaufnahme gestanden, so dass es auf die Beurteilung bei der Beschaffung von Eigenkapital nicht ankomme. Die Klägerin sei wie bei einem gewerbsmäßigen Wertpapierhandel nachhaltig tätig geworden. Ebenso wie bei einer steuerbaren und steuerfreien Kreditgewährung handele es sich bei der Emission von Inhaberschuldverschreibungen um die Zurverfügungstellung von Fremdkapital. Die Beurteilung der Ausgabe neuer Aktien im Rahmen einer Börseneinführung sei nicht entscheidungserheblich, da sich die Klägerin auf dem allgemeinen gewerblichen Kreditmarkt betätigt habe.

10

Das FA beantragt,

den Gerichtsbescheid des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

11

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Ebenso wie bei der Ausgabe einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung liege auch bei der Emission von Inhaberschuldverschreibungen keine steuerbare Leistung vor. Der Umstand, dass die Ausgabe der Inhaberschuldverschreibungen zur zeitlich befristeten Aufnahme von Fremdmitteln führe, sei unerheblich, da auf die Sicht der emittierenden Gesellschaft und den bei ihr fehlenden Leistungswillen abzustellen sei. Es bestehe kein Unterschied zwischen Eigenkapital und einem eine Kapitalforderung verbriefenden Wertpapier. In beiden Fällen sei der Erwerb von Kapital für den Emittenten maßgeblich. Auch für den Erwerber handele es sich in beiden Fällen um eine Kapitalanlage. Zumindest unter Berücksichtigung der zur Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft (seit 1. Dezember 2009: Gerichtshof der Europäischen Union --EuGH--) sei sie zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision des FA ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Wie das FG zwar zutreffend entschieden hat, ist die Klägerin aus den zur Begebung der Schuldverschreibungen angefallenen Kosten dem Grunde nach zum Vorsteuerabzug berechtigt. Der Senat kann jedoch nicht entscheiden, in welchem Umfang die Klägerin für die Begebung der beiden Anleihen umsatzsteuerpflichtige Leistungen bezogen hat. Dies ist entscheidungserheblich, weil nur die "geschuldete" Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehbar ist.

14

1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.

15

Diese Vorschriften beruhen auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG und sind entsprechend dieser Bestimmung richtlinienkonform auszulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. Juli 2008 V R 51/06, BFHE 222, 128, BStBl II 2009, 213, unter II.2.b). Soweit der Steuerpflichtige (Unternehmer) Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, ist er nach dieser Bestimmung befugt, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.

16

Trotz der Unterschiede im Wortlaut entspricht das nationale Recht im Ergebnis Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG. Denn das Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG umfasst (nur) "die gesamte gewerbliche und berufliche Tätigkeit des Unternehmers" (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG) und daher nur eine "nachhaltige Tätigkeit zur Einnahmeerzielung" (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG). "Für das Unternehmen" i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG wird eine Leistung daher nur bezogen, wenn sie zur (beabsichtigten) Verwendung für Zwecke einer nachhaltigen und gegen Entgelt ausgeübten Tätigkeit bezogen wird, die im Übrigen steuerpflichtig sein muss, damit der Vorsteuerabzug nicht nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen ist.

17

2. Ein Unternehmer bezieht eine Leistung für Zwecke seiner besteuerten Umsätze (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG i.V.m. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG), wenn die Eingangsleistung direkt und unmittelbar mit den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen zusammenhängt.

18

a) Der erforderliche Zusammenhang kann nach der Rechtsprechung des EuGH zu einzelnen Ausgangsumsätzen oder zur wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Unternehmers (Steuerpflichtigen) bestehen.

19

aa) Für den Vorsteuerabzug kommt es zunächst darauf an, ob der erforderliche Zusammenhang zu einzelnen Ausgangsumsätzen des Unternehmers (Steuerpflichtigen) vorliegt und ob diese Umsätze zum Vorsteuerabzug berechtigen.

20

(1) Erforderlich ist ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann (vgl. EuGH-Urteile vom 8. Juni 2000 C-98/98, Midland Bank, Slg. 2000, I-4177 Rdnr. 24; vom 22. Februar 2001 C-408/98 Abbey National, Slg. 2001, I-1361 Rdnr. 26, und vom 3. März 2005 C-32/03, Fini H, Slg. 2005, I-1599 Rdnr. 26). Das Recht auf Abzug der für den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen entrichteten Mehrwertsteuer ist nur gegeben, wenn die hierfür getätigten Aufwendungen zu den Kostenelementen der zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören (EuGH-Urteile Midland Bank in Slg. 2000, I-4177 Rdnr. 30; Abbey National in Slg. 2001, I-1361 Rdnr. 28; vom 27. September 2001 C-16/00, Cibo Participations, Slg. 2001, I-6663 Rdnr. 31, und vom 8. Februar 2007 C-435/05, Investrand, Slg. 2007, I-1315 Rdnr. 23).

21

(2) Soweit die von einem Steuerpflichtigen bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen für die Zwecke steuerbefreiter Umsätze oder solcher Umsätze verwendet werden, die nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasst werden, kann es demgegenüber weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen (vgl. EuGH-Urteile vom 30. März 2006 C-184/04, Uudenkaupungin kaupunki, Slg. 2006, I-3039 Rdnr. 24; vom 14. September 2006 C-72/05, Wollny, Slg. 2006, I-8297 Rdnr. 20; vom 12. Februar 2009 C-515/07, VNLTO, Slg. 2009, I-839 Rdnr. 28). Dementsprechend berechtigen Aufwendungen eines Steuerpflichtigen nicht zum Vorsteuerabzug, wenn sich diese auf Tätigkeiten beziehen, die aufgrund ihres nichtwirtschaftlichen Charakters nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 77/388/EWG fallen (EuGH-Urteil vom 13. März 2008 C-437/06, Securenta, Slg. 2008, I-1597, Rdnr. 30).

22

bb) Besteht kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, ist der Unternehmer (Steuerpflichtige) gleichwohl zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und --als solche-- Bestandteile des Preises der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen dann direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (vgl. EuGH-Urteile Midland Bank in Slg. 2000, I-4177 Rdnrn. 23 und 31; vom 26. Mai 2005 C-465/03, Kretztechnik, Slg. 2005, I-4357 Rdnr. 36, und Investrand in Slg. 2007, I-1315 Rdnr. 24). Voraussetzung ist hierfür allerdings, dass diese Gesamttätigkeit zu zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen führt.

23

cc) Geht der Unternehmer (Steuerpflichtige) schließlich zugleich steuerpflichtigen oder steuerfreien wirtschaftlichen Tätigkeiten und nichtwirtschaftlichen, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 77/388/EWG fallenden Tätigkeiten nach, ist der Abzug der Vorsteuer auf Aufwendungen für bezogene Leistungen nur insoweit zulässig, als diese Aufwendungen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen i.S. des Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG zuzurechnen sind (EuGH-Urteil Securenta in Slg. 2008, I-1597 Rdnr. 31).

24

b) Dieser Abgrenzung nach der Umsatztätigkeit des Unternehmers (Steuerpflichtigen) entspricht die Rechtsprechung des Senats, nach der ein Unternehmer wie z.B. ein Verein, der einerseits in einem wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich steuerbare Leistungen erbringt und andererseits in nichtwirtschaftlicher Weise seinen ideellen Vereinszweck verfolgt, ohne dabei steuerbare Leistungen zu erbringen (zur Erbringung entgeltlicher Leistungen bei der Verfolgung des ideellen Vereinszwecks vgl. aber EuGH-Urteil vom 21. März 2002 C-174/00, Kennemer Golf, Slg. 2002, I-3293, Leitsatz 3), nur hinsichtlich seines wirtschaftlichen Tätigkeitsbereichs zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1984 V R 25/76, BFHE 142, 524, BStBl II 1985, 176, Leitsätze 1 und 2; ebenso das EuGH-Urteil VNLTO in Slg. 2009, I-839).

25

Dagegen erhält eine Gesellschaft mit besteuerten Umsätzen grundsätzlich z.B. auch für Dienstleistungen bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Bareinlage oder beim Erwerb einer Beteiligung den Vorsteuerabzug, obwohl dies für sich betrachtet keine wirtschaftlichen Tätigkeiten sind, weil die Kosten dieser Dienstleistungen zu ihren allgemeinen Kosten gehören und deshalb grundsätzlich direkt und unmittelbar mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen (BFH-Urteil vom 1. Juli 2004 V R 32/00, BFHE 205, 555, BStBl II 2004, 1022, unter II.3.c bb).

26

3. Wie das FG zu Recht entschieden hat, ist die Klägerin aus den für die Begebung der Schuldverschreibungen angefallenen Kosten dem Grunde nach zum Vorsteuerabzug berechtigt.

27

a) Die Klägerin hat entgegen der Auffassung des FA mit der Begebung der Schuldverschreibungen keine steuerbare Leistung erbracht.

28

aa) Schuldverschreibungen sind Wertpapiere i.S. von § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG. Zwar definiert das UStG den Begriff des Wertpapiers nicht. § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG beruht jedoch auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG. Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend dieser Bestimmung sind neben Aktien insbesondere auch Schuldverschreibungen als Wertpapiere anzusehen.

29

bb) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist zwischen der erstmaligen Begebung von Wertpapieren und der Übertragung bereits bestehender Wertpapiere (nach ihrer Begebung) zu unterscheiden. Während es sich z.B. bei der Aktienveräußerung durch einen Unternehmer um einen nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfreien Umsatz handeln kann (EuGH-Urteil vom 29. Oktober 2009 C-29/08, SKF, BFH/NV 2009, 2099, Leitsatz 2 zu Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 347, 1), will eine Gesellschaft, die neue Aktien ausgibt (begibt), ihr Vermögen durch die Beschaffung zusätzlichen Kapitals vergrößern, wobei sie den neuen Anteilseignern ein Eigentumsrecht an einem Teil des auf diese Weise erhöhten Kapitals einräumt. Vom Standpunkt der ausgebenden Gesellschaft aus besteht das Ziel im Erwerb von Kapital und nicht in der Erbringung einer Dienstleistung. Aus der Sicht des Anteilseigners stellt die Zahlung der zur Kapitalerhöhung erforderlichen Beträge keine Gegenleistung dar, sondern eine Investition oder Kapitalanlage (EuGH-Urteil Kretztechnik in Slg. 2005, I-4357 Rdnr. 26).

30

cc) Da im Hinblick auf die Wertpapiereigenschaft nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG nicht zwischen Schuldverschreibungen und Aktien zu differenzieren ist, kommt der originären Begebung von Schuldverschreibungen ebenso wenig Leistungscharakter zu wie der erstmaligen Ausgabe von Aktien. War die Tätigkeit der Klägerin bei der Ausgabe der Schuldverschreibungen somit bereits nicht steuerbar, stellt sich die Frage einer Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 8 UStG nicht.

31

b) Dass die Klägerin die von ihr für die Begebung der Schuldverschreibungen bezogenen Leistungen nicht unmittelbar für eine steuerbare Ausgangsleistung verwendet hat, steht dem Vorsteuerabzug der Klägerin nicht entgegen, da sie das durch die Schuldverschreibungen erhaltene Kapital für ihre umsatzsteuerpflichtige Umsatztätigkeit zu verwenden beabsichtigte.

32

aa) Die Klägerin ist nicht bereits aufgrund ihrer Unternehmerstellung zum Vorsteuerabzug, sondern nur im Umfang ihrer besteuerten Umsätze zum Vorsteuerabzug berechtigt.

33

bb) Für die Klägerin bestand auch kein Recht auf Vorsteuerabzug im Hinblick auf die Begebung der Schuldverschreibungen, da diese Tätigkeit nicht steuerbar ist und deshalb kein unmittelbarer Zusammenhang mit einem Ausgangsumsatz vorliegt, anhand dessen über die Berechtigung zum Vorsteuerabzug entschieden werden könnte.

34

cc) Gibt der Unternehmer (Steuerpflichtige) aber nichtsteuerbare Aktien --oder wie im Streitfall Schuldverschreibungen-- aus, um sein Kapital zugunsten seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Allgemeinen zu stärken, sind die Kosten der Dienstleistungen, die er hierfür bezieht, Teil seiner allgemeinen Kosten und gehören damit zu den Preiselementen seiner Produkte. Die bezogenen Dienstleistungen hängen dann direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (vgl. EuGH-Urteile vom 6. April 1995 C-4/94, BLP, Slg. 1995, I-983 Rdnr. 25; Midland Bank in Slg. 2000, I-4177 Rdnr. 31; Abbey National in Slg. 2001, I-1361 Rdnrn. 35 und 36; Cibo Participations in Slg. 2001, I-6663 Rdnr. 33, und Kretztechnik in Slg. 2005, I-4357 Rdnr. 36; BFH-Urteil in BFHE 205, 555, BStBl II 2004, 1022).

35

Das Recht der Klägerin auf Vorsteuerabzug ergibt sich somit --wie das FG zu Recht entschieden hat-- daraus, dass trotz des Fehlens eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zu einem bestimmten zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsatz gleichwohl ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zu ihrer wirtschaftlichen und zum Vorsteuerabzug berechtigenden Gesamttätigkeit besteht, da die Klägerin mit der Begebung der Inhaberschuldverschreibungen beabsichtigte, ihre steuerpflichtige Tätigkeit zu finanzieren.

36

4. Die Sache ist gleichwohl nicht spruchreif. Der Vorsteuerabzug setzt voraus, dass die Steuer für den berechneten Umsatz auch gesetzlich geschuldet wird (BFH-Urteil vom 2. April 1998 V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, Leitsatz 1). Hierzu sind weitere Feststellungen zu treffen.

37

a) Der Senat vermag mangels Feststellungen des FG nicht zu entscheiden, ob die Leistungen der B-Bank als Umsatz im Zahlungs- und Überweisungsverkehr nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG steuerfrei oder als Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG steuerpflichtig sind. Für die Steuerfreiheit spricht, dass Umsätze im Überweisungsverkehr vorliegen, wenn die Leistung eine Weiterleitung von Geldern bewirkt und zu rechtlichen und finanziellen Änderungen führt (BFH-Urteil vom 13. Juli 2006 V R 57/04, BFHE 214, 451, BStBl II 2007, 19, Leitsatz 1). Eine Steuerfreiheit könnte sich auch daraus ergeben, dass bei Leistungen, die an den Emittenten von Wertpapieren erbracht werden, keine nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG steuerpflichtige Verwahrung und Verwaltung vorliegt (vgl. Abschn. 65 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2000/2005).

38

b) Sollte sich die Steuerpflicht der von der B-Bank an die Klägerin erbrachten Leistungen erst aufgrund eines Verzichts nach § 9 Abs. 1 UStG ergeben, ist weiter zu berücksichtigen, dass zumindest die in den zwischen der B-Bank und der Klägerin geschlossenen Verträgen enthaltene Formulierung, dass sich die Entgelte zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer verstehen, für sich allein die Annahme einer Verzichtserklärung nicht rechtfertigt (BFH-Urteil vom 16. Juli 1997 XI R 94/96, BFHE 183, 301, BStBl II 1997, 670, unter II.1.).

Tatbestand

1

I. Der Kläger, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionskläger (Kläger) betreibt ein Vermietungsunternehmen in M in der B-Straße und in der K-Straße. Die Umsätze aus der Vermietung wurden seit 1998 beim Beklagten, Revisionskläger und Anschlussrevisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) erklärt und entsprechend veranlagt.

2

Streitig ist der Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten zweier Einliegerwohnungen in dem in den Streitjahren 2003 bis 2006 vom Kläger neu errichteten und seit Juni 2005 selbst bewohnten Einfamilienhaus. Der Kläger stellte im Februar 2003 einen Antrag auf Baugenehmigung für ein Einfamilienhaus mit Schwimmhalle und Einliegerwohnung in der W-Straße in M, die im Mai 2003 erteilt wurde. Am 1. Juli 2003 wurde mit dem Bau begonnen. Im November 2005 beantragte der Kläger eine Baugenehmigung für die Errichtung einer zweiten Einliegerwohnung im Untergeschoss des Gebäudes, welche im Januar 2006 erteilt wurde. Am 6. Februar 2006 wurde dem Bauaufsichtsamt mitgeteilt, dass das Vorhaben in zwei Wochen abschließend fertig gestellt sei.

3

Im Januar 2006 reichte der Kläger eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 2003 sowie eine berichtigte Umsatzsteuer-Voranmeldung für das IV. Quartal 2004 beim FA ein, in denen erstmals anteilige Vorsteuerbeträge in Höhe von 20 % aus der Errichtung des Gebäudes in der W-Straße geltend gemacht wurden. Im Februar 2006 reichte er die Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember 2005 ein und machte darin die im Zusammenhang mit dem Objekt entstandenen Vorsteuerbeträge für das Kalenderjahr 2005 geltend. In den folgenden Voranmeldungen sind laufend Vorsteuerbeträge für das Objekt enthalten.

4

Die beiden Einliegerwohnungen wurden seit Januar bzw. Juli 2007 möbliert an Arbeitgeber vermietet, die diese wiederum ihren Mitarbeitern zeitweise zur Verfügung stellten. Eine solche Vermietung sei zwar über die Firma X schon von Baubeginn an beabsichtigt, wegen eines Wasserschadens aber zunächst nicht möglich gewesen.

5

Das Objekt in der W-Straße hat nach den Feststellungen einer beim Kläger durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung eine Nutzfläche von 1 128 qm; davon entfallen auf den für eigene Wohnzwecke genutzten Teil 518 qm, auf die Einliegerwohnung im Erdgeschoss 58 qm, auf die Einliegerwohnung im Kellergeschoss 65 qm und die restliche Fläche u.a. auf Schwimmhalle, Sauna und Tiefgarage. Die Prüferin sah von Feststellungen zur Zuordnung und Aufteilung der Vorsteuerbeträge ab, weil eine Option zur Steuerpflicht im Streitfall nicht zulässig sei. Denn der jeweilige Leistungsempfänger nutze das Grundstück für Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen würden. Außerdem sei die Verwendungsabsicht bezüglich der Einliegerwohnungen zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs nicht ausreichend nachgewiesen, denn die Schreiben der Maklerfirma X vom 23. Dezember 2005 und vom 3. April 2006 würden lediglich bestätigen, dass eine Vermittlung an Firmenkunden vorgesehen sei, enthielten aber keine Hinweise auf eine geplante steuerpflichtige Endnutzung der Wohnungen.

6

Im Bescheid vom 9. Mai 2006 folgte das FA dieser Auffassung und lehnte den Antrag des Klägers auf Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 2003 ab.

7

Die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das IV. Quartal 2004, für Dezember 2005 und für Januar 2006 erging mit Bescheiden vom 19. Mai 2006 ebenfalls ohne Berücksichtigung der streitigen Vorsteuerbeträge.

8

           

Mit Einspruchsentscheidung vom 5. September 2007 wies das FA die vom Kläger eingelegten Einsprüche gegen

-     

die Ablehnung des Antrags auf Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 2003 vom 9. Mai 2006,

-       

den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für das IV. Quartal 2004 vom 19. Mai 2006 in der Fassung des zwischenzeitlich ergangenen Umsatzsteuerbescheids für 2004 vom 21. August 2006,

-       

den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Dezember 2005 vom 19. Mai 2006 in der Fassung des zwischenzeitlich ergangenen Umsatzsteuerbescheids für 2005 vom 5. Juli 2007,

-       

den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2006 vom 19. Mai 2006 und

-       

den Bescheid über die Festsetzung einer Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung für 2006 vom 31. Mai 2006 als unbegründet zurück.

9

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es führte zur Begründung u.a. aus, es habe keine Zweifel daran, dass der Kläger die beiden Einliegerwohnungen seinem Unternehmen zugeordnet habe. Unter Beachtung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 30. März 2006 C-184/04 --Uudenkaupungin kaupunki-- (Slg. 2006, I-3039, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2006, 530, BFH/NV Beilage 2006, 286) könne von ihm nicht als Nachweis der Zuordnung gefordert werden, den Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten sofort bei Bezug der Eingangsleistungen geltend zu machen. Anders als in dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. April 2008 V R 10/07 (BFHE 221, 456, BStBl II 2009, 741) stelle die Entscheidung, steuerpflichtig zu vermieten, auch keine Einlage eines Gegenstands in ein Unternehmen dar, sondern die Ausübung der vom Gesetzgeber eingeräumten Optionsmöglichkeit. Die Option sei zulässig, weil die Leistungsempfänger des Klägers mit der Überlassung der Wohnungen lediglich den zusätzlichen Wohnbedarf ihrer Arbeitnehmer auf Dienstreisen deckten und damit eigenbetriebliche Zwecke verfolgten.

10

Den Anteil der Herstellungskosten für die Einliegerwohnungen schätzte das FG ausgehend von dem Verhältnis der Nutzflächen auf 12 % der Gesamtherstellungskosten, so dass der vom Kläger beantragte Vorsteuerabzug nur in entsprechend geringerem Umfang anzuerkennen sei.

11

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1685 veröffentlicht.

12

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es macht u.a. geltend, entgegen der Auffassung des FG lasse sich weder aus dem Begriff Einliegerwohnung noch aus den Bauakten oder den Schreiben der Firma X eine konkrete Vermietungsabsicht entnehmen. Entgegen der Auffassung des FG sei dem EuGH-Urteil --Uudenkaupungin kaupunki-- (Slg. 2006, I-3039, UR 2006, 530, BFH/NV Beilage 2006, 286) nicht zu entnehmen, dass die Zuordnungsentscheidung bzgl. der Eingangsleistungen bei Optionsfällen bis zum Zeitpunkt der Optionsausübung hinausgeschoben werden könne. Vielmehr erfordere die Gewährung des Vorsteuerabzugs eine durch konkrete und objektive Nachweise belegte fiktive Option zur Steuerpflicht im Zeitpunkt des Leistungsbezugs. Die Voraussetzungen einer solchen Option seien aber nicht erfüllt. Denn bei den Mietern, denen der Kläger die Wohnungen vermietet habe, hätte deren betriebliche Veranlassung der Wohnungsüberlassung an ihre Arbeitnehmer nicht die privaten Nutzungsinteressen der Arbeitnehmer überlagert (Hinweis auf BFH-Urteil vom 21. Juli 1994 V R 21/92, BFHE 175, 169, BStBl II 1994, 881).

13

Das FA beantragt,
die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als sie der Klage stattgegeben hat, die Klage hinsichtlich der Streitjahre 2003 und 2004 abzuweisen und hinsichtlich der Streitjahre 2005 und 2006 die Sache an das FG zurückzuverweisen.

14

Der Kläger beantragt,
die Revision des FA zurückzuweisen.

15

Mit seiner Anschlussrevision beantragt der Kläger, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde, und unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 9. Mai 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 5. September 2007
- den Umsatzsteuerbescheid für 2003 vom 26. März 2004,
- den Umsatzsteuerbescheid für 2004 vom 21. August 2006,
- den Umsatzsteuerbescheid für 2005 vom 5. Juli 2007 und
- den Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 22. Februar 2010
dahingehend zu ändern, dass insgesamt weitere Vorsteuern in Höhe von 39.291 € für 2003, von 31.378 € für 2004, von 39.529 € für 2005 und von 3.528 € für 2006 berücksichtigt werden.

16

Hilfsweise beantragt der Kläger, soweit die Klage abgewiesen wurde, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das FG zurückzuverweisen.

17

Er tritt dem Vorbringen des FA entgegen. Die Zuordnungsentscheidung zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs, die das FG tatsächlich festgestellt habe, sei zu unterscheiden von der Vorsteuerabzugsberechtigung, die von der Ausübung des Optionsrechts abhänge und die hier in den Umsatzsteuererklärungen vorgenommen worden sei.

18

Hinsichtlich der Zuordnungsentscheidung trägt er ergänzend vor, eine solche könne auch rückwirkend geltend gemacht werden. Es gebe keine gesetzliche Regelung, die das Recht auf Vorsteuerabzug davon abhängig mache, dass eine solche neben der Vermietungsabsicht zusätzlich zeitnah getroffen werde. Eine Zuordnungsentscheidung könne daher bei Beachtung des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) auch nicht im Falle eines gemischtgenutzten Gebäudes gefordert werden. Letzteres gelte auch hinsichtlich der jüngeren Rechtsprechung, die erst nach den Streitjahren ergangen sei. Wenn nach dem Gemeinschaftsrecht eine rückwirkende Rechnungsberichtigung möglich sei, könne nicht am Erfordernis einer zeitnahen, zukunftsorientierten Zuordnungsentscheidung festgehalten werden.

19

Der EuGH habe in seiner Entscheidung vom 22. März 2012 C-153/11 --Klub-- (UR 2012, 606, Höchstrichterliche Rechtsprechung --HFR-- 2012, 559) bekräftigt, dass der Steuerpflichtige entscheiden könne, ob und inwieweit er einen Gegenstand für unternehmerische oder private Zwecke verwenden wolle. Dabei habe der EuGH erneut nicht gefordert, es müsse eine zeitnahe Zuordnungsentscheidung für die Zukunft getroffen worden sein. Er habe dies dadurch verdeutlicht, dass der Steuerpflichtige sich auch dann für eine steuerpflichtige Vermietung entscheiden könne, wenn er den Gegenstand nicht sofort für Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit verwende. Das EuGH-Urteil vom 12. Juli 2012 C-284/11 --EMS-- (UR 2012, 642) gehe in die gleiche Richtung.

20

Wenn der BFH an dem Postulat einer zeitnahen Zuordnung festhalten wolle, sei dem EuGH die Frage vorzulegen, ob dies mit der Rechtsprechung des EuGH konform gehe.

21

Das FG habe zutreffend entschieden, dass nach dem EuGH-Urteil --Uudenkaupungin kaupunki-- (Slg. 2006, I-3039, UR 2006, 530, BFH/NV Beilage 2006, 286) für den Vorsteuerabzug weder die sofortige Verwendung des Gutes für besteuerte Umsätze erforderlich sei, noch der Vorsteuerabzug für Investitionen, die vor Ausübung der Option getätigt wurden, ausgeschlossen werden dürfe.

22

Dass er (der Kläger) bereits zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs beabsichtigt habe, die Wohnungen (steuerpflichtig) zu vermieten, habe das FG bindend festgestellt. Ebenso habe es zutreffend entschieden, dass seine Mieter die Wohnungen zu eigenbetrieblichen Zwecken ihren Arbeitnehmern überlassen hätten. Ein Nachweis objektiver Anhaltspunkte dafür, dass er (der Kläger) bereits zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs die Absicht gehabt habe, eine zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen zu wollen sei weder im Umsatzsteuergesetz (UStG) noch in der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) vorgesehen und könne daher unter Beachtung von Art. 20 Abs. 3 GG nicht gefordert werden.

23

Das FG habe aber zu Unrecht den Vorsteuerabzug nur in Höhe von 12 % statt 20 % der Gesamtherstellungskosten des Gebäudes angesetzt. Nach dem Gesetz sei es Sache des Steuerpflichtigen, eine sachgerechte Schätzung vorzulegen. FA und FG hätten nur eine Überprüfungsfunktion. Das FG dürfe nur dann eine eigene Schätzung vornehmen, wenn es begründe, dass die Schätzung des Klägers nicht sachgerecht sei. Darlegungen dazu enthalte das FG-Urteil nicht.

24

Das FA beantragt, die Anschlussrevision zurückzuweisen.

25

Während des Revisionsverfahrens hat das FA am 22. Februar 2010 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für 2006 erlassen.

Entscheidungsgründe

26

II. Die Revision des FA ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage hinsichtlich der Streitjahre 2003 und 2004 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Hinsichtlich der Streitjahre 2005 und 2006 führt sie zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Die Anschlussrevision des Klägers ist zulässig, aber unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

27

A. Die Vorentscheidung ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen insoweit aufzuheben, als das FG über die Festsetzung der Umsatzsteuer für das I. Quartal 2006 entschieden hat.

28

Denn das FA hat den Umsatzsteuerbescheid für 2006 während des Revisionsverfahrens mit Bescheid vom 22. Februar 2010 geändert. Damit liegt dem FG-Urteil ein in seiner Wirkung suspendierter Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil insoweit keinen Bestand mehr haben kann; der Senat kann jedoch auf der Grundlage der gleichwohl fortgeltenden finanzgerichtlichen Feststellungen entscheiden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. September 2007 VIII R 38/04, BFH/NV 2008, 37, m.w.N.).

29

Daran ändert es auch nichts, dass der Kläger vorträgt, er habe gegen den Jahresumsatzsteuerbescheid für 2006 vom 22. Februar 2010 Einspruch eingelegt. Denn nach § 68 Satz 2 FGO ist ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt insoweit ausgeschlossen. Die in § 68 Satz 1 FGO getroffene Anordnung steht mithin nicht zur Disposition des Klägers (vgl. z.B. Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 68 FGO Rz 85 ff.).

30

B. Die Revision des FA ist zulässig und begründet.

31

I. Die Revisionsbegründung des FA erfüllt entgegen der Ansicht des Klägers die Anforderungen des § 120 Abs. 3 FGO. Sie enthält einen --klaren-- Revisionsantrag (vgl. § 120 Abs. 3 Nr. 1 FGO) und bezeichnet --eindeutig-- die Umstände, aus denen sich die geltend gemachte Rechtsverletzung (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO) ergibt (vgl. § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO).

32

1. Das FA hat sich in der Revisionsbegründung --unter Angabe der Normen, die es für verletzt hält (§ 4 Nr. 12 Buchst. a, § 9 Abs. 2, § 15 Abs. 4 UStG)-- mit den tragenden Gründen des finanzgerichtlichen Urteils auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb es diese für unrichtig hält (vgl. zu diesen Anforderungen z.B. BFH-Beschlüsse vom 20. Oktober 2003 VIII R 59/00, BFH/NV 2004, 501; vom 27. November 2003 VII R 49/03, BFH/NV 2004, 521; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 120 Rz 58 ff., m.w.N.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 120 FGO Rz 85 ff.; Lange in HHSp, § 120 FGO Rz 176 ff., m.w.N.).

33

2. Dass das FA dabei seinen erstinstanzlichen Standpunkt nicht aufgegeben und wiederholt hat, ist entgegen der Ansicht des Klägers unschädlich. Eine bloße Bezugnahme auf erstinstanzliches Vorbringen ohne Auseinandersetzung mit der Begründung des angefochtenen Urteils (vgl. dazu z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 521) liegt nicht vor.

34

II. 1. a) Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Diese Vorschriften beruhen auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG. Danach ist der Steuerpflichtige, soweit er Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen. Bei richtlinienkonformer Auslegung wird für das Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG eine Leistung daher nur bezogen, wenn sie zur (beabsichtigten) Verwendung für Zwecke einer nachhaltigen und gegen Entgelt ausgeübten Tätigkeit bezogen wird, die im Übrigen steuerpflichtig sein muss, damit der Vorsteuerabzug nicht nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteile vom 15. Dezember 2011 V R 48/10, BFH/NV 2012, 808; vom 7. Juli 2011 V R 42/09, BFHE 234, 519, BFH/NV 2011, 1980; vom 27. Januar 2011 V R 38/09, BFHE 232, 278, BStBl II 2012, 68, unter II.2.b; vom 6. Mai 2010 V R 29/09, BFHE 230, 263, BStBl II 2010, 885, unter II.1.; vom 18. April 2012 XI R 14/10, unter II.1.).

35

b) Ist ein Gegenstand --wie das nach den Feststellungen des FG und dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten im Streitfall hergestellte Einfamilienhaus-- sowohl für den unternehmerischen Bereich als auch für den nichtunternehmerischen privaten Bereich des Unternehmers vorgesehen (gemischte Nutzung), wird der Gegenstand nur dann für das Unternehmen bezogen, wenn und soweit der Unternehmer ihn seinem Unternehmen zuordnet (vgl. EuGH-Urteil vom 8. März 2001 C-415/98 --Bakcsi--, Slg. 2001, I-1831, UR 2001, 149, BFH/NV Beilage 2001, 52, Leitsatz 1 sowie Rz 25). Insoweit hat der Steuerpflichtige (Unternehmer) nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und BFH ein Zuordnungswahlrecht. Er kann den Gegenstand insgesamt seinem Unternehmen zuordnen oder ihn in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen oder den Gegenstand entsprechend dem --geschätzten-- unternehmerischen Nutzungsanteil seinem Unternehmen und im Übrigen seinem nichtunternehmerischen Bereich zuordnen (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 11. Juli 1991 C-97/90 --Lennartz--, Slg. 1991, I-3795; vom 4. Oktober 1995 C-291/92 --Armbrecht--, Slg. 1995, I-2775; in Slg. 2001, I-1831, UR 2001, 149, BFH/NV Beilage 2001, 52; BFH-Urteile vom 7. Juli 2011 V R 21/10, BFHE 234, 531, BFH/NV 2012, 143; vom 19. Juli 2011 XI R 29/09, BFHE 234, 556, BStBl II 2012, 430, unter II.1.c, m.w.N.; vom 18. April 2012 XI R 14/10, unter II.2.).

36

c) Die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen erfordert eine durch Beweisanzeichen gestützte Zuordnungsentscheidung des Unternehmers, die zeitnah zu dokumentieren ist.

37

aa) Dabei ist die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs regelmäßig ein gewichtiges Indiz für, die Unterlassung eines möglichen Vorsteuerabzugs ein ebenso gewichtiges Indiz gegen die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen. Auch die bilanzielle und ertragsteuerrechtliche Behandlung kann ggf. ein Indiz für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung sein. Gibt es keine Beweisanzeichen für eine Zuordnung zum Unternehmen, kann diese nicht unterstellt werden (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 808, unter II.3.a, m.w.N.).

38

bb) Aus dem Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer folgt, dass die Zuordnungsentscheidung schon bei Anschaffung oder Herstellung des Gegenstands zu treffen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 31. Januar 2002 V R 61/96, BFHE 197, 372, BStBl II 2003, 813, unter II.2.b; in BFHE 221, 456, BStBl II 2009, 741, unter II.3.c, m.w.N.; vom 8. Oktober 2008 XI R 58/07, BFHE 223, 487, BStBl II 2009, 394, unter II.1.b; vom 18. April 2012 XI R 14/10, unter II.3.b).

39

Entgegen der Ansicht des Klägers vermag der Senat in dieser Voraussetzung des Vorsteuerabzugs keinen Verstoß gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Bindung der Gerichte an das Gesetz zu erkennen.

40

cc) Der V. Senat des BFH hat in mehreren Entscheidungen jüngst geklärt, dass die Zuordnungsentscheidung spätestens und mit endgültiger Wirkung in einer "zeitnah" erstellten Umsatzsteuererklärung für das Jahr, in das der Leistungsbezug fällt, nach außen dokumentiert werden kann, wobei insoweit der 31. Mai des Folgejahres als letztmöglicher Zeitpunkt in Betracht kommt (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 234, 531, BFH/NV 2012, 143; in BFHE 234, 519, BFH/NV 2011, 1980; in BFH/NV 2012, 808, unter 3.b).

41

Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an (vgl. bereits Urteil vom 18. April 2012 XI R 14/10, unter II.3.b) und verweist hinsichtlich der dafür maßgebenden Gründe zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des V. Senats des BFH in BFHE 234, 519, BFH/NV 2011, 1980 (unter II.3.) sowie in BFHE 234, 531, BFH/NV 2012, 143 (unter II.1. a bis f, jeweils m.w.N.).

42

d) Soweit sich der Kläger darauf beruft, aus der Rechtsprechung des EuGH ergebe sich, dass eine zeitnahe Zuordnung zusätzlich zur Vermietungsabsicht keine Voraussetzung für den Vorsteuerabzug sei, ist dem nicht zu folgen.

43

aa) Der EuGH hat bereits in seinem Urteil vom 14. Februar 1985  C-268/83 --Rompelmann-- (Slg. 1985, 655, Rz 24) zu der Frage, ob Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG so auszulegen ist, dass die Erklärung der Absicht, einen zukünftigen Gegenstand vermieten zu wollen, ausreicht, um die Bestimmung des erworbenen Gegenstands zur Verwendung für einen steuerbaren Umsatz zu bejahen und aus diesem Grund den Investierenden als Steuerpflichtigen anzusehen, festgestellt, dass derjenige, der einen Vorsteuerabzug vornimmt, nachzuweisen hat, dass die Voraussetzungen hierfür gegeben sindund insbesondere dass er Steuerpflichtiger ist. Nach dem EuGH-Urteil --Lennartz-- (Slg. 1991, I-3795, Rz 8 f. und 15) hängt das Bestehen eines Rechts auf Vorsteuerabzug davon ab, in welcher Eigenschaft eine Person zu diesem Zeitpunkt handelt.

44

Danach ist für den Vorsteuerabzug Voraussetzung, dass der Kläger die Vorleistungen für die Einliegerwohnungen bereits als Steuerpflichtiger bezogen hat, was voraussetzt, dass sie seinem Unternehmen zugeordnet wurden und dies der Finanzbehörde nachgewiesen wird. Eine, wie der Kläger meint, Statthaftigkeit einer rückwirkenden Zuordnung ist damit nicht vereinbar. Der Sachverhalt ist entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht mit dem einer Rechnungsberichtigung vergleichbar.

45

bb) Aus den vom Kläger angeführten neuen EuGH-Urteilen ergibt sich nichts anderes.

46

In dem Urteil --Klub-- (UR 2012, 606, HFR 2012, 559, Rz 39) führt der EuGH unter Hinweis auf die Rechtssache Lennartz aus, dass "die Anwendung des Mehrwertsteuersystems und damit des Abzugsmechanismus vom Erwerb des Gegenstands durch einen als solchen handelnden Steuerpflichtigen" abhänge. Er präzisiert dies in Rz 36 dahingehend, dass es insoweit darauf ankomme, dass "er zum Zeitpunkt des Erwerbs eines Gegenstands als solcher" handele.

47

Das Urteil --EMS-- (UR 2012, 642), auf das sich der Kläger ferner bezieht, betrifft einen nicht vergleichbaren Sachverhalt. Es ging nicht um ein gemischtgenutztes Wirtschaftsgut, sodass sich die Frage einer Zuordnung im Sinne der dargelegten EuGH-Rechtsprechung gar nicht stellte. Im Übrigen hat der EuGH in diesem Urteil u.a. ausgeführt, dass "die Mitgliedstaaten nach Art. 167 und Art. 179 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie vom Steuerpflichtigen verlangen können, dass er sein Recht auf Vorsteuerabzug während des Zeitraums ausübt, in dem es entstanden ist (UR 2012, 642, Rz 53).

48

2. Hinsichtlich der Streitjahre 2003 und 2004 entspricht das FG-Urteil diesen Grundsätzen nicht.

49

a) Es hat verkannt, dass der Vorsteuerabzug im Falle der Herstellung eines gemischtgenutzten Wirtschaftsguts u.a. voraussetzt, dass der Steuerpflichtige bereits beim Bezug der Leistungen für die Herstellung nicht nur beabsichtigt, die Einliegerwohnungen nach Fertigstellung steuerpflichtig zu vermieten, sondern dass er die für die Herstellung der Einliegerwohnungen bezogenen Leistungen auch zeitnah seinem Unternehmen zuordnet. Eine derartige Zuordnung liegt nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt nicht vor.

50

aa) Das FG hat zwar ausgeführt, es habe "keine Zweifel daran, dass der Kläger die beiden mit der Herstellung des Gebäudes errichteten Einliegerwohnungen seinem Unternehmen zugeordnet hat." Es hat dies folgendermaßen begründet:

51

"Bereits mit Schreiben vom 23. Dezember 2002 an die … hat der Kläger seine Absicht kundgetan, dass er bei der Bebauung des Grundstücks W-Straße beabsichtige, zwei Einliegerwohnungen von ca. 50qm bis 60qm Fläche zu errichten (Blatt 111 der Prozessakte). Aus der Beschreibung des Wohnhauses geht in keiner Weise hervor, dass diese Einliegerwohnungen vom Kläger selbst genutzt werden sollten. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch werden Einliegerwohnungen vielmehr getrennt von den eigenen Räumen genutzt, so dass auch hier zu vermuten ist, dass mit der Bezeichnung als Einliegerwohnung impliziert ist, dass diese vermietet werden sollen. Zudem war der Kläger bereits vor Errichtung des Gebäudes W-Straße als Vermieter tätig. Die Firma X hat mit Schreiben vom 3. April 2006 dem Kläger auch bestätigt, dass bereits im Frühjahr 2003 Gespräche über die Vermietung der beiden Einliegerwohnungen stattgefunden haben (Blatt 48 der Prozessakte). Auch aus dem bei der Stadt … am 14. Februar 2003 eingereichten ursprünglichen Bauantrag geht hervor, dass die Errichtung einer Einliegerwohnung beabsichtigt war. ... Es ist jedoch für das Gericht nachvollziehbar, dass der Kläger auf Grund der Gesamtnutzfläche des Bauvorhabens die Vermietung von zwei Einliegerwohnungen von vorneherein beabsichtigt hat und das Gericht sieht diese Absicht mit den vorgenannten beiden Schreiben bestätigt. Die vorneherein beabsichtigte Vermietung wird auch dadurch bestätigt, dass diese später tatsächlich so erfolgt ist."

52

Aus diesen Ausführungen ergibt sich aber nur, dass die Wohnungen nach Überzeugung des FG entgeltlich vermietet und damit unternehmerisch genutzt werden sollten.

53

bb) Eine solche Vermietungsabsicht ist zwar eine für den Vorsteuerabzug notwendige Voraussetzung, weil andernfalls bereits eine unternehmerische Nutzungsabsicht fehlen würde, sie ist aber im Falle eines gemischtgenutzten Wirtschaftsguts noch keine für den Abzug hinreichende Voraussetzung. Denn bei einem gemischtgenutzten Gebäude steht es dem Steuerpflichtigen nach der Rechtsprechung frei, das Gebäude in vollem Umfang --d.h. auch hinsichtlich des unternehmerisch genutzten Anteils-- seinem nichtunternehmerischen Bereich zuzuordnen und damit dem Mehrwertsteuersystem zu entziehen; in diesem Fall scheidet ein Vorsteuerabzug aus (vgl. z.B. EuGH-Urteile in Slg. 2001, I-1831, UR 2001, 149, BFH/NV Beilage 2001, 52, Rz 27; vom 23. April 2009 C-460/07 --Puffer--, Slg. 2009, I-3251, UR 2009, 410, BFH/NV 2009, 1056, Leitsatz 1).

54

Da das FG zu Unrecht die Vermietungsabsicht der davon zu unterscheidenden Zuordnung des Gebäudes gleichgesetzt hat, stellt sich die rechtliche Schlussfolgerung des FG als unzutreffend dar; sie vermag daher entgegen der Ansicht des Klägers keine Bindungswirkung i.S. des § 118 Abs. 2 FGO zu entfalten.

55

b) Zu Unrecht geht das FG ferner davon aus, das Recht auf Vorsteuerabzug ergebe sich daraus, dass der Kläger die Mieteinnahmen der beiden Wohnungen im Jahre 2007 der Umsatzsteuer unterworfen habe.

56

aa) Zwar setzt eine wirksame Ausübung der Option zur Umsatzsteuerpflicht voraus, dass der Gegenstand dem Unternehmen zuvor zugeordnet und damit Gegenstand des Mehrwertsteuersystems geworden ist. Aus der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung im Jahre 2007 ergibt sich aber nicht, dass die Vorleistungen bereits bei ihrem Bezug im Jahre 2003 und 2004 dem Unternehmen zugeordnet worden sind. Vielmehr ist es möglich, dass der Kläger die Wohnungen bspw. erst anlässlich der Vermietung im Jahre 2007 in sein Unternehmen eingelegt hat; in diesem Falle wäre ein Abzug der auf den Einliegerwohnungen aus den Leistungsbezügen der Jahre 2003 und 2004 lastenden Vorsteuer nicht zulässig (vgl. z.B. EuGH-Urteil in Slg. 1991, I-3795, Rz 8 f.; BFH-Urteile in BFHE 221, 456, BStBl II 2009, 741, unter II.4.; vom 1. Dezember 2010 XI R 28/08, BFHE 233, 53, BStBl II 2011, 994, unter II.2.b).

57

bb) Soweit sich das FG hierzu auf das EuGH-Urteil --Uudenkaupungin kaupunki-- (Slg. 2006, I-3039, UR 2006, 530, BFH/NV Beilage 2006, 286) bezieht, verkennt es, dass es sich dort um kein gemischtgenutztes, sondern um ein ausschließlich unternehmerisch genutztes Wirtschaftsgut gehandelt hat und das Abzugsrecht deshalb bereits beim Bezug entstanden war, soweit die bezogenen Gegenstände für Zwecke besteuerter Umsätze verwendet werden sollten (vgl. BFH-Urteil vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.1.c).

58

Zudem betrifft dieses Urteil --anders als der Streitfall-- die Berichtigung von Vorsteuerabzügen nach § 15a UStG bzw. Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Diese Vorschriften beschränken sich darauf, das Verfahren für die Berechnung der Berichtigung des Vorsteuerabzugs festzulegen und setzen voraus, dass ein Recht auf Vorsteuerabzug bereits entstanden ist (vgl. z.B. EuGH-Urteil in Slg. 1991, I-3795, Rz 8 f.; BFH-Urteile in BFHE 221, 456, BStBl II 2009, 741, unter II.4.; in BFHE 233, 53, BStBl II 2011, 994, unter II.2.b).

59

c) Aus den Feststellungen des FG ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Einliegerwohnungen in den Streitjahren seinem Unternehmen zugeordnet hätte und auch nichts für eine Dokumentation dieser Zuordnung gegenüber dem FA bis zum 31. Mai des jeweiligen Folgejahres.

60

Nachdem die wegen der gemischten Nutzung des Gebäudes notwendige Zuordnung der Einliegerwohnungen zum --unstreitig bereits in der B- und der K-Straße bestehenden-- Vermietungsunternehmen des Klägers für die Streitjahre 2003 und 2004 nicht unterstellt werden kann (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 28. Februar 2002 V R 25/96, BFHE 198, 216, BStBl II 2003, 815; in BFHE 221, 456, BStBl II 2009, 741, unter II.3.c; vom 17. Dezember 2008 XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798, unter II.3.c aa), ist vorliegend von einer Zuordnung der in den Jahren 2003 und 2004 für die Herstellung der Einliegerwohnungen bezogenen Leistungen zu seinem nichtunternehmerischen Bereich auszugehen, mit der Folge, dass insoweit ein Vorsteuerabzug ausscheidet. Die Vorentscheidung war daher hinsichtlich der Streitjahre 2003 und 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

61

3. Hinsichtlich der Streitjahre 2005 und 2006 liegen zwar nach den tatsächlichen Feststellungen des FG Anhaltspunkte für eine Zuordnung zum Unternehmen bereits beim Bezug der jeweiligen Leistungen für die beiden Einliegerwohnungen vor. Denn der Kläger hat den streitigen Vorsteuerabzug betreffend 2005 bereits im Februar 2006 und den Vorsteuerabzug betreffend 2006 in den laufenden Umsatzsteuer-Voranmeldungen in 2006 geltend gemacht. Aus der Zuordnung allein folgt aber noch nicht zwingend, dass der Kläger zum Sofortabzug der jeweiligen Vorsteuern berechtigt war.

62

a) Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist vom Vorsteuerabzug u.a. ausgeschlossen die Steuer für die Lieferung von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet.

63

aa) Zu diesen vorsteuerabzugsschädlichen Umsätzen gehört auch die gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreie Vermietung und Verpachtung von Grundstücken. Nach § 9 Abs. 1 UStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung kann der Unternehmer zwar einen Umsatz, der nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Die Regelung beruht auf Art. 13 Teil C der Richtlinie 77/388/EWG. Danach können die Mitgliedstaaten ihren Steuerpflichtigen das Recht einräumen, für eine Besteuerung der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken zu optieren; sie können den Umfang des Optionsrechts einschränken und bestimmen die Modalitäten seiner Ausübung.

64

Der Verzicht auf die Steuerbefreiung ist bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG) aber gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Diese Voraussetzungen hat der Unternehmer nachzuweisen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 UStG).

65

bb) Der Verzicht auf eine Steuerbefreiung geschieht regelmäßig dadurch, dass der Steuerpflichtige den in § 9 Abs. 1 UStG genannten Umsatz dem Leistungsempfänger unter besonderem Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnung stellt. Der Verzicht kann aber auch in anderer Weise durch schlüssiges Verhalten erklärt werden, soweit aus den Erklärungen und sonstigen Verlautbarungen, in die das gesamte Verhalten einzubeziehen ist, der Wille zum Verzicht eindeutig hervorgeht (vgl. BFH-Urteil vom 16. Juli 1997 XI R 94/96, BFHE 183, 301, BStBl II 1997, 670).

66

Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH (vgl. etwa Urteile vom 8. Juni 2000 C-400/98 --Breitsohl--, Slg. 2000, I-4321, BStBl II 2003, 452, UR 2000, 329, und C-396/98 --Schlossstrasse--, Slg. 2000, I-4279, BStBl II 2003, 446, UR 2000, 336) ist § 15 Abs. 1 UStG richtlinienkonform so zu verstehen, dass ein Leistungsempfänger bereits bei Leistungsbezug das Recht auf Vorsteuerabzug als Unternehmer hat, wenn er die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine wirtschaftliche --und steuerpflichtige-- Tätigkeit (d.h. Umsätze gegen Entgelt) mit diesen Leistungsbezügen auszuüben und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke tätigt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 8. März 2001 V R 24/98, BFHE 194, 522, BStBl II 2003, 430; vom 25. April 2002 V R 58/00, BFHE 200, 434, BStBl II 2003, 435; vom 28. November 2002 V R 51/01, BFH/NV 2003, 515).

67

Es bedarf im Streitfall daher der Prüfung, ob die Erklärung, eine zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen zu wollen, in gutem Glauben abgegeben worden ist und durch objektive Anhaltspunkte belegt wird (vgl. insbes. Rz 41 des EuGH-Urteils in Slg. 2000, I-4279, BStBl II 2003, 446, UR 2000, 336, und Rz 40 des EuGH-Urteils in Slg. 2000, I-4321, BStBl II 2003, 452, UR 2000, 329). Dabei ist jeweils der Zeitpunkt des Leistungsbezugs maßgeblich, zu dem das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht (BFH-Urteil in BFHE 194, 522, BStBl II 2003, 430).

68

cc) Auch insoweit folgt der Senat nicht der Auffassung des Klägers, diese Anforderung verstoße gegen Art. 20 Abs. 3 GG.

69

b) Aus den Feststellungen des FG ergibt sich nicht, ob der Kläger bereits zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs in gutem Glauben erklärt hat, eine zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen zu wollen, und ob diese Absicht durch objektive Anhaltspunkte belegt wird (vgl. insbes. Rz 41 des EuGH-Urteils in Slg. 2000, I-4279, BStBl II 2003, 446, UR 2000, 336, und Rz 40 des EuGH-Urteils in Slg. 2000, I-4321, BStBl II 2003, 452, UR 2000, 329; BFH-Urteil vom 22. Februar 2001 V R 77/96, BFHE 194, 498, BStBl II 2003, 426).

70

Soweit der Kläger die Wohnungen im Jahr 2007 an Unternehmen vermietet hat, die diese --nach der vom FA mit der Revision (ebenfalls) angegriffenen Ansicht des FG, die allerdings auf einem unzureichend aufgeklärten Sachverhalt beruht-- wiederum aus eigenbetrieblichen Zwecken Mitarbeitern zur vorübergehenden Nutzung zur Verfügung stellen wollten und auch tatsächlich gestellt haben, und die betreffenden Mieteinnahmen der Umsatzsteuer unterworfen hat, folgt daraus noch nicht mit der notwendigen Gewissheit, dass er entsprechende Absichten bereits in den Streitjahren 2005 und 2006 hatte und diese nach außen dokumentiert hat.

71

c) Die Vorentscheidung war daher hinsichtlich der Streitjahre 2005 und 2006 aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie geht insoweit zurück, damit das FG die fehlenden Feststellungen nachholen kann, insbesondere dazu, ob der Kläger bereits zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hatte, mit den Einliegerwohnungen Umsätze zu erzielen, für die der Vorsteuerabzug nicht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen ist.

72

C. Die Anschlussrevision des Klägers ist gemäß § 155 FGO i.V.m. § 554 der Zivilprozessordnung zulässig, aber nicht begründet.

73

I. Der Kläger wendet sich mit seiner Anschlussrevision dagegen, dass das FG bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge nur 12 % --statt der geltend gemachten 20 %-- der insgesamt angefallenen Vorsteuerbeträge als abziehbar anerkannt hat.

74

II. Die Einwendungen des Klägers sind unbegründet.

75

1. Im Ergebnis ohne Erfolg macht der Kläger unter Hinweis auf den Wortlaut des § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG geltend, dass die danach vorgesehene Schätzungsbefugnis dem Unternehmer zugewiesen sei.

76

Denn bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG ist es zwar grundsätzlich Sache des Unternehmers, zu entscheiden, welche Schätzungsmethode er wählt; das FA --und damit auch das FG-- können aber nach ständiger Rechtsprechung des BFH nachprüfen, ob die Schätzung sachgerecht ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. Mai 2005 V B 200/04, BFH/NV 2005, 1641; vom 27. November 2008 XI B 60/08, BFH/NV 2009, 431; BFH-Urteil vom 15. Oktober 2009 XI R 82/07, BFHE 227, 238, BStBl II 2010, 247, unter II.1.a).

77

Das FG hat ausgeführt, die vom Kläger auf Aufforderung durch das Gericht vorgetragene Aufteilung der Vorsteuern aus der Errichtung des Gebäudes im Verhältnis von 20 % für die Einliegerwohnung zu 80 % für die selbstgenutzte Wohnung sei nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar. Das FA habe beispielhaft anhand der Rechnungsbeträge für Fenster/Türen nachvollziehbar dargelegt, dass diese Vorsteuer-Aufteilung nicht den tatsächlichen für die Errichtung der Einliegerwohnung aufgewendeten Herstellungskosten entsprechen könne und dass Positionen für Heizung/Sanitär und Elektro in nicht unerheblichem Umfang auch Kosten für die Schwimmbadtechnik enthielten. Allein aus dem Flächenverhältnis von Gesamtnutzfläche des Gebäudes zu den Flächen der Einliegerwohnung habe das FA einen Anteil von 11,8 % errechnet.

78

2. Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich dem FG-Urteil danach nicht entnehmen, dass es "unter Negierung des § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG" die Schätzungsbefugnis dem FA zugewiesen hat. Vielmehr hat es sich sowohl beispielhaft mit einzelnen Positionen der der klägerischen Aufteilung zugrunde liegenden Schätzung befasst, als auch mit deren Plausibilität insgesamt. Es ist zu der begründeten Auffassung gelangt, die Schätzung des Klägers sei nicht sachgerecht und könne deshalb der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden.

79

Das FG hat damit hinreichend begründet, warum es den vom Kläger gewählten Aufteilungsschlüssel als unangemessen verworfen und unter den gegebenen Voraussetzungen nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO eine eigene Schätzungsbefugnis hat.

80

Die Rüge des Klägers, das FG habe "unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG im Urteil unerwähnt gelassen und damit nicht verarbeitet", wie er zu der von ihm im Schriftsatz vom 21. Januar 2009 beschriebenen prozentualen Aufteilung gelangt sei und was er dazu ausgeführt habe, ist unbegründet. Auf die Herleitung der Aufteilung und die Ausführungen des Klägers dazu musste das FG in seinem Urteil nicht näher eingehen. Es genügte, dass es begründet hat, warum die vom Kläger vorgenommene Vorsteueraufteilung "nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar" ist (Urteil, S. 12).

81

Ein Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vortrag in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausdrücklich zu befassen; grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2007 XI R 25/07, BFH/NV 2008, 339; BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2010 XI B 46/10, BFH/NV 2011, 448, m.w.N.).

82

3. Das FG hat die von ihm im Wege der Schätzung vorgenommene Aufteilung der Vorsteuerbeträge auch im Einzelnen begründet. Ausgehend von dem BFH-Urteil vom 22. November 2007 V R 35/06 (BFH/NV 2008, 628), dem zufolge die Aufteilung im Verhältnis der Nutzflächen vorzunehmen ist, hat es zunächst den Anteil der Herstellungskosten für die Einliegerwohnungen auf 12 % der Gesamtherstellungskosten geschätzt. Sodann hat es zur Ermittlung der Vorsteuerbeträge eine Rückrechnung vorgenommen, der es die beantragten Vorsteuerbeträge einerseits und die Ermittlungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung andererseits zugrunde gelegt hat.

83

Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Der Senat teilt nicht die Auffassung des Klägers, die vom FG anerkannten Vorsteuerbeträge seien rechnerisch nicht herzuleiten.

84

Nach den vom FG festgestellten Nutzflächen beläuft sich der Anteil der Einliegerwohnungen (58 qm + 65 qm) an der Gesamtnutzfläche (1 128 qm) auf 11 %; dass die vom FG angenommenen 12 % hiervon abweichen, ist insoweit unbeachtlich, als sich dies zugunsten des Klägers auswirkt.

85

D. Der Senat sieht angesichts der bereits vorliegenden und vorstehend dargelegten Rechtsprechung des EuGH --entgegen der Ansicht des Klägers-- die Voraussetzungen für eine Vorlage der Sache an den EuGH gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union nicht als gegeben an.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;
2.
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer);
5.
der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

(1a) Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

(2) Inland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen im Sinne des Artikels 243 des Zollkodex der Union (Freihäfen), der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. Ausland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das danach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1; L 287 vom 20.10.2013, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(2a) Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Inland im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (übriges Gemeinschaftsgebiet). Das Fürstentum Monaco gilt als Gebiet der Französischen Republik; die Insel Man gilt als Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Drittlandsgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist.

(3) Folgende Umsätze, die in den Freihäfen und in den Gewässern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt werden, sind wie Umsätze im Inland zu behandeln:

1.
die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen, die zum Gebrauch oder Verbrauch in den bezeichneten Gebieten oder zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt sind, wenn die Gegenstände
a)
nicht für das Unternehmen des Abnehmers erworben werden, oder
b)
vom Abnehmer ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
2.
die sonstigen Leistungen, die
a)
nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden, oder
b)
vom Leistungsempfänger ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
3.
die Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und die sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a;
4.
die Lieferungen von Gegenständen, die sich im Zeitpunkt der Lieferung
a)
in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung oder
b)
einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden;
5.
die sonstigen Leistungen, die im Rahmen eines Veredelungsverkehrs oder einer Lagerung im Sinne der Nummer 4 Buchstabe a ausgeführt werden;
6.
(weggefallen)
7.
der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch die in § 1a Abs. 3 und § 1b Abs. 1 genannten Erwerber.
Lieferungen und sonstige Leistungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren innergemeinschaftlicher Erwerb in den bezeichneten Gebieten sind als Umsätze im Sinne der Nummern 1 und 2 anzusehen, soweit der Unternehmer nicht anhand von Aufzeichnungen und Belegen das Gegenteil glaubhaft macht.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war in den Streitjahren (2001 und 2002) beim Betrieb eines grenzüberschreitenden Nachtzugs zwischen B im Inland und M im Ausland tätig. Die Tätigkeit der Klägerin erfolgte aufgrund von Vereinbarungen mit der im Ausland ansässigen S.

2

Das von der Klägerin und S abgeschlossene "Abkommen" vom 1. Januar 2002 bezog sich auf die Führung eines Nachtzugpaares zwischen den Orten B und M. Nach Nr. 3 der Vereinbarung wurden alle Einnahmen und Kosten des Verkehrs bei S zusammengefasst. Gewinn und Verlust für die Verkehrsperiode sollten zu gleichen Teilen auf beide Parteien aufgeteilt werden. Zur Festlegung von Gewinn und Verlust waren sämtliche Einnahmen während der Vertragsperiode den Kosten der S und der Klägerin gegenüberzustellen.

3

Nach dem "Abkommen" hatte die Klägerin der S einmal monatlich Rechnungen über die von ihr getragenen Kosten auf deutscher Seite zu übersenden. Zu diesen Kosten gehörten der Service in verschiedenen Bahnhöfen im Inland, Trassen-, Traktions- und Versicherungskosten im Inland sowie die Kosten aus einer Vereinbarung mit M über die Betreuung von Schlaf- und Liegewagen. Alle Einnahmen wurden bei S gesammelt, die das Buchungssystem für den Nachtzug betrieb. Nach Nr. 4 des Abkommens war S "platzzuteilende Bahn" für den Nachtzug. S bot europäischen Eisenbahnverwaltungen die Buchung von Fahrscheinen an. Die Klägerin verkaufte demgegenüber keine Fahrkarten und stellte keine Tickets aus, da diese ausschließlich durch S emittiert wurden, der auch alle Einnahmen zuflossen.

4

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Klägerin auf der Grundlage des "Abkommens" im Inland umsatzsteuerpflichtige Leistungen an S erbracht habe, und erließ am 21. Mai 2004 geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, der insoweit Erfolg hatte, als das FA in den Änderungsbescheiden vom 12. Januar 2005 die von S erhaltenen Zahlungen nicht als Entgelt, sondern als Gegenleistung einschließlich Umsatzsteuer behandelte. Im Übrigen wies das FA den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 9. Mai 2005 als unbegründet zurück.

5

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Das FG ging von im Inland steuerpflichtigen Leistungen aus. Die Klägerin habe sich als inländischer privater Eisenbahnunternehmer mit einem Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Sitz im Ausland zu einer internationalen Gruppierung zum Zwecke der Erbringung von grenzüberschreitenden Eisenbahndienstleistungen zusammengeschlossen. Nach der zwischen der Klägerin und S abgeschlossenen Vereinbarung sei der Verkehr im Ausland durch S und im Inland durch die Klägerin abgewickelt worden. Hieraus seien keine finanziellen Verpflichtungen untereinander erwachsen. Es handele sich um Personenbeförderungsleistungen, die im Inland steuerbar und nicht nach § 4 Nr. 6 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) steuerbefreit seien. Der Ort der Beförderungsleistung bestimme sich gemäß § 3b Abs. 1 Satz 1 UStG danach, wo die Beförderung bewirkt werde. Da die Klägerin nur für die Abwicklung des Verkehrs auf der inländischen Teilstrecke zu sorgen gehabt habe, habe sie Beförderungsleistungen auch nur für diesen Streckenabschnitt besorgt. Ihre Leistungen erstreckten sich nur auf das Inland. Eine Aufteilung in einen inländischen und einen ausländischen Streckenanteil nach § 3b Abs. 1 Satz 2 UStG sei nicht erforderlich gewesen. Es sei unerheblich, dass die Beförderung auch im Ausland weiter geführt worden sei. § 4 Nr. 6 Buchst. a UStG sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und im Streitfall nicht anzuwenden. Für die insoweit erforderliche Einordnung als Betriebswechselbahnhof könne unabhängig von den durch die Eisenbahnunternehmer in den Vordergrund gestellten Usancen im Eisenbahnverkehr für umsatzsteuerrechtliche Zwecke nicht allein auf die Vereinbarung der beteiligten Eisenbahnunternehmen abgestellt werden. Erforderlich sei ein Grenzbezug, der bei einer Entfernung von ca. 300 km nicht mehr gegeben sei.

6

Einen Tatbestandsberichtigungsantrag zur Frage des Inhalts des Zugtickets lehnte das FG mit Beschluss vom 15. November 2011 ab. Das dem FG vorliegende Zugticket weise allein auf S, nicht aber auch auf die Klägerin hin.

7

Gegen das Urteil des FG wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie rügt Verletzung materiellen und formellen Rechts. Ihre Leistungen seien nach § 4 Nr. 6 Buchst. a UStG steuerfrei, da diese Vorschrift nach dem Neutralitätsgrundsatz nicht nur auf Eisenbahnen des Bundes anzuwenden sei. Von einem Betriebswechselbahnhof sei dann auszugehen, wenn die beteiligten Eisenbahnen einen Tarifschnitt an Bahnhöfen vereinbarten und wenn von diesem Bahnhof bis zur Grenze kein kommerzieller Zwischenhalt stattfinde. Der Bahnhof X-Y sei auch deshalb als Betriebswechselbahnhof anzusehen, weil einem Antrag beim Bundesverkehrsministerium nicht widersprochen worden sei.

8

Das FG habe auch gegen § 3b UStG verstoßen. Die Sachverhaltswürdigung des FG sei offenkundig falsch. Sie, die Klägerin, habe im Wesentlichen Traktionsleistungen erbracht. Zwischen ihr und S liege eine internationale Gruppierung vor. Bei der Traktionsleistung handele es sich um eine gegenüber der Personenbeförderung eigenständige Leistung. Sie sei auf einer fiskalisch ausländischen Strecke tätig geworden.

9

Es sei bis zur mündlichen Verhandlung vor dem FG unstreitig gewesen, dass sie gemeinsam mit S nach außen aufgetreten sei. Erstmals im Urteil habe das FG einen abweichenden Sachverhalt zugrunde gelegt und angenommen, dass nicht sie, sondern nur S nach außen in Erscheinung getreten sei. Die Annahme des FG, das vorgelegte Ticket weise allein S aus, sei unzutreffend, da das Ticket auch die Klägerin nenne. Das FG sei daher von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Sie habe erfolglos versucht, dies durch einen Tatbestandsberichtigungsantrag und eine Anhörungsrüge zu korrigieren. Im Übrigen komme es auf den Außenauftritt auf den Fahrscheinen nicht entscheidend an, da auch die Werbung für den Nachtzug zu berücksichtigen sei. Es sei geradezu lebensfremd und stehe in Widerspruch zu jeglichem Erfahrungssatz, dass sie, die Klägerin, am Zugbetrieb nur verdeckt beteiligt gewesen sei und ihre Beteiligung an diesem Prestigeprojekt geheim gehalten habe. Hätte das FG einen entsprechenden Hinweis erteilt, hätte sie vorgetragen, dass die Nennung nur im Zusammenhang mit dem Mehrwertsteuerausweis erfolgt sei. Maßgeblich seien aber nicht Fahrkarten, sondern ihr gemeinsamer Außenauftritt mit S auf Werbeträgern und im Internet. Das FG habe nicht darauf hingewiesen, dass es nicht vom Vorliegen einer Gewinnpoolung ausgehe. Das FG habe § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verletzt und sei seiner Hinweispflicht nach § 76 Abs. 2 FGO nicht nachgekommen. Das FG habe auch die Erörterungspflicht nach § 93 Abs. 1 FGO verletzt. Verletzt sei auch der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 1 und 2 FGO), da das FG tatsächliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen habe. Ihr Vortrag zur Gewinnpoolung sei nicht berücksichtigt worden. Es liege eine Überraschungsentscheidung vor. Die Gewinnabhängigkeit des Aufwendungsersatzes ergebe sich auch aus Rückzahlungen im Jahr 2008. Es handele sich zudem um eine Beförderung von Gegenständen. Für das Vorliegen einer Grenzbetriebsstrecke reiche es aus, dass auf dieser Strecke kein Zwischenhalt erfolge.

10

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung vom 9. Mai 2005 aufzuheben und unter Aufhebung der geänderten Umsatzsteuerbescheide für 2001 und 2002 vom 12. Januar 2005 und 21. Mai 2005 die Klägerin erklärungsgemäß zu veranlagen.

11

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

12

Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit lägen nicht vor. § 3b UStG sei nicht verletzt, da die Klägerin eine einheitliche Beförderungsleistung erbracht habe. Es liege auch kein Gewinnpool vor. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit aufgrund der Leistungserbringung auf einer Grenzbetriebsstrecke lägen nicht vor. Schließlich seien auch keine Verfahrensfehler gegeben.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Klägerin hat nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG als Unternehmer Leistungen im Inland gegen Entgelt im Rahmen ihres Unternehmens ausgeführt. Die Leistungen sind mangels Steuerbefreiung auch steuerpflichtig.

14

1. Die Klägerin erbrachte aufgrund des mit der S geschlossenen Abkommens Leistungen gegen Entgelt.

15

a) Die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbare Leistung gegen Entgelt setzt nach übereinstimmender Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) voraus, dass zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, so dass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II.1.a, m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH).

16

Auch Leistungen, die ein Gesellschafter an seine Gesellschaft erbringt, sind steuerbar, wenn ihnen ein Rechtsverhältnis zugrunde liegt, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet. So liegt ein steuerbarer Leistungsaustausch z.B. dann vor, wenn der Gesellschafter einen Gegenstand nicht gegen Beteiligung am Gewinn und Verlust in seine Gesellschaft einbringt, sondern ihn ihr im Wege der Verpachtung gegen Zahlung eines Pachtzinses zur Verfügung stellt (EuGH-Urteil vom 27. Januar 2000 C-23/98, Heerma, Slg. 2000, I-419 Rdnr. 13). Ebenso liegt bei einem Konsortium ein steuerbarer Leistungsaustausch vor, wenn Arbeiten, die die Mitglieder eines Konsortiums entsprechend ihrem jeweiligen Arbeitsanteil durchführen, vergütet werden (EuGH-Urteil vom 29. April 2004 C-77/01, EDM, Slg. 2004, I-4295 Rdnrn. 86 f.).

17

Das für den Leistungsaustausch erforderliche Rechtsverhältnis kann auf schuld- oder gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter beruhen. Als Besonderheit bei Gesellschaftsverhältnissen ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich der erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung bei einer durch den Gesellschafter erbrachten Leistung nicht aus der Beteiligung des Gesellschafters am allgemeinen Gewinn und Verlust der Gesellschaft ergibt. Auch wenn sich der Gesellschafter nicht auf das Halten seiner Beteiligung beschränkt, sondern weiter gehende Leistungen gegenüber der Gesellschaft erbringt, ist die allgemeine Gewinnbeteiligung nicht als Entgelt anzusehen (BFH-Urteil in BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II.1.b aa). Dementsprechend besteht der für die Steuerbarkeit erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Dividende (Gewinnanteil) und Dienstleistung selbst dann nicht, wenn die Leistung von einem Aktionär (Gesellschafter) erbracht wird (EuGH-Urteil vom 14. November 2000 C-142/99, Floridienne und Berginvest, Slg. 2000, I-9567 Rdnr. 23).

18

b) Im Streitfall erbrachte die Klägerin mit ihrer Tätigkeit auf dem inländischen Streckenabschnitt des Nachtzugs auf der Grundlage des mit S abgeschlossenen Abkommens Leistungen gegen Entgelt.

19

aa) Die Entgeltlichkeit der von der Klägerin erbrachten Leistungen ergibt sich daraus, dass die S vereinbarungsgemäß die bei der Klägerin anfallenden Kosten erstattete (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II.1.b bb zum Entgeltcharakter bei der Gewährung von Aufwendungsersatz). Der Senat kann bei der Beurteilung der Steuerbarkeit der durch die Klägerin erbrachten Leistungen offenlassen, ob die Klägerin und S durch den Abschluss des "Abkommens" ein Gesellschaftsverhältnis begründet haben. Selbst wenn ein derartiges Gesellschaftsverhältnis vorläge, wären die Leistungen der Klägerin nur dann als außerhalb eines Leistungsaustausches erfolgt anzusehen, wenn eine lediglich gewinnabhängige Vergütung vorläge. Dies trifft auf den von S geschuldeten Aufwendungsersatz nicht zu, da die Zahlung des Aufwendungsersatzes nicht unter dem Vorbehalt einer Gewinnentstehung stand, sondern unbedingt zu erfolgen hatte.

20

bb) Eine Gewinnabhängigkeit des von S zu gewährenden Aufwendungsersatzes ergab sich nicht aufgrund des Anspruchs der Klägerin auf Gewinn- und Verlustbeteiligung aus dem Betrieb des Nachtzugs nach Ablauf der Gültigkeit des "Abkommens". Denn wie der EuGH in seinem Urteil Floridienne und Berginvest in Slg. 2000, I-9567 Rdnr. 23 ausdrücklich entschieden hat, besteht der für die Steuerbarkeit erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Dividende (Gewinnanteil) und Dienstleistung auch dann nicht, wenn der Gesellschafter die Leistung erbringt. Führt danach die allgemeine Gewinnbeteiligung bei entgeltlichen Leistungen des Gesellschafters an die Gesellschaft im Gewinnfall nicht zu einer Entgelterhöhung, kann sich auch im Verlustfall keine Entgeltminderung ergeben.

21

cc) Dass die Klägerin im Verlustfall den Verlust anteilig zu tragen und ggf. Zahlungen an S zu leisten hatte und --nach ihrem Vortrag im Revisionsverfahren-- in späteren Jahren tatsächlich auch an S geleistet hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn eine derartige Verlustbeteiligung steht nur im unmittelbaren Zusammenhang zur Gewinnverteilungsabrede, nicht aber auch im unmittelbaren Zusammenhang zu dem daneben --außerhalb der Gewinnverteilungsabrede-- vereinbarten Aufwendungsersatz. Ist der Gewinnanteil kein Leistungsentgelt für Leistungen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft (EuGH-Urteil Floridienne und Berginvest in Slg. 2000, I-9567 Rdnr. 23) und daher bei einer entgeltlichen Leistung des Gesellschafters an die Gesellschafter nicht entgelterhöhend zu berücksichtigen, wirkt sich auch eine Verlustbeteiligung nicht entgeltmindernd aus.

22

c) Die Steuerbarkeit der von der Klägerin erbrachten Leistungen steht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht im Widerspruch zur Senatsrechtsprechung zur sog. Gewinnpoolung.

23

aa) Nach dem Senatsurteil vom 12. Februar 1970 V R 50/66 (BFHE 98, 518, BStBl II 1970, 477, unter 3.) ist eine Gewinnpoolung gegeben, "wenn mehrere Unternehmer, die ihre Geschäfte nach außen im eigenen Namen (jeder für sich) betreiben und nicht in einem Leistungsaustausch miteinander stehen, auf Grund interner Vereinbarungen ihre Erlöse nach Abzug der Unkosten ganz oder teilweise nach einem bestimmten Schlüssel unter sich aufteilen". Hieran fehlt es, wenn "nicht mehrere Unternehmer ihre selbständig erzielten Gewinne zusammen[legen], um sie unter sich aufzuteilen, sondern ... lediglich der bei einem von ihnen anfallende Gewinn verteilt wird. Die Beteiligten betätigen sich ... [dann] auf verschiedenen Wirtschaftsstufen, [so dass zwischen ihnen] ... in vollem Umfange ein Leistungsaustausch statt[findet]".

24

bb) Im Streitfall fehlt es an einer "Gewinnpoolung" im Sinne der vorstehenden Entscheidung schon deshalb, weil die Klägerin und S nicht jeder für sich Geschäfte nach außen im eigenen Namen betrieben haben. Eine Gewinnpoolung läge nur vor, wenn die Klägerin und S im Verhältnis zu den Leistungsempfängern, den Reisenden, jeweils eigenständige Bahnstrecken betrieben hätten und die dabei von ihnen jeweils eigenständig erzielten Gewinne "gepoolt" hätten. Demgegenüber handelt es sich im Streitfall zwar um ein gemeinsames, im Verhältnis zu den Leistungsempfängern, den Reisenden, jedoch allein von S ausgeführtes Zugprojekt, für dessen Durchführung die Klägerin an S entgeltliche Leistungen erbrachte.

25

d) Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen sind gemäß § 126 Abs. 4 FGO unerheblich, da es auf diese unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ankommen kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27. März 2011 VII R 62/00, BFH/NV 2001, 1037).

26

Dies gilt insbesondere für die Rüge, dass das FG-Urteil für sie überraschend gewesen sei, da sie von einem gemeinsamen Auftreten ausgegangen sei.

27

Dieser Vortrag trifft bereits deshalb nicht zu, da im Verfahren vor dem FG wechselnde Auffassungen zu der Frage vertreten wurden, ob allein S Leistungen gegenüber den Kunden erbracht habe, und das FA in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ausgeführt hat, dass zwischen der Klägerin und S keine Innenumsätze, sondern ein Leistungsaustausch vorliege. Zudem kommt es auf diese Frage schon deshalb nicht an, weil sie allein die Person des Empfängers der durch die Klägerin erbrachten Leistungen betrifft. Ob die Klägerin aber ihre Leistungen gegenüber S oder gegenüber einer aus ihr und S gebildeten Gesellschaft erbracht hat, ist für das Vorliegen eines Leistungsaustausches jedoch unerheblich, da entgeltliche Leistungen auch auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage erbracht werden können (BFH-Urteil in BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II.1.).

28

2. Die entgeltlichen Leistungen der Klägerin waren im Inland steuerbar. Es liegen sonstige Leistungen i.S. von § 3 Abs. 9 UStG vor, da es sich bei den Leistungen nicht um Lieferungen nach § 3 Abs. 1 UStG handelte.

29

Ob es sich bei den sonstigen Leistungen der Klägerin um Beförderungsleistungen nach § 3b UStG oder um eine Leistung handelte, die mangels anwendbarer anderer Leistungsortsbestimmungen § 3a Abs. 1 UStG unterliegt, kann im Streitfall offenbleiben, da nach beiden Vorschriften der Leistungsort im Inland liegt.

30

a) Handelt es sich bei den von der Klägerin erbrachten Leistungen um eine Beförderung i.S. von § 3b Abs. 1 UStG, ist diese Leistung als Personenbeförderung nach Satz 1 dieser Vorschrift anzusehen.

31

aa) Die von der Klägerin vertretene Auffassung, nach der Gegenstand ihrer Leistung eine als Zug- und damit eine Gegenstandsbeförderung nach § 3b Abs. 1 Satz 3 UStG gewesen sei, ist mit den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht vereinbar. Danach beschränkte sich die von der Klägerin erbrachte Leistung nicht auf die Beförderung eines Zuges als Transportmittel, sondern umfasste auch den Transport der diesen Zug benutzenden Fahrgäste. Hierfür spricht, dass die Klägerin z.B. auch die Kosten für Betreuung von Schlaf- und Liegewagen zu tragen und an die S weiterzubelasten hatte. Leistungen Dritter, die sie zu bezahlen hatte, muss sie sich daher zurechnen lassen. Die von der Klägerin zitierte rechtliche Einordnung durch einen Referatsleiter der Europäischen Kommission führt zu keiner anderen Beurteilung, da der Beurteilung durch die Europäische Kommission im finanzgerichtlichen Verfahren keine Bindungswirkung zukommt. Abgesehen davon hat die Kommission in ihrer Stellungnahme das Vorliegen einer Beförderung von Gegenständen unterstellt, ohne die dem vorgelagerte Frage auch nur zu erörtern, ob nach dem Inhalt der Vereinbarungen zwischen der Klägerin und S die Klägerin Gegenstände oder Personen beförderte. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob die bloße "Traktion" zu einer ausschließlichen Beförderung von Gegenständen führen würde. Schließlich ist eine abweichende Sach- und Vertragslage in der Folgezeit für die Beurteilung in den beiden Streitjahren unbeachtlich.

32

bb) Die Klägerin erbrachte die Personenbeförderung im Inland, da sie die Beförderung nur auf dem inländischen Streckenanteil des Nachtzugs durchführte.

33

cc) Bei einer Personenbeförderungsleistung ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch keine Nichtsteuerbarkeit aus § 4 Nr. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV). Danach sind bei grenzüberschreitenden Personenbeförderungen mit Schienenbahnen als ausländische Beförderungsstrecken die inländischen Anschlussstrecken anzusehen, die von Eisenbahnverwaltungen mit Sitz im Ausland betrieben werden.

34

Unabhängig von der Frage, ob der von § 4 Nr. 2 UStDV vorausgesetzte Betrieb einer Anschlussstrecke durch eine Eisenbahnverwaltung mit Sitz im Ausland vorliegt, scheitert die Anwendung dieser Vorschrift schon daran, dass der Begriff der inländischen Anschlussstrecke nur in Übereinstimmung mit der Ermächtigungsgrundlage dieser Vorschrift und damit nur unter Berücksichtigung von § 3b UStG ausgelegt werden kann. § 3b Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 UStG enthält eine Ermächtigungsgrundlage für § 4 Nr. 2 UStDV jedoch nur insoweit, als kurze inländische Beförderungsstrecken als ausländische angesehen werden können. Damit nicht zu vereinbaren ist die Auffassung der Klägerin, auch ein inländischer Streckenanteil von ca. 300 km sei eine derartige Beförderungsstrecke.

35

b) Sollte es sich bei den Leistungen der Klägerin nicht um Beförderungsleistungen i.S. von § 3b UStG gehandelt haben, sind die Leistungen der Klägerin gemäß § 3a Abs. 1 UStG an ihrem Unternehmenssitz im Inland steuerbar, da die Anwendung anderer Regelungen zur Leistungsortbestimmung nicht in Betracht kommt. Somit kommt es auch für die Bestimmung des Leistungsorts nicht auf die von der Klägerin für maßgeblich erachtete Frage an, wer Empfänger ihrer Leistungen war.

36

3. Die Leistungen der Klägerin sind nicht steuerfrei.

37

a) Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 6 Buchst. a UStG "die Lieferungen und sonstigen Leistungen der Eisenbahnen des Bundes auf Gemeinschaftsbahnhöfen, Betriebswechselbahnhöfen, Grenzbetriebsstrecken und Durchgangsstrecken an Eisenbahnverwaltungen mit Sitz im Ausland".

38

Nach der amtlichen Gesetzesbegründung zu der durch das UStG 1980 eingeführten Steuerbefreiung sind als Grenzbetriebsstrecken Strecken zwischen einem Gemeinschafts- oder Betriebswechselbahnhof und der Grenze anzusehen (BTDrucks 8/1779 S. 32).

39

b) Im Streitfall liegen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 6 Buchst. a UStG nicht vor. Auf die Frage, ob die Vorschrift mit dem Unionsrecht vereinbar ist, kommt es daher nicht an.

40

aa) Wie das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden hat, handelt es sich bei der von der Klägerin erbrachten Leistung umsatzsteuerrechtlich um nur eine Leistung, nicht aber um eine Vielzahl von Leistungen.

41

bb) Für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der einen durch die Klägerin erbrachten Leistung kommt es auf das Wesen und damit das charakterbestimmende Merkmal dieser Leistung an. Unabhängig von der Frage, ob die Anwendung von § 4 Nr. 6 Buchst. a UStG auf "Leistungen der Eisenbahnen des Bundes" beschränkt werden kann, setzt die Vorschrift voraus, dass die von der Klägerin erbrachte Leistung ihrem Schwerpunkt nach darin besteht, "sonstige Leistungen auf Gemeinschaftsbahnhöfen, Betriebswechselbahnhöfen, Grenzbetriebsstrecken und Durchgangsstrecken" zu erbringen. Dies trifft auf die von der Klägerin ausgeführte Leistung nicht zu. Die Klägerin erbrachte ihre Leistungen nicht nur auf den vorstehend bezeichneten Bahnhöfen.

42

Es handelte sich auch nicht um Leistungen auf einer Grenzbetriebsstrecke. Der Begriff der Grenzbetriebsstrecke ist dabei entsprechend dem allgemeinen Grundsatz enger Auslegung von Befreiungstatbeständen eng auszulegen (vgl. z.B. allgemein EuGH-Urteile vom 28. Juli 2011 C-350/10, Nordea, Slg. 2011, I-7359; vom 22. Dezember 2010 C-116/10, Feltgen/Bacino Charter, Slg. 2010, I-14187; vom 3. Juni 2010 C-237/09, Nathalie de Fruytier, Slg. 2010, I-4985; vom 6. Mai 2010 C-94/09, Kommission/Frankreich, Slg. 2010, I-4261; vom 18. März 2010 C-3/09, Erotic Center, Slg. 2010, I-2361; vom 28. Januar 2010 C-473/08, Eulitz GbR, Slg. 2010, I-907). Daher können als Grenzbetriebsstrecke nur grenznahe Strecken angesehen werden, nicht aber auch die Beförderung auf einer Strecke von ca. 300 km zwischen B und M. Auch liegt keine Beförderung an einer Durchgangsstrecke vor, da dies eine Beförderung im Inland zwischen zwei ausländischen Strecken voraussetzt. Im Hinblick auf die Länge dieser Beförderungsstrecke ergibt sich die Annahme einer Grenzbetriebsstrecke entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht daraus, dass auf dieser Strecke kein Zwischenhalt erfolgt. Unerheblich ist daher auch, an welchem Ort die Grenzzollabfertigung vorgenommen wird. Da die Leistung der Klägerin somit bereits nicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 6 Buchst. a UStG erfüllt, stellt sich die Frage nach einem Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität in Bezug auf die Leistungen, die ihrer Art nach die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllen und durch "Eisenbahnen des Bundes" erbracht werden, nicht.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Entgelte, die eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) für die Benutzung ihrer Eislaufhalle zum Eislaufen und zu ähnlichen sportlichen Betätigungen einnimmt, dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG) unterliegen.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) verfolgt nach ihrer Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und die Förderung des Sports in A. Sie betreibt u.a. eine Eislaufhalle. Benutzer der Eislaufhalle sind überwiegend Kinder und Jugendliche. Sie besuchen die Eislaufhalle sowohl als Einzelpersonen als auch als Mitglieder von Schulklassen und Sportvereinen. Die Benutzer der Eislaufhalle stammen überwiegend aus dem Stadtgebiet A und der näheren Umgebung. Ca. 89 % der Besucher kommen aus einem Umkreis von bis zu 50 km.

3

Die Klägerin ging davon aus, dass die Überlassung der Eislaufhalle an Vereine, Gruppen und die Öffentlichkeit zum Eislaufen einen Zweckbetrieb darstelle und unterwarf die daraus erzielten Umsätze dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG.

4

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah hierin demgegenüber keine sportliche Veranstaltung und damit keinen Zweckbetrieb i.S. des § 67a der Abgabenordnung (AO). Die Eislaufhalle der Klägerin sei auch kein Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO. Da sie zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art in größerem Umfang in Wettbewerb trete, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar sei, erfülle sie jedenfalls nicht die Voraussetzungen des § 65 Nr. 3 AO.

5

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nach erfolglosem Einspruchsverfahren statt. Zur Begründung seines in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 527 veröffentlichten Urteils führte das FG im Wesentlichen aus, die streitigen Umsätze aus der Überlassung der Eislaufhalle unterlägen dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG.

6

Das Eislaufen sei, ebenso wie das Inlineskaten, eine sportliche Betätigung. Mit dem Betrieb der Eislaufhalle und deren Überlassung für den Eislauf, das (Sledge-)Eishockey und im Sommer gelegentlich für das Inlineskaten habe die Klägerin in den Streitjahren satzungsgemäß den Sport i.S. von § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO in Gestalt des Eissports und des Skatesports gefördert. Mit der Gestattung der entgeltlichen Nutzung der Eislaufhalle zum Eislaufen, (Sledge-)Eishockeyspielen und Inlineskaten habe die Klägerin einen für die Steuervergünstigung unschädlichen Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO ausgeübt.

7

Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb der Klägerin habe in seiner Gesamtrichtung, d.h. mit den ihn begründenden Tätigkeiten und nicht nur mit den durch ihn erzielten Einnahmen, dazu gedient, den steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zweck der Klägerin zu verwirklichen. Denn die Eislaufhalle sei von der Klägerin betrieben worden, um satzungsgemäß den Sport, insbesondere in Gestalt des Eissports (Eislaufen, Eishockey u.ä.), zu fördern. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in Form der Eislaufhalle sei die notwendige Voraussetzung für die Erfüllung des Satzungszwecks der Klägerin gewesen, denn weder in A selbst noch im Umkreis von 55 Straßenkilometern habe es in den Streitjahren eine andere Eislaufmöglichkeit gegeben. Ohne die Eislaufhalle der Klägerin habe der Eissport in A nicht gefördert werden können.

8

Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb der Klägerin sei in den Streitjahren zu nichtbegünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art auch nicht in Wettbewerb getreten.

9

Für das Vorliegen von Wettbewerb seien Feststellungen zur Wettbewerbssituation vor Ort erforderlich. Es komme dabei auf den Einzugsbereich an. Zudem seien der Kreis der Leistungsempfänger, die Ausgestaltung der jeweiligen vertraglichen Bedingungen und die Höhe der Entgelte von Bedeutung. Nur auf dieser Grundlage lasse sich beurteilen, ob ein anderer --nicht steuerbegünstigter-- Betreiber die gegebene Nachfrage überhaupt in ähnlicher Weise befriedigen könne.

10

Bei ortsbezogenen Leistungen, zu denen auch die Überlassung einer Eisfläche in einer stationären Eislaufhalle gehöre, beschränke sich die Nachfragegruppe auf Personen im Umkreis. Anbieter von ortsbezogenen Leistungen könnten daher von vornherein nur örtlich beschränkt in Wettbewerb mit anderen Anbietern treten. In dem beim Eislaufen berücksichtigungsfähigen Umkreis von 50 km habe es keine Wettbewerber und damit keinen tatsächlichen Wettbewerb gegeben.

11

Auch potenziellen Wettbewerb mit nicht steuerbegünstigten Unternehmen habe es nicht gegeben. Das ergebe sich aus der fehlenden Gewinnerzielungsmöglichkeit beim Betrieb einer Eislaufhalle. Die Differenz zwischen dem ermäßigten und dem vollen Steuersatz stelle deshalb für einen potentiellen Konkurrenten keine Marktzutrittsschranke dar. Entscheidend für die Qualifizierung als Zweckbetrieb sei, dass die vom Staat getragene GmbH nicht auf einem Markt tätig werde, auf dem gleichartige Leistungen auch von privaten Unternehmern in einer Weise angeboten würden, die eine unterschiedliche Bewertung am Maßstab des Allgemeinwohls nicht zulasse. Der Streitfall sei dadurch gekennzeichnet, dass es auf der Angebotsseite keinen Markt gebe, weil sich der Betrieb einer stationären Eislaufhalle mit einer Größe, die die Ausübung des (Sledge-)Eishockeysports ermögliche, im Einzugsbereich der Klägerin auch bei Hinzudenken der Steuerbegünstigung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG für ein gewinnorientiertes privates Unternehmen nicht lohne, weil er nicht einmal kostendeckend möglich sei.

12

Mit der Revision macht das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG, § 65 AO) geltend.

13

Die Vermietung von Sportstätten für kurze Dauer sei als Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO zu beurteilen, wenn es sich um eine Überlassung eines Vereins an Mitglieder des Vereins handele. Kurzfristige Vermietungen eines Vereins an Nichtmitglieder des Vereins führten dagegen zur Annahme eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, der kein Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO sei. Das Gleiche gelte bei Vermietung an Mitglieder und Nichtmitglieder zu gleichen Bedingungen, denn es handele sich dabei nicht um ein unentbehrliches Mittel zur Erreichung des Vereinszwecks. Wenn schon bei einem Verein die entgeltliche Überlassung an Nichtmitglieder schädlich sei, so müsse dies umso mehr für eine GmbH gelten. Die Klägerin habe die Rechtsform einer GmbH gewählt und sei damit von vornherein bewusst und gewollt als Wettbewerberin am Markt aufgetreten. Im Gegensatz zu einem Verein, der in erster Linie gegenüber seinen Mitgliedern tätig werde und damit nur eingeschränkt am Wettbewerb teilnehme, verdränge die Klägerin seit ihrer Gründung mögliche Anbieter. Es stelle eine Rechtsverletzung dar, dass die Klägerin auf Grund ihrer Rechtsform als GmbH besser gestellt werde als ein Verein, bei dem die Vermietung von Eislaufflächen an Nichtmitglieder einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstelle.

14

Außerdem verstoße es gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wenn Benutzer einer Eislaufhalle in anderen Bundesländern den Regelsteuersatz, in A dagegen den ermäßigten Steuersatz zahlen müssten. Es sei auch mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht vereinbar, nur den lokalen Markt zu berücksichtigen.

15

Entgegen der Entscheidung des FG seien auch temporäre Eislaufflächen (vor dem Einkaufszentrum … und vor der …) mit dem Angebot der Klägerin vergleichbar.

16

Es sei auch nicht nur ein Vergleich mit Betreibern von Eislaufflächen sondern auch mit Betreibern alternativer Schlittschuhbahnen vorzunehmen. So seien Schlittschuharenen mit neuartigem Kunststoffbelag erheblich kostengünstiger zu betreiben.

17

Das FA beantragt,

das Urteil des Finanzgerichts Bremen vom 12. November 2008  2 K 28/08 (1) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

18

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

19

Sie teilt die Auffassung des FG.

Entscheidungsgründe

20

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

21

1. Die Leistungen der Klägerin sind nicht nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG von der Umsatzsteuer befreit.

22

a) § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG befreit u.a. sportliche Veranstaltungen, die von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken dienen, durchgeführt werden, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht. Die Klägerin hat durch die Vermietung der Eislaufhalle keine "sportlichen Veranstaltungen" durchgeführt. Unter "sportlicher Veranstaltung" ist eine organisatorische Maßnahme eines Sportvereins zu verstehen, die es aktiven Sportlern ermöglicht, Sport zu treiben. Eine bestimmte Organisationsform oder -struktur schreibt das Gesetz nicht vor. Die Grenze der sportlichen Veranstaltung ist aber unterschritten, wenn die Maßnahme nur eine Nutzungsüberlassung von Sportgegenständen bzw. -anlagen zum Gegenstand hat, bei denen das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht. Eine Hallenvermietung ist keine "sportliche Veranstaltung", weil die Vermietung von Sportstätten lediglich die Voraussetzung für sportliche Veranstaltungen schafft (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. August 2010 V R 54/09, BFHE 231, 289, BStBl II 2011, 191; vom 3. April 2008 V R 74/07, BFHE 221, 451, BFH/NV 2008, 1631; vom 11. Oktober 2007 V R 69/06, BFHE 219, 287; BFH-Beschluss vom 20. November 2008 V B 264/07, BFH/NV 2009, 430).

23

b) Allerdings werden die Umsätze von der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) vorgesehenen Steuerbefreiung umfasst. Bei der Überlassung der Eislaufhalle an Sportler handelt es sich um "bestimmte in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben". Dabei erfüllt die Klägerin als gemeinnützige GmbH auch die persönlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung (vgl. hierzu Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 16. Oktober 2008 C-253/07, Canterbury Hockey Club, Slg. 2008, I-7821-7840, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2008, 854).

24

Die Klägerin hat sich aber nicht auf die --gemäß § 15 Abs. 2 UStG mit dem Verlust des Vorsteuerabzugs aus den für die befreiten Leistungen bezogenen Leistungsbezüge einhergehende-- Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

25

2. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG vorliegen.

26

Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ermäßigt sich die Umsatzsteuer für die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar u.a. gemeinnützige Zwecke verfolgen. Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Zur Förderung der Allgemeinheit gehört nach § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO in der in den Streitjahren geltenden Fassung u.a. die Förderung des Sports (vgl. BFH-Urteil in BFHE 231, 289, BStBl II 2011, 191).

27

Die Steuerermäßigung in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG beruht auf Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach können die Mitgliedstaaten auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten Kategorien einen ermäßigten Steuersatz anwenden. In der Anlage H der Richtlinie 77/388/EWG sind das Überlassen von Sportanlagen (Nr. 13 der Anlage H) und steuerpflichtige Leistungen durch von den Mitgliedstaaten anerkannte gemeinnützige Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit (Nr. 14 der Anlage H) genannt.

28

Bei der Auslegung von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich der normale Steuersatz gilt und der ermäßigte Steuersatz die Ausnahme ist. Dementsprechend sind Tatbestandsmerkmale, die zu dieser Ausnahme führen, eng auszulegen (vgl. EuGH-Urteil vom 18. Januar 2001 C-83/99, Kommission/Spanien, BFH/NV Beilage 2001, 124, m.w.N.; BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 V R 46/06, BStBl II 2009, 560).

29

a) Fördert eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, ergibt sich hieraus kein uneingeschränkter Anspruch auf Gewährung der Steuervergünstigung durch Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG schließt diese Steuervergünstigung selbst bei Verfolgung gemeinnütziger Zwecke aus, wenn die Zweckverfolgung zur Erbringung von Leistungen führt, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Es handelt sich dabei um eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht (§ 14 AO). Der Betrieb der Eislaufhalle ist ein solcher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb; das ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

30

b) Allerdings bleibt auch bei Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (§ 14 AO) die Steuerermäßigung erhalten, wenn es sich bei dem Geschäftsbetrieb um einen Zweckbetrieb handelt (§ 64 Abs. 1 AO). Der Zweckbetrieb setzt nach § 65 AO voraus, dass er in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO), die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO) und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr. 3 AO). Für die Annahme eines Zweckbetriebs müssen alle drei Voraussetzungen erfüllt werden (vgl. BFH-Urteile vom 29. Januar 2009 V R 46/06, BStBl II 2009, 560; vom 23. Juli 2009 V R 93/07, BFHE 226, 435, m.w.N.). Daran fehlt es.

31

aa) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die begünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Klägerin (Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und des Sports) nur durch den Betrieb der Eissporthalle erreicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO). Das wäre dann der Fall, wenn sich der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb von der Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks nicht trennen ließe, sondern als das unentbehrliche und einzige Mittel zur Erreichung des steuerbegünstigten Zwecks anzusehen wäre (BFH-Urteile in BStBl II 2009, 560; in BFHE 231, 289, BStBl II 2011, 191).

32

bb) Die Steuerbegünstigung scheidet jedenfalls deshalb aus, weil die Klägerin mit dem Betrieb der Eislaufhalle zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei der Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr. 3 AO).

33

aaa) Zwar hat das FG zur Beurteilung der Wettbewerbssituation zu Recht auf den Einzugsbereich der Klägerin abgestellt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 30. März 2000 V R 30/99, BFHE 191, 434, BStBl II 2000, 705) und mit gemäß § 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindender Wirkung festgestellt, dass dieser im vorliegenden Fall einen Umkreis von ca. 50 km umfasst.

34

bbb) Wettbewerb i.S. des § 65 Nr. 3 AO setzt aber nicht voraus, dass die Körperschaft auf einem Gebiet tätig ist, in dem sie tatsächlich in Konkurrenz zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art tritt. Der Sinn und Zweck des § 65 Nr. 3 AO liegt in einem umfänglichen Schutz des Wettbewerbs, der auch den potentiellen Wettbewerb umfasst (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2009, 560, m.w.N.). Es gibt keinen Grund, weshalb die Vermietung einer Eislaufhalle nicht auch von anderen Unternehmern betrieben werden könnte. Das wird bestätigt durch die Feststellungen des FG, wonach in A, B und C vergleichbare Anlagen von privaten Unternehmern betrieben wurden. Außerdem gab es in den Streitjahren noch Eislaufmöglichkeiten in D und in E, ohne dass das FG Feststellungen dazu getroffen hätte, ob diese von einem privaten Unternehmer oder durch die öffentliche Hand betrieben werden. Hinzu kommen nach den Streitjahren die Anlagen X, Y und Z. Die Möglichkeit Privater, in diesen Markt einzutreten, ist daher auch real und nicht rein hypothetisch. Die Rentabilitätserwägungen des FG stehen dem nicht entgegen.

35

ccc) Das steht auch nicht im Widerspruch zum EuGH-Urteil vom 16. September 2008 C-288/07 (Isle of Wight Council, Slg. 2008, I-7203, 7244, UR 2008, 816). Der EuGH hat darin auf die Frage, ob die Behandlung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig werden, als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde, geantwortet, dass dies in Bezug auf die fragliche Tätigkeit als solche zu beurteilen ist, ohne dass sich diese Beurteilung auf einen lokalen Markt im Besonderen bezieht (Leitsatz 1 und Rn. 53). Der EuGH hat ferner entschieden, dass der Schutz des Wettbewerbs nicht nur den gegenwärtigen, sondern auch den potenziellen Wettbewerb umfasst, sofern die Möglichkeit für einen privaten Wirtschaftsteilnehmer, in den relevanten Markt einzutreten, real und nicht rein hypothetisch ist (Rn. 65) und dass eine "größere" Wettbewerbsverzerrung i.S. des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG bereits vorliegt, wenn die gegenwärtigen oder potenziellen Wettbewerbsverzerrungen mehr als unbedeutend sind (Rn. 79). Das Urteil kann auf das nationale Gemeinnützigkeitsrecht nicht übertragen werden. Gemäß Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der im Anhang H genannten Kategorien einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden. Im Anhang H sind in Kategorie 13 die Überlassung von Sportanlagen und in Kategorie 14 die Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen durch von den Mitgliedstaaten anerkannte gemeinnützige Einrichtungen für wohltätige Zwecke im Bereich der sozialen Sicherheit genannt. Die Gewährung der Steuerermäßigung steht damit unionsrechtlich unter keinem Wettbewerbsvorbehalt; ihre Ausgestaltung fällt vielmehr in das Ermessen der Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten sind insoweit zu einer "selektiven Anwendung" des ermäßigten Steuersatzes berechtigt, wobei der Grundsatz steuerlicher Neutralität zu beachten ist (EuGH-Urteil vom 6. Mai 2010 C-94/09, Kommission/Frankreich Rdn. 29H, UR 2010, 454). Im Übrigen führt auch die Anwendung des Wettbewerbsbegriffs des EuGH-Urteils in der Rechtssache Isle of Wight in Slg. 2008, I-7203, UR 2008, 816 zu keinem anderen Ergebnis, weil danach nicht auf den durch den Einzugsbereich begrenzten lokalen Markt, sondern auf die Tätigkeit als solche abzustellen ist. Die Wettbewerbsverzerrung ergibt sich danach schon daraus, dass die Tätigkeit als solche auch durch private Steuerpflichtige nicht nur ausgeübt werden kann, sondern im vorliegenden Fall auch tatsächlich ausgeübt worden ist.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Umsätze aus der Pensionspferdehaltung eines gemeinnützigen Reitsportvereins von der Umsatzsteuer befreit sind oder ob sie (zumindest) dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein im Vereinsregister des Amtsgerichts X eingetragener gemeinnütziger Verein mit dem Zweck der "Förderung des Reitsports als Leistungs- und Freizeitbreitensport, sowie [der] Pflege und Erhaltung der Freude am Pferd".

3

Der Kläger verfügt über umfangreiche Reitanlagen in Gestalt einer Halle, einem Dressurviereck, einem kleinen und einem großen Springplatz, einer Führanlage, einem Solarium und zahlreichen Koppeln. Außerdem betreibt er eine Pferdepension, in deren Rahmen er im Streitjahr 2006 folgende Leistungen erbrachte:

4

-       

Gestellung von Einstellplätzen für Pferde einschließlich Reinigung (Entmistung)

-       

Lieferung von Streu und stallüblicher Fütterung

-       

Pflege und Betreuung der Pferde

-       

regelmäßige Besuche von Tierärzten, Physiotherapeuten und Hufschmieden

-       

Anlagenbenutzung.

5

Diese Leistungen bot der Kläger im Streitjahr je nach Art der Box für ... € bis ... € pro Monat an; seine Umsätze hieraus beliefen sich auf ... € (netto).

6

In der Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr unterwarf der Kläger diese Umsätze dem Regelsteuersatz.

7

Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit Umsatzsteuerbescheid für 2006 vom 28. Mai 2008 und setzte gegen den Kläger Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt ... € fest.

8

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein und beantragte, die Umsätze aus der Pensionspferdehaltung gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) von der Umsatzsteuer zu befreien, hilfsweise aber gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) i.V.m. § 65 der Abgabenordnung (AO) dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen.

9

Das FA änderte den Umsatzsteuerbescheid für 2006 daraufhin mehrfach - zuletzt mit Bescheid vom 19. August 2008. Der Einspruch des Klägers blieb der Sache nach ohne Erfolg.

10

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

11

Nach Auffassung des FG sind die streitbefangenen Umsätze des Klägers nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG von der Steuer befreit. Denn die von dem Kläger eigenständig angebotene Pensionspferdehaltung, die von der Nutzung der Reitsportanlage ohne weiteres zu trennen sei, gehöre nicht zum Kernbereich der Tätigkeit des Klägers und sei "nicht unerlässlich" i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b erster Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG.

12

Ferner sei im Streitfall auch der (weitere) Ausschlusstatbestand des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt.

13

Denn die von dem Kläger angebotene --isoliert als solche zu betrachtende-- Pensionspferdehaltung stehe in unmittelbarer Konkurrenz zu anderen Pensionspferdebetrieben und sei im Wesentlichen dazu bestimmt, dem Kläger zusätzliche Einnahmen zu verschaffen.

14

Auch die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG i.V.m. § 65 AO scheide aus. Denn der Kläger erbringe mit der von ihm angebotenen Pensionspferdehaltung und den damit verbundenen Zusatz- und Rahmenleistungen eine nicht nach § 65 AO begünstigte, von dem eigentlichen Vereinszweck losgelöste Tätigkeit eigener Art in Form eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, der kein Zweckbetrieb sei.

15

Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 772 veröffentlicht.

16

Mit seiner hiergegen eingelegten Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er trägt im Wesentlichen vor, das FG habe Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG und insbesondere den Begriff der "Unerlässlichkeit" i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG unzutreffend ausgelegt.

17

Ausgehend von der hierzu ergangenen Rechtsprechung (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 16. Oktober 2008 C-253/07 --Canterbury Hockey Club--, Slg. 2008, I-7821, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2008, 854, und Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. April 2008 V R 74/07, BFHE 221, 451, BFH/NV 2008, 1631; vom 2. März 2011 XI R 21/09, BFHE 233, 269, BFH/NV 2011, 1456) sei die Steuerbefreiung zu bejahen, wenn die Dienstleistung mit der Ausübung der jeweiligen Sportart in engem Zusammenhang stehe und die Ausübung des Sports ermögliche. Diese Voraussetzung sei im Streitfall erfüllt. Denn ebenso wie das Vorhalten der Reithalle und der Außenplätze (Dressur/Springen) zählten auch die Stallungen zu den unabdingbar erforderlichen Einrichtungen seiner Anlage, da andernfalls mangels eigener Einstellmöglichkeiten die Ausübung des Reitsports für die aktiven Reiter unmöglich wäre. Insbesondere der von der überwiegenden Mehrheit seiner Mitglieder ausgeübte Turnier- und Leistungssport setze das tägliche Training von Pferd und Reiter voraus. Ohne Stallungen könnten die Mitglieder und Einsteller die Anlage des eigenen Vereins mangels eigener Unterbringungsmöglichkeit für die Pferde und außerdem mangels zeitlicher und tatsächlicher Transportmöglichkeit der Pferde überhaupt nicht nutzen.

18

Auch die Ausführungen des FG zur vermeintlichen Wettbewerbssituation i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG seien unzutreffend. Denn der BFH habe bereits geklärt, dass für Tätigkeiten, die --wie im Streitfall-- den Kernbereich der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG beträfen, ein Ausschluss der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG nicht in Betracht komme (BFH-Urteil in BFHE 221, 451, BFH/NV 2008, 1631).

19

Hilfsweise werde geltend gemacht, dass die Entscheidung der Vorinstanz gegen § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG i.V.m. § 65 AO verstoße. Denn das Vorhalten von Stallungen durch den Kläger diene der satzungsmäßig verankerten, gemeinnützigen Förderung des Reitsports. Das Einstellen der Pferde von Vereinsmitgliedern sei zur Erreichung der Zwecke des Klägers unerlässlich i.S. von § 65 Nr. 2 AO. Ferner bestehe keine Wettbewerbssituation zwischen dem Kläger und umliegenden gewerblichen Betrieben.

20

Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid für 2006 vom 19. August 2008 sowie die Einspruchsentscheidung vom 25. August 2008 dahingehend zu ändern, dass die Umsätze aus der Pensionspferdehaltung von der Umsatzsteuer befreit werden und die Umsatzsteuer für 2006 nach entsprechender Korrektur der Vorsteuerbeträge auf ... € festgesetzt wird,

hilfsweise, die Umsätze aus der Pensionspferdehaltung dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen und die Umsatzsteuer für 2006 auf ... € festzusetzen.

21

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

22

Nach seiner Auffassung steht die Dienstleistung der Pferdepensionshaltung nicht in engem Zusammenhang mit der Sportausübung. Ausüben des Reitsports sei das Reiten als solches. Darunter fielen nicht vor- oder nachbereitende Maßnahmen wie die Pflege, das Unterstellen und das Versorgen der Pferde. Auch in der Literatur werde die Auffassung vertreten, dass die Unterbringung der Pferde nicht unmittelbar der Sportausübung durch die Mitglieder diene.

23

Zudem müsse nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG die Leistung an Personen erbracht werden, die "Sport oder Körperertüchtigung ausüben". Dies sei vorliegend nicht der Fall, weil die Dienstleistungen im Rahmen der Pferdepension erst dann erbracht bzw. in Anspruch genommen würden, wenn das Reiten gerade nicht mehr ausgeübt werde.

24

Im Übrigen sei das Halten von Pensionspferden für die Ausübung des Reitsports zwar nützlich, aber nicht unerlässlich. Ergänzend werde insoweit auch auf das Urteil des Niedersächsischen FG vom 24. April 2008  16 K 334/07 (nicht veröffentlicht --n.v.--, juris) verwiesen.

25

Ferner sei im Hinblick auf den Ausschlusstatbestand des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG eine abstrakte Wettbewerbssituation ausreichend, deren Vorliegen auch der Kläger nicht in Abrede stelle.

26

Schließlich komme auch die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG nicht in Betracht, da die vom Kläger unterhaltene Pferdepension ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sei. Die Voraussetzungen des § 65 AO für die Annahme eines Zweckbetriebs lägen (sämtlich) nicht vor.

Entscheidungsgründe

27

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

28

Das FG hat zwar zu Recht angenommen, dass die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG für die vom Kläger im Rahmen der Pferdepension erbrachten Leistungen in Betracht kommt. Es ist aber bei der Beurteilung der Voraussetzungen der Steuerbefreiung von unzutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Der Senat kann nicht durcherkennen, weil die bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen des FG keine abschließende Entscheidung zulassen.

29

1. Die Leistungen des Klägers betreffend die Pensionspferdehaltung erfüllen im Streitfall nicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 233, 269, BFH/NV 2011, 1456, Rz 14 ff.; vom 18. August 2011 V R 64/09, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 784, Rz 22, jeweils m.w.N.). Davon ist das FG übereinstimmend mit den Beteiligten zu Recht ausgegangen. Die vom Kläger im Rahmen seiner Pferdepension erbrachten Leistungen können aber nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--) von der Umsatzsteuer befreit sein.

30

a) Gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten "unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen", von der Umsatzsteuer:

"m) bestimmte in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben;"

31

Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG bestimmt:

32

"Von der in Absatz 1 Buchstaben ... m) ... vorgesehenen Steuerbefreiung sind Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen ausgeschlossen, wenn

- sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind;

- sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden."

33

Das UStG hat diese Bestimmung bislang nicht vollständig umgesetzt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 221, 451, BFH/NV 2008, 1631, unter II.2.b, und in BFHE 233, 269, BFH/NV 2011, 1456, Rz 25).

34

b) Ein Einzelner kann sich in Ermangelung fristgemäß erlassener Umsetzungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen nicht richtlinienkonformen innerstaatlichen Vorschriften berufen (ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. z.B. Urteile vom 10. September 2002 C-141/00 --Kügler--, Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, Rz 51, und vom 15. November 2012 C-174/11 --Zimmermann--, HFR 2013, 84, UR 2013, 35, Rz 32; BFH-Urteile vom 19. März 2013 XI R 47/07, BFHE 240, 439, Mehrwertsteuerrecht --MwStR-- 2013, 312, und vom 25. April 2013 V R 7/11, BFHE 241, 745, BFH/NV 2013, 1521, Rz 17 f., 21).

35

Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG zählt die Tätigkeiten, die steuerfrei sind, hinreichend genau und unbedingt auf (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 221, 451, BFH/NV 2008, 1631, unter II.3.).

36

Der BFH hat bereits entschieden, dass für einen gemeinnützigen Reitverein, der --wie der Kläger-- ohne Gewinnstreben handelt und eine Pensionspferdehaltung betreibt, die begehrte Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG in Betracht kommen kann (BFH-Urteil vom 19. Februar 2004 V R 39/02, BFHE 205, 329, BStBl II 2004, 672, unter II.3.a).

37

c) Nach der Rechtsprechung des EuGH sind bei der Anwendung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG folgende Rechtsgrundsätze zu beachten:

38

aa) Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Steuerbefreiungen nach Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG autonome unionsrechtliche Begriffe sind, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen (EuGH-Urteile vom 25. Februar 1999 C-349/96 --CPP--, Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254, Rz 15; vom 8. März 2001 C-240/99 --Skandia--, Slg. 2001, I-1951, UR 2001, 157, Rz 23; vom 1. Dezember 2005 C-394/04 und C-395/04 --Ygeia--, Slg. 2005, I-10373, UR 2006, 150, Rz 15, und vom 21. Februar 2013 C-18/12 --Mesto Zamberk--, UR 2013, 338, MwStR 2013, 87, Rz 17).

39

bb) Ferner ist davon auszugehen, dass die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG umschrieben sind, eng auszulegen sind, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt (vgl. EuGH-Urteile vom 20. Juni 2002 C-287/00 --Kommission/Deutschland--, Slg. 2002, I-5811, UR 2002, 316, Rz 43; vom 26. Mai 2005 C-498/03 --Kingscrest Associates und Montecello--, Slg. 2005, I-4427, UR 2005, 453, Rz 29; --Ygeia-- in Slg. 2005, I-10373, UR 2006, 150, Rz 15, und --Mesto Zamberk-- in UR 2013, 338, MwStR 2013, 87, Rz 19). Die Auslegung dieser Begriffe muss jedoch mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht. Daher entspricht es nicht dem Sinn dieser Regel einer engen Auslegung, wenn die zur Umschreibung der in Art. 13 Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG genannten Befreiungen verwendeten Begriffe so ausgelegt werden, dass sie den Befreiungen ihre Wirkung nehmen (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 10. Juni 2010 C-86/09 --Future Health Technologies--, Slg. 2010, I-5215, UR 2010, 540, Rz 30, und --Mesto Zamberk-- in UR 2013, 338, MwStR 2013, 87, Rz 19, jeweils m.w.N.).

40

cc) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass er im Kontext von Personen, die Sport ausüben, auch Dienstleistungen erfasst, die in engem Zusammenhang mit Sport stehen und für dessen Ausübung unerlässlich sind, die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben erbracht werden und die tatsächlich Begünstigten dieser Leistungen Personen sind, die den Sport ausüben (vgl. EuGH-Urteil --Canterbury Hockey Club-- in Slg. 2008, I-7821, UR 2008, 854, Rz 35). Dies entspricht dem Sinn dieser Vorschrift (bzw. der Nachfolgebestimmung in Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL), wonach bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten gefördert werden sollen, nämlich in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die von Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbracht werden, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben; auf diese Weise soll eine solche Betätigung durch breite Schichten der Bevölkerung ermöglicht werden (vgl. EuGH-Urteil --Mesto Zamberk-- in UR 2013, 338, MwStR 2013, 87, Rz 23).

41

(1) Die Steuerbefreiung bestimmt sich insbesondere "nach der Natur der erbrachten Dienstleistung und nach dem Verhältnis der Dienstleistung zur Ausübung von Sport oder Körperertüchtigung" (EuGH-Urteil --Canterbury Hockey Club-- in Slg. 2008, I-7821, UR 2008, 854, Rz 23).

42

(2) Bei der Gesamtbeurteilung der Frage, ob es sich bei der erbrachten Dienstleistung um eine in engem Zusammenhang mit Sport stehende Leistung handelt, kann auch die Konzeption des Unternehmens zu berücksichtigen sein, die sich aus ihren objektiven Merkmalen ergibt, d.h. den verschiedenen Arten der angebotenen Einrichtungen, ihre Anordnung, ihrer Zahl und ihre Bedeutung im Verhältnis zum Unternehmen insgesamt (EuGH-Urteil --Mesto Zamberk-- in UR 2013, 338, MwStR 2013, 87, Rz 33).

43

Ferner hat der EuGH bereits geklärt, dass insoweit die objektive Natur des betreffenden Umsatzes maßgeblich ist, d.h. dass es nicht auf die Absicht jedes einzelnen Nutzers des Unternehmens ankommt (EuGH-Urteil --Mesto Zamberk-- in UR 2013, 338, MwStR 2013, 87, Rz 36).

44

(3) Nach der Rechtsprechung des EuGH müssen die Dienstleistungen mit dem Sport in engem Zusammenhang stehen und ferner "für seine Ausübung unerlässlich" sein (Urteil --Canterbury Hockey Club-- in Slg. 2008, I-7821, UR 2008, 854, Rz 32). Als Beispiele hierfür nennt der EuGH die Überlassung von Sportstätten oder die Zurverfügungstellung eines Schiedsrichters (Rz 28); als Beispiel für Leistungen, die die genannten Voraussetzungen nicht erfüllen, nennt er Beratungen im Bereich des Marketings und der Gewinnung von Sponsoren (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 5. August 2010 V R 54/09, BFHE 231, 289, BStBl II 2011, 191, Rz 26).

45

Dabei ist es stets Sache der nationalen Gerichte, zu prüfen, ob die in Rede stehende Dienstleistung in diesem Sinne "unerlässlich" ist (vgl. z.B. EuGH-Urteile --Ygeia-- in Slg. 2005, I-10373, UR 2006, 150, Rz 35; vom 9. Februar 2006 C-415/04 --Kinderopvang Enschede--, Slg. 2006, I-1385, BFH/NV Beilage 2006, 256, Rz 28; vom 14. Juni 2007 C-434/05 --Horizon College--, Slg. 2007, I-4793, UR 2007, 587, Rz 39, 41, und --Canterbury Hockey Club-- in Slg. 2008, I-7821, BFH/NV 2009, 108, Rz 35).

46

Zum genannten Merkmal der "Unerlässlichkeit" stellt der EuGH im Zusammenhang mit anderen unionsrechtlichen Steuerbefreiungstatbeständen insbesondere darauf ab, ob ohne die streitbefangene Dienstleistung keine Gleichwertigkeit der Hauptleistung auf demselben Niveau und mit der gleichen Qualität gewährleistet wäre (vgl. z.B. EuGH-Urteile --Kinderopvang Enschede-- in Slg. 2006, I-1385, BFH/NV Beilage 2006, 256, Rz 27 f., 30, und --Horizon College-- in Slg. 2007, I-4793, UR 2007, 587, Rz 39 f.).

47

Nach der Rechtsprechung des BFH sind die Überlassung von Golfbällen und die Nutzungsüberlassung einer Golfanlage an Nichtmitglieder (BFH-Urteil in BFHE 221, 451, BFH/NV 2008, 1631) sowie die Erteilung von Golfunterricht (BFH-Urteil in BFHE 233, 269, BFH/NV 2011, 1456) für die Ausübung des Golfsports unerlässlich.

48

2. Das FG hat --wie der Kläger mit Recht rügt-- seiner Entscheidung nicht diese Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt, sondern ist von anderen (engeren) Voraussetzungen für die Anwendung der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG ausgegangen, insbesondere hinsichtlich des Begriffs der Unerlässlichkeit i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b erster Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG.

49

a) Es hat ausgeführt, unerlässlich sei eine Dienstleistung nur, wenn ohne sie die steuerbefreite Tätigkeit nicht möglich wäre; daran fehle es, wenn die Dienstleistung für die steuerbegünstigte Tätigkeit entbehrlich sei (Rz 42 seines Urteils).

50

Diese enge Definition (ebenso Urteil des FG Köln vom 22. Januar 2008  6 K 2707/03, EFG 2008, 1829, unter III.1.b bb) weicht von der dargelegten Rechtsprechung des EuGH ab. Sie findet auch in den vom FG hierzu zitierten Urteilen (BFH-Urteile vom 25. Januar 2006 V R 46/04, BFHE 211, 571, BStBl II 2006, 481; vom 27. April 2006 V R 53/04, BFHE 213, 256, BStBl II 2007, 16) keine (hinreichende) Stütze (vgl. BFH-Urteil in BFHE 211, 571, BStBl II 2006, 481, unter II.2.b, sowie BFH-Urteil in BFHE 213, 256, BStBl II 2007, 16, unter II.1.d).

51

Dementsprechend hat das FG zu Unrecht darauf abgestellt, ob "der satzungsmäßige Zweck eines Reitsportvereins ... allein durch Unterhaltung eines Pensionspferdebetriebs erreicht werden und nur auf diesem Weg seine einzig mögliche Erfüllung finden" kann. Es hat hierzu ausgeführt, die Erfüllung des Satzungszweckes bedinge (lediglich), "dass die Mitglieder in ihrer überwiegenden Mehrzahl über eigene Pferde verfügen, die sie reiten, aufstallen und pflegen". Die Erbringung von Pferdepensionsdienstleistungen gehe aber über den eigentlichen Vereinszweck als auf eigener vertraglicher Regelung beruhende, von den eigentlichen Mitgliedsbeiträgen "abgekoppelte" eigenständige Leistung eigener Art weit hinaus und sei als solche nicht unerlässlich für die Erfüllung des Vereinszwecks (Rz 43 seines Urteils).

52

b) Im Streitfall kann die vom Kläger erbrachte Pensionspferdehaltung, die --entgegen der Auffassung des FA-- offenkundig "in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG steht, "unerlässlich" im Sinne der dargelegten Rechtsprechung des EuGH sein.

53

aa) Denn der Kläger als Reitverein macht geltend, der angebotene Reitsport in Gestalt der Erteilung von Reitunterricht, der Nutzung der zahlreichen vereinseigenen Anlagen und dem Abhalten von Reitturnieren könne nicht in derselben Qualität und auf demselben Niveau stattfinden, wenn die Sportler nicht auf ihren eigenen Pensionspferden reiten könnten, sondern insoweit auf --die nach Aktenlage wohl nur in geringer Zahl vorhandenen-- vereinseigene Pferde bzw. selbst transportierte Tiere angewiesen wären. Der Vereinszweck der "Förderung des Reitsports als Leistungs- und Freizeitbreitensport, sowie [der] Pflege und Erhaltung der Freude am Pferd" könne schon wegen der offenbar großen Anzahl und der für den Regelfall anzunehmenden besonderen Qualität der Pensionspferde im Verhältnis zu den vereinseigenen Pferden sowie dem entsprechenden Umsatzverhältnis nur mithilfe der Pensionspferdehaltung erfüllt werden. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben. Hierbei ist auch die Größe und Art der Reitsportanlagen des Klägers zu berücksichtigen.

54

bb) Dem stehen abweichend von der Auffassung des FG die Ausführungen des BFH nicht entgegen, wonach das Merkmal der "Unerlässlichkeit" nicht erfüllt ist, wenn z.B. ein Theaterbesucher die Abgabe von kleinen Speisen und Getränken im Rahmen einer Theaterveranstaltung erwartet und gerne in Anspruch nimmt (BFH-Urteil vom 18. August 2005 V R 20/03, BFHE 211, 85, BStBl II 2005, 910, unter II.3.b (2)). Dieser vom BFH entschiedene Sachverhalt ist indes nicht vergleichbar mit dem Streitfall, soweit eine angemessene Unterbringung und Verpflegung privater Reitpferde im Rahmen der Pferdepension das Unternehmen eines im Umfang des Klägers betriebenen Reitvereins möglicherweise prägt.

55

cc) Auch aus der Rechtsprechung des I. Senats des BFH (Urteil vom 2. Oktober 1968 I R 40/68, BFHE 93, 522, BStBl II 1969, 43) ergeben sich keine zwingenden entgegenstehenden Schlussfolgerungen für die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehene Steuerbefreiung. Abgesehen davon hat der Kläger zutreffend hervorgehoben, dass diese Rechtsprechung durch das spätere Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG und die darin enthaltenen Regelungen zur Steuerbefreiung überholt ist.

56

dd) Das FG wird im zweiten Rechtsgang mithin tatsächliche Feststellungen dahingehend nachzuholen haben, ob im Streitjahr 2006 Reitsport auf demselben Niveau und in vergleichbarer Qualität nicht ohne das vom Kläger angebotene "Gesamtpaket" gewährleistet wäre.

57

3. Das FG hat schließlich ausgehend von seinen bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu Unrecht angenommen, dass die Voraussetzungen für die Annahme des Ausschlusstatbestandes in Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt sind, wonach die Steuerbefreiung aus Wettbewerbsgründen ausgeschlossen sein kann.

58

a) Danach kommt die Gewährung der Steuerbefreiung nicht in Betracht, wenn die Dienstleistungen im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden (EuGH-Urteil --Canterbury Hockey Club-- in Slg. 2008, I-7821, UR 2008, 854, Rz 33). In diesem Ausschluss liegt eine spezifische Ausprägung des Grundsatzes der Neutralität, dem es insbesondere zuwiderläuft, dass gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden (z.B. EuGH-Urteile --Horizon College-- in Slg. 2007, I-4793, UR 2007, 587, Rz 42 f.; --Ygeia-- in Slg. 2005, I-10373, UR 2006, 150, Rz 32). Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität ist bereits dann verletzt, wenn zwei aus der Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 10. November 2011 C-259/10 und C-260/10 --The Rank Group--, Slg. 2011, I-10947, UR 2012, 104, Rz 36). Dienstleistungen sind gleichartig, wenn sie ähnliche Eigenschaften haben und beim Verbraucher nach einem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung denselben Bedürfnissen dienen und wenn die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers, die eine oder die andere dieser Dienstleistungen zu wählen, nicht erheblich beeinflussen (EuGH-Urteil --The Rank Group-- in Slg. 2011, I-10947, UR 2012, 104, Rz 44).

59

b) Nach der Rechtsprechung des BFH kommt für Tätigkeiten, die den Kernbereich der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG betreffen, ein Ausschluss nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG nicht in Betracht. Ansonsten liefe die Befreiung in weiten Teilen leer (vgl. BFH-Urteile in BFHE 221, 451, BFH/NV 2008, 1631, unter II.3.c aa, und in BFHE 233, 269, BFH/NV 2011, 1456).

60

aa) Im Streitfall ist das FG zwar --auf der Grundlage der von ihm bisher getroffenen Feststellungen-- davon ausgegangen, dass die vom Kläger im Rahmen der Pensionspferdehaltung erbrachten Dienstleistungen nicht den Kernbereich der Steuerbefreiung betreffen.

61

bb) Die bisherigen Feststellungen des FG tragen indes nicht die Annahme, dass die Voraussetzungen dieses Ausschlusstatbestandes erfüllt sind. Das FG hat nämlich nicht festgestellt, ob die Landwirte in der Nachbarschaft Leistungen anbieten, die denen des Klägers zumindest ähnlich sind und deshalb im Wettbewerb mit ihnen stehen.

62

Das FG wird im zweiten Rechtsgang tatsächliche Feststellungen dahingehend nachzuholen haben, ob es im Streitjahr 2006 in räumlicher Nähe des Klägers Betriebe gab, die vergleichbare Leistungen anboten.

63

4. Die hiergegen erhobenen --weiteren-- Einwendungen des FA greifen nicht durch.

64

a) Soweit das FA unter Hinweis auf eine Literaturauffassung behauptet, die Unterbringung der Pferde diene nicht unmittelbar der Sportausübung durch die Mitglieder (vgl. Fischer, juris-PR-SteuerR 16/2004 Anm. 6 unter C.2. a.E. zu BFH-Urteil in BFHE 205, 329, BStBl II 2004, 672), ist diese Äußerung nicht zu der vom Kläger begehrten Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG, sondern zu § 65 AO ergangen.

65

b) Die vom FA in diesem Zusammenhang genannte Entscheidung des Niedersächsischen FG (Urteil vom 24. April 2008  16 K 334/07, n.v., juris) ist im Streitfall gleichfalls nicht einschlägig, weil die entsprechenden Ausführungen sich (ebenfalls) auf § 65 AO und nicht auf die Steuerbefreiung in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG beziehen.

66

5. Die tatsächlichen Feststellungen des FG rechtfertigen im Übrigen auch nicht seine Entscheidung, dass die vom Kläger hilfsweise begehrte Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG nicht in Betracht kommt.

67

a) Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 AO). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden.

68

b) Danach kommt es im Streitfall --falls die geltend gemachte Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG nicht eingreift-- darauf an, ob der Kläger die in Rede stehenden Umsätze im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt hat. Denn wenn das Gesetz --wie hier § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG-- eine Steuervergünstigung insoweit ausschließt, als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) unterhalten wird, verliert die Körperschaft gemäß § 64 Abs. 1 AO die Steuervergünstigung für die dem Geschäftsbetrieb zuzuordnenden Umsätze, soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kein Zweckbetrieb (§§ 65 bis 68 AO) ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 205, 329, BStBl II 2004, 672, unter II.2.).

69

Nach § 65 AO ist ein Zweckbetrieb gegeben, wenn

"1.     

der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen,

 2.     

die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können und

 3.     

der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist."

70

c) Das FG hat die Voraussetzungen des § 65 Nrn. 2 und 3 AO mit der Begründung verneint, der Kläger erbringe mit der von ihm angebotenen und von den Vereinsmitgliedern angenommenen Pensionspferdehaltung und den damit verbundenen Zusatz- und Rahmenleistungen eine von dem eigentlichen Vereinszweck losgelöste Tätigkeit eigener Art. Die satzungsmäßigen Zwecke könnten aber nicht nur durch diese (Zusatz-)Leistung erreicht werden, nachdem sowohl eine Nutzung der Reitanlage als auch die Ausübung des Reitsports ohne die Pensionspferdehaltung erfolgen könne, wie sich bereits aus der Nutzung der Anlage durch vereinsfremde Reiter im Rahmen der von dem Kläger durchgeführten Turniere ergebe. Die --als eigenständige Leistung zu beurteilende-- Dienstleistung stehe zudem in unmittelbarem Wettbewerb zu im unmittelbaren Einzugsbereich des Klägers befindlichen Pferdeeinstellern, die ihre Leistungen zu einem --bezogen auf die Pensionspferdehaltung-- vergleichbaren Leistungsangebot und zu vergleichbaren Preisen anböten.

71

d) Diese Ausführungen des FG und seine dazu bislang getroffenen Feststellungen reichen angesichts des --wie dargelegt-- unzweifelhaft bestehenden Zusammenhangs der Pensionspferdeleistungen mit dem im Streitjahr 2006 eingetragenen Satzungszweck "Förderung des Reitsports als Leistungs- und Freizeitbreitensport, sowie die Pflege und Erhaltung der Freude am Pferd" nicht aus, um die Voraussetzungen des § 65 Nr. 2 AO (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 205, 329, BStBl II 2004, 672, unter II.2.a) zu verneinen.

72

Entsprechendes gilt für § 65 Nr. 3 AO. Das FG hat die Pferdepensionsleistungen zu Unrecht als eigenständige, vom eigentlichen Vereinszweck des Klägers losgelöste Tätigkeit eigener Art beurteilt und hat (lediglich) auf dieser Grundlage einen Wettbewerb i.S. von § 65 Nr. 3 AO (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 205, 329, BStBl II 2004, 672, unter II.2.b) bejaht, ohne (auch insoweit) den vielfältigen Beweisangeboten des Klägers nachzugehen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut, das nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird, innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Bei Grundstücken einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile, bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden tritt an die Stelle des Zeitraums von fünf Jahren ein Zeitraum von zehn Jahren.

(2) Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut, das nur einmalig zur Ausführung eines Umsatzes verwendet wird, die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs vorzunehmen. Die Berichtigung ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem das Wirtschaftsgut verwendet wird.

(3) Geht in ein Wirtschaftsgut nachträglich ein anderer Gegenstand ein und verliert dieser Gegenstand dabei seine körperliche und wirtschaftliche Eigenart endgültig oder wird an einem Wirtschaftsgut eine sonstige Leistung ausgeführt, gelten im Fall der Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse die Absätze 1 und 2 entsprechend. Soweit im Rahmen einer Maßnahme in ein Wirtschaftsgut mehrere Gegenstände eingehen oder an einem Wirtschaftsgut mehrere sonstige Leistungen ausgeführt werden, sind diese zu einem Berichtigungsobjekt zusammenzufassen. Eine Änderung der Verhältnisse liegt dabei auch vor, wenn das Wirtschaftsgut für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, aus dem Unternehmen entnommen wird, ohne dass dabei nach § 3 Abs. 1b eine unentgeltliche Wertabgabe zu besteuern ist.

(4) Die Absätze 1 und 2 sind auf sonstige Leistungen, die nicht unter Absatz 3 Satz 1 fallen, entsprechend anzuwenden. Die Berichtigung ist auf solche sonstigen Leistungen zu beschränken, für die in der Steuerbilanz ein Aktivierungsgebot bestünde. Dies gilt jedoch nicht, soweit es sich um sonstige Leistungen handelt, für die der Leistungsempfänger bereits für einen Zeitraum vor Ausführung der sonstigen Leistung den Vorsteuerabzug vornehmen konnte. Unerheblich ist, ob der Unternehmer nach den §§ 140, 141 der Abgabenordnung tatsächlich zur Buchführung verpflichtet ist.

(5) Bei der Berichtigung nach Absatz 1 ist für jedes Kalenderjahr der Änderung in den Fällen des Satzes 1 von einem Fünftel und in den Fällen des Satzes 2 von einem Zehntel der auf das Wirtschaftsgut entfallenden Vorsteuerbeträge auszugehen. Eine kürzere Verwendungsdauer ist entsprechend zu berücksichtigen. Die Verwendungsdauer wird nicht dadurch verkürzt, dass das Wirtschaftsgut in ein anderes einbezogen wird.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Vorsteuerbeträge, die auf nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallen, sinngemäß anzuwenden.

(6a) Eine Änderung der Verhältnisse liegt auch bei einer Änderung der Verwendung im Sinne des § 15 Absatz 1b vor.

(7) Eine Änderung der Verhältnisse im Sinne der Absätze 1 bis 3 ist auch beim Übergang von der allgemeinen Besteuerung zur Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 und umgekehrt und beim Übergang von der allgemeinen Besteuerung zur Durchschnittssatzbesteuerung nach den §§ 23a oder 24 und umgekehrt gegeben.

(8) Eine Änderung der Verhältnisse liegt auch vor, wenn das noch verwendungsfähige Wirtschaftsgut, das nicht nur einmalig zur Ausführung eines Umsatzes verwendet wird, vor Ablauf des nach den Absätzen 1 und 5 maßgeblichen Berichtigungszeitraums veräußert oder nach § 3 Abs. 1b geliefert wird und dieser Umsatz anders zu beurteilen ist als die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebliche Verwendung. Dies gilt auch für Wirtschaftsgüter, für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b teilweise ausgeschlossen war.

(9) Die Berichtigung nach Absatz 8 ist so vorzunehmen, als wäre das Wirtschaftsgut in der Zeit von der Veräußerung oder Lieferung im Sinne des § 3 Abs. 1b bis zum Ablauf des maßgeblichen Berichtigungszeitraums unter entsprechend geänderten Verhältnissen weiterhin für das Unternehmen verwendet worden.

(10) Bei einer Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a) wird der nach den Absätzen 1 und 5 maßgebliche Berichtigungszeitraum nicht unterbrochen. Der Veräußerer ist verpflichtet, dem Erwerber die für die Durchführung der Berichtigung erforderlichen Angaben zu machen.

(11) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
wie der Ausgleich nach den Absätzen 1 bis 9 durchzuführen ist und in welchen Fällen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens, zur Vermeidung von Härten oder nicht gerechtfertigten Steuervorteilen zu unterbleiben hat;
2.
dass zur Vermeidung von Härten oder eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils bei einer unentgeltlichen Veräußerung oder Überlassung eines Wirtschaftsguts
a)
eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 9 auch dann durchzuführen ist, wenn eine Änderung der Verhältnisse nicht vorliegt,
b)
der Teil des Vorsteuerbetrags, der bei einer gleichmäßigen Verteilung auf den in Absatz 9 bezeichneten Restzeitraum entfällt, vom Unternehmer geschuldet wird,
c)
der Unternehmer den nach den Absätzen 1 bis 9 oder Buchstabe b geschuldeten Betrag dem Leistungsempfänger wie eine Steuer in Rechnung stellen und dieser den Betrag als Vorsteuer abziehen kann.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.