Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 24. Aug. 2015 - 1 K 981/13

ECLI:ECLI:DE:FGST:2015:0824.1K981.13.0A
bei uns veröffentlicht am24.08.2015

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und falls ja, bis wann, zwischen dem Einzelunternehmen des Klägers als Organträger und den Firmen A. UG sowie AB. UG als Organgesellschaften eine umsatzsteuerliche Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) bestand und ob die streitige Vorsteuerkürzung zu Recht erfolgte, weil die A. UG Ende 2011 zahlungsunfähig und überschuldet war.

2

Der Kläger war als Einzelunternehmer im Bereich Onlinehandel tätig. Geschäftsansässig war er in Z..

3

Mit Gesellschaftsvertrag vom 7. Oktober 2009 gründete der Kläger die Fa. AB. UG (F UG), die im Bereich Fliesen- und Ausbauarbeiten tätig war. Mit Gesellschaftsvertrag vom 7. Juni 2010 gründete er zudem die Fa. A UG (D UG), die im Bereich Onlinehandel, Onlinedienstleistungen und Spezialversand tätig war. Als Geschäftsführer der Gesellschaften wurde im Handelsregister jeweils der Kläger eingetragen. Die Firmen waren zunächst unter der Adresse des Klägers in Z. geschäftsansässig. In den Gesellschaftsversammlungen jeweils vom 7. Dezember 2011 wurden die Sitze der beiden Gesellschaften nach L. verlegt.

4

Beide Gesellschaften sind mittlerweile aufgelöst, die D UG durch rechtskräftige Abweisung eines Insolvenzantrags und die F UG durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 23. September 2013.

5

Im Zeitraum vom 5. April 2012 bis 16. April 2013 führte der Beklagte eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung wegen Umsatzsteuer August 2011 bis Januar 2012 durch (Betriebsprüfungsbericht vom 29. April 2013).

6

Die Prüferin ermittelte, dass anhand der Buchhaltung des Klägers im Jahr 2011 im Einzelunternehmen Umsätze i.H.v. 461.932,89 €, in der F UG Umsätze i.H.v. 40.180,91 € und in der D UG Umsätze i.H.v. 32.040,96 € (alle zum Regelsteuersatz) festzustellen waren. Laut den Voranmeldungen Januar bis Dezember 2011 waren lediglich Umsätze i.H.v. 470.338 € erklärt worden, so dass eine Differenz i.H.v. 63.816,76 € nachzuerfassen sei (Tz. 10 des Berichts). Grundlage dieser Feststellung sei eine zwischen dem Einzelunter-nehmen des Klägers und den beiden Gesellschaften bestehende umsatzsteuerliche Organschaft.

7

Die Prüferin vertrat zudem die Auffassung, dass aufgrund des über das Vermögen der D UG am 13. Januar 2012 beantragten Insolvenzverfahrens eine Vorsteuerkorrektur gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 UStG hinsichtlich der offenen Verbindlichkeiten i.H.v. 2.150,65 € erfolgen müsse. Dies habe grundsätzlich in dem Voranmeldungszeitraum zu erfolgen, in dem die Änderung eingetreten sei. Aus Vereinfachungsgründen erfolge die Berücksichtigung im Dezember 2011, da hier bereits Zahlungsunfähigkeit bestanden habe (Tz. 14 des Berichts).

8

Der Beklagte folgte dem und erließ am 14. Mai 2013 einen geänderten Bescheid über Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 2011 (vorausgehend Bescheid vom 24. April 2012).

9

Dagegen legte der Kläger am 14. Juni 2013 Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 29. August 2013 zurückgewiesen wurde. Am 24. September 2013 wurde Klage erhoben.

10

Am 5. November 2013 erließ der Beklagte mangels Abgabe einer Steuererklärung gestützt auf § 162 Abgabenordnung (AO) einen Bescheid über Umsatzsteuer 2011.

11

Der Kläger meint, die dem Umsatzsteuerbescheid zugrundeliegenden Umsätze i.H.v. 63.816,76 € resultierten aus einer vom Beklagte angenommenen Organschaft, die, wenn sie je bestanden haben sollte, spätestens im September 2011 mit Arbeitsbeginn der UG in L. aufgelöst gewesen sei. Tatsächlich sei der Geschäftsbetrieb zudem bereits vor Mietbeginn dort aufgenommen worden, wie verschiedene Zeugen bestätigen könnten.

12

Die Vorsteuerkorrektur sei unzutreffend, denn aufgrund der Erfahrungen aus einer früheren Saison sei mit hohen Umsätzen zu rechnen gewesen. Daher sei im Dezember 2011 nicht absehbar gewesen, dass es zu einer Insolvenz kommen werde.

13

Bei der Erstellung der Buchführung habe sich der Kläger auf die Kenntnisse seiner Mitarbeiter und der Steuerberaterin verlassen. Es sei nach neuen Erkenntnissen versehentlich nach „vereinnahmten und vereinbarten“ Entgelten gebucht worden. Der Prüfungsbericht scheine mit der Realität nicht überein zu stimmen.

14

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Bescheid über Umsatzsteuer 2011 vom 5. November dahingehend zu ändern, dass die Umsätze zum Regelsteuersatz um 63.816,76 € gemindert und die Vorsteuerbeträge um 2.150,65 € erhöht werden.

15

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

16

Der Beklagte meint, das den Feststellungen der Betriebsprüfung zugrundeliegende Zahlenwerk sei der Buchführung des Klägers entnommen worden. Streitig sei daher lediglich, ob eine umsatzsteuerliche Organschaft vorliege.

17

Die letzten Umsätze der D UG seien mit Datum vom 9. Dezember 2011 gebucht worden. Für die F UG bestehe im Streitjahr ein Vorsteueranspruch i.H.v. 3.931,49 € und für die D UG i.H.v. 6.907,14 €, nach Vorsteuerkorrektur (2.150,65 €) i.H.v. 4.756,49 €. Die letzten Vorsteuerbuchungen der D UG seien mit Datum vom 15. Dezember 2011 vorgenommen worden.

18

Das Organschaftsverhältnis, insbesondere die wirtschaftliche Eingliederung, habe bis 7. Dezember 2011 bestanden. Zwar gebe es einen Mietvertrag zwischen einem fremden Dritten und der D UG für ein Bürogebäude nebst Lagerflächen in L. vom 29. September 2011 mit Mietbeginn am 1. Oktober 2011. Aber die Geschäftssitze der beiden UG seien erst mit Beschlüssen der Gesellschaftsversammlungen vom 7. Dezember 2011 von Z. nach L. verlegt worden. Daher müsse von einer Weiternutzung der vom Kläger in Z. überlassenen Räumlichkeiten ausgegangen werden.

19

Aber selbst wenn man davon ausginge, dass das Organschaftsverhältnis zum 1. Oktober 2011 beendet gewesen sei, führe dies nicht zu einer für den Kläger günstigen Steuerfestsetzung. Denn dann wären die steuerpflichtigen Umsätze der D UG von Oktober bis Dezember zwar i.H.v. 30.197,35 € zu mindern, was zu einer Steuerminderung i.H.v. 5.737,50 € führe. Im Gegenzug wären jedoch auch die Vorsteuerbeträge der D UG Oktober bis Dezember 2011 i.H.v. 5.845,02 € zu kürzen.

20

Die vorgenommene Vorsteuerkürzung beziehe sich auf diverse Rechnungen von Unter-nehmen, die von der D UG bis zum 31. Dezember 2011 trotz Fälligkeit nicht bezahlt worden seien. Die D UG sei Ende 2011 überschuldet und zahlungsunfähig gewesen, was der am 13. Januar 2012 gestellte Insolvenzantrag belege.

21

Dem Senat haben die vom Beklagten für den Kläger geführten Akten vorgelegen (Umsatzsteuer-, Betriebsprüfungs- und Rechtsbehelfsakten, 4 Bände).

Entscheidungsgründe

22

I. Das Gericht ist an einer Entscheidung in der mündlichen Verhandlung am 24. August 2015 durch das Fernbleiben des Klägers nicht gehindert gewesen, denn die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2015 ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich des hier am 25. Juni 2015 eingegangenen Empfangsbekenntnisses am 24. Juni 2015 - soweit der Stempel das Jahr 2003 ausweist, kann es sich offensichtlich nur um einen Schreibfehler handeln - rechtzeitig zugegangen und der Kläger war in der Ladung darüber belehrt worden, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entscheiden werden kann, § 91 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).

23

II. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Umsatzsteuerbescheid 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

24

1. Zunächst ist festzustellen, dass die Prüferin die Umsätze der Buchführung des Klägers entnommen hat. Da keine konkreten Einwände hierzu vorgebracht werden, geht der Senat davon aus, dass der Kläger seine Umsätze richtig erfasst hat.

25

Der Vortrag des Klägers, es sei nach „vereinnahmten und vereinbarten“ Entgelten gebucht worden und der Prüfungsbericht scheine mit der Realität nicht überein zu stimmen, erschließt sich dem Senat nicht.

26

2. Die Umsätze der beiden UG sind für den streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund der Organschaft beim Kläger steuerlich zu erfassen.

27

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG liegt eine umsatzsteuerliche Organschaft vor, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftliche und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Folge dieser Regelung ist, dass die Organgesellschaft nicht selbst Unternehmer ist, sondern dass ihre Umsätze dem Organträger zugerechnet werden.

28

Gemeinschaftsrechtliche Grundlage des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist Art. 4 Abs. 4 2. Unterabsatz der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 11 MwStSystRL). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

29

Erforderlich ist, dass der Organträger finanziell über die Mehrheit der Stimmrechte bei der abhängigen juristischen Person verfügt (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671), wirtschaftlich mit der Organgesellschaft verflochten ist und organisatorisch eine von seinem Willen abweichende Willensbildung bei der Organgesellschaft verhindern kann (vgl. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451). Da hinsichtlich der Eingliederungsvoraussetzungen das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend ist, erfordert die Annahme einer Organschaft nicht, dass alle drei Eingliederungsmerkmale gleichermaßen feststellbar sind. Tritt auf einem der drei Gebiete die Eingliederung weniger stark in Erscheinung, so hindert dies nicht, trotzdem Organschaft anzunehmen, wenn sich die Eingliederung deutlich auf den beiden anderen Gebieten zeigt (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2008, 1410; vom 1. April 2004 V R 24/03, BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223; vom 22. Juni 1967 V R 89/66, BFHE 89, 402, BStBl III 1967, 715). So liegen die Verhältnisse im Streitfall.

30

Das Merkmal der finanziellen Eingliederung liegt bei einem Organträger unzweifelhaft vor, wenn dieser - wie hier der Kläger - Alleingesellschafter der beiden UG war. Ebenso offensichtlich besteht die organisatorische Eingliederung, da der Kläger Geschäftsführer der beiden Gesellschaften war.

31

Im Hinblick auf die deutliche Ausprägung der finanziellen und organisatorischen Eingliederung ist es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung unschädlich, wenn die wirtschaftliche Eingliederung weniger deutlich zu Tage tritt (vgl. BFH-Urteil vom 3. April 2008 V R 76/05, BFH/NV 2008, 1410). Es genügt dann, dass zwischen der Organgesellschaft und dem Unternehmen des Organträgers ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung vorhanden ist. Die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen lediglich aufeinander abgestimmt sein und sich dabei fördern und ergänzen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534; vom 3. April 2003 V R 63/01, BFHE 202, 79, BStBl II 2004, 434). Hierfür reicht das Bestehen von mehr als nur unerheblichen Beziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft aus (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2003 V B 158/03, V S 16/03, BFH/NV 2004, 236).

32

Ein derartige Einheit, Kooperation und Verflechtung waren hier zwischen dem Kläger und den Gesellschaften vorhanden. Der Kläger selbst erzielte Umsätze aus dem Onlinehandel. Eine vergleichbare Tätigkeit wurde auch von der D UG durchgeführt. Das beim Kläger vorhandene Know-how stand den beiden UG zur Verfügung. Daher kommt es auf die hier streitige Frage, ob im Rahmen einer Betriebsaufspaltung der D UG vom Kläger das Betriebsgrundstück nur bis Oktober überlassen wurde - was zweifellos bis dahin eine wirtschaftliche Eingliederung zur Folge hat (vgl. BFH-Urteil vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223) - auch nicht mehr an. Aufgrund der erkennbaren Gesamtumstände ist eine wirtschaftliche Verflechtung im gesamten Streitjahr zu bejahen.

33

Nach den vorliegenden Unterlagen ist zudem eine Sitzverlegung der D UG nach Lüderitz zweifelhaft. Soweit die D UG einen Mietvertrag über Büro und Lagerflächen ab 1. Oktober 2011 geschlossen hat, besagt dies nichts darüber, ob die Gesellschaft ab dem Mietbeginn auch die Räume genutzt hat bzw. ob sie nicht daneben weiterhin in Z. tätig war.

34

Des Weiteren ist dem Mietvertrag zu entnehmen, dass der Mieter eine Vielzahl von Sanierungsmaßnahmen durchzuführen hat, wie die Erneuerung des Teppichs, das Streichen der Wände und den Abriss der Ausstellungsmuster und im Gegenzug der Vermieter auf die Miete der Monate Oktober bis Dezember 2011 verzichtet. Dies deutet darauf hin, dass der Geschäftsbetrieb der D UG jedenfalls während der Dauer der Sanierungsarbeiten bis Ende des Streitjahres nicht in den Mieträumen durchgeführt wurde.

35

Auch die erst im Dezember beschlossenen Sitzverlegungen sprechen dafür, dass die Sitze der Gesellschaften weiter in Z. waren. Ein konkretes Datum der Verlegung ist dem Handelsregister nicht zu entnehmen. Da aber regelmäßig der Beschluss über die Sitzverlegung dieser vorangeht, ist davon auszugehen, dass der Sitz erst mit Ablauf des Jahres verlegt wurde.

36

Des Weiteren ist dem Beklagte auch zuzugeben, dass selbst für den Fall, dass die Organschaft bereits im Oktober des Streitjahres nicht mehr bestanden haben sollte, der Kläger sich steuerlich nicht verbessert, weil eben nicht nur die Umsätze zu verringern sind (Umsatzsteuer 5.737,50 €), sondern auch der Vorsteueranspruch (5.845,02 €) zu kürzen ist.

37

3. Die Vorsteuerkorrektur hinsichtlich der offenen Verbindlichkeiten der D UG erfolgte zu Recht.

38

Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, hat nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 UStG der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Das gilt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind der Steuerbetrag und der Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG). Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG sind die Berichtigungen für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist.

39

Uneinbringlich ist eine Forderung, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann (vgl. BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 49/10, BFH/NV 2012, 1665). Uneinbringlichkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG kann auch schon vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bereits dann eintreten, wenn der sachliche Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung gegeben ist. Eine Auslegung des Begriffes der Uneinbringlichkeit, wonach diese z.B. erst bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder - bei substantiiertem Bestreiten der Forderung - erst nach Abschluss eines Klageverfahrens in Bezug auf die Forderung vorläge, ließe sich mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbaren (vgl. BFH, BFH/NV 2012, 1665).

40

Bei objektiver Betrachtung ist damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht mehr durchsetzen kann, wenn der Leistungsempfänger zahlungsunfähig ist.

41

Ausweislich des Gutachtens des Insolvenzverwalters vom 1. März 2012 wurde der Geschäftsbetrieb - Handel mit Schneeräumgeräten - aufgrund des ausbleibenden Winters de facto eingestellt. Lohn- und Gehaltsrückstände bestanden bereits seit November 2011 und fälligen Verbindlichkeiten i.H.v. 82.596,54 € standen liquide Mittel i.H.v. 108,05 € gegenüber.

42

Damit war die Gesellschaft bereits im Dezember 2011 zahlungsunfähig. Bei objektiver Betrachtung war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr damit zu rechnen, dass die Leistenden ihre Entgeltforderungen (ganz oder teilweise) würden durchsetzen können.

43

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).


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Abgabenordnung - AO 1977 | § 162 Schätzung von Besteuerungsgrundlagen


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(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. G

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 17 Änderung der Bemessungsgrundlage


(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzu

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Bundesfinanzhof Urteil, 08. März 2012 - V R 49/10

bei uns veröffentlicht am 08.03.2012

Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob als Folge eines im Jahr 2001 geschlossenen Vergleichs über eine Werklohnforderung eine Berichtigung gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs.

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(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen. Die Sätze 1 bis 4 gelten in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 und des § 13b sinngemäß. Bei Preisnachlässen und Preiserstattungen eines Unternehmers in einer Leistungskette an einen in dieser Leistungskette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer liegt eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach Satz 1 nur vor, wenn der Leistungsbezug dieses Abnehmers im Rahmen der Leistungskette im Inland steuerpflichtig ist. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs kann unterbleiben, soweit ein dritter Unternehmer den auf die Minderung des Entgelts entfallenden Steuerbetrag an das Finanzamt entrichtet; in diesem Fall ist der dritte Unternehmer Schuldner der Steuer. Die Berichtigungen nach den Sätzen 1 und 2 sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Die Berichtigung nach Satz 4 ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der andere Unternehmer wirtschaftlich begünstigt wird.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn

1.
das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;
2.
für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist;
3.
eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb rückgängig gemacht worden ist;
4.
der Erwerber den Nachweis im Sinne des § 3d Satz 2 führt;
5.
Aufwendungen im Sinne des § 15 Abs. 1a getätigt werden.

(3) Ist Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden, so hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Absatz 1 Satz 8 gilt sinngemäß.

(4) Werden die Entgelte für unterschiedlich besteuerte Lieferungen oder sonstige Leistungen eines bestimmten Zeitabschnitts gemeinsam geändert (z.B. Jahresboni, Jahresrückvergütungen), so hat der Unternehmer dem Leistungsempfänger einen Beleg zu erteilen, aus dem zu ersehen ist, wie sich die Änderung der Entgelte auf die unterschiedlich besteuerten Umsätze verteilt.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, beim Bundesfinanzhof von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Das Gericht kann Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen. Die Sätze 1 bis 4 gelten in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 und des § 13b sinngemäß. Bei Preisnachlässen und Preiserstattungen eines Unternehmers in einer Leistungskette an einen in dieser Leistungskette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer liegt eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach Satz 1 nur vor, wenn der Leistungsbezug dieses Abnehmers im Rahmen der Leistungskette im Inland steuerpflichtig ist. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs kann unterbleiben, soweit ein dritter Unternehmer den auf die Minderung des Entgelts entfallenden Steuerbetrag an das Finanzamt entrichtet; in diesem Fall ist der dritte Unternehmer Schuldner der Steuer. Die Berichtigungen nach den Sätzen 1 und 2 sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Die Berichtigung nach Satz 4 ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der andere Unternehmer wirtschaftlich begünstigt wird.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn

1.
das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;
2.
für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist;
3.
eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb rückgängig gemacht worden ist;
4.
der Erwerber den Nachweis im Sinne des § 3d Satz 2 führt;
5.
Aufwendungen im Sinne des § 15 Abs. 1a getätigt werden.

(3) Ist Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden, so hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Absatz 1 Satz 8 gilt sinngemäß.

(4) Werden die Entgelte für unterschiedlich besteuerte Lieferungen oder sonstige Leistungen eines bestimmten Zeitabschnitts gemeinsam geändert (z.B. Jahresboni, Jahresrückvergütungen), so hat der Unternehmer dem Leistungsempfänger einen Beleg zu erteilen, aus dem zu ersehen ist, wie sich die Änderung der Entgelte auf die unterschiedlich besteuerten Umsätze verteilt.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob als Folge eines im Jahr 2001 geschlossenen Vergleichs über eine Werklohnforderung eine Berichtigung gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung des im Jahr 1981 vorgenommenen Vorsteuerabzugs im Rahmen der Umsatzsteuerveranlagung 2001 durchzuführen ist.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in der Rechtsform der GmbH & Co. KG die Einrichtung und Vermietung von Warenhäusern. Mit der Errichtung eines Warenhauses in D beauftragte sie die E-GmbH & Co. KG (E) als Generalunternehmerin. E stellte der Klägerin mit Rechnung Nr. 1925 vom 2. November 1981 hierfür einen Werklohn in Höhe von 34.630.117,29 DM zuzüglich 13 % Mehrwertsteuer in Höhe von 4.501.915,25 DM, insgesamt 39.132.032,54 DM, in Rechnung. Abzüglich bereits geleisteter Anzahlungen in Höhe von 35.010.765,02 DM ergab sich ein Restbetrag in Höhe von 4.121.267,52 DM. Auf diesen in der Rechnung Nr. 1925 bezeichneten Restbetrag leistete die Klägerin am 21. Januar 1982 eine Zahlung in Höhe von 1.700.000 DM und am 12. März 1982 eine weitere Zahlung in Höhe von 1 Mio. DM. Gleichzeitig teilte sie E mit, dass sie weitere Zahlungen von der Beseitigung von Mängeln, der Geltendmachung von Minderungsansprüchen und der vertraglich vereinbarten Vertragsstrafe abhängig mache. Den Restwerklohn in Höhe von 1.421.267 DM zahlte die Klägerin nicht. Sie wies diese Position in ihrer Bilanz als offene Verbindlichkeit aus. Die in der Rechnung vom 2. November 1981 ausgewiesene Mehrwertsteuer machte die Klägerin in vollem Umfang als Vorsteuer geltend.

3

Wegen Baumängeln bei der Errichtung des Warenhauses in D entstanden zwischen der Klägerin und E mehrere Rechtsstreitigkeiten. Die Klägerin verklagte E auf Zahlung einer Vertragsstrafe. E verklagte die Klägerin auf Zahlung des Restwerklohnes.

4

Am 27. Juni 2001 trafen die Klägerin und E die folgende Vereinbarung:
"...

5

E hat als Generalbauunternehmer 1981 das Warenhaus D für die Klägerin erstellt. Aus diesem Bauvorhaben sind zwischen den Parteien bislang noch Vertragsstrafen-, Restwerklohn- und Gewährleistungsansprüche streitig. Insoweit sind derzeit folgende Prozesse anhängig:
...

6

Zur Beilegung der jahrzehntelangen Auseinandersetzung schließen die Parteien folgenden Vergleich:

7

1. E beseitigt auf ihre Kosten bis spätestens 15.06.2001 die an der Abdichtung und Beschichtung aufgetretenen Schäden im Bereich der Parketage 3, die in der Vereinbarung vom 10.04.2001 (Anlage zu dieser Vereinbarung) aufgeführt sind. Die Mängelbeseitigungsarbeiten werden von den Parteien gemeinsam förmlich abgenommen. Eine Gewährleistung auf die Nachbesserungsleistung entfällt.

8

2. Mit Ausnahme des Nachbesserungsanspruches der Klägerin gemäß Ziffer 1 dieser Vereinbarung, sind mit Abschluss dieses Vergleichs alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Bauvorhaben '... D' abgegolten und erledigt.

9

3. Die Prozesse a. und b. werden durch Klagerücknahme mit Zustimmung der beklagten Partei erledigt. Die Gerichtskosten werden hälftig geteilt und außergerichtlich ausgeglichen. Jede Partei trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die jeweils beklagte Partei stellt keinen Kostenerstattungsantrag.
...

10

4. Mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung erklärt die Klägerin aus der von E übergebenen Bürgschaft der I vom 05.03.1982 über den Bürgschaftsbetrag in Höhe von 1.956.600,00 DM keine Rechte mehr herzuleiten. Die Originalbürgschaft ist bei der Klägerin nicht mehr auffindbar."

11

Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Außenprüfung änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den Umsatzsteuerbescheid 2001 und führte eine Vorsteuerkorrektur zu Lasten der Klägerin in Höhe von 163.509 DM nach § 17 UStG durch. Dabei ging es davon aus, dass erst mit Abschluss der Vereinbarung vom 27. Juni 2001 endgültig festgestanden habe, dass die Klägerin die offene Werklohnforderung in Höhe von 1.421.267 DM brutto aus der Rechnung vom 2. November 1981 nicht mehr an E bezahlen werde. Erst zu diesem Zeitpunkt sei die Werklohnforderung uneinbringlich geworden. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) folgte der Rechtsauffassung des FA. Die Leistung eines Unternehmers dürfe letztendlich nur mit der Bemessungsgrundlage besteuert werden, die sich aufgrund der von ihm wirklich vereinnahmten Gegenleistung ergebe. Deshalb habe das FA die Vorsteuer im Jahr 2001 zu Recht in Höhe von 163.509 DM gekürzt. In dem Abschluss des Vergleichs vom 27. Juni 2001 sei weder eine einseitige Aufrechnungserklärung noch ein Aufrechnungsvertrag zu sehen. Die Rechnung vom 2. November 1981 könne deshalb nicht in vollem Umfang als bezahlt angesehen werden. Das FA habe die Korrektur der Vorsteuer auch zutreffend im Jahr 2001 vorgenommen, da erst mit Abschluss der Vereinbarung vom 27. Juni 2001 endgültig festgestanden habe, dass eine Zahlung des noch ausstehenden Werklohnes nicht mehr erfolge. Der lange Zeitraum der Nichtzahlung des Restwerklohnes führe nicht dazu, bereits in einem früheren Zeitraum von einer Änderung der Bemessungsgrundlage auszugehen. Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin, mit der sie Verletzung materiellen und formellen Rechts geltend macht. Umsatzsteuerrechtlich komme es darauf an, ob mit dem Vergleich eine Minderung des Werklohnanspruchs eingetreten sei, denn nur dann ergebe sich eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG. Von einer Änderung der Bemessungsgrundlage könne nur ausgegangen werden, wenn E auf ihren Restwerklohnanspruch ohne Gegenleistung verzichtet hätte. Das sei nicht der Fall gewesen, weil in dem Vergleich vom 27. Juni 2001 die Abgeltung aller wechselseitigen Ansprüche vereinbart worden sei. Dass als Folge des Vergleichs keine Zahlung erfolgt sei, sei dabei ohne Bedeutung.

12

Auch werde die Ursache für die Zahlungsverweigerung mit den Baumängeln nur unvollständig beschrieben. Sie, die Klägerin, habe gegenüber E zum Ausdruck gebracht, dass weitere Zahlungen nicht nur von der Beseitigung von Mängeln, sondern auch von der Zahlung der vertraglich vereinbarten Vertragsstrafe abhängig seien. Auch die Vergleichsvereinbarung beruhe nicht allein auf Mängeln in der Bauausführung. E habe sich vielmehr zur Beseitigung der gerügten Mängel und zu einer gemeinsamen förmlichen Abnahme der Mängelbeseitigungsarbeiten verpflichtet. Im Fall der Mängelbeseitigung bestünde für sie, die Klägerin, kein Minderungsanspruch mehr gegenüber der Restwerklohnforderung der E. Folge man der Rechtsauffassung des FG, so habe E trotz Mängelbeseitigung auf seinen Restwerklohn verzichtet, obwohl dieser Restwerklohn gerade wegen der Mängelbeseitigung nicht mehr gemindert werden könne. Die Vergleichsvereinbarungen seien wie der Tausch zweier Leistungen zu beurteilen, bei dem die Beteiligten auf ein weiteres Entgelt verzichteten. Im Hinblick auf diese im Tauschweg vollzogene Leistung verbleibe es bei der Umsatzsteuerpflicht des Restwerklohnes des E. Außerdem stehe das Urteil des FG im Widerspruch zu den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Juli 2006 V R 13/04 (BFHE 214, 471, BStBI II 2007, 22), vom 13. Januar 2005 V R 21/04 (BFH/NV 2005, 928), vom 22. April 2004 V R 72/03 (BFHE 205, 525, BStBI II 2004, 684) sowie dem BFH-Beschluss vom 4. Juni 2007 V B 76/06 (BFH/NV 2007, 2151). Diesen Entscheidungen könne der Rechtssatz entnommen werden, dass Uneinbringlichkeit bereits dann gegeben sei, wenn die Entgeltsforderung substantiiert bestritten werde oder der Leistende die Entgeltsforderung auf absehbare Zeit nicht durchsetzen könne.

13

Das FG habe außerdem den Sachverhalt nicht vollständig dargestellt, weil es lediglich das Unterbleiben der Zahlung, nicht aber die Zahlungsverweigerung im Tatbestand wiedergegeben habe. Das aber sei entscheidungserheblich für die Frage, ob bereits vor 2001 Uneinbringlichkeit eingetreten sei. Uneinbringlichkeit habe bereits 1982 vorgelegen, weil sie, die Klägerin, bereits zu diesem Zeitpunkt das Bestehen der Restwerklohnforderung substantiiert bestritten und die Zahlung verweigert habe.

14

Das Urteil des FG leide zudem unter Verfahrensmängeln. Insbesondere lägen Verstöße gegen § 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.

15

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und den Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 14. Mai 2008 sowie die Einspruchsentscheidung vom 19. August 2008 aufzuheben.

16

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

17

Das FA hat sich der Rechtsauffassung des FG angeschlossen.

Entscheidungsgründe

18

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das FG hat zu Unrecht im Streitjahr 2001 eine Änderung der Bemessungsgrundlage gemäß § 17 UStG der im Streitjahr geltenden Fassung bejaht. Die Änderung der Bemessungsgrundlage ist bereits vor dem Streitjahr eingetreten. Ob insoweit eine Änderung nach § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung möglich ist, ist für das vorliegende Verfahren nicht entscheidungserheblich.

19

1. Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert, hat nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 UStG der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Das gilt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind der Steuerbetrag und der Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG). Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG sind die Berichtigungen für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, indem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist.

20

§ 17 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG beruhen auf Art. 11 Teil C Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach wird die Besteuerungsgrundlage im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes unter von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert, wobei die Mitgliedstaaten im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung jedoch von dieser Regel abweichen können.

21

2. Entgegen der Auffassung des FG hat sich die Bemessungsgrundlage nicht erst im Streitjahr 2001 gemindert.

22

a) "Uneinbringlich" ist eine Forderung, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 20. Mai 2010 I R 5/09, BFH/NV 2011, 77, unter II.2.; vom 22. Juli 2010 V R 4/09, BFHE 231, 260, unter II.4.b dd; in BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, unter II.1.a; in BFH/NV 2005, 928; in BFHE 205, 525, BStBl II 2004, 684). Das ist der Fall, wenn und ggf. soweit der Leistungsempfänger das Bestehen dieser Forderung ganz oder teilweise substantiiert bestreitet und damit erklärt, dass er die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) nicht bezahlen werde. Damit entfällt seine Berechtigung für den Abzug der Vorsteuer und dementsprechend ist die Umsatzsteuerschuld des Leistenden nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu korrigieren (BFH-Urteile in BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, unter II.1.a; in BFHE 205, 525, BStBl II 2004, 684, m.w.N.).

23

b) Diese Auslegung des Begriffes der Uneinbringlichkeit ist geboten im Hinblick auf die Unterschiede zwischen der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten und nach vereinnahmten Entgelten nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b UStG insoweit, als der nach vereinbarten Entgelten versteuernde Unternehmer die für den Steuertatbestand der entgeltlichen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG entstehende Umsatzsteuer gegenüber dem Steuergläubiger vorfinanzieren muss, wenn er die Leistung vor der Entgeltvereinnahmung erbringt. Eine Auslegung des Begriffes der Uneinbringlichkeit, wonach diese z.B. erst bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder wie im Streitfall erst nach Abschluss eines Klageverfahrens in Bezug auf die Entgeltforderung vorläge, ließe sich mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbaren. Den Besteuerungsunterschieden ist aber durch die Auslegung des Begriffes der Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG (Art. 11 Teil C Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) in der unter II.2.a) genannten Rechtsprechung hinreichend Rechnung getragen (BFH-Urteil in BFHE 231, 260).

24

c) Die Forderung auf Zahlung des Restwerklohnes ist bereits vor dem Streitjahr 2001 uneinbringlich geworden. Die Klägerin hatte bereits zuvor das Bestehen der Restwerklohnforderung substantiiert bestritten und damit erklärt, dass sie die noch ausstehende Entgeltforderung nicht bezahlen werde. Dabei braucht der Senat nicht darüber zu entscheiden, ob die Uneinbringlichkeit bereits mit dem Schreiben der Klägerin vom 12. März 1982, in dem sie "Minderungen bzw. Einbehalte" sowie eine Vertragsstrafe geltend machte, oder erst mit ihrer Klageerhebung im Jahr 1983 wegen Zahlung der Vertragsstrafe beim Landgericht (LG) bzw. der Klage des leitenden Unternehmens gegen die Klägerin wegen der Restwerklohnforderung im Jahr 1984 beim LG eingetreten ist. Die bereits eingetretene Uneinbringlichkeit schließt eine erneute Uneinbringlichkeit im Streitjahr 2001 aus. Dies wird letztlich bestätigt durch den weiteren Verfahrensablauf, in dem mehrere Rechtsstreite über einen Zeitraum von 19 Jahren geführt wurden und heute noch Uneinigkeit darüber besteht, ob der Vergleich aus dem Jahr 2001 zu einer Erfüllung der Restwerklohnforderung oder zu einer Minderung geführt hat.

25

Der Auffassung des FG, dass vor 2001 keine Uneinbringlichkeit eingetreten sei, weil die Klägerin zahlungsfähig und wegen der gerichtlichen Verfahren die Zahlung des Restwerklohnes bzw. die Verpflichtung der Klägerin hierzu zu erwarten gewesen sei, folgt der Senat nicht. Einerseits hindert die Zahlungsfähigkeit nicht den Eintritt der Uneinbringlichkeit, weil hierfür aus den oben genannten Gründen die substantiierte Zahlungsverweigerung ausreicht; Zahlungsunfähigkeit ist hierfür nicht erforderlich. Andererseits lässt sich aus einem Klageverfahren über die streitige Forderung in der Regel nicht --wie das FG meint-- die Vermutung herleiten, die Forderung werde im Zuge des Klageverfahrens beglichen werden.

26

Schließlich spricht auch die bilanzielle Behandlung der Restwerklohnforderung als offene Verbindlichkeit nicht gegen die Uneinbringlichkeit. Zum einen ist diese Behandlung einer streitigen Verbindlichkeit durch das im Handelsrecht geltende Vorsichtsprinzip (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuches) geboten. Zum anderen ist die bilanzielle Behandlung für die umsatzsteuerrechtliche Frage des substantiierten Bestreitens der Forderung ohne Belang.

27

3. Über die Frage, ob nach einer spätestens 1984 erforderlichen Vorsteuerberichtigung zu Lasten der Klägerin im Streitjahr 2001 erneut die Vorsteuer zugunsten der Klägerin (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG) zu berichtigen wäre, kann der Senat im vorliegenden Verfahren nicht entscheiden. Eine derartige Berichtigung zugunsten der Klägerin käme in Betracht, wenn nach einer zuvor erfolgten Herabsetzung des Vorsteueranspruchs dieser wegen Erfüllung der Restwerklohnforderung in 2001 im Wege der Aufrechnung erneut zu berichtigen wäre. Da die Klage aus den unter II.2. ausgeführten Gründen für das Streitjahr in vollem Umfang Erfolg hat, hat der Senat hierüber aber nicht zu entscheiden. Aus dem Grundsatz der Bindung an das Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) folgt, dass das Gericht nicht über das Klagebegehren hinausgehen darf. Das heißt, das Gericht darf dem Kläger nicht etwas zusprechen, was dieser nicht beantragt hat ("ne ultra petita"), und auch nicht über etwas anderes ("aliud") entscheiden, als der Kläger durch seinen Antrag begehrt und zur Entscheidung gestellt hat (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1994 VII R 18/93, BFH/NV 1995, 697, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom 25. Oktober 2011 IV B 59/10, BFH/NV 2012, 251; vom 13. Juli 2009 IX B 33/09, BFH/NV 2009, 1821).

28

4. Da das Urteil der Vorinstanz aufzuheben war, war über die Verfahrensrügen nicht mehr zu entscheiden.

(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen. Die Sätze 1 bis 4 gelten in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 und des § 13b sinngemäß. Bei Preisnachlässen und Preiserstattungen eines Unternehmers in einer Leistungskette an einen in dieser Leistungskette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer liegt eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach Satz 1 nur vor, wenn der Leistungsbezug dieses Abnehmers im Rahmen der Leistungskette im Inland steuerpflichtig ist. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs kann unterbleiben, soweit ein dritter Unternehmer den auf die Minderung des Entgelts entfallenden Steuerbetrag an das Finanzamt entrichtet; in diesem Fall ist der dritte Unternehmer Schuldner der Steuer. Die Berichtigungen nach den Sätzen 1 und 2 sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Die Berichtigung nach Satz 4 ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der andere Unternehmer wirtschaftlich begünstigt wird.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn

1.
das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;
2.
für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist;
3.
eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb rückgängig gemacht worden ist;
4.
der Erwerber den Nachweis im Sinne des § 3d Satz 2 führt;
5.
Aufwendungen im Sinne des § 15 Abs. 1a getätigt werden.

(3) Ist Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden, so hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Absatz 1 Satz 8 gilt sinngemäß.

(4) Werden die Entgelte für unterschiedlich besteuerte Lieferungen oder sonstige Leistungen eines bestimmten Zeitabschnitts gemeinsam geändert (z.B. Jahresboni, Jahresrückvergütungen), so hat der Unternehmer dem Leistungsempfänger einen Beleg zu erteilen, aus dem zu ersehen ist, wie sich die Änderung der Entgelte auf die unterschiedlich besteuerten Umsätze verteilt.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.