Finanzgericht Hamburg Beschluss, 14. Juli 2016 - 4 V 111/16

Gericht
Tatbestand
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I. Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Tabaksteuerbescheids.
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Der Antragsteller ist Geschäftsführer der A, der mit Bescheid vom 13.09.2012 vom HZA B die Erlaubnis als Steuerlagerinhaber für Pfeifentabak erteilt wurde. Die in der Erlaubnis aufgeführten zugelassenen Behandlungen innerhalb des Steuerlagers umfassen "Verpacken, Bezeichnen der Packungen, Anbringen von Steuerzeichen".
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Im Zusammenhang mit dem Einfuhrschmuggel von Wasserpfeifentabak führte das Zollfahndungsamt (ZFA) C, Dienstsitz D, Ermittlungen auch gegen die A und seine handelnden Personen durch. In seinem Schlussbericht vom 13.01.2015 (Bl. ... des Einspruchshefts) stellte das ZFA fest, dass der Antragsteller in der Zeit vom 11.10.2012 bis 08.08.2013 im Steuerlager dem eingeführten Pfeifentabak große Mengen Glyzerin als Feuchthaltemittel zugefügt habe. Diese Handlung sei im Steuerlager nicht zulässig. Bereits im Juli 2011 habe die A im Internet damit geworben, dass es dem eingeführten Tabak direkt im Lager 30 % Feuchtigkeit zuführe. Bei einer Durchsuchung des Steuerlagers der A am ...08.2013 seien 102 Behältnisse mit Wasserpfeifentabak (mit und ohne Steuerzeichen) und in einem Firmenfahrzeug außerhalb des Steuerlagers 19 Behältnisse mit gleichem Inhalt mit angebrachten und erbrochenen Steuerzeichen aufgefunden worden. Die weitaus größte Zahl habe ca. 1.060 g gewogen. Bei einer Durchsuchung eines Abnehmers am selben Tag seien acht weitere Behältnisse sichergestellt worden, die mit Ausnahme eines bereits angebrochenen Behältnisses alle ca. 1.060 g Wasserpfeifentabak enthalten hätten. Am ...11.2013 seien in zwei Cafés in D 15 Behältnisse des Tabaks "XX 500 Gramm" sichergestellt worden, deren tatsächliches Gewicht mehr als 1.000 g betragen habe. In einem Café in B sei ein weiteres originalverschlossenes Behältnis mit einem Gewicht von 1.060 g vorgefunden worden. Die A habe zwischen dem 11.10.2012 und dem 29.07.2013 11,5 t Glyzerin und vom 31.07.2013 bis 31.03.2014 weitere 13,75 t Glyzerin bezogen. Ab dem 30.09.2013 sei sie mit PET-Flaschen mit einem Inhalt von 500 ml beliefert worden. Zwei Zeugen hätten angegeben, dass sie große Mengen Glyzerin verarbeitet hätten und dass erst im Laufe des Jahres 2013 Kunststoff-Flaschen den Sendungen beigefügt worden seien. Bei einer Durchsuchung am ...02.2014 in den Geschäftsräumen eines Abnehmers der A seien weitere 24 Behältnisse des von der A vertriebenen Tabaks aufgefunden worden, die, mit einer Ausnahme, ein Gewicht von über 1.000 g gehabt hätten. Aus den sichergestellten Unterlagen ergebe sich, dass dieser Abnehmer zwischen dem 12.04.2013 und dem 30.07.2013 1.759 kg Wasserpfeifentabak von der A gekauft habe. Nach Angabe eines Zeugen seien im Betrieb des Antragstellers große Mengen Glyzerin verarbeitet worden. Erst im Laufe des Jahres 2013 seien erstmals PET-Flaschen separat geliefert worden. Diese geänderte Verfahrensweise sei auch aus den geänderten Rechnungstexten der A ab August 2013 zum Ausdruck gekommen. Für die Berechnung der Steuer würden nur die im Zeitraum vom 07.12.2012 bis 06.08.2013 ausgelieferten und fakturierten 13.076 Stück 500 g-Behältnisse in Ansatz gebracht. Dies ergebe eine Menge von 6.538 kg. Nach einer Untersuchung eines repräsentativen Querschnitts der sichergestellten Ware im Oktober 2013 sei festgestellt worden, dass bei allen eingesandten Warenproben der Grenzwert für Feuchthaltemittel von 5 % um bis zu 45 % überschritten worden sei.
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Die Staatsanwaltschaft B stellte am ... 2015 (...) das Ermittlungsverfahren gemäß § 153a Abs. 1 StPO vorläufig unter der Auflage ein, dass der Antragsteller... € an die Staatskasse sowie ... € auf die Tabaksteuerschuld zahle.
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Mit Tabaksteuerbescheid Nr. ... vom 04.01.2016 setzte der Antragsgegner Tabaksteuer in Höhe von ... € gegen den Antragsteller fest. Im Rahmen des Steuerstrafverfahrens sei festgestellt worden, dass er vom 07.12.2012 bis 06.08.2013 500 g-Behältnisse Wasserpfeifentabak der Marke XX mit Glyzerin aufgefüllt habe. Dieses Mischen mit Feuchthaltemitteln sei keine im Steuerlager zulässige Behandlung. Die Behältnisse habe er mit einem Gewicht von etwa 1.060 g weiterverkauft, obwohl die Steuerbanderolen regelmäßig nur 500 g ausgewiesen hätten. Durch das Herstellen ohne Erlaubnis sei der Tabak in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden, was die Entstehung der Tabaksteuer nach § 15 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 TabakStG für das zusätzliche nichtversteuerte Gewicht nach sich ziehe. Durch das Nichtanzeigen dieser Herstellungshandlung habe der Antragsteller das HZA B pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch für insgesamt 6.538 kg hergestellten Tabak die Tabaksteuer in der festgesetzten Höhe verkürzt. Als Geschäftsführer sei er Hersteller des angefeuchteten Tabaks geworden. Der Tabaksteuersatz betrage gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 TabakStG 15,66 € pro Kilo zuzüglich 13,13 % des Kleinverkaufspreises. Letzterer betrage ... € pro 500 g. Bei der ermittelten Menge von 6.538 kg ergebe sich der festgesetzte Betrag. Zusätzlich seien Hinterziehungszinsen zu verlangen, für deren Beginn auf den 06.08.2013 abgestellt werde. Ausgehend von einem Hinterziehungsbetrag von ... € ergebe sich ein Zinsbetrag in Höhe von ... €. Der Gesamtbetrag sei um die ... € zu kürzen, die der Antragsteller in Erfüllung der staatsanwaltlichen Auflage bereits geleistet habe.
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Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit anwaltlichem Schreiben vom 01.02.2016 Einspruch ein und beantragte mit Schreiben vom 15.02.2016 die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung trug er vor: Aus dem Bescheid sei nicht ersichtlich, woraus sich der besteuerungsrelevante Sachverhalt ergebe. Feststellungen im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens habe es nämlich nicht gegeben, weil dieses gemäß § 153a StPO eingestellt worden sei. Der Antragsteller bestreite das Beimengen von Glyzerin im Steuerlager. Das Glyzerin sei separat an die Abnehmer des Tabaks geliefert worden, wenn sie sich für den Kauf des Glyzerins entschieden hätten. Die Vermengung sei als Serviceleistung vor Ort angeboten worden. Teilweise hätten die Kunden das Glyzerin auch aus anderen Quellen bezogen. Auch wenn bei den Abnehmern Tabakbehältnisse mit einem Gewicht von rund 1.060 g gefunden worden seien, rechtfertige dies nicht die Schlussfolgerung, dass das Vermischen im Steuerlager erfolgt sei. Im Steuerlager seien lediglich 102 Behältnisse gefunden worden, die dieses Gewicht aufgewiesen hätten. Es handele sich hierbei um eine Rücksendung eines Kunden, der den Geschmack des verkauften Tabaks reklamiert habe. Dieser Mangel habe sich erst vor Ort herausgestellt.
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Mit Bescheid vom 02.03.2016 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung unter Bezugnahme auf den Schlussbericht des ZFA und die rechtliche Würdigung des Tabaksteuerbescheids ab.
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Am 25.04.2016 hat der Antragsteller einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Er verweist auf seinen bisherigen Vortrag und führt ergänzend aus: Das Zufügen von Glyzerin stelle nach dem Wortsinn keine besteuerungsrelevante Herstellungshandlung dar. Anderenfalls würde Tabaksteuer auf Glyzerin erhoben. Es bleibe bestritten, dass es derartige Herstellungshandlungen im Steuerlager gegeben habe. Das Glyzerin sei vielmehr an die Abnehmer separat geliefert worden. Hierfür werde auf das Schreiben der BFD ... vom 13.01.2014 verwiesen. Die Ermittlungen hätten nicht ergeben, dass alle 500 g-Behältnisse bereits im Steuerlager ein Gewicht von 1.060 g gehabt hätten. Dort seien keine Vorrichtungen aufgefunden worden, die die Schlussfolgerung eines systematischen Vermischens innerhalb des Steuerlagers rechtfertigen könnten. Die 102 Behältnisse, die im Steuerlager mit einem Gewicht von 1.060 g gefunden worden seien, hätten kein Steuerzeichen getragen. Da sie sich noch innerhalb des Steuerlagers befunden hätten, stelle dies keinen Verstoß gegen Steuervorschriften dar. Die aufgefundenen Behältnisse seien deshalb mit Glyzerin vermischt gewesen, weil es sich um eine Probelieferung an einen Abnehmer in Ägypten gehandelt habe. Die im Fahrzeug aufgefundene Ware stelle eine Rücksendung eines Kunden dar, der den Geschmack des Tabaks reklamiert habe.
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Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung des Tabaksteuerbescheids vom 04.01.2016 bis auf einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung auszusetzen.
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Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
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Er bezieht sich auf seinen vorgerichtlichen Vortrag. Ergänzend trägt er vor, dass das Anfeuchten des Tabaks mit Feuchthaltemitteln eine Bearbeitung des Tabaks und damit eine Herstellungshandlung darstelle.
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Bei der Entscheidung hat das Einspruchsheft (RBl.-Nr. ...) vorgelegen, auf das ergänzend Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
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II. Der gemäß § 69 Abs. 3 FGO zulässige Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Tabaksteuerbescheids vom 04.01.2016 bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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Nach § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache einem Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 bis 6 FGO entsprechen. Danach soll die Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Bescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (st. Rspr. des BFH, siehe nur Beschl. v. 26.08.2004, V B 243/03, juris Rn. 14 unter Bezugnahme auf Beschl. v. 10.02.1967, III B 9/66, BFHE 87, 447). Die Aussetzung der Vollziehung setzt dabei nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH, Beschl. v. 26.04.2004, VI B 43/04, juris Rn. 11; Beschl. v. 20.05.1997, VIII B 108/96, juris Rn. 41). Sie kann auch dann zu gewähren sein, wenn die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide später im Hauptverfahren bestätigt werden sollte (vgl. BFH, Beschl. v. 23.08.2004, IV S 7/04, juris Rn. 21). Wenn - wie hier - der Sachverhalt, aus dem sich die Steuerschuld ergibt, auch eine Straftat darstellt, trägt die Steuerbehörde die objektive Beweislast für das Vorliegen des Sachverhalts (vgl. Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 143. EL Jan. 2016, § 71 AO Rn. 8), wobei im einstweiligen Rechtsschutzverfahren das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nur glaubhaft zu machen ist (§ 155 S. 1 FGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO; siehe Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 123. EL, Mai 2010, § 69 FGO Rn. 94, 123).
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1. Nach diesem Prüfungsmaßstab ergeben sich auf der Grundlage der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 S. 2, Alt. 1 FGO an der Rechtmäßigkeit des Tabaksteuerbescheids.
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1.1 Der Antragsgegner hat das Entstehen der Tabaksteuerschuld glaubhaft gemacht. Nach § 15 Abs. 1 TabakStG entsteht die Steuer zum Zeitpunkt der Überführung der Tabakwaren in den steuerrechtlich freien Verkehr, ohne dass sich eine Steuerbefreiung anschließt. Eine solche Überführung ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 TabakStG insbesondere dann gegeben, wenn Tabakwaren ohne Erlaubnis nach § 6 TabakStG hergestellt werden.
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Aus den Feststellungen des Schlussberichts des ZFA, der das Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Antragsteller zusammenfasst, ergibt sich in Zusammenschau mit dem übrigen Akteninhalt, dass zwischen dem 07.12.2012 und dem 06.08.2013 auf Geheiß des Antragstellers ohne Erlaubnis im Steuerlager mindestens 13.076 Stück 500 g-Behältnisse mit Tabak, der mit Glyzerin versetzt war, befüllt wurden, so dass die Behältnisse im Durchschnitt jeweils mindestens 1.000 g wogen. Der Antragsgegner durfte sich auf die Feststellungen des Schlussberichts stützen. Unbeachtlich ist, dass das Steuerstrafverfahren gemäß § 153a StPO vorläufig eingestellt wurde. In dem vom Untersuchungsgrundsatz (§ 88 AO) getragenen Besteuerungsverfahren stellen die Finanzbehörden eigenständige Ermittlungen an. Hierbei dürfen sie sich die Ermittlungsergebnisse, die im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens gewonnen wurden, zu Eigen machen. Entsprechendes gilt im finanzgerichtlichen Verfahren. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kann das Finanzgericht - neben den Feststellungen eines Strafurteils - auch den Inhalt von Vernehmungsprotokollen und anderen Dokumenten seiner Entscheidung zugrunde legen, sofern die Verfahrensbeteiligten hiergegen keine substantiierten Einwendungen erheben oder entsprechende Beweisanträge stellen (BFH, Beschl. v. 24.05.2013, VII B 163/12, juris Rn. 8). Dies ist hier nicht der Fall. Der Antragsteller, der die Taten im Steuerstrafverfahren eingeräumt und bereits ... € auf die Steuerschuld gezahlt hat (Bl. ... des Einspruchshefts), hat im Besteuerungsverfahren keine substantiierten Einwendungen erhoben und auch keine Beweisanträge gestellt. Im Einzelnen:
Es ist glaubhaft, dass die Befüllung der 500 g-Behältnisse in den Räumen des Steuerlagers stattfand. Nach der insoweit glaubhaften Aussage des Zeugen E (Bl. ... der Strafakte) verfügte die Betriebsstätte neben Lagerräumen und Geschäftsräumen im ersten Obergeschoss über einen weiteren Bereich, den der Zeuge als Produktionsraum bezeichnete und der aus einem großen Lager- und Verpackungsbereich sowie einem Raum, in dem der Tabak umgepackt wurde, bestand. Angesichts dieser räumlichen Verhältnisse und des Umstands, dass gerade dort 102 Behältnisse mit Wasserpfeifentabak, die weit überwiegend ca. 1.060 g wogen, aufgefunden wurden, ist es glaubhaft, dass im hier maßgeblichen Zeitraum die Befüllung der 500 g-Behältnisse und die Versetzung des Tabaks mit Glyzerin dort erfolgten. Das einfache Bestreiten des Antragstellers macht diesen Vortrag nicht unglaubhaft, zumal nach den insoweit ebenfalls glaubhaften Feststellungen des Abschlussberichts der Antragsteller bereits im Jahr 2011 damit geworben hatte, dem eingeführten Tabak im Lager direkt große Mengen Glyzerin zuzufügen.
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Das Versetzen des Tabaks mit Glyzerin stellt eine Herstellungshandlung im Sinne von § 15 Abs. 2 Nr. 2 TabakStG dar. Zwar nennt § 5 Abs. 1 TabakStG als in einem Steuerlager mögliche Handlungen neben der Herstellung auch die Be- oder Verarbeitung. Die Be- und Verarbeitung stellen jedoch Unterformen des Herstellens dar (Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 2. Aufl. 2011, Rn. K 80). Dies ergibt sich aus der Negativliste der Handlungen, die keine Herstellungshandlungen sind (§ 4 Abs. 3 S. 2 TabakStV). Dort sind nämlich u. a. neben dem Verpacken von Tabakwaren, dem Aufreißen und Ausrüsten von Zigaretten auch das Mischen, Aromatisieren und Pressen von Rauchtabak genannt. Dies sind durchweg Handlungen, die man nach allgemeinem Sprachverständnis als Be- oder Verarbeitungsschritte bezeichnen könnte. Die Negativliste geht somit von einem weiten Herstellungsbegriff (im Sinne eines Oberbegriffs, der auch die Be- und Verarbeitung einschließt) aus. Anderenfalls würde die Aufzählung der genannten Handlungen keinen Sinn ergeben. Ferner ist das Zufügen von Glyzerin jedenfalls in der hier in Rede stehenden Mengen nicht mit dem Aromatisieren vergleichbar, das nach § 4 Abs. 3 S. 2 Nr. 6 TabakStV keine Herstellungshandlung darstellt. Beim Aromatisieren werden dem Tabak nämlich lediglich geringe Mengen Aromastoff beigefügt. Da das Zufügen von Glyzerin zum Tabak nicht in der Negativliste genannt ist, stellt es eine Herstellungshandlung dar. Weil die Steuerlagererlaubnis nach § 6 TabakStG nur das Verpacken, Bezeichnen der Packungen und Anbringen von Steuerzeichen umfasste, erfolgte diese Herstellungshandlung auch ohne Erlaubnis.
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Die Einwände des Antragstellers führen zu keinem anderen Ergebnis. Nicht glaubhaft ist seine Behauptung, dass bereits im hier maßgeblichen Zeitraum das Glyzerin separat mit dem Tabak ausgeliefert worden sei. Dagegen sprechen zunächst die Vielzahl der sichergestellten 500 g-Behältnisse, die Tabak enthielten, der mit großen Mengen an Glyzerin versetzt war, sowie die im Schlussbericht erwähnten Zeugenaussagen. Insbesondere hat die Zeugin F ausgesagt, dass sie bei einer Kontrolle am ...04.2013 eine große Gitterbox und weitere blaue Gebinde mit Glyzerin gesehen habe (Bl. ... der Strafakte). Dass ihr keine Vorrichtungen oder Abfüllanlagen aufgefallen seien, erschüttert nicht die Glaubhaftigkeit der Feststellungen im Tabaksteuerbescheid. Es ist nämlich ohne weiteres denkbar, dass das Umfüllen des Tabaks und das Befeuchten mit Glyzerin mit haushaltsüblichen Geräten (Küchenwaage oder Messbecher) erfolgen. Weiter deutet der Umstand, dass die Firma G erstmals am 30.09.2013 PET-Flaschen an die A lieferte, darauf hin, dass das Glyzerin erst nach dem 08.08.2013 nicht mehr im Steuerlager dem Tabak beigefügt wurde. Auch die Erklärungen des Antragstellers, warum im Steuerlager und im Firmenfahrzeug der A 500 g-Behältnisse mit einem Gewicht von mehr als 1.000 g sichergestellt werden konnten, überzeugen nicht. Der Vortrag ist schon in sich nicht stimmig. Während der Antragsteller im behördlichen Eilverfahren noch vorgetragen hatte, dass es sich bei den 102 Behältnissen, die im Steuerlager sichergestellt wurden, um die Rücksendung eines nicht näher bezeichneten Kunden gehandelt habe (S. 3 des Schreibens vom 15.02.2016), trägt er im gerichtlichen Verfahren vor, das diese Ware als Probelieferung für einen - ebenfalls nicht näher bezeichneten - Abnehmer in Ägypten bestimmt gewesen sei (S. 5 der Antragsschrift). Stattdessen soll es sich nach dem letzten Vortrag bei der im Firmenfahrzeug aufgefunden Ware um die Rücksendung eines Kunden gehandelt haben. Keine dieser Sachverhaltsschilderungen ist überzeugend. Der Antragsteller hat es schon versäumt, die Details der angeblichen Lieferungen, wie Abnehmer sowie Lieferort und -zeit, mitzuteilen. Klärungsbedürftig wäre es insbesondere gewesen, warum der aus Jordanien stammende Tabak statt eines Direktexports über Deutschland nach Ägypten ausgeführt werden sollte, und - falls die Sachverhaltsschilderung aus dem behördlichen Eilverfahren stimmen sollte - warum eine relativ große Menge Tabak unterschiedlicher Geschmacksrichtungen reklamiert worden sein soll. Es spricht auch gegen eine inländische Rücksendung des Tabaks, dass zahlreiche der sichergestellten Behältnisse noch keine Steuerbanderole trugen. Auch aus dem Schreiben der BFD ... vom 13.01.2014, auf das der Antragsteller sich bezieht, ergibt sich nichts anderes. Bereits der Schlussbericht stellt fest, dass ab August 2013 das Glyzerin nicht mehr im Steuerlager zugefügt worden sei. Insoweit bestätigen die in dem Schreiben der BFD ... genannten Untersuchungsergebnisse des Antragsgegners, nach denen mehrere Inhaber von Schischa-Bars angegeben hätten, dass der Tabak seit geraumer Zeit mit einer Flasche Molasse geliefert werde, die Umstellung dieser Praxis.
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1.2 Die Anzahl von 13.076 veräußerten Behältnissen, die der Antragsteller nicht bestritten hat, ergibt sich aus den sichergestellten Geschäftsunterlagen. Der Antragsteller hat auch glaubhaft gemacht, dass diese Behältnisse jeweils mindestens 1.000 g wogen. Die weitaus größte Zahl der 121 Behältnisse, die im Steuerlager und dem Firmenfahrzeug aufgefunden wurden, wog mehr als 1.000 g, nämlich ca. 1.060 g. Bei späteren Durchsuchungen wurden weitere 40 Behältnisse (15, 1 und 24 Behältnisse) sichergestellt, die - mit einer Ausnahme - ebenfalls jeweils mehr als 1.000 g wogen. Es ist ferner glaubhaft, dass der Antragsteller ausreichende Mengen Glyzerin zur Verfügung hatte, um den Tabak so damit zu versetzen, dass die Behältnisse insgesamt mindestens 1.000 g wogen. Aus den sichergestellten Einkaufsrechnungen ergibt sich nämlich, dass die A zwischen dem 11.10.2012 und dem 29.07.2013 insgesamt 11,5 t Glyzerin bezogen hat. Selbst wenn jedem der 13.076 Behältnisse 500 g Glyzerin zugefügt worden wäre, hätte es nur ca. 6,5 t Glyzerin bedurft, so dass die bezogene Menge auch dann ausreicht, wenn man berücksichtigt, dass hier nur Herstellungshandlungen ab dem 07.12.2012 besteuert werden und das vorher bezogene Glyzerin anderweitig verwendet wurde. Gegen das dem Bescheid zu Grunde gelegte Mindestgewicht spricht nicht, dass bei einer chemischen Analyse einer repräsentativen Warenprobe ein Glyzeringehalt von (lediglich) bis zu 45 % festgestellt wurde. Das festgestellte Gesamtgewicht von mindestens 1.000 g lässt sich ausgehend von einem Glyzeringehalt von 45 % auch damit erreichen, dass die Behältnisse mit mehr als 500 g Tabak befüllt worden sind. Soweit wegen der im Einzelfall abweichenden Gewichtsfeststellungen Unsicherheiten hinsichtlich des tatsächlichen Gewichts aller Behältnisse bestehen, können diese durch eine Schätzung gemäß § 162 Abs. 1 S. 1 AO analog ausgeräumt werden. Danach darf das Gericht die nicht ermittelbaren Besteuerungsgrundlagen schätzen. Um eine solche Besteuerungsgrundlage handelt es sich bei der Tabakmenge in den Behältnissen, die 500 g übersteigt. Da einerseits die weit überwiegende Mehrzahl der sichergestellten Behältnisse mehr als 1.000 g wog und andererseits nur vereinzelt Behältnisse weniger als 1.060 g wogen, ist im Wege der Schätzung davon auszugehen, dass die 13.076 Behältnisse im Schnitt ein Gewicht von mindestens 1.000 g aufwiesen.
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1.3 Der Antragsgegner hat glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller Steuerschuldner ist. Dies ist in den Fällen der Herstellung von Tabakwaren im Steuerlager ohne Erlaubnis der Hersteller und jede an der Herstellung beteiligte Person (§ 15 Abs. 4 Nr. 2 TabakStG). Als Geschäftsführer der A muss davon ausgegangen werden, dass er die Geschäftsvorgänge dieses Unternehmens gesteuert hat und damit an der Herstellung der Tabakwaren, für die hier Tabaksteuer geltend gemacht wird, beteiligt war.
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1.4 Die auf dieser tatsächlichen Grundlage im Tabaksteuerbescheid vorgenommene Berechnung der Höhe der Tabaksteuer, die der Antragsteller nicht angegriffen hat, ist nicht zu beanstanden. Die Tabaksteuer wurde für 13.076 Behältnisse berechnet. Dabei ging der Antragsgegner davon aus, dass in jedem Behältnis über die 500 g Tabak, für die Steuerzeichen vorlagen, weitere, mit Glyzerin versetzte 500 g Tabak enthalten waren. Hieraus (13.076 Stück x 0,5 kg) ergeben sich die 6.538 kg, für die Tabaksteuer erhoben wurde. Die Berechnung der Hinterziehungszinsen ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
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2. Schließlich kommt eine Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 FGO nicht in Betracht. Dass Vorliegen einer unbilligen Härte ist weder aus der Akte ersichtlich noch hat der Antragsteller dies behauptet.

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(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,
- 1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen, - 2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen, - 3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen, - 4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen, - 5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben, - 6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder - 7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.
(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.
(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.
(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.
(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
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die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.
Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.
(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.
(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
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die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.
(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,
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zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen, - 2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen, - 3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen, - 4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen, - 5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben, - 6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder - 7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.
(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.
(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.
(1) Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei hat sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.
(2) Die Finanzbehörde bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Bei der Entscheidung über Art und Umfang der Ermittlungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden.
(3) Zur Gewährleistung eines zeitnahen und gleichmäßigen Vollzugs der Steuergesetze können die obersten Finanzbehörden für bestimmte oder bestimmbare Fallgruppen Weisungen über Art und Umfang der Ermittlungen und der Verarbeitung von erhobenen oder erfassten Daten erteilen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist. Bei diesen Weisungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden. Die Weisungen dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Weisungen der obersten Finanzbehörden der Länder nach Satz 1 bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesministerium der Finanzen, soweit die Landesfinanzbehörden Steuern im Auftrag des Bundes verwalten.
(4) Das Bundeszentralamt für Steuern und die zentrale Stelle im Sinne des § 81 des Einkommensteuergesetzes können auf eine Weiterleitung ihnen zugegangener und zur Weiterleitung an die Landesfinanzbehörden bestimmter Daten an die Landesfinanzbehörden verzichten, soweit sie die Daten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zuordnen können. Nach Satz 1 einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zugeordnete Daten sind unter Beachtung von Weisungen gemäß Absatz 3 des Bundesministeriums der Finanzen weiterzuleiten. Nicht an die Landesfinanzbehörden weitergeleitete Daten sind vom Bundeszentralamt für Steuern für Zwecke von Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b bis zum Ablauf des 15. Jahres nach dem Jahr des Datenzugangs zu speichern. Nach Satz 3 gespeicherte Daten dürfen nur für Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b sowie zur Datenschutzkontrolle verarbeitet werden.
(5) Die Finanzbehörden können zur Beurteilung der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen und Prüfungen für eine gleichmäßige und gesetzmäßige Festsetzung von Steuern und Steuervergütungen sowie Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen automationsgestützte Systeme einsetzen (Risikomanagementsysteme). Dabei soll auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung berücksichtigt werden. Das Risikomanagementsystem muss mindestens folgende Anforderungen erfüllen:
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die Gewährleistung, dass durch Zufallsauswahl eine hinreichende Anzahl von Fällen zur umfassenden Prüfung durch Amtsträger ausgewählt wird, - 2.
die Prüfung der als prüfungsbedürftig ausgesteuerten Sachverhalte durch Amtsträger, - 3.
die Gewährleistung, dass Amtsträger Fälle für eine umfassende Prüfung auswählen können, - 4.
die regelmäßige Überprüfung der Risikomanagementsysteme auf ihre Zielerfüllung.
(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb
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bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder - 2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.
(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.
(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.
(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.
(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.