Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 25. Apr. 2013 - 6 K 618/11

ECLI:ECLI:DE:FGST:2013:0425.6K618.11.0A
bei uns veröffentlicht am25.04.2013

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

Strittig ist die Änderungsmöglichkeit der Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung -AO-.

2

Es sollen Zuschläge, welche unter anderem auch die Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit zwischen 20 und 6 Uhr betreffen, nach § 3b Einkommensteuergesetz -EStG- steuerfrei gestellt werden.

3

Die Klägerin war in den Streitjahren 2001 und 2002 als Fleischkontrolleurin beim damaligen Landkreis B. (jetzt: C.) - Landratsamt -  beschäftigt. Für Ihre Tätigkeit wurde sie bis zum 30. Juni 2001 nach BAT-O vergütet. Aufgrund einer tariflichen Umstellung erhielt die Klägerin ab dem 01. Juli 2001 nach § 12 des Tarifvertrages der Tierärzte und Fleischkontrolleure außerhalb öffentlicher Schlachthöfe i. d. F. der Streitjahre eine Vergütung nach Stückzahlen nebst Zuschlägen zur Abgeltung der Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit zwischen 18 und 6 Uhr. Zwischen der Klägerin und ihrem Arbeitgeber herrschte Streit darüber, ob dieser die vorgenannten Zuschläge steuerfrei auszuzahlen hatte. Nachdem sich der Arbeitgeber auf den Standpunkt gestellt hatte, dass die Zuschläge nicht nach § 3b des EStG- steuerfrei seien und deshalb mit Wirkung ab dem 01. Juli 2001 auch für die Zuschläge Lohnsteuer einbehalten und abgeführt hatte, führte die Klägerin, vertreten ihren Rechtsanwalt ..., seit dem Jahr 2001 deswegen einen Arbeitsrechtsstreit.

4

Weder in ihrer am 30. Mai 2002 beim Beklagten eingereichten Einkommensteuererklärung 2001 noch in ihrer am 27. Mai 2003 eingereichten Einkommensteuererklärung 2002 machte die Klägerin Angaben über den noch anhängigen Arbeitsrechtsstreit. Vielmehr erklärte sie darin auch die erhaltenen Zuschläge als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Gegen die erklärungsgemäßen Veranlagungen 2001 und 2002 durch den Beklagten legte die Klägerin keinen Rechtsbehelf ein, so dass der Einkommensteuerbescheid 2001 vom 26. August 2002 und der Einkommensteuerbescheid 2002 vom 21. August 2003 jeweils bestandskräftig wurden.

5

Erstmals mit Schreiben vom 19. Mai 2004  teilte die Klägerin dem Beklagten den zu diesem Zeitpunkt noch anhängigen Arbeitsrechtsstreit über die Steuerfreiheit der Zuschläge zum Arbeitslohn mit. In dem Schreiben heißt es u.a.:

6

„...seit dem  01.07.2001 habe ich einen neuen Tarifvertrag. In diesem Tarifvertrag, werden ab 18.00 Uhr Zuschläge für Nachtarbeit gezahlt. Mit einem Hinweis auf das Einkommensteuergesetz, wonach Zuschläge ab 20.00 Uhr steuerfrei bzw. teilsteuerfrei sind, wurde mein Arbeitgeber gebeten dies zu prüfen. Eine Klärung erfolgte nicht, da noch mehrere Punkte zu klären waren, entschloss ich mich zur Klage. Das Gerichtsverfahren dauert zurzeit noch an.“

7

In einem am 10. November 2005 vor dem Arbeitsgericht N. geschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Arbeitgeber, der Klägerin Auskunft über die von ihr ab dem 01. Juli 2001 geleistete Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit im Sinne des § 3 b EStG und die sich daraus ergebenden monatlichen Zuschläge zu erteilen,

8

„wobei sich die Parteien darüber einig sind, dass die Auskunft für den Zeitraum vom 01.07.2001 bis Dezember 2003 lediglich eine Differenzierung ab 18.00 Uhr enthält, wobei jedoch von Arbeitgeberseite eine Durchschnittsrechnung, bezogen auf den Zeitraum ab 20.00 Uhr, gesondert ausgewiesen wird“.

9

Nach erhaltener Auskunft beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 09. August 2006  eine Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2001 und 2002 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Dabei legte Sie Listen ihres Arbeitgebers vor, die allerdings keine exakte Zählung der von der Klägerin untersuchten Schweine in der jeweiligen Stunde enthielten, sondern lediglich - ausgehend von einer durchschnittlichen Geschwindigkeit des Fließbandes und der Gesamtzahl der am Tag geprüften Schweine - Hochrechnungen auf die Arbeitszeit der Klägerin.

10

Der Beklagte lehnte daraufhin eine Änderung der Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 ab. Die hiergegen gerichteten Einsprüche der Klägerin blieben ohne Erfolg.

11

Gegen die noch nicht bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide 2003 bis 2005 hatte die Klägerin hingegen rechtzeitig Einspruch eingelegt. Nachdem der Beklagte betreffend 2003 den Einspruch zurückgewiesen hatte, weil Anhand der Aufstellungen des Arbeitgebers der Klägerin die gemäß § 3b EStG erforderliche Aufteilung der gezahlten Zuschläge in einen steuerfreien und steuerpflichtigen Teil nicht erfolgen könne, hat die Klägerin betreffend 2003 unter dem Az. 2 K 1736/06 Klage vor dem Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt erhoben. Nach richterlichem Hinweis auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 17. Juni 2010 VI R 50/09, mit dem der BFH entschieden hatte, dass Zuschläge für geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit auch dann steuerfrei bleiben, wenn sie in einen zur Glättung von Lohnschwankungen durchschnittlich gezahlten Stundenlohn einkalkuliert werden, hat der Beklagte im Parallelverfahren hinsichtlich des Jahres 2003 abgeholfen, woraufhin die Beteiligten das Parallelverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

12

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Höhe der steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit (§ 3b EStG) nachträglich bekanntgewordene Tatsachen i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO seien. Der Klägerin seien diese erst im Zeitpunkt der Auskunftserteilung durch den Arbeitgeber bekannt geworden. Aus ihren Lohnabrechnungen sei insoweit nichts ersichtlich gewesen, das ihr eine eigene Berechnung ermöglicht hätte.

13

Die Klägerin treffe auch kein grobes Verschulden i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Sie sei bei Abgabe der Steuererklärungen 2001 und 2002 anwaltlich nicht vertreten gewesen. Daran ändere es auch nichts, dass ihr jetziger Prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt... die Klägerin vor dem Arbeitsgericht betreffend „die Auskünfte bezüglich Geltendmachung der Steuerfreiheit der Zuschläge gegenüber dem Finanzamt“ vertreten habe. Von ihr als steuerrechtlichem Laien zu verlangen, sie hätte das Finanzamt auf den Arbeitsrechtsstreit hinweisen müssen, stelle eine „völlige Überspannung“ ihrer Pflichten dar, zumal ihr auch noch gar nicht bekannt gewesen sei, ob und gegebenenfalls wieviel Steuern sie zuviel bezahlt hätte.

14

Während der Prozessbevollmächtigte für die Klägerin bis dahin sowohl im Parallelverfahren 2 K 1736/06 als auch im Streitfall noch mit Schriftsatz vom 15. Februar 2013 vorgetragen hatte, der Arbeitgeber habe zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses die Zuschläge „zunächst für zwei bis drei Monate“  nicht versteuert, sei dann aber „ab September oder Oktober 2001“ zur Versteuerung der Zuschläge übergegangen sei, was sich im Übrigen aus den Akten des Beklagten ergebe, hat der Prozessbevollmächtigte auf den richterlichen Hinweis, dass alles, was sich in den Akten des Finanzamtes befindet, bekannt i. S. des  § 173 Abs. 1 AO ist, diesen Vortrag gewechselt und trägt nunmehr vor, die Zuschläge seien von Anfang an nicht versteuert worden.

15

Die Klägerin beantragt, die Ablehnungsbescheide vom 13. November 2006 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 19. April 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Einkommensteuerbescheide der Klägerin für 2001 und 2002 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer 2001 unter Berücksichtigung eines geänderten steuerpflichtigen Arbeitslohns in Höhe von 50.137,42 DM und die Einkommensteuer 2002 unter Berücksichtigung eines geänderten steuerpflichtigen Arbeitslohns in Höhe von 28.176,70 € jeweils entsprechend herabgesetzt wird.

16

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

17

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Änderung der Einkommensteuerbescheide gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht vorlägen.

18

Die maßgeblichen Tatsachen i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, dass die Klägerin in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG erzielt habe, seien dem Beklagten bereits durch die Angaben in den Einkommensteuererklärungen bekannt gewesen. Bei der steuerlichen Würdigung dieser Einkünfte handele es sich dann nicht um neue Tatsachen i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.

19

Für den Fall, dass als "Tatsache" im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO der Umstand aufzufassen sei, dass in den von der Klägerin erklärten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit steuerfreie Zuschläge für Sonntagsarbeit enthalten waren, träfe die Klägerin ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden. Die Klägerin sei hinsichtlich des jetzt vorgebrachten Änderungsgrundes schon damals steuerlich durch Rechtsanwalt ... beraten gewesen, auch wenn sich die Beratung hauptsächlich auf das Arbeitsgerichtsverfahren konzentriert habe. Das grobe Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten müsse sie sich zurechnen lassen.

20

Das Finanzamt hätte im Übrigen auch bei Kenntnis davon, dass in den bescheinigten und erklärten Arbeitslöhnen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit enthalten gewesen seien, den Arbeitslohn nicht um diese Zuschläge gemindert, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Einkommensteuer ebenso (falsch) festgesetzt, wie dies ohne Kenntnis dieser Tatsachen geschehen sei. Im Zeitpunkt des Erlasses der Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 hätte eine Steuerfreistellung der Zuschläge nicht erfolgen können, weil ein genauer Nachweis für den genauen Schlachtungszeitpunkt der Schweine und die Höhe der Zuschläge (zwischen 20 und 6 Uhr) nicht vorgelegen habe und auch bis jetzt nicht vorliege. Es lägen vielmehr nur Hochrechnungen vor. Erst auf Grund des im Parallelverfahren gegebenen Hinweises des Finanzgerichtes auf die analoge Anwendung des BFH-Urteils vom 17. Juni 2010 VI R 50/09 habe der Klage betreffend das Jahr 2003 und den noch anhängigen Einsprüchen betreffend 2004 und 2005 entsprochen werden und die Zuschläge steuerfrei gestellt werden können.

21

Der Berichterstatter hat am 25. Februar 2013 einen Erörterungstermin durchgeführt, in welchem er auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Klage hingewiesen hat, da nach Aktenlage die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO und des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht vorliegen dürften.  Auf  Anregung des Berichterstatters erklärten die Beteiligten den Verzicht auf mündliche Verhandlung.

22

Mit Schriftsatz vom 04. März 2013  widerrief der Prozessbevollmächtigte für die Klägerin den Verzicht und stellte Antrag auf mündliche Verhandlung.

Entscheidungsgründe

23

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

24

Der Senat konnte ungeachtet des zunächst übereinstimmend erklärten Verzichts auf mündliche Verhandlung im Streitfall gemäß § 90 der Finanzgerichtsordnung -FGO- aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden. So sind die - grundsätzlich unwiderruflichen - Einverständnisse der Beteiligten für das Gericht nicht bindend. Auch bleibt es den Beteiligten unbenommen, nach Verzicht auf mündliche Verhandlung eine solche anzuregen (vgl. Brandis, in Tipke/Kruse AO-FGO, § 90 FGO Rdn. 14).

25

Die Ablehnung der begehrten Änderung der Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 durch die Bescheide vom 13. November 2006 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 19. April 2011 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Abs. 1 Satz 1 FGO).

26

Für die Streitjahre 2001 und 2002 besteht für den Beklagten mangels Korrekturvorschrift keine Verpflichtung, die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide zu Gunsten der Klägerin zu ändern.

27

Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

28

Tatsachen im Sinne dieser Vorschrift sind alle Sachverhaltsbestandteile, die Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein können, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Nachträglich bekanntgewordene Tatsachen sind solche, die zu dem für eine Aufhebung oder Änderung nach § 173 AO maßgebenden Zeitpunkt – i. d. R. dem Erlass des zu ändernden Bescheids - bereits vorhanden, aber noch unbekannt waren (BFH-Urteil vom 16. September 1987 II R 178/85, BFHE 151, 8, BStBl 1988, 174; Loose, in Tipke/Kruse, AO-FGO, § 173 AO Rdn. 25). Maßgebend ist die Kenntnis der sachlich und örtlich zuständigen Finanzbehörde (BFH-Urteil vom 29. Juni 1984 VI R 34/82, BFHE 141, 234, BStBl 84, 694; Loose, in Tipke/Kruse, AO-FGO, § 173 AO Rdn. 28, jeweils m.w.N.). Maßgeblicher Kenntnisstand ist die abschließende Zeichnung des für die Steuerfestsetzung zuständigen Beamten (BFH-Urteil vom 27. November 2001 VIII R 3/01, BFH/NV 2002, 473).

29

Als Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO kommt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht der Umstand in Betracht, dass in den von der Klägerin erklärten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit steuerfreie Zuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit enthalten waren. Keine Tatsachen i. S. des § 173 Abs.1 Nr. 2 AO sind Schlussfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Subsumtionen (vgl. BFH-Urteil vom 14. Januar 1998 II R 9/97, BFHE 185, 117, BStBl II 1998, 371). Im Streitfall sind insoweit als Folge des Arbeitsgerichtsprozesses keine bis dahin unbekannten Tatsachen aufgedeckt worden. Vielmehr hat sich lediglich hinsichtlich eines Teils der - in der Gesamtsumme bei Erlass der Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 bekannten und insoweit unveränderten Einkünfte-  die rechtliche Bewertung geändert. Insbesondere die steuerrechtliche Wertung - hier eines Teils der Einkünfte - ist jedoch selbst keine Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 AO (vgl. BFH-Urteil vom 02. August 1994 VIII R 65/93, BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264). Nach alledem ist weder die „Steuerfreiheit“ von Teilen des Arbeitslohns, noch die Höhe, in welcher Teile des Arbeitslohns im Nachhinein - abweichend von der ursprünglichen Bewertung des Arbeitgebers- als Ergebnis des arbeitsgerichtlichen Verfahrens als steuerfrei zu werten sind, eine Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Vielmehr handelt es sich hierbei lediglich um rechtliche Schlussfolgerungen und abweichende Subsumtionen.

30

Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist deshalb allein der Umstand, dass die Klägerin nach der am 01. Juli 2001 erfolgten tariflichen Umstellung in den Streitjahren nach            § 12 des Tarifvertrages der Tierärzte und Fleischkontrolleure außerhalb öffentlicher Schlachthöfe neben einer Stückvergütung Zuschläge zur Abgeltung der Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit zwischen 18 und 6 Uhr erhalten hat.

31

Zweifelhaft ist bereits das nachträgliche Bekanntwerden dieser Tatsachen. So sind alle Tatsachen, die den Steuerakten zu entnehmen sind, dem Finanzamt beim Erlass des zu ändernden Bescheids bereits bekannt und eröffnen, falls später festgestellt wird, dass diese Tatsachen rechtsfehlerhaft bei der Steuerfestsetzung nicht berücksichtigt worden sind, keine Änderungsbefugnis nach § 173 Abs. 1 AO (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 VI R 63/09, BFH/NV 2011, 743; FG Münster, EFG 2012, 2078). Hierzu hat der Prozessbevollmächtigte für die Klägerin sowohl im Parallelverfahren 2 K 1736/06 als auch zunächst im Streitfall mit Schriftsatz vom 15. Februar 2013 vorgetragen, dass dem Beklagten bereits bei Erlass der angefochtenen Bescheide bekannt gewesen sei, dass in den erklärten steuerpflichtigen Bruttoarbeitslöhnen steuerfreie Zuschläge nach § 3 b EStG enthalten gewesen seien, da der Arbeitgeber zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses die Zuschläge „zunächst für zwei bis drei Monate“ nicht versteuert habe, was sich „natürlich“ auch aus den Steuerakten des Beklagten ergebe. Erst „ab September oder Oktober 2001“ sei der Arbeitgeber auf die Idee gekommen, die Zuschläge nicht zu versteuern. Erst auf den im Erörterungstermin gegebenen Hinweis des Berichterstatters, dass alles was sich in den Akten des Finanzamtes befindet, als bekannt gilt, hat der Prozessbevollmächtigte seinen entsprechenden Vortrag gewechselt und nunmehr vorgetragen, die Zuschläge seien von Anfang an nicht versteuert worden.

32

Jedenfalls trifft die Klägerin am nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsache ein grobes Verschulden. Grobes Verschulden setzt Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus. Letztere liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zuzumutende Sorgfalt in besonders schweren Maß und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (vgl. BFH-Urteile vom 29. Juni 1984 VI R 181/80, BFHE 141, 232, BStBl II 1984, 693; vom 23. Februar 2000, VIII R 80/98 BFH/NV 2000, 978).

33

Die Klägerin hat erstmals mit ihrem Schreibens vom 19. Mai 2004 dem Beklagten Mitteilung darüber gemacht, dass ihr Arbeitgeber ihr Zuschläge zur Abgeltung von Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt hat und dass sie bereits seit 2001 einen Arbeitsrechtsstreit führt, der unter anderem die fehlende Steuerfreistellung und die Höhe der Zuschläge zum Gegenstand hatte. Soweit die Klägerin den Beklagten während der Besteuerungsverfahren 2001 und 2002 in Unkenntnis gelassen hat, hat sie grob fahrlässig gehandelt. Der Klägerin wäre es nach ihren persönlichen Kenntnissen und Möglichkeiten jederzeit möglich gewesen, dem Beklagten schon während der laufenden Besteuerungsverfahren 2001 und 2002 eine entsprechende Mitteilung zu machen, zumal sie nach eigenen Angaben auch ihr Schreiben vom 19. Mai 2004 selbständig verfasst hat und zu diesem Zeitpunkt noch nicht durch Rechtsanwalt ... gegenüber dem Finanzamt vertreten worden sei. Maßgebend ist, dass die Klägerin die arbeitsgerichtliche Klage insbesondere zu dem Zweck erhoben hatte, um anschließend die Steuerfreiheit gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die unterlassene Mitteilung an das Finanzamt auf eigenem Entschluss der Klägerin oder auf einem entsprechenden Rat ihres damaligen und heutigen Prozessbevollmächtigten beruht, da sich die Klägerin in letzterem Falle ein grobes Beratungsverschulden ihres Bevollmächtigten zurechnen lassen müsste.

34

Darüber hinaus fehlt es an der Rechtserheblichkeit der bekanntgewordenen Tatsache. Die Änderung eines Steuerbescheides gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO setzt die Ursächlichkeit der Unkenntnis des Finanzamtes von dieser Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung voraus.

35

Es entspricht ständiger Finanzrechtsprechung (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180), dass ein Steuerbescheid wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel (§ 173 Abs. 1 AO) nicht geändert werden darf, wenn das Finanzamt bei ursprünglicher Kenntnis der Tatsachen oder Beweismittel - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - nicht anders entschieden hätte. Eine Änderung scheidet danach aus, wenn die Unkenntnis der später bekannt gewordenen Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung nicht ursächlich (rechtserheblich) gewesen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Oktober 2007 VI B 48/06, BFH/NV 2008, 191, m.w.N.).

36

Wie die Finanzbehörde zur Zeit ihrer ursprünglichen Entscheidung bei Kenntnis der Tatsache entschieden hätte, ist auf Grund objektiver Maßstäbe zu entscheiden. Dies muss im Einzelfall regelmäßig auf Grund des Gesetzes, wie es nach der damaligen Rechtsprechung des BFH ausgelegt wurde, und der die Finanzbehörden bindenden Verwaltungsanweisungen im Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Steuerbescheides beurteilt werden; in Zweifelsfragen kann auch an Hand interner Schreiben der Verwaltung festgestellt werden, wie eine Verwaltungsanweisung von den Finanzämtern ausgelegt wurde (vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 XI R 38/99, BFH/NV 2000, 820).

37

Unter Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den Streitfall hätte der Beklagte die von der Klägerin vorgelegten Listen mit Hochrechnungen deshalb im Zeitpunkt des Erlasses der Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 – ausgehend von der damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung-  mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht anerkannt.

38

Gemäß § 3b EStG sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist deshalb unter anderem, dass die Zuschläge nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonn- und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit sind. Die Steuerbefreiung nach § 3b EStG setzt mithin entscheidend die Trennung von Grundlohn und Zuschlägen voraus. Die Zuschläge dürfen nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung sein. Ferner müssen sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden. Aus diesen Grunde wären auch die aufgrund von Hochrechnungen kalkulierten Zuschläge anhand der Listen des Arbeitgebers der Klägerin vom Beklagten sowohl im Zeitpunkt des Erlasses des Einkommensteuerbescheides 2001 am 26. August 2002 als auch bei Erlass des Einkommensteuerbescheides 2002 am 21. August 2003 in dieser Form nicht anerkannt worden. Hierfür spricht nicht zuletzt auch die entsprechende Einspruchsentscheidung des Beklagten betreffend das Streitjahr 2003 im Parallelverfahren 2 K 1736/06. Maßgebend ist, dass das Urteil des BFH vom 17. Juni 2010 VI R 50/09, nach welchem Zuschläge für geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit auch dann steuerfrei bleiben, wenn sie in einen zur Glättung von Lohnschwankungen durchschnittlich gezahlten Stundenlohn einkalkuliert werden, zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vorlag.

39

Auch die Voraussetzungen der Änderungsvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind im Streitfall nicht erfüllt. Weder der arbeitsgerichtliche Vergleich noch das Urteil des BFH vom 17. Juni 2010 VI R 50/09 sind rückwirkende Ereignisse i. S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

40

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO bildet die verfahrensrechtliche Norm für die Änderung von Steuerbescheiden in den Fällen, in denen der für die Besteuerung maßgebende Sachverhalt sich im Nachhinein mit steuerlicher Rückwirkung ändert (vgl. BT-Drucksache VI/1982, S. 155). Die Vorschrift erfordert, worauf im Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92 (BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897) ausdrücklich hingewiesen worden ist, ein Ereignis, das den nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalt "nachträglich" anders gestaltet und sich steuerlich in die Vergangenheit auswirkt, und zwar in der Weise, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (vgl. auch BFH-Urteile vom 12. August 1997 IV B 98/96, BFH/NV 1998, 147; vom 11. Juli 1991 IV R 52/90, BFHE 165, 449, BStBl II 1992, 126; vom 21. April 1988 IV R 215/85, BFHE 153, 485, BStBl II 1988, 863; vom 26. Oktober 1988 II R 55/86, BFHE 154, 493, BStBl II 1989, 75, und vom 12. Juli 1989 X R 8/84, BFHE 157, 484, BStBl II 1989, 957, m.w.N.).

41

Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 11. Juli 1991 (IV R 52/90, BFHE 165, 449, BStBl II 1992, 126) ausgeführt, das Merkmal des „Ereignisses mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit" in § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO setze voraus, dass sich der ursprüngliche - der Besteuerung zugrunde gelegte - Sachverhalt tatsächlicher oder rechtlicher Art mit Wirkung für die Vergangenheit geändert habe; eine andere rechtliche Beurteilung des im Übrigen unverändert bleibenden Sachverhalts genüge insoweit nicht (ebenso schon BFH-Urteil vom 26. Oktober 1988 II R 55/86, BFHE 154, 493, BStBl II 1989, 75). Dies schließt es aus, zivilgerichtlichen Urteilen oder – wie im Streitfall - gerichtlichen Vergleichen eine steuerliche Rückwirkung i. S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zuzumessen, soweit mit diesen der zuvor verwirklichte Sachverhalt nicht verändert, insbesondere kein Recht neu begründet wird, sondern lediglich andere rechtliche Schlussfolgerungen gezogen werden.

42

Schließlich ist auch die Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung – im Streitfall durch Urteil des BFH vom 17. Juni 2010 VI R 50/09 -  ebenfalls kein rückwirkendes Ereignis (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 1996 XI R 36/95, BFHE 179, 563,BStBl II 1996, 399; vgl. a. Loose, in Tipke/Kruse AO-FGO, § 175 AO Rdn. 44, m.w.N.). Da Urteile nur inter partes wirken, können sie sich nicht auf bereits bestandskräftige Verwaltungsakte auswirken. Der Steuerpflichtige muss vielmehr darauf vertrauen dürfen, dass die Rechtslage – mithin auch die die Rechtslage mitkonstituierende Rechtsprechung- gilt, die im Zeitpunkt der Sachverhaltsverwirklichung existiert (Loose, in Tipke/Kruse AO-FGO, § 175 AO Rdn. 44).

43

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.


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Bundesfinanzhof Urteil, 17. Juni 2010 - VI R 50/09

bei uns veröffentlicht am 17.06.2010

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Autohof, in dessen Gastronomiebereich die vom Streitfall betroffenen Arbeitnehmer in wechsel

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(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Steuerfrei sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, soweit sie

1.
für Nachtarbeit 25 Prozent,
2.
vorbehaltlich der Nummern 3 und 4 für Sonntagsarbeit 50 Prozent,
3.
vorbehaltlich der Nummer 4 für Arbeit am 31. Dezember ab 14 Uhr und an den gesetzlichen Feiertagen 125 Prozent,
4.
für Arbeit am 24. Dezember ab 14 Uhr, am 25. und 26. Dezember sowie am 1. Mai 150 Prozent
des Grundlohns nicht übersteigen.

(2)1Grundlohn ist der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen und mit höchstens 50 Euro anzusetzen.2Nachtarbeit ist die Arbeit in der Zeit von 20 Uhr bis 6 Uhr.3Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit ist die Arbeit in der Zeit von 0 Uhr bis 24 Uhr des jeweiligen Tages.4Die gesetzlichen Feiertage werden durch die am Ort der Arbeitsstätte geltenden Vorschriften bestimmt.

(3) Wenn die Nachtarbeit vor 0 Uhr aufgenommen wird, gilt abweichend von den Absätzen 1 und 2 Folgendes:

1.
Für Nachtarbeit in der Zeit von 0 Uhr bis 4 Uhr erhöht sich der Zuschlagssatz auf 40 Prozent,
2.
als Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit gilt auch die Arbeit in der Zeit von 0 Uhr bis 4 Uhr des auf den Sonntag oder Feiertag folgenden Tages.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Steuerfrei sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, soweit sie

1.
für Nachtarbeit 25 Prozent,
2.
vorbehaltlich der Nummern 3 und 4 für Sonntagsarbeit 50 Prozent,
3.
vorbehaltlich der Nummer 4 für Arbeit am 31. Dezember ab 14 Uhr und an den gesetzlichen Feiertagen 125 Prozent,
4.
für Arbeit am 24. Dezember ab 14 Uhr, am 25. und 26. Dezember sowie am 1. Mai 150 Prozent
des Grundlohns nicht übersteigen.

(2)1Grundlohn ist der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen und mit höchstens 50 Euro anzusetzen.2Nachtarbeit ist die Arbeit in der Zeit von 20 Uhr bis 6 Uhr.3Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit ist die Arbeit in der Zeit von 0 Uhr bis 24 Uhr des jeweiligen Tages.4Die gesetzlichen Feiertage werden durch die am Ort der Arbeitsstätte geltenden Vorschriften bestimmt.

(3) Wenn die Nachtarbeit vor 0 Uhr aufgenommen wird, gilt abweichend von den Absätzen 1 und 2 Folgendes:

1.
Für Nachtarbeit in der Zeit von 0 Uhr bis 4 Uhr erhöht sich der Zuschlagssatz auf 40 Prozent,
2.
als Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit gilt auch die Arbeit in der Zeit von 0 Uhr bis 4 Uhr des auf den Sonntag oder Feiertag folgenden Tages.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Autohof, in dessen Gastronomiebereich die vom Streitfall betroffenen Arbeitnehmer in wechselnden Schichten rund um die Uhr beschäftigt waren. Nach den insoweit gleich gestalteten Arbeitsverträgen sollten die Arbeitnehmer neben einem Basisgrundlohn "die aus ihrer Arbeitszeit resultierenden möglichen SFN-Zuschläge nach EStG.3b als Teillohn des vereinbarten durchschnittlichen Effektivlohns pro Stunde für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden" erhalten. Unter dem "durchschnittlichen Effektivlohn" verstanden die Vertragsparteien den Auszahlungsbetrag pro Stunde, der sich nach Abzug der nach den persönlichen Besteuerungsmerkmalen ermittelten steuerrechtlichen Abzüge und der Sozialabgaben vom Bruttolohn ergab. Der Auszahlungsbetrag, der auch "alle einzelrelevanten Löhne, wie etwa Urlaubs- und Weihnachtsgeld" enthalten sollte, wurde in fester Höhe vereinbart. Für den Fall, dass sich aufgrund der Arbeitszeitplanung ein geringerer durchschnittlicher Auszahlungsbetrag als der vereinbarte ergäbe, sollte für den betreffenden Abrechnungsmonat der Basisgrundlohn um eine sog. "Grundlohnergänzung" so erhöht werden, dass sich hieraus der vereinbarte durchschnittliche Auszahlungsbetrag pro tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde errechnete. Wurde mit der Summe aus Basisgrundlohn, Urlaubs-, Weihnachtsgeld, dem Arbeitgeberzuschuss zu den vermögenswirksamen Leistungen und "SFN-Zuschlägen" (= Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit) der durchschnittliche Auszahlungsbetrag bereits erreicht, war eine Grundlohnergänzung nicht zu gewähren. Auf der Grundlage der getroffenen Vereinbarungen setzte sich der durchschnittliche Auszahlungsbetrag im Regelfall wie folgt zusammen:

2

                                      

   Basisgrundlohn
+ anteiliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld
+ Arbeitgeberzuschuss VWL
+ Grundlohnergänzung
= Grundlohn
-  Steuerrechtliche Abzüge
-  Sozialabgaben
= Nettolohn
+ SFN-Zuschläge
= Durchschnittlicher Auszahlungsbetrag
3

Ziel der getroffenen Vergütungsvereinbarungen war es, den in fester Höhe vereinbarten durchschnittlichen Auszahlungsbetrag zu erreichen. Mit dieser Regelung wollte die Klägerin Lohnschwankungen ausgleichen, die sich sonst aufgrund unterschiedlicher Arbeitszeitplanung ergeben hätten. Zur Berechnung der Lohnbestandteile bediente sich die Klägerin der Abrechnungssoftware "X" der Y GmbH.

4

Die Klägerin hat für die "SFN-Zuschläge" keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt, da nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorlagen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung hingegen von der Steuerpflicht der Zuschläge aus und nahm die Klägerin in Haftung.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 127).

6

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

7

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG Baden-Württemberg 9 K 260/06 vom 21. September 2009, die Einspruchsentscheidung und die Haftungsbescheide aufzuheben.

8

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sind die gezahlten Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gemäß § 3b EStG steuerfrei.

10

Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit führten nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn. Deshalb war die Klägerin nicht verpflichtet, insoweit Lohnsteuer einzubehalten.

11

a) Nach § 3b Abs. 1 EStG i.d.F. der Streitjahre sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge nur dann steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift ist Grundlohn der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen. Die Frage nach der rechtssystematischen Bedeutung der Befreiungsvorschrift, die teilweise als rechtspolitisch verfehlt bezeichnet wird (Tipke, Finanz-Rundschau --FR-- 2006, 949; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 3b Rz 2; Moritz in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 3b EStG Rz 4 ff.), kann nicht einheitlich beantwortet werden (s. im Einzelnen, Tipke, FR 2006, 949). Der Bundesfinanzhof (BFH) sieht den Zweck der Vorschrift vorrangig darin, dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen zu gewähren, die mit Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit verbunden sind (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 16/08, BFH/NV 2010, 201, m.w.N.). Ähnlich hat auch das Bundesverfassungsgericht argumentiert, das in der Steuerbefreiung einen Ausgleich und eine Erleichterung dafür sieht, dass die Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit den biologischen und kulturellen Lebensrhythmus stört (Beschluss vom 2. Mai 1978  1 BvR 174/78, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1978, Nr. 449). Andererseits sollen auch wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Gründe eine Rolle spielen (BTDrucks 7/419, 16; BFH-Urteil vom 21. Mai 1987 IV R 339/84, BFHE 150, 32, BStBl II 1987, 625; Blümich/Erhard, § 3b EStG Rz 5; von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A118 mit Hinweis auf BTDrucks V/2423, 57 und 10/3821, 247). Zudem wird die Vorschrift als Regelung zur Unterstützung im allgemeinen Interesse liegender Tätigkeiten beurteilt (vgl. im Einzelnen Tipke, FR 2006, 949, m.w.N; von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A123 ff.).

12

b) Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist u.a., dass die Zuschläge neben dem Grundlohn geleistet werden; sie dürfen nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonn- und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit sein (HHR/Moritz, § 3b EStG Rz 21). Insoweit ist es unmaßgeblich, ob die Beteiligten eine Brutto- oder Nettolohnvereinbarung getroffen haben. Die Steuerbefreiung tritt zudem nur ein, wenn die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind (BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 201).

13

aa) § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG definiert Grundlohn als laufenden Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Der laufende Arbeitslohn ist, wie sich aus § 39b EStG ergibt (s. auch R 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR--), von sonstigen Bezügen abzugrenzen. Laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, Wochen- oder Tageslohn, Überstundenvergütung, laufend gezahlte Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen). Der laufende Arbeitslohn kann der Höhe nach schwanken (Schmidt/Drenseck, EStG, 29. Aufl., § 39b Rz 2; HHR/Tillmann, § 39a EStG Rz 17; s. aber R 30 Abs. 2 Satz 2 LStR). Kein laufender Bezug und damit ein sonstiger Bezug sind einmalig zugewendete Bezüge wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Jubiläumszuwendungen, Gratifikationen und das 13. Monatsgehalt (Schmidt/ Drenseck, a.a.O., § 39b Rz 3; von Beckerath, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz B5). Regelmäßige Arbeitszeit ist die für das jeweilige Arbeitsverhältnis vereinbarte Normalarbeitszeit (BFH-Urteil vom 7. Juli 2007 IX R 81/98, BFHE 210, 503, BStBl II 2005, 888).

14

bb) Im Streitfall wurden die Zuschläge neben dem Grundlohn für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt und überstiegen nicht den nach § 3b EStG höchsten steuerfrei anwendbaren v.H.-Satz.

15

Nach den Feststellungen des FG ist die Grundlohnergänzung Teil des Grundlohns. Der Grundlohn i.S. von § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG besteht somit aus dem feststehenden Basisgrundlohn und der variablen Grundlohnergänzung (s. dazu R 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. Nr. 3 Satz 1 LStR). Daneben hat die Klägerin Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit mit den gesetzlichen Höchstsätzen gezahlt. Die Zuschläge waren nicht Teil der einheitlichen Entlohnung. Nach den Arbeitsverträgen haben die Arbeitnehmer neben dem Anspruch auf Basisgrundlohn und Ergänzungslohn Anspruch auf die Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge. Auch wenn diese Zuschläge durch die Grundlohnergänzung beeinflusst werden, handelt es sich weder um ein schädliches Herausrechnen von Zuschlägen aus einem Gesamtbruttolohn (s. dazu etwa BFH-Entscheidungen vom 29. März 2000 VI B 399/98, BFH/NV 2000, 1093; vom 28. November 1990 VI R 144/87, BFHE 163, 79, BStBl II 1991, 296), noch können deshalb die Zuschläge als pauschale Abschlagszahlungen qualifiziert werden. Die Vereinbarung eines durchschnittlichen Effektivlohns hat zwar zur Folge, dass sich ein immer gleichbleibender Auszahlungsbetrag pro Stunde ergibt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Zuschläge ohne Rücksicht auf tatsächlich geleistete Arbeitsstunden berechnet würden. Vielmehr dient der durchschnittliche Auszahlungsbetrag lediglich als rechnerische Größe zur Ermittlung des Lohnzusatzes. Die vom Gesetz verlangte Trennung von Grundlohn und Zuschlägen wird nicht deshalb aufgehoben, weil der Grundlohnergänzungsbetrag variabel gestaltet ist. Wie dargestellt, unterscheidet sich der sonstige Bezug vom laufenden Arbeitslohn durch die Einmaligkeit des Bezugs. Es ist jedoch nicht Merkmal des laufenden Arbeitslohns, dass dieser jeweils feststeht. Er kann vielmehr der Höhe nach schwanken.

16

c) Entgegen der Auffassung des FG ist § 3b EStG nicht über den Wortlaut hinaus dahin auszulegen, dass die Vorschrift nur zur Anwendung kommt, wenn ein von Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nicht beeinflusster Grundlohn vorliegt. Die Auslegung eines Gesetzes gegen den Wortlaut ist nur ausnahmsweise möglich, wenn nämlich die wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann (s. etwa BFH-Urteile vom 1. August 1974 IV R 120/70, BFHE 113, 357, BStBl II 1975, 12; vom 7. April 1992 VIII R 79/88, BFHE 168, 111, BStBl II 1992, 786; vom 17. Februar 1994 VIII R 30/92, BFHE 175, 226, BStBl II 1994, 938; vom 12. August 1997 VII R 107/96, BFHE 184, 198, BStBl II 1998, 131; vom 17. Januar 1995 IX R 37/91, BFHE 177, 58, BStBl II 1995, 410; vom 17. Mai 2006 X R 43/03, BFHE 213, 494, BStBl II 2006, 868; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 380). Davon kann hier keine Rede sein. Nach Auffassung des Senats stimmt der Wortlaut des § 3b EStG mit dem Gesetzeszweck überein (BFH-Beschluss vom 27. Mai 2009 VI B 69/08, BFHE 225, 137, BStBl II 2009, 730; zum Gesetzeszweck s. auch unter 1.a). Im Übrigen ist der Umstand, dass die Steuerbefreiung nicht den Arbeitnehmern zugute kommt, sondern, wie das FG annimmt, nur dem Arbeitgeber, kein sinnwidriges Ergebnis. Denn die Steuerbefreiung verringert regelmäßig auch den Mittelaufwand des Arbeitgebers und subventioniert und begünstigt damit auch diesen (vgl. im Einzelnen HHR/Moritz, § 3b EStG Rz 6, m.w.N.; von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A 123 ff.; A 241, A 261; ders. in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 3b Rz 1). Zudem zielt das von der Klägerin angewandte Verfahren --jedenfalls nach ihrem Vortrag-- darauf ab, Lohnschwankungen auszugleichen oder solchen vorzubeugen, was im Interesse der Arbeitnehmer liegt. Aus eben diesem Grund lässt die Finanzverwaltung pauschale Abschlagszahlungen zu (R 30 Abs. 7 LStR).

17

Das streitige Vergütungssystem --konkret die Variabilisierung der Grundlohnergänzung-- entspricht § 3b EStG. Es handelt sich um eine zulässige Gestaltungsform in Ausnutzung der rechtlichen Möglichkeiten. Die Beteiligten haben es --bis an die Grenze des Gestaltungsmissbrauchs-- in der Hand, durch vertragliche Vereinbarung von einer gesetzlich zulässigen Steuerbefreiung in möglichst hohem Maße Gebrauch zu machen (von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A 251; s. auch BFH-Urteil vom 31. Oktober 1986 VI R 52/81, BFHE 148, 54, BStBl II 1987, 139).

(1) Steuerfrei sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, soweit sie

1.
für Nachtarbeit 25 Prozent,
2.
vorbehaltlich der Nummern 3 und 4 für Sonntagsarbeit 50 Prozent,
3.
vorbehaltlich der Nummer 4 für Arbeit am 31. Dezember ab 14 Uhr und an den gesetzlichen Feiertagen 125 Prozent,
4.
für Arbeit am 24. Dezember ab 14 Uhr, am 25. und 26. Dezember sowie am 1. Mai 150 Prozent
des Grundlohns nicht übersteigen.

(2)1Grundlohn ist der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen und mit höchstens 50 Euro anzusetzen.2Nachtarbeit ist die Arbeit in der Zeit von 20 Uhr bis 6 Uhr.3Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit ist die Arbeit in der Zeit von 0 Uhr bis 24 Uhr des jeweiligen Tages.4Die gesetzlichen Feiertage werden durch die am Ort der Arbeitsstätte geltenden Vorschriften bestimmt.

(3) Wenn die Nachtarbeit vor 0 Uhr aufgenommen wird, gilt abweichend von den Absätzen 1 und 2 Folgendes:

1.
Für Nachtarbeit in der Zeit von 0 Uhr bis 4 Uhr erhöht sich der Zuschlagssatz auf 40 Prozent,
2.
als Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit gilt auch die Arbeit in der Zeit von 0 Uhr bis 4 Uhr des auf den Sonntag oder Feiertag folgenden Tages.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1)1Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören

1.
Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst;
1a.
Zuwendungen des Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen anlässlich von Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter (Betriebsveranstaltung).2Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind alle Aufwendungen des Arbeitgebers einschließlich Umsatzsteuer unabhängig davon, ob sie einzelnen Arbeitnehmern individuell zurechenbar sind oder ob es sich um einen rechnerischen Anteil an den Kosten der Betriebsveranstaltung handelt, die der Arbeitgeber gegenüber Dritten für den äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltung aufwendet.3Soweit solche Zuwendungen den Betrag von 110 Euro je Betriebsveranstaltung und teilnehmenden Arbeitnehmer nicht übersteigen, gehören sie nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn die Teilnahme an der Betriebsveranstaltung allen Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht.4Satz 3 gilt für bis zu zwei Betriebsveranstaltungen jährlich.5Die Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind abweichend von § 8 Absatz 2 mit den anteilig auf den Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen entfallenden Aufwendungen des Arbeitgebers im Sinne des Satzes 2 anzusetzen;
2.
Wartegelder, Ruhegelder, Witwen- und Waisengelder und andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen, auch soweit sie von Arbeitgebern ausgleichspflichtiger Personen an ausgleichsberechtigte Personen infolge einer nach § 10 oder § 14 des Versorgungsausgleichsgesetzes durchgeführten Teilung geleistet werden;
3.
laufende Beiträge und laufende Zuwendungen des Arbeitgebers aus einem bestehenden Dienstverhältnis an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung für eine betriebliche Altersversorgung.2Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören auch Sonderzahlungen, die der Arbeitgeber neben den laufenden Beiträgen und Zuwendungen an eine solche Versorgungseinrichtung leistet, mit Ausnahme der Zahlungen des Arbeitgebers
a)
zur erstmaligen Bereitstellung der Kapitalausstattung zur Erfüllung der Solvabilitätskapitalanforderung nach den §§ 89, 213, 234g oder 238 des Versicherungsaufsichtsgesetzes,
b)
zur Wiederherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung nach unvorhersehbaren Verlusten oder zur Finanzierung der Verstärkung der Rechnungsgrundlagen auf Grund einer unvorhersehbaren und nicht nur vorübergehenden Änderung der Verhältnisse, wobei die Sonderzahlungen nicht zu einer Absenkung des laufenden Beitrags führen oder durch die Absenkung des laufenden Beitrags Sonderzahlungen ausgelöst werden dürfen,
c)
in der Rentenbezugszeit nach § 236 Absatz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes oder
d)
in Form von Sanierungsgeldern;
Sonderzahlungen des Arbeitgebers sind insbesondere Zahlungen an eine Pensionskasse anlässlich
a)
seines Ausscheidens aus einer nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung oder
b)
des Wechsels von einer nicht im Wege der Kapitaldeckung zu einer anderen nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung.
3Von Sonderzahlungen im Sinne des Satzes 2 zweiter Halbsatz Buchstabe b ist bei laufenden und wiederkehrenden Zahlungen entsprechend dem periodischen Bedarf nur auszugehen, soweit die Bemessung der Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers in das Versorgungssystem nach dem Wechsel die Bemessung der Zahlungsverpflichtung zum Zeitpunkt des Wechsels übersteigt.4Sanierungsgelder sind Sonderzahlungen des Arbeitgebers an eine Pensionskasse anlässlich der Systemumstellung einer nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung auf der Finanzierungs- oder Leistungsseite, die der Finanzierung der zum Zeitpunkt der Umstellung bestehenden Versorgungsverpflichtungen oder Versorgungsanwartschaften dienen; bei laufenden und wiederkehrenden Zahlungen entsprechend dem periodischen Bedarf ist nur von Sanierungsgeldern auszugehen, soweit die Bemessung der Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers in das Versorgungssystem nach der Systemumstellung die Bemessung der Zahlungsverpflichtung zum Zeitpunkt der Systemumstellung übersteigt.
2Es ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt und ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht.

(2)1Von Versorgungsbezügen bleiben ein nach einem Prozentsatz ermittelter, auf einen Höchstbetrag begrenzter Betrag (Versorgungsfreibetrag) und ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag steuerfrei.2Versorgungsbezüge sind

1.
das Ruhegehalt, Witwen- oder Waisengeld, der Unterhaltsbeitrag oder ein gleichartiger Bezug
a)
auf Grund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften,
b)
nach beamtenrechtlichen Grundsätzen von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlichen Verbänden von Körperschaften
oder
2.
in anderen Fällen Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze, verminderter Erwerbsfähigkeit oder Hinterbliebenenbezüge; Bezüge wegen Erreichens einer Altersgrenze gelten erst dann als Versorgungsbezüge, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr oder, wenn er schwerbehindert ist, das 60. Lebensjahr vollendet hat.
3Der maßgebende Prozentsatz, der Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen:

Jahr des
Versorgungs-
beginns
VersorgungsfreibetragZuschlag zum
Versorgungs-
freibetrag
in Euro
in % der
Versorgungs-
bezüge
Höchstbetrag
in Euro
bis 200540,03 000900
ab 200638,42 880864
200736,82 760828
200835,22 640792
200933,62 520756
201032,02 400720
201130,42 280684
201228,82 160648
201327,22 040612
201425,61 920576
201524,01 800540
201622,41 680504
201720,81 560468
201819,21 440432
201917,61 320396
202016,01 200360
202115,21 140342
202214,41 080324
202313,61 020306
202412,8960288
202512,0900270
202611,2840252
202710,4780234
20289,6720216
20298,8660198
20308,0600180
20317,2540162
20326,4480144
20335,6420126
20344,8360108
20354,030090
20363,224072
20372,418054
20381,612036
20390,86018
20400,000


4Bemessungsgrundlage für den Versorgungsfreibetrag ist
a)
bei Versorgungsbeginn vor 2005das Zwölffache des Versorgungsbezugs für Januar 2005,
b)
bei Versorgungsbeginn ab 2005das Zwölffache des Versorgungsbezugs für den ersten vollen Monat,
jeweils zuzüglich voraussichtlicher Sonderzahlungen im Kalenderjahr, auf die zu diesem Zeitpunkt ein Rechtsanspruch besteht.5Der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag darf nur bis zur Höhe der um den Versorgungsfreibetrag geminderten Bemessungsgrundlage berücksichtigt werden.6Bei mehreren Versorgungsbezügen mit unterschiedlichem Bezugsbeginn bestimmen sich der insgesamt berücksichtigungsfähige Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag nach dem Jahr des Beginns des ersten Versorgungsbezugs.7Folgt ein Hinterbliebenenbezug einem Versorgungsbezug, bestimmen sich der Prozentsatz, der Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag für den Hinterbliebenenbezug nach dem Jahr des Beginns des Versorgungsbezugs.8Der nach den Sätzen 3 bis 7 berechnete Versorgungsfreibetrag und Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag gelten für die gesamte Laufzeit des Versorgungsbezugs.9Regelmäßige Anpassungen des Versorgungsbezugs führen nicht zu einer Neuberechnung.10Abweichend hiervon sind der Versorgungsfreibetrag und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag neu zu berechnen, wenn sich der Versorgungsbezug wegen Anwendung von Anrechnungs-, Ruhens-, Erhöhungs- oder Kürzungsregelungen erhöht oder vermindert.11In diesen Fällen sind die Sätze 3 bis 7 mit dem geänderten Versorgungsbezug als Bemessungsgrundlage im Sinne des Satzes 4 anzuwenden; im Kalenderjahr der Änderung sind der höchste Versorgungsfreibetrag und Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag maßgebend.12Für jeden vollen Kalendermonat, für den keine Versorgungsbezüge gezahlt werden, ermäßigen sich der Versorgungsfreibetrag und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag in diesem Kalenderjahr um je ein Zwölftel.

(3)1Die Energiepreispauschale nach dem Versorgungsrechtlichen Energiepreispauschalen-Gewährungsgesetz oder vergleichbare Leistungen zum Ausgleich gestiegener Energiepreise nach Landesrecht sind als Einnahmen nach Absatz 2 zu berücksichtigen.2Sie gelten nicht als Sonderzahlung im Sinne von Absatz 2 Satz 4, jedoch als regelmäßige Anpassung des Versorgungsbezugs im Sinne von Absatz 2 Satz 9.3Im Lohnsteuerabzugsverfahren sind die Energiepreispauschale und vergleichbare Leistungen bei der Berechnung einer Vorsorgepauschale nach § 39b Absatz 2 Satz 5 Nummer 3 Buchstabe b und c nicht zu berücksichtigen.4In den Fällen des Satzes 1 sind die §§ 3 und 24a nicht anzuwenden.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Autohof, in dessen Gastronomiebereich die vom Streitfall betroffenen Arbeitnehmer in wechselnden Schichten rund um die Uhr beschäftigt waren. Nach den insoweit gleich gestalteten Arbeitsverträgen sollten die Arbeitnehmer neben einem Basisgrundlohn "die aus ihrer Arbeitszeit resultierenden möglichen SFN-Zuschläge nach EStG.3b als Teillohn des vereinbarten durchschnittlichen Effektivlohns pro Stunde für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden" erhalten. Unter dem "durchschnittlichen Effektivlohn" verstanden die Vertragsparteien den Auszahlungsbetrag pro Stunde, der sich nach Abzug der nach den persönlichen Besteuerungsmerkmalen ermittelten steuerrechtlichen Abzüge und der Sozialabgaben vom Bruttolohn ergab. Der Auszahlungsbetrag, der auch "alle einzelrelevanten Löhne, wie etwa Urlaubs- und Weihnachtsgeld" enthalten sollte, wurde in fester Höhe vereinbart. Für den Fall, dass sich aufgrund der Arbeitszeitplanung ein geringerer durchschnittlicher Auszahlungsbetrag als der vereinbarte ergäbe, sollte für den betreffenden Abrechnungsmonat der Basisgrundlohn um eine sog. "Grundlohnergänzung" so erhöht werden, dass sich hieraus der vereinbarte durchschnittliche Auszahlungsbetrag pro tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde errechnete. Wurde mit der Summe aus Basisgrundlohn, Urlaubs-, Weihnachtsgeld, dem Arbeitgeberzuschuss zu den vermögenswirksamen Leistungen und "SFN-Zuschlägen" (= Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit) der durchschnittliche Auszahlungsbetrag bereits erreicht, war eine Grundlohnergänzung nicht zu gewähren. Auf der Grundlage der getroffenen Vereinbarungen setzte sich der durchschnittliche Auszahlungsbetrag im Regelfall wie folgt zusammen:

2

                                      

   Basisgrundlohn
+ anteiliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld
+ Arbeitgeberzuschuss VWL
+ Grundlohnergänzung
= Grundlohn
-  Steuerrechtliche Abzüge
-  Sozialabgaben
= Nettolohn
+ SFN-Zuschläge
= Durchschnittlicher Auszahlungsbetrag
3

Ziel der getroffenen Vergütungsvereinbarungen war es, den in fester Höhe vereinbarten durchschnittlichen Auszahlungsbetrag zu erreichen. Mit dieser Regelung wollte die Klägerin Lohnschwankungen ausgleichen, die sich sonst aufgrund unterschiedlicher Arbeitszeitplanung ergeben hätten. Zur Berechnung der Lohnbestandteile bediente sich die Klägerin der Abrechnungssoftware "X" der Y GmbH.

4

Die Klägerin hat für die "SFN-Zuschläge" keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt, da nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorlagen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung hingegen von der Steuerpflicht der Zuschläge aus und nahm die Klägerin in Haftung.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 127).

6

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

7

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG Baden-Württemberg 9 K 260/06 vom 21. September 2009, die Einspruchsentscheidung und die Haftungsbescheide aufzuheben.

8

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sind die gezahlten Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gemäß § 3b EStG steuerfrei.

10

Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit führten nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn. Deshalb war die Klägerin nicht verpflichtet, insoweit Lohnsteuer einzubehalten.

11

a) Nach § 3b Abs. 1 EStG i.d.F. der Streitjahre sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge nur dann steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift ist Grundlohn der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen. Die Frage nach der rechtssystematischen Bedeutung der Befreiungsvorschrift, die teilweise als rechtspolitisch verfehlt bezeichnet wird (Tipke, Finanz-Rundschau --FR-- 2006, 949; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 3b Rz 2; Moritz in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 3b EStG Rz 4 ff.), kann nicht einheitlich beantwortet werden (s. im Einzelnen, Tipke, FR 2006, 949). Der Bundesfinanzhof (BFH) sieht den Zweck der Vorschrift vorrangig darin, dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen zu gewähren, die mit Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit verbunden sind (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 16/08, BFH/NV 2010, 201, m.w.N.). Ähnlich hat auch das Bundesverfassungsgericht argumentiert, das in der Steuerbefreiung einen Ausgleich und eine Erleichterung dafür sieht, dass die Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit den biologischen und kulturellen Lebensrhythmus stört (Beschluss vom 2. Mai 1978  1 BvR 174/78, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1978, Nr. 449). Andererseits sollen auch wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Gründe eine Rolle spielen (BTDrucks 7/419, 16; BFH-Urteil vom 21. Mai 1987 IV R 339/84, BFHE 150, 32, BStBl II 1987, 625; Blümich/Erhard, § 3b EStG Rz 5; von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A118 mit Hinweis auf BTDrucks V/2423, 57 und 10/3821, 247). Zudem wird die Vorschrift als Regelung zur Unterstützung im allgemeinen Interesse liegender Tätigkeiten beurteilt (vgl. im Einzelnen Tipke, FR 2006, 949, m.w.N; von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A123 ff.).

12

b) Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist u.a., dass die Zuschläge neben dem Grundlohn geleistet werden; sie dürfen nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonn- und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit sein (HHR/Moritz, § 3b EStG Rz 21). Insoweit ist es unmaßgeblich, ob die Beteiligten eine Brutto- oder Nettolohnvereinbarung getroffen haben. Die Steuerbefreiung tritt zudem nur ein, wenn die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind (BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 201).

13

aa) § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG definiert Grundlohn als laufenden Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Der laufende Arbeitslohn ist, wie sich aus § 39b EStG ergibt (s. auch R 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR--), von sonstigen Bezügen abzugrenzen. Laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, Wochen- oder Tageslohn, Überstundenvergütung, laufend gezahlte Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen). Der laufende Arbeitslohn kann der Höhe nach schwanken (Schmidt/Drenseck, EStG, 29. Aufl., § 39b Rz 2; HHR/Tillmann, § 39a EStG Rz 17; s. aber R 30 Abs. 2 Satz 2 LStR). Kein laufender Bezug und damit ein sonstiger Bezug sind einmalig zugewendete Bezüge wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Jubiläumszuwendungen, Gratifikationen und das 13. Monatsgehalt (Schmidt/ Drenseck, a.a.O., § 39b Rz 3; von Beckerath, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz B5). Regelmäßige Arbeitszeit ist die für das jeweilige Arbeitsverhältnis vereinbarte Normalarbeitszeit (BFH-Urteil vom 7. Juli 2007 IX R 81/98, BFHE 210, 503, BStBl II 2005, 888).

14

bb) Im Streitfall wurden die Zuschläge neben dem Grundlohn für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt und überstiegen nicht den nach § 3b EStG höchsten steuerfrei anwendbaren v.H.-Satz.

15

Nach den Feststellungen des FG ist die Grundlohnergänzung Teil des Grundlohns. Der Grundlohn i.S. von § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG besteht somit aus dem feststehenden Basisgrundlohn und der variablen Grundlohnergänzung (s. dazu R 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. Nr. 3 Satz 1 LStR). Daneben hat die Klägerin Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit mit den gesetzlichen Höchstsätzen gezahlt. Die Zuschläge waren nicht Teil der einheitlichen Entlohnung. Nach den Arbeitsverträgen haben die Arbeitnehmer neben dem Anspruch auf Basisgrundlohn und Ergänzungslohn Anspruch auf die Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge. Auch wenn diese Zuschläge durch die Grundlohnergänzung beeinflusst werden, handelt es sich weder um ein schädliches Herausrechnen von Zuschlägen aus einem Gesamtbruttolohn (s. dazu etwa BFH-Entscheidungen vom 29. März 2000 VI B 399/98, BFH/NV 2000, 1093; vom 28. November 1990 VI R 144/87, BFHE 163, 79, BStBl II 1991, 296), noch können deshalb die Zuschläge als pauschale Abschlagszahlungen qualifiziert werden. Die Vereinbarung eines durchschnittlichen Effektivlohns hat zwar zur Folge, dass sich ein immer gleichbleibender Auszahlungsbetrag pro Stunde ergibt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Zuschläge ohne Rücksicht auf tatsächlich geleistete Arbeitsstunden berechnet würden. Vielmehr dient der durchschnittliche Auszahlungsbetrag lediglich als rechnerische Größe zur Ermittlung des Lohnzusatzes. Die vom Gesetz verlangte Trennung von Grundlohn und Zuschlägen wird nicht deshalb aufgehoben, weil der Grundlohnergänzungsbetrag variabel gestaltet ist. Wie dargestellt, unterscheidet sich der sonstige Bezug vom laufenden Arbeitslohn durch die Einmaligkeit des Bezugs. Es ist jedoch nicht Merkmal des laufenden Arbeitslohns, dass dieser jeweils feststeht. Er kann vielmehr der Höhe nach schwanken.

16

c) Entgegen der Auffassung des FG ist § 3b EStG nicht über den Wortlaut hinaus dahin auszulegen, dass die Vorschrift nur zur Anwendung kommt, wenn ein von Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nicht beeinflusster Grundlohn vorliegt. Die Auslegung eines Gesetzes gegen den Wortlaut ist nur ausnahmsweise möglich, wenn nämlich die wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann (s. etwa BFH-Urteile vom 1. August 1974 IV R 120/70, BFHE 113, 357, BStBl II 1975, 12; vom 7. April 1992 VIII R 79/88, BFHE 168, 111, BStBl II 1992, 786; vom 17. Februar 1994 VIII R 30/92, BFHE 175, 226, BStBl II 1994, 938; vom 12. August 1997 VII R 107/96, BFHE 184, 198, BStBl II 1998, 131; vom 17. Januar 1995 IX R 37/91, BFHE 177, 58, BStBl II 1995, 410; vom 17. Mai 2006 X R 43/03, BFHE 213, 494, BStBl II 2006, 868; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 380). Davon kann hier keine Rede sein. Nach Auffassung des Senats stimmt der Wortlaut des § 3b EStG mit dem Gesetzeszweck überein (BFH-Beschluss vom 27. Mai 2009 VI B 69/08, BFHE 225, 137, BStBl II 2009, 730; zum Gesetzeszweck s. auch unter 1.a). Im Übrigen ist der Umstand, dass die Steuerbefreiung nicht den Arbeitnehmern zugute kommt, sondern, wie das FG annimmt, nur dem Arbeitgeber, kein sinnwidriges Ergebnis. Denn die Steuerbefreiung verringert regelmäßig auch den Mittelaufwand des Arbeitgebers und subventioniert und begünstigt damit auch diesen (vgl. im Einzelnen HHR/Moritz, § 3b EStG Rz 6, m.w.N.; von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A 123 ff.; A 241, A 261; ders. in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 3b Rz 1). Zudem zielt das von der Klägerin angewandte Verfahren --jedenfalls nach ihrem Vortrag-- darauf ab, Lohnschwankungen auszugleichen oder solchen vorzubeugen, was im Interesse der Arbeitnehmer liegt. Aus eben diesem Grund lässt die Finanzverwaltung pauschale Abschlagszahlungen zu (R 30 Abs. 7 LStR).

17

Das streitige Vergütungssystem --konkret die Variabilisierung der Grundlohnergänzung-- entspricht § 3b EStG. Es handelt sich um eine zulässige Gestaltungsform in Ausnutzung der rechtlichen Möglichkeiten. Die Beteiligten haben es --bis an die Grenze des Gestaltungsmissbrauchs-- in der Hand, durch vertragliche Vereinbarung von einer gesetzlich zulässigen Steuerbefreiung in möglichst hohem Maße Gebrauch zu machen (von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A 251; s. auch BFH-Urteil vom 31. Oktober 1986 VI R 52/81, BFHE 148, 54, BStBl II 1987, 139).

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob das Wohnsitzfinanzamt den Einkommensteuerbescheid eines Arbeitnehmers nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) ändern darf, obwohl eine positive Anrufungsauskunft im Lohnsteuerabzugsverfahren die Vorgehensweise des Arbeitgebers erlaubte, und ob sich das Wohnsitzfinanzamt Kenntnisse seiner vorgesetzten Behörde oder einer zentralen Außenprüfungsstelle zurechnen lassen muss.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Angestellter der B-GmbH, einem Tochterunternehmen der A-GmbH, welches 2004 im Wege der Ausgliederung entstanden ist. Der Kläger wurde im Streitjahr 2006 zusammen mit seiner Ehefrau (Klägerin und Revisionsklägerin) zur Einkommensteuer veranlagt. Der Einkommensteuerbescheid für 2006 wurde am 1. März 2007 erlassen. Ein von den Klägern eingelegter Einspruch führte zum Ruhen des Verfahrens.

3

Die A-GmbH war zunächst Mitglied der Zusatzversorgungskasse (ZVK) der Stadt X. Mit der Mitgliedschaft verfolgte sie den Zweck, ihren Arbeitnehmern beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis einen zusätzlichen Versorgungsanspruch zu verschaffen. Entsprechend einer am 10. Januar 2001 abgeschlossenen Vereinbarung übernahm die Zusatzversorgungskasse Y (YZVK) das Vermögen der ZVK. Die bisherigen Mitglieder der ZVK wurden mit Wirkung ab 1. Januar 2001 Mitglieder der YZVK. Sie hatten an die YZVK zum Ausgleich der mit der Übernahme für die YZVK verbundenen Nachteile eine Ausgleichszahlung zu leisten. Der Nachteilsausgleich belief sich für die A-GmbH auf 49 Mio. DM. Der Betrag war ab 2001 in 15 gleichen Raten zu zahlen. Die A-GmbH behandelte die Zahlungen des Nachteilsausgleichs als erhöhte Umlage und erhob die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz gemäß § 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Soweit die Zahlungen die Pauschalierungsgrenze überstiegen, unterwarf die A-GmbH die entsprechenden Beträge dem Regelbesteuerungsverfahren.

4

Im Anschluss an die Entscheidung des Senats vom 14. September 2005 VI R 148/98 (BFHE 210, 443, BStBl II 2006, 532) teilte die A-GmbH dem zuständigen Betriebsstättenfinanzamt mit Schreiben vom 6. Dezember 2005 mit, dass sie eine "Stornierung der zu Unrecht versteuerten geldwerten Vorteile aus Nachteilsausgleichszahlungen der Jahre 2002 - 2005" beabsichtige. Sie beantragte eine Auskunft gemäß § 42e EStG beim Betriebsstättenfinanzamt in der Weise, dass es ihr, der A-GmbH, erlaubt sei, sämtliche zu Unrecht versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen im laufenden Lohnzahlungszeitraum in Form negativer Einnahmen zu korrigieren. Diesem Antrag entsprach das zuständige Finanzamt im Juni 2006. Die A-GmbH und --im Fall des Klägers-- auch die B-GmbH verrechneten in der Lohnabrechnung für September 2006 die laufenden Bruttoarbeitslöhne ihrer Mitarbeiter mit negativen Einnahmen im Umfang der jeweils auf die Nachteilsausgleichszahlungen abgeführten Lohnsteuer. Im September 2006 wurde die Anrufungsauskunft, die der A-GmbH erteilt worden war, widerrufen. Die dagegen von der A-GmbH erhobene Klage war letztlich erfolgreich (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. September 2010 VI R 3/09, BFHE 230, 500) und der Widerruf der Anrufungsauskunft wurde aufgehoben.

5

Im November 2008 erhielt der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--), das Wohnsitzfinanzamt des Klägers, eine Kontrollmitteilung der Zentralen Außenprüfungsstelle Lohnsteuer (ZALST). Die ZALST informierte das FA darüber, dass die B-GmbH als Arbeitgeberin des Klägers im Lohnzeitraum September 2006 den Bruttoarbeitslohn des Klägers um 1.481,34 € gemindert hat. Die B-GmbH sei von negativen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in dieser Höhe ausgegangen. Allerdings entspreche dieser Betrag der Summe, welche die A-GmbH bzw. ab 2004 die B-GmbH für den Kläger in den Jahren 2001 bis 2005 zu Unrecht als Arbeitslohn erfasst habe.

6

Das FA erließ am 18. Dezember 2008 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 2006 für die Kläger und erhöhte den Bruttoarbeitslohn des Klägers um 1.481,34 €.

7

Der dagegen von den Klägern eingelegte Einspruch wurde durch Teileinspruchsentscheidung zurückgewiesen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

8

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

9

Die Kläger beantragen,

1. das Urteil des FG Düsseldorf, ergangen aufgrund mündlicher Verhandlung vom 5. November 2009 unter dem Az. 11 K 1116/09 E, aufzuheben,

2. den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 18. Dezember 2008 in Gestalt der Teileinspruchsentscheidung vom 19. Februar 2009 sowie vom 5. November 2009 aufzuheben.

10

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision der Kläger ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zu Recht hat das FG entschieden, dass eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 2006 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtmäßig war.

12

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

13

a) Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass die Abweichung des von der B-GmbH auf der Lohnsteuerbescheinigung des Klägers ausgewiesenen Bruttoarbeitslohns zu den tatsächlich zugeflossenen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO ist.

14

b) Entgegen der Auffassung der Revision ist diese Tatsache der Eintragung eines zu geringen Bruttoarbeitslohns in der Lohnsteuerbescheinigung dem FA erst nachträglich bekannt geworden.

15

aa) Eine Tatsache ist nachträglich bekannt geworden, wenn sie das FA bei Erlass des zu ändernden Steuerbescheids noch nicht kannte (BFH-Urteil vom 13. September 2001 IV R 79/99, BFHE 196, 195, BStBl II 2002, 2, m.w.N.). Maßgeblicher Zeitpunkt für den Kenntnisstand ist die abschließende Zeichnung des für die Steuerfestsetzung zuständigen Beamten (BFH-Urteil vom 27. November 2001 VIII R 3/01, BFH/NV 2002, 473). Daher wird eine Tatsache der Finanzbehörde bekannt, wenn diejenigen Personen, die innerhalb der zuständigen Finanzbehörde organisationsmäßig für die Bearbeitung des Steuerfalls berufen sind bzw. die den zu ändernden Steuerbescheid erlassen haben, positive Kenntnis darüber erlangen (BFH-Urteil vom 28. April 1998 IX R 49/96, BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458; BFH-Beschluss vom 16. Januar 2002 VIII B 96/01, BFH/NV 2002, 621, m.w.N.). Hierbei handelt es sich um den Vorsteher, den Sachgebietsleiter und den Sachbearbeiter, weil nur diese Personen die Finanzbehörde gegenüber dem Steuerpflichtigen repräsentieren und den Steuerbescheid verantworten (BFH-Urteil in BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458). Bekannt sind der zuständigen Dienststelle jedoch neben dem Inhalt der dort geführten Akten auch sämtliche Informationen, die dem Sachbearbeiter von vorgesetzten Dienststellen über ein elektronisches Informationssystem zur Verfügung gestellt werden, ohne dass es insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters ankommt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492, und die dort erwähnte Rechtsprechung). Wissen eines Außenprüfers führt nicht zu eigenen Kenntnissen der zuständigen Veranlagungsdienststelle, wenn der Außenprüfer nicht selbst die Steuern festsetzt (BFH-Urteil vom 3. Mai 1991 V R 36/90, BFH/NV 1992, 221). Kennt eine andere als die für die Bearbeitung des Steuerfalls zuständige Dienststelle die betreffende Tatsache, so ist sie deswegen nicht auch der zuständigen Dienststelle als bekannt zuzurechnen (BFH-Urteil in BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492).

16

bb) Nach diesen Grundsätzen ist dem FA die Tatsache der Eintragung eines zu geringen Bruttoarbeitslohns in der Lohnsteuerbescheinigung des Klägers nachträglich bekannt geworden. Die für die Veranlagung der Einkommensteuer der Kläger zuständige Dienststelle selbst hatte nach den Feststellungen des FG zum Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung der Erstveranlagung keine positive Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Lohnsteuerbescheinigung. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Dienststelle fallbezogene elektronische Informationen als bekannt zurechnen lassen müsste. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass im elektronischen Informationssystem der Finanzverwaltung zum Zeitpunkt der Erstveranlagung Bearbeiterhinweise oder Anweisungen für den Sachbearbeiter in Bezug auf die falschen Lohnsteuerbescheinigungen der A-GmbH sowie deren Unternehmenstöchter abrufbar gewesen wären.

17

Zudem hat das FG zutreffend entschieden, dass mögliche Kenntnisse der ZALST oder der Oberfinanzdirektion (OFD) über die fehlerhafte Lohnsteuerbescheinigung des Klägers am Tag der abschließenden Zeichnung dem FA nicht zugerechnet werden können. Für eventuelle Kenntnisse der ZALST entfällt eine Zurechnung schon deswegen, weil diese nicht für die Veranlagung der Einkommensteuer der einzelnen Arbeitnehmer zuständig ist. Unterstellte Kenntnisse der OFD sind der Veranlagungsdienststelle deshalb nicht zuzurechnen, weil die OFD organisationsmäßig gerade nicht zur Bearbeitung konkreter Steuerfälle berufen ist. Gegenüber dem Steuerpflichtigen handelt auch dann nur das zuständige Veranlagungsfinanzamt, wenn die OFD von ihrem Recht, sich in die Bearbeitung bestimmter Einzelfälle einzuschalten (§ 13 Abs. 3 i.V.m. §§ 7 Abs. 2, 9 Abs. 2 des Landesorganisationsgesetzes --LOG NRW--), Gebrauch macht. Die OFD hat die Inhalte eines Steuerbescheides gegenüber einem Steuerpflichtigen nicht zu verantworten. Rechtsmittelgegner ist und bleibt das FA, auch wenn die OFD interne Weisungen im Einzelfall erteilt hat. Dann aber ist es sachgerecht, dass sich das FA eine etwaige Kenntnis der OFD nicht zurechnen lassen muss.

18

Nach alledem kann das Vorbringen der Revision, dass sich das FA nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht auf die nachträgliche Kenntnis von Tatsachen berufen könne, weil die Unkenntnis nur auf ein pflichtwidriges Verhalten der OFD zurückzuführen sei, nicht durchgreifen. Wenn sich das FA positive Kenntnisse der OFD nicht zurechnen lassen muss, kann eine auf pflichtwidrigem Unterlassen beruhende Unkenntnis der OFD nicht über den Grundsatz von Treu und Glauben zu einer Kenntniszurechnung beim FA führen. Selbst wenn daher die OFD verpflichtet gewesen wäre, den Sachverhalt zeitnah aufzuklären und die Wohnsitzfinanzämter vor den ersten Veranlagungen zu informieren, könnte dies nicht dazu führen, dass dem FA eine Berufung auf die nachträglich bekannt gewordene Tatsache verwehrt wäre.

19

c) Die nachträglich bekannt gewordene Tatsache war rechtserheblich für die fehlerhafte Erstveranlagung. Rechtserheblich ist eine Tatsache dann, wenn das FA bei Kenntnis zum Zeitpunkt der ursprünglichen Festsetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine höhere Steuer festgesetzt hätte (Beschluss des Großen Senats vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das FA bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache zutreffend entschieden hätte (Senatsurteil vom 11. Februar 2010 VI R 65/08, BFHE 228, 421, BStBl II 2010, 628).

20

In Anwendung dieser Grundsätze ist das FG zu Recht von der Rechtserheblichkeit der nachträglich bekannt gewordenen Tatsache der fehlerhaften Lohnsteuerbescheinigung des Klägers ausgegangen. Das FA hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die von der B-GmbH verrechneten negativen Einnahmen den Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit hinzugerechnet und damit eine höhere Steuer festgesetzt. Die von der B-GmbH vorgenommene Verrechnung des Bruttoarbeitslohns mit negativen Einnahmen war rechtswidrig.

21

d) Weder die der A-GmbH erteilte Anrufungsauskunft noch die Vorschrift des § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG standen einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO entgegen.

22

aa) Der Kläger hatte im Veranlagungsjahr 2006 weder negative Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit noch Werbungskosten. Beide Tatbestände setzen voraus, dass beim Arbeitnehmer Güter abfließen oder Aufwendungen entstehen (Senatsurteile vom 12. November 2009 VI R 20/07, BFHE 227, 435, BStBl II 2010, 845; vom 17. September 2009 VI R 17/08, BFHE 226, 317, BStBl II 2010, 299; Senatsbeschluss vom 10. August 2010 VI R 1/08, BFHE 230, 173, BStBl II 2010, 1074). Beim Kläger war dies nach den Feststellungen des FG im Jahr 2006 nicht der Fall.

23

Entgegen der Auffassung der Revision ist der tatsächliche Abfluss von Gütern auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Besteuerung der Zusatzbeiträge in den Vorjahren auf fiktiven Einnahmen beruht habe. Die Auffassung der Kläger basiert auf der Annahme, dass zu Unrecht versteuerte Einnahmen bei späterer (besserer) Erkenntnis zu Ausgaben oder negativen Einnahmen desselben Steuerpflichtigen führen müssen. Dies würde ein allgemeines Korrespondenzprinzip voraussetzen, welches eine von Zu- und Abfluss losgelöste Gesamtbetrachtung eines Vorganges ermöglichen müsste. Indes ist ein solches generelles Korrespondenzprinzip dem Einkommensteuergesetz im Allgemeinen (BFH-Urteil vom 26. Februar 2002 IX R 20/98, BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796) und zur Beurteilung von Arbeitslohn im Besonderen fremd (Senatsbeschluss vom 19. Februar 2004 VI B 146/02, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2004, 560). Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung erfordert eine Jahresbetrachtung. Enthalten Bescheide aus vorangegangenen Veranlagungszeiträumen materielle Fehler, können diese keinesfalls dadurch korrigiert werden, dass in dem nächsten noch offenen Jahr ein weiterer materieller Fehler --als Ausgleich-- bewusst eingearbeitet wird (BFH-Urteil in BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796). Die Abgabenordnung regelt mit ihren Änderungsvorschriften, wann der materiellen Gerechtigkeit Vorrang vor dem Rechtsfrieden einzuräumen ist. Kann eine Änderung bestandskräftiger Bescheide nicht mehr erfolgen, so mag dies unbillig erscheinen. Jedoch rechtfertigt dies keinen neuen materiellen Fehler.

24

bb) Die Anrufungsauskunft nach § 42e EStG, die der A-GmbH vom zuständigen Betriebsstättenfinanzamt erteilt wurde, steht einer Änderung des falschen Ansatzes des Bruttoarbeitslohns durch das FA schon deshalb nicht entgegen, weil die B-GmbH nach den Feststellungen des FG selbst weder eine Anrufungsauskunft erbeten noch erhalten hat. Die Anrufungsauskunft, die der A-GmbH erteilt wurde, führte im Verhältnis zur B-GmbH zu keiner Bindung. Die Frage, ob sich eine Ausrufungsauskunft des Arbeitgebers auf das Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers auswirken kann, stellt sich daher vorliegend nicht.

25

cc) Schließlich steht § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG der Änderung nicht entgegen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss der Inanspruchnahme des Klägers liegen bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren nicht vor, so dass sich die Frage nach einer Ausstrahlung der Vorschrift auf das Veranlagungsverfahren nicht mehr stellt. Nach § 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG kann ein Arbeitnehmer für seine Lohnsteuer dann in Anspruch genommen werden, wenn sein Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten hat. Vorliegend war eine Inanspruchnahme des Klägers im Lohnsteuerabzugsverfahren möglich. Die B-GmbH hat die Lohnsteuer für den Kläger im September 2006 nicht vorschriftsmäßig einbehalten, sondern rechtswidrig eine Verrechnung mit negativen Einnahmen vorgenommen. Denn diese Verrechnung war weder materiell richtig noch durch eine materiell unrichtige Anrufungsauskunft nach § 42e EStG erlaubt. Die Inanspruchnahme des Klägers im Veranlagungsverfahren kann daher schon tatbestandlich nicht wegen § 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG ausgeschlossen sein.

26

e) Zu Recht ging das FG auch davon aus, dass das FA nicht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben an einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehindert war. Der Grundsatz von Treu und Glauben, der auch im Steuerrecht anzuwenden ist, kann zwar einer Steuernachforderung und damit auch einer Änderung zu Lasten eines Steuerpflichtigen entgegenstehen. Dies setzt aber voraus, dass die Nachforderung dem vorausgegangenen Verhalten der Verwaltung widerspricht und der Steuerpflichtige im berechtigten Vertrauen auf dieses Verhalten vermögensrechtliche Dispositionen getroffen hat, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen (BFH-Urteile vom 5. Februar 1980 VII R 101/77, BFHE 130, 90; vom 11. August 1972 VI R 262/69, BFHE 107, 127, BStBl II 1973, 35). Solche Dispositionen haben die Kläger nicht getroffen. Sie haben auch keinen Vermögensschaden dadurch erlitten, dass sie nachträglich zu der gesetzlich geschuldeten Steuer herangezogen wurden (Senatsurteil vom 10. Juli 1964 IV 299/63 U, BFHE 80, 314, BStBl III 1964, 587).

27

Im Streitfall fehlt es bereits an einem vom FA gesetzten Vertrauenstatbestand. Denn das FA hat nicht zu erkennen gegeben, dass es die Einkommensteuerfestsetzung der Kläger später nicht noch einmal ändern wird. Auch das Verhalten der OFD, die den Sachverhalt nicht aufgeklärt und die Wohnsitzfinanzämter nicht entsprechend informiert hat, begründet keinen Vertrauenstatbestand, auf den sich die Kläger gegenüber dem FA berufen könnten.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Steuerfrei sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, soweit sie

1.
für Nachtarbeit 25 Prozent,
2.
vorbehaltlich der Nummern 3 und 4 für Sonntagsarbeit 50 Prozent,
3.
vorbehaltlich der Nummer 4 für Arbeit am 31. Dezember ab 14 Uhr und an den gesetzlichen Feiertagen 125 Prozent,
4.
für Arbeit am 24. Dezember ab 14 Uhr, am 25. und 26. Dezember sowie am 1. Mai 150 Prozent
des Grundlohns nicht übersteigen.

(2)1Grundlohn ist der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen und mit höchstens 50 Euro anzusetzen.2Nachtarbeit ist die Arbeit in der Zeit von 20 Uhr bis 6 Uhr.3Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit ist die Arbeit in der Zeit von 0 Uhr bis 24 Uhr des jeweiligen Tages.4Die gesetzlichen Feiertage werden durch die am Ort der Arbeitsstätte geltenden Vorschriften bestimmt.

(3) Wenn die Nachtarbeit vor 0 Uhr aufgenommen wird, gilt abweichend von den Absätzen 1 und 2 Folgendes:

1.
Für Nachtarbeit in der Zeit von 0 Uhr bis 4 Uhr erhöht sich der Zuschlagssatz auf 40 Prozent,
2.
als Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit gilt auch die Arbeit in der Zeit von 0 Uhr bis 4 Uhr des auf den Sonntag oder Feiertag folgenden Tages.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Autohof, in dessen Gastronomiebereich die vom Streitfall betroffenen Arbeitnehmer in wechselnden Schichten rund um die Uhr beschäftigt waren. Nach den insoweit gleich gestalteten Arbeitsverträgen sollten die Arbeitnehmer neben einem Basisgrundlohn "die aus ihrer Arbeitszeit resultierenden möglichen SFN-Zuschläge nach EStG.3b als Teillohn des vereinbarten durchschnittlichen Effektivlohns pro Stunde für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden" erhalten. Unter dem "durchschnittlichen Effektivlohn" verstanden die Vertragsparteien den Auszahlungsbetrag pro Stunde, der sich nach Abzug der nach den persönlichen Besteuerungsmerkmalen ermittelten steuerrechtlichen Abzüge und der Sozialabgaben vom Bruttolohn ergab. Der Auszahlungsbetrag, der auch "alle einzelrelevanten Löhne, wie etwa Urlaubs- und Weihnachtsgeld" enthalten sollte, wurde in fester Höhe vereinbart. Für den Fall, dass sich aufgrund der Arbeitszeitplanung ein geringerer durchschnittlicher Auszahlungsbetrag als der vereinbarte ergäbe, sollte für den betreffenden Abrechnungsmonat der Basisgrundlohn um eine sog. "Grundlohnergänzung" so erhöht werden, dass sich hieraus der vereinbarte durchschnittliche Auszahlungsbetrag pro tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde errechnete. Wurde mit der Summe aus Basisgrundlohn, Urlaubs-, Weihnachtsgeld, dem Arbeitgeberzuschuss zu den vermögenswirksamen Leistungen und "SFN-Zuschlägen" (= Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit) der durchschnittliche Auszahlungsbetrag bereits erreicht, war eine Grundlohnergänzung nicht zu gewähren. Auf der Grundlage der getroffenen Vereinbarungen setzte sich der durchschnittliche Auszahlungsbetrag im Regelfall wie folgt zusammen:

2

                                      

   Basisgrundlohn
+ anteiliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld
+ Arbeitgeberzuschuss VWL
+ Grundlohnergänzung
= Grundlohn
-  Steuerrechtliche Abzüge
-  Sozialabgaben
= Nettolohn
+ SFN-Zuschläge
= Durchschnittlicher Auszahlungsbetrag
3

Ziel der getroffenen Vergütungsvereinbarungen war es, den in fester Höhe vereinbarten durchschnittlichen Auszahlungsbetrag zu erreichen. Mit dieser Regelung wollte die Klägerin Lohnschwankungen ausgleichen, die sich sonst aufgrund unterschiedlicher Arbeitszeitplanung ergeben hätten. Zur Berechnung der Lohnbestandteile bediente sich die Klägerin der Abrechnungssoftware "X" der Y GmbH.

4

Die Klägerin hat für die "SFN-Zuschläge" keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt, da nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorlagen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung hingegen von der Steuerpflicht der Zuschläge aus und nahm die Klägerin in Haftung.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 127).

6

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

7

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG Baden-Württemberg 9 K 260/06 vom 21. September 2009, die Einspruchsentscheidung und die Haftungsbescheide aufzuheben.

8

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sind die gezahlten Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gemäß § 3b EStG steuerfrei.

10

Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit führten nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn. Deshalb war die Klägerin nicht verpflichtet, insoweit Lohnsteuer einzubehalten.

11

a) Nach § 3b Abs. 1 EStG i.d.F. der Streitjahre sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge nur dann steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift ist Grundlohn der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen. Die Frage nach der rechtssystematischen Bedeutung der Befreiungsvorschrift, die teilweise als rechtspolitisch verfehlt bezeichnet wird (Tipke, Finanz-Rundschau --FR-- 2006, 949; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 3b Rz 2; Moritz in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 3b EStG Rz 4 ff.), kann nicht einheitlich beantwortet werden (s. im Einzelnen, Tipke, FR 2006, 949). Der Bundesfinanzhof (BFH) sieht den Zweck der Vorschrift vorrangig darin, dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen zu gewähren, die mit Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit verbunden sind (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 16/08, BFH/NV 2010, 201, m.w.N.). Ähnlich hat auch das Bundesverfassungsgericht argumentiert, das in der Steuerbefreiung einen Ausgleich und eine Erleichterung dafür sieht, dass die Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit den biologischen und kulturellen Lebensrhythmus stört (Beschluss vom 2. Mai 1978  1 BvR 174/78, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1978, Nr. 449). Andererseits sollen auch wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Gründe eine Rolle spielen (BTDrucks 7/419, 16; BFH-Urteil vom 21. Mai 1987 IV R 339/84, BFHE 150, 32, BStBl II 1987, 625; Blümich/Erhard, § 3b EStG Rz 5; von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A118 mit Hinweis auf BTDrucks V/2423, 57 und 10/3821, 247). Zudem wird die Vorschrift als Regelung zur Unterstützung im allgemeinen Interesse liegender Tätigkeiten beurteilt (vgl. im Einzelnen Tipke, FR 2006, 949, m.w.N; von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A123 ff.).

12

b) Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist u.a., dass die Zuschläge neben dem Grundlohn geleistet werden; sie dürfen nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonn- und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit sein (HHR/Moritz, § 3b EStG Rz 21). Insoweit ist es unmaßgeblich, ob die Beteiligten eine Brutto- oder Nettolohnvereinbarung getroffen haben. Die Steuerbefreiung tritt zudem nur ein, wenn die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind (BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 201).

13

aa) § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG definiert Grundlohn als laufenden Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Der laufende Arbeitslohn ist, wie sich aus § 39b EStG ergibt (s. auch R 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR--), von sonstigen Bezügen abzugrenzen. Laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, Wochen- oder Tageslohn, Überstundenvergütung, laufend gezahlte Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen). Der laufende Arbeitslohn kann der Höhe nach schwanken (Schmidt/Drenseck, EStG, 29. Aufl., § 39b Rz 2; HHR/Tillmann, § 39a EStG Rz 17; s. aber R 30 Abs. 2 Satz 2 LStR). Kein laufender Bezug und damit ein sonstiger Bezug sind einmalig zugewendete Bezüge wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Jubiläumszuwendungen, Gratifikationen und das 13. Monatsgehalt (Schmidt/ Drenseck, a.a.O., § 39b Rz 3; von Beckerath, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz B5). Regelmäßige Arbeitszeit ist die für das jeweilige Arbeitsverhältnis vereinbarte Normalarbeitszeit (BFH-Urteil vom 7. Juli 2007 IX R 81/98, BFHE 210, 503, BStBl II 2005, 888).

14

bb) Im Streitfall wurden die Zuschläge neben dem Grundlohn für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt und überstiegen nicht den nach § 3b EStG höchsten steuerfrei anwendbaren v.H.-Satz.

15

Nach den Feststellungen des FG ist die Grundlohnergänzung Teil des Grundlohns. Der Grundlohn i.S. von § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG besteht somit aus dem feststehenden Basisgrundlohn und der variablen Grundlohnergänzung (s. dazu R 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. Nr. 3 Satz 1 LStR). Daneben hat die Klägerin Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit mit den gesetzlichen Höchstsätzen gezahlt. Die Zuschläge waren nicht Teil der einheitlichen Entlohnung. Nach den Arbeitsverträgen haben die Arbeitnehmer neben dem Anspruch auf Basisgrundlohn und Ergänzungslohn Anspruch auf die Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge. Auch wenn diese Zuschläge durch die Grundlohnergänzung beeinflusst werden, handelt es sich weder um ein schädliches Herausrechnen von Zuschlägen aus einem Gesamtbruttolohn (s. dazu etwa BFH-Entscheidungen vom 29. März 2000 VI B 399/98, BFH/NV 2000, 1093; vom 28. November 1990 VI R 144/87, BFHE 163, 79, BStBl II 1991, 296), noch können deshalb die Zuschläge als pauschale Abschlagszahlungen qualifiziert werden. Die Vereinbarung eines durchschnittlichen Effektivlohns hat zwar zur Folge, dass sich ein immer gleichbleibender Auszahlungsbetrag pro Stunde ergibt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Zuschläge ohne Rücksicht auf tatsächlich geleistete Arbeitsstunden berechnet würden. Vielmehr dient der durchschnittliche Auszahlungsbetrag lediglich als rechnerische Größe zur Ermittlung des Lohnzusatzes. Die vom Gesetz verlangte Trennung von Grundlohn und Zuschlägen wird nicht deshalb aufgehoben, weil der Grundlohnergänzungsbetrag variabel gestaltet ist. Wie dargestellt, unterscheidet sich der sonstige Bezug vom laufenden Arbeitslohn durch die Einmaligkeit des Bezugs. Es ist jedoch nicht Merkmal des laufenden Arbeitslohns, dass dieser jeweils feststeht. Er kann vielmehr der Höhe nach schwanken.

16

c) Entgegen der Auffassung des FG ist § 3b EStG nicht über den Wortlaut hinaus dahin auszulegen, dass die Vorschrift nur zur Anwendung kommt, wenn ein von Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nicht beeinflusster Grundlohn vorliegt. Die Auslegung eines Gesetzes gegen den Wortlaut ist nur ausnahmsweise möglich, wenn nämlich die wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann (s. etwa BFH-Urteile vom 1. August 1974 IV R 120/70, BFHE 113, 357, BStBl II 1975, 12; vom 7. April 1992 VIII R 79/88, BFHE 168, 111, BStBl II 1992, 786; vom 17. Februar 1994 VIII R 30/92, BFHE 175, 226, BStBl II 1994, 938; vom 12. August 1997 VII R 107/96, BFHE 184, 198, BStBl II 1998, 131; vom 17. Januar 1995 IX R 37/91, BFHE 177, 58, BStBl II 1995, 410; vom 17. Mai 2006 X R 43/03, BFHE 213, 494, BStBl II 2006, 868; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 380). Davon kann hier keine Rede sein. Nach Auffassung des Senats stimmt der Wortlaut des § 3b EStG mit dem Gesetzeszweck überein (BFH-Beschluss vom 27. Mai 2009 VI B 69/08, BFHE 225, 137, BStBl II 2009, 730; zum Gesetzeszweck s. auch unter 1.a). Im Übrigen ist der Umstand, dass die Steuerbefreiung nicht den Arbeitnehmern zugute kommt, sondern, wie das FG annimmt, nur dem Arbeitgeber, kein sinnwidriges Ergebnis. Denn die Steuerbefreiung verringert regelmäßig auch den Mittelaufwand des Arbeitgebers und subventioniert und begünstigt damit auch diesen (vgl. im Einzelnen HHR/Moritz, § 3b EStG Rz 6, m.w.N.; von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A 123 ff.; A 241, A 261; ders. in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 3b Rz 1). Zudem zielt das von der Klägerin angewandte Verfahren --jedenfalls nach ihrem Vortrag-- darauf ab, Lohnschwankungen auszugleichen oder solchen vorzubeugen, was im Interesse der Arbeitnehmer liegt. Aus eben diesem Grund lässt die Finanzverwaltung pauschale Abschlagszahlungen zu (R 30 Abs. 7 LStR).

17

Das streitige Vergütungssystem --konkret die Variabilisierung der Grundlohnergänzung-- entspricht § 3b EStG. Es handelt sich um eine zulässige Gestaltungsform in Ausnutzung der rechtlichen Möglichkeiten. Die Beteiligten haben es --bis an die Grenze des Gestaltungsmissbrauchs-- in der Hand, durch vertragliche Vereinbarung von einer gesetzlich zulässigen Steuerbefreiung in möglichst hohem Maße Gebrauch zu machen (von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A 251; s. auch BFH-Urteil vom 31. Oktober 1986 VI R 52/81, BFHE 148, 54, BStBl II 1987, 139).

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Autohof, in dessen Gastronomiebereich die vom Streitfall betroffenen Arbeitnehmer in wechselnden Schichten rund um die Uhr beschäftigt waren. Nach den insoweit gleich gestalteten Arbeitsverträgen sollten die Arbeitnehmer neben einem Basisgrundlohn "die aus ihrer Arbeitszeit resultierenden möglichen SFN-Zuschläge nach EStG.3b als Teillohn des vereinbarten durchschnittlichen Effektivlohns pro Stunde für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden" erhalten. Unter dem "durchschnittlichen Effektivlohn" verstanden die Vertragsparteien den Auszahlungsbetrag pro Stunde, der sich nach Abzug der nach den persönlichen Besteuerungsmerkmalen ermittelten steuerrechtlichen Abzüge und der Sozialabgaben vom Bruttolohn ergab. Der Auszahlungsbetrag, der auch "alle einzelrelevanten Löhne, wie etwa Urlaubs- und Weihnachtsgeld" enthalten sollte, wurde in fester Höhe vereinbart. Für den Fall, dass sich aufgrund der Arbeitszeitplanung ein geringerer durchschnittlicher Auszahlungsbetrag als der vereinbarte ergäbe, sollte für den betreffenden Abrechnungsmonat der Basisgrundlohn um eine sog. "Grundlohnergänzung" so erhöht werden, dass sich hieraus der vereinbarte durchschnittliche Auszahlungsbetrag pro tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde errechnete. Wurde mit der Summe aus Basisgrundlohn, Urlaubs-, Weihnachtsgeld, dem Arbeitgeberzuschuss zu den vermögenswirksamen Leistungen und "SFN-Zuschlägen" (= Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit) der durchschnittliche Auszahlungsbetrag bereits erreicht, war eine Grundlohnergänzung nicht zu gewähren. Auf der Grundlage der getroffenen Vereinbarungen setzte sich der durchschnittliche Auszahlungsbetrag im Regelfall wie folgt zusammen:

2

                                      

   Basisgrundlohn
+ anteiliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld
+ Arbeitgeberzuschuss VWL
+ Grundlohnergänzung
= Grundlohn
-  Steuerrechtliche Abzüge
-  Sozialabgaben
= Nettolohn
+ SFN-Zuschläge
= Durchschnittlicher Auszahlungsbetrag
3

Ziel der getroffenen Vergütungsvereinbarungen war es, den in fester Höhe vereinbarten durchschnittlichen Auszahlungsbetrag zu erreichen. Mit dieser Regelung wollte die Klägerin Lohnschwankungen ausgleichen, die sich sonst aufgrund unterschiedlicher Arbeitszeitplanung ergeben hätten. Zur Berechnung der Lohnbestandteile bediente sich die Klägerin der Abrechnungssoftware "X" der Y GmbH.

4

Die Klägerin hat für die "SFN-Zuschläge" keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt, da nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorlagen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung hingegen von der Steuerpflicht der Zuschläge aus und nahm die Klägerin in Haftung.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 127).

6

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

7

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG Baden-Württemberg 9 K 260/06 vom 21. September 2009, die Einspruchsentscheidung und die Haftungsbescheide aufzuheben.

8

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sind die gezahlten Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gemäß § 3b EStG steuerfrei.

10

Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit führten nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn. Deshalb war die Klägerin nicht verpflichtet, insoweit Lohnsteuer einzubehalten.

11

a) Nach § 3b Abs. 1 EStG i.d.F. der Streitjahre sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge nur dann steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift ist Grundlohn der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen. Die Frage nach der rechtssystematischen Bedeutung der Befreiungsvorschrift, die teilweise als rechtspolitisch verfehlt bezeichnet wird (Tipke, Finanz-Rundschau --FR-- 2006, 949; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 3b Rz 2; Moritz in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 3b EStG Rz 4 ff.), kann nicht einheitlich beantwortet werden (s. im Einzelnen, Tipke, FR 2006, 949). Der Bundesfinanzhof (BFH) sieht den Zweck der Vorschrift vorrangig darin, dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen zu gewähren, die mit Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit verbunden sind (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 16/08, BFH/NV 2010, 201, m.w.N.). Ähnlich hat auch das Bundesverfassungsgericht argumentiert, das in der Steuerbefreiung einen Ausgleich und eine Erleichterung dafür sieht, dass die Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit den biologischen und kulturellen Lebensrhythmus stört (Beschluss vom 2. Mai 1978  1 BvR 174/78, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1978, Nr. 449). Andererseits sollen auch wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Gründe eine Rolle spielen (BTDrucks 7/419, 16; BFH-Urteil vom 21. Mai 1987 IV R 339/84, BFHE 150, 32, BStBl II 1987, 625; Blümich/Erhard, § 3b EStG Rz 5; von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A118 mit Hinweis auf BTDrucks V/2423, 57 und 10/3821, 247). Zudem wird die Vorschrift als Regelung zur Unterstützung im allgemeinen Interesse liegender Tätigkeiten beurteilt (vgl. im Einzelnen Tipke, FR 2006, 949, m.w.N; von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A123 ff.).

12

b) Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist u.a., dass die Zuschläge neben dem Grundlohn geleistet werden; sie dürfen nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonn- und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit sein (HHR/Moritz, § 3b EStG Rz 21). Insoweit ist es unmaßgeblich, ob die Beteiligten eine Brutto- oder Nettolohnvereinbarung getroffen haben. Die Steuerbefreiung tritt zudem nur ein, wenn die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind (BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 201).

13

aa) § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG definiert Grundlohn als laufenden Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Der laufende Arbeitslohn ist, wie sich aus § 39b EStG ergibt (s. auch R 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR--), von sonstigen Bezügen abzugrenzen. Laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, Wochen- oder Tageslohn, Überstundenvergütung, laufend gezahlte Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen). Der laufende Arbeitslohn kann der Höhe nach schwanken (Schmidt/Drenseck, EStG, 29. Aufl., § 39b Rz 2; HHR/Tillmann, § 39a EStG Rz 17; s. aber R 30 Abs. 2 Satz 2 LStR). Kein laufender Bezug und damit ein sonstiger Bezug sind einmalig zugewendete Bezüge wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Jubiläumszuwendungen, Gratifikationen und das 13. Monatsgehalt (Schmidt/ Drenseck, a.a.O., § 39b Rz 3; von Beckerath, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz B5). Regelmäßige Arbeitszeit ist die für das jeweilige Arbeitsverhältnis vereinbarte Normalarbeitszeit (BFH-Urteil vom 7. Juli 2007 IX R 81/98, BFHE 210, 503, BStBl II 2005, 888).

14

bb) Im Streitfall wurden die Zuschläge neben dem Grundlohn für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt und überstiegen nicht den nach § 3b EStG höchsten steuerfrei anwendbaren v.H.-Satz.

15

Nach den Feststellungen des FG ist die Grundlohnergänzung Teil des Grundlohns. Der Grundlohn i.S. von § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG besteht somit aus dem feststehenden Basisgrundlohn und der variablen Grundlohnergänzung (s. dazu R 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. Nr. 3 Satz 1 LStR). Daneben hat die Klägerin Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit mit den gesetzlichen Höchstsätzen gezahlt. Die Zuschläge waren nicht Teil der einheitlichen Entlohnung. Nach den Arbeitsverträgen haben die Arbeitnehmer neben dem Anspruch auf Basisgrundlohn und Ergänzungslohn Anspruch auf die Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge. Auch wenn diese Zuschläge durch die Grundlohnergänzung beeinflusst werden, handelt es sich weder um ein schädliches Herausrechnen von Zuschlägen aus einem Gesamtbruttolohn (s. dazu etwa BFH-Entscheidungen vom 29. März 2000 VI B 399/98, BFH/NV 2000, 1093; vom 28. November 1990 VI R 144/87, BFHE 163, 79, BStBl II 1991, 296), noch können deshalb die Zuschläge als pauschale Abschlagszahlungen qualifiziert werden. Die Vereinbarung eines durchschnittlichen Effektivlohns hat zwar zur Folge, dass sich ein immer gleichbleibender Auszahlungsbetrag pro Stunde ergibt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Zuschläge ohne Rücksicht auf tatsächlich geleistete Arbeitsstunden berechnet würden. Vielmehr dient der durchschnittliche Auszahlungsbetrag lediglich als rechnerische Größe zur Ermittlung des Lohnzusatzes. Die vom Gesetz verlangte Trennung von Grundlohn und Zuschlägen wird nicht deshalb aufgehoben, weil der Grundlohnergänzungsbetrag variabel gestaltet ist. Wie dargestellt, unterscheidet sich der sonstige Bezug vom laufenden Arbeitslohn durch die Einmaligkeit des Bezugs. Es ist jedoch nicht Merkmal des laufenden Arbeitslohns, dass dieser jeweils feststeht. Er kann vielmehr der Höhe nach schwanken.

16

c) Entgegen der Auffassung des FG ist § 3b EStG nicht über den Wortlaut hinaus dahin auszulegen, dass die Vorschrift nur zur Anwendung kommt, wenn ein von Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nicht beeinflusster Grundlohn vorliegt. Die Auslegung eines Gesetzes gegen den Wortlaut ist nur ausnahmsweise möglich, wenn nämlich die wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann (s. etwa BFH-Urteile vom 1. August 1974 IV R 120/70, BFHE 113, 357, BStBl II 1975, 12; vom 7. April 1992 VIII R 79/88, BFHE 168, 111, BStBl II 1992, 786; vom 17. Februar 1994 VIII R 30/92, BFHE 175, 226, BStBl II 1994, 938; vom 12. August 1997 VII R 107/96, BFHE 184, 198, BStBl II 1998, 131; vom 17. Januar 1995 IX R 37/91, BFHE 177, 58, BStBl II 1995, 410; vom 17. Mai 2006 X R 43/03, BFHE 213, 494, BStBl II 2006, 868; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 380). Davon kann hier keine Rede sein. Nach Auffassung des Senats stimmt der Wortlaut des § 3b EStG mit dem Gesetzeszweck überein (BFH-Beschluss vom 27. Mai 2009 VI B 69/08, BFHE 225, 137, BStBl II 2009, 730; zum Gesetzeszweck s. auch unter 1.a). Im Übrigen ist der Umstand, dass die Steuerbefreiung nicht den Arbeitnehmern zugute kommt, sondern, wie das FG annimmt, nur dem Arbeitgeber, kein sinnwidriges Ergebnis. Denn die Steuerbefreiung verringert regelmäßig auch den Mittelaufwand des Arbeitgebers und subventioniert und begünstigt damit auch diesen (vgl. im Einzelnen HHR/Moritz, § 3b EStG Rz 6, m.w.N.; von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A 123 ff.; A 241, A 261; ders. in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 3b Rz 1). Zudem zielt das von der Klägerin angewandte Verfahren --jedenfalls nach ihrem Vortrag-- darauf ab, Lohnschwankungen auszugleichen oder solchen vorzubeugen, was im Interesse der Arbeitnehmer liegt. Aus eben diesem Grund lässt die Finanzverwaltung pauschale Abschlagszahlungen zu (R 30 Abs. 7 LStR).

17

Das streitige Vergütungssystem --konkret die Variabilisierung der Grundlohnergänzung-- entspricht § 3b EStG. Es handelt sich um eine zulässige Gestaltungsform in Ausnutzung der rechtlichen Möglichkeiten. Die Beteiligten haben es --bis an die Grenze des Gestaltungsmissbrauchs-- in der Hand, durch vertragliche Vereinbarung von einer gesetzlich zulässigen Steuerbefreiung in möglichst hohem Maße Gebrauch zu machen (von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A 251; s. auch BFH-Urteil vom 31. Oktober 1986 VI R 52/81, BFHE 148, 54, BStBl II 1987, 139).

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Autohof, in dessen Gastronomiebereich die vom Streitfall betroffenen Arbeitnehmer in wechselnden Schichten rund um die Uhr beschäftigt waren. Nach den insoweit gleich gestalteten Arbeitsverträgen sollten die Arbeitnehmer neben einem Basisgrundlohn "die aus ihrer Arbeitszeit resultierenden möglichen SFN-Zuschläge nach EStG.3b als Teillohn des vereinbarten durchschnittlichen Effektivlohns pro Stunde für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden" erhalten. Unter dem "durchschnittlichen Effektivlohn" verstanden die Vertragsparteien den Auszahlungsbetrag pro Stunde, der sich nach Abzug der nach den persönlichen Besteuerungsmerkmalen ermittelten steuerrechtlichen Abzüge und der Sozialabgaben vom Bruttolohn ergab. Der Auszahlungsbetrag, der auch "alle einzelrelevanten Löhne, wie etwa Urlaubs- und Weihnachtsgeld" enthalten sollte, wurde in fester Höhe vereinbart. Für den Fall, dass sich aufgrund der Arbeitszeitplanung ein geringerer durchschnittlicher Auszahlungsbetrag als der vereinbarte ergäbe, sollte für den betreffenden Abrechnungsmonat der Basisgrundlohn um eine sog. "Grundlohnergänzung" so erhöht werden, dass sich hieraus der vereinbarte durchschnittliche Auszahlungsbetrag pro tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde errechnete. Wurde mit der Summe aus Basisgrundlohn, Urlaubs-, Weihnachtsgeld, dem Arbeitgeberzuschuss zu den vermögenswirksamen Leistungen und "SFN-Zuschlägen" (= Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit) der durchschnittliche Auszahlungsbetrag bereits erreicht, war eine Grundlohnergänzung nicht zu gewähren. Auf der Grundlage der getroffenen Vereinbarungen setzte sich der durchschnittliche Auszahlungsbetrag im Regelfall wie folgt zusammen:

2

                                      

   Basisgrundlohn
+ anteiliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld
+ Arbeitgeberzuschuss VWL
+ Grundlohnergänzung
= Grundlohn
-  Steuerrechtliche Abzüge
-  Sozialabgaben
= Nettolohn
+ SFN-Zuschläge
= Durchschnittlicher Auszahlungsbetrag
3

Ziel der getroffenen Vergütungsvereinbarungen war es, den in fester Höhe vereinbarten durchschnittlichen Auszahlungsbetrag zu erreichen. Mit dieser Regelung wollte die Klägerin Lohnschwankungen ausgleichen, die sich sonst aufgrund unterschiedlicher Arbeitszeitplanung ergeben hätten. Zur Berechnung der Lohnbestandteile bediente sich die Klägerin der Abrechnungssoftware "X" der Y GmbH.

4

Die Klägerin hat für die "SFN-Zuschläge" keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt, da nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorlagen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung hingegen von der Steuerpflicht der Zuschläge aus und nahm die Klägerin in Haftung.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 127).

6

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

7

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG Baden-Württemberg 9 K 260/06 vom 21. September 2009, die Einspruchsentscheidung und die Haftungsbescheide aufzuheben.

8

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sind die gezahlten Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gemäß § 3b EStG steuerfrei.

10

Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit führten nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn. Deshalb war die Klägerin nicht verpflichtet, insoweit Lohnsteuer einzubehalten.

11

a) Nach § 3b Abs. 1 EStG i.d.F. der Streitjahre sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge nur dann steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift ist Grundlohn der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen. Die Frage nach der rechtssystematischen Bedeutung der Befreiungsvorschrift, die teilweise als rechtspolitisch verfehlt bezeichnet wird (Tipke, Finanz-Rundschau --FR-- 2006, 949; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 3b Rz 2; Moritz in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 3b EStG Rz 4 ff.), kann nicht einheitlich beantwortet werden (s. im Einzelnen, Tipke, FR 2006, 949). Der Bundesfinanzhof (BFH) sieht den Zweck der Vorschrift vorrangig darin, dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen zu gewähren, die mit Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit verbunden sind (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 16/08, BFH/NV 2010, 201, m.w.N.). Ähnlich hat auch das Bundesverfassungsgericht argumentiert, das in der Steuerbefreiung einen Ausgleich und eine Erleichterung dafür sieht, dass die Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit den biologischen und kulturellen Lebensrhythmus stört (Beschluss vom 2. Mai 1978  1 BvR 174/78, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1978, Nr. 449). Andererseits sollen auch wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Gründe eine Rolle spielen (BTDrucks 7/419, 16; BFH-Urteil vom 21. Mai 1987 IV R 339/84, BFHE 150, 32, BStBl II 1987, 625; Blümich/Erhard, § 3b EStG Rz 5; von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A118 mit Hinweis auf BTDrucks V/2423, 57 und 10/3821, 247). Zudem wird die Vorschrift als Regelung zur Unterstützung im allgemeinen Interesse liegender Tätigkeiten beurteilt (vgl. im Einzelnen Tipke, FR 2006, 949, m.w.N; von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A123 ff.).

12

b) Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist u.a., dass die Zuschläge neben dem Grundlohn geleistet werden; sie dürfen nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonn- und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit sein (HHR/Moritz, § 3b EStG Rz 21). Insoweit ist es unmaßgeblich, ob die Beteiligten eine Brutto- oder Nettolohnvereinbarung getroffen haben. Die Steuerbefreiung tritt zudem nur ein, wenn die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind (BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 201).

13

aa) § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG definiert Grundlohn als laufenden Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Der laufende Arbeitslohn ist, wie sich aus § 39b EStG ergibt (s. auch R 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR--), von sonstigen Bezügen abzugrenzen. Laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, Wochen- oder Tageslohn, Überstundenvergütung, laufend gezahlte Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen). Der laufende Arbeitslohn kann der Höhe nach schwanken (Schmidt/Drenseck, EStG, 29. Aufl., § 39b Rz 2; HHR/Tillmann, § 39a EStG Rz 17; s. aber R 30 Abs. 2 Satz 2 LStR). Kein laufender Bezug und damit ein sonstiger Bezug sind einmalig zugewendete Bezüge wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Jubiläumszuwendungen, Gratifikationen und das 13. Monatsgehalt (Schmidt/ Drenseck, a.a.O., § 39b Rz 3; von Beckerath, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz B5). Regelmäßige Arbeitszeit ist die für das jeweilige Arbeitsverhältnis vereinbarte Normalarbeitszeit (BFH-Urteil vom 7. Juli 2007 IX R 81/98, BFHE 210, 503, BStBl II 2005, 888).

14

bb) Im Streitfall wurden die Zuschläge neben dem Grundlohn für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt und überstiegen nicht den nach § 3b EStG höchsten steuerfrei anwendbaren v.H.-Satz.

15

Nach den Feststellungen des FG ist die Grundlohnergänzung Teil des Grundlohns. Der Grundlohn i.S. von § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG besteht somit aus dem feststehenden Basisgrundlohn und der variablen Grundlohnergänzung (s. dazu R 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. Nr. 3 Satz 1 LStR). Daneben hat die Klägerin Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit mit den gesetzlichen Höchstsätzen gezahlt. Die Zuschläge waren nicht Teil der einheitlichen Entlohnung. Nach den Arbeitsverträgen haben die Arbeitnehmer neben dem Anspruch auf Basisgrundlohn und Ergänzungslohn Anspruch auf die Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge. Auch wenn diese Zuschläge durch die Grundlohnergänzung beeinflusst werden, handelt es sich weder um ein schädliches Herausrechnen von Zuschlägen aus einem Gesamtbruttolohn (s. dazu etwa BFH-Entscheidungen vom 29. März 2000 VI B 399/98, BFH/NV 2000, 1093; vom 28. November 1990 VI R 144/87, BFHE 163, 79, BStBl II 1991, 296), noch können deshalb die Zuschläge als pauschale Abschlagszahlungen qualifiziert werden. Die Vereinbarung eines durchschnittlichen Effektivlohns hat zwar zur Folge, dass sich ein immer gleichbleibender Auszahlungsbetrag pro Stunde ergibt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Zuschläge ohne Rücksicht auf tatsächlich geleistete Arbeitsstunden berechnet würden. Vielmehr dient der durchschnittliche Auszahlungsbetrag lediglich als rechnerische Größe zur Ermittlung des Lohnzusatzes. Die vom Gesetz verlangte Trennung von Grundlohn und Zuschlägen wird nicht deshalb aufgehoben, weil der Grundlohnergänzungsbetrag variabel gestaltet ist. Wie dargestellt, unterscheidet sich der sonstige Bezug vom laufenden Arbeitslohn durch die Einmaligkeit des Bezugs. Es ist jedoch nicht Merkmal des laufenden Arbeitslohns, dass dieser jeweils feststeht. Er kann vielmehr der Höhe nach schwanken.

16

c) Entgegen der Auffassung des FG ist § 3b EStG nicht über den Wortlaut hinaus dahin auszulegen, dass die Vorschrift nur zur Anwendung kommt, wenn ein von Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nicht beeinflusster Grundlohn vorliegt. Die Auslegung eines Gesetzes gegen den Wortlaut ist nur ausnahmsweise möglich, wenn nämlich die wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann (s. etwa BFH-Urteile vom 1. August 1974 IV R 120/70, BFHE 113, 357, BStBl II 1975, 12; vom 7. April 1992 VIII R 79/88, BFHE 168, 111, BStBl II 1992, 786; vom 17. Februar 1994 VIII R 30/92, BFHE 175, 226, BStBl II 1994, 938; vom 12. August 1997 VII R 107/96, BFHE 184, 198, BStBl II 1998, 131; vom 17. Januar 1995 IX R 37/91, BFHE 177, 58, BStBl II 1995, 410; vom 17. Mai 2006 X R 43/03, BFHE 213, 494, BStBl II 2006, 868; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 380). Davon kann hier keine Rede sein. Nach Auffassung des Senats stimmt der Wortlaut des § 3b EStG mit dem Gesetzeszweck überein (BFH-Beschluss vom 27. Mai 2009 VI B 69/08, BFHE 225, 137, BStBl II 2009, 730; zum Gesetzeszweck s. auch unter 1.a). Im Übrigen ist der Umstand, dass die Steuerbefreiung nicht den Arbeitnehmern zugute kommt, sondern, wie das FG annimmt, nur dem Arbeitgeber, kein sinnwidriges Ergebnis. Denn die Steuerbefreiung verringert regelmäßig auch den Mittelaufwand des Arbeitgebers und subventioniert und begünstigt damit auch diesen (vgl. im Einzelnen HHR/Moritz, § 3b EStG Rz 6, m.w.N.; von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A 123 ff.; A 241, A 261; ders. in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 3b Rz 1). Zudem zielt das von der Klägerin angewandte Verfahren --jedenfalls nach ihrem Vortrag-- darauf ab, Lohnschwankungen auszugleichen oder solchen vorzubeugen, was im Interesse der Arbeitnehmer liegt. Aus eben diesem Grund lässt die Finanzverwaltung pauschale Abschlagszahlungen zu (R 30 Abs. 7 LStR).

17

Das streitige Vergütungssystem --konkret die Variabilisierung der Grundlohnergänzung-- entspricht § 3b EStG. Es handelt sich um eine zulässige Gestaltungsform in Ausnutzung der rechtlichen Möglichkeiten. Die Beteiligten haben es --bis an die Grenze des Gestaltungsmissbrauchs-- in der Hand, durch vertragliche Vereinbarung von einer gesetzlich zulässigen Steuerbefreiung in möglichst hohem Maße Gebrauch zu machen (von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3b Rz A 251; s. auch BFH-Urteil vom 31. Oktober 1986 VI R 52/81, BFHE 148, 54, BStBl II 1987, 139).

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.