Finanzgericht Hamburg Urteil, 11. Sept. 2015 - 4 K 165/14

bei uns veröffentlicht am11.09.2015

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Einfuhrabgaben.

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Sie führte Vorrichtungen zur Befestigung von Hundeleinen an ein Hundehalsband ein, Verkäufer war die Firma A, B. Die Vorrichtungen werden mittels einer Art Öse auf einer Seite fest mit der Hundeleine verbunden. Auf der anderen Seite befindet sich, mit dieser Öse untrennbar verbunden, ein drehbarer Haken, der durch einen über eine innen angebrachte Feder zu betätigenden bolzenartigen Verschluss am selbsttätigen Öffnen gehindert wird und eine lösbare Verbindung mit dem Hundehalsband ermöglicht. Die Waren bestehen aus einer Zinkdruckguss-Aluminium-Legierung mit einem Aluminiumanteil von 4 %, die Feder besteht aus Karbonstahl. Diese Waren meldete die Klägerin teilweise als Karabinerhaken aus Stahl mit der Codenummer 7326 9098 900 und teilweise als Bolzenhaken aus Zink mit der Codenummer 8308 1000 000 an. Es galt jeweils ein Zollsatz von 2,7 %.

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Am 13.09.2013 begann der Beklagte eine Außenprüfung bei der Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 11.09.2013, über die ein Bericht vom 18.02.2014 vorliegt. Prüfungsumfang war unter anderem die ordnungsgemäße Einreihung von Waren, die die Klägerin von der Firma A, B, bezogenen hatte. Unter Nr. 3.3.1 heißt es, es handele sich um Karabinerhaken aus unedlen Metallen. Karabinerhaken seien nach den Erläuterungen (HS) 08.0 und 11.0 zur Position 8308 von der Position 8308 ausgenommen. Karabinerhaken aus Stahl würden von der Position 7326 erfasst (Erläuterung (HS) 02.2 zur Position 7326). Karabinerhaken aus anderen unedlen Metallen würden entsprechend in die Sammelpositionen des jeweiligen Stoffkapitels des Abschnitts XV eingereiht. Im Streitfall handele es sich daher um andere Waren aus Zink im Sinne der Position 7907.

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Das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung bestätigte in einer Stellungnahme vom 25.10.2014, dass es sich um Karabinerhaken handele, die nicht von der Position 8308 erfasst seien, sondern in das jeweilige Stoffkapitel des Abschnitt XV eingereiht werden müssten.

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Mit zwei Einfuhrabgabenbescheiden vom 10.03.2014 erhob der Beklagte, dem Prüfbericht folgend, Zoll i. H. v. 36.564,09 € bzw. 26.072,35 € nach.

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Am 01.04.2014 legte die Klägerin Einspruch gegen die Einfuhrabgabenbescheide ein, über den nicht entschieden worden ist. Zur Begründung trug sie vor, es handele sich um Haken der Position 8308. Die Erläuterungen zu dieser Position, die Karabinerhaken ausnähmen, seien nicht nachvollziehbar und unverbindlich. Zudem handele es sich nicht um Karabinerhaken, sondern um Bolzenhaken, die nicht aus der Position 8308 ausgeschlossen seien. Bolzenhaken wiesen ein Gelenk zu einer zweiten Öse auf, die ein Karabinerhaken nicht habe. Beide Hakenarten hätten einen unterschiedlichen Schließmechanismus, einen anderen technischen Aufbau und einen anderen Einsatzzweck. Für beides gebe es unterschiedliche Patente. Bolzenhaken stellten einen Verschluss für andere Waren dar, während Karabinerhaken typischerweise nichts verbänden, sondern im Wesentlichen dem Durchlauf von Seilen dienten. Zudem berief sie sich auf Vertrauensschutz. Anlässlich einer Außenprüfung bei ihrer Rechtsvorgängerin im Jahr 2008 sei die Einreihung von Bolzenhaken geprüft worden. Seinerzeit sei die Anmeldung unter der Unterposition 8308 1000 vorgenommen und nicht beanstandet worden, obwohl die richtige zollamtliche Erfassung der Waren vollumfänglich geprüft worden sei und auch Zollbelege mit entsprechenden Eingangsrechnungen Teil der Prüfungsunterlagen gewesen seien (Nrn. 2.1, 2.2, 3.1.1 und 3.2.4 des Prüfberichts vom 02.09.2008). Die Einfuhrpraxis sei unbeanstandet geblieben. Nach jedenfalls dreijähriger Laufzeit werde selbst bei passiver Entgegennahme von Zollanmeldungen und deren Akzeptanz die Schwelle zu einem aktiven Irrtum überschritten. Sie führe die betreffenden Bolzenhaken seit geschätzt 35 Jahren ein. Der zollbehördliche Irrtum habe die Ursache für die von ihr vorgenommene Anmeldung gesetzt. Angesichts der bisherigen Praxis habe sie auch keinen Anlass gesehen, eine verbindliche Zolltarifauskunft einzuholen. Dem Vertrauensschutz stehe auch nicht entgegen, dass die Bolzenhaken von der Spedition teilweise fehlerhaft unter der Unterposition 7326 9098 angemeldet worden seien. Auch diese Anmeldungen seien akzeptiert worden, auf der fehlerhaften Unterposition habe zudem der gleiche Zollsatz gelegen wie auf der Unterposition 8308 1000. Weiter fügte sie Erklärungen von Mitarbeitern bei, die an der Zollprüfung 2008 teilgenommen haben (Sachakte Bl. 105, 106). Zudem beantragte sie die Erstattung der Abgaben.

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Antragsgemäß erteilte die niederländische Zollverwaltung der Klägerin im April 2014 eine verbindliche Zolltarifauskunft (NL XXX-XXX), mit der die streitgegenständlichen Bolzenhaken in die Unterposition 8308 1000 eingereiht wurden. Diese verbindliche Zolltarifauskunft wurde mit Wirkung vom 23.09.2014 widerrufen. Ein zuvor bei der deutschen Zollverwaltung gestellter Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft wurde von der Klägerin zurückgenommen.

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Am 02.04.2014 bat der Beklagte das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung um eine Stellungnahme, die - wie von dort mitgeteilt wurde - aufgrund hoher Arbeitsbelastung erst am 23.09.2014 erteilt wurde. In der Stellungnahme heißt es, es handele sich im Streitfall zwar im Sinne der Position 8308 um Verschlüsse zum Ausrüsten anderer Waren, allerdings seien Karabinerhaken nach den Erläuterungen zur Position 8308 (Rn. 08.0, 11.0) ausdrücklich von dieser Position ausgenommen und nach den Erläuterungen zur Position 7326 ausdrücklich dieser Position zugewiesen (Rn. 02.0, 03.1). Dies könne aber nach dem Wortlaut der Position 7326 nur für Waren aus Eisen oder Stahl und nicht für Waren aus Zink gelten. Es verbleibe dann die Position 7907. Da die Bolzenhaken mit einem Federverschluss versehen seien, durch diesen Verschluss eine geschlossene Öse bildeten und eine schnell lösbare Verbindung ermöglichten, handele es sich bei den Bolzenhaken um Karabinerhaken. Nach der Anmerkung 7 zu Abschnitt XV habe die Einreihung nach dem gewichtsmäßig vorherrschenden Metall, also Zink, zu erfolgen. Für vergleichbare Haken aus Stahl lägen deutsche und polnische verbindliche Zolltarifauskünfte vor, die die Ware in die Position 7326 einreihten (Sachakte Bl. 174-178).

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Mit ihrer am 05.09.2014 als Untätigkeitsklage erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie referiert ihre Einspruchsbegründung und betont, bei den Bolzenhaken handele es sich um Haken aus unedlem Metall zum Ausrüsten anderer Waren im Sinne des Wortlauts der Position 8308. Es handele sich nicht um Karabinerhaken im Sinne der Erläuterungen zur Position 8308 Rn. 11.0. Abgesehen davon verändere diese Erläuterung unzulässigerweise den Positionswortlaut. Jedenfalls stehe ihr Vertrauensschutz nach Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex zur Seite. Die streitgegenständlichen Bolzenhaken seien Gegenstand der Prüfung im Jahre 2008 gewesen, wie sich aus den Nrn. 3.1.1 und 3.2.4 des Prüfberichts und der Erklärung ihrer Mitarbeiterin (Sachakte Bl. 105) ergebe, wonach die Bolzenhaken dem Außenprüfer sogar gezeigt worden seien. Die Bolzenhaken hätten einen Anteil von 73 % an den Drittlandsimporten gehabt und seien daher vom Außenprüfer besonders angesehen worden. Jedenfalls sei die Einreihung in die Position 8308 nicht beanstandet worden. Damit habe ihre Rechtsvorgängerin als bestätigt angesehen, dass Bolzenhaken einem Zoll von 2,7 % unterlägen. Die jahrelange Einfuhrpraxis - Verzollung mit 2,7 % - überschreite im Übrigen selbst bei passiver Entgegennahme von Zollanmeldungen die Schwelle zu einem aktiven Irrtum. Die Akzeptanz eines Zollsatzes von 2,7 % durch die Zollverwaltung stelle einen Irrtum dar, den sie, die Klägerin, vernünftigerweise nicht habe erkennen können. Dass seitens der Spedition Anmeldungen zum Teil für die nämliche Ware auf anderen Tariflinien gelaufen seien, sei unbedeutend, da der Zollsatz in jedem Fall bei 2,7 % gelegen habe. Darauf habe sie vertraut.

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Die Klägerin beantragt,
die Bescheide vom 10.03.2014 über 36.564,09 € und 26.072,35 € aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Er referiert hinsichtlich der Tarifierung die Stellungnahme des Bildungs- und Wissenschaftszentrums der Bundesfinanzverwaltung vom 23.09.2014. In Bezug auf das von der Klägerin geltend gemachte Nacherhebungsverbot vertritt er die Auffassung, der Prüfbericht vom 02.09.2008 enthalte keine Ausführungen zur Einreihung der Bolzen-/Karabinerhaken. Die Auflistung unter Nr. 3.1.1 beschreibe die nach der Summe der angemeldeten Zollwerte hauptsächlich eingeführten Artikel der Klägerin, sei mithin eine statistische Zusammenfassung der Anmeldedaten der Klägerin und keine Einreihungsentscheidung. Auch Nr. 2.1 des Prüfberichts lasse nicht auf eine vollständige Prüfung schließen, da, wie sich aus Nr. 3.2.4 ergebe, lediglich die Finanzbuchhaltungsunterlagen dahingehend überprüft worden seien, ob eine Lieferung der genannten Unternehmen zollamtlich richtig erfasst worden sei. Eine Einreihungsentscheidung sei damit nicht verbunden. Die von der Klägerin vorgelegten Erklärungen ihrer Mitarbeiter belegten nicht, dass die Prüfer sich zur Einreihung geäußert hätten. Auch der Umstand, dass die Klägerin die Waren selbst uneinheitlich angemeldet habe (teilweise Position 7326, teilweise Position 8308), spreche dagegen, dass sie auf den Prüfbericht vertraut habe. Aus einer "jahrelang unbeanstandet gebliebenen Einfuhrpraxis" könne die Klägerin keinen Vertrauensschutz herleiten, weil sie und ihre Rechtsvorgängerin die Haken trotz gleicher Beschaffenheit unter unterschiedlichen Warenbezeichnungen und Codenummern angemeldet hätten. Die Position 8308 habe sie etwa nur in jedem vierten Fall verwandt. Sie habe mithin auch nicht alle notwendigen und zutreffenden Angaben in den Zollanmeldungen gemacht. Die unterschiedlichen Zollanmeldungen seien im Durchschnitt nur einmal monatlich abgegeben worden, die Beschaffenheit aus einer Zinkdruckguss-Aluminiumlegierung sei für den Abfertigungsbeamten zudem nicht zu erkennen gewesen. Die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, Unsicherheiten über die Einreihung durch Einholung einer verbindlichen Zolltarifauskunft zu klären.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die vorliegenden Warenproben sowie die Sachakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig (I.) aber unbegründet (II.).

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I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere steht der Zulässigkeit nicht entgegen, dass das außergerichtliche Vorverfahren noch nicht abgeschlossen worden ist.

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Nach § 46 Abs. 1 S. 1 FGO ist eine Verpflichtungsklage abweichend von § 44 FGO ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs handelt es sich bei den in § 46 Abs. 1 FGO angeführten Tatbestandsvoraussetzungen nicht um Zugangsvoraussetzungen, sondern um Sachentscheidungsvoraussetzungen, die erst im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erfüllt sein müssen. Eine Untätigkeitsklage kann daher in die Zulässigkeit hineinwachsen. Für die Zulässigkeit der Klage kommt es somit darauf an, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 46 Abs. 1 FGO zum Zeitpunkt der Entscheidung gegeben sind (BFH, Beschluss vom 07.03.2006, VI B 78/04).

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Aus § 46 Abs. 1 S. 1 i. V. m. S. 2 FGO folgt, dass eine Frist von bis zu sechs Monaten nach Einlegung des Einspruchs regelmäßig als angemessen anzusehen ist (BFH, Beschluss vom 27.06.2012, XI B 8/12). Das Tatbestandsmerkmal "in angemessener Frist" kann aber auch eine Frist von mehr als sechs Monaten bedeuten. Es ist nach den gesamten Umständen des Falles zu beurteilen, ob eine darüber hinausreichende Frist noch "angemessen" ist. Abzuwägen sind auf der einen Seite der Umfang und die rechtlichen Schwierigkeiten des Falles und auf der anderen Seite das Interesse des Rechtsbehelfsführers an einer baldigen Entscheidung (BFH, Beschluss vom 27.06.2012, XI B 8/12). Nach § 46 Abs. 1 S. 1 FGO muss ein Steuerpflichtiger eine Verzögerung der Entscheidung über seinen außergerichtlichen Rechtsbehelf über eine ansonsten angemessene Frist hinaus nur dann hinnehmen, wenn dafür ein zureichender Grund besteht und dieser ihm mitgeteilt worden ist (BFH, Beschluss vom 27.06.2012, XI B 8/12). Ein zureichender Grund liegt vor, wenn es nach den besonderen Umständen des Einzelfalles einleuchtend erscheint, dass das Rechtsbehelfsverfahren noch nicht abgeschlossen wurde (BFH, Beschluss vom 27.06.2012, XI B 8/12), z. B. wenn umfangreiche Auslandsermittlungen notwendig sind und nicht festgestellt werden kann, dass die Behörde die notwendigen Ermittlungsmaßnahmen nicht mit dem gebotenen Nachdruck betreibt (vgl. BFH, Beschluss vom 07.03.2006, VI B 78/04). Nach § 46 Abs. 1 S. 3 FGO kann das Gericht das Klageverfahren nach seinem Ermessen bis zum Ablauf einer bestimmten Frist aussetzen. Diese Aussetzung kommt sowohl bei einer unzulässigen, weil verfrüht erhobenen Untätigkeitsklage (s. BFH, Beschluss vom 07.03.2006, VI B 78/04), als auch bei einer zulässigen Untätigkeitsklage in Betracht.

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Die Klage der Klägerin ist nach § 46 Abs. 1 FGO zulässig, weil der Beklagte nicht in angemessener Frist über den Einspruch entschieden hat. Es ist - jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung - kein zureichender Grund dafür gegeben, dass über den Einspruch vom 01.04.2014 nach nunmehr weit über einem Jahr noch immer nicht entschieden worden ist. Es ist bereits zweifelhaft, ob der vom Beklagten zunächst angegebene Grund, dass die niederländische Zollverwaltung eine der hiesigen Einreihungsauffassung widersprechende verbindliche Zolltarifauskunft erteilt habe, die aller Voraussicht nach für ungültig zu erklären sein werde (Klageerwiderung vom 26.09.2014), zureichend ist. Der Senat verkennt dabei nicht, dass es im Sinne einer einheitlichen Einreihung in allen Mitgliedstaaten sachgerecht erscheinen mag, abzuwarten, ob verbindliche Zolltarifauskünfte anderer Mitgliedstaaten Bestand haben oder nicht. Andererseits besteht keine Verpflichtung des Beklagten, bei der tariflichen Einreihung einer bestimmten Ware - erst recht, wenn über die Einreihung nur inzidenter im Zusammenhang mit der Festsetzung von Einfuhrabgaben befunden werden muss - die Tarifierungsauffassung anderer Zollstellen ohne Rücksicht auf deren Richtigkeit zu übernehmen. Entscheidend ist vielmehr allein, welche zolltarifliche Einreihung die zutreffende ist (BFH, Beschluss vom 30.03.2015, VII B 117/14). Der Beklagte hätte also durchaus über den Einspruch gegen die Einfuhrabgabenbescheide entscheiden können, ohne das Schicksal der niederländischen verbindlichen Zolltarifauskunft abwarten zu müssen. Jedenfalls ist der Grund nach dem Widerruf der niederländischen verbindlichen Zolltarifauskunft entfallen, so dass, wie auch die Beteiligten übereinstimmend annehmen, jedenfalls jetzt Entscheidungsreife gegeben ist.

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II.
Die Klage ist indes unbegründet. Die Einfuhrabgabenbescheide vom 10.03.2014 über 36.564,09 € und 26.072,35 € sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.

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Der Beklagte hat zu Recht Zoll für die streitgegenständlichen Einfuhren nacherhoben (1.), ein Nacherhebungsverbot ist nicht gegeben (2.)

21

1.
Eine Nacherhebung setzt nach Art. 220 Abs. 1 Zollkodex voraus, dass der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Art. 218 und 219 Zollkodex buchmäßig erfasst worden ist. Diese Voraussetzung liegt vor.

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Die vom Beklagten vorgenommene Nacherhebung erfolgte aufgrund einer geänderten Einreihung der eingeführten Waren. Der Senat hält die in den Einfuhrabgabenbescheiden angenommene Einreihung in die Position 7907 (andere Waren aus Zink) für zutreffend, so dass der angesetzte Drittlandszollsatz von 5 % gilt. Die Waren sind entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in die Unterposition 8308 1000 (Klammern, Haken und Ösen) einzureihen, für die ein der ursprünglichen Abgabenberechnung zu Grunde liegender Drittlandszollsatz von 2,7 % gilt.

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Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie des Bundesfinanzhofs (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 20.06.1996, C-121/95; BFH, Urteile vom 18.12.2001, VII R 78/00, vom 09.10.2001, VII R 69/00, vom 14.11.2000, VII R 83/99, vom 05.10.1999, VII R 42/98 und vom 23.07.1998, VII R 36/97) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur). Soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur bzw. zum Harmonisierten System, die von der Europäischen Kommission bzw. der Weltzollorganisation ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. EuGH, Urteile vom 19.01.2005, C-206/03, vom 09.12.1997, C-143/96, und vom 19.05.1994, C-11/93). Auf den Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. BFH, Urteile vom 14.11.2000, VII R 83/9 und vom 05.10.1999, VII R 42/98; Beschluss vom 24.10.2002, VII B 17/02).

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Die objektiven Merkmale und Eigenschaften der von der Klägerin eingeführten Ware sprechen nach Überzeugung des Senats für eine Einreihung in die Unterposition 7907 0000. Hierunter fallen andere Waren aus Zink. Demgegenüber gehören in die Position 8308 ausweislich der Warenbeschreibung unter anderem Verschlüsse, Haken und ähnliche Waren aus unedlen Metallen für Kleidung, Schuhe, Planen, Täschnerwaren oder zum Fertigen oder Ausrüsten anderer Waren. In die Unterposition 8308 1000 gehören Klammern, Haken und Ösen. Unstreitig bestehen die Waren aus einer Zinkdruckguss-Aluminiumlegierung mit einem Aluminiumanteil von 4 %, mithin aus unedlen Metallen (vgl. Anmerkung 3 zu Kap. XV).

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Bei der streitgegenständlichen Ware handelt es sich jedoch nicht um eine der in der Unterposition 8308 1000 beschriebenen Waren. Insbesondere handelt es sich nicht um einen Haken. Der Begriff "Haken" ist zolltarifrechtlich nicht definiert. Aus dem Wortlaut der Position 8308 lässt sich schließen, dass die Haken für Kleidung, Schuhe, Planen, Täschnerwaren oder zum Fertigen oder Ausrüsten anderer Waren bestimmt sein müssen. Einen näheren Rückschluss auf die Beschaffenheit von Haken im Sinne der Position 8308 lässt diese Beschreibung nicht zu. Allerdings spricht die Auflistung "Klammern, Haken und Ösen" im Wortlaut der Unterposition dafür, dass es sich um vergleichsweise einfache, jedenfalls nicht mit zusätzlichen Vorrichtungen ausgestattete Waren handelt. Im Gegensatz dazu weisen die streitgegenständlichen "Haken" mit der mit ihnen untrennbar verbundenen, über die Vertikalachse frei drehbaren Öse eine zusätzliche Vorrichtung auf, die neben der Befestigung eine weitere Funktion bietet, da sie ein Verdrehen der verbundenen Gegenstände verhindert. Insofern handelt es sich um einen "Haken mit Drehring". Der Unterpositionswortlaut kann - anders als die Klägerin es wohl meint - auch nicht in dem Sinne gelesen werden, dass "Haken und Ösen" gleichsam als eine Ware ("Haken mit Ösen") angesehen werden. Vielmehr stehen "Klammern", "Haken" und "Ösen" im Unterpositionswortlaut als einzelne Waren nebeneinander. Der Senat ist daher der Auffassung, dass unter einem "Haken" im engeren Sinne ein "winkliges oder gebogenes Stück Metall, Holz oder Kunststoff zum Anhaken, Festhalten von etwas" (so: www.duden.de, Suchbegriff Haken), mithin eine Ware zu verstehen ist, die geeignet ist, Gegenstände zu verbinden oder zu halten, ohne über weitere Vorrichtungen zu verfügen. Die streitgegenständliche Ware bietet zwar die Möglichkeit, etwas einzuhaken bzw. festzuhalten, sie verfügt aber - wie dargelegt - neben dem reinen Haken noch über einen Drehring. Derartige Haken mit einer zusätzlichen Vorrichtung fallen nach Auffassung des Senats nicht in die Unterposition 8308 1000. Es handelt sich auch nicht um eine "ähnliche Ware" der Position 8308. Ähnliche Waren müssen mit den im Positionswortlaut enthaltenen Waren vergleichbar sein. Alle dort aufgelisteten Waren zeichnet aus, dass Sie - anders als die vorliegenden Haken mit Drehring - jedenfalls nicht verschiedene Funktionen ausüben, sondern eine spezielle Funktion bedienen. Es handelt sich auch nicht nur um einen "Verschluss", der sich wiederum dadurch auszeichnet, dass eine weitere Funktion neben dem Verschließen nicht vorhanden ist. Zwar verschließt auch der vorliegende Haken mit Drehring etwas, wie dargelegt verfügt er jedoch über eine zusätzliche Funktion.

26

In seiner Auffassung fühlt sich der Senat auch durch die Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) bestätigt. Nach den ErlHS 11.0 zur Position 8308 werden Karabinerhaken aus dieser Position ausdrücklich ausgenommen. Auch der Begriff "Karabinerhaken" ist zolltarifrechtlich nicht definiert. Allerdings ergibt sich aus der Historie dieser Erläuterung, dass durch die Formulierung "Karabinerhaken" explizit Waren aus der Position 8308 ausgewiesen werden sollten, die - wie die streitgegenständliche Ware - neben dem reinen Haken zusätzlich über einen Drehwirbel bzw. Drehkopf verfügen. Die ErlHS werden von der World Customs Organization (bis 1994 Customs Co-operation Council) in englischer und französischer Sprache verfasst und herausgegeben. Diese Sprachfassungen sind als maßgeblich anzusehen, die vom Bundesfinanzministerium herausgegebene deutsche Fassung, die sich auch im elektronischen Zolltarif findet, ist inoffiziell und damit im Falle eines Widerspruchs zur englischen oder französischen Fassung nicht maßgeblich (vgl. EuGH, Schlussanträge vom 14.05.1998, C- 280/97). In der englischen Sprachfassung findet sich bei der Auflistung der aus der Position 8308 ausgewiesenen Waren die Formulierung "snap-hooks", in der französischen Fassung heißt es "porte-mousquetons". Beides ließe sich frei auch mit Karabinerhaken übersetzen, gemeint ist mit diesen Bezeichnungen indes nicht der schlichte Haken, sondern ein Haken mit einer an einem Drehring befestigten Öse, wie eine Auskunft durch die World Customs Organization ergeben hat. Von dort wurde auf entsprechende Nachfrage des Senats am 27.08.2015 mitgeteilt, der Text in den Erläuterungen der Positionen 8308 und 7326 in Bezug auf die ausgewiesenen bzw. zugewiesenen Waren habe bis 1979 in der englischen Fassung "swivel and swivel hooks for all purposes", also Drehring und Haken mit Drehring, gelautet. In der französischen Fassung sei stets von "porte-mousqueton" die Rede gewesen. Anlässlich eines Ersuchens der Behörden Sri Lankas sei aufgefallen, dass die englische Formulierung "swivel ... for all purposes" dazu führe, dass alle "swivel", also Drehringe, von der Erläuterung erfasst würden, auch wenn diese keinen Haken aufwiesen. Daraufhin sei der englischsprachige Text der Erläuterungen mit dem Ziel, eine präzisere Übersetzung des französischen Textes zu verwenden, in "snap hooks" geändert worden. Den Begriff "porte-mousqetons" mit "snap hook" bzw. "Karabinerhaken" zu übersetzen, greift indes zu kurz, wie die Begründung für die Änderung des Textes ergibt. In seiner 42. Sitzung hat das Nomenclature Committee des Customs Co-operation Council am 08.02.1979 (CCC-Dok. 24.932 E) ausweislich des am selben Tag verfassten Vermerks unter 3. ausgeführt: "In french-speaking countries the term "porte-mousqueton" is used in the trade to refer to an article consisting of a swivel and a spring hook sold as a leash accessors (see Annex I). It would appear that the corresponding part of the English text ("swivels and swivel hooks") is a reference to these two components of the "porte-mousqueton"." Danach wird also der Begriff "porte-mousqueton" im französischsprachigen Raum im Handel für eine Ware verwandt, die aus Drehring und (Karabiner-) Haken besteht und als Zubehör für Hundeleinen verkauft wird. Hieraus folgert der Senat, dass jedenfalls nach der den Willen der Verfasser der Erläuterungen wiedergebenden ursprünglichen französischen Sprachfassung keine schlichten (Karabiner-)Haken, sondern Waren, die aus einem Haken und einem Drehring bestehen, aus der Position 8308 ausgewiesen und der Position 7326 zugewiesen werden sollen. In diesem Sinne sind auch die Übersetzungen "snap hook" bzw. "Karabinerhaken" zu verstehen. Den so beschriebenen Waren entsprechen die streitgegenständlichen Haken. Mithin spricht der Wortlaut der Unterposition 8308 1000 i. V. m. den zur Position 8308 ergangenen Erläuterungen (HS) dafür, die Waren nicht als Haken in diese Unterposition einzureihen. Eine Einreihung muss dann mangels einer speziellen Position oder Unterposition nach der stofflichen Beschaffenheit erfolgen.

27

Eine Einreihung in die Position 7326 scheidet aus, weil dort nur andere Waren aus Eisen oder Stahl erfasst sind. Daher kommt nur eine Einreihung in die Position 7907 (andere Waren aus Zink) in Betracht. Nach Anmerkung 7 zu Abschnitt XV werden, soweit der Wortlaut der Positionen nichts anderes bestimmt, zusammengesetzte Waren, wenn sie aus zwei oder mehr unedlen Metallen bestehen, wie entsprechende Waren aus dem Metall eingereiht, das gewichtsmäßig gegenüber jedem anderen Metall vorherrscht. Unstreitig besteht die Ware im Wesentlichen aus einer Zinklegierung mit einem gewichtsmäßig vorherrschenden Zinkgehalt. Bei Zink handelt es sich um ein unedles Metall (Anmerkung 3 zu Kap. XV), das hier gewichtsmäßig vorherrscht (vgl. Anmerkung 5 a) und 6 zu Abschnitt XV).

28

Zu einem anderen Ergebnis gelangt der Senat auch nicht angesichts der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2015 vorgelegten verbindlichen Zolltarifauskunft (DE XXX-1) vom 02.07.2012. Dort wird eine Ware, die mit den vorliegenden Haken mit Drehring vergleichbar sein dürfte, in die Unterposition 8308 1000 eingereiht. Sofern es sich um eine vergleichbare Ware handeln sollte - was der Senat nicht abschließend klären muss -, bestünde jedenfalls keine Bindung an diese verbindliche Zolltarifauskunft. Entscheidend ist insbesondere für die gerichtliche Entscheidung allein, welche zolltarifliche Einreihung zutreffend ist. Erweist sich eine einem Einführer erteilte verbindliche Zolltarifauskunft als unzutreffend, kann ein anderer Einführer in einem anderen Einfuhrfall nicht unter Berufung auf den Gleichheitssatz von der zuständigen Zollbehörde verlangen, dass sie der Abfertigung dieselbe unzutreffende Tarifauffassung zugrunde legt (vgl. BFH, Beschluss vom 30.03.2015, VII B 117/14).

29

2.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf ein Nacherhebungsverbot gemäß Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex berufen. Nach dieser Bestimmung erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat. Den ursprünglichen Berechnungen der Zollschuld mag ein Irrtum der Zollverwaltung zugrunde gelegen haben, es handelte sich jedoch nicht um einen sog. aktiven Irrtum, wie dies Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex voraussetzt. Dies bedeutet, dass die Zollbehörde den Irrtum aktiv begehen muss und ihm nicht lediglich unterlegen sein darf, etwa weil sie ungeprüft die Angaben in der Zollanmeldung übernommen hat. Vielmehr muss der Irrtum auf ein Handeln der Zollbehörde zurückzuführen sein (BFH, Beschluss vom 28.11.2005, VII B 116/05).

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Ein derart aktiver Irrtum kann im Streitfall, in dem mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgegangen werden muss, dass die Zollbehörde die Anmeldungen der Klägerin ungeprüft übernommen hat, nicht angenommen werden. Der Senat übersieht dabei nicht, dass Art. 220 Abs. 2 lit. b) Unterabs. 1 Zollkodex nur eine Kausalität zwischen dem behördlichen Irrtum und der unterbliebenen buchmäßigen Erfassung der Einfuhrabgaben verlangt, nicht aber, dass der Irrtum im direkten zeitlichen Zusammenhang mit der betreffenden Zollanmeldung unterlaufen sein muss. Daher kann ein Irrtum im Sinne des Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex auch angenommen werden, wenn die Unrichtigkeit einer Zollanmeldung dadurch verursacht worden ist, dass entsprechende Anmeldungen früherer Einfuhren in einer Außenprüfung nicht beanstandet wurden oder durch eine irrtümliche Auskunft der Zollbehörden veranlasst worden waren (vgl. BFH, Urteil vom 07.06.2011, VII R 36/10). Ein aktiver Irrtum kann auch dann vorliegen, wenn bei einer zurückliegenden Abfertigung ein aktiver Irrtum begangen wurde und sich dem eine langjährige unzutreffende Abfertigungspraxis angeschlossen hat (FG Hamburg, Urteile vom 24.01.2008, 4 K 274/07 und vom 16.12.2011, 4 K 133/10).

31

Dass die streitgegenständlichen Anmeldungen durch das - irrtümliche - Ergebnis der Außenprüfung und den darüber erstellten Bericht von 2008 veranlasst worden wären, vermag der Senat nicht festzustellen. Aus dem Prüfbericht vom 02.09.2008 (Sachakte Bl. 4 ff.) lässt sich nicht ersehen, dass der Beklagte die streitgegenständlichen Waren im Hinblick auf die zolltarifliche Einreihung überprüft hätte. Zwar wurde, wie es unter Nr. 2.1 heißt, die richtige zollamtliche Erfassung der in den freien Verkehr überführten Waren vollständig überprüft, dies betrifft allerdings, wie der Verweis auf Nr. 3.2.4 zeigt, lediglich die Lieferumfänge im Abgleich mit der Finanzbuchhaltung. Zudem heißt es unter Nr. 2.1 ausdrücklich, dass die Einreihung der eingeführten Waren in den EZT nur stichprobenweise erfolgt ist. Unter Nr. 3.1.1 werden Karabinerhaken der Position 7326 und Bolzenhaken der Position 8308 aufgeführt, allerdings nicht als Ergebnis einer Prüfung, sondern lediglich als Auflistung der von der Klägerin im Wesentlichen eingeführten Waren. Die Erklärungen von Mitarbeitern der Klägerin über den Ablauf der Zollprüfung (Sachakte Bl. 105, 106) sind wenig hilfreich. Danach ist dem Prüfer eine Glasvitrine mit Ausstellungsstücken gezeigt worden, in der sich auch Leinen, die über die streitgegenständlichen Haken verfügten, befanden. Dem Prüfer seien während der Prüfung unter anderem auch die eingeführten Haken gezeigt worden. Eine Sicherheitsschlaufe habe der Prüfer als falsch eingereiht angesehen. Dass der Prüfer speziell auch die Einreihung der Haken überprüft und bestätigt hat, ergibt sich daraus nicht. Dagegen, dass tatsächlich eine Prüfung durchgeführt worden ist, spricht aus Sicht des Senats auch der bereits genannte Umstand, dass als eingeführte Ware neben dem Karabinerhaken auch der Bolzenhaken aufgeführt wird, wobei unterschiedliche Positionen angegeben werden, obwohl es sich um die gleiche bzw. eine vergleichbare Ware zur Ausrüstung der Hundeleine handelt. Wäre der vorliegende Haken mit Drehring tatsächlich im Hinblick auf die Einreihung überprüft worden, hätte dies schon wegen der widersprüchlichen - und im Bericht unter Nr. 3.1.1 ausdrücklich erwähnten - Einreihung durch die Klägerin eine Beanstandung nach sich ziehen müssen, wie auch in der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2015 von einem Außenprüfer des Beklagten aus seiner allgemeinen Erfahrung heraus berichtet wurde. Dass eine derartige Beanstandung tatsächlich nicht erfolgt ist, spricht in hohem Maße dafür, dass eine explizite Überprüfung der Tarifierung der Haken mit Drehring im Rahmen der Außenprüfung nicht erfolgt ist, auch wenn zwischen dem Außenprüfer und Mitarbeitern der Klägerin tatsächlich auch über die Haken mit Drehring gesprochen worden und bei der Klägerin der Eindruck entstanden sein mag, die Einreihung werde bestätigt. Etwaige Ergebnisse einer Prüfung der Einreihung der Haken mit Drehring durch den Außenprüfer sind jedenfalls nicht Gegenstand des Prüfberichts geworden, unverbindliche Äußerungen wären nicht geeignet, schützenswertes Vertrauen der Klägerin zu begründen. Der Senat hält dies sowohl angesichts der Aktenlage als auch des Vorbringens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2015 für derart eindeutig, dass er keinen Anlass zu einer weiteren Aufklärung von Amts wegen, etwa durch Befragung des seinerzeit zuständigen Außenprüfers, sieht.

32

Auch auf eine langjährige unzutreffende Abfertigungspraxis kann sich die Klägerin nicht stützen. Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die streitgegenständlichen Haken in der Vergangenheit unterschiedlich angemeldet worden sind. Dies räumt die Klägerin auch grundsätzlich ein. Sowohl die Position 8308 als auch die Position 7326 wurde bei der Anmeldung von "Bolzenhaken aus Zink" angegeben (vgl. Sachakte Bl. 22). Selbst wenn der Zollsatz jeweils 2,7 % betragen haben mag, musste der Klägerin klar sein, dass nur eine der angegebenen Positionen richtig sein kann und die andere zwangsläufig unrichtig sein muss. Auch war die Unrichtigkeit der Abfertigungspraxis insofern ohne weiteres für die Klägerin zu erkennen, als die Position 7326 (andere Waren aus Eisen oder Stahl) schon aufgrund der stofflichen Beschaffenheit nicht in Betracht kam. Sofern die Anmeldungen nicht von der Klägerin selbst, sondern von einer von ihr beauftragten Spedition vorgenommen wurden, muss sie sich deren Verhalten zurechnen lassen. Daher besteht kein schützenswertes Vertrauen auf die Richtigkeit der Abfertigungspraxis.

33

Auf die Frage, ob die Klägerin gutgläubig gehandelt hat, ob der Irrtum für sie vernünftigerweise erkennbar war und ob sie alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat, kommt es nach alledem nicht mehr an.

34

Der Senat sieht keine Veranlassung, die Sache im Hinblick auf die inzidenter zu entscheidende Tarifierungsfrage dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorzulegen, da er sie in dem hier dargelegten Sinne für eindeutig zu beantworten hält.

35

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Einreihungsfrage zugelassen, § 115 Abs. 2 FGO.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

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(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 44


(1) In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. (2) Ge

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 46


(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klag

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Tenor Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 11. September 2015  4 K 165/14 und die Bescheide des Hauptzollamts aufgehoben.

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(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

(1) In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

(2) Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.

(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, gab für das Jahr 2005 (Streitjahr) keine Umsatzsteuererklärung ab. Sie war und ist der Ansicht, dass sie Organgesellschaft des Einzelunternehmens ihres Geschäftsführers sei.

2

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) schätzte die Besteuerungsgrundlagen und erließ am 20. Dezember 2007 den Umsatzsteuerbescheid für 2005 gegen die Klägerin. Hiergegen legte sie am 21. Januar 2008 Einspruch ein.

3

Das FA gewährte antragsgemäß die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids.

4

Mit Schreiben vom 10. Juni 2011 teilte das FA der Klägerin auf deren Anfrage hin mit, dass das für die Besteuerung des Geschäftsführers zuständige FA X für die Jahre ab 2005 noch keine Entscheidung über das Bestehen einer Organschaft getroffen habe und hierzu hinsichtlich der Jahre 2002 bis 2004 beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen … ein finanzgerichtliches Verfahren anhängig sei.

5

Mit der am 16. Juni 2011 erhobenen, auf Aufhebung des streitigen Umsatzsteuerbescheids gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, es sei ihr nicht zumutbar, länger auf eine Entscheidung des FA zu warten. Die Erhebung einer Untätigkeitsklage sei geboten. Es gebe keinen sachlichen Grund, über den Einspruch vom 21. Januar 2008 nicht zu entscheiden.

6

Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Die Zulässigkeit der Klage ergebe sich nicht aus § 46 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FA habe der Klägerin vor Klageerhebung mitgeteilt, dass es vor einer Entscheidung über den Einspruch den Ausgang des beim FG anhängigen Verfahrens … abwarten wolle. Dies sei sachgerecht, weil das FG in diesem Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Organschaft der Klägerin zum Einzelunternehmen ihres Geschäftsführers zu befinden haben werde.

7

Das Vorliegen eines sachlichen Grundes lasse sich auch nicht deshalb verneinen, weil das vorgenannte Verfahren lediglich die Jahre 2002 bis 2004 betreffe. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Voraussetzungen für das Bestehen einer möglichen Organschaft im Streitjahr 2005 grundlegend geändert hätten. Angesichts dessen sei das Verfahren nicht nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO auszusetzen.

8

Das FA habe die AdV gewährt, so dass sich die Klägerin derzeit keiner beizutreibenden Steuerforderungen gegenüber sehe.

9

Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie war daher zurückzuweisen.

11

Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe sind entweder nicht gegeben oder nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.

12

1. Die von der Klägerin sinngemäß erhobene Rüge, das FG habe die Klage zu Unrecht durch ein Prozessurteil als unzulässig abgewiesen, kann zwar einen Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründen (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. April 2011 III B 124/10, BFH/NV 2011, 1110; vom 20. April 2012 III B 36/11, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris, jeweils m.w.N.). Ein solcher Verstoß liegt im Streitfall aber nicht vor.

13

Das FG hat die Klage zu Recht als unzulässig verworfen, weil im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht über den außergerichtlichen Rechtsbehelf entschieden war (§ 44 Abs. 1 FGO) und die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO nicht vorlagen.

14

a) Ohne vorherigen Abschluss eines Vorverfahrens ist eine Klage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO abweichend von § 44 FGO zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist.

15

aa) Aus § 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 FGO folgt, dass eine Frist von bis zu sechs Monaten nach Einlegung des Einspruchs regelmäßig als angemessen anzusehen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. April 2006 IV R 18/04, BFH/NV 2006, 2017; vom 7. Oktober 2010 V R 43/08, BFH/NV 2011, 989, jeweils m.w.N.). Das Tatbestandsmerkmal "in angemessener Frist" ist aber auch nach Ablauf von sechs Monaten zu prüfen. Dabei ist nach den gesamten Umständen des Falles zu beurteilen, ob eine darüber hinausreichende Frist noch "angemessen" ist. Abzuwägen sind auf der einen Seite der Umfang und die rechtlichen Schwierigkeiten des Falles und auf der anderen Seite das Interesse des Rechtsbehelfsführers an einer baldigen Entscheidung (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 2017; in BFH/NV 2011, 989, jeweils m.w.N.). Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO muss ein Steuerpflichtiger eine Verzögerung der Entscheidung über seinen außergerichtlichen Rechtsbehelf über eine angemessene Frist hinaus nur dann hinnehmen, wenn dafür ein zureichender Grund besteht und dieser ihm mitgeteilt worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 989).

16

bb) Ein zureichender Grund liegt vor, wenn es nach den besonderen Umständen des Einzelfalles einleuchtend erscheint, dass das Rechtsbehelfsverfahren noch nicht abgeschlossen wurde (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 989, m.w.N.). Als zureichender Grund i.S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO kommt auch das Abwarten einer noch ausstehenden Entscheidung in einem finanzgerichtlichen Verfahren in Betracht, wenn dort dieselbe Streitfrage entscheidungserheblich ist, wie in demjenigen Verfahren, in dem die Entscheidung über den Einspruch zurückgestellt werden soll (zum "Musterverfahren" vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 989, m.w.N.).

17

b) Vorliegend hat das FG das Abwarten der noch ausstehenden Entscheidung im Verfahren … zu Recht als zureichenden Grund dafür angesehen, dass das FA die Entscheidung über den Einspruch der Klägerin zurückgestellt hat. Denn in beiden Verfahren ist die Streitfrage erheblich, ob die Voraussetzungen für eine Organschaft der Klägerin zum Einzelunternehmen ihres Geschäftsführers vorliegen. Dieser zureichende Grund lässt sich --wovon das FG zutreffend ausging-- nicht deshalb verneinen, weil das Verfahren … nicht das Streitjahr, sondern die Jahre 2002 bis 2004 betrifft. Denn es war weder ersichtlich noch substantiiert vorgebracht, dass sich die Voraussetzungen für das Bestehen einer möglichen Organschaft geändert hätten. Die Klägerin hatte hierzu in ihrer Klageschrift lediglich pauschal behauptet, der die Jahre 2002 bis 2004 betreffende Rechtsstreit besage "nichts" für das Organschaftsverhältnis der Folgejahre; die Frage der Organschaft müsse "für jedes Jahr geprüft und entschieden werden".

18

c) Dieser zureichende Grund wurde der Klägerin mit Schreiben des FA vom 10. Juni 2011 --mithin vor Klageerhebung-- auch mitgeteilt.

19

2. Der ferner von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO der Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.

20

a) Die Klägerin rügt, das FG habe ihr prozessuales Grundrecht auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es ihr tatsächliches Vorbringen übergangen habe. Es habe nicht zur Kenntnis genommen, dass --wie sie, die Klägerin, vorgebracht habe-- das FA X "wissentlich" und "wohlüberlegt" entschieden hätte, ihre Umsätze und Vorsteuerbeträge bei der Umsatzbesteuerung ihres Geschäftsführers als Organträger zu berücksichtigen, und die Unzumutbarkeit des Zuwartens in den gegebenenfalls auf unabsehbare Zeit anfallenden Aussetzungszinsen zu sehen sei.

21

b) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO) umfasst vor allem das Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern. Sie haben einen Anspruch darauf, dem Gericht auch in rechtlicher Hinsicht alles vortragen zu können, was sie für wesentlich halten. Diesen Ansprüchen entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Weiterhin hat das Gericht seine Entscheidung zu begründen, wobei aus seiner Begründung erkennbar sein muss, dass eine Auseinandersetzung mit dem wesentlichen Vorbringen der Verfahrensbeteiligten stattgefunden hat (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. April 1980  2 BvR 827/79, BVerfGE 54, 86, m.w.N.). Diese richterliche Pflicht geht jedoch nicht so weit, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste, da davon auszugehen ist, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 10a, m.w.N.). Es darf das Vorbringen außer Acht lassen, das nach seiner Auffassung unerheblich oder unsubstantiiert ist. Das rechtliche Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. Juli 2007 III S 8/07, BFH/NV 2007, 2135; vom 15. Dezember 2010 XI B 46/10, BFH/NV 2011, 448; vom 20. Februar 2012 III B 107/11, BFH/NV 2012, 987; vom 27. April 2012 III B 238/11, n.v., juris, jeweils m.w.N.).

22

c) Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat das FG den Vortrag der Klägerin ersichtlich zur Kenntnis genommen.

23

aa) Die Vorentscheidung führt zu dem im Tatbestand (FG-Urteil, Seite 2) dargelegten Vorbringen der Klägerin, dass das FA X die Umsätze und Vorsteuerbeträge der Klägerin im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzung gegen ihren Geschäftsführer berücksichtigt habe und dass das FA X für das Streitjahr 2005 eine Organschaft faktisch anerkannt habe, in den Entscheidungsgründen (FG-Urteil, Seite 3) aus, dass dies allein nicht zum Vorliegen einer Organschaft führe.

24

bb) Das FG hat ferner zur Kenntnis genommen, dass das FA antragsgemäß die AdV des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids gewährt hat (FG-Urteil, Seite 2). Es hielt die erhobene Untätigkeitsklage auch nicht unter dem Gesichtspunkt für zulässig, dass der Klägerin durch die Nichtentscheidung unzumutbare Nachteile erwüchsen, da die AdV gewährt worden sei (FG-Urteil, Seite 3).

25

3. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

26

a) Eine ordnungsgemäße Darlegung dieses Zulassungsgrundes setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Hierzu ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzulegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig ist. Dazu muss auch dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 2010 III B 112/09, BFH/NV 2010, 881, m.w.N.; vom 24. Juni 2010 XI B 105/09, BFH/NV 2010, 2086, m.w.N.; vom 8. Oktober 2010 II B 111/10, BFH/NV 2011, 73, m.w.N.).

27

b) Diesem Erfordernis genügt die Beschwerdeschrift nicht. Die Klägerin hält zwar hinsichtlich der Behandlung von umsatzsteuerrechtlichen Organschaftsverhältnissen (§ 2 des Umsatzsteuergesetzes) eine Reihe von Fragen für grundsätzlich bedeutsam. Sie legt jedoch schon nicht dar, dass die Klärung der Fragen im Interesse der Allgemeinheit liegt. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache genügt insbesondere nicht der Hinweis darauf, dass die Revisionsentscheidung für eine größere Zahl von Fällen von Bedeutung sei (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. Februar 1994 V B 85/93, BFH/NV 1995, 603; vom 25. September 2003 XI B 11/01, BFH/NV 2004, 77; vom 27. Juni 2007 X B 73/06, BFH/NV 2007, 1653, jeweils m.w.N.).

28

Im Übrigen ist die Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung nicht im allgemeinen Interesse, wenn die Entscheidung --wie im Streitfall-- maßgeblich von den tatsächlichen Besonderheiten des Einzelfalls abhängt (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 23).

29

c) Die ferner zur Zulässigkeit von Untätigkeitsklagen (§ 46 FGO) aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig.

30

An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen oder der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2011 XI B 32/10, BFH/NV 2011, 746, m.w.N.).

31

Es ist bereits geklärt, dass als zureichender Grund i.S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO auch das Abwarten einer noch ausstehenden Entscheidung in einem finanzgerichtlichen Verfahren in Betracht kommt, wenn --wovon im Streitfall auszugehen ist-- dort dieselbe Streitfrage entscheidungserheblich ist, wie in demjenigen Verfahren, in dem die Entscheidung über den Einspruch zurückgestellt werden soll (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 989, m.w.N.).

32

Neue Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung dieser Rechtsprechung erfordern würden, sind weder dargetan noch ersichtlich.

33

4. Die Klägerin hat schließlich nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt, dass die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen ist.

34

a) Zur Darlegung einer Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist erforderlich, dass sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, in welcher konkreten Rechtsfrage das FG in der angefochtenen Entscheidung nach Ansicht des Beschwerdeführers von der Rechtsprechung anderer Gerichte abgewichen ist. Er hat rechtserhebliche abstrakte Rechtssätze im angefochtenen Urteil und in den von ihm angeführten Entscheidungen so genau zu bezeichnen, dass die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 2000 V B 15/00, BFH/NV 2001, 819; vom 15. Oktober 2008 XI B 247/07, n.v., juris; vom 18. November 2010 XI B 56/10, BFH/NV 2011, 199, jeweils m.w.N.).

35

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Die Klägerin bezieht sich zwar auf BFH-Urteile, ohne jedoch abweichende Rechtssätze oder vergleichbare Sachverhalte derart darzutun, dass die Nichtübereinstimmung verschiedener Gerichte im Grundsätzlichen erkennbar wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 3. November 2011 V B 53/11, BFH/NV 2012, 281, m.w.N.).

36

5. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, gab für das Jahr 2005 (Streitjahr) keine Umsatzsteuererklärung ab. Sie war und ist der Ansicht, dass sie Organgesellschaft des Einzelunternehmens ihres Geschäftsführers sei.

2

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) schätzte die Besteuerungsgrundlagen und erließ am 20. Dezember 2007 den Umsatzsteuerbescheid für 2005 gegen die Klägerin. Hiergegen legte sie am 21. Januar 2008 Einspruch ein.

3

Das FA gewährte antragsgemäß die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids.

4

Mit Schreiben vom 10. Juni 2011 teilte das FA der Klägerin auf deren Anfrage hin mit, dass das für die Besteuerung des Geschäftsführers zuständige FA X für die Jahre ab 2005 noch keine Entscheidung über das Bestehen einer Organschaft getroffen habe und hierzu hinsichtlich der Jahre 2002 bis 2004 beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen … ein finanzgerichtliches Verfahren anhängig sei.

5

Mit der am 16. Juni 2011 erhobenen, auf Aufhebung des streitigen Umsatzsteuerbescheids gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, es sei ihr nicht zumutbar, länger auf eine Entscheidung des FA zu warten. Die Erhebung einer Untätigkeitsklage sei geboten. Es gebe keinen sachlichen Grund, über den Einspruch vom 21. Januar 2008 nicht zu entscheiden.

6

Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Die Zulässigkeit der Klage ergebe sich nicht aus § 46 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FA habe der Klägerin vor Klageerhebung mitgeteilt, dass es vor einer Entscheidung über den Einspruch den Ausgang des beim FG anhängigen Verfahrens … abwarten wolle. Dies sei sachgerecht, weil das FG in diesem Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Organschaft der Klägerin zum Einzelunternehmen ihres Geschäftsführers zu befinden haben werde.

7

Das Vorliegen eines sachlichen Grundes lasse sich auch nicht deshalb verneinen, weil das vorgenannte Verfahren lediglich die Jahre 2002 bis 2004 betreffe. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Voraussetzungen für das Bestehen einer möglichen Organschaft im Streitjahr 2005 grundlegend geändert hätten. Angesichts dessen sei das Verfahren nicht nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO auszusetzen.

8

Das FA habe die AdV gewährt, so dass sich die Klägerin derzeit keiner beizutreibenden Steuerforderungen gegenüber sehe.

9

Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie war daher zurückzuweisen.

11

Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe sind entweder nicht gegeben oder nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.

12

1. Die von der Klägerin sinngemäß erhobene Rüge, das FG habe die Klage zu Unrecht durch ein Prozessurteil als unzulässig abgewiesen, kann zwar einen Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründen (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. April 2011 III B 124/10, BFH/NV 2011, 1110; vom 20. April 2012 III B 36/11, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris, jeweils m.w.N.). Ein solcher Verstoß liegt im Streitfall aber nicht vor.

13

Das FG hat die Klage zu Recht als unzulässig verworfen, weil im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht über den außergerichtlichen Rechtsbehelf entschieden war (§ 44 Abs. 1 FGO) und die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO nicht vorlagen.

14

a) Ohne vorherigen Abschluss eines Vorverfahrens ist eine Klage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO abweichend von § 44 FGO zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist.

15

aa) Aus § 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 FGO folgt, dass eine Frist von bis zu sechs Monaten nach Einlegung des Einspruchs regelmäßig als angemessen anzusehen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. April 2006 IV R 18/04, BFH/NV 2006, 2017; vom 7. Oktober 2010 V R 43/08, BFH/NV 2011, 989, jeweils m.w.N.). Das Tatbestandsmerkmal "in angemessener Frist" ist aber auch nach Ablauf von sechs Monaten zu prüfen. Dabei ist nach den gesamten Umständen des Falles zu beurteilen, ob eine darüber hinausreichende Frist noch "angemessen" ist. Abzuwägen sind auf der einen Seite der Umfang und die rechtlichen Schwierigkeiten des Falles und auf der anderen Seite das Interesse des Rechtsbehelfsführers an einer baldigen Entscheidung (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 2017; in BFH/NV 2011, 989, jeweils m.w.N.). Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO muss ein Steuerpflichtiger eine Verzögerung der Entscheidung über seinen außergerichtlichen Rechtsbehelf über eine angemessene Frist hinaus nur dann hinnehmen, wenn dafür ein zureichender Grund besteht und dieser ihm mitgeteilt worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 989).

16

bb) Ein zureichender Grund liegt vor, wenn es nach den besonderen Umständen des Einzelfalles einleuchtend erscheint, dass das Rechtsbehelfsverfahren noch nicht abgeschlossen wurde (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 989, m.w.N.). Als zureichender Grund i.S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO kommt auch das Abwarten einer noch ausstehenden Entscheidung in einem finanzgerichtlichen Verfahren in Betracht, wenn dort dieselbe Streitfrage entscheidungserheblich ist, wie in demjenigen Verfahren, in dem die Entscheidung über den Einspruch zurückgestellt werden soll (zum "Musterverfahren" vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 989, m.w.N.).

17

b) Vorliegend hat das FG das Abwarten der noch ausstehenden Entscheidung im Verfahren … zu Recht als zureichenden Grund dafür angesehen, dass das FA die Entscheidung über den Einspruch der Klägerin zurückgestellt hat. Denn in beiden Verfahren ist die Streitfrage erheblich, ob die Voraussetzungen für eine Organschaft der Klägerin zum Einzelunternehmen ihres Geschäftsführers vorliegen. Dieser zureichende Grund lässt sich --wovon das FG zutreffend ausging-- nicht deshalb verneinen, weil das Verfahren … nicht das Streitjahr, sondern die Jahre 2002 bis 2004 betrifft. Denn es war weder ersichtlich noch substantiiert vorgebracht, dass sich die Voraussetzungen für das Bestehen einer möglichen Organschaft geändert hätten. Die Klägerin hatte hierzu in ihrer Klageschrift lediglich pauschal behauptet, der die Jahre 2002 bis 2004 betreffende Rechtsstreit besage "nichts" für das Organschaftsverhältnis der Folgejahre; die Frage der Organschaft müsse "für jedes Jahr geprüft und entschieden werden".

18

c) Dieser zureichende Grund wurde der Klägerin mit Schreiben des FA vom 10. Juni 2011 --mithin vor Klageerhebung-- auch mitgeteilt.

19

2. Der ferner von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO der Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.

20

a) Die Klägerin rügt, das FG habe ihr prozessuales Grundrecht auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es ihr tatsächliches Vorbringen übergangen habe. Es habe nicht zur Kenntnis genommen, dass --wie sie, die Klägerin, vorgebracht habe-- das FA X "wissentlich" und "wohlüberlegt" entschieden hätte, ihre Umsätze und Vorsteuerbeträge bei der Umsatzbesteuerung ihres Geschäftsführers als Organträger zu berücksichtigen, und die Unzumutbarkeit des Zuwartens in den gegebenenfalls auf unabsehbare Zeit anfallenden Aussetzungszinsen zu sehen sei.

21

b) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO) umfasst vor allem das Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern. Sie haben einen Anspruch darauf, dem Gericht auch in rechtlicher Hinsicht alles vortragen zu können, was sie für wesentlich halten. Diesen Ansprüchen entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Weiterhin hat das Gericht seine Entscheidung zu begründen, wobei aus seiner Begründung erkennbar sein muss, dass eine Auseinandersetzung mit dem wesentlichen Vorbringen der Verfahrensbeteiligten stattgefunden hat (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. April 1980  2 BvR 827/79, BVerfGE 54, 86, m.w.N.). Diese richterliche Pflicht geht jedoch nicht so weit, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste, da davon auszugehen ist, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 10a, m.w.N.). Es darf das Vorbringen außer Acht lassen, das nach seiner Auffassung unerheblich oder unsubstantiiert ist. Das rechtliche Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. Juli 2007 III S 8/07, BFH/NV 2007, 2135; vom 15. Dezember 2010 XI B 46/10, BFH/NV 2011, 448; vom 20. Februar 2012 III B 107/11, BFH/NV 2012, 987; vom 27. April 2012 III B 238/11, n.v., juris, jeweils m.w.N.).

22

c) Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat das FG den Vortrag der Klägerin ersichtlich zur Kenntnis genommen.

23

aa) Die Vorentscheidung führt zu dem im Tatbestand (FG-Urteil, Seite 2) dargelegten Vorbringen der Klägerin, dass das FA X die Umsätze und Vorsteuerbeträge der Klägerin im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzung gegen ihren Geschäftsführer berücksichtigt habe und dass das FA X für das Streitjahr 2005 eine Organschaft faktisch anerkannt habe, in den Entscheidungsgründen (FG-Urteil, Seite 3) aus, dass dies allein nicht zum Vorliegen einer Organschaft führe.

24

bb) Das FG hat ferner zur Kenntnis genommen, dass das FA antragsgemäß die AdV des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids gewährt hat (FG-Urteil, Seite 2). Es hielt die erhobene Untätigkeitsklage auch nicht unter dem Gesichtspunkt für zulässig, dass der Klägerin durch die Nichtentscheidung unzumutbare Nachteile erwüchsen, da die AdV gewährt worden sei (FG-Urteil, Seite 3).

25

3. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

26

a) Eine ordnungsgemäße Darlegung dieses Zulassungsgrundes setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Hierzu ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzulegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig ist. Dazu muss auch dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 2010 III B 112/09, BFH/NV 2010, 881, m.w.N.; vom 24. Juni 2010 XI B 105/09, BFH/NV 2010, 2086, m.w.N.; vom 8. Oktober 2010 II B 111/10, BFH/NV 2011, 73, m.w.N.).

27

b) Diesem Erfordernis genügt die Beschwerdeschrift nicht. Die Klägerin hält zwar hinsichtlich der Behandlung von umsatzsteuerrechtlichen Organschaftsverhältnissen (§ 2 des Umsatzsteuergesetzes) eine Reihe von Fragen für grundsätzlich bedeutsam. Sie legt jedoch schon nicht dar, dass die Klärung der Fragen im Interesse der Allgemeinheit liegt. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache genügt insbesondere nicht der Hinweis darauf, dass die Revisionsentscheidung für eine größere Zahl von Fällen von Bedeutung sei (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. Februar 1994 V B 85/93, BFH/NV 1995, 603; vom 25. September 2003 XI B 11/01, BFH/NV 2004, 77; vom 27. Juni 2007 X B 73/06, BFH/NV 2007, 1653, jeweils m.w.N.).

28

Im Übrigen ist die Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung nicht im allgemeinen Interesse, wenn die Entscheidung --wie im Streitfall-- maßgeblich von den tatsächlichen Besonderheiten des Einzelfalls abhängt (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 23).

29

c) Die ferner zur Zulässigkeit von Untätigkeitsklagen (§ 46 FGO) aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig.

30

An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen oder der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2011 XI B 32/10, BFH/NV 2011, 746, m.w.N.).

31

Es ist bereits geklärt, dass als zureichender Grund i.S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO auch das Abwarten einer noch ausstehenden Entscheidung in einem finanzgerichtlichen Verfahren in Betracht kommt, wenn --wovon im Streitfall auszugehen ist-- dort dieselbe Streitfrage entscheidungserheblich ist, wie in demjenigen Verfahren, in dem die Entscheidung über den Einspruch zurückgestellt werden soll (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 989, m.w.N.).

32

Neue Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung dieser Rechtsprechung erfordern würden, sind weder dargetan noch ersichtlich.

33

4. Die Klägerin hat schließlich nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt, dass die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen ist.

34

a) Zur Darlegung einer Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist erforderlich, dass sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, in welcher konkreten Rechtsfrage das FG in der angefochtenen Entscheidung nach Ansicht des Beschwerdeführers von der Rechtsprechung anderer Gerichte abgewichen ist. Er hat rechtserhebliche abstrakte Rechtssätze im angefochtenen Urteil und in den von ihm angeführten Entscheidungen so genau zu bezeichnen, dass die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 2000 V B 15/00, BFH/NV 2001, 819; vom 15. Oktober 2008 XI B 247/07, n.v., juris; vom 18. November 2010 XI B 56/10, BFH/NV 2011, 199, jeweils m.w.N.).

35

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Die Klägerin bezieht sich zwar auf BFH-Urteile, ohne jedoch abweichende Rechtssätze oder vergleichbare Sachverhalte derart darzutun, dass die Nichtübereinstimmung verschiedener Gerichte im Grundsätzlichen erkennbar wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 3. November 2011 V B 53/11, BFH/NV 2012, 281, m.w.N.).

36

5. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 11. Juni 2014  4 K 147/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) formulierte Rechtsfrage, ob die von ihr vertriebenen Waren --wie der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) mit den streitigen verbindlichen Zolltarifauskünften (vZTA) meint-- in die Unterpos. 8472 90 70 der Kombinierten Nomenklatur --KN-- (andere Büromaschinen und -apparate) oder in die von der Klägerin für richtig gehaltene Unterpos. 8422 40 00 KN (andere Maschinen und Apparate zum Verpacken oder Umhüllen von Waren) einzureihen sind, gibt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

2

1. Der Klärungsbedarf dieser Einreihungsfrage ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht daraus, dass die nämliche Ware mit der britischen vZTA GB … vom 27. November 2013 in die Pos. 8422 KN eingereiht wurde.

3

a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist die für die Einfuhrabfertigung zuständige Zollstelle bei der Einreihung der Einfuhrware in die KN rechtlich nicht an die Tarifierung dieser Ware anlässlich anderer Einfuhrabfertigungen durch eine andere Zollstelle gebunden.

4

Zwar folgt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) aus dem Gleichheitssatz sowie aus dem Gebot der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Europäischen Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (Urteile vom 29. Juli 2010 C-151/09-UGT-FSP-, Slg. 2010, I-7591; vom 21. Oktober 2010 C-467/08-SGAE-, Slg. 2010, I-10055, jeweils m.w.N.).

5

Aus dem Gleichheitssatz folgt allerdings nicht die Verpflichtung der Zollbehörde, bei der tariflichen Einreihung einer bestimmten Ware die Tarifauffassung anderer Zollstellen ohne Rücksicht auf deren Richtigkeit zu übernehmen. Entscheidend ist vielmehr allein, welche zolltarifliche Einreihung die zutreffende ist. Erweist sich daher die Tarifierung einer bestimmten Ware durch eine Zollstelle als unzutreffend, kann in einem anderen Einfuhrfall der Einführer nicht unter Berufung auf den Gleichheitssatz von der für ihn zuständigen Zollbehörde verlangen, dass sie der Abfertigung dieselbe unzutreffende Tarifauffassung zugrunde legt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. März 2011 VII B 133/10, BFH/NV 2011, 1200, m.w.N.).

6

Eine gegebenenfalls erforderliche einheitliche Auslegung erhalten klärungsbedürftige Zolltariffragen entweder durch eine zolltarifliche Entscheidung des EuGH auf Vorlage eines nationalen Gerichts in einem bestimmten Streitfall oder --bei voneinander abweichenden vZTA für dieselbe Ware-- durch eine Maßnahme der Kommission gemäß dem Verfahren nach Art. 9 der Zollkodexdurchführungsverordnung (Senatsurteil vom 30. Juli 2003 VII R 40/01, BFH/NV 2004, 835, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2004, 126).

7

b) Jedenfalls hat das HZA zu Recht darauf hingewiesen, dass die britische Zollverwaltung die von ihr erteilte vZTA zwischenzeitlich aufgehoben hat (die unter dem 18. März 2015 zuletzt aktualisierte vZTA-Datenbank der Europäischen Kommission enthält die vZTA GB … nicht mehr).

8

2. Dem sonstigen Vorbringen der Klägerin kann der Senat keine Anhaltspunkte für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache entnehmen.

9

Geht es --wie im Streitfall-- allein darum, ob die betreffende Ware zutreffend in den Zolltarif eingereiht worden ist, beschränkt sich also die Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommen soll, auf die Frage der zutreffenden Tarifierung, so kommt der Klärungsbedürftigkeit der Tarifierungsfrage und ihrer ausreichenden Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) entscheidende Bedeutung zu. Der Beschwerdeführer muss unter Heranziehung der zu dieser Frage ggf. vorhandenen Literatur und Rechtsprechung der europäischen und der nationalen Gerichte sowie der einschlägigen Zolltarifmaterialien (Avise, Erläuterungen u.a.) Zweifel an der Einreihung der Ware durch das Finanzgericht (FG) wecken und aufzeigen, aus welchen Gründen seiner abweichenden Tarifauffassung möglicherweise der Vorzug vor derjenigen des FG gegeben werden könnte (Senatsbeschluss vom 11. Februar 2002 VII B 136/01, BFHE 198, 242, ZfZ 2002, 229).

10

Der Beschwerdebegründung ist --zusammengefasst-- nur zu entnehmen, dass die Klägerin die Wareneinreihung in die Pos. 8472 KN durch das HZA und das FG für "nicht korrekt", demgegenüber die Einreihung in die Pos. 8422 KN für "ohne Weiteres möglich und ... auch richtig" hält. Wie sich nämlich schon aus der von der Klägerin selbst gewählten Formulierung, "die Auslegung ... des Finanzgerichts engt den Anwendungsbereich der Position 8422 zu sehr und unzulässig ein" ergibt, zeigt die Klägerin keinen vom FG seiner Entscheidung zu Grunde gelegten abstrakten Rechtssatz auf, der einer grundsätzlichen Überprüfung im Revisionsverfahren bedürfte, sondern wendet sich gegen die Subsumtion der streitigen Waren unter die für falsch gehaltene Tarifposition. Damit aber macht sie einen Rechtsanwendungsfehler des FG im Einzelfall geltend, der unter keinen der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Revisionszulassungsgründe fällt. Zwar ist die Revision auch zuzulassen, wenn ein Rechtsfehler des FG zu einer "greifbar gesetzwidrigen", auf sachfremden Erwägungen beruhenden und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbaren Entscheidung geführt hat. Anhaltspunkte dafür finden sich in der ausführlich und nachvollziehbar begründeten FG-Entscheidung nicht. Unterhalb dieser Grenze liegende Rechtsfehler reichen --wenn sie denn vorlägen-- nicht aus, um die Revision zuzulassen (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 21. August 2014 X B 159/13, BFH/NV 2014, 1743, m.w.N.).

11

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 11. Juni 2014  4 K 147/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) formulierte Rechtsfrage, ob die von ihr vertriebenen Waren --wie der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) mit den streitigen verbindlichen Zolltarifauskünften (vZTA) meint-- in die Unterpos. 8472 90 70 der Kombinierten Nomenklatur --KN-- (andere Büromaschinen und -apparate) oder in die von der Klägerin für richtig gehaltene Unterpos. 8422 40 00 KN (andere Maschinen und Apparate zum Verpacken oder Umhüllen von Waren) einzureihen sind, gibt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

2

1. Der Klärungsbedarf dieser Einreihungsfrage ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht daraus, dass die nämliche Ware mit der britischen vZTA GB … vom 27. November 2013 in die Pos. 8422 KN eingereiht wurde.

3

a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist die für die Einfuhrabfertigung zuständige Zollstelle bei der Einreihung der Einfuhrware in die KN rechtlich nicht an die Tarifierung dieser Ware anlässlich anderer Einfuhrabfertigungen durch eine andere Zollstelle gebunden.

4

Zwar folgt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) aus dem Gleichheitssatz sowie aus dem Gebot der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Europäischen Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (Urteile vom 29. Juli 2010 C-151/09-UGT-FSP-, Slg. 2010, I-7591; vom 21. Oktober 2010 C-467/08-SGAE-, Slg. 2010, I-10055, jeweils m.w.N.).

5

Aus dem Gleichheitssatz folgt allerdings nicht die Verpflichtung der Zollbehörde, bei der tariflichen Einreihung einer bestimmten Ware die Tarifauffassung anderer Zollstellen ohne Rücksicht auf deren Richtigkeit zu übernehmen. Entscheidend ist vielmehr allein, welche zolltarifliche Einreihung die zutreffende ist. Erweist sich daher die Tarifierung einer bestimmten Ware durch eine Zollstelle als unzutreffend, kann in einem anderen Einfuhrfall der Einführer nicht unter Berufung auf den Gleichheitssatz von der für ihn zuständigen Zollbehörde verlangen, dass sie der Abfertigung dieselbe unzutreffende Tarifauffassung zugrunde legt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. März 2011 VII B 133/10, BFH/NV 2011, 1200, m.w.N.).

6

Eine gegebenenfalls erforderliche einheitliche Auslegung erhalten klärungsbedürftige Zolltariffragen entweder durch eine zolltarifliche Entscheidung des EuGH auf Vorlage eines nationalen Gerichts in einem bestimmten Streitfall oder --bei voneinander abweichenden vZTA für dieselbe Ware-- durch eine Maßnahme der Kommission gemäß dem Verfahren nach Art. 9 der Zollkodexdurchführungsverordnung (Senatsurteil vom 30. Juli 2003 VII R 40/01, BFH/NV 2004, 835, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2004, 126).

7

b) Jedenfalls hat das HZA zu Recht darauf hingewiesen, dass die britische Zollverwaltung die von ihr erteilte vZTA zwischenzeitlich aufgehoben hat (die unter dem 18. März 2015 zuletzt aktualisierte vZTA-Datenbank der Europäischen Kommission enthält die vZTA GB … nicht mehr).

8

2. Dem sonstigen Vorbringen der Klägerin kann der Senat keine Anhaltspunkte für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache entnehmen.

9

Geht es --wie im Streitfall-- allein darum, ob die betreffende Ware zutreffend in den Zolltarif eingereiht worden ist, beschränkt sich also die Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommen soll, auf die Frage der zutreffenden Tarifierung, so kommt der Klärungsbedürftigkeit der Tarifierungsfrage und ihrer ausreichenden Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) entscheidende Bedeutung zu. Der Beschwerdeführer muss unter Heranziehung der zu dieser Frage ggf. vorhandenen Literatur und Rechtsprechung der europäischen und der nationalen Gerichte sowie der einschlägigen Zolltarifmaterialien (Avise, Erläuterungen u.a.) Zweifel an der Einreihung der Ware durch das Finanzgericht (FG) wecken und aufzeigen, aus welchen Gründen seiner abweichenden Tarifauffassung möglicherweise der Vorzug vor derjenigen des FG gegeben werden könnte (Senatsbeschluss vom 11. Februar 2002 VII B 136/01, BFHE 198, 242, ZfZ 2002, 229).

10

Der Beschwerdebegründung ist --zusammengefasst-- nur zu entnehmen, dass die Klägerin die Wareneinreihung in die Pos. 8472 KN durch das HZA und das FG für "nicht korrekt", demgegenüber die Einreihung in die Pos. 8422 KN für "ohne Weiteres möglich und ... auch richtig" hält. Wie sich nämlich schon aus der von der Klägerin selbst gewählten Formulierung, "die Auslegung ... des Finanzgerichts engt den Anwendungsbereich der Position 8422 zu sehr und unzulässig ein" ergibt, zeigt die Klägerin keinen vom FG seiner Entscheidung zu Grunde gelegten abstrakten Rechtssatz auf, der einer grundsätzlichen Überprüfung im Revisionsverfahren bedürfte, sondern wendet sich gegen die Subsumtion der streitigen Waren unter die für falsch gehaltene Tarifposition. Damit aber macht sie einen Rechtsanwendungsfehler des FG im Einzelfall geltend, der unter keinen der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Revisionszulassungsgründe fällt. Zwar ist die Revision auch zuzulassen, wenn ein Rechtsfehler des FG zu einer "greifbar gesetzwidrigen", auf sachfremden Erwägungen beruhenden und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbaren Entscheidung geführt hat. Anhaltspunkte dafür finden sich in der ausführlich und nachvollziehbar begründeten FG-Entscheidung nicht. Unterhalb dieser Grenze liegende Rechtsfehler reichen --wenn sie denn vorlägen-- nicht aus, um die Revision zuzulassen (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 21. August 2014 X B 159/13, BFH/NV 2014, 1743, m.w.N.).

11

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) meldete im Juli und August 2003 mit ergänzender Zollanmeldung Gemüsekonserven aus China zur Überführung in den freien Verkehr an. Dabei legte sie als Zollwert den vom chinesischen Hersteller in Rechnung gestellten Kaufpreis zugrunde, ohne die Kosten für die Behältnisse (Gläser und Metalldrehverschlüsse) hinzuzurechnen, die sie zuvor aus dem freien Verkehr der Gemeinschaft erworben und dem chinesischen Hersteller der Konserven unentgeltlich zur Verfügung gestellt hatte. Diese Art der Zollwertermittlung war in der Vergangenheit auch anlässlich bei der Klägerin durchgeführter Betriebsprüfungen unbeanstandet geblieben, weil es der früheren Dienstanweisung (DA) für die deutsche Zollverwaltung entsprach, Kosten für vom Käufer zur Verfügung gestellte Umschließungen aus dem freien Verkehr des Zollgebiets der Union dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis nicht hinzuzurechnen (Abs. 7 Buchst. b Unterabs. 1 DA, Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung --VSF-- Z 53 14), um zum Zweck der abgabenfreien Wiedereinfuhr der Umschließungen zu bewilligende passive Veredelungsverkehre zu vermeiden. Diese Regelung enthält die im Dezember 2002 in den VSF-Nachrichten bekannt gegebene Neufassung der Dienstvorschrift Zollwertrecht (DV) jedoch nicht mehr (vgl. jetzt: Abs. 42 DV, VSF Z 51 01). Dementsprechend wurde in den VSF-Nachrichten vom 27. Februar 2003 darauf hingewiesen, dass wegen der geänderten zollwertrechtlichen Behandlung von Umschließungen auch eine entsprechende Änderung der Dienstvorschrift zur passiven Veredelung erforderlich sei.

2

Wegen der geänderten Zollpraxis erließ die Zollverwaltung aufgrund eines Erlasses des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 13. Januar 2005 Steueränderungsbescheide für nach dem 27. Februar 2002, aber vor dem Wirksamwerden rückwirkend bewilligter passiver Veredelungen ausgeführte und nach dem 27. Februar 2003 wieder eingeführte Umschließungen. Hiervon betroffen war auch die o.g. im August 2003 in den freien Verkehr übergeführte Einfuhrsendung der Klägerin, da ihr für die bereits nach China ausgeführten Behältnisse eine passive Veredelung erst mit Rückwirkung ab dem 1. September 2002 bewilligt worden war, weshalb der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) die im Zeitraum 28. Februar bis 31. August 2002 ausgeführten Behältnisse als abgabenpflichtig ansah. Das HZA erhob die Einfuhrabgaben unter Zugrundelegung des erhöhten Zollwerts nach.

3

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das dem FG-Urteil entsprechende in einem Parallelverfahren ergangene Urteil ist in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern (ZfZ) 2010, Beilage 1, 4 veröffentlicht.

4

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass von der Nacherhebung der Einfuhrabgaben gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex (ZK) abzusehen sei. Wegen der langjährigen und anlässlich von Betriebsprüfungen immer wieder bestätigten damaligen Verwaltungspraxis sei von einem Irrtum des HZA im Sinne vorgenannter Vorschrift auszugehen. Von der Änderung dieser Praxis aufgrund geänderter Dienstvorschriften der Zollverwaltung habe sie (die Klägerin) keine Kenntnis gehabt. Sie habe den Irrtum des HZA auch nicht erkennen können; vielmehr habe für sie die Zulässigkeit der bisherigen Verwaltungspraxis außer Frage gestanden, zumal das BMF noch mit Schreiben an den Waren-Verein der Hamburger Börse vom 16. August 2000 diese Praxis bestätigt habe.

5

Das HZA ist der Ansicht, dass die unterbliebene Abgabenerhebung nicht auf einen Irrtum der Zollbehörden zurückzuführen sei. Dies ergebe sich insbesondere aus dem BMF-Schreiben vom 16. August 2000, in welchem die damalige DA als eine rein nationale Vorgehensweise, die auf einer Duldungsabsprache mit der Europäischen Kommission beruhe, beschrieben werde. Wäre das BMF von einem rechtmäßigen Handeln ausgegangen, ergäbe das Wort "Duldung" keinen Sinn. Im Übrigen hätte die Klägerin als erfahrener Importeur jederzeit damit rechnen müssen, dass die vereinfachte Verfahrensweise nach der alten DA aufgehoben würde. Es sei nicht nachvollziehbar, dass ein erfahrener Importeur von Konserven bei Abfassung seiner Zollanmeldungen den in den VSF-Nachrichten vom 27. Februar 2003 bekannt gegebenen Erlass des BMF außer Acht lasse. Bei Lektüre der VSF-Nachrichten hätte die Klägerin von der Möglichkeit Kenntnis erhalten, für bereits ausgeführte Umschließungen eine rückwirkende Bewilligung der passiven Veredelung beantragen zu können. Die streitigen Abgaben wären dann nicht entstanden.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie des angefochtenen Einfuhrabgabenbescheids vom 17. Mai 2006 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Dieser Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

7

Ob die Kosten der dem chinesischen Hersteller zur Verfügung gestellten Behältnisse gemäß Art. 32 Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii ZK in den Zollwert der Einfuhrwaren einzubeziehen sind --was zwischen den Beteiligten nicht im Streit ist-- oder ob diese Behältnisse nicht eher als Beistellungen anzusehen sind, deren Wert gemäß Art. 32 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i ZK dem Transaktionswert hinzuzurechnen ist, kann offenbleiben. Der Nacherhebung der daraus resultierenden höheren Einfuhrabgaben steht jedenfalls Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK entgegen.

8

Nach der vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in ständiger Rechtsprechung verwendeten Zusammenfassung der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift hat die Zollbehörde von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung von Einfuhrabgaben abzusehen, wenn drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Die Nichterhebung muss auf einem Irrtum der zuständigen Behörden beruhen; es muss sich um einen Irrtum handeln, der für einen gutgläubigen Abgabenschuldner nicht erkennbar war, und dieser muss alle geltenden Vorschriften über seine Zollerklärung eingehalten haben (vgl. EuGH-Urteil vom 3. März 2005 C-499/03 P --Biegi Nahrungsmittel, Commonfood--, Slg. 2005, I-1751, ZfZ 2005, 228, m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

9

1. Anders als das FG meint, ist die zutreffende buchmäßige Erfassung der Einfuhrabgaben aufgrund eines Irrtums des HZA unterblieben. Zwar begründet nur ein solcher Irrtum, der auf ein Handeln der zuständigen Behörde zurückzuführen ist (sog. aktiver Irrtum), einen Anspruch auf Absehen von der Nacherhebung der Einfuhrabgaben, nicht jedoch ein Irrtum, dem die Zollbehörde im Zeitpunkt der Abgabenerhebung wegen unzutreffender oder unvollständiger Angaben des Abgabenschuldners unterlag (EuGH-Urteile vom 27. Juni 1991 C-348/89 --Mecanarte--, Slg. 1991, I-3277, ZfZ 1992, 388; vom 14. November 2002 C-251/00 --Ilumitrónica--, Slg. 2002, I-10433, ZfZ 2003, 46). Gleichwohl lässt sich im Streitfall das Vorliegen eines aktiven Irrtums des HZA bei der Einfuhrabfertigung nicht mit der Begründung verneinen, dass die im Juli und August 2003 abgegebenen Zollanmeldungen der Klägerin insoweit unvollständig waren, als sie keinen Hinweis auf die dem chinesischen Hersteller unentgeltlich zur Verfügung gestellten Behältnisse enthielten.

10

Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK verlangt lediglich eine Kausalität zwischen dem behördlichen Irrtum und der unterbliebenen buchmäßigen Erfassung der Einfuhrabgaben, nicht aber, dass der Irrtum im direkten zeitlichen Zusammenhang mit der betreffenden Zollanmeldung unterlaufen sein muss. Dementsprechend hat der EuGH mit Urteil vom 19. Oktober 2000 C-15/99 --Sommer-- (Slg. 2000, I-8989, ZfZ 2001, 13) einen Irrtum i.S. des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK auch in einem Fall angenommen, in dem anlässlich einer früheren Außenprüfung die Nichteinbeziehung bestimmter Kosten in den Zollwert von der Zollbehörde nicht beanstandet worden war und diese Kosten dementsprechend bei späteren, gleichartige Kaufgeschäfte betreffenden Einfuhren mit der Zollwertanmeldung des Einführers nicht angegeben wurden (vgl. zum Sachverhalt den vorangegangenen Vorlagebeschluss des FG Bremen vom 4. August 1998  296052K 2, ZfZ 1999, 93). Des Weiteren hat der EuGH mit Urteil in Slg. 1991, I-3277, Rz 25, ZfZ 1992, 388 ausgeführt, dass Vertrauensschutz gewährt werden kann, wenn die Unrichtigkeit der Erklärungen des Abgabenschuldners nur die Folge falscher Auskünfte ist, die von den zuständigen Behörden erteilt wurden und diese Behörden binden, und hat in ähnlicher Weise das Vorliegen eines Irrtums der zuständigen Behörde bejaht, wenn diese irrige Auskünfte erteilt hat, auf die der Zollbeteiligte vertrauen durfte (EuGH-Urteil vom 26. November 1998 C-370/96 --Covita AVE--, Slg. 1998, I-7711, ZfZ 1999, 86).

11

Danach beruht die im Streitfall unterbliebene Abgabenerhebung auf einem Irrtum des HZA, da nach den Feststellungen des FG die der früheren DA entsprechenden Zollwertanmeldungen bzw. -berechnungen der Klägerin anlässlich früherer Betriebsprüfungen nicht beanstandet wurden und diese damalige Praxis somit als ursächlich dafür angesehen werden kann, dass die Klägerin mit ihren Zollanmeldungen für die hier streitigen Einfuhrsendungen keine Angaben zu dem chinesischen Hersteller unentgeltlich zur Verfügung gestellten Behältnissen machte und die Kosten für diese Behältnisse somit nicht in den Zollwert einbezogen wurden.

12

Anders als das HZA offenbar meint, kann das Vorliegen eines behördlichen Irrtums auch nicht mit der Begründung verneint werden, die deutsche Zollverwaltung habe nicht etwa irrtümlich angenommen, dass die Umschließungskosten nicht zum Zollwert gehörten, sondern sei vielmehr bewusst --allerdings mit Duldung der Kommission-- von den rechtlichen Vorgaben abgewichen. Zweifelhaft ist insoweit bereits, ob die deutsche Zollverwaltung seinerzeit das Unionsrecht tatsächlich vorsätzlich verletzen wollte oder sie nicht vielmehr geglaubt hat, aus einem als übergeordnet angesehenen Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung die Hinzurechnungsvorschriften des Art. 32 Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii bzw. Buchst. b Ziff. i ZK einschränkend im Wege der in die DA aufgenommenen Ausnahme auslegen zu dürfen, um nicht allein wegen der bezüglich des Zollwerts der Gemüsekonserven relativ unbedeutenden Kosten der Umschließungen passive Veredelungsverkehre in großer Anzahl abwickeln zu müssen. Jedenfalls erfasst aber der Begriff des Irrtums i.S. des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK jedwede unrichtige Auslegung oder Anwendung der anwendbaren Rechtsvorschriften (EuGH-Urteil in Slg. 1991, I-3277, Rz 20, ZfZ 1992, 388). Der Irrtums-Begriff dient in der Rechtsprechung des EuGH der Unterscheidung zwischen einer die Abgabenerhebung betreffenden unzutreffenden Rechtsanwendung oder -auslegung, die auf ein Handeln der zuständigen Behörde zurückzuführen ist, und einer solchen, deren Ursache in der Sphäre des Zollbeteiligten liegt und deshalb nicht vor einer Nacherhebung schützt. Im Streitfall liegt es aber auf der Hand, dass die jahrelange den Hinzurechnungsvorschriften des Art. 32 Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii bzw. Buchst. b Ziff. i ZK nicht entsprechende Praxis der deutschen Zollverwaltung keinesfalls der Sphäre der Klägerin zuzuordnen ist, unabhängig davon, ob die Zollverwaltung ihre Praxis für rechtlich vertretbar hielt oder nicht.

13

2. Ausgehend von seiner Ansicht, dass ein behördlicher Irrtum i.S. des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK nicht vorliege, hat das FG nicht geprüft, ob die Klägerin gutgläubig gehandelt hat. Seinen Feststellungen lassen sich allerdings keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Klägerin bei Abgabe der Zollanmeldungen von der Neufassung der DV und der darin nicht mehr enthaltenen Ausnahmeregelung Kenntnis hatte und somit wusste, dass sie Angaben zu den dem chinesischen Verkäufer unentgeltlich überlassenen Behältnissen hätte machen müssen. Auch das HZA behauptet dies nicht. Der Senat sieht deshalb keinen Anlass, die Sache zur Klärung dieser zwischen den Beteiligten nicht streitigen Frage an das FG zurückzuverweisen, und geht von der Gutgläubigkeit der Klägerin aus.

14

3. Der Irrtum konnte von der gutgläubigen Klägerin vernünftigerweise auch nicht erkannt werden. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung, dass ein behördlicher Irrtum nicht vorliege, hat zwar das FG auch diese Voraussetzung ungeprüft gelassen; die vom FG getroffenen Feststellungen erlauben jedoch eine entsprechende Prüfung durch den erkennenden Senat.

15

Die Erkennbarkeit des Irrtums ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (und des erkennenden Senats) unter Berücksichtigung seiner Art, d.h. unter Berücksichtigung der Komplexität der betreffenden Regelung, sowie der Berufserfahrung des betroffenen Wirtschaftsteilnehmers und der von ihm aufgewandten Sorgfalt zu beurteilen. Von Bedeutung ist insoweit allerdings auch die Länge des Zeitraums, in dem die Behörden in ihrem Irrtum verharrten (EuGH-Urteil in Slg. 2002, I-10433, Rz 54-56, ZfZ 2003, 46). Hinsichtlich der zollwertrechtlichen Behandlung vom Käufer zur Verfügung gestellter Umschließungen darf daher nicht außer Betracht bleiben, dass die deutsche Praxis, Umschließungen aus dem freien Verkehr der Union von der eigentlich gebotenen Einbeziehung in den Zollwert auszunehmen, auf die bereits in der VSF Z 53 14 vom 15. März 1993 enthaltene DA zur damaligen Zollwertverordnung (Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates vom 28. Mai 1980 über den Zollwert der Waren, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 134/1) zurückgeht, diese zollwertrechtliche Ausnahme mithin bis zu ihrer Streichung fast zehn Jahre lang Grundlage für die deutsche Verwaltungspraxis war, wobei es sich überdies nicht allein um die Praxis des beklagten HZA handelte, sondern aufgrund der vom BMF erlassenen DA die Praxis aller deutschen Zollstellen war. Sie wurde nicht nur bei Betriebsprüfungen stets bestätigt, sondern zudem vom BMF mit Schreiben an den Waren-Verein der Hamburger Börse vom 16. August 2000 bekräftigt, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die deutsche Rechtspraxis auf einer Duldungsabsprache mit der Europäischen Kommission beruhe.

16

Auch wenn die Klägerin --wie das HZA meint-- als ein erfahrener Importeur anzusehen sein mag, durfte sie doch in Anbetracht der seitens der Zollverwaltung --sogar von deren oberster Bundesbehörde-- immer wieder bestätigten Auffassung vernünftigerweise annehmen, dass es sich bei der der DA zu entnehmenden einschränkenden Auslegung des Art. 32 Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii bzw. Buchst. b Ziff. i ZK um eine allseits als vertretbar gebilligte Auslegung handelte, und ihr weiteres Handeln danach ausrichten. Es hieße zu viel von der Klägerin zu verlangen, wenn man ihr vorhielte, sie hätte sich seinerzeit gegen die gängige Praxis der Zollwertermittlung wenden und die Einbeziehung der Umschließungskosten in den Zollwert durch die Eröffnung passiver Veredelungsverkehre vermeiden müssen. Ob das HZA unter der Geltung der alten DA, der zufolge die Anmeldung von Umschließungen zum passiven Veredelungsverkehr nicht erforderlich war, die Bewilligungsvoraussetzungen des Art. 86 Anstrich 2 ZK als erfüllt angesehen hätte, darf bezweifelt werden.

17

Der Ansicht des HZA, die Klägerin hätte bei Lektüre der VSF-Nachrichten vom 27. Februar 2003 die Möglichkeit der rückwirkenden Bewilligung passiver Veredelungsverkehre für die Umschließungen erkennen und nutzen müssen, ist nicht zu folgen. Zwar kann sich ein Wirtschaftsbeteiligter nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des erkennenden Senats nicht auf die Unkenntnis der im Amtsblatt veröffentlichten Rechtsvorschriften berufen; eine Pflicht zur Kenntnis von Verwaltungsvorschriften, deren Adressat allein die Verwaltung ist, besteht indes grundsätzlich nicht. Es bestand für die Zollbeteiligten auch kein Grund, der es nahe gelegt hätte, den VSF-Nachrichten dieser Zeit eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Im Übrigen ist in den VSF-Nachrichten vom 27. Februar 2003 von der Möglichkeit einer rückwirkenden Bewilligung der passiven Veredelung für bereits ausgeführte Umschließungen nicht die Rede.

18

4. Nach alledem scheitert der der Klägerin zu gewährende Vertrauensschutz auch nicht daran, dass sie in ihren Zollanmeldungen für die streitigen Einfuhrwaren die unentgeltliche Lieferung der Behältnisse an den chinesischen Hersteller nicht erwähnte. Soweit Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK für ein Absehen von der Nacherhebung der Einfuhrabgaben auch fordert, dass der Zollschuldner alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat, genügt er dieser Forderung auch bei gegenüber den zuständigen Behörden angegebenen unrichtigen oder unvollständigen Daten, sofern er diese in gutem Glauben abgegeben hat und vernünftigerweise nur diese Daten kennen oder sich beschaffen konnte (EuGH-Urteile in Slg. 1991, I-3277, Rz 29, ZfZ 1992, 388; und vom 14. Mai 1996 C-153/94 und C-204/94 --Faroe Seafood--, Slg. 1996, I-2465, Rz 109, ZfZ 1997, 12). Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, war die Klägerin gutgläubig und durfte in Anbetracht der bisherigen Verwaltungspraxis vernünftigerweise annehmen, dass Angaben in den Zollanmeldungen zu den dem chinesischen Hersteller unentgeltlich zur Verfügung gestellten Behältnissen entbehrlich waren.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.